Fee Steinhoff Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
Betriebswirtschaftslehre fiir Technologie und Innovatio...
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Fee Steinhoff Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
Betriebswirtschaftslehre fiir Technologie und Innovation, Band 57 Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Sonke Albers, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Brockhoff (em.), Prof. Dr. Holger Ernst, Prof. Dr. Hans Georg Gemiinden, Prof. Dr. Dr. h.c. Jurgen Hauschildt, Prof. Dr. Thorsten Teichert Geschaftsfuhrender Herausgeber: Professor Dr. Dr. h.c. Sonke Albers, Institutfur betriebswirtschaftliche Innovationsforschung, Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel
In der Schriftenreihe werden Ergebnisse von Forschungsarbeiten veroffentlicht, die sich in herausragender Weise mit Fragen des Managements neuer Technologien, der industriellen Forschung und Entwicklung und von Innovationen aus betrieblicher Perspektive beschaftigen. Die Reihe richtet sich an Leser in Wissenschaft und Praxis, die Anregungen fur die eigene Arbeit und Problemlosungen suchen. Sie ist nicht auf Veroffentlichungen aus den Instituten der Herausgeber beschrankt.
Fee Steinhoff
Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Konzeptualisierung, empirische Bestandsaufnahme und Erfolgsbetrachtung
Mit einem Geleitwortvon Prof. Dr. Volker Trommsdorff
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iJber abrufbar.
Dissertation Technische Universitat Berlin, 2006 D83
1.AuflageDezember2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Scholler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diJrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0640-9
Geleitwort
Geleitwort Marktorientierung und Kundenorientiemng als Teil der Marktorientierung sind erst in den letzten Jahren, und das vor allem in der angloamerikanischen Marketingliteratur, grundlich untersucht worden. Viele Erkenntnisse iiber Erscheinungsformen, Determinanten, Messmethoden und Wirkungen von Marktorientierung auf - relativ abstrakter - Untemehmensebene liegen vor, weniger jedoch in Bezug auf Innovationen und so gut wie nichts iiber die Erfolgswirkung verschiedener Arten der Kundenorientiemng auf konkreter Projektebene, insbesondere bei hochgradigen Innovationen. So fallt es schwer, greifbare Handlungshinweise daraus abzuleiten. Durch situationsspezifische Konzeptualisierung der Kundenorientiemng fur hochgradige Innovationsprojekte setzt die vorliegende Arbeit genau hier an. Diese Dissertation ist eine von vielen wissenschaftlichen Arbeiten, die bisher aus dem Forschungsprogramm „InnovationsKompass" der TU Berlin hervorgegangen sind. Der InnovationsKompass ist eine groBzahlig empirisch angelegte, auf Theorien des Innovationsmanagement fundierte, iiber die Zeit in mehreren Wellen erhobene und vielfaltig analysierte Studie der Erfolgsfaktoren hochgradiger Produktinnovationen in mehreren Schliisselbranchen der deutschen Industrie. Als Mitglied meines Wissenschaftsteams hat Frau Steinhoff die bei hochgradigen Innovationen besonders erfolgskritischen Erscheinungsformen der Kundenorientiemng untersucht, also herausgearbeitet, wie sich konkrete Praktiken des am Kunden ausgerichteten Innovationsmarketing auf den Innovationserfolg auswirken. Die Aufgabe ist originell, theoretisch und empirisch anspmchsvoll und ins Gmndsatzliche und Verallgemeinerbare zielend. Basierend auf dem aktuellen Erkenntnisstand der Literatur sowie eigenen, konzeptionellkreativen Uberlegungen entwickelt Frau Steinhoff ein sorgfaltig ausdifferenziertes Konzept der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen. Im Rahmen einer darauf aufbauenden empirischen Bestandsaufnahme geht die Autorin der Frage nach, wie kundenorientiert die deutsche Wirtschaft in hochgradigen Innovationsprojekten gegenwartig agiert. Die Ergebnisse beinhalten interessante Verteilungen iiber die Auspragungen erfragter Aktivitaten der Kundenorientiemng und iiberzeugen durch eine qualitativ hochwertige und gleichzeitig quantitativ angemessene, ergiebige Datenbasis. Der Erfolgseinfluss der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen wird theoretisch und empirisch beleuchtet. Theoretisch werden gemaB den wissenschaftlichen Anfordemngen an die Erfolgsfaktorenforschung allgemeine Theorieansatze (ressourcenbasierter Ansatz und Ressourcenabhangigkeitsperspektive) herangezogen und publizierte konzeptionelle und empirische Beftinde umfassend und systematisch aufgearbeitet und diskutiert. Empirisch werden die resultierenden Hypothesen anhand der Daten des InnovationsKompass gepruft. Die Ergebnisse zeigen, dass intensive Kundenorientiemng ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist und dass die Erfolgsbedeutung mit zunehmendem Innovationsgrad steigt. Dariiber hinaus wird die in
VI
Geleitwort
der Literatur oft angefiihrte ,Gefahr des Inkrementalismus' widerlegt. Unterschiedliche Erfolgsbeitrage spezifischer Merkmale integrierter Kunden werden festgestellt. Konsequenzen fiir die Praxis des Innovationsmarketing und fiir die weitere Forschung werden abgeleitet. Fee Steinhoff hat erschopfend interessante theoretische Erkenntnisse und dariiber hinaus einen deskriptiven und einen multivariat-statistisch gestutzten umfassenden Theoriebeitrag zum differenzierten Erfolgsfaktor Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen erarbeitet und exzellent dokumentiert. Neben dem beachtlichen wissenschaftlichen Beitrag zur Innovationsforschung wird auch fiir die praktische Ausgestaltung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen eine Fiille an Anregungen gegeben. Ich erwarte eine weite Verbreitung der hier dokumentierten Erkenntnisse in Wissenschaft und Praxis. Volker Trommsdorff
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen der Forschungskooperation InnovationsKompass und wahrend meiner Tatigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Marketing I der Technischen Universitat Berlin. Ich mochte an dieser Stelle all den Menschen danken, die meine Zeit des Promovierens besonders intensiv gepragt haben. Mein Dank gebiihrt zunachst Professor Dr. Volker Trommsdorff fiir die Betreuung meiner Arbeit, sein motivierendes Vertrauen in das Gelingen sowie die vielfaltigen wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen, die ich an seinem Lehrstuhl sammeln durfte. Meinem Zweitgutachter Professor Dr. Hans Georg Gemiinden bin ich sehr dankbar fur die Initialziindung meiner Mitwirkung am InnovationsKompass und seine wertvollen Anregungen im Verlauf der Arbeit. Wesentliche Unterstiitzung habe ich auch durch seinen ehemaligen Habilitanden Professor Dr. Soren Salomo erfahren, von dem ich nicht nur fachlich, sondem vor allem auch menschlich viel gelemt habe. Professor Dr. Jiirgen Kromphardt danke ich fiir die Ubemahme des Vorsitzes des Promotionsausschusses. Allen Mitarbeitem und Kollegen am Lehrstuhl mochte ich ausdriicklich Dank sagen, nicht nur fiir die konstruktive und gute Zusammenarbeit, sondem vor allem auch fiir die schone Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Besonderen Dank schulde ich meinem fachlichen Counterpart, Mr. Wettbewerbsorientierung Robert Knack. Er hatte immer ein Ohr fiir mich, nicht nur fur meine zum Teil sicher verworrenen Gedanken und Ideen, sondem auch meine Sorgen und Note. Die sehr intensiv gemeinsam durchlebte Zeit verschiedener Innovationswerkstatten und vor allem unseres „Endspurtes" habe ich als sehr bereichemd empfiinden. Nicht zu vergessen ist mein personlicher Formatiemngs-Held Justin Becker, der nicht nur mit beeindmckender Akribie das Lektorat iibemommen hat, sondem an dessen ansteckendem Optimismus ich immer wieder Teil haben durfte. Schliefilich gebiihrt mein besonderer Dank meiner ehemaligen Kollegin und mittlerweile engen Freundin Katja Zboralski. Unsere gemeinsam durchlebten Wochen im „Dissertationscamp Wustrow" waren wunderschon! WertvoUe Korrekturanregungen und viele wissenschaftliche, aber auch nicht-wissenschaftliche Diskussionen wahrend Pausenspaziergangen & vor dem Kamin haben maBgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Herzlichen Dank an dieser Stelle auch an Erika und Martin Heidenhain, in deren beeindmckend schonem Haus wir immer wieder verweilen durften! Mein herzlichster Dank gilt meiner Familie. Meinen Eltem Eva und Jiirgen sowie meiner Schwester Lisa danke ich fiir ihre unersetzliche, liebevoUe Unterstiitzung und ihren unerschiitterlichen Optimismus in das Gelingen der Arbeit. Meinem Partner Christoph Heidenhain danke ich fiir seine Liebe, fiir seine unzahligen positiven Impulse und nicht zuletzt fiir seinen unglaublich befreienden Humor, der mich sicher durch das ein oder andere Tal geleitet hat. Fee Steinhoff
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkurzungsverzeichnis
XIII XV XVII
I Einfuhrung
1
1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit 2 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit
1 9
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
15
3 Innovationen
15
3.1 Grundlagen zur Innovation 3.1.1 Innovation und Innovationsmanagement 3.1.2 Erfolg von Innovationen 3.1.2.1 Erfolgsmessung 3.1.2.2 Erfolgsfaktorenforschung 3.1.3 Adoptions-und Diffiisionsforschung
15 15 19 19 21 24
3.2 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen und seine Auswirkungen 3.2.1 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen 3.2.1.1 LFberblick zu Innovationstypologien und generische Begriffsabgrenzung.. 3.2.1.2 Multidimensionale Betrachtung des Innovationsgrades 3.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen 3.2.2.1 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht 3.2.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht 3.2.2.3 Einfluss des Innovationsgrades auf den Innovationserfolg 3.2.3 Der Innovationsgrad als Kontingenzfaktor in der Erfolgsfaktorenforschung....
27 27 27 32 36 37 40 45 47
3.3 Ausgewahlte Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellern und Kunden im Innovationsprozess
49
4 Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene
53
4.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung und Begriffsabgrenzung 4.1.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung 4.1.2 Abgrenzung der Begriffe Marketing-, Markt- und Kundenorientierung
53 53 56
4.2 Perspektiven der Marktorientierung auf der Unternehmensebene 58 4.2.1 Traditionelle Perspektiven der Marktorientierung 59 4.2.1.1 Kulturorientierte Ansatze 59 4.2.1.2 Verhaltensorientierte Ansatze 61 4.2.1.3 Zusammenfassung und kritische Wiirdigung traditioneller Perspektiven.... 64 4.2.2 Neuere Perspektiven der Marktorientierung 68 4.2.2.1 Marktorientierung und Organisationales Lemen 68 4.2.2.2 Reaktive/marktgeleitete versus proaktive/marktgestaltende Formen der Marktorientierung 70 4.3 Einfluss der Marktorientierung auf der Unternehmensebene auf den Erfolg. 74 4.3.1 Uberblick zum Forschungsfeld 74 4.3.2 Differenzierte Synopse empirischer Befunde 78 4.3.2.1 Direkte Effekte 78 4.3.2.2 Moderierende und mediierende Effekte 83
X
Inhaltsverzeichnis 4.3.3 Kritische Wurdigung vorliegender empirischer Befunde
87
4.4 Zusammenfassung und Ableitung von Forschungspotenzialen
89
IIIKonzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und empirische Bestandsaufnahme
93
5 Konzeptualisierung des 3-Saulenmodells der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 5.1 Untersuchungsfolius und Stand der Forschung 5.1.1 Prazisierung des Untersuchungsfokus 5.1.2 Darstellung des Forschungsstandes
93 93 93 96
5.2 Basisverstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen.... 98 5.2.1 Auswahl des Ansatzes von KOHLl/JAWORSKi (1990) als Referenzbasis 98 5.2.2 Generatives Lemen und Marktgestaltung als wesentliche Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 100 5.3 Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 103 5.3.1 Erste Saule: Intelligence Generation 103 5.3.1.1 Intelligence Generation verstanden als Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung 103 5.3.1.2 Inhaltliche Beschreibung der Intelligence Generation 106 5.3.2 Zweite Saule: Intelligence Dissemination 110 5.3.2.1 Intelligence Dissemination verstanden als Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess 110 5.3.2.2 Abgrenzung der ersten beiden Saulen der Kundenorientierung 114 5.3.2.3 Inhaltliche Beschreibung der Intelligence Dissemination 116 5.3.3 Dritte Saule: Responsiveness 121 5.3.3.1 Responsiveness verstanden als Wissenstransfer durch Marktvorbereitungl21 5.3.3.2 Inhaltliche Beschreibung der Responsiveness 122 5.4 Zusammenfassung 6 Empirische Bestandsaufnahme
127 131
6.1 Design der empirischen Untersuchung 6.1.1 Zielsetzung des Innovationskompass 6.1.2 Beriicksichtigung von Qualitatskriterien der empirischen Forschung 6.1.2.1 Generierung der Stichprobe und Respondentenauswahl 6.1.2.2 Vorbereitung und Durchfuhrung der Datenerhebung 6.1.3 Operationalisierung der Basiskonzepte 6.1.3.1 Unterscheidung von drei Prozessphasen hochgradiger Innovationsprojekte 6.1.3.2 Messung der Gestaltungsmerkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 6.1.4Methodische Analysegrundlagen
131 131 132 132 135 138
6.2 Deskriptive Ergebnisse der empirischen Untersuchung 6.2.1 Beschreibung der Stichprobe 6.2.2 Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 6.2.2.1 Merkmale der Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation) 6.2.2.2 Merkmale der Kundenintegration (Intelligence Dissemination) 6.2.2.3 Merkmale der Marktvorbereitung (Responsiveness)
144 144 145 146 156 162
138 139 143
Inhaltsverzeichnis 6.3 Zusammenfassung
IV Theoretische und literaturgestiitzte Erfolgsableitung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 7 Theoriebasierte Erfolgsableitung
XI 165
169 169
7.1 Auswahl geeigneter theoretischer Perspektiven
169
7.2 Ressourcenbasierter Ansatz 7.2.1 Uberblick zum ressourcenbasierten Ansatz 7.2.2 Ressourcenbasierte Erfolgsableitung 7.2.2.1 Kundenorientierung auf der Untemehmensebene als Determinante des Untemehmenserfolges 7.2.2.2 Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen als Determinante des Innovationserfolges 7.3 Ressourcenabhangigkeitsperspektive 7.3.1 Uberblick zur Ressourcenabhangigkeitsperspektive 7.3.2 Obertragung der Ressourcenabhangigkeitsperspektive auf den Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
171 171 176 176 178 183 184 186
7.4 Zusammenfassung und theoriebasierte Hypothesenableitung
189
8 Ableitung eines Erfolgszusammenhanges aus der konzeptionellen und empirischen Literatur
193
8.1 Uberblick zu relevanten Befunden aus der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung 8.1.1 Metasynopse zu Erfolgsfaktoren im Kontext der Kundenorientierung 8.1.2 Differenzierte Befunde zur Kundenintegration
193 193 196
8.2 Befunde im Kontext hochgradiger Innovationen 198 8.2.1 Konzeptionelle Beitrage zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 198 8.2.1.1 Probleme der Informationsermittlung 198 8.2.1.2 Konzeptionelle Empfehlungen 200 8.2.1.3 Innovative Methoden der Kundenorientierung 205 8.2.2 Empirische Befunde zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen209 8.2.2.1 Befunde zur Kundenorientierung auf der Untemehmensebene 210 8.2.2.1.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad 210 8.2.2.1.2 Einfluss der Kundenorientierung auf denErfolg 213 8.2.2.1.3 Zusammenfassung und kritische Wiirdigung vorliegender Befunde... 214 8.2.2.2 Befunde zur Kundenorientierung auf der Projektebene 217 8.2.2.2.1 Befunde zur Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation).... 218 8.2.2.2.2 Befunde zur Kundenintegration (Intelligence Dissemination) 221 8.2.2.2.3 Befunde zur Marktvorbereitung (Responsiveness) 225 8.3 Zusammenfassung und Hypothesenableitung
V Empirische tjberpriifung des Erfolgseinflusses der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 9 Konzeption der empirischen Erfolgsbetrachtung
226
231 231
9.1 Hypothesen im Untersuchungsmodell und erganzende Fragestellungen
231
9.2 Operationalisierung der zentralen Konstrukte
232
XII
Inhaltsverzeichnis 9.2.1 Operationalisierung der Kundenorientierung 9.2.1.1 Intelligence Generation 9.2.1.2 Intelligence Dissemination 9.2.1.3 Responsiveness 9.2.2 Operationalisierung des Innovationsgrades 9.2.3 Operationalisierung des Erfolges 9.3Methodik 9.3.1 Validierung der Konstruktmessungen 9.3.2 Analyse der Konstruktbeziehungen 9.3.2.1 Regressionsanalyse 9.3.2.2 Diskriminanzanalyse 10 Empirische Ergebnisse
232 233 235 238 239 241 243 243 245 246 249 251
10.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg
251
10.2 Erganzende Fragestellungen zum Untersuchungsmodell 10.2.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad 10.2.2 Erfolgswirkung der Eigenschaflen integrierter Kunden 10.3 Zusammenfassung und Icritische Wiirdigung der Ergebnisse
256 256 258 263
VI Zusammenfassung und Implikationen 11 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit 12 Implikationen der Arbeit
269 269 279
12.1 Implikationen fiir die Forschung
279
12.2 Implikationen fiir die Praxis
284
Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis
287 333
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Verfolgter Forschungsansatz: Realitatsorientierte Forschung
10
Abb. 2: Aufbau der Arbeit
13
Abb. 3: Uberblick zu Innovationstypologien in der Literatur
28
Abb. 4: Zweidimensionales Grundverstandnis des Innovationsgrades
31
Abb. 5: Konzeptualisierung des Innovationsgrades als vierdimensionales Konstrukt
36
Abb. 6: Marktorientierung als aggregiertes Konstrukt der Kunden-, Wettbewerber- und Umfeldorientierung Abb. 7: Zusammenfassende Gegeniiberstellung traditioneller Perspektiven der Marktorientierung
65
Abb. 8: Empirische Forschung zum Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg
75
58
Abb. 9: Untersuchungsfokus: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
95
Abb. 10: Basisverstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
102
Abb. 11: Fehlentscheidung erster und zweiter Art
104
Abb. 12: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Intelligence Generation
109
Abb. 13: Abgrenzung der Intelligence Generation und Dissemination
115
Abb. 14: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Intelligence Dissemination
120
Abb. 15: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Responsiveness
127
Abb. 16: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Abb. 17: Untemehmensbezogene Merkmale der Stichprobe
128 145
Abb. 18: Einsatz von Innovationsmarktforschungsaktivitaten
146
Abb.19: Aktivitaten der Innovationsmarktforschung in den drei Phasen
147
Abb. 20: Verteilung der wichtigsten eingesetzten Marktforschungsaktivitaten
150
Abb. 21: Verfolgte Ziele der wichtigsten Marktforschungsaktivitaten
152
Abb. 22: Bewertung der wichtigsten Marktforschungsaktivitaten
154
Abb. 23: Einsatz von Kundenintegration und Grtinde dagegen
156
Abb. 24: Arten der Kundenintegration in den drei Phasen
157
Abb. 25: Funktionen der wichtigsten integrierten Kunden
159
Abb. 26: Eigenschaften der wichtigsten integrierten Kunden
159
Abb. 27: Zusammenhang zwischen den Funktionen der Kunden und der Bewertung der Kundenintegration Abb. 28: Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Kunden und der Bewertung der Kundenintegration
161 161
Abb. 29: Ausgestaltung der Marktvorbereitung
163
Abb. 30: Produktvorankiindigung
164
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 31: Ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung (Untemehmensebene)
177
Abb. 32: Ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Proj ektebene)
181
Abb. 33: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen aus Sicht der Ressourcenabhangigkeitsperspektive
188
Abb. 34: Die optimale Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
190
Abb. 35: Ziele und Gefahren der Integration von Kunden in den Innovationsprozess
197
Abb. 36: Hypothesen im Untersuchungsmodell
231
Abb. 37: Intensitatsskala der Innovationsmarktforschung
233
Abb. 38: Intensitatsskala der Kundenintegration
236
Abb. 39: Zusammenfassende Darstellung zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
256
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht
37
Tab. 2: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Kundensicht
41
Tab. 3: Befunde zum Erfolgseinfluss der Markt-, Kundenund Wettbewerberorientierung Tab. 4: Befunde zu Moderatoreffekten von Branchenmerkmalen
80 84
Tab. 5: Befunde zum mediierenden Einfluss der Innovationsneigung des Untemehmens... 87 Tab. 6: Messung der Gestaltungsmerkmale der Intelligence Generation
140
Tab. 7: Messung der Gestaltungsmerkmale der Intelligence Dissemination
142
Tab. 8: Messung der Gestaltungsmerkmale der Responsiveness
143
Tab. 9: Metasynopse zur Kundenorientierung im Kontext der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung Tab. 10: Schwierigkeiten der Informationsermittlung im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte
194 199
Tab. 11: Innovative Methoden der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen .... 207 Tab.12: Einfluss der Markt-/Kundenorientierung auf den Innovationsgrad
212
Tab. 13: Erfolgsfaktorenstudien im Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
218
Tab. 14: Operationalisierung des Innovationsgrades
240
Tab. 15: Ergebnisbezogene Erfolgsoperationalisierung
242
Tab. 16: Prozessbezogene Erfolgsoperationalisierung
243
Tab. 17: Ergebnisse der Regressionsanalysen (Erfolg)
252
Tab. 18: Ergebnisse der Regressionsanalysen (Innovationsgrad)
257
Tab. 19: Einfluss der Eigenschaften der Kunden auf den phasenspezifischen Erfolg
260
Tab. 20: Zusammenfassende Hypothesenpriifung
264
Tab. 21: Zusammenfassende Darstellung zum Erfolgseinfluss der Eigenschaften der integrierten Kunden
265
Abkiirzungsverzeichnis
Abkiirzungsverzeichnis BtoB
Business to Business
BtoC
Business to Consumer
bzgl.
beziiglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CAP
Customer-Active-Paradigm
CAP 2
Weiterentwicklung des CAP
d.h.
das heiBt
etal.
et altera (und andere)
F
F-Wert
F&E
Forschung und Entwicklung
f.
folgend
ff.
fortfolgend
ggf. H.d.V.
Hervorhebung der Verfasserin
H.i.O.
Hervorhebung im Original
gegebenenfalls
i.d.R.
in der Regel
ID
Intelligence Dissemination
IG
Intelligence Generation
IN
Innovationsgrad
MAP
Manufacturer-Active-Paradigm
n
Fallzahl
P r
Signifikanzniveau Korrelationskoeffizient nach Pearson
R
Responsiveness
R'
BestimmtheitsmaB
R korr
korrigiertes BestimmtheitsmaB
s.
Seite
sog.
sogenannte
u.a.
unter anderem
VIF
Variance Inflation Factor
vs.
versus
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
XVII
I Einfiihrung
I Einfuhrung 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit Das Erfordemis einer konsequenten Ausrichtung neuer Produkte an den Bediirfnissen potenzieller Kunden ist sowohl in der Untemehmenspraxis als auch in der wissenschaftlichen Forschung unbestritten (LETTL/GEMUNDEN 2005, S. 339; MASON/HARRIS 2005, S. 373; TROMMSDORFF/BINSACK 1999, S. 113 f.). Es zeigt sich jedoch eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Bedeutung und der konkreten Umsetzung in der Praxis (EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 24) sowie der wissenschaftlichen Durchdringung des Themas (DANNEELS 2003, S. 575). Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Phanomen der Kundenorientierung im Innovationsprojekt. Dabei wird eine situationsspezifische Vorgehensweise gewahlt: Betrachtet wird das Konstrukt im Kontext von Innovationen eines vergleichsweise hohen Neuigkeitsgrades, sog. hochgradigen Innovationen. Dazu zahlen technologisch relativ neuartige Produkte (z.B. auf Brennstoffzellenantrieb basierende Automobile), Innovationen, die auf der Seite des Marktes einen vergleichsweise hohen neuen Kundennutzen adressieren (z.B. 3M Post-it Notes), sowie Innovationen, die in beiden Bereichen als relativ neuartig einzustufen sind (z.B. die ersten Mobilftinktelefone; BERGSTEIN/ESTELAMI 2002, S. 303; TSCHIRKY 1998, S.4). Im Folgenden wird der Forschungsbedarf fur die Praxis und Wissenschaft herausgearbeitet. Forschungsbedarffur die Praxis Der Wohlstand einer Volkswirtschaft hangt heutzutage entscheidend von der Innovativitdt im internationalen Vergleich ab (JOHANNESSEN etal. 2001, S. 27). Im Bereich hochgradiger Innovationen wird Deutschland vielfach eine schlechte Wettbewerbsposition zugeschrieben (BERTH 2003, S. 19; LEHRER 2000, S. 95). Betrachtet man zunachst undifferenziert die sog. Innovatorenquote, so weist Deutschland eine positive Bilanz auf: Im Zeitraum 1998 bis 2000 haben ca. 60 % der Untemehmen im produzierenden Gewerbe und ca. 50 % im Dienstleistungssektor eine Innovation in den Markt bzw. ins Untemehmen eingefiihrt. Innovationen haben damit in Deutschland weltweit betrachtet eine tiberdurchschnittlich groBe Verbreitung (BMBF 2005, S. 4). Die Innovationskraft spiegelt sich auch in den Exportzahlen wider: Die Exportwettbewerbsfahigkeit der deutschen Wirtschaft ist nach wie vor sehr hoch (BMBF 2005, S. 65). Eine nach Industriesektoren differenzierte Betrachtung macht jedoch auf ein Defizit aufmerksam: Die starken Exporterfolge Deutschlands beruhen weitgehend auf Gtitem der sog. hochwertigen Technologic (z.B. Chemieindustrie). Besonders wachstumstrachtige Spitzentechnologien (z.B. Informations- und Kommunikationstechnologie, Biotechnologie) zahlen hingegen weder in der Export- und Wirtschaftsstruktur noch bei den F&E-Ausgaben und Erfindungen zu
I Einfiihrung
Deutschlands Schwerpunkten. So nimmt Deutschland z.B. bezogen auf die relativen Welthandelsanteile im Bereich der hochwertigen Technologic nach Japan Rang 2 ein, kann sich im Bcreich dcr Spitzcntcchnologic jedoch nur auf Rang 5 platzieren (BMBF 2005, S. IV und 58). Es lasst sich cine Gefahrdung der zukiinftigen Wcltmarktposition Deutschlands durch die in diesem Bereich fuhrenden Lander (USA und GroBbritannien) ableiten. Es gilt, entsprechende Handlungsoptionen zu identifizieren, die cine Trendwende ermoglichen (CROOKER/FEIGE 2001, S. 17). Handlungsbedarf zeigt sich nicht nur im intemationalen Vergleich. Die aktuelle Studie zum Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft macht darauf aufmerksam, dass im Jahr 2004 nur ca. 22 % der Industrieuntemehmen in Deutschland Marktneuheiten, also Produkte, die zuvor noch nicht im Markt angeboten wurden, platzieren konnten. Im Vergleich zum Jahr 2002 lasst sich ein deutlicher Riickgang um ca. 6 % erkennen (ASCHHOFF et al. 2006, S. 6). Griinde fiir diese Entwicklung lassen sich nur vermuten. Hochgradige Innovationen beinhalten zwar die Chance auf iiberdurchschnittlich hohe Wachstums- und Profitraten (REID/DE BRENTANI 2004, S. 172), sind allerdings auch mit uberdurchschnittlich hohen Investitionen und Risiken verbunden (DANNEELS 2002, S. 1106). Es scheint, dass derzeit ein zunehmender Anteil deutscher Untemehmen versucht, durch eine Konzentration auf Imitationen Marktrisiken zu minimieren (ASCHHOFF et al. 2006, S. 6). Was bedeutet das aus einer handlungsorientierten Perspektivel Zielsetzung muss es sein, das seitens der deutschen Wirtschaft hohe wahrgenommene Risiko der Entwicklung hochgradig innovativer Produkte zu senken. Eine grundsatzliche Moglichkeit besteht darin, Wissen zu vermitteln, wie die Erfolgschancen neuer Produkte gesteigert werden konnen. Trotz einer Vielzahl bekannter und immer wieder bestatigter Faktoren aus der sog. Erfolgsfaktorenforschung sind die Erfolgsraten der Neuproduktentwicklung jedoch in den letzten Jahren relativ konstant geblieben (BEVERLAND et al. 2006, S. 383; COOPER 1999, S. 115). Nach wie vor scheitert die tiberwiegende Anzahl eingeftihrter Innovationen im Markt (AVLONITIS/ PAPASTATHOPOULOU 2001, S. 706; POOLTON/BARCLAY 1998, S. 203). Aktuelle Studien
identifizieren bei den von ihnen untersuchten Innovationsprojekten ahnliche Managementdefizite wie vor 30 Jahren (ERNST 2002, S. 32; JENSEN/HARMSEN 2001, S. 37). Es lasst sich ableiten, dass die bestehenden Erkenntnisse der Erfolgsfaktorenforschung bis heute nur unzureichend in der Praxis implementiert wurden (JENSEN/HARMSEN 2001, S. 38). Ein wesentlicher Grund manifestiert sich im Bereich der Wissenschaft: Bei vielen Befiinden der Erfolgsfaktorenforschung handelt es sich um grundsatzliche Handlungsorientierungen, jedoch keine konkreten Handlungsempfehlungen (HAENECKE 2002, S. 176; MELHERITZ 1999, S. 258). Entsprechend schwer tun sich Untemehmen, die Erkenntnisse nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondem auch praktisch umzusetzen.
I Einfuhrung
Das gilt im Besonderen fiir den haufig identifizierten Erfolgsfaktor Kundenorientierung (BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 18). Kaum ein Managementcredo hat in der Vergangenheit einen ahnlich hohen Verbreitungsgrad erlangt wie die Relevanz der Ausrichtung der Unternehmenstatigkeit an den Bediirfnissen der Kunden (KLEINALTENKAMP 1996, S. 14; AAKER 1989, S. 95). Gleichzeitig verweisen aktuelle empirische Studien auf erhebliche Mangel bei der Implementierung der Kundenorientierung allgemein (MASON/HARRIS 2005, S. 373; HARRIS/PIERCY 1997, S. 33) und insbesondere im Kontext der Entwicklung neuer Produkte (EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 24; COOPER 1999,
S. 117; BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 16).
Es zeigt sich, dass in der Praxis ein uneinheitliches und haufig falsches Verstandnis dariiber besteht, was Kundenorientierung konkret bedeutet und wie sich das Konzept umsetzen lasst (MASON/HARRIS 2005, S. 385; EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 18 f.).
Insgesamt betrachtet wird aus der Perspektive der Praxis ein hoher Handlungsbedarfdeutlich. Zum einen gilt es, die Internationale Wettbewerbsfahigkeit Deutschlands durch die Starkung wachstumstrachtiger Spitzentechnologien zu bewahren bzw. auszubauen. Zum anderen besteht Bedarf in der Vermittlung konkreter Handlungsempfehlungen zur Implementierung des Erfolgsfaktors Kundenorientierung. Gelingt es, Innovationen an den Bedurfnissen potenzieller Kunden auszurichten, so lassen sich die Erfolgschancen neuer Produkte erheblich steigem (HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368). Damit kann die Hoffnung verbunden werden, dass das wahrgenommene Risiko der Einfuhrung hochgradiger Innovationen mittelfristig sinkt und die deutsche Industrie zukunftig verstarkt auf wachstums- und profitrachtige Innovationen eines hohen Neuigkeitsgrades setzt. Forschungs bedarf fur die Wissenschaft Betrachtet man den wissenschaftlichen Stand zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, so zeigt sich ebenfalls ein erhebliches Forschungspotenzial. Renommierte Forschungsinstitutionen, wie z.B. das Marketing Science Institute und das Institute for Study of Business Markets, haben seit Mitte der 90er Jahre unabhangig voneinander sowohl dem Themengebiet der Markt- bzw. Kundenorientierung (PULENDRAN et al. 2000, S. 120), als auch dem Themengebiet des Management hochgradiger Innovationen (DE BRENTANI 2001, S. 170; CHANDY/TELLIS 1998, S. 474) hochste Forschungsprioritat eingeraumt. Bezogen auf das Konstrukt der Kundenorientierung im Innovationsprojekt lasst sich ein direkter Zusammenhang zwischen der in der Praxis festgestellten mangelnden Implementierung und dem Stand der Forschung erkennen. Die Marketingwissenschafl hat sich bis dato intensiv mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Untemehmensebene beschaftigt, wobei Kundenorientierung i.d.R. als eine Teilkomponente verstanden wird (z.B. KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3). Als kritisch erweist sich allerdings ein sehr hohes Abstraktions-
I Einfiihrung
niveau vorliegender Konzeptionen, was die dargestellten Implementierungsprobleme in der Praxis erklart (MASON/HARRIS 2005, S. 385; DANNEELS 2003, S. 575). Von dem Konstrukt der Kundenorientierung auf der Untemehmensebene abzugrenzen ist das Konstrukt der Kundenorientierung im Innovationsprojekt (AxuAHENE-GlMA 1995, S. 276). Kundenorientierung im Innovationsprojekt wurde bis dato wissenschaftlich stark vemachlassigt (REICHART 2002, S. 86). Die Marketing- und Innovationsliteratur erkennt zwar klar die Relevanz der Erfiillung von Kundenbediirfnissen, es bleibt jedoch verhaltnismaBig unklar, wie Kundenorientierung im Innovationsprojekt konkret umgesetzt werden kann (LANGERAK 2003, S. 460; BlEMANS 2003, S. 517). Forschungsbedarf besteht damit vor allem im Bereich der verhaltensorientierten Konzeptualisierung des Konstruktes (MATSUO 2006, S. 242; KOK et al. 2003, S. 155; KARLE-KOMES 1997, S. 26).
Auch das zweite, dem Thema dieser Arbeit immanente Grundkonzept, das Konzept hochgradiger Innovationen, stand bis dato nur selten im Fokus der Wissenschaft (VERYZER 2005, S. 24). Die meisten Beitrage zur Innovationsforschung konzentrieren sich auf die Untersuchung inkrementaler Innovationen bzw. differenzieren nicht zwischen Innovationen verschiedener Neuigkeitsgrade (KUMAR/SCHEER 1998, S. 2). Erste Beitrage machen jedoch darauf aufmerksam, dass sich das Management hochgradiger Innovationen vom Management inkrementaler Innovationen unterscheidet (z.B. SALOMO etal. 2004, S. 1123; SALOMO etal. 2003, S. 184; SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 132). Daraus lasst sich ableiten, dass Kundenorientierung an den Kontext hochgradiger Innovationen angepasst werden muss (BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 23; AAKER 1989, S. 95).
Betrachtet man spezifisch das Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, so ist der Stand der Forschung als rudimentar einstufen (SANDBERG 2005, S. 255; CALLAHAN/LASRY 2004, S. 107; LETTL 2004, S. 94; HILLS/SARIN 2003, S. 21). Einige Fallstudienansatze (SANDBERG 2005; LETTL 2004) beschaftigen sich zwar mit Teilaspekten des Themas (z.B. Rolle von Anwendem im Innovationsprozess), eine ganzheitliche Betrachtung des Konstruktes bleibt jedoch aus. Bis auf Ausnahmen (SANDBERG 2005) konzentrieren sich vorliegende Ansatze auf den Aspekt der Hervorbringung hochgradiger Innovationen, ohne jedoch die Durchsetzung der Innovation im Markt in angemessener Weise zu berucksichtigen (BAIER 1999, S. 5).
Neben der Frage, was Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen tiberhaupt bedeutet, besteht ein erheblicher Forschungsbedarf in der Betrachtung der Erfolgswirkung kundenorientierter Managementaktivitaten (ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 476; HILLS/SARIN 2003, S. 21; FRAMBACH et al. 2003, S. 394). Der Erfolgseinfluss einer Orientierung am Kunden wird im Kontext hochgradiger Innovationen kontrovers diskutiert (MATSUO 2006, S. 243; ALAM 2006, S. 471; VERYZER 2005, S. 24). Ein Aspekt betrifft die sog. ,Gefahr des Inkrementa-
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lismus', auf die insbesondere in der fruhen Marketingliteratur (z.B. TAUBER 1974) verwiesen wird. Es wird befiirchtet, dass hochgradige Innovationskonzepte von potenziellen Kunden zunachst abgelehnt warden, woraus lediglich Weiterentwicklungen bestehender Produkte resultieren. BENNETT/COOPER (1979, S. 78) verdeutlichen die Problematik der ,Gefahr des Inkrementalismus' sehr anschaulich: „Picture the would-be market researcher eighty years ago attempting to gauge market reaction to a proposed new product, the automobile. Respondents to any questionnaire would have assured the marketoriented innovator that cars would frighten horses, make too much noise, run too fast, and be generally unreliable. The competition of that time, the horse, would be judged just too strong for a successful market entry."
Insbesondere in praxisorientierten Beitragen wird teilweise sogar gefordert, potenzielle Kunden in hochgradigen Innovationsprojekten ,zu ignorieren' (MARTIN 1995, S. 83). Andere Autoren machen im Gegenzug deutlich, dass eine Befolgung dieses Ratschlages schwerwiegende negative Konsequenzen ftir die Akzeptanz hochgradiger Innovationen im Markt haben kann (z.B. DANNEELS 2003, S. 572). Wissenschaftlich betrachtet mangelt es bis heute an einer fundierten, theoriegeleiteten Untersuchung dieser Fragestellung (SRIVASTAVA etal. 2001, S. 796). Daruber hinaus sind erste empirische Befunde, die Aussagen zum Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg hochgradiger Innovationen zulassen, z.T. widerspriichlich (MATSUO 2006, S. 243; VERYZER 2005, S. 24). Ein wesentlicher Grund ist darin zu vermuten, dass bis dato kein einheitliches Verstdndnis des Konstruktes vorliegt. Vorhandene Befunde stammen haufig aus qualitativen Studien bzw. beschaftigen sich nur mit Teilaspekten der Kundenorientierung. Daruber hinaus wird i.d.R. nicht die komplexe, mehrdimensionale Struktur des Innovationsgrades (SALOMO 2003) benicksichtigt, was die Validitat vorhandener Beftinde grundsatzlich in Frage stellt (ZHOU et al. 2005, S. 55).
Aus wissenschaftlicher Perspektive lasst sich insgesamt festhalten, dass eine ganzheitliche Betrachtung der inhaltlichen Komponenten einer Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und darauf aufbauend eine fundierte Analyse der Erfolgswirkung des Konstruktes bis dato nicht vorliegt. Aus dem dargestellten Forschungsbedarf fur die Praxis und Wissenschafl lassen sich die Zielsetzungen dieser Arbeit ableiten. Zielsetzungen der Arbeit Ein wesentliches Ziel der Arbeit besteht in der Konzeptualisierung des Konstruktes der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Untersuchungsobjekt ist - in Abgrenzung zur Untemehmensebene - das Innovationsvorhaben (Projektebene). Eine situationsspezifische Konzeptualisierung verlangt zunachst eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten hochgradiger Innovationen. Obwohl das Konstrukt der Kundenorientierung auf der Projektebene sich konzeptionell von der Markt- bzw. Kundenorientierung auf der Untemeh-
I Einfiihrung
mensebene unterscheidet (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 276), bestehen deutliche inhaltliche Parallelen. Entsprechend soil auf den Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Untemehmensebene zuriickgegriffen werden. Mangels eines einheitlichen Verstandnisses des Phanomens (MATSUNO etal. 2005, S. 1) sollen bestehende Perspektiven und Erkenntnisse kritisch diskutiert werden. Dabei soil der aktuellen Forderung (BEVERLAND et al. 2006, S. 384; ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 465) nachgekommen werden, nicht nur traditionelle, sondem dariiber hinaus auch neuere Perspektiven der Marktorientierung zu beriicksichtigen (z.B. marktgeleitete versus marktgestaltende Formen des Konstruktes). Eine weitere Zielsetzung dieser Arbeit besteht in einer empirischen Bestandsaufnahme. Es soil der Frage nachgegangen werden, wie kundenorientiert die deutsche Wirtschaft in hochgradigen Innovationsprojekten gegenwartig agiert. Basis der Datenerhebung ist der sog. Innovationskompass, eine interdisziplinare Forschungskooperation der Technischen Universitat Berlin, McKinsey & Company und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI und VDI Nachrichten). Aufgrund konzeptioneller Unterschiede zwischen Produkten und Dienstleistungen (ALAM 2006, S. 469; KiRCA etal. 2005, S. 35; ATUAHENE-GIMA 1995, S. 288) konzentriert sich der Innovationskompass auf die Untersuchung von Produktinnovationen. Brancheniibergreifend werden sowohl Business-to-Business- (BtoB-) als auch Business-to-Consumer(BtoC-) Innovationen untersucht. Diese Vorgehensweise ist insofem gerechtfertigt, als dass empirische Studien in der Vergangenheit sowohl bezogen auf die Orientierung am Markt (HoMBURG etal. 1999, S. 11; DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 222; AVLONITIS/GOUNARIS 1997, S. 398 f) als auch bezogen auf das Management von Innovationen (HULTINK/ROBBEN 1999, S. 552; HANNA et al. 1995, S. 53 f.) keine bzw. nur geringfiigige Unterschiede zwischen BtoB- und BtoC-Untemehmen feststellen konnten. Grundsatzlich gilt es, zwischen einer deskriptiven Betrachtung des Status Quo und dem Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zu unterscheiden. Die vorliegende Arbeit adressiert das identifizierte Forschungsdefizit in zweifacher Hinsicht. Zum einen soil eine theoretische und literaturgestiitzte Erfolgsableitung vorgenommen werden. Entsprechend bestehender Anforderungen an die Erfolgsfaktorenforschung (ERNST 2002, S. 33) sollen geeignete theoretische Erklarungsansatze herangezogen sowie vorhandene konzeptionelle und empirische Befunde umfassend und systematisch diskutiert werden. Zum anderen soil auf Basis der Innovationskompass-Daten eine empirische Uberprilfung des Erfolgseinflusses der Kundenorientierung erfolgen. Zur Berucksichtigung von Kontingenzen soil zusatzlich die moderierende Wirkung des Innovationsgrades in das Untersuchungsmodell integriert werden.
I Einfuhmng
Es lassen sich folgende sechs Forschungsfragen ableiten, die im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden: (1) Was sind die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Hersteller- und Kundensicht? (2) Wie wird Marktorientierung auf der Untemehmensebene konzeptualisiert und welche Erkenntnisse bestehen zum Erfolgseinfluss? (3) Was sind die zentralen Elemente des Konstruktes Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen? (4) Durch welche Merkmale ist die Kundenorientierung deutscher Untemehmen in hochgradigen Innovationsprojekten gepragt? (5) Inwieweit lasst sich ein Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen theoretisch sowie auf Basis der konzeptionellen und empirischen Literatur ableiten? (6) Inwieweit lasst sich ein Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen im Rahmen einer integrierten Betrachtung empirisch bestatigen?
I Einfuhrung
2 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit In der wissenschaftlichen Forschung konnen zwei prototypische Forschungsansatze unterschieden werden. Die im Rahmen des kritischen Rationalismus (POPPER 1934) geforderte deduktiv-nomologische Erkldrungsmethode ist dadurch gepragt, dass theoretisch abgeleitete Hypothesen mit der Realitat konfrontiert werden, was zu einer Bewahrung bzw. Verwerfung der Hypothesen fiihrt. Im Mittelpunkt des empirischen Induktivismus steht hingegen die Interpretation von Einzelbeobachtungen (z.B. aus Fallbeispielen, Expertengesprachen), um so zu einem Nachweis einer GesetzmaBigkeit zu kommen (Induktionsprinzip). Deduktion und quantitative Forschung sowie Induktion und qualitative Forschung werden dem Anspruch der Forschungspraxis entsprechend i.d.R. jeweils als eine zusammengehorige Einheit betrachtet (TOMCZAK1992, S. 77ff.). Die Kritik an der in der Marketingforschung dominierenden deduktiv-nomologischen Erklarungsmethode nimmt zu. Haufig besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und Forschungspraxis. Im Marketing konnen z.B. mangels ausreichender theoretischer Durchdringung in vielen Themenfeldem nur ad hoc-Hypothesen gebildet werden. Dariiber hinaus konnen die anspruchsvollen Anforderungen an den quantitativen Forschungsprozess nur selten vollstandig realisiert werden (HAENECKE 2002, S. 177). So sind Theorien z.B. nicht immer falsifizierbar, da nicht alle relevanten Einflussfaktoren im Rahmen der Empiric kontrolliert werden konnen (KUBICEK 1997, S. 49). Provokative Kritiker behaupten, dass der Unterschied der beiden Ansatze haufig lediglich darin bestehe, „dass es sich einmal um einen expliziten und das andere Mai um einen verkappten Induktivismus handelt" (TOMCZAK 1992, S. 82). Es stellt sich die Frage, inwieweit eine strikte Abgrenzung der beiden Forschungskonzeptionen zielfiihrend ist. Insbesondere in relativ jungen Forschungsfeldem, wie z.B. der Innovationsforschung, wird zunehmend eine starkere Integration der deduktiven/quantitativen und induktiven/qualitativen Forschung gefordert: „Much NPD [new product development] research would lead to richer results if it would combine quantitative and qualitative approaches in innovative research designs," (BIEMANS 2003, S. 522; ahnlich MAHAJANAVIND 1999, S. 10)
Einen interessanten Ansatzpunkt bietet die sog. realitdtsorientierte Forschung (TOMCZAK 1992, S. 83 f.), ein Ansatz, der in den Bereich des wissenschaftlichen Realismus (scientific realism; HUNT 1990, S. 8 f.) einzuordnen ist. Ausgangspunkt der realitatsorientierten Forschung ist ein praxisrelevantes Problem bzw. ein Phanomen, das bis dato nur unzureichend theoretisch durchdrungen wurde. Ziel ist es, durch einen theoriegeleiteten Empirismus das Phanomen zu beschreiben, zu erklaren und zu losen. Der Forschungsprozess stellt eine kontinuierliche und iterative Interaktion zwischen einer Konfrontation mit der Realitat und einer
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lEinftihrung
theoretischen Verarbeitung dar und kann nach KUBICEK (1977) als explorativer Lernprozess verstanden werden. Sobald der Bezugsrahmen soweit entwickelt wurde, dass er genugend Verstandnis fiir das untersuchte Problem liefert, kann eine Hypothesenableitung und -priifung im herkommlichen Sinne erfolgen. Die Ergebnisse stellen dann wiederum den Ausgangspunkt weiterfuhrender Forschung dar (TOMCZAK 1992, S. 83 f.). Wie im vorangegangenen Abschnitt ausfiihrlich dargestellt wurde, zeichnet sich das Phanomen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen durch eine hohe Praxisrelevanz und gleichzeitig einen sehr begrenzten Forschungsstand aus. Beides spricht fur einen realitatsorientierten Forschungsansatz, der fiir den Kontext dieser Arbeit in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt ist (TOMCZAK 1992, S. 84; KUBICEK 1977, S. 13 ff.).
) Stand der Forschung ^ Konzeptualisierung zur Marktorientierung \ \ Kundenorientierung auf der yv bei hochgradigen Unternehmensebene// Innovationen
>\ Empirische y, Ableitung von \ \ Bestandsaufnahme \ \ Hypothesen zum ^y (quantitativ / / Erfolg der Kunden// & qualitativ) ^y orientierung
Abb. 1: Verfolgter Forschungsansatz: Realitatsorientierte Forschung Quelle: Eigene Darstellung
Basierend auf einer geeigneten theoretischen Perspektive nimmt der Forscher zunachst eine gedankliche und sprachliche Strukturierung der Themenstellung vor. Ergebnis eines solchen Lemprozesses ist ein heuristischer Bezugsrahmen bzw. provisorisches Erklarungsmodell, das als Orientierungshilfe den weiteren Forschungsprozess steuert. Aufgrund der inhaltlichen Nahe dient in der vorliegenden Arbeit der Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Untemehmensebene als theoretische Basis. Darauf aufbauend erfolgt im zweiten Schritt die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, was den heuristischen Bezugsrahmen der Arbeit darstellt. Ziel der sich anschlieBenden Datenerhebung ist es, den heuristischen Bezugsrahmen mit der Realitat zu konfrontieren und ihn so zu prazisieren. Auf der Basis der empirischen Bestandsaufnahme erfolgt zunachst eine Beschreibung des Status Quo der Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten. Die Datenerhebung basiert dabei nicht klassisch induktiv auf einer begrenzten Anzahl an Einzelbeobachtungen/Fallstudien, sondem auf einer vergleichsweise breiten Datenbasis. Qualitative Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass mit Kundenorientierung assoziierte Managementaktivitaten in den einzelnen Projekten sehr unterschiedlich ausgepragt sein konnen (z.B. SANDBERG 2005, S. 246; LETTL 2004, S. 296 f). Das limitiert den Erkenntnisgewinn von Fallstudien und verdeutlicht den Bedarf einer moglichst groBzahligen Untersuchung des Phanomens in seiner gesamten Breite (SANDBERG 2005, S. 261). Mit einer Stichprobe von iiber 100 hochgradigen Innovations-
I Einfiihrung
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projekten widmet sich die vorliegende Arbeit diesem Forschungsbedarf. Neben der quantitativen Erhebung von Daten mittels eines standardisierten Interviewleitfadens werden im personlichen Gesprach auch qualitative Informationen gewonnen. Im Anschluss an die empirische Bestandsaufnahme wird im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zunachst emeut eine theoretische Perspektive eingenommen. Dazu werden neben bestehenden konzeptionellen und empirischen Erkenntnissen zwei verschiedene, sich erganzende Theorien berucksichtigt. Damit folgt die Arbeit der Forderung nach theoretischer Pluralitat (SETH/ THOMAS 1994, S. 185). Der Bezugsrahmen wird auf diese Weise soweit prazisiert, dass eine Hypothesenableitung moglich ist. Die aufgestellten Hypothesen werden im letzten Forschungsschritt empirisch iiberpruft. Betrachtet man das Spektrum vorhandener Studien zu Erfolgsfaktoren von Innovationen, so lassen sich diese bezogen auf ihre Reichweite/Spezifitat auf ein Kontinuum einordnen. An dem einen Ende befinden sich Studien zu auBerst generellen, allgemein giiltigen Erfolgsfaktoren (i.d.R. basierend auf quantitativen Studien); an dem anderen Ende zu auBerst spezifischen Erfolgsfaktoren (i.d.R. basierend auf Fallstudien; TROMMSDORFF/BINSACK 1999, S.lll). Die vorliegende Arbeit lasst sich in der Mitte des Kontinuums positionieren: Durch die Fokussierung auf das Phanomen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen erfolgt eine Spezifizierung, die Analyse von iiber 100 Fallen ermoglicht jedoch gleichzeitig auch eine Betrachtung in der Breite. Der Untersuchungsanspruch ist als quantitativ-explorativ einzustufen (HAENECKE 2002, S. 167 f). Die Ergebnisse sind dementsprechend als Basis fur weiterfuhrende Forschungsbemiihungen zu interpretieren. Der verfolgte Forschungsansatz fiihrt zu dem in der Abbildung 2 visualisierten Aufbau der Arbeit. Die Arbeit gliedert sich in sechs Telle. Im Anschluss an die Einfiihrung (Kapitel 1 & 2) werden im zweiten Teil die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen der Arbeit behandelt. Zunachst wird das Konstrukt der Innovation herangezogen (Kapitel 3). Nach der Darstellung von Grundlagen (3.1) wird der Neuigkeitsgrad von Innovationen mit seinen Auswirkungen fokussiert (3.2). Das Kapitel endet mit einer Darstellung ausgewahlter Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellem und Kunden im Innovationsprozess (3.3). Kapitel 4 beschaftigt sich mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene. Ziel ist es, Erkenntnisse zur Konzeptualisierung des Teilkonstruktes der Kundenorientierung auf der Projektebene abzuleiten. Nach einer Konstrukteinordnung und Begriffsabgrenzung (4.1) werden vorhandene Perspektiven der Marktorientierung vorgestellt und diskutiert (4.2). AnschlieBend wird der Erfolgseinfluss der Marktorientierung fokussiert (4.3). Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung und der Ableitung von Forschungspotenzialen (4.4).
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I Einfiihrung
Der dritte Teil der Arbeit widmet sich der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Kapitel 5) und der empirischen Bestandsaufnahme (Kapitel 6). Zu Beginn des funften Kapitels wird zunachst der Untersuchungsfokus festgelegt und der Stand der Forschung dargestellt (5.1). Aufbauend auf einem Basisverstandnis des Konstruktes (5.2) erfolgt die Entwicklung der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (5.3), bestehend aus den drei Saulen Intelligence Generation, Intelligence Dissemination und Responsiveness. Das Kapitel endet mit einer zusammenfassenden Darstellung (5.4). Im Kapitel 6 erfolgt anschlieBend basierend auf den Daten des Forschungsprojektes Innovationskompasss die empirische Bestandsaufnahme, wobei zwischen dem Design der empirischen Untersuchung (6.1), den deskriptiven Ergebnissen (6.2) und einer Zusammenfassung (6.3) unterschieden wird. Der vierte Teil der Arbeit beschaftigt sich mit der Frage, inwieweit Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen einen positiven Einfluss auf den Erfolg hat. Zunachst wird die theoriebasierte Ableitung des Erfolgszusammenhanges vorgenommen (Kapitel 7). Nach einer Auswahl geeigneter theoretischer Ansatze (7.1) werden der ressourcenbasierte Ansatz (7.2) und die Ressourcenabhangigkeitsperspektive (7.3) herangezogen. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung und einer theoriebasierten Hypothesenableitung (7.4). Kapitel 8 betrachtet den Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und dem Erfolg hochgradiger Innovationen basierend auf konzeptionellen und empirischen Beitrdgen aus der Literatur. Nach einem kurzen Uberblick zu Befunden aus der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung (8.1) werden Beflinde im Kontext hochgradiger Innovationen fokussiert (8.2). AbschlieBend werden die Ergebnisse zusammengefasst und die Hypothesen abgeleitet (8.3). Im funften Teil der Arbeit wird der Erfolgseinfluss der Kundenorientierung empirisch iiberpruft. Kapitel 9 widmet sich der Konzeption der Erfolgsuberpriifung. Dazu werden die Hypothesen im Untersuchungsmodell und erganzende Fragestellungen (9.1), die Operationalisierung der zentralen Konstrukte (9.2) und die Methodik (9.3) erlautert. Kapitel 10 beinhaltet die Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Der sechste und letzte Teil beinhaltet eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit (Kapitel 11) und die Ableitung von Implikationen (Kapitel 12) fiir die Forschung (12.1) und Praxis (12.2).
I Einfiihrung
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I Einfuhrung (Kap. 1 & 2) II Theoretlschkonzeptionelie Grundlagen
III Konzeptualisierung & Emplrische Bestandsaufnahme
Innovationen (Kap. 3) Marktorientierung auf der Untemehmensebene (Kap. 4) Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei iiocligradigen Innovationen (Kap. 5) Empirische Bestandsaufnahme (Kap. 6)
IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgsableitung der Kundenorientierung
Theoriebasierte Erfolgsableitung (Kap. 7)
V Empirische Uberprijfung des Erfolgseinflusses
Konzeption der Erfolgsuberprufung (Kap. 9)
Erfolgsableitung aus der konzeptionellen und empirischen Literatur (Kap. 8)
Ergebnisse (Kap. 10)
VI Zusammenfassung & Impllkationen (Kap. 11 & 12) Abb. 2: Aufbau der Arbeit
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
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II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen Die folgende Betrachtung theoretisch-konzeptioneller Grundlagen dient einer Einflihrung in far diese Arbeit relevante, grundlegende Forschungsrichtungen. Ein wesentliches Ziel der Arbeit ist die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit den beiden immanenten Grundkonzepten: (Hochgradige) Innovationen und Kundenorientierung. Zunachst beschaftigt sich Kapitel 3 mit Innovationen, wobei der Neuigkeitsgrad von Innovationen und seine Auswirkungen im Vordergrund stehen. AnschlieBend wird das zweite Grundkonzept dieser Arbeit, Kundenorientierung, fokussiert. Kundenorientierung wird in der Literatur i.d.R. als eine Teilkomponente der Marktorientierung verstanden (z.B. KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3). Als Schlusselkonstrukt im Marketing hat die Marktorientierung auf der Untemehmensebene enorme Beachtung in der wissenschaftlichen Forschung erlangt. Davon abzugrenzen ist die Projektebene (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 276), die in der Forschung bis dato vemachlassigt wurde. Aufgrund der inhaltlichen Parallelen orientiert sich die zu entwickelnde Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Projektebene) am Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Untemehmensebene (Kapitel 4).
3 Innovationen Eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der Innovation verlangt zunachst die Beriicksichtigung von Grundlagen (3.1). Neben den Begriffen Innovation und Innovationsmanagement (3.1.1) werden die Themenaspekte Erfolg von Innovationen (3.1.2) sowie Adoptions- und Diffusionsforschung (3.1.3) im Uberblick vorgestellt. AnschlieBend wird der Neuigkeitsgrad von Innovationen fokussiert (3.2). Aufbauend auf einer Auseinandersetzung mit dem Konstrukt des Neuigkeitsgrades von Innovationen in der wissenschaftlichen Literatur (3.2.1) werden Besonderheiten hochgradiger Innovationen herausgearbeitet (3.2.2) und anschlieBend das Konzept als Kontingenzfaktor in der Erfolgsfaktorenforschung thematisiert (3.2.3). Das Kapitel endet mit einer Darstellung ausgewahlter Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellem und Kunden im Innovationsprozess (3.3). 3.1 Grundlagen zur Innovation 3.1.1 Innovation und Innovationsmanagement Der Begriff der Innovation lasst sich auf den Heiligen Augustin (um 400 nach Christus) zuriickverfolgen. Er verwendete den kirchenlateinischen Begriff wenn er von Erneuerung Oder Verdnderung sprach. In Deutschland verbreitete sich der Begriff durch die deutsche
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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Ubersetzung des Buches ,Business Cycles' von Joseph SCHUMPETER (1939), in dem sich ein Kapitel ausfiihrlich mit der ,Theorie der Innovation' beschaftigt (QUADBECK-SEEGER 1998, S. 101). Das Innovationsphanomen wird in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen thematisiert, wobei bis dato kein einheitlicher, allgemein akzeptierter Innovationsbegriff vorliegt (DETHLOFF 2004, S. 16 f.; REICHART 2002, S. 16). HAUSCHILDT (2004, S. 7) kommt auf der
Basis einer Klassifikation vorhandener Definitionen zu folgender Schlussfolgerung: „Innovationen sind im Ergebnis qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die sich gegenuber dem vorangehenden Zustand merklich - wie immer das zu bestimmen ist - unterscheiden. Diese Neuartigkeit muss wahrgenommen, muss bewusst werden. Die Neuartigkeit besteht darin, dass Zwecke und Mittel in einer bisher nicht bekannten Form verkniipft werden."
Der Autor bedient sich dem wirtschaftswissenschaftlichen Theorem der Zweck-Mittel-Beziehung: Neue Mittel werden durch neue Technologien offeriert, die Erfiillung neuer Zwecke wird durch die Nachfrage gewiinscht bzw. gefordert. Innovation liegt bei einer neuartigen Zweck-Mittel-Kombination vor. Die reine Idee fiir eine neue Zweck-Mittel-Kombination reicht jedoch nicht aus; Innovation beinhaltet neben einer Idee/Erfmdung (invention) auch deren Umsetzung (exploitation, ROBERTS 1988, S. 12 f.). Betriebswirtschaftlich betrachtet unterscheiden sich Innovationen von Inventionen durch einen marktwirtschaftlichen Verwertungs- bzw. einen innerbetrieblichen Nutzungsaspekt (HAUSCHILDT 2004, S. 8 ff.), Zu einem tieferen Verstandnis des Innovationsbegriffes werden im Folgenden die objekt-, subjekt- und prozessbezogene Dimension der Innovation vorgestellt (vgl. HAUSCHILDT 2004, S. 8 ff.; WElBERetal. 1999, S. 85 f.). Objektbezogene Dimension der Innovation Die objektbezogene Dimension der Innovation (z.T. auch inhaltliche Dimension genannt; vgl. HAUSCHILDT 2004, S. 8) beschaftigt sich mit der Frage: ,Was ist neu?'. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur zunachst zwischen Produkt- und Prozessinnovationen (UTTERBACK/ABERNATHY 1975) unterschieden. Produktinnovationen sind ausgerichtet auf neue Losungen von Kundenproblemen. Sie offerieren eine Leistung, die neue Zwecke erfiillt oder vorhandene Zwecke auf eine neuartige Art und Weise lost. Subsumiert werden unter dem Begriff Produkt haufig nicht nur materielle Wirtschaftgiiter, sondem auch immaterielle, produktbezogene Dienstleistungen (HOMBURG/KROHMER 2003, S. 459). Prozessinnovationen bezeichnen neue Faktorkombinationen im innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess. Ziel ist eine Steigerung der Effizienz, indem die Produktion eines Gutes zu geringeren Kosten, einer verbesserten Qualitat, schneller oder sicherer erfolgt (HAUSCHILDT 2004, S. 11; TROMMSDORFF 1991, S. 179). Strukturelle, soziale, rechtliche, meist innerbetriebliche Anderungen mit langfristigem Zeithorizont (sog. organisationale Innovationen) konnen als eine spezielle Form der Prozessinnovation verstanden werden (BROCKHOFF 2002, S. 25 f).
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Ein weiterer Aspekt der objektbezogenen Dimension ist die Frage nach der Induzierung der Innovation. Bei sog. Marktsoginnovationen (market pull) bilden Nachfragerbediirfnisse den Ausgangspunkt der Innovationstatigkeit des Anbieters, wahrend Technologiedruckinnovationen (technology push) von Inventionen initiiert werden, ftir die anschlieBend Anwendungspotenziale gesucht werden (HAUSCHILDT 2004, S. 7 ff.; WEIBER etal. 1999, S. 104). Die Innovationsforschung hat sich in den 1970er Jahren ausfuhrlich mit der Frage der relativen Vorteilhaftigkeit dieser beiden Innovationsarten beschaftigt, wobei vorliegende Beflinde widersprtichlich sind (siehe im Uberblick ORIHATA/WATANABE 2000, S. 14 f.; CHIDAMBER/ KON 1994, S. 96 ff.; ROBERTS 1988, S. 18). Mittlerweile ist sich die Literatur weitestgehend dariiber einig, dass die Diskussion u.a. aufgrund erheblicher Schwierigkeiten der Einordnung einer Innovation als Marktsog- bzw. Technologiedruckinnovation nicht zielfiihrend ist (HERSTATT/LETTL 2004, S. 158; BROCKHOFF 2002, S. 31). (Erfolgs-) Relevant ist aus heutiger Sicht weniger die Frage der Induzierung der Innovation als die Frage, wie Technologic- und Marktpotenziale synergetisch in Einklang gebracht werden konnen (DETHLOFF 2004, S. 9; CHIDAMBER/KON 1994, S. 107).
SchlieBlich kann der Neuigkeitsgrad einer Innovation (auch Innovationsgrad genannt) als ein Aspekt der objektbezogenen Dimension der Innovation verstanden werden. Das Konstrukt bezieht sich auf den graduellen Unterschied der Innovation im Vergleich zum Status Quo (HAUSCHILDT 2004, S. 14). Aufgrund seiner zentralen Bedeutung fiir diese Arbeit wird der Neuigkeitsgrad von Innovationen im Abschnitt 3.2 ausfuhrlich behandelt. Subjektbezogene Dimension der Innovation Eine weitere Dimension der Innovation ist die Frage, fur wen die Innovation neu ist (HAUSCHILDT 2004, S. 22 ff). Neuartigkeit ist subjektiv: Je nach Perspektive kann eine Innovation als mehr oder weniger neuartig wahrgenommen werden. Eine Objektivierung des Neuigkeitsbegriffs kann durch die Frage nach der objektiven Erstmaligkeit der Innovation erfolgen: Handelt es sich um eine Welt-Neuartigkeit? Aus einem Managementblickwinkel ist eine Objektivierung jedoch nicht zweckmaBig (HAUSCHILDT 2004, S. 24). Aus der Sicht des innovierenden Untemehmens ist es unerheblich, ob die Innovation auch von anderen innovierenden Untemehmen als neuartig empfunden wird. Die subjektiv wahrgenommene Neuartigkeit ftihrt zu untemehmensindividuellen Herausforderungen (HAUSCHILDT 2004, S. 69; TROMMSDORFF 1991, S. 179).
Neben der Marktangebotsseite betrifft die Frage der Subjektivitat auch die Nachfrageseite (TROMMSDORFF 2000, S. 38; WEIBER etal. 1999, S. 86): Die wahrgenommene Neuartigkeit einer Innovation hat einen entscheidenden Einfluss auf Informationsverarbeitungs- und tJbernahmeprozesse potenzieller Kunden im Markt (BINSACK 2003, S. 271 ff). In der Innovationsforschung dominiert die subjektive Auffassung des Innovationsbegriffs (HAUSCHILDT 2004, S. 24; HELM 2001, S. 49 f; SCHLAAK 1999, S. 30). Das heiBt, der MaBstab fur die Ein-
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schatzung der Neuartigkeit liegt nicht innerhalb der Innovation selbst, sondem bei dem die Innovation subjektiv wahmehmenden Individuum. Dieses Verstandnis spiegelt sich auch in der weit verbreiteten Innovationsdefinition von ROGERS (2003, S. 12) wider: „An innovation is an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption:' (H.d.V.)
Prozessbezogene Dimension der Innovation Die prozessbezogene Dimension der Innovation zielt auf spezifische Charakteristika im Verlauf der Entstehung einer Innovation. Der Innovationsprozess lasst sich durch zeitliche Phasen charakterisieren und umfasst die Gesamtheit der Aktivitaten, die im Zusammenhang mit der Erschaffling und Einfiihrung einer Innovation stehen (VERWORN/HERSTATT 2002, S. 2; TROMMSDORFF 1991, S. 179). In der Literatur existiert eine Vielzahl an Modellen zum Innovationsprozess, die sich terminologisch, durch die Anzahl der Prozessphasen, die Differenziertheit der Strukturierung und Annahmen tiber Sukzessivitat oder Parallelitat unterscheiden (COOPER 1994, S. 3 ff; siehe zu Prozessmodellen im Uberblick VERWORN/HERSTATT 2002, S. 3 ff.). Phasenmodelle sind idealisierte Abbildungen der Realitat, die zur Komplexitatsreduktion beitragen. Ein sehr hoher Differenzierungsgrad steht einem branchen- und situationsunabhangigen, allgemein gtiltigen Modell entgegen (VERWORN/HERSTATT 2002, S. 10). Einige Phasenmodelle widmen sich dieser Problematik, indem sie eine generische Phasenabfolge definieren. GERPOTT (1999, S. 52 ff.) unterscheidet beispielsweise die drei Phasen Ideengenerierung, Ideenkonkretisierung und Ideenkommerzialisierung. Die Ideengenerierung bezieht sich auf eine zweck- und/oder mittelinduzierte Ideensuche und -vorauswahl. Die Phase endet mit einer positiven bzw. negativen Entscheidung zur weiteren Verfolgung der Innovationsidee. In der zweiten Phase, der Ideenkonkretisierung^ steht die technologische Realisierung und die Untersuchung der Marktchancen der Innovation im Vordergrund. Die Ideenkommerzialisierung umfasst die Vorbereitung der Produktion und die Einfiihrung der Innovation in den Markt (vgl. ahnlich GERYBADZE 2004, S. 11 f; ALBERS/EGGERS 1991, S. 48)
Innovationsmanagement bezieht sich auf die bewusste Gestaltung von Innovationsprozessen sowie des Systems innerhalb dessen sich die Prozesse vollziehen (HAUSCHILDT 2004, S. 29 f). Dabei kann zwischen der Portfolio- und der Projektebene unterschieden werden (BILLING 2003, S. 16; TROMMSDORFF et al. 1991, S. 567). Auf der Portfolioebene zielt Innovationsmanagement vor allem auf die strategische Effektivitat (,doing the right projects'); auf der Ebene des Innovationsprojektes auf die operative Effizienz der Entwicklung und Vermarktung der Innovation (,doing projects right'; COOPER 1999, S. 115f). Innovationsmarketing umfasst alle marktorientierten Aufgaben des Innovationsmanagement, d.h. alle strategischen und operativen Marketingaktivitaten in Verbindung mit der Erschaffung und
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Einfiihrung einer Innovation (SATTLER/SCHRADER 1995, Sp. 996; TROMMSDORFF 1991, S. 178). Insgesamt betrachtet kann folgende Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen werden: Die vorliegende Arbeit betrachtet Produktinnovationen, die sowohl marktals auch technologieinduziert sein konnen, schlieBt jedoch Dienstleistungen aufgrund ihrer konzeptionellen Besonderheiten (KiRCA et al. 2005, S. 35) aus. Dariiber hinaus erfolgt eine Fokussierung auf Innovationen eines verhaltnismaBig hohen Neuigkeitsgrades, sog. hochgradige Innovationen (vgl. ausftihrlich 3.2.1). Die Arbeit schlieBt sich dabei der subjektiven Auffassung des Innovationsbegriffes an und differenziert zwischen der Wahmehmung des Neuigkeitsgrades von Innovationen aus Hersteller- und Kundensicht (vgl. ausftihrlich 3.2.2). Die Arbeit konzentriert sich auf die Betrachtung von Innovationsvorhaben und damit auf die Untersuchung von Aktivitaten auf der Projektebene. Im Rahmen einer Phasenbetrachtung findet die prozessbezogene Dimension der Innovation an geeigneten Stellen Beriicksichtigung. Durch die Betrachtung des Konstruktes der Kundenorientierung lasst sich die Arbeit thematisch in den Bereich des Innovationsmarketing einordnen. 3.1.2 Erfolg von Innovationen Innovationsmanagement zielt auf Erfolg (HAUSCHILDT 1991, S. 452). Durch geeignete Managementaktivitaten kann der Erfolg einer Innovation zwar nicht garantiert, jedoch konnen die Chancen auf einen Erfolg erheblich gesteigert werden (LYNN et al. 1996a, S. 81). Sowohl die Praxis als auch die Wissenschaft hat daher ein groBes Interesse an der Frage, was den Erfolg von Innovationen ausmacht. Um eine Bewertung von Managementaktivitaten vomehmen zu konnen, stellt sich zunachst die Frage, was unter Innovations erfolg zu verstehen ist (HAUSCHILDT 1991, S. 452). Der folgende Abschnitt (3.1.2.1) gibt einen Uberblick zum Stand der Forschung zur Erfolgsmessung im Kontext von Innovationen. AnschlieBend wird die Erfolgsfaktorenforschung im Uberblick dargestellt und einer kritischen Wiirdigung unterzogen (3.1.2.2). 3.1.2.1 Erfolgsmessung Die Innovationsforschung hat sich zwar intensiv mit dem Thema Erfolgsmessung beschaftigt (siehe im Uberblick ERNST 2001, S. 165 ff; HULTINK/ROBBEN 1995, S. 393 ff), jedoch hat sich bis dato kein einheitlicher, kontextunabhangiger Messansatz durchsetzen konnen (WALL et al. 2004, S. 115; GRIFFIN/PAGE 1996, S. 483). Vorhandene Ansatze zur Messung des Innovationserfolges lassen sich nach (1) der Betrachtungsebene, (2) den verwendeten Erfolgsdimensionen und (3) der zugrunde liegenden Datenerhebungsmethode unterscheiden (HART 1993, S. 23; HAUSCHILDT 1991, S. 464
ff).
Unter (1) der Betrachtungsebene versteht man das Objekt/den Bereich, auf den sich die Erfolgsmessung bezieht. In diesem Zusammenhang wird zwischen dem Erfolg auf der Unter-
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nehmensebene und dem Erfolg auf der Projektebene unterschieden. Die Betrachtung des Untemehmenserfolges (z.B. Umsatzwachstum, Profitabilitat; vgl. im Uberblick VENKATRAMAN/RAMANUJAM 1986, S. 802 ff.) ist aus zwei Griinden problematisch. Zum einen wird der Untemehmenserfolg nicht nur durch Innovationen, sondem durch eine Vielzahl weiterer, intemer und extemer Faktoren determiniert. Das heiBt, eine eindeutige Kausalitat zwischen einem erfolgreichen Innovationsmanagement und dem Erfolg auf der Unternehmensebene ist nicht gegeben (COOPER/KLEINSCHMIDT 1996, S. 19; HART 1993, S. 26). Zum anderen stellt die Erfolgsmessung auf der Untemehmensebene einen vergangenheitsorientierten Messansatz dar: Gegenwartige Umsatz- und Renditezahlen eines Untemehmens spiegeln nicht den Erfolg der gegenwartigen, sondem der vergangenen Innovationstatigkeit wider (BILLING 2003, S. 155). In der Konsequenz dominiert in der wissenschaftlichen Forschung die Messung des Innovationserfolges auf der Projektebene (HART 1993, S. 26). Bezogen auf (2) die Erfolgsdimensionen wird auf der Projektebene zwischen ergebnis- und prozessbezogenen ErfolgsgroBen differenziert (KRIEGER 2005, S. 30 f.; GRIFFIN/PAGE 1996, S. 486). Ergebnisbezogene Kriterien sind output-orientiert: Es handelt sich um die Abbildung der Resultate von Innovationsvorhaben bzw. deren Beitrag zur Veranderung der wirtschaftlichen Position eines Untemehmens (GERPOTT 1999, S. 81). Wesentliche Kriterien des okonomisch-orientierten Markterfolges sind der finanzielle Erfolg, der Marktanteil und der Imagegewinn einer Innovation (GRIFFIN/PAGE 1996, S. 485; CORDERO 1990, S. 188 f.; RUBENSTEIN et al. 1976, S. 17). Der technische Erfolg einer Innovation und der Kompetenzgewinn des Untemehmens stellen hingegen wesentliche inteme Erfolgskriterien dar (BILLE^G 2003, S. 157; CORDERO 1990, S. 187 f.; RUBENSTEIN etal. 1976, S. 17). Wahrend sich der technische Erfolg auf das gegenwartige, physikalische Resultat des F&E-Prozesses bezieht (OLSCHOWY 1990, S. 52), kann der strategische Aufbau von intemen Kompetenzen als eine wichtige zukunftsorientierte ErfolgsgroBe verstanden werden (MALTZ etal. 2003, S. 189; HART 1993, S. 25).
Da ein erfolgreiches Ergebnis einen erfolgreichen Prozess voraus setzt, werden haufig (insbesondere bei lang andauemden Innovationsprozessen und in friihen Phasen) flankierend prozess bezogene Erfolgskriterien eingesetzt. Dahinter steht der Gedanke, dass Innovationserfolg auf der Erfullung von Teilleistungen basiert, die prozessbegleitend entlang vorgegebener Projekt-Meilensteine phasenspezifisch beurteilt werden konnen (BILLING 2003, S. 158; HAUSCHILDT 1991, S. 471). Prozessbezogene Erfolgskriterien konnen durch folgendes Zieltrio abgebildet werden: Die Qualitdt/Leistung der Innovation, der damit verbundene Kostenaufwand und die benotigte Zeit (KRIEGER 2005, S. 30 f.; SCIGLIANO 2003, S. 51; PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 9).
SchlieBlich unterscheidet die Literatur im Bereich (3) der Methode der Datenerhebung zwischen objektiver und subjektiver Erfolgsmessung (HELM 1998, S. 225; WERNER/SOUDER
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1997, S. 34 f.). Objektive Erfolgsmessung basiert auf wertmaBigen, absoluten GroBen ergebnis- bzw. prozessbezogener Erfolgskriterien (z.B. Marktanteil in %, Kostenaufwand in EUR). Subjektive Erfolgsmessung fiiBt hingegen auf der Erhebung des subjektiv wahrgenommenen Zielerreichungsgrades der zu Grunde gelegten Erfolgskriterien. Intuitive Einschatzungen werden dabei i.d.R. in numerische GroBen umgewandelt (z.B. Einstufung des Zielerreichungsgrades auf einer Rating-Skala von 1-7; WERNER/SOUDER 1997, S. 34 f). Obwohl der geringere Interpretationsspielraum und die damit verbundene bessere intersubjektive Vergleichbarkeit wesentliche Vorteile objektiver ErfolgsgrSBen darstellen (VENKATRAMAN/RAMANUJAM 1987, S. 117 £), dominiert in der Wissenschaft aus folgenden Gninden eine subjektive Erfolgsmessung (WALL etal. 2004, S. 96; WERNER/SOUDER 1997, S. 35; HAUSCHILDT 1991, S. 464
f):
• Verfugbare Datenlage: Die Informationspolitik vieler Untemehmen lasst die Angabe sensibler objektiver MaBe (z.B. Gewinn) nicht zu (SINGH/RANCHHOD 2004, S. 139; ERNST 2001, S. 168; OTTUM/MOORE 1997, S. 263). Dariiber hinaus liegen objektive MaBe haufig nur auf aggregierter (Untemehmens-) Ebene vor und eine Zuordnung auf der Projektebene ist mit erheblichen Problemen verbunden (WALL et al. 2004, S. 96; HOMBURG et al. 2004, S. 1336). • Brancheniibergreifende Betrachtung: Die Vergleichbarkeit objektiver Daten kann durch die Verwendung unterschiedlicher Ansatze der Bilanzierung eingeschrankt sein (OTTUM/ MOORE 1997, S. 263). Die Selbsteinschatzung der Zielerreichung ermoglicht im Gegensatz zur Erhebung absoluter GroBen die Ermittlung untemehmens- und branchenubergreifender Erfolgsfaktoren ohne die Notwendigkeit einer Normierung (HOMBURG et al. 2004, S. 1336; HELM 1998, S. 227).
• Moglichkeit der Schdtzung von Erfolgserwartungen: Wahrend objektive GroBen nur vergangenheitsorientiert gemessen werden konnen, konnen subjektive GroBen auch zur Schatzung zukunftiger Erfolgserwartungen eingesetzt werden. Das ist besonders relevant fur die Bewertung von Vorhaben, in denen die Innovation noch nicht bzw. erst ktirzlich am Markt eingefiihrt worden ist. Hier liegen verlassliche objektive Daten i.d.R. noch nicht vor (WERNER/SOUDER 1997, S. 34 ff; WEISS/NEYER 1990, S. 61 f).
• Validitdt subjektiver Kriterien: Hohe Korrelationen zwischen subjektiven und objektiven Erfolgskriterien in empirischen Studien (z.B. WALL etal. 2004, S. 112; Voss/Voss 2000, S. 76; DAWES 1999,
S. 68; VENKATRAMAN/RAMANUJAM 1987,
S. 118; DESS/ROBINSON
1984, S. 269 f) unterstutzen den Einsatz subjektiver Erfolgsmessungen. 3.1.2.2 Erfolgsfaktorenforschung Die sog. Erfolgsfaktorenforschung zielt darauf ab, Faktoren zu identifizieren, die einen signifikanten Einfluss auf den Innovationserfolg haben. Dieser Forschungsbereich wurde in den
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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
1960er Jahren begrundet und ist bis heute kontinuierlich fortgesetzt worden. (HAENECKE 2002, S. 166; ERNST 2002, S. 1). Die Erfolgsfaktorenforschung ist methodisch nicht normiert und umfasst eine Bandbreite empirischer Methoden von qualitativen Interviews bis hin zu standardisierten Umfragen. In der Kegel wird jeweils eine Stichprobe von Fallen auf Faktoren hin untersucht, die zwischen Erfolg und Misserfolg diskriminieren. Haufig wird Erfolg durch eine oder mehrere abhangige Variablen operationalisiert und unabhangige Variablen werden multivariat-statistisch als potenzielle Erfolgsfaktoren analysiert (BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 276; TROMMSDORFF 1991, S. 182).
Der heutige Stand der Erfolgsfaktorenforschung basiert auf den Arbeiten vieler Forscher. Als fruhe, bedeutsame Studien gelten die , SAPPHO'-Studie (ROTHWELL etal. 1974), das ,Stanford Innovation Project' (MAIDIQUE/ZIRGER 1984) und das kontinuierlich weiterentwickelte ,NewProd-Project' von COOPER und seinem Forscherteam (z.B. COOPER/ KLEINSCHMIDT 1993; siehe zu einer detaillierten Zusammenfassung RUDIGER 1997). Mittlerweile liegt eine kaum iiberschaubare Anzahl an Befunden zu Innovations-Erfolgsfaktoren vor. Neben Studien, die eine Bandbreite potenzieller Erfolgsfaktoren betrachten, existieren auch einige, die eine tiefere Analyse einer begrenzten Anzahl von Erfolgsfaktoren vomehmen (z.B. GRUNER/HOMBURG 2000). Die Erfolgsfaktorenforschung stiftet einen hohen Nutzen, ist in der Vergangenheit jedoch auch kritisch diskutiert worden. Ausgangspunkt der Kritik ist die Tatsache, dass Befunde fur gleiche bzw. ahnliche unabhangige Variablen hinsichtlich ihrer Einflussstarke, statistischen Signifikanz bis hin zur Einflussrichtung teilweise erheblich voneinander abweichen (VAN DER PANNE
etal.
2003,
S. 325;
BALACHANDRA/FRIAR
1997,
S. 282;
MONTOYA-WEISS/
CALANTONE 1994, S. 409). So zeigt z.B. die Metaanalyse von HENARD/SZYMANSKI (2001, S. 368), dass sich von 24 Erfolgskriterien aus Einzelstudien bei der Betrachtung korrigierter Zusammenhange lediglich zehn als hoch signifikant und damit als dominante, allgemeine Erfolgsfaktoren herausstellen. Dazu gehort der relative Produktvorteil, Erfiillung von Kundenbedtirfnissen, technologische Uberlegenheit, eingesetzte Human- sowie F&ERessourcen, Professionalitat der Marketing-, Vorentwicklungs- und Markteinftihrungsaktivitaten sowie technologische Professionalitat und das Marktpotenzial. In der deutschen Forschungsgemeinschaft hat der Artikel ,Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs' (NICOLAI/KIESER 2002) einen emotional intensiven Schlagabtausch zwischen Befiirwortem und Kritikem der Erfolgsfaktorenforschung ausgelost (vgl. HOMBURG/KROHMER 2004; BAUER/SAUER 2004; FRITZ 2004; NICOLAI/KIESER 2004). Der provokativen Aussage von NICOLAI/KIESER (2002, S. 582), dass bis dato „kein einziges Ergebnis aus der PaaV [Performance als abhangige Variable]-Forschung (...) als gesichert gilt" kann nicht zugestimmt werden. Dennoch muss sich die Erfolgsfaktorenforschung folgenden vier wesentlichen Kritikpunkten stellen:
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(1) Mangelnde theoretische Untermauerung: Ein GroBteil der Studien, die eine Bandbreite potenzieller Erfolgsdeterminanten betrachten, bedient sich keiner ausreichenden theoretischen Untermauerung (ERNST 2002, S. 33; HAENECKE 2002, S. 166; LUTHJE 2000, S. 17). In der Regel wird auf bereits vorliegende, empirische Untersuchungen (haufig den Forschungsansatz von COOPER; vgl. ERNST 2001, S. 28) zuriickgegriffen bzw. allenfalls Adhoc-Hypothesen formuliert (RUDIGER 1997, S. 3). Da die Sinnhaftigkeit der dadurch abgeleiteten Theorien implizit mit den statistischen GiitemaBen der vorliegenden, empirischen Untersuchungen begrtindet wird, ergeben sich Validitatsprobleme (KOTZBAUER 1992b, S. 123). Dariiber hinaus werden nicht-signifikante Befunde haufig nicht berichtet (MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 407) bzw. haben geringere Veroffentlichungschancen (NICOLAI/KIESER 2002, S. 584). Insgesamt betrachtet ist der Erkenntnisgewinn der Studien ftir die Entwicklung einer uberpriifbaren Theorie der Innovation damit eingeschrankt (BROWN/EISENHARDT 1995, S. 353; KOTZBAUER 1992b, S. 123).
(2) Verwendung uneinheitlicher und haufig schwacher Messmethoden: Ein wesentlicher Grund ftir variierende bis hin zu konfliktare Ergebnisse ist unterschiedlichen Messmethoden zuzuschreiben. Kritisiert wird vor allem die Verwendung uneinheitlicher ErfolgsmaBe, Operationalisierungen und z.T. methodisch schwacher Analysemethoden (ERNST 2002, S. 33; HAENECKE 2002, S. 166; HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 370). Im Zentrum der methodischen Kritik (NICOLAI/KIESER 2002, S. 584; HAENECKE 2002, S. 174; BROWN/
EiSENHARDT 1995, S. 353) steht der sog. Single Informant-Bias, ein systematischer Messfehler, der bei der Verwendung eines einzigen Informanten zur Messung der abhangigen und unabhangigen Variablen entsteht. ERNST (2001, S. 315) kann nachweisen, dass der Informant-Bias durchschnittlich ca. 30 % der Gesamtvarianz eines Konstruktes ausmacht. Wenn dieser Effekt in empirischen Studien nicht kontroUiert wird (was bis dato i.d.R. nicht der Fall ist), ist die Validitat der Ergebnisse fragwurdig (ERNST 2002, S. 34). (3) Mangelnde Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen: Bei vielen Befunden der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung handelt es sich um Tendenzaussagen. Es lassen sich haufig grundsatzliche Handlungsorientierungen, jedoch keine konkreten Handlungsempfehlungen ableiten (NicoLAi/KiEFER 2002, S. 588; JENSEN/HARMSEN 2001, S. 37; RUDIGER 1997, S. 17). So verweist KOTZBAUER (1992b, S. 125) darauf, dass „wohl kaum ein Praktiker bestreiten wird, dass das ,Vorhandensein eines Produktvorteils' einen wichtigen Erfolgsfaktor darstellt." Die eigentliche Frage sei, auf welchen konkreten Produkteigenschaften dieser basiert bzw. wie ein Produktvorteil konkret generiert werden kann. Inhaltlich gehaltvollere Aussagen verlangen nicht einen Rundumschlag, sondem eine starkere Konzentration auf spezifische Fragestellungen (HAENECKE 2002, S. 178; RUDIGER 1997, S. 17; BROWN/EISENHARDT 1995, S. 353). Das ist eine Forderung, der
neuere Studien der Erfolgsfaktorenforschung (z.B. GRUNER/HOMBURG 2000) teilweise nachkommen.
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(4) Vernachldssigung von Kontextfaktoren: Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt betrifft die Vemachlassigung situativer Faktoren (HAENECKE 2002, S. 176; ERNST 2002, S. 33; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 282). So zeigen die metaanalytischen Erkenntnisse von HENARD/SZYMANSKI (2001, S. 370), dass neben den Messmethoden vor allem der Forschungskontext fiir die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse verantwortlich ist. Das verweist auf die methodologischen Grenzen eines Forschungsansatzes, der einen hohen Grad an Allgemeingtiltigkeit und zugleich eine im Einzelfall praktische Relevanz beansprucht. Eine starkere Beachtung von Kontextfaktoren gilt heute als eine der wichtigsten Konsequenzen der Kritik an der Erfolgsfaktorenforschung (MELHERITZ 1999, S. 150; RUDIGER 1997, S. 17; MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 413). Der Neuigkeitsgrad von Innovationen nimmt dabei einen besonders groBen Stellenwert ein (ERNST 2002, S. 33; TiDD/BoDLEY 2002, S. 129; MELHERITZ 1999, S. 157; vgl. auch Abschnitt 3.2.3): „(...) many studies have tended to overlook an important reality: that projects can differ substantially in their degree of innovativeness and that this may have an impact on what it takes to achieve success." (DEBRENTANI2001, S. 170)
Durch eine Adressierung dieser berechtigten Kritikpunkte konnen mit Hilfe von Erfolgsfaktorenstudien valide und zielfuhrende Aussagen generiert werden. 3.1.3 Adoptions- und Diffusionsforschung Der okonomische Erfolg einer Innovation basiert auf ihrer Verbreitung im Markt. Ziel der Adoptions- und Diffusionsforschung ist es, GesetzmaBigkeiten der Innovationsverbreitung zu analysieren und in Erklarungsmodellen abzubilden. Wahrend sich der Begriff der Adoption auf Individuen und deren individuelle Entscheidungsprozesse zur Ubemahme einer Innovation bezieht, steht der Begriff der Diffusion fur aggregierte, individuelle Adoptionsprozesse innerhalb eines sozialen Systems im Zeitablauf (LITFIN 2000, S. 21). Die Adoptions- und Diffusionsforschung kann zur Entwicklung spezifischer Markteinfuhrungsstrategien und -operationen beitragen, die darauf abzielen, aktiv auf den Beginn, die Dauer und das Ergebnis von Adoptionsprozessen potenzieller Kunden einzuwirken (GIERL 2000, S. 815 f). Die im Rahmen der Diffusionsforschung betrachtete, sog. Difflisionskurve stellt die zeitliche Entwicklung aller Adoptionen dar. Nach ROGERS (2003, S. 270) konnen basierend auf der Normalverteilung idealtypisch fiinf Adopterkategorien unterschieden werden: Innovatoren (2,5 % aller tjbemehmer), fruhe Adoptoren (13,5 %), fruhe Mehrheit (34 %), spate Mehrheit (34%) und Nachziigler (16%). Die formalwissenschaftlich-modellorientierte Diffusionsforschung beschaftigt sich mit der Prognose von Diffiisionsverlaufen. Eines der bekanntesten Diffusionsmodelle ist das Modell von BASS (1969). Es erlaubt die Abschatzung der maximalen Marktpenetration und der Geschwindigkeit der Diffusion von langlebigen Gebrauchgiitem auf der Basis von Zeitreihen. Das Modell wurde kontinuierlich weiterentwickelt und verbes-
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sert (einen Uberblick zur modelltheoretischen Diffusionsforschung geben ALBERS 2001, S. 94 ff. und SCHMALEN/XANDER 2000, S. 417 ff.).
Die Adoptionsforschung beschaftigt sich mit individuellen Ubemahmeprozessen. Der Adoptionsprozess kann als eine spezielle Form des Kaufentscheidungsprozesses bei innovativen Kaufobjekten angesehen werden (MEFFERT 1976, S. 93). ROGERS (2003, S. 20 f.) unterscheidet fiinf Phasen des Adoptionsprozesses, die sich in der Literatur weitgehend durchgesetzt haben (LITFIN 2000, S. 23; POHL 1996, S. 48). In der Phase der (1) Kenntnisnahme nimmt das Individuum die Innovation zum ersten Mai wahr. Der potenzielle Kunde muss in dieser Phase Interesse an der Innovation gewinnen, damit ein Entscheidungsprozess ausgelost wird. Im Falle eines Desinteresses bricht der Adoptionsprozess ab. Im Rahmen der (2) Meinungsbildung QntwickQlt das Individuum eine positive bzw. negative Einstellung gegeniiber der Innovation. Hierzu werden vor allem die wahrgenommenen Innovationseigenschaften herangezogen. Es folgt eine (3) Entscheidung fiir oder gegen die Ubemahme der Innovation. Die (4) Implementierung entspricht der AnwendungA^erwendung der Innovation. Bei Zufriedenheit mit der Innovation im Rahmen der (5) Bewertung kommt es zum Wiederholungskauf bzw. zu einer umfassenderen Ubemahme/Anwendung der Innovation. Bei Unzufriedenheit wird die Innovation wieder abgeschafft bzw. nicht noch einmal gekauft. Die Akzeptanz einer Innovation ist eine Vorstufe der Adoption. Akzeptanz kann defmiert werden als Ausdruck einer subjektiven Einstellung eines Individuums gegeniiber einem Sachverhalt, die eine positive Bereitschaft bzw. ein Verhalten impliziert (HECKER 1997, S. 124; siehe zur Akzeptanzforschung KOLLMANN 1998, S. 37 ff.). Neben der Akzeptanz ist auch die Ablehnung von Innovationen Gegenstand wissenschafllicher Forschung (siehe im Uberblick DETHLOFF 2004, S. 153 ff.). RAM/SHETH (1989; RAM 1987) beschaftigen sich beispielsweise mit dem Konstrukt des Innovationswiderstandes (innovation resistance). Innovationswiderstand ist eine spezielle Form des Menschen immanenten Widerstandes gegen Veranderung und basiert auf funktionalen bzw. psychologischen Barrieren (RAM/SHETH 1989, S. 7 ff.). Insbesondere negative Emotionen wie Angst, Frustration und Enttauschung konnen zu vorubergehenden oder dauerhaften Innovationswiderstanden fuhren (BAGOZZI/LEE 1999, S. 221), wobei die Wahrscheinlichkeit mit zunehmendem Neuigkeitsgrad einer Innovation steigt (RAM/SHETH 1989, S. 6).
Unter der Adoptionsrate versteht man die relative Geschwindigkeit mit der eine Innovation von den Mitgliedem eines sozialen Systems adoptiert wird (ROGERS 2003, S. 265). Ein Schwerpunkt der Adoptionsforschung ist die Frage, durch welche Faktoren die individuelle Adoption bzw. die Adoptionsrate einer Innovation maBgeblich beeinflusst wird. Vielfach wird zwischen adopter-, umwelt- und produktspezifischen Einflussfaktoren unterschieden (z.B. LITFIN 2000, S. 25; BAHR-SEPPELFRICKE 1999, S. 11). Adopterspeziflsche Determinanten beziehen sich auf die Eigenschaften der Ubemehmer einer Innovation. Sie basieren auf einem
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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Vergleich verschiedener Adopterkategorien: Was unterscheidet Adopter von Nicht-Adoptem bzw. Innovatoren von spateren Adoptertypen? Im Konsumgiiterbereich verweisen empirische Studien auf soziodemografische Variablen (z.B. sozialer Status) und Merkmale der Personlichkeit (z.B. Intelligenz) bzw. des sozialen Verhaltens (z.B. Meinungsfuhrerschaft). Im Industrieguterbereich existieren Hinweise auf organisationsspezifische Variablen (z.B. Organisationsstruktur), Struktur des Buying-Center (z.B. GroBe) und Charakteristika der Entscheidungstrager (z.B. Zugang zu personlichen Informationsquellen; siehe zu adoptorspezifischen Determinanten im Uberblick ROGERS 2003, S. 287 ff. und S. 407 ff.; FRAMBACH/ SCHILLEWAERT 2002, S. 165 ff.; GATIGNON/ROBERTSON 1985, S. 861 f). Umweltbezogene Determinanten der Adoption basieren primar auf den Eigenschaften des Marktes. Dazu zahlen makro-okonomische (z.B. Konjunktursituation, Marktstruktur), technologische (z.B. Normen und Standards, technischer Entwicklungsstand), politisch/rechtliche (z.B. gesetzliche Marktzugangsbeschrankungen, Wettbewerbsrecht) und sozio-kulturelle (z.B. offentliche Meinung, Kommunikationsverhalten) EinflussgroBen (LiTFiN 2000, S. 44 f). GATIGNON/ROBERTSON (1989, S. 43) zeigen beispielsweise, dass die Konzentrationsrate innerhalb einer Branche einen positiven Einfluss auf die Adoption von Innovationen ausiibt. Umweltbezogene Faktoren haben lediglich einen mittelbaren Einfluss auf den Adoptionsprozess und konnen von adopter- bzw. produktspezifischen EinflussgroBen der Adoption iiberlagert werden. Sie nehmen daher starker die Rolle von Rahmenbedingungen als die von Einflussfaktoren ein (HECKER 1997, S. 59 f.).
Wahrend adopter- und umweltbezogene Determinanten nur indirekt (z.B. durch die Marktsegmentierung bzw. Marktwahl) der Kontrolle innovierender Untemehmen unterliegen, bieten produktbezogene Einflussfaktoren einen direkten Ansatzpunkt zur Beeinflussung der Adoptionsprozesse potenzieller Kunden. Ihnen wird ein besonders hoher Erklarungsgehalt far den Diffusionsprozess zugeschrieben (BAHR-SEPPELFRICKE 1999, S. 12 f; HECKER 1997,
S. 35). Produktbezogene Einflussfaktoren basieren primar auf der Innovation selbst, wobei die Adoption maBgeblich von der Wahmehmung dieser Eigenschaften durch das Individuum abhangt. ROGERS (2003, S. 229 ff.) unterscheidet folgende flinf produktbezogenen Einflussfaktoren, die sich in der Literatur weitgehend durchgesetzt haben (LiTFiN 2000, S. 26; BAHRSEPPELFRICKE 1999, S. 20):
• Relativer Vorteil: Der relative Vorteil ergibt sich aus dem Grad der Cberlegenheit einer Innovation im Vergleich zu altemativen Losungen im Hinblick auf die individuelle Bedtirfnisbefriedigung. Neben den Eigenschaften und Funktionen beeinflussen okonomische (z.B. Preis-Leistungs-Verhaltnis, Rentabilitat) und soziale (z.B. soziale Anerkennung) Aspekte der Innovation den individuell wahrgenommenen relativen Vorteil. • Kompatibilitdt: Die Kompatibilitat entspricht dem Grad der Ubereinstimmung einer Innovation mit existierenden soziokulturellen Werten, Erfahmngen (z.B. mit bereits einge-
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
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fuhrten Produkten) und Bediirfnissen potenzieller Adopter. Je kompatibler eine Innovation ist, desto weniger Einstellungs- und Verhaltensanderungen verlangt sie. • Komplexitdt'. Unter Komplexitat versteht man den Grad der Schwierigkeit, eine Innovation zu verstehen und in Gebrauch zu nehmen. Eine hohe Komplexitat fiihrt dazu, dass die Vorteile einer Innovation schwieriger zu erkennen sind und die tJbemahme mit einem erhohten Lemaufwand fiir die potenziellen Kunden verbunden ist. • Erprobbarkeit: Die Erprobbarkeit bezieht sich auf den Grad der Moglichkeit, auf limitierter Basis zu priifen, ob die Innovation bestimmte Anfordemngen erfullt. Durch das Testen einer Innovation kann ein potenzieller Kunde die Innovation unter individuellen Rahmenbedingungen bewerten. Dieses Kriterium ist besonders fur Innovatoren wichtig, da sie im Gegensatz zu spateren Adoptem nicht auf Erfahrungen Anderer zuriickgreifen konnen. • Kommunizierbarkeit: Die Kommunizierbarkeit einer Innovation zeigt sich in dem Grad der Leichtigkeit mit der die Innovation bzw. positive Eigenschaften der Innovation potenziellen Adoptem vermittelbar sind. So sind abhangig von der Produktkategorie Innovationen innerhalb eines sozialen Systems z.B. unterschiedlich stark sichtbar. Eine hohe Kommunizierbarkeit senkt die Informationskosten fiir den potenziellen Adopter. Die sog. ROGERS-Kriterien (2003) gelten als generische, branchen- und situationsiibergreifende Erfolgsfaktoren einer Innovation (BROCKHOFF 2002, S. 43; BRINKMANN 1997, S. 41). Mit Ausnahme der Komplexitat wird davon ausgegangen, dass die produktbezogenen Kriterien einen positiven Einfluss auf die Adoption durch potenzielle Kunden haben (ROGERS 2003, S. 265 f.). Die empirische Forschung hat sich intensiv mit dem Einfluss produktbezogener Faktoren auf die Adoption beschaftigt. Einen besonders hohen Einfluss auf die Adoptionsentscheidung konnte fiir den relativen Vorteil und die Kompatibilitat einer Innovation festgestellt werden (KOLLMANN 2000, S. 73; SCHMALEN/PECHTL 1996, S. 829; HOLAK/ LEHMANN 1990, S. 66).
3.2 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen und seine Auswirkungen 3.2.1 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen 3.2.1.1 Uberblick zu Innovationstypologien und generische Begriffsabgrenzung Neuartigkeit ist ein wesentliches Defmitionselement von Innovation (HAUSCHILDT 2004, S. 3; vgl. auch Abschnitt 3.1.1). Die Neuartigkeit einer Innovation lasst sich nicht nur der Tatsache nach, sondem auch dem Grade nach bestimmen: Der Neuigkeitsgrad einer Innovation bzw. Innovationsgrad (product innovativeness) driickt den graduellen Unterschied einer Innovation gegeniiber dem bisherigen Zustand aus (HAUSCHILDT 2004, S. 14). Davon abzugrenzen ist das Konstrukt der Unternehmensinnovativitdt (firm bzw. organizational innovativeness). Hier ist das Untersuchungsobjekt nicht das Produkt/die Innovation, sondem die Organisation. Abhangig von dem zugrunde liegenden Konzeptionsansatz wird unter dem Konstrukt der Unter-
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nehmensinnovativitat die Neigung einer Organisation zur Ubemahme bzw. zur Entwicklung von Innovationen verstanden (GARCIA/CALANTONE 2002, S. 113; vgl. zur Untemehmensinnovativitat im Uberblick SUBRAMANIAN 1996). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Neuigkeitsgrad von Innovationen spiegelte sich zunachst in der Bildung von Innovations typo logien wider (HAUSCHILDT 2004, S. 14). Uneinheitliche Definitionen und Konzeptualisiemngen fuhrten zu einer Vielzahl von Begriffen. Eine Innovation, die von einem Wissenschaftler als ,wirklich neu' (really new, z.B. SoNG/MoNTOYA-WEISS 1998) bezeichnet wird, wird von anderen als ,radikar (radical, z.B. CHANDY/TELLIS 1998), ,diskontinuierlich' (discontinuous, z.B. TUSHMAN/NADLER 1986) bzw. als ,Durchbruchsinnovation' (breakthrough innovation, z.B. WHEELWRIGHT/CLARK 1992) eingestuft. Die folgende Abbildung gibt einen exemplarischen Uberblick zu Innovationstypologien in der (stark amerikanisch gepragten) Literatur.
Henderson/Clark 1990
Incremental
Abernathy/Clark 1985
Regular
Lynn/Akgiin 1998 Chandy/Tellis 1998
Incremental Incremental
Ziamou 1999
Incremental
Veryzer 1998a
Continuous
Becker 2001
Verbessemngsinnovation
Tushman/Nadler 1986 Kleinschmidt/Cooper 1991 Robertson 1971 Berth 2003
Low Innovative Continuous Verbesserung
Modular
Architectural Revolutionary Niche Evolutionary _ Evolutionary Technology Market Technological _ Market Breakthrough Breakthrough Functionality- ^g Technology- _ driven driven Comercially Technologlcally_ Discontinuous Discontinuous AnwendungsAblOsungs_ innovation innovation
Radical
Architetural & Component knowledge
Architectural
Market & Technical Capabilities
Radical
Market & Technology Uncertainty
Radical
Customer Need Fulfillment per $ & Newness Technology
Really new Discontinuous
Innovation Functionality & User Input Product & Technological Capability
Durchbruchinnovation
Neuigkelt Anwendungen & Techniken
Synthetic Moderately Innovative Dynamically Continuous Erneuerung
Discontinuous Highly Innovative Discontinuous
Market & Technological Newness
Durchbruch
Originalitat
Platfonn
Internal Learning Requirements
Effect on Consumption Patterns
Breakthrough
Product & Process Change
Nermann 1971
Variation
Reorientation
Change of Product Dimensions
Anderson/Tushman 1990
Continuous
Discontinuous
Technological Change
Maidique/Zirger1984
Adoption
True
Degree of Technical Content
Atuahene-Gima 1995
Incremental
Radical
Product Newness to Customer & Firm
Utterback 1994
Minor
Major
Product Change
All 1994 Song/Montoya-Weiss 1998 Lilien/Yoon 1989
Incremental
Pioneering
Technological Newness
Incremental Reformulated
Really New Original
Technological Change
Wheelwright/Clark 1992
Derivative
Market & Technological Newness
Abb. 3: Uberblick zu Innovationstypologien in der Literatur Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
GARCIA/CALANTONE (2002, S. 110) kommen basierend auf einer umfangreichen Literaturanalyse zu folgendem Ergebnis: „...there is no consistent delineation on what is considered 'high', 'moderate' and 'low' degree of innovativeness and if that correlates to the categorizations of 'radical', 'really new', and 'incremental' innovations or some other typology."
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
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Uneinigkeit besteht darin, ob der Innovationsgrad ein tetra-kategorisches (4 Kategorien auf Basis einer 2x2-Matrix), triadisches (3 Kategorien) bzw. dichotomes (2 Kategorien) Konstrukt darstellt (BILLING 2003, S. 19; GARCIA/CALANTONE 2002, S. 117). Die Typologien unterscheiden sich dariiber hinaus hinsichtlich der verwendeten Begrifflichkeiten und des inhaltlichen Verstandnisses des Innovationsgrades. Uneinigkeit besteht dariiber, was genau neu ist, was sich in unterschiedlichen Dimensionen des Innovationsgrades widerspiegelt (GARCIA/CALANTONE 2002, S. 112; vgl. Abb. 3). Wahrend ein Teil der Autoren den Innovationsgrad eindimensional konzeptualisiert (z.B. TUSHMAN/NADLER 1986; ROBERTSON 1967), stiitzen sich andere Typologien auf zwei Dimensionen (z.B. LYNN/AKGUN 1998; ATUAHENE-GIMA 1995).
Von der Frage ,was ist neu?' zu unterscheiden ist die Perspektive, nach der der Innovationsgrad betrachtet wird (,neu fiir wen?'; GARCIA/CALANTONE 2002, S. 112). Wahrend die meisten Typologien die Perspektive des innovierenden Untemehmens einnehmen (z.B. TUSHMAN/NADLER 1986), betrachten einige Autoren den Innovationsgrad aus der Perspektive der Kunden/des Marktes (z.B. ZiAMOU 1999) bzw. berucksichtigen beide Perspektiven (z.B. ATUAHENE-GIMA 1995). Exemplarisch werden im Folgenden einige Typologien kurz vorgestellt, auf denen viele der Ansatze aufbauen. Aus der Perspektive des innovierenden Untemehmens differenzieren TUSHMAN/NADLER (1986, S. 76) zwischen drei Innovationsarten in Abhangigkeit von den Lernanforderungen, die an das Unternehmen gestellt werden. Inkrementale Innovationen beinhalten hochstens neue zusatzliche Produktfunktionen bzw. neue Versionen und sind nur mit geringen Lernanforderungen verbunden. Synthetische Innovationen basieren hingegen auf einer kreativen Neukombination bestehender Ideen und Technologien. In Verbindung mit Marketing- und Produktionskompetenzen haben synthetische Innovationen das Potenzial, sich zu einem temporaren Produktstandard zu entwickeln. Diskontinuierliche Innovationen implizieren die Entwicklung bzw. Anwendung von signifikant neuen Technologien bzw. Ideen. Das verlangt in Abgrenzung zu den beiden vorherigen Innovationsarten den Aufbau vollig neuer Fahigkeiten, Prozesse und Systeme innerhalb der Organisation. Eine Kundenperspektive nimmt ROBERTSON (1967, S.15 f.) ein, indem er drei Typen von Innovationen basierend auf ihren Auswirkungen auf bestehende Konsum- und Gebrauchsmuster unterscheidet. Kontinuierliche Innovationen basieren auf geringfagigen Produktverbesserungen bzw. Weiterentwicklungen und haben den geringsten Einfluss auf bestehende Gewohnheiten. Dynamisch kontinuierliche Innovationen durchbrechen Gewohnheiten in spiirbarem Mafie, wohingegen diskontinuierliche Innovationen vollig neue Konsum- bzw. Gebrauchsgewohnheiten erfordem. Booz, ALLEN & HAMILTON (1982) entwickeln Anfang der 80er Jahre ein in der Literatur vielfach zitiertes, zweidimensionales Klassifikationsschema fiir den Neuigkeitsgrad von Inno-
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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
vationen. Entlang der Dimensionen Neuigkeitsgrad fur das Unternehmen und Neuigkeitsgrad fur den Markt identifizieren die Autoren empirisch (n=13.000 neue Produkte von iiber 700 amerikanischen Industrie- und Konsumguteruntemehmen) sechs Innovationstypen: New-tothe-world products (10 % aller Neueinfiihrungen), New product lines (20 %), Additions to existing product lines (26 %), Improvements to existing products (26 %), Repositionings (7 %) und Cost reductions (11 %; Booz, ALLEN & HAMILTON 1982, S. 8). Das Klassifikationsschema ist Anfang der 90er Jahre von KLEINSCHMIDT/COOPER (1991) aufgegriffen worden. Es gelingt den Autoren, drei verdichtete Innovationstypen entlang der Dimensionen marktbezogene und technologiebezogene Neuheit statistisch von einander abzugrenzen: Sehr innovative, mdfiig innovative und geringfugig innovative Produkte. Viele der neueren Ansatze bauen auf den dargestellten Konzepten auf. VERYZER (1998a, S. 307) unterscheidet z.B. vier Innovationstypen entlang den Dimensionen technologiebezogene und produktbezogene Fahigkeiten. Die erste Dimension bezieht sich auf die Notwendigkeit der Entwicklung neuer technologischer Fahigkeiten seitens des innovierenden Untemehmens; die zweite Dimension steht flir den wahrgenommenen Nutzen der Innovation seitens potenzieller Kunden. Wahrend KLEINSCHMIDT/COOPER (1991) die markt- und technologiebezogene Neuheit der Innovation betrachten, stellt VERYZER (1998a) etwas spezifischer, jedoch inhaltlich vergleichbar, die Veranderung technologischer und produktbezogener Fahigkeiten in den Vordergrund. Zusammenfassung und generische Begriffsabgrenzung In der Literatur existiert eine Vielzahl von Innovationstypologien. Trotz unterschiedlicher Dimensionen lasst sich eine wesentliche Gemeinsamkeit erkennen: Die Konzeption des Innovationsgrades basiert i.d.R. auf dem Grad der Veranderung bestimmter Markt- und/oder Technologiefaktoren (GARCIA/CALANTONE 2002, S. 112f.; CHANDY/TELLIS 1998, S. 476). Wahrend eindimensionale Ansatze sich auf einen Aspekt der Neuartigkeit konzentrieren, betrachten zweidimensionale Ansatze i.d.R. beide Aspekte und werden damit dem komplexen Konstrukt des Innovationsgrades gerechter. Die vorliegende Arbeit folgt diesem Basisverstandnis des Konstruktes. Dabei wird der vergleichsweise neutrale Begriff der Diskontinuitat (Veranderung) gewahlt: Marktbezogene Diskontinuitaten zeichnen sich z.B. durch die Schaffung eines neuen Kundennutzens bzw. die Ansprache neuer Kundengruppen aus, technologiebezogene Diskontinuitaten resultieren aus dem Einsatz neuer Technologien. Das Begriffspaar inkremental/radikal zeigt in der Literatur einen vergleichsweise hohen Verbreitungsgrad (DAMANPOUR/GOPALAKRISHNAN 1999, S. 65). Empirische Studien weisen jedoch darauf hin, dass in der Praxis nur ein geringer Anteil aller Innovationen (ca. 10 % bis 20 %) in die Kategorie radikaler Innovation fallt (GRIFFIN 1997a, S. 447; Booz, ALLEN & HAMILTON 1982, S. 8). Zur Steigerung der Relevanz ftir Wissenschaft und Praxis beschaftigt
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
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sich die vorliegende Arbeit daher mit sog. hochgradigen Innovationen, die folgendermaBen von inkrementalen Innovationen abgegrenzt werden (vgl. auch Abb. 4): • Inkrementale Innovationen weisen vergleichsweise technologiebezogene Diskontinuitaten auf.
geringe
marktbezogene
und
• Hochgradige Innovation beinhalten mittlere bis hohe marktbezogene und/oder mittlere bis hohe technologiebezogene Diskontinuitaten. Besonders hoch innovative Produkte, die in beiden Dimensionen eine hohe Auspragung aufweisen, werden im Folgenden als radikale Innovationen bezeichnet. Das heiBt, der Begriff der hochgradigen Innovation umfasst sowohl moderat innovative als auch radikale Innovationen.
Hochgradige Innovationen
Inkrementale Innovationen
\
Abb. 4: Zweidimensionales Grundverstiindnis des Innovationsgrades Quelle: Eigene Darstellung
Diese Unterscheidung lasst sich durch Ansatze in der Literatur stiitzen. Neben der dargestellten, empirisch ermittelten Typologie von KLEINSCHMIDT/COOPER (1991), nach der zwischen geringfiigig innovativen (analog zu inkrementalen) sowie maBig innovativen und sehr innovativen (analog zu hochgradigen) Innovationen unterschieden werden kann, bezeichnen z.B. GARCIA/CALANTONE (2002, S. 123) Innovationen dann als diskontinuierlich, wenn sie entweder als radikal oder als moderat innovativ einzustufen sind. Es handelt sich um einen generischen Beschreibungsansatz des Innovationsgrades, der einem Basisverstandnis des Untersuchungsgegenstandes der Arbeit dient. Im nachsten Abschnitt (3.2.1.2) wird das Konstrukt des Innovationsgrades mittels einer mehrdimensionalen Operationalisierung konkretisiert.
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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
3.2.1.2 Multidimensionale Betrachtung des Innovationsgrades Bis dato existiert in der Literatur kein einheitlicher Ansatz zur Messung des Innovationsgrades (LEE/O'CONNOR 2003, S. 5; SALOMO 2003, S. 402; GARCIA/CALANTONE 2002,
S. 110). Wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt wurde, liegen unterschiedliche Innovationstypologien vor. Neben der Tatsache, dass generische (ein- bis zweidimensionale) Ansatze der Komplexitat des Innovationsgrades nicht gerecht werden, erweist es sich als problematisch, dass die verwendeten Begriffe i.d.R. nicht klar definiert, abgegrenzt bzw. operationalisiert werden. Die Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Forschungsergebnisse und die Anwendbarkeit der Ergebnisse in der Praxis ist dadurch stark eingeschrankt (GARCIA/ CALANTONE 2002, S. 110 f.; DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001, S. 358).
Neuere Ansatze zum Innovationsgrad widmen sich diesem Forschungsdefizit, indem sie den Innovationsgrad basierend auf der Analyse bestehender Forschungsansatze als multidimensionales Konstrukt konzeptualisieren und operationalisieren. Im Folgenden werden sieben zentrale Synopsen zum Innovationsgrad vorgestellt, die dem Ziel unterliegen, einer Vereinheitlichung naher zu kommen. Eine wichtige Stellung nehmen die Arbeiten von SALOMO (2003) und BILLING (2003) ein, die mit Hilfe einer ,Metasynopse' eine moglichst vollstandige und iiberschneidungsfreie Konzeptualisierung des Innovationsgrades anstreben. Zentrale Synopsen zum Innovationsgrad Eine der ersten Autoren, die sich Mitte der 1990er Jahre umfassend mit dem Konstrukt des Innovationsgrades beschaftigt haben, sind GREEN et al. (1995). Basierend auf einer Literaturanalyse (25 Studien) defmieren die Autoren vier Dimensionen des Innovationsgrades (GREEN etal. 1995, S. 204 f.): (1) Technologische Unsicherheit bezieht sich auf das vorhandene AusmaB und die Dynamik des technologischen Wissens in der wissenschaftlichen Gemeinschafl. (2) Technische Unerfahrenheit beinhaltet die Vertrautheit und Erfahrung der F&E-Abteilung des innovierenden Untemehmens mit der Technologic. Das AusmaB der mit der Technologieentwicklung verbundenen Kosten schlagt sich in der Dimension (3) Technologie-Kosten nieder. (4) Geschdftliche Unerfahrenheit basiert auf dem AusmaB der Erfahrung des Untemehmens in der Vermarktung technologiespezifischer Produkte und Produktlinien. Es gelingt den Autoren, einen 16 Indikatoren umfassenden Ansatz zur Messung des Innovationsgrades empirisch zu bestatigen (GREEN et al. 1995, S. 207). AVLONITIS etal. (2001) entwickeln eine empirisch-basierte Typologie des Innovationsgrades ftir den Bereich Finanzdienstleistungen. Basierend auf einer Analyse von zehn Studien konzeptualisieren sie den Innovationsgrad von Service-Innovationen mittels vier Dimensionen. Wahrend die Dimension Neuartigkeit der Dienstleistung fur den Markt die marktbezogene Perspektive des Innovationsgrades reprasentiert, wird die untemehmensbezogene Perspektive durch die Dimensionen Neuartigkeit der Dienstleistung fur das Unternehmen, Modifikation
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
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der Dienstleistung und Neuartigkeit der Betriebs- und Vertriebsprozesse abgebildet. Mittels einer empirischen Studie gelingt es den Autoren, eine 15-Item-Skala zur Messung der vier Dimensionen des Innovationsgrades von Service-Innovationen zu bestatigen (AVLONITIS et al. 2001, S. 330). DANNEELS/KLEINSCHMIDT (2001) stiitzen ihren Konzeptualisieningsansatz auf eine Analyse von 24 empirischen Studien sowie auf eine eigene empirische Studie. Die Autoren stellen den Empfanger der Neuartigkeit (,neu fiir wen?') in den Vordergrund und gehen anschlieBend der Frage nach ,in welcher Hinsicht neu?'. Der Innovationsgrad setzt sich aus zwei Dimensionen, der Unternehmens- und der Kundenperspektive, zusammen. Die Neuartigkeit einer Innovation aus Kundensicht basiert dabei auf den Eigenschaften der Innovation, dem Ausmafi der mit der Innovationsubernahme verbundenen Risiken und der Notwendigkeit von Verhaltensdnderungen. Aus der Untemehmensperspektive ergibt sich die Neuartigkeit einer Innovation aus der Familiaritdt/Vertrautheit mit der eingesetzten Technologie bzw. dem anvisierten Markt und der Synergie der Innovation mit vorhandenen technologischen und marketingbezogenen Ressourcen (DANNEELS/KLEE^JSCHMIDT 2001, S. 361). Die Autoren entwickeln einen Operationalisierungsansatz, konzentrieren sich dabei jedoch auf die Dimension der Neuartigkeit aus Untemehmenssicht. HAUSCHILDT/SCHLAAK (2001, S. 164) defmieren den Innovationsgrad als AusmaB aller Veranderungen, die in einem Untemehmen durch die Entwicklung und Vermarktung einer Produktinnovation hervorgerufen werden. Diese Definition macht auf ihren Betrachtungsfokus, die Perspektive des innovierenden Unternehmens, aufmerksam. Auf der Basis einer Analyse von 47 empirischen Studien entwickelt SCHLAAK (1999) einen Messansatz fiir den Innovationsgrad. Gestutzt durch eine empirische Uberpriifung lasst sich der Innovationsgrad anhand von 24 Indikatoren messen, die sich drei Dimensionen und sieben Faktoren zuordnen lassen. Die Dimension ,Technik/Produktion' bezieht sich auf Veranderungen in den Bereichen Produkttechnologie, Produktionsprozess und Beschaffiingsbereich. ,Absatz/Ressourcen' beinhaltet Veranderungen des Absatzmarktes (z.B. neue Vertriebskanale) und des Kapitalbedarfes (z.B. erhohte Marketing-Kosten). Die dritte Dimension ,Struktur' beschaftigt sich mit Umgestaltungen der formalen und informalen Organisation (z.B. Bildung einer neuen OrganisationseinheitA^eranderung der Kultur; SCHLAAK 1999, S. 190 ff). GARCIA/CALANTONE (2002, S. 118 ff.) basieren ihre Konzeption des Innovationsgrades auf die Analyse von 21 empirischen Studien aus der Literatur. Die Autoren leiten zwei Klassifikationskriterien zur Festlegung des Innovationsgrades ab: (1) Mikro-/Makroperspektive und (2) Art der Diskontinuitaten. Die Mikroperspektive beleuchtet den Grad der Neuartigkeit fiir das innovierende Untemehmen bzw. fiir die mit der Innovation angesprochenen Kunden. Die Makroperspektive betrachtet hingegen den Grad der Neuartigkeit einer Innovation bezogen auf die relevante Branche bzw. weltweit. Das zweite Klassifikationskriterium bezieht sich auf
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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
die Art des neuen Wissens, das sich in einer Innovation manifestiert. Eine Innovation mit einer hohen Marketingdiskontinuitdt benotigt neues Marketingwissen, z.B. in Form von Informationen iiber neue Markte bis hin zu der Notwendigkeit der Schaffung neuer Markte. Eine Technologiediskontinuitdt zeichnet sich durch die Notwendigkeit der Generierung von neuem technologischem Wissen aus. Wahrend sich die Mikro /Makroperspektive also mit der Frage ,neu fur wen?' beschaftigt, bezieht sich das Kriterium Marketing-ZTechnologiediskontinuitat auf die Frage ,in welcher Hinsicht neu?'. Die Autoren entwickeln einen Operationalisierungsansatz, nehmen jedoch keine empirische Uberpriifung vor. ,Metasynopsen' vorliegender Synopsen sind von SALOMO (2003) und BILLING (2003) durchgefuhrt worden. Trotz Unterschiede der von ihnen gegeniibergestellten Konzeptualisierungen lassen sich wesentliche Gemeinsamkeiten erkennen (SALOMO 2003, S. 403 f.; BILLING 2003, S. 28). Zum einen werden i.d.R. verschiedene Perspektiven der Neuartigkeit beriicksichtigt. So differenzieren GARCIA/CALANTONE (2002, S. 118f.) und DANNEELS/KLEINSCHMIDT (2001, S. 361) auf einer ersten Betrachtungsebene zwischen der innerbetrieblichen Perspektive der Neuartigkeit fiir das Untemehmen (Mikroperspektive) und der uberbetriebliche Perspektive der Neuartigkeit fur die Branche/den Markt (Makroperspektive). AVLONITIS et al. (2001, S. 330) und GREEN et al. (1995, S. 204 f.) unterscheiden zwar nicht explizit zwischen den beiden Ebenen, die von ihnen definierten Dimensionen nehmen jedoch implizit beide Perspektiven des Innovationsgrades ein. Auf einer zweiten Ebene unterscheiden sowohl GARCIA/CALANTONE (2002, S. 119) als auch DANNEELS/KLEINSCHMIDT (2001, S. 361) markt- und technologiebezogene Verdnderungen, die mit Innovationen unterschiedlichen Neuigkeitsgrades verbunden sind. In anderen Konzeptionen nehmen dariiber hinaus interne prozessuale und organisatorische Verdnderungsaspekte einen wichtigen Stellenwert ein. AVLONITIS et al. (2001, S. 330) defmieren beispielsweise Verandemngen der Betriebs- und Vertriebsprozesse des innovierenden Untemehmens als eine Dimension des Innovationsgrades. SCHLAAK (1999, S. 185 f.) integriert dariiber hinaus Umgestaltungen der formalen und informalen Organisation in seine Konzeption des Konstruktes. SALOMO (2003, S. 419) identifiziert einen weiteren Aspekt des Innovationsgrades, der von anderen Innovationsgrad-Konzeptionen vemachlassigt wird: Verdnderungen im Umfeld der Innovation. Innovationen tangieren nicht nur interne Ressourcenbedingungen und Bedingungen potenzieller Kunden, sondem auch Faktoren, die das weiter gefasste Umfeld der Innovation betreffen. So verlangen besonders hochgradige Innovationen z.B. haufig den Aufbau neuer infrastruktureller und staatlicher Rahmenbedingungen. Zusammenfassung und multidimensionale Konzeptualisierung des Innovationsgrades Die vorgestellten Synopsen zeigen, dass die Neuartigkeit einer Innovation kein eindimensionales Konstrukt ist, sondem (1) nach mehreren Perspektiven (,neu ftir wen?': Mikro- vs.
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Makroperspektive) und (2) nach mehreren Determinanten und Konsequenzen (,in welcher Hinsicht neu?': Markt, Technologic, Organisation und Umfcld) bcschricbcn und opcrationalisicrt wcrdcn solltc. Basicrcnd auf dcr intcgricrten Bctrachtung des Forschungsstandcs durch SALOMO (2003, S. 412 ff.) und BILLING (2003, S. 30 ff.) kann der Innovationsgrad mit Hilfc dcr folgendcn vicr Dimcnsioncn konzcptualisiert wcrdcn (vgl. auch KRIEGER 2005, S. 12 ff.): (1) Marktinnovationsgrad: Der Marktinnovationsgrad gibt Auskunft dariiber, wic stark die Innovation von existierenden Angeboten im Markt abweicht. Aus der Mikro-Perspektive des innovierenden Untemehmens ist ein hoher Marktinnovationsgrad mit der Ansprache eines neuen Marktes und neuer Kundengruppen verbunden. Daraus rcsultieren vcrglcichswcise hohc Unsicherhciten, jedoch auch die Moglichkcit, die Marktposition des Untemehmens grundlegend zu verbesscm. Aus der Makroperspektive bicten Innovationen mit cinem hohen Marktinnovationsgrad cinen hochgradig neuen Nutzen, sind i.d.R. aber auch mit umfangrcichen Lem- und Vcrhaltensandcrungcn sowie cinem crhohten Adoptionsrisiko fur potcnzicllc Kundcn verbunden. (2) Technologieinnovationsgrad: Der Technologieinnovationsgrad Icitct sich aus dem Umfang der technischen Neuerung ab, mit der die Innovation verbunden ist. Der Einsatz neuer technologischer Prinzipien ermoglicht sprunghafte Leistungssteigcrungen und damit verbunden haufig die Verdrangung existierender Technologien. In der Konsequenz sind Innovationen mit einem hohen Technologieinnovationsgrad sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene mit vcrglcichswcise groBcn technologischen Unsicherhciten verbunden. (3) Organisations innovationsgrad: Der Organisationsinnovationsgrad fokussiert die innerbetriebliche Mikropcrspektive. Hochgradige Innovationen sind haufig mit neuen formalcn organisatorischen Strukturen und Prozessen verbunden. Sic tangicren dariiber hinaus aber auch informale Charaktcristika dcr Organisation, indem sic z.B. die Untcmchmcnskultur verandem. Das spiegelt sich z.B. in ciner verstarkten und offeneren Zusammenarbeit mit extcmcn Partnem wider. Auch stratcgische Neuorientierungcn sind ein Merkmal von Innovationen mit einem hohen Organisationsinnovationsgrad (SALOMO 2003, S. 414 nennt diese Dimension ,intcmcr Ressourccn-Fit'). (4) Umfeldinnovationsgrad: Dcr Umfcldinnovationsgrad ist ein bisher haufig vemachlassigtcr Aspekt der tiberbetrieblichen Makroperspektive. Innovationen bccinflussen nicht nur die dirckten Marktakteure (insb. Anbicter und Nachfrager), sondem auch das weiter gefasste Umfcld. Besonders hochgradige (radikale) Innovationen vcrlangen haufig den Aufbau neuer Infrastrukturen sowie groBcre Anpassungen regulatorischcr und gcsellschaftlicher Rahmenbedingungen (SALOMO 2003, S. 413 spricht von ,cxtemcm Ressourcen-Fit').
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
36
Die Konzeptualisiemng des Innovationsgrades als vierdimensionales Konstrukt wird in der folgenden Abbildung zusammenfassend dargestellt. Innovationsgrad Makroperspektive
Mikroperspektive Markt
f^tnio^lt
[^^m^
Markt
tme^mk^l
^m
Neuer Markt
1 Neuestech- lOrganisations[nisches Prinzip 1 struktur
Neuer 1 1 NeuestechKundennutzen |InischesPnnzid Infrastruktur
Neue Kunden
1 Leistungs1 sprung
Prozesse
Lernaufwand
Informale Organisation
Verhaltensanderung
Strategie
Adoptionsrisiko
Neue Marktposition IVIarktinnovationsgrad I
1 Leistungs- 1 sprung
Regulation Gesellschaftl. Bedingungen
{ Technologieinnovationsgrad
m
Organisationsinnovationsgrad
m
Umfeldinnovationsgrad
Abb. 5: Konzeptualisierung des Innovationsgrades als vierdimensionales Konstrukt Quelle: in Anlehnung an KMEGER (2005, S. 16) und SALOMO (2003, S. 406)
Der (Gesamt-) Innovationsgrad einer Innovation lasst sich tiber die beschriebenen vier Dimensionen bestimmen. Dem Ansatz von GARCIA/CALANTONE (2002, S. 121) folgend lassen sich aus der Kombination der vier Dimensionen des Innovationsgrades unterschiedliche Innovationstypen definieren (SALOMO 2003, S. 406 f.): Radikale Innovationen sollten in alien vier Dimensionen vergleichsweise hohe Diskontinuitaten aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere das Vorliegen eines hohen Umfeldinnovationsgrades radikale Innovationen von weniger hochgradigen Innovationen unterscheidet. Die davon abzugrenzende Extremposition der inkrementalen Innovation wird auf Diskontinuitaten auf der Mikro-Ebene beschrankt sein und i.d.R. auch nur in einer Dimension Verandemngen zeigen. Als moderat innovativ konnen alle Kombinationen an Diskontinuitaten in den Bereichen Markt, Technologie. Organisation und Umfeld eingestuft werden, die zwischen den beiden Extremen liegen. Wie bereits dargestellt wurde, werden moderat innovative und radikale Innovationen in der vorliegenden Arbeit als hochgradige Innovationen bezeichnet. 3.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen Hochgradige Innovationen unterscheiden sich von inkrementalen Innovationen. Ziel des folgenden Abschnitts ist es, konzeptionelle und empirische Befunde zu hochgradigen Innovationen systematisch darzustellen, um auf die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aufmerksam zu machen. Dabei wird zwischen Besonderheiten aus Herstellersicht (3.2.2.1) und aus Kundensicht (3.2.2.2) unterschieden. Im Anschluss (3.2.2.3) wird der Einfluss des Innovationsgrades auf den Innovationserfolg diskutiert, der u.a. durch die spezifischen Besonderheiten hochgradiger Innovationen determiniert wird.
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
37
3.2.2.1 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht Sowohl konzeptionelle Beitrage als auch empirische Studien haben sich in der Vergangenheit mit den Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus der Sicht des innovierenden Unternehmens beschaftigt. Eine Literaturanalyse zeigt, dass haufig gleiche bzw. ahnliche Charakteristika angefiihrt werden. Die folgende Tabelle fasst vorliegende Beflinde systematisch zusammen und differenziert zwischen konzeptionellen Aussagen und empirischen, qualitativen bzw. quantitativen Befunden. Chancen hochgradiger Innovationsprojekte Gute Differenzierungsmoglichkeit im Wettbewerb
= SONG/PARRY 1999, S. 665; ZIAMOU 1999, S. 370; S O N G / M O N T O Y A -
Im Erfolgsfall iiberdurchschnittlich hohe Erfolge
^ BAKER/SINKULA 2005, S. 491; REID/DEBRENTANI 2004, S. 172; HAMEL
WEISS 1998, S. 125; LYNN et al. 1996a, S. 80; F u s c o 1994, S. 29
2001, S. 150; SAMLI/WEBER 2000, S. 39; SHELTON 1999, S. 28; SCHMIDT/CALANTONE 1998, S. 113
Herausforderungen hochgradiger Innovationsprojekte Niedriges bereits vorhandenes Informations- und Kompetenzniveau
* HAMEL 2001, S. 152; SONG/PARRY 1999, S. 666; SCHMIDT/CALANTONE 1998, S. 113; LEHMANN 1994, S. 1; GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 84 * * DANNEELS 2002, S. 1106; M C D E R M O T T / O ' C O N N O R 2002, S. 429
Schwierige Abschatzung des Marktpotenzials/der Marktentwicklung
^ MDJ et al. 2006, S. 16; BAKER/SINKULA 2005, S. 491; LINTON 2002, S. 371; BROCKHOFF 2002, S. 42; LEHMANN/WINER 1997, S. 269; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 283; MORIARTY/KOSNIK 1990, S. 26; OLSCHOWY 1990, S. 64; HAYES/ABERNATHY 1980, S.73
^ LiCHTENTHALERet al. 2004, S. 104; DANNEELS 2002, S. 1106; M C D E R M O T T / O ' C O N N O R 2002, S. 428
Schwierige Abschatzung der technischen Leistungsfahigkeit und des Leistungssteigerungspotenzial
* MiNet al. 2006, S. 16; BAKER/SINKULA 2005, S. 491; MELDRUM/MILLMAN 1991, S. 44 f.; OLSCHOWY 1990, S. 61 f.; MORIARTY/KOSNIK 1990, S. 26 * * DANNEELS 2002, S. 1106; O ' C O N N O R 1998, S. 157
Haufig Erfordemis der Zusammenarbeit mit extemen Partnem (z.B. Entwicklungspartnem)
' MiNet al. 2006, S. 16; AoGARWALet al. 1998, S. 361; LEHMANN 1994,
Hohe Entwicklungs- und Vermarktungskosten
* CiiANDY/TELLis 2000, S. 13; WIND/MAHAJAN 1997, S. 3;
S. 1; MOORE 1994, S. 5 ^ PETERS 1999, S. 181; M C D E R M O T T 1999, S. 636
MELDRUM/MILLMAN 1991, S . 49 * * RICE et al. 2002, S. 334; LYNN et al. 1996b, S. 10 *** SAMLI/WEBER2000,S.44
Wenig formalisierter, strukturierter und linerarer Innovationsprozess
* * PETERS 2006, S. 118; LICHTENTHALER et al. 2004, S. 106; LEIFER et al. 2000, S. 1 8 ; M C D E R M O T T 1999, S. 638; VERYZER 1998a, S. 317; LYNN
etal. 1996a, S. 82 * * * SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 129 f.
Uberdurchschnittliche lange Dauer des Innovationsprozesses
* REID/DE BRENTANI 2004, S. 175; SAMLI/WEBER 2000, S. 39; LEHMANN/WINER 1997, S. 266; OLSON et al. 1995, S. 52; MELDRUM/MILLMAN 1991, S . 49 * * DANNEELS 2002, S. 1106; M C D E R M O T T 1999, S. 638 * * GRIFFIN 1997b, S. 3 1 ; MEYER/UTTERBACK 1995, S. 300; SCHOONHOVEN
etal. 1990, S. 198 Relativ langsame Diffusion im Markt
* MiNet al. 2006, S. 16; SANDBERG 2002, S. 188; WEIBER/POHL 1995, S. 417; LEHMANN 1994, S. 1; MELDRUM/MILLMAN 1991, S . 47; OLLEROS 1986, S. 11; HAYES/ABERNATHY 1980, S. 73; TAUBER 1994, S. 23 * * SAMLI/WEBER 2000, S. 44; GOLDER/TELLIS 1997, S. 266
*konzeptionelle Aussage; **empirischer qualitativer Befund; ***empirischer quantitativer Befund Tab. 1: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
38
n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Es wird deutlich, dass zwischen Chancen und Herausforderungen hochgradiger Innovationsprojekte differenziert werden kann. Als Chancen werden z.B. die Moglichkeit der Differenzierung vom Wettbewerb (z.B. SONG/PARRY 1999, S. 665) und potenziell iiberdurchschnittlich hohe Erfolge (z.B. BAKER/SINKULA 2005, S. 491) genannt (vgl. zum Erfolgseinfluss des Innovationsgrades ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2.3). Uberwiegend werden in der Literatur jedoch spezifische Herausforderungen angeftihrt, wie z.B. ein vergleichsweise niedriges Informations- und Kompetenzniveau (z.B. DANNEELS 2002, S. 1106), die Erfordemis der Zusammenarbeit mit extemen Partnem (z.B. PETERS 1999, S. 181), relativ hohe Entwicklungsund Vermarktungskosten (z.B. RICE et al. 2002, S. 334) sowie vergleichsweise langsame Difflisionsprozesse im Markt (z.B. SANDBERG 2002, S. 188; vgl. Tab. 1). Diese Herausforderungen lassen sich auf Unsicherheiten zuriickfiihren (PETERS 2006, S. 117; HAUSCHILDT 2004, S. 47; MCDERMOTT/O'CONNOR 2002, S. 430). Im allgemeinen Sprachgebrauch steht Unsicherheit fur die mangelnde Vorhersagbarkeit zuktinftiger Entwicklungen (GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 83). Empirische Studien weisen darauf hin, dass hochgradige Innovationsprojekte mit einem komplexen Muster verschiedener Dimensionen der Unsicherheit konfrontiert sind. Vier Unsicherheitsdimensionen stehen im Vordergrund, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Entwicklungsverlaufen (RICE etal. 2002, S. 331; LEiFERet al. 2001, S. 103; LYNN/AKGUN 1998, S. 12 f):
• Marktunsicherheiten entstehen aus mangelnden Kenntnissen iiber den Markt und die Anforderungen des Marktes. Die Beantwortung folgender Fragen stellt eine groBe Herausforderung dar: Was ist der Zielmarkt? Wie groB ist der Zielmarkt? Wie wird sich der Zielmarkt entwickeln? Was sind konkrete Bediirfnisse der Zielkunden? Wie viele Anwendungsmoglichkeiten gibt es? Welchen Preis sind potenzielle Kunden bereit zu zahlen? Was sind die Vorteile der Innovation gegeniiber Konkurrenzprodukten? Wie werden sich andere Marktteilnehmer (z.B. Wettbewerber, Handel) verhalten? Welche regulatorischen Entwicklungen sind zu erwarten? Welche Verkaufs- und Vertriebsmethoden sind angemessen? • Technologieunsicherheiten basieren auf dem Grad des vorhandenen Informations- und Wissensstandes zu relevanten naturwissenschaftlichen Phanomenen, technischen Spezifikationen, Leistungsparametem und Produktionsprozessen. Hohe Technologieunsicherheiten auBem sich in Fragestellungen wie z.B.: Wie lasst sich die technische Machbarkeit einstufen? Was sind relevante Leistungskriterien? Welche Dynamik technischer Leistungsparameter ist zu erwarten? Was sind relevante Spezifikationen des Produktionsprozesses? Von welchen Entwicklungszeiten und -kosten kann ausgegangen werden? • Ressourcenunsicherheiten konzentrieren sich vor allem auf Aspekte der Finanzierung und der Kompetenzausstattung eines Innovationsvorhabens. In Projekten mit hohen Ressourcenunsicherheiten stellen folgende Fragestellungen eine Herausforderung dar: Welche
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
39
Budget- und KompetenzanfoTdemngen stellt das Projekt? Sind finanzielle Ressourcen auBerhalb der regularen Budgetierung notwendig? Wie konnen fehlende Ressourcen generiert werden? Welche Ressourcen lassen sich nur extern beziehen? Wer sind potenzielle exteme Partner des Vorhabens? • Organisatorische Unsicherheiten beziehen sich auf die interne Umsetzung des Innovationsvorhabens. Dazu gehoren Fragestellungen wie z.B.: Welche Fahigkeiten sollte das Projektteam haben? Wie konnen die richtigen Teammitglieder rekrutiert werden? Wie soil die Leitung des Projektes aussehen? Wie kann das Projekt optimal in der Organisation verankert werden? Wie konnen projektexteme Ressourcen innerhalb der Organisation generiert werden? Wie konnen divergierende Interessen beriicksichtigt werden? Wie kann eine ausreichende Untersttitzung durch das Top-Management gewahrleistet werden? Ein aktiver Umgang mit diesen vier Unsicherheiten stellt die wesentliche Herausforderung des Management hochgradiger Innovationsprojekte dar (LEIFER etal. 2001, S. 103; MCDERMOTT 1999, S. 636). Als kritisch erweist sich, dass die Unsicherheiten haufig in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen (DESZCA et al. 1999, S. 616; LYNN et al. 1996b, S. 10). So orientiert sich die Weiterentwicklung einer Technologic i.d.R. an der Akzeptanz des sich parallel entwickelnden Marktes und umgekehrt hangt die Marktakzeptanz von dem Entwicklungsstand der sich erst entwickelnden Technologic ab (MOENAERT/SOUDER 1990, S. 92). Insbesondere zu Beginn des Innovationsprozesses sind die Unsicherheiten besonders hoch (VERWORN/HERSTATT 2003, S. 196; REID/DE BRENTANI 2004, S. 172; in diesem Zu-
sammenhang wird auch von ,fuzzy front end' gesprochen). Unsicherheit stellt eine Schlusselrolle fur den Informationsbedarf dax (WRIGHT/ASHILL 1998, S. 129). Der auf GALBRAITH (1977, S. 36 f) zuruckgehende Informationsverarbeitungsansatz versteht Unsicherheit als Differenz zwischen dem Bedarf an Information zur Losung einer Aufgabe und den in einer Organisation bereits vorhandenen Informationen. Der Erfolg einer Organisation basiert danach auf dem Fit, der zwischen der vorhandenen Unsicherheit und den Aktivitaten der Informationsverarbeitung realisiert wird: Situationen, die durch eine hohe Unsicherheit gepragt sind, verlangen - verglichen mit Situationen geringerer Unsicherheit eine intensivere Informationsgenerierung und -verarbeitung (MENONA^ARADARAJAN 1992, S. 63 f; MOENAERT/SOUDER 1990, S. 94; DAFT/LENGEL 1986, S. 556).
Es lasst sich ableiten, dass hochgradige Innovationen aufgrund ihrer komplexen Unsicherheitsstruktur ein vergleichsweise hohes MaB an Informationen erfordem (LEIFER 1998, S. 133; OLSON etal. 1995, S. 52; GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 84). Empirische Untersuchungen zeigen jedoch gleichzeitig, dass die Informationsverarbeitung in hochgradigen Projekten mit besonders grofien Schwierigkeiten verbunden ist (SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 127; MOENAERT 1995, S. 253). Ein Grund dafur ist darin zu vermuten, dass der Prozess hochgradiger Innovationen durch viele, variierende unerwartete Ereignisse (hohe Varia-
40
n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
bilitat) und intern wenig vorhandene Routinen zur Problemlosung (geringe Analysierbarkeit) gepragt ist (SICOTTE/LANGLEY 2000, S. 3; DAFT/LENGEL 1986, S. 563). In der Konsequenz sind die Informationsbedtirfnisse selten strukturiert und haufig sogar unbekannt (GALES/ MANSOUR-COLE 1995, S. 84 sprechen in diesem Zusammenhang auch von ,unknown uncertainty'). Entsprechend hoch sind bei hochgradigen Innovationen die Anforderungen an die organisationalen Informationsverarbeitungsfahigkeiten (LEIFER 1998, S. 133). Das Projektteam kann nicht auf vorhandene Informationen zuriickgreifen und muss einen intensiven Lemprozess durchlaufen (SOUDER/MOENAERT 1992, S. 498). In der Konsequenz stoBt das Innovationsteam schnell an die Grenzen der eigenen Informations has is (SALOMO etal. 2003, S. 175; MOENAERT et al. 1995, S. 245; GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 84). So zeigt eine empirische Studie im Bereich hoch technologischer Branchen, dass mit zunehmender wahrgenommener Unsicherheit die Nutzung extemer Informationsquellen (Quellen auBerhalb des Untemehmens z.B. Kunden) deutlich steigt (MCGEE/SAWYERR 2003, S. 392). Zusammenfassend: Hochgradige Innovationen sind aus Herstellersicht mit Chancen (gute Differenzierungsmoglichkeit, iiberdurchschnittliche Erfolge im Erfolgsfall), jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. Die Herausforderungen lassen sich auf spezifische Unsicherheiten (Markt-, Technologic-, Ressourcenunsicherheiten sowie organisatorische Unsicherheiten) zuriickfuhren. Unsicherheiten determinieren den Bedarf an Informationen: Hochgradige Innovationsprojekte verlangen nach dem Informationsverarbeitungsansatz ein besonders hohes MaB an Informationen. Gleichzeitig erweist sich jedoch die Informationsverarbeitung aufgrund einer hohen Variabilitat und geringen Analysierbarkeit der Prozesse als besonders schwierig. Die wesentliche Herausforderung hochgradiger Innovationsprojekte besteht daher in der Identifikation geeigneter, insbesondere extemer Informationsquellen und der kontinuierlichen Generierung relevanter Informationen. 3.2.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht Der Neuigkeitsgrad einer Innovation hat einen groBen Einfluss auf ihre Evaluation und Ubernahme (VERYZER 1998b, S. 138). Eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten hochgradiger Innovationen verlangt daher nicht nur die Betrachtung der Herstellerperspektive, sondem auch die Betrachtung der Perspektive potenzieller Kunden. Erklarungsansatze bieten die Schematheorie, die Adoptions- und Dijfusionsforschung und die Theorie des wahrgenommenen Risikos. Die folgende Tabelle fasst Befunde aus der Literatur zusammen.
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
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B e f u n d e zur Schematheorie Erfordemis des Aufbaus neuer Wissensstrukturen (hoher Lembedarf)
^ DAHL/HOEFFLER 2004, S. 261; SAAKSJARVI 2003, S. 92; GREGAN-
PAXTONet al. 2002, S. 534; MOREAUET AL. 2001, S. 489; ZIAMOU/GREGAN-PAXTON 1999, S. 365; AGGARWAL et al. 1998, S. 362; LEHMANN/WINER 1997, S. 263; URBAN et al. 1996, S. 47; OLLEROS
1986,8.12 ^BiNSACK 2003,8.219 Erfordemis von Einstellungs- und Verhaltensanderungen
* ZiAMOU 1999, S. 369; AGGARWAL et al. 1998, 8. 362; URBAN et al. 1996, 8. 47; ADAMJEE 1994, S. 46; ROBERTSON 1971, 8. 15 f.
** BINSACK2003,8. 219 f.; VERYZER 1998b, 8. 146 B e f u n d e zur A d o p t i o n s - u n d Diffusionsforschung Vergleichsweise hoher relativer Vorteil
' 8 A M L I / W E B E R 2 0 0 0 , 8. 38; ZIAMOU 1999, 8.370; GUILTINAN 1999,
8.515; MCDERMOTT 1999,8.633; VERYZER 1998b, 8. 138; SCHMIDT/CALANTONE 1998, S. 113; POHL 1 9 9 6 , 8 . 6 3 ; SCHMALEN/ PECHTL 1996, 8. 822; KOTZBAUER 1992, 8.47 = BAIER 1999, 8.232; GATIGNON/XUEREB 1997,8. 86
Relativ hohe Komplexitat
= K I M / W I L E M O N 2 0 0 3 , 8.19; POHL 1996, 8 . 6 3 ; 8CHMALEN/PECHTL 1996, 8. 822; WEIBER/POHL 1995,8.416; KOTZBAUER 1992, 8.47 ' VERYZER 1998b, 8. 143
Relativ geringe Kompatibilitat
* GUILTINAN 1999, S. 515; AGGARWAL ET AL. 1998,8.359; POHL 1996,
8.63; 8CHMALEN/PECHTL 1996, S. 822; WEIBER/POHL 1995,8.416; KOTZBAUER 1 9 9 2 , 8 . 4 7 ; OLLEROS 1986,8.12
Erschwerte Kommunizierbarkeit
* POHL 1 9 9 6 , 8 . 2 9 ; WEIBER/POHL 1995,8.416; BACKHAUS/VOETH 1995,
8.399 * * VERYZER 1998b, 8.145
Eingeschrankte Erprobbarkeit
* POHL 1 9 9 6 , 8 . 2 9 ; WEIBER/POHL 1995, 8.416; KOTZBAUER 1992, S. 47 * * VERYZER 1998b, 8. 145
Befunde zur T h e o r i e des w a h r g e n o m m e n e n Risikos Relativ hohe negative Kauffolgen
* POHL 1 9 9 6 , 8 . 7 3 ; WEIBER/POHL 1 9 9 5 , 8 . 4 2 0
Relativ hohe Unsicherheit bzgl. des Eintrittes negativer Kauffolgen
' SCHMALEN/PECHTL 1996,8. 822; BACKHAUS/VOETH 1 9 9 5 , 8 . 4 0 0 ; WEIBER/POHL 1995, 8.420 ' VERYZER 1998b, 8. 145
Insgesamt betrachtet: Relativ hohes wahrgenommenes Risiko
•• H E L M 2001, S. 170 f.; AGGARWAL et al. 1998, 8. 359 f.; 8CHMIDT/CALANTONE 1 9 9 8 , 8 . 1 1 3 ; LEHMANN/WINER 1 9 9 7 , 8 . 2 6 = BAIER 1 9 9 9 , 8 . 2 3 2
*konzeptionelle Aussage; **empirischer qualitativer Befund; ***empirischer quantitativer Befiind Tab. 2: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Kundensicht Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Im Folgenden werden die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht mit Hilfe der drei Theorieansatze genauer analysiert. Merkmale hochgradiger Innovationen aus einer schematheoretischen Perspektive Aus Kundensicht fuhren hochgradige Innovationen zu Diskontinuitaten in den Bereichen Produktnutzen, Produktfunktionen und Nutzungsverhalten (VERYZER 1998b, S. 138). Hochgradige Innovationen weichen von den mit einer Produktkategorie verbundenen sog. kognitiven Schemata ab (BINSACK 2003, S. 28). Unter einem kognitiven Schema versteht man eine Organisationseinheit des Wissens im Gedachtnis, in der auf Erfahrungen basierende, typische Zusammenhange eines Realitatsbereiches reprasentiert sind (TROMMSDORFF 2004, S. 91; BLESS/SCHWARZ 2002, S. 259). Schemata umfassen Wissenseinheiten zu Objekten, Situatio-
42
11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
nen, Ereignissen und Aktionen (RUMELHART/ORTONY 1977, S. 101). Da Schemata sich aus Erfahrungen heraus konstituieren, sind sie individuell verschieden (RUMELHART 1980, S. 37). Schemata werden als fundamentale Elemente der menschlichen Informationsverarbeitung verstanden (BLESS/SCHWARZ 2002, S. 259; RUMELHART 1980, S. 33). Im Rahmen der Informationsverarbeitung kommt es zu Riickkoppelungseffekten zwischen neuen und schematisch gespeicherten Informationen. Der wahrgenommene Grad der Neuartigkeit einer Information ergibt sich aus dem Grad der Ubereinstimmung der Information mit gespeicherten Wissenseinheiten. In diesem Zusammenhang spricht man auch von dem Grad der Schemakongruenz (HECKLER/CHILDERS 1992, S. 477 f). Forschungsbeitrage aus dem Bereich der sozialen Kognitionswissenschaft zeigen, dass der Grad der Schemakongruenz sich auf die Informationsverarbeitungsstrategie (z.B. FISKE/NEUBERG 1990), die Stimulusevaluation (z.B. MANDLER 1982), die Erinnerung (z.B. GRAESSER 1981) und die Entwicklung und Veranderung kognitiver Schemata (z.B. RUMELHART/NORMAN 1978) auswirkt. Der Grad der Schemakongruenz beeinflusst also in erheblichem MaBe die menschliche Informationsverarbeitung. Erkenntnisse der sozialen Kognitionswissenschaft sind seit Ende der 1980er Jahre zunehmend auf den Bereich der Neuproduktbeurteilung tibertragen worden. Empirische Studien zeigen, dass Produktwissen in Ubereinstimmung zur Schematheorie hierarchisch gegliedert ist (MEYERS-LEVY/TYBOUT 1989, S. 41; SUJAN/DEKLEVA 1987, S. 372 ff): Die oberste Hierar-
chieebene entspricht i.d.R. der Produktkategorie (z.B. ,Auto'), die mittlere Ebene den Produkttypen (z.B. ,Sportautos') und die unterste Ebene den Produktmarken (z.B. ,Porsche 911') bzw. Produktattributen (,fahrt schnell'). Ausgehend von gespeicherten kognitiven Schemata entwickeln Kunden Erwartungen an die Eigenschaften von Produktkategorien, -typen und -marken. Innovationen treffen auf diese Erwartungen. Das AusmaB der Abweichung der Innovationseigenschaften von den gespeicherten Wissens- und Verhaltensstrukturen spiegelt sich im Grad der Schemakongruenz wider (BINSACK 2003, S. 28; LEE 1995, S. 210). Das heiBt, der Neuigkeitsgrad einer Innovation kann als Grad der Inkongruenz zu vorhandenen Schemata interpretiert werden. BINSACK (2003) untersucht den Einfluss des Innovationsgrades auf die Neuproduktbeurteilung und -akzeptanz aus einer schematheoretischen Perspektive. Die Autorin kann empirisch nachweisen, dass hochgradige Innovationen den Erwerb neuer Wissensstrukturen erfordern, und inkongruent zu bestehenden Einstellungs- und Verhaltensschemata sind (BiNSACK 2003, S. 271 ff; vgl. zu analogen Befunden in der Literatur Tab. 2). Es resultiert eine erschwerte Neuproduktbeurteilung. Mit zunehmendem Innovationsgrad (und damit verbundener Schemainkongruenz) konnen vorhandene, schematypische Eigenschaften und Bewertungen nicht einfach assimiliert werden. Es miissen neue ftinktionale, produkt- und verhaltensbezogene sowie beurteilungsrelevante kognitive Strukturen aufgebaut werden. Die dazu erforderlichen Lemprozesse sind mit einem hohen kognitiven, zeitlichen und finanziellen Aufwand
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verbunden und konnen eine Adoptionsbarriere fiir potenzielle Kunden darstellen. Grundsatzlich mit Atypizitat verbundene positive Gefuhle wie Interesse und Neugier konnen leicht in negative Gefuhle wie Unsicherheit und Misstrauen umschlagen (siehe auch BAGOZZI/LEE 1999, S. 221; VERYZER 1998b, S. 143 ff.). Das kann zu einem Aufschub der Adoptionsentscheidung bzw. zu einem dauerhaften Widerstand fiihren (RAM/SHETH 1989, S. 6). Merkmale hochgradiger Innovationen aus der Perspektive der Adoptions- und Diffusionsforschung Aus der Perspektive der Adoptions- und Diffiisionsforschung lassen sich Merkmale hochgradiger Innovationen aus Kundensicht auf spezifische Auspragungen der ROGERS-Kriterien (vgl. ausfiihrlich 3.1.3) zuriickfuhren. So wird in der Literatur haufig davon ausgegangen, dass hochgradige Innovationen objektiv betrachtet einen vergleichsweise hohen relativen Vorteil aufweisen, der sich z.B. in einem hohen technischen Fortschritt (SCHMALEN/PECHTL 1996, S. 822), neuen Funktionalitaten (ZiAMOU 1999, S. 370) bzw. in einem hohen Produktnutzen (SAMLIAVEBER 2000, S. 38) manifestiert (vgl. Tab. 2). Problematisch ist, dass aufgrund von Unsicherheiten bzgl. der Erfiillung von Leistungskriterien der vergleichsweise hohe relative Vorteil vor dem Kauf fiir potenzielle Kunden haufig nicht eindeutig erkennbar ist (POHL 1996, S. 63). Die qualitativen Ergebnisse von VERYZER (1998b, S. 145) zeigen beispielsweise, dass potenzielle Kunden in einer ersten Konfrontation mit hochgradigen Innovationen haufig Schwierigkeiten haben, den Nutzen zu erkennen. Diese Schwierigkeiten lassen sich auf die spezifischen Auspragungen der anderen vier ROGERSKriterien zuruckfahren (WEIBER/POHL 1995, S. 420; vgl. auch Tab. 2). So weisen hochgradige Innovationen aufgrund ihrer Neuartigkeit i.d.R. eine vergleichsweise hohe Komplexitdt (Z.B. KIM/WILEMON 2003, S. 19) und eine niedrige Kompatibilitdt zu bestehenden Werten/Erfahrungen und Produkten/Systemen (z.B. GUILTINAN 1999, S. 515) auf Daruber hinaus sind die Vorteilspotenziale haufig nicht direkt und nicht ohne beurteilungsrelevantes Wissen erkennbar, was die Kommunizierbarkeit erschwert (z.B. VERYZER 1998b, S. 145). Verstarkt wird dieser Effekt durch eine eingeschrdnkte Erprobbarkeit (z.B. POHL 1996, S. 29 f): Eine Testphase kann nur einen begrenzten Zeitraum in Anspruch nehmen, gleichzeitig wird die Vorteilhaftigkeit hochgradiger Innovationen jedoch haufig erst mittel- bis langfristig evident. STRUTTON etal. (1994, S. 127) konnen die Adaquatheit der ROGERS-Kriterien far hochgradige Innovationen empirisch nachweisen. Die Wahmehmung der Eigenschaften unterscheidet sich signifikant zwischen Ubemehmem und Nicht-Ubemehmem einer hochgradigen Innovation. Das heiBt, es kann davon ausgegangen werden, dass die dargestellten, spezifischen Auspragungen der ROGERS-Kriterien die Ubemahmewahrscheinlichkeit einer hochgradigen Innovation beeinflussen. Der positive Einfluss des hohen relativen Vorteils wird tendenziell tiberlagert durch die adoptions-hinderliche Auspragung der restlichen Kriterien (ROGERS 2003, S. 266).
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Merkmale hochgradiger Innovationen aus der Perspektive der Theorie des wahrgenommenen Risikos Die Theorie des wahrgenommenen Risikos betrachtet das auf BAUER (1960) zuruckgehende Konstrukt des wahrgenommenen Risikos als zentrale Einflussgrofie des KaufVerhaltens (BAIER 1999, S. 59). Das wahrgenommene Risiko ist eine Funktion der negativen Kauffolgen (mit der Adoption subjektiv verbundene Gefahren) und der empfundenen Unsicherheit bzgl. des Eintritts dieser Kauffolgen (Eintrittswahrscheinlichkeit; CUNNINGHAM 1967, S. 83). Zu den negativen Kauffolgen zahlen z.B. nicht erwiinschte funktionale, okonomische, soziale und psychologische Konsequenzen der Kaufentscheidung (Cox 1967, S. 37). Hochgradige Innovationen sind i.d.R. sowohl mit der Erwartung steigender Vorteile (Leistungsvermutung) als auch steigender Obemahmerisiken verbunden (KOTZBAUER 1992C, S. 121). So kann bei hochgradigen Innovationen von relativ hohen negativen Kauffolgen (z.B. POHL 1996, S. 73) und gleichzeitig von einer hohen Unsicherheit bzgl. des Eintrittes dieser negativen Kauffolgen (z.B. VERYZER 1998b, S. 145) ausgegangen werden. Daraus lasst sich ableiten, dass mit zunehmendem Innovationsgrad das wahrgenommene Risiko der Ubernahme steigt (z.B. HELM 2001, S. 170 f; vgl. auch Tab. 2). Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Adoption der Innovation: Je hoher das wahrgenommene Risiko ist, desto geringer ist die Adoptionsgeschwindigkeit (POHL 1996, S. 73; WEIBER/POHL 1995, S. 417) und desto
haufiger wird die Adoptionsentscheidung verschoben (GIERL 1997, S. 1087). Das wahrgenommene Risiko hat also eine aufschiebende und blockierende Wirkung auf die Nachfrage. Nach der Theorie des wahrgenommenen Risikos wird eine Kaufentscheidung erst getroffen, wenn das wahrgenommene Risiko unter einem individuell akzeptierbaren Niveau liegt (HELM 2001, S. 123; POHL 1996, S. 134). In der Konsequenz begegnen potenzielle Kunden einem hohen wahrgenommenen Risiko mit Risikoreduktionsstrategien. Als eine zentrale Risikoreduktionsstrategie gilt insbesondere bei komplexen Kaufentscheidungen (GEMUNDEN 1985, S. 34) die Informationssuche (HELM 2001, S. 118; GlERL 1997, S. 1077; WEIBER/POHL 1995, S. 421; siehe fiir eine systematische Bestandsaufnahme zum Zusammenhang zwischen Risiko und Informationsnachfrage GEMUNDEN 1985). Ziel innovierender Untemehmen muss es sein, potenziellen Kunden innerhalb des Informationssuchprozesses die Vorteilhaftigkeit der Innovation darzulegen, um eine Ubemahme zu fordem (WEIBER/POHL 1995, S. 430). Dariiber hinaus kann eine geeignete Qualifikation der Nachfrager (z.B. Wissenstransfer zur Komplexitatsreduktion) die Informationsverarbeitung verbessem (BACKHAUS/VOETH 1995, S. 399). Zusammenfassend: Aus der Perspektive der Schematheorie, der Adoptions- und Diffusionsforschung sowie der Theorie des wahrgenommenen Risikos konnten Merkmale hochgradiger Innovationen aus Kundensicht abgeleitet werden. Ubemahmefordemde Faktoren (z.B. ein
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hoher relativer Vorteil) werden haufig durch ubemahmehemmende Faktoren (z.B. die Notwendigkeit des Aufbaus neuer Wissensstrukturen) iiberlagert. Aus Sicht des innovierenden Untemehmens kann die Notwendigkeit der Bereitstellung von Informationen abgeleitet werden. Kommunikation hat einen hohen Einfluss auf die erfolgreiche Verbreitung einer Innovation im Markt (SCHMALEN/XANDER 2000, S. 415; MEFFERT 1976, S. 96). Auf diese Weise kann der Aufbau neuer Wissensstrukturen unterstiitzt (BINSACK 2003, S. 277 f.), die Wahrnehmung der Innovationseigenschaften beeinflusst (GlERL 2000, S. 815 f.) und das wahrgenommene Risiko gesenkt (WEIBER/POHL 1995, S. 430) werden. 3.2.2.3 Einfluss des Innovationsgrades auf den Innovationserfolg In der allgemeinen Managementliteratur wird davon ausgegangen, dass hochgradige Innovationen ein von inkrementalen Innovationen abweichendes Chancen-Risiken-Verhaltnis aufweisen (ZIRGER 1997, S. 295). Danach bieten hochgradige Innovationen die Moglichkeit einer nachhaltigen Differenzierung vom Wettbewerb (z.B. SONG/PARRY 1999, S. 665) und die Chance auf einen iiberproportional hohen Erfolg (z.B. BAKER/SINKULA 2005, S. 491; vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1). Gleichzeitig fiihren die mit hochgradigen Innovationen verbundenen Unsicherheiten (vgl. Abschnitt 3.2.2.1) jedoch dazu, dass sowohl die Wahrscheinlichkeit, als auch das AusmaB des Erfolges ungewiss sind (SORESCU et al. 2003, S. 82; DANNEELS 2002, S. 1106). Wissenschaftliche Studien zum Zusammenhang zwischen dem Innovationsgrad und dem Innovationserfolg zeigen widerspruchliche Befunde. In der Literatur fmden sich Hinweise fur: .
QinQnpositiven Zusammenhang (ZHOU 2006, S. 399; ZHOU et al. 2005, S. 52; BERTH 2003, S. 18; SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 131; ZIRGER 1997, S. 295; GATIGNON/XUEREB 1997, S. 85; BRINKMANN 1997, S. 163; Booz, ALLEN & HAMILTON 1982, S. 8),
.
einen negativen Zusammenhang (MiN et al. 2006, S. 25 f.; DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001, S. 369; ALI 2000, S. 158; ATUAHENE-GIMA 1996, S. 99; ZIRGER/MAIDIQUE 1990, S. 878; MEYER/ROBERTS 1986, S. 815),
• einen U-formigen Zusammenhang (AVLONiTis etal. 2001, S. 338; KOTZBAUER 1992C, S. 224; KLEINSCHMIDT/COOPER 1991, S. 244 ff),
.
bzw. keinen eindeutigen Zusammenhang (KRIEGER 2005, S. 162; HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 367; ScHLAAK 1999, S. 256 ff.; CALANTONE etal. 1994, S. 146; COOPER/ KLEINSCHMIDT 1993, S. 109).
Die empirischen Ergebnisse von SONG/MONTOYA-WEISS (1998, S. 131) zeigen beispielsweise, dass die durchschnittliche Rentabilitat hochgradiger Innovationen verglichen mit inkrementalen Innovationen signifikant hoher ist. ZHOU et al. (2005, S. 52) konnen empirisch nachweisen, dass Innovationen mit einem hohen Technologieinnovationsgrad bzw. einem hohen Marktinnovationsgrad den Untemehmens- und Produkterfolg positiv beeinflussen. Eine praxisorientierten Langzeitstudie (BERTH 2003, S. 18) liefert konkrete Vergleichszahlen:
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Danach erzielen radikale Innovationsprojekte eine durchschnittliche Rentabilitat von 14,7 %, wahrend inkrementale Innovationen nur 6,9 % aufweisen konnen. Hinweise zu einem negativen Erfolgseinfluss des Innovationsgrades geben hingegen empirische Studien, die sich mit der Synergic neuer Projekte zu vorhandenen Untemehmensressourcen beschaftigen. Danach sind Innovationsprojekte, die auf interne Ressourcen (z.B. F&Eund Marketing Know How) zuriickgreifen konnen (i.d.R. inkrementale Innovationsprojekte), crfolgreicher als hochgradige Projekte, die mangels Synergien den Aufbau neuer Ressourcen verlangen (DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001, S. 369; ZIRGER/MAIDIQUE 1990, S. 878).
KLEINSCHMIDT/COOPER (1991, S. 241) beschaftigen sich mit den gegensatzlichen Befunden in der Literatur und erklaren diese durch zwei gegenlSufige Effekte. Hochgradige Innovationen bieten auf der einen Seite die Chance einer nachhaltigen Differenzierung vom Wettbewerb (positiver Erfolgseinfluss), auf der anderen Seite bestehen jedoch wenige Synergien zu vorhandenen intemen Ressourcen (negativer Erfolgseinfluss). Die Autoren konnen empirisch einen U-formigen Verlauf des Zusammenhanges des Innovationsgrad und Erfolg feststellen. Danach zeigen sowohl inkrementale als auch radikale Innovationen vergleichsweise hohe Erfolgsraten und -maBe (u.a. ROI, Marktanteil), wahrend sich moderat innovative Innovationen als deutlich weniger erfolgreich herausstellen. Ein mittlerer Innovationsgrad birgt die Gefahr einer ,stuck in the middle'-Position: MaBig innovative Produkte verftigen weder tiber einen ausreichenden relativen Vorteil im Markt noch iiber die Vorteile intemer Synergieeffekte (KLEINSCHMIDT/COOPER 1991, S. 244 ff).
KoTZBAUER (1992c, S. 186) vermutet ebenfalls eine U-formige Beziehung zwischen dem Innovationsgrad und dem Innovationserfolg, in Abgrenzung zu KLEINSCHMIDT/COOPER (1991) jedoch einen umgekehrt U-formigen Zusammenhang. Aus einer abnehmerorientierten Perspektive entwickelt KOTZBAUER (1992c, S. 119ff) ein Erklarungsmodell der optimalen Innovationshohe. Danach ist mit zunehmendem wahrgenommenem Innovationsgrad sowohl die Erwartung steigender Vorteile (Leistungsvermutung) als auch tiberproportional steigender Ubemahmerisiken (Bedeutung und Wahrscheinlichkeit negativer Kauffolgen) verbunden. Bei gegebener Risikoaversion potenzieller Kunden leitet KOTZBAUER (1992c, S. 125 f) das Vorhandensein einer optimalen Innovationshohe ab: Danach steigen die Erfolgschancen eines Produktes mit ansteigender Innovationshohe zunachst bis zu dem Punkt des maximal wahrgenommenen Nutzens an. Uberschreitet die Innovationshohe diesen Punkt, so ist mit sinkenden Erfolgsaussichten der Innovation zu rechnen. Es gelingt KOTZBAUER (1992c, S. 224) erste empirische Hinweise zu der postulierten umgekehrt U-formigen Beziehung zwischen dem Innovationsgrad und dem finanziellen Neuprodukterfolg zu generieren (zu einem analogen Ergebnis fur Service-Innovationen kommen AVLONITIS et al. 2001, S. 338).
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Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass in der Literatur widerspriichliche Befunde zum Einfluss des Innovationsgrades aufden Erfolg vorliegen. Bestatigt wird diese Schlussfolgerung durch die Metaanalyse von HENARD/SZYMANSKI (2001, S. 367), in der kein signifikanter Erfolgseinfluss des Innovationsgrades festgestellt werden kann. Ein wesentlicher Grund fiir die Befundlage ist in der uneinheitlichen Konzeptualisierung und Operationalisiemng des Innovationsgrades zu sehen (SALOMO 2003, S. 401 f). So ist davon auszugehen, dass die Perspektive der Neuartigkeit (,neu ftir wen?') Einfluss aufden Zusammenhang hat (SCHLAAK 1999, S. 107). Studien, die die Perspektive des innovierenden Untemehmens einnehmen (z.B. DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001), stellen tendenziell eher einen negativen Einfluss des Innovationsgrades fest, wahrend ein hoher Innovationsgrad aus der Perspektive des Marktes tendenziell eher positiv mit dem Erfolg assoziiert ist (z.B. SONG/MONTOYA-WEISS 1998). Gleichzeitig weist das Modell von KOTZBAUER (1992C) jedoch darauf hin, dass auch aus der Perspektive des Marktes hochgradige Innovationen mit erhohten Risiken verbunden sind. Relativ einig ist sich die Forschung daruber, dass auf der Untemehmensebene ein langfristiger strategischer Wettbewerbsvorteil die Kombination verschiedener Innovationsarten verlangt (HAN et al. 2001, S. 11; TUSHMAN et al. 1997, S. 7; WIND/MAHAJAN 1997, S. 2; ABERNATHY/
CLARK 1985, S. 20). Auf der Projektebene stellt sich die Frage, ob der Innovationsgrad weniger als unabhangige Variable, sondem eher als moderierende Variable betrachtet werden sollte. Die bis dato eher widerspriichlichen Befunde weisen darauf hin, dass ein hoher Innovationsgrad keinen Erfolg garantiert. Vielmehr scheint die Entwicklung und Einflihrung einer hochgradigen Innovation ein besonderes Innovationsmanagement zu verlangen. Das heiBt, der Innovationsgrad ist vielmehr als eine moderierende Variable zu betrachten (LEE/O'CONNOR 2003, S. 5). Der folgende Abschnitt widmet sich dieser Fragestellung. 3.2.3 Der Innovationsgrad als Kontingenzfaktor in der Erfolgsfaktorenforschung Seit Mitte der 1990er Jahre raumen das Marketing Science Institute, das Institute for Study of Business Markets und das Journal of Marketing unabhangig voneinander der Erforschung von Innovationen hoher Neuigkeitsgrade hochste Prioritat ein (DE BRENTANI 2001, S. 170; CHANDY/TELLIS 1998, S. 474; WIND/MAHAJAN 1997, S. 3). Hochgradige Innovationen standen bis dato vergleichsweise selten im Zentrum der wissenschaftlichen Innovationsforschung (VERYZER 2005, S. 24). Die meisten Beitrage konzentrieren sich auf die Untersuchung inkrementaler Innovationen bzw. differenzieren nicht zwischen Innovationen verschiedener Neuigkeitsgrade (LiCHTENTHALER et al. 2004, S. 102; HAUSCHILDT 2004, S. 36). In der Praxis werden haufig dieselben Ansatze und Methoden zum Management inkrementaler und radikaler Innovationen eingesetzt (MCDERMOTT/0'CONNOR 2002, S. 434). Wie bereits dargestellt wurde, bezieht sich ein wesentlicher Kritikpunkt an der Erfolgsfaktorenforschung auf die Vemachlassigung von Kontextfaktoren (HAENECKE 2002, S. 176; ERNST 2002, S. 33; vgl. Abschnitt 3.1.2.2). Die in der Organisationstheorie verankerte Kontingenz-
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theorie (vgl. im Uberblick ZEITHAML et al. 1988; DRAZIN/VAN DE VEN 1985) bietet Potenzial fiir ein besseres Verstandnis dariiber, wie sich Kontextfaktoren auf das Innovationsmanagement auswirken. Die Kontingenztheorie vemeint das Vorhandensein einer unter alien Rahmenbedingungen effektiven Organisationsstruktur. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass die optimale Organisationsstruktur in Abhangigkeit gegebener Kontingenzfaktoren, wie z.B. UntemehmensgroBe, Strategie und Unsicherheit, variiert (ZEITHAML etal. 1988, S. 39; DRAZIN/VAN DE VEN 1985, S. 514).
Im Kontext von Innovationsprojekten wird relativ haufig ein Brancheneinfluss vermutet. Zum Ausschluss dieses Einflusses und damit aus Gninden der Vergleichbarkeit erfolgt haufig eine Fokussierung empirischer Studien auf spezifische Industriesegmente (HAUSCHILDT 2004, S. 49; ERNST 2001, S. 180; in Deutschland iiblicherweise auf den Maschinenbau: z.B. GRUNER 1997; KIRCHMANN 1994). Branchenubergreifende Beitrage der Erfolgsfaktorenforschung konnen jedoch haufig keinen Einfluss der Branchenzugehorigkeit auf Erfolgsfaktoren von Innovationsprojekten feststellen (ERNST 2001, S. 180; vgl. z.B. KARKKAINEN et al. 2001, S. 398; COOPER/KLEINSCHMIDT 1995, S. 379). Eine Vermutung fur diesen Nichtbefund ist, dass die Verwendung einer Brancheneinteilung nur ungenugend Sachverhalte operationalisiert, die vermutlich einen Einfluss auf den Nachweis von Erfolgsfaktoren haben. Entsprechend wird in der wissenschaftlichen Forschung zunehmend von der Verwendung der Klassifikation Branche zu Gunsten anderer Kontingenzfaktoren abgesehen (ERNST 2001, S. 180; MELHERITZ 1999, S. 157; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 283).
TiDD (2001, S. 175) kommt auf der Basis einer Literaturanalyse zu dem Ergebnis, dass insbesondere zwei Kontingenzfaktoren einen wesentlichen Einfluss auf das Management von Innovationen haben: Unsicherheit und Komplexitdt. Wie im Abschnitt 3.2.2.1 dargestellt wurde, stellt Unsicherheit ein konstituierendes Merkmal hochgradiger Innovationsprojekte dar (LYNN/AKGUN 1998, S. 13). Dariiber hinaus sind hochgradige Innovationen haufig sehr komplex (KIM/WILEMON 2003, S. 19). Damit im Einklang stehend wird der Innovationsgrad in der Literatur weitgehend einheitlich als Kontingenzvariable des Innovationsmanagement verstanden (SCIGLIANO 2003, S. 60). Empirische Studien beschaftigen sich zunehmend mit der moderierenden Wirkung des Innovationsgrades auf den Erfolgseinfluss von Managementaktivitaten (z.B. TALKE 2005; KRIEGER 2005; LEE/O'CONNOR 2003; BONNER etal. 2002; SONG/XIE 2000; LEE/NA 1994).
LEE/NA (1994, S. 65 f) konnen z.B. empirisch zeigen, dass die Untersttitzung eines Innovationsprojektes durch einen Promotor wichtiger fur den Erfolg radikaler als fur den Erfolg inkrementaler Innovationen ist. Trotz erster empirischer Hinweise in spezifischen Bereichen des Innovationsmanagement gilt die Betrachtung des Innovationsgrades als Moderatorvariable nach wie vor als ein Forschungsdefizit:
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„An important contingent factor may be the 'degree of newness' of the new product, especially for studies conducted at the project level, because it can be assumed that it affects the new product development process and the relevance of a specific success factor." (ERNST 2002, S. 33; H.d.V.)
Die vorliegende Arbeit folgt dem Verstandnis des Innovationsgrades als Kontingenzvariable. Dabei wird das Konstrukt in zweifacher Weise als Kontingenzfaktor berucksichtigt. Zum einen erfolgt die Konzeptualisierung der Kundenorientierung fiir den Kontext hochgradiger Innovationen (vgl. Kapitel 5). Diese Vorgehensweise folgt dem sog. Selektionsansatz, nach dem in der Kontingenztheorie davon ausgegangen wird, dass Organisationen ihr Verhalten am Kontext ausrichten (DRAZIN/VAN DE VEN 1985, S. 516 f.). Die kontextspezifische Konzeptualisierung der Kundenorientierung unterliegt der Grundannahme, dass hochgradige Innovationen aufgrund ihrer hohen Unsicherheiten besondere Herausforderungen an das Innovationsmanagement stellen: „Is it reasonable to expect that an innovation strategy used on an incremental innovation can be equally effective for a radical innovation? Most likely not. Innovation strategies must be tailored to the nature of the innovation and the degree of uncertainties present." (LYNN/AKGUN 1998, S. 12)
Daruber hinaus wird der Innovationsgrad als Moderatorvariable berucksichtigt. Der Einfluss des Innovationsgrades auf die Beziehung von Kundenorientierung und Erfolg wird sowohl theoretisch und literaturgestiitzt (Kapitel 7 und 8) als auch empirisch (Kapitel 10) analysiert. Dieser in der Kontingenztheorie sog. Interaktionsansatz unterliegt der Annahme, dass Erfolg mit zunehmendem Fit zwischen Kontext und Managementverhalten steigt (DRAZIN/VAN DE VEN 1985, S. 517 f). 3.3 Ausgewahlte Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellern und Kunden im Innovationsprozess Die sog. Interaktionsforschung beschaftigt sich mit Interaktionsprozessen, die zwischen Herstellern und Kunden stattfinden. Unter Interaktionen konnen alle formalen und informalen Kontakte mit spezifisch problembezogenen, das Leistungsprogramm betreffenden Inhalten verstanden werden (HERSTATT 1991, S. 57). Klassischer Untersuchungsfokus der Interaktionsforschung ist die Vermarktung von Produkten und Prozessen im Investitionsgiiterbereich (KERN 1990, S. 16). Wenige Ansatze iibertragen den Interaktionsgedanken auf den Kontext der Entwicklung von Innovationen. Als wesentliche Betrage gelten das sog. MAP-CAP-CAP 2-Paradigma (u.a. FoxALL/TlERNEY 1984, S. 13; VON HiPPEL 1978a) und das Zusammenarbeitsmodell von GEMtJNDEN (1981; 1980), die im Folgenden im tJberblick vorgestellt werden. MAP-CAP-CAP 2-Paradigma VON HIPPEL (1978a;b) reagiert mit seinen Arbeiten Ende der 1970er Jahre auf die in der Literatur bis dahin iiberwiegend eingenommene Sichtweise herstellerdominierter Innovationsprozesse (sog. Manufacturer-Active-Paradigm; MAP). Darunter versteht VON HiPPEL (1978a,
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S. 40) eine Dominanz des Herstellers bzgl. der Aktivitaten entlang des Innovationsprozesses. Danach ist es Aufgabe des Herstellers, Zielgruppen zu identifizieren, Kundenbediirfnisse aufzudecken und darauf aufbauend Erfolg versprechende Innovationsideen zu entwickeln und umzusetzen. Die Rolle des Kunden beschreibt VON HIPPEL (1978b, S. 243) im Rahmen dieses Paradigmas als passiv im Sinne von ,speaking only when spoken to.' Auf der Basis empirischer Beflinde zur Initiierung von Innovationsprojekten durch Kunden entwickelt vON HIPPEL (1978a, S. 40; 1978b, S. 243) das Paradigma des kundendominierten Innovationsprozesses (sog. Customer-Active-Paradigm; CAP). Nach diesem Ansatz werden die wesentlichen Aktivitaten zu Beginn des Innovationsprozesses durch den Kunden getragen. Der Kunde generiert eine Idee ftir ein neues Produkt, formuliert ein Konzept bzw. setzt die Innovationsidee in Form eines Prototyps um. AnschlieBend iibertragt er seine Entwicklung und sein Wissen an einen Hersteller. Dieser iiberpriift das Marktpotenzial der Idee und entwickelt daraus eine marktfahige Innovation, die er produziert und vermarktet. Das MAP-CAP-Paradigma wurde von einigen Forschem, insbesondere von der Forschergruppe um FOXALL (u.a. FOXALL/JOHNSTON 1987; FOXALL/TIERNEY 1984; siehe aber auch
Voss 1985), erweitert bzw. modifiziert. So schlagen FOXALL/TIERNEY (1984, S. 13) z.B. eine Erweiterung des CAP-Paradigmas durch ein weiteres Interaktionsmuster (genannt CAP 2) vor. Wahrend CAP von einer Entwicklungsiibergabe spatestens nach der Prototypphase an den Hersteller ausgeht, sieht CAP 2 eine aktive, untemehmerische Rolle des Kunden auch in der Kommerzialisierungsphase der Innovation (z.B. durch Patentierung) vor. Zusammenarbeitsmodell von Gemiinden Das Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1981; 1980) stellt neben dem MAP-CAPCAP 2-Paradigma ein weiteres Interaktionsmodell dar, das im Innovationskontext angewandt wird (z.B. bei LUTHJE 2000, S. 82 ff.; SCHRADER 1995, S. 465; HERSTATT 1991, S. 43 f.). Der Autor untersucht am Beispiel der Beschaffung von EDV-Anlagen Interaktionsstrategien, die im Rahmen komplexer Entscheidungsprozesse eingesetzt werden. Auf der Basis der Uberprufung zahlreicher Effizienzhypothesen leitet GEMUNDEN (1980, S. 30) als eine zentrale Erkenntnis ab, dass ein Fit zwischen angestrebtem Anspruchsniveau der Problemlosung und dem Interaktionsgrad erreicht werden muss (Korrespondenztheorem). Der Autor kommt im Fall eines angestrebten groBen Innovationsschrittes zu dem Schluss, dass eine intensive Interaktion zwischen Hersteller und Kunde empfehlenswert ist. Diese Interaktion ist dann am erfolgreichsten, wenn eine ausgewogene Technologic- und Nutzenorientierung, sowie eine ausgewogene Arbeitsteilung vorliegen. Ein Vergleich des MAP-CAP-CAP 2-Paradigmas (FOXALL/JOHNSTON 1987; VON HIPPEL 1978a; 1978b) mit dem Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1981; 1980) zeigt wesentliche konzeptionelle Unterschiede. Im MAP-CAP-Paradigma wird explizit bzw. implizit eine
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arbeitsteilige Interaktion postuliert. Das heiBt, dass innerhalb einer Innovationsphase entweder der Hersteller oder der Kunde dominiert, wahrend die jeweils andere Partei keine bzw. lediglich eine untergeordnete Rolle einnimmt. Die Interaktion bezieht sich im Wesentlichen auf den Transfer der erarbeiteten Ergebnisse auf die andere Partei am Ende einer Innovationsphase (LOTHJE 2000, S. 81 f.). GEMUNDEN (1981, S. 31) geht in seinem Modell hingegen von einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunden aus. Eine ausgewogene Technologie- und Nutzenorientierung sowie eine ausgewogene Arbeitsteilung sind danach nicht durch getrennt durchgefuhrte Aktivitaten, sondem vielmehr nur durch einen beiderseitigen Lemprozess moglich. Dieser Lemprozess ist bei einem geplanten groBen Innovationsschritt nicht nur in der Phase der Entwicklung, sondem auch in fruheren und spateren Phasen des Innovationsprozesses moglich und sinnvoU (HERSTATT 1991, S. 45). Konzeptionelle Ahnlichkeiten zeigen sich zwischen dem Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1980) und dem sog. Lead-User-Ansatz (VON HIPPEL 1986). Der Lead User Ansatz basiert zwar auf dem Grundgedanken des CAP-Paradigmas, geht jedoch auch von einer kooperativen Interaktion zwischen Hersteller und ausgewahlten, besonders innovativen Kunden aus (GRUNER/HOMBURG 2000, S. 4; vgl. zum Lead User Ansatz auch Abschnitt 5.3.2.3 und 8.2.1.3). Eine Vielzahl empirischer Studien stiitzt sowohl das CAP-CAP 2-Paradigma als auch das Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN. Zum einen konnen viele Studien Anteile von Innovationsprojekten identifizieren, in denen der Kunde eine aktive Rolle im Innovationsprozess einnimmt (z.B. BiEMANS 1991, S. 168; MANTEL/MEREDITH 1986, S. 34; PARKINSON 1985,
S. 53; VOSS 1984, S. 149; SPITAL 1979, S. 291; einen ausfiihrUchen LFberbHck gibt LUTHJE 2000, S. 245 ff). Zum anderen hat sich gezeigt, dass groBe Innovationsschritte haufig durch Formen der kooperativen Interaktion zwischen Herstellem und Kunden erzielt werden (z.B. LIN/GERMAIN 2004, S. 249; TETHER 2000, S. 24; BIEGEL 1987, S. 133 f; SHAW 1985, S. 288;
SPITAL 1979, S. 291 f). Insgesamt betrachtet wird in der Literatur auch von einem ,Paradigmenwechsel in der Innovationsforschung' im Sinne einer Abkehr vom rein herstellerdominierten Innovationsprozess gesprochen (KARLE-KOMES 1997, S. 76; HERSTATT 1991, S. 24).
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4 Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene Die vorliegende Arbeit fokussiert das Thema Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Das Konstrukt wurde bis dato wissenschaftlich vemachlassigt (SANDBERG 2005, S. 255; BiEMANS 2003, S. 517). Da Kundenorientierung i.d.R. als eine Teilkomponente der Marktorientierung verstanden wird (z.B. KOHLi/jAWORSKi 1990, S. 3) sowie aufgrund inhaltlicher Parallelen, soil auf den Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Unternehmensebene zuriickgegriffen werden. Aufbauend auf einer Darstellung und Diskussion des Forschungsstandes im vorliegenden Kapitel wird unter Beriicksichtigung der Besonderheiten hochgradiger Innovationen im Kapitel 5 das Konstrukt der Kundenorientierung auf der Projektebene konzeptualisiert. Im folgenden Abschnitt 4.1 werden zunachst eine Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung sowie eine Begriffsabgrenzung vorgenommen. Im Abschnitt 4.2 werden unterschiedliche Perspektiven der Marktorientierung vorgestellt und diskutiert. Dabei wird zwischen traditionellen (kultur- und verhaltensorientierte Ansatze, 4.2.1) und neueren Perspektiven (Marktorientierung und Organisationales Lemen sowie reaktive/marktgeleitete vs. proaktive/marktgestaltende Formen der Marktorientierung; 4.2.2) unterschieden. Neben der Konzeptualisierung hat sich die wissenschaftliche Forschung intensiv mit dem Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg auseinandergesetzt (4.3). Nach einem Uberblick zum Forschungsfeld (4.3.1) wird eine differenzierte Synopse empirischer Befunde vorgenommen (4.3.2). Dabei wird unterschieden nach direkten (4.3.2.1) sowie moderierenden und mediierenden Effekten (4.3.2.2). Der Abschnitt endet mit einer kritischen Wiirdigung vorliegender empirischer Befunde (4.3.3). Abschnitt 4.4 fasst die gewonnenen Erkenntnisse zur Marktorientierung auf der Unternehmensebene zusammen und leitet bestehende Forschungspotenziale ab. 4.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung und Begriffsabgrenzung 4.1.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung Trotz umfangreicher Forschungsbemiihungen existiert bis dato kein einheitliches Verstandnis daruber, was unter dem Konstrukt der Marktorientierung zu verstehen ist (MATSUNO et al. 2005, S. 1; DESHPANDE/FARLEY 2004, S. 6). Marktorientierung kann zu den strategischen Orientierungen einer Organisation gezahlt werden (TUOMINEN et al. 2004, S. 209; NOBLE et al. 2002, S. 25). Darunter versteht man leitende Prinzipien, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie eine Organisation Strategien anwendet, um sich ihrer Umwelt anzupassen bzw. spezifische Aspekte ihrer Umwelt aktiv zu verandem (NOBLE et al. 2002, S. 26 f.; MANU/ SRIRAM 1996, S. 79; eine ausfuhrliche Diskussion des Orientierungsbegriffes liefert BOTSCHEN 1999, S. 10 ff.).
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Die Literatur ist sich weitestgehend darin einig, dass das Konstrukt der Marktorientierung seinen Ursprung im Marketingkonzept findet (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 405). Das Marketingkonzept, das den Kunden und seine Bedtirfnisse in den Mittelpunkt der Untemehmenstatigkeit stellt, fiihrte ab Mitte der 1950er Jahre zu der Entwicklung des Marketing von einer reinen Verkaufsorientierung hin zu einer Fiihrungsphilosophie (WEBSTER 1988, S. 31). Einer der ersten Verfechter, der Managementberater Peter Drucker, formuliert den Grundgedanken des Marketingkonzeptes folgendermaBen: „There is only one valid definition of business purpose: to create a satisfied customer. It is the customer who determines what the business is." (DRUCKER 1954, S. 37)
Marktorientierung wird haufig als Implementierung des Marketingkonzeptes verstanden (HARRIS/OGBONNA 1999, S. 179; vgl. z.B. bei KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 1) bzw. vorhandene
Ansatze zur Marktorientierung bauen auf dem Grundgedanken des Marketingkonzeptes auf (NARVER et al. 1998, S. 241). Perspektiveniibergreifend kann Marktorientierung als Ausrichtung der Unternehmenstdtigkeit am Markt verstanden werden, wobei Uneinigkeit dariiber besteht, wie sich diese Ausrichtung konkret manifestiert und was unter dem Begriff Markt zu verstehen ist (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 4.2). Inhaltliche Nahe zum Konstrukt der Marktorientierung zeigt das Konstrukt der Kundenndhe. Kundennahe erlangte durch das Buch ,In Search of Excellence' von PETERS/WATERMAN (1982) hohe Aufmerksamkeit in Forschung und Praxis. Das Konstrukt wurde im Laufe der Jahre immer wieder aufgegriffen und kontinuierlich weiterentwickelt (u.a. HOMBURG 1995; SIMON 1991; GEMUNDEN 1989; ALBERS/EGGERT 1988). HOMBURG (1995, S. 114) konzeptua-
lisiert das Konstrukt z.B. mit Hilfe der zwei Dimensionen Kundennahe des Leistungsangebotes (u.a. Produkt- und Dienstleistungsqualitat, Flexibilitat im Kundenumgang) und Kundennahe des Interaktionsverhaltens (u.a. Qualitat der Beratung, Offenheit im Informationsverhalten). Kundennahe zeigt Parallelen zur Marktorientierung (und wird z.T. auch als Synonym betrachtet; z.B. RUEKERT 1992, S. 225; SiMON 1991, S. 255), weist jedoch konzeptionelle Unterschiede auf. Wahrend Marktorientierung starker Prozesse der Orientierung am Markt innerhalb des Untemehmens fokussiert, beschafligt sich Kundenahe mehr mit dem Verhalten eines Untemehmens im direkten Kontakt zu seinen Kunden (TUOMINEN et al. 2004, S. 207). Dariiber hinaus betrachtet Kundennahe mehr den Umgang mit individuellen Kunden, wahrend Marktorientierung starker die Ausrichtung auf die Gesamtheit der Kunden impliziert (KLEINALTENKAMP/DAHLKE 1998, S. 33). Empirische Studien zeigen, dass die Konstrukte voneinander abgegrenzt werden konnen und dass Marktorientierung als eine Antezedenz der Kundennahe verstanden werden kann. Danach gelingt es vor allem marktorientierten Unter-
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nehmen, eine intensive, kundennahe Beziehung zu ihren Kunden aufzubauen (TUOMINEN et al. 2004, S. 211 f.; MARTIN/GRBAC 2003, S. 34). Fiir den Kontext der vorliegenden Arbeit, Kundenorientierung im Innovationsprojekt, eignet sich das Konstrukt der Marktorientierung als Konzeptionsbasis besser als das Konstrukt der Kundennahe. Wesentliche Komponenten der Kundenahe sind Eigenschaften des Produktes bzw. des Leistungsangebotes (z.B. Qualitat und Flexibilitat). Das Produkt entsteht erst im Rahmen des Innovationsprozesses und stellt somit ein Ergebnis desselben dar. Das Konstrukt der Marktorientierung ist hingegen dem Ergebnis des Innovationsprozesses vorgelagert und eignet sich damit vergleichsweise besser zur Ableitung kundenorientierter Aktivitaten im Innovationsprojekt. Im Forschungsbereich der Marktorientierung lassen sich unterschiedliche Betrachtungsebenen unterscheiden (UTZIG 1997, S. 11; RUEKERT 1992, S. 228). Im Schwerpunkt hat sich die Forschung mit der Marktorientierung auf der Untemehmensebene sowie der individuellen Mitarbeiterebene beschaftigt. Bei der Marktorientierung auf der Untemehmensebene stellt das Analyseobjekt das Untemehmen dar. Entsprechende Forschungsbeitrage beschaftigen sich mit der Frage, was unter einem marktorientierten Untemehmen zu verstehen ist. Der Grad der Marktorientierung kann zwischen verschiedenen strategischen Geschaftseinheiten eines Untemehmens erheblich schwanken (LAMMERTS etal. 2001, S. 11; RUEKERT 1992, S. 237). In der Konsequenz wahlen Ansatze auf der Untemehmensebene bis auf wenige Ausnahmen (z.B. LADO etal. 1998, S. 29 f.) nicht das Untemehmen als Ganzes, sondem strategische Geschaftseinheiten als Analyseobjekt (z.B. DESHPANDE etal. 1993, S. 29; JAWORSKI/ KOHLI 1993; S. 58; NARVER/SLATER 1990, S. 23).
Neben Ansatzen der Marktorientiemng auf der Untemehmensebene existieren Ansatze der Markt-ZKundenorientierung auf der individuellen Ebene, die den Fokus auf die Verhaltensweisen einzelner Mitarbeiter im Kundenkontakt legen (UTZIG 1997, S. 11). Als wesentliche Forschungsbeitrage gelten die Selling-Orientation-Customer-Orientation (SOCO)-Skala (SAXE/WEITZ 1982), das Modell des kundenorientierten, prosozialen Verhaltens (FELLED et al. 2000), das Einstellungs-Verhaltens-Modell (STOCK 2002) und das Konzept der Kundenorientiemng als Perspektivenubemahme (TROMMSDORFF 1997). So definiert TROMMSDORFF (1997, S. 289) beispielsweise Kundenorientiemng verhaltenswissenschaftlich als virtuelles Hineinversetzen in den Kunden zur Antizipation seiner Perspektive und seines Handelns und zur Ableitung von Konsequenzen fiir das eigene Handeln. Von der Marktorientiemng auf der Untemehmensebene sowie der individuellen Mitarbeiterebene zu unterscheiden ist die Projektebene (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 276). Auf der Ebene des einzelnen, konkreten Projektes eines Untemehmens steht ein spezifisches Produkt/eine Innovation bzw. ein spezifischer Markt im Vordergmnd der Betrachtung (RUEKERT 1992,
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S. 228). Marktorientierung auf der Projektebene wurde in der Forschung bis auf wenige Ausnahmen (KOK etal. 2003) nicht betrachtet (BIEMANS 2003, S. 517). Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Forschungsdefizit und konzeptualisiert das Konstrukt der Kundenorientierung im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte. Dabei steht weniger das Verhalten einzelner Mitarbeiter als die Ausrichtung des tibergeordneten Innovationsprozesses an den Kundenbediirfnissen im Vordergmnd. Aufgrund der deutlichen, inhaltlichen Parallelen wird das Forschungsgebiet der Marktorientierung auf der Untemehmensebene im Folgenden als konzeptionelle Basis der Arbeit ausfiihrlich thematisiert. 4.1.2 Abgrenzung der Begriffe Marketing-, Markt- und Kundenorientierung Bevor verschiedene Perspektiven der Marktorientierung auf der Untemehmensebene genauer vorgestellt werden, soil ein tJberblick zu der Verwendung der Begriffe Marketing-, Marktund Kundenorientierung in der Literatur gegeben werden. SHAPIRO (1988, S. 119) verdeutlicht in seinem Artikel ,What the Hell Is ,Market Oriented'?' die Problematik der Begriffsabgrenzung mittels der Aussage des Geschaftsfuhrers eines Industrieuntemehmens: „'(...) We're in deep trouble, with both domestic and foreign competition preempting us at every turn. The only way to get out of this mess is for us to become customer driven or market oriented. I'm not even sure what that means, but I'm damn sure that we want to be there. I don't even know whether there's a difference between market driven and customer oriented or customer driven and market oriented or whatever. We've just got to do a hell of a lot better.'."
Die Abgrenzungsproblematik besteht nicht nur in der Praxis, sondem auch in der Forschung. Mangels einer einheitlichen Definition werden die Begriffe ,customer oriented', ,market driven' und ,market oriented' fur ahnliche Phanomene z.T. synonym verwendet und z.T. voneinander abgegrenzt (WEBB et al. 2000, S. 102). Ein verhaltnismaBig hohes MaB an Einigkeit besteht bzgl. der Verwendung von , market oriented' und ,marketing oriented': Bis auf Ausnahmen (z.B. AVLONITIS/GOUNARIS 1999, S. 1003) werden die Begriffe inhaltlich voneinander abgegrenzt. Marktorientierung (market orientation) nimmt im Vergleich zur Marketingorientierung (marketing orientation) einen breiteren Fokus ein. So wird die Orientierung am Markt nicht nur als eine Funktion der Marketingabteilung, sondem als eine untemehmensweite Aufgabe verstanden (BoTSCHEN 1999, S. 46; SLATER/NARVER 1998, S. 1003; HUNT/MORGAN 1995, S. 11). Zu diesem Zweck ist der
Begriff Marktorientierung adaquater, weil er die Bedeutung des Marktes unterstreicht und eine hohere Akzeptanz bei Mitarbeitem anderer Funktionen erwarten lasst (KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3 f.). Bis zur Jahrtausendwende bestand in der Literatur auch bzgl. der Begriffsverwendung von marktorientiert (market oriented) und marktgeleitet (market driven, zurtickzufuhren auf DAY 1990) weitestgehend Einigkeit: Die Begriffe wurden i.d.R. synonym verwendet (WRENN
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1997, S. 34; SLATER/NARVER 1995, S. 63; SHAPIRO 1988, S. 120). Neuere Ansatze der
Marktorientierung unterscheiden jedoch marktgeleitete (market driven) und marktgestaltende (market driving) Formen der Marktorientierung und nehmen auf diese Weise eine Begriffsprazisierung vor (JAWORSKI et al. 2000; KUMAR et al. 2000; siehe dazu ausfiihrlich Abschnitt 4.2.2.2). Eine relativ groBe Diskrepanz zeigt die Verwendung der Begriffe Kundenorientierung (customer orientation) und Marktorientierung (market orientation). Wahrend eine Forschungsfraktion die Begriffe als gleichbedeutend versteht (u.a. DESHPANDE etal. 1993, S. 27 f; RUEKERT 1992, S. 225; SHAPIRO 1988, S. 120), grenzen andere Autoren die Begriffe explizit voneinander ab (u.a. KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3; DAY 1990, S. 126). Die Diskussion manifestiert sich darin, was unter dem Begriff Markt verstanden wird. So definieren DESHPANDE et al. (1993, S. 27) den Marktbegriff „in the conventional manner as the set of all potential customers of a firm". In der Konsequenz verstehen sie die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym. Inhaltlich grenzen sie Markt- und Kundenorientierung explizit von der Wettbewerberorientierung eines Untemehmens ab. Eine Orientierung am Wettbewerb kann in ihrem Verstandnis dann sogar als ein Gegenpol zur Kundenorientierung betrachtet werden, wenn die Untemehmenstatigkeit nicht im Schwerpunkt auf unerflillte Kundenbediirfnisse, sondem auf die Erzielung von Wettbewerbvorteilen ausgerichtet ist (DESHPANDE et al. 1993, S. 27). Andere Autoren subsumieren unter den Marktbegriff nicht nur Kunden, sondem auch andere Marktteilnehmer. So integrieren NARVER/SLATER (1990, S. 21) neben der Kundenorientierung die Wettbewerberorientierung als Teilkomponente in ihre Konzeption der Marktorientierung. DAY (1990, S. 126) defmiert ein marktgeleitetes Untemehmen als ein Untemehmen, das eine hohe Betonung sowohl der Kunden- als auch der Wettbewerberperspektive aufzeigt. KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 3) defmieren den Marktbegriff aus Sicht der Kunden als alle Faktoren, die Kundenbediirfnisse beeinflussen. Darauf basierend verstehen sie Marktorientierung als eine Ausrichtung der Untemehmenstatigkeit nicht nur an den Kunden und Wettbewerbem, sondem auch an Umfeldfaktoren des Untemehmens (z.B. soziokulturelle Trends). Neuere Ansatze der Marktorientiemng berucksichtigen die Umfeldorientierung nicht nur inhaltlich, sondem als eigenstandige Komponenten des Konstmktes neben der Kunden- und Wettbewerberorientiemng (z.B. MATSUNO et al. 2005, S. 3; LADO et al. 1998, S. 27).
Zusammenfassend: Die Begriffe Markt- und Marketingorientiemng werden in der Literatur i.d.R. voneinander abgegrenzt. Marktorientiemng beinhaltet iiber die Marketingfiinktion hinaus eine Orientierung des gesamten Untemehmens am Markt. Hinsichtlich der Begriffe Markt- und Kundenorientiemng ist sich die Literatur weniger einig. Wahrend einige Autoren durch die Betrachtung von Wettbewerbem bzw. Umfeldfaktoren ein breiteres Verstandnis der
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Marktorientierung aufzeigen, beschranken sich andere auf die Orientierung am Kunden und verwenden in der Konsequenz die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym. Die vorliegende Arbeit folgt dem dominierenden, breiteren Verstandnis (JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 121 f.) und defmiert Marktorientierung als Ausrichtung der Untemehmenstatigkeiten am Markt, konstituiert durch Kunden, Wettbewerber und das Umfeld eines Untemehmens. Das in dieser Arbeit im Fokus stehende Konstrukt der Kundenorientierung wird neben der Wettbewerber- und Umfeldorientierung als ein eigenstandiges Teilkonstrukt der Marktorientierung (vgl. auch DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 225 f.) verstanden (vgl. Abb. 6).
Marktorientierung Kundenorientierung
Wettbewerberorientierung
Umfeldorientierung
Abb. 6: Marktorientierung als aggregiertes Konstrukt der Kunden-, Wettbewerber- und Umfeldorientierung Quelle: Eigene Darstellung
4.2 Perspektiven der Marktorientierung auf der Unternehmensebene Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die Forschung intensiv mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene beschaftigt. Dennoch existiert bis dato kein eindeutiges und einheitliches Konstruktverstandnis (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 406; MASON/HARRIS 2005, S. 375; MATSUNO etal. 2005, S. 1; HULT etal. 2005, S. 1173). Zu unterscheiden sind Beitrage, die sich im Schwerpunkt mit folgenden Aspekten des Konstruktes beschaftigen: .
Konzeptualisierung (u.a. MATSUNO et al. 2005; NARVER et al. 2004; JAWORSKI et al. 2000; UTZIG 1997; DAY 1994a; RUEKERT 1992; KOHLI/JAWORSKI 1990; NARVER/SLATER
1990; DESHPANDE/WEBSTER 1989);
.
Operationalisierung (u.a. HOMBURG/PFLESSER 2000; DESHPANDE/FARLEY 1998a,b; KoHLi et al. 1993; DESHPANDE et al. 1993; NARVER/SLATER 1990);
.
Einflussfaktoren/Voraussetzungen (u.a. NARVER et al. 1998; BECKER/HOMBURG 1999; ScHLtJTER 1997; DAY 1994a^; JAWORSKI/KOHLI 1993; FRITZ 1992) bzw.
.
Erfolgswirkungen (u.a. KiRCA et al. 2005; CANO et al. 2004; LANGERAK 2003; KOHLI et al. 1993; NARVER/SLATER 1990).
Der Fokus des vorliegenden Abschnittes liegt auf Forschungsvorhaben, die sich mit (1) der Konzeptualisierung und/oder (2) der Operationalisierung der Marktorientierung auf der Unternehmensebene auseinandersetzen. Ausgeschlossen werden Ansatze, die inhaltlich keine eigenstandige Definition aufweisen bzw. ausschlieBlich spezifische Teilaspekte der Marktorientierung behandeln (z.B. Kundenorientierung in der Auftragsabwicklung: FRESE/NOETEL 1992). Zugunsten von Ubersichtlichkeit und Pragnanz wird auf die Darstellung von rein pra-
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xisorientierten Beitragen (z.B. Excellence-Modelle der European Foundation for Quality Management) und der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Literatur verzichtet (siehe im Uberblick BAUERLE 2000, S. 15 ff.). Ansatze bzw. Erkenntnisse zu (3) Einflussfaktoren/ Voraussetzungen der Marktorientierung werden nicht im Detail behandelt, da sie keinen Erkenntnisgewinn zur Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen erwarten lassen. Beitrage zu (4) den Erfolgswirkungen der Marktorientierung werden im Abschnitt 4.3 fokussiert. Die Literatur ist sich nicht nur bzgl. des Verstandnisses, sondem auch bzgl. der Systematisierung der Ansatze zur Marktorientierung uneinig (LAFFERTY/HULT 2001, S. 94 f.; UxziG 1997, S. 12). Der dominanteste Systematisiemngsansatz differenziert zwischen kultur- und verhaltensorientierten Ansdtzen (KiRCA et al. 2005, S. 24; GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 311). Neben diesen traditionellen Perspektiven lassen sich neuere Perspektiven der Marktorientierung identifizieren. Neuere Ansatze lassen sich iiber den Publikationszeitpunkt hinaus inhaltlich abgrenzen: Sie kniipfen an den traditionellen Konzepten an und setzen diese in Beziehung zu anderen Konstrukten (z.B. Organisationales Lemen) bzw. unterscheiden zwischen verschiedenen Auspragungsformen der Marktorientierung. Im Folgenden werden zunachst traditionelle Perspektiven (4.2.1) und anschlieBend neuere Perspektiven der Marktorientierung (4.2.2) vorgestellt und diskutiert. 4.2.1 Traditionelle Perspektiven der Marktorientierung Im Rahmen traditioneller Perspektiven wird im Folgenden zwischen kultur- und verhaltensorientierten Ansatzen der Marktorientierung unterschieden. Die Systematisierung ist nicht vollstandig trennscharf, da einige Autoren Aspekte verschiedener Sichtweisen ansprechen. Beispielsweise integrieren einige kulturorientierte Ansatze (z.B. HOMBURG/PFLESSER 2000) auch Aspekte der Umsetzung der Marktorientierung in ihre Konzeption. Umgekehrt weisen im Schwerpunkt verhaltensorientierte Ansatze (z.B. NARVER/SLATER 1990) z.T. auch kulturelle Defmitionsmerkmale bzw. Indikatoren auf. Die Konzeptionen werden im Folgenden jeweils dem inhaltlich pragnantesten Bereich zugeordnet. Aufgrund des Umfangs des Forschungsgebietes kann das Ziel nicht eine abschlieBende Darstellung, sondem nur ein Uberblick zu dominanten Ansatzen ein. 4.2.1.1 Kulturorientierte Ansatze Kulturorientierte Ansatze der Marktorientierung verstehen das Konstrukt als eine fiindamentale Eigenschaft der Untemehmenskultur. Der anerkannte Kulturforscher SCHEIN (1983, S. 14) defmiert den Begriff der Untemehmenskultur als Muster von Basisannahmen, die ein Untemehmen zur intemen und extemen Problembewaltigung entdeckt, entwickelt oder entfaltet hat. HOOLEY etal. (1990) gelten als eine der ersten Autoren, die in den Bereich des
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kulturorientierten Verstandnisses der Marktorientierung eingeordnet werden konnen (GouNARis/AvLONiTis 2001, S. 356; auch wenn die Autoren generischer von Marketing sprechen). HOOLEY etal. (1990, S. 11 ff.) identifizieren empirisch vier Cluster des MarketingVerstandnisses in der Praxis: Die (1) Marketing-Philosophen verstehen Marketing sowohl als Funktion, als auch als eine lenkende Philosophie/Kultur der gesamten Organisation. Die (2) Verkaufsunterstiitzer und (3) Abteilungs-Marketer betrachten Marketing als rein funktionale Aufgabe im Untemehmen mit dem Schwerpunkt Verkauf und Werbung bzw. Identifikation und Befriedigung von Kundenbediirfnissen. Die (4) Unsicheren zeigen kein klares MarketingVerstandnis. Aufgrund signifikant besserer Ergebnisse der Marketing-Philosophen (u.a. Return on Investment) kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Marketing nicht ausschlieBlich als eine Funktion im Untemehmen betrachtet werden darf, sondem eine breitere Interpretation im Sinne einer leitenden UntemehmensphilosophieZ-kultur verlangt (HOOLEY etal. 1990, S. 21 f.). Der dominanteste Ansatz des kulturorientierten Verstandnisses der Marktorientierung wurde von DESHPANDE und seinem Forscherteam entwickelt (HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 450; UTZIG 1997, S. 18). Aufbauend auf einem Grundverstandnis der Kundenorientierung als eine Auspragung der Untemehmenskultur (DESHPANDE/WEBSTER 1989, S. 8; die Autoren verwenden die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym) konkretisieren DESHPANDE et al. (1993, S. 27) ihre Definition des Konstruktes als: „(...) the set of beliefs that puts the customer's interest first, while not excluding those of all stakeholders such as owners, managers, and employees, in order to develop a long-term profitable enterprise. We see customer orientation as being a part of an overall, but much fundamental, corporate culture."
Von der Integration kultureller Ansatze in die Marketingforschung erhoffen sich die Autoren ein erhebliches Potenzial fiir die Wissenschaft und Praxis. Sie vermuten eine Uberwindung deskriptiver Darstellungen im Sinne eines „what happens around here" hin zu einem tieferen Verstandnis von „why things happen the way they do" (DESHPANDE/WEBSTER 1989, S. 13). Die Autoren entwickeln auf der Basis von qualitativen Interviews eine Skala zur Messung der Kundenorientierung. Hervorzuheben ist, dass das Konstrukt sowohl aus Lieferanten- als auch aus Kundenperspektive erfasst wird (DESHPANDE et al. 1993, S. 33 f.). Der Forschungsansatz von DESHPANDE etal. (1993) wurde weltweit in zehn verschiedenen Landem repliziert (einen Uberblick geben DESHPANDE/FARLEY 2004). Die Messung der Kundenorientierung erweist sich als reliabel und valide und bestatigt eine Beziehung zwischen Kundenorientierung und vier unterschiedlichen Kulturtypen. Danach ist Kundenorientierung starker ausgepragt bei extern orientierten (market und adhocracy) als bei intern orientierten (hierarchical und clan) Kulturtypen (DESHPANDE/FARLEY 2004, S. 18). Die Metaanalyse zeigt dariiber hinaus, dass Selbsteinstufungen der Lieferanten im Vergleich zu Kundeneinstufungen zwar i.d.R. hohere Werte der Kundenorientierung aufzeigen, die Messungen
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jedoch positiv korrelieren und keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Erfolgserklarung aufzeigen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass (z.B. aus forschungsokonomischen Griinden) Selbsteinstufungen zur Messung der Kundenorientierung sinnvoll eingesetzt werden konnen (DESHPANDE/FARLEY 2004, S. 16). Der Ansatz von DESHPANDE et al. (1993) ist zum Ausgangspunkt der Arbeit anderer Forscher geworden. So entwickeln und operationalisieren HOMBURG/PFLESSER (2000) ein Multi-Ebenen-Modell der marktorientierten Organisationskultur, das zwischen Werten, Normen, Verhaltensaspekten und Artefakten (z.B. Geschichten und Rituale) differenziert. Es gelingt HOMBURG/PFLESSER (2000, S. 454 ff.), das Messinstrument empirisch zu validieren und postulierte Beziehungen zwischen den Kulturebenen und dem Untemehmenserfolg nachzuweisen. Danach beeinflusst marktorientiertes Verhalten den Markterfolg eines Untemehmens positiv. Marktorientierte Werte, Normen und Artefakte haben hingegen keinen direkten Erfolgseinfluss, indirekt beeinflussen Werte und Normen das marktorientierte Verhalten aber uber positive und negative Artefakte. Kulturorientierte Ansatze der Marktorientierung werden in der Literatur verhaltensorientierten Konzeptionen gegeniibergestellt, die im folgenden Abschnitt thematisiert werden. 4.2.1.2 Verhaltensorientierte Ansatze Die iiberwiegende Anzahl an Autoren betrachtet das Konstrukt der Marktorientierung aus einer verhaltensorientierten Perspektive (GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 311). Im Gegensatz zu den kulturorientierten Ansatzen fokussieren diese nicht fundamental Eigenschaften der Untemehmenskultur, sondem daraus resultierende, spezifische Konsequenzen/Aktivitaten. Einer der ersten Autoren, der ein verhaltensorientiertes Konstruktverstandnis zum Ausdruck bringt, ist SHAPIRO (1988): „After years of research, I'm convinced that the term ,market oriented' represents a set of processes touching on all aspects of the company." (SHAPIRO 1988, S. 120; H.d.V.)
Im Bereich der verhaltensorientierten Konzeptionen haben sich zwei Ansatze durchgesetzt (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 406 f; MATSUNO etal. 2005, S. 1 f; MORGAN 2004, S. 76): die
Ansatze von KOHLI/JAWORSKI (1990) sowie NARVER/SLATER (1990), die im Folgenden genauer vorgestellt werden. Die Forschergruppe um KOHLI/JAWORSKI (1990) grenzt sich mit ihrer Konzeptualisierung explizit vom dem Verstandnis der Marktorientierung als Philosophie bzw. Untemehmenskultur ab. Die Autoren machen deutlich, dass zwar das Marketingkonzept eine Untemehmensphilosophie darstellt, Marktorientierung als Implementierung des Konzeptes jedoch in spezifischen Aktivitdten und Verhaltensweisen eines Untemehmens zum Ausdruck kommt (KOHLI etal. 1993, S. 475). Basierend auf qualitativen Interviews mit Managem aus der
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Praxis sowie Marketingwissenschaftlem kommen KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 4 ff.) zu dem Schluss, dass sich Untemehmen in ihrem Auspragungsgrad der Marktorientierung bezogen auf drei Komponenten unterscheiden. Ausgangspunkt der Marktorientierung eines Untemehmens ist die erste Komponente, die (1) Generierung von Marktinformationen (Intelligence Generation). Die Autoren sprechen von einer sog. Marktintelligenz, die uber artikulierte Kundenbedurfnisse insofem hinausgeht, als dass sowohl aktuelle und zukiinftige Kundenbedurfnisse als auch Faktoren, die diese Bediirfnisse beeinflussen, Beriicksichtigung finden. Zu diesen Faktoren gehoren z.B. das Wettbewerberverhalten sowie spezifische Umfeldbedingungen (u.a. politische, demographische und technologische Entwicklungen). Die Informationsgenerierung beschrankt sich dabei nicht auf formale, primaranalytische Marktforschungsmethoden, sondem stiitzt sich auch auf informale Ansatze (z.B. Kundengesprache) und sekundaranalytische Quellen (KOHLI et al. 1993, S. 468; KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 4).
Marktorientierung verlangt neben der Generierung auch (2) die Verbreitung von Marktinformationen (Intelligence Dissemination). Dahinter steckt die Annahme, dass die Orientierung am Markt auf der Partizipation aller Abteilungen innerhalb einer Organisation basiert. Die Verbreitung kann dabei nicht nur mittels formaler und vertikaler Verteilungsprozesse (z.B. Weiterleitung von Marktforschungsberichten innerhalb der Hierarchic), sondem insbesondere auch durch informale Gesprache und horizontale Kommunikation erfolgen (KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 5 sprechen in diesem Zusammenhang von ,informal ,hall talk"). Die Generierung und Verbreitung von Marktinformationen ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Marktorientierung. Notig ist dariiber hinaus (3) eine Reaktion auf die generierten und verbreiteten Marktinformationen (Responsiveness). Neben der Auswahl von Zielmarkten gehort dazu der Einsatz eines zielgruppenspezifischen Marketing-Instrumentariums (z.B. bedtirfhisorientierte Produktentwicklung und -vermarktung; KoHLi/ JAWORSKI 1990, S. 6). Es lasst sich festhalten, dass KOHLI/JAWORSKI (1990) Informationen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellen. Die Forschergruppe entwickelt iiber die Konzeptualisierung hinaus einen Messansatz der verhaltensorientierten Perspektive der Marktorientierung (sog. MARKOR-Skala; KOHLI et al. 1993; JAWORSKI/KOHLI 1993). Der zweite dominante verhaltensorientierte Ansatz ist von NARVER/SLATER (1990) entwickelt worden. Die Autoren greifen zusatzlich zu dem Verstandnis der Marktorientierung als Implementierung des Marketingkonzeptes auf Ansatze des strategischen Marketing-Management (AAKER 1989; PORTER 1985) zuriick. Die Orientierung an den Bediirfnissen der Kunden wird erganzt um die Erkenntnis, dass Untemehmenserfolg langfristig auf der Etablierung eines dauerhaften Wettbewerbsvorteils basiert. Die Schaffung eines Mehrwertes far den Kunden verlangt danach die Gegentiberstellung von (vom Kunden wahrgenommenen) Kosten und
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Nutzen des eigenen Angebotes im Vergleich zum Konkurrenzangebot. Damit riickt eine Orientierung am Wettbewerb expliziter in den Fokus der Betrachtung (NARVER/SLATER 1990, S. 21 f.). Die Autoren defmieren Marktorientierung zwar als Untemehmenskultur (z.T. wird der Ansatz daher auch als kulturorientierter Ansatz eingestuft; z.B. bei HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 449), konzeptualisieren und operationalisieren das Konstrukt jedoch ebenfalls durch drei verhaltensorientierte Komponenten (NARVER/SLATER 1990, S. 21 f). Ziel der ersten Komponente, der (1) Kundenorientierung (customer orientation), ist ein ganzheitliches Verstandnis der Kunden und ihrer Bedtirfnisse, um darauf aufbauend kontinuierlich Kundennutzen zu schaffen. Analog zu KOHLI/JAWORSKI (1990) beziehen NARVER/SLATER (1990, S. 21) explizit nicht nur aktuelle, sondem auch zukiinftige Kundenbedtirfnisse in ihre ijberlegungen mit ein. Die (2) Wettbewerberorientierung (competitor orientation) verlangt die Analyse kurzfristiger Starken und Schwachen sowie langfristiger Fahigkeiten und Strategien aktueller und potenzieller Wettbewerber. Die ersten beiden Komponenten der Marktorientierung beinhalten alle Aktivitaten der Informationsgenerierung (iber Kunden bzw. Wettbewerber und Verteilung dieser Informationen innerhalb des Untemehmens. Die dritte Komponente, (3) Koordination der Funktionsbereiche (interfunctional coordination), bezieht sich auf den koordinierten Einsatz der Untemehmensressourcen zur Schaffung eines iiberlegenen Kundennutzens (NARVER/SLATER 1990, S. 22). In ihre urspriingliche Konzeption integrieren die Autoren zusatzlich zwei Entscheidungskriterien (Langfristigkeit der Aktivitaten und Gewinnorientierung), empirische Befunde ftihren jedoch zu deren Elimination (NARVER/SLATER 1990, S. 24). Die Autoren erarbeiten die sog. MKTOR-Skala zur Messung der Marktorientierung. Obwohl KOHLI/JAWORSKI (1990) und NARVER/SLATER (1990) unabhangig voneinander geforscht haben, zeigen die beiden Konzeptionen und Messansatze eine hohe Ahnlichkeit auf (MAVONDO/FARRELL 2000, S. 224; CADOGAN/DIAMANTOPOULOS 1995, S. 45). Der Kunde
nimmt bei beiden Ansatzen eine zentrale Rolle ein und es werden explizit nicht nur aktuelle, sondem auch zukiinftige Kundenbedtirfnisse berucksichtigt. Dariiber hinaus betonen beide Ansatze die Notwendigkeit der organisationsweiten Reaktion, wobei durch die Informationsverbreitung bzw. die Koordination unterschiedlicher Funktionsbereiche die Verantwortung dafiir nicht ausschliefilich der Marketing-Abteilung unterliegt. Konzeptionelle Unterschiede spiegeln sich vor allem darin wider, dass NARVER/SLATER (1990) der Wettbewerberorientierung als eigenstandige Komponente der Marktorientierung eine explizitere Bedeutung beimessen. KOHLI etal. (1993, S. 474) sehen in der damit verbundenen Vemachlassigung von Umfeldentwicklungen wiederum einen zu engen Fokus der Marktorientierung. Insgesamt betrachtet liegt eine hohe Ahnlichkeit vor, was sich auch empirisch in einer hohen Korrelation der Messskalen widerspiegelt (CONRAD 1999, S. 235; DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 218).
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Beide Konzeptionen finden in der Marketingliteratur rasche Akzeptanz und sind vielfach erfolgreich repliziert worden (z.B. HOMBURG et al. 2004, S. 1338; KAYNAK/KARA 2004, S. 751; DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 216ff.; siehe auch Abschnitt 4.3). In einigen empirischen Vergleichsstudien erweist sich die Operationalisierung von NARVER/SLATER (1990) als tendenziell iiberlegen (MATSUNO etal. 2005, S. 7; MAVONDO/FARRELL 2000, S. 241). Dafur zeigt der Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) eine hohere Konsistenz zwischen Konzeptualisierung und Operationalisierung (MATSUNO et al. 2005, S. 6), eine systematischere empirische Vorgehensweise (LADO et al. 1998, S. 23) und eine hohere Anwendungsorientierung (HARRIS 2000, S. 603; HENDERSON 1998, S. 601; VAN BRUGGEN/SMIDTS 1995, S. 17). Neben den beiden vorgestellten Ansatzen existieren weitere verhaltensorientierte Konzeptionen, die sich jedoch in der Literatur nicht durchgesetzt haben (FARRELL 2002, S. 4 ff.; OCKOWSKI/FARRELL 1998, S. 355). Entsprechende Ansatze weisen starke Parallelen zu den dominanten Ansatzen auf, nehmen z.T. jedoch einen anderen Betrachtungsschwerpunkt ein. Zwei Ansatze betonen z.B. Aspekte der strategischen Planung (UTZIG 1997; RUEKERT 1992). So auBert sich z.B. nach RUEKERT (1992. S. 228 f.) Marktorientierung (hier synonym zu Kundenorientierung) dadurch, dass Informationen iiber Kundenbediirfnisse bei der Festlegung von Zielen, Ressourcen und Verantwortlichkeiten und bei der Umsetzung dieser Planungen im Vordergrund stehen. DAY (1994a; 1990) fokussiert Voraussetzungen der Informationsgenerierung. Danach besitzen sog. marktgeleitete (market driven) Untemehmen die Fahigkeit, zum einen kontinuierlich Informationen von und iiber Kunden, Wettbewerber und andere Marktpartner zu erhalten und umzusetzen (market sensing) und zum anderen enge Vemetzungen mit ihren Kunden zu etablieren und zu managen (customer linking; DAY 1994a, S. 43 ff.). Andere Autoren (MATSUNO etal. 2005; LADO etal. 1998; VAN BRUGGEN/SMIDTS 1995) zeigen ein erweitertes Konstruktverstdndnis, indem sie die Ausrichtung an Umfeldfaktoren als eigenstandige Teilkomponente der Marktorientierung konzeptualisieren. 4.2.1.3 Zusammenfassung und kritische Wiirdigung traditioneller Perspektiven Auf eine einheitliche, allgemeingiiltige Definition und Konzeption der Marktorientierung kann sich die Forschung bis heute nicht einigen (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 406; MASON/ HARRIS 2005, S. 375). Ein dominanter Systematisierungsansatz unterscheidet zwischen kultur- und verhaltensorientierten Ansatzen der Marktorientierung (GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 311). Die folgende Abbildung zeigt zusammenfassend das inhalthche Verstandnis, wesentliche Vertreter sowie Vor- und Nachteile beider Perspektiven im Uberblick.
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Kulturorientierte Ansatze Inhaltliohes VerstHitdnis der Marktori0nti#run8
W9Mi»iche V«rtr0tftr des AtisaUes
KHtlscHe WOrdigufig
WlM^i^^m^i^M&MS^^UKl iVIarktorientierung als spezifische Aktivitaten und Verhaltensweisen eines Unterneiimens
Marktorientierung als fundamentale Eigenschaft der Untemehmenskultur Hooleyetal. 1990; Deshpande/Webster 1989; Deshpandeetal. 1993; Homburg/Pflesser 2000 + bessere theoretische Fundierung + hoher Erklarungsbeitrag durch die Betrachtung von Entstehungsbedingungen
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Siiapiro 1988; Kohli/Jaworski 1990; Narver/Slater 1990; Ruekert 1992; Day 1994a + Vorteile in der IViessbarkeit und Anwendungsorientierung/ implementierbarkeit
- Kulturmessung ist problematisch
+ direktere Erfolgswirkung zu erwarten
- Annahme einer (vollstandigen) Steuerung von Kultur ist fraglicii
- schwachere theoretisciie Fundierung
- kein direkter Erfolgseinfluss zu erwarten
- kulturunabhangiger, einfaciier Einsatz marktorientierter Verhaltensweisen fraglich
Abb. 7: Zusammenfassende Gegeniiberstellung traditioneller Perspektiven der Marktorientierung Quelle: Eigene Darstellung
Trotz konzeptioneller Unterschiede lassen sich perspektiveniibergreifend fiinf explizite bzw. implizite Gemeinsamkeiten im Verstandnis der Marktorientierung erkennen (LAFFERTY/HULT 2001, S. 104; JAWORSKI/KOHLI 1996, S.
121):
(1) Hauptfokus ist die Schaffung von Kundennutzen. (2) Zusatzlich wird ein dariiber hinausgehender Fokus (z.B. Wettbewerber, Umfeld) eingenommen. (3) Die Generierung von Informationen spielt eine wesentliche Rolle. (4) Generierte Informationen werden interfunktional verteilt bzw. koordiniert. (5) Die Umsetzung der Marktorientierung verlangt eine Reaktion aufdie generierten und verteilten Informationen. Beide Forschungsperspektiven waren in der Vergangenheit Gegenstand kritischer Diskussionen (vgl. auch Abb. 7). Den kulturorientierten Konzeptionen wird eine vergleichsweise bessere theoretische Fundierung zugeschrieben (KOK et al. 2003, S. 140). Da die Ansatze Entstehungsbedingungen des Konstruktes fokussieren, beinhalten sie einen hohen Erklarungsbeitrag fiir das Marketing (DREHER 1995, S. 44 f.). Ein wesentlicher Kritikpunkt betrifft die anspruchsvoUe bis problematische Messung der Untemehmenskultur (MATSUNO et al. 2005, S. 2; KOK etal. 2003, S. 139). Daruber hinaus wird die explizite oder implizite Annahme, dass Organisationskulturen aktiv manipuliert bzw. erschaffen werden konnen, kritisiert.
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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Kulturelle Werte und Normen konnen sich im Zeitablauf zwar evolutionar verandem, diese Prozesse entziehen sich jedoch einer vermeintlich einfachen, voUstandigen ManagementKontrolle (HARRIS/OGBONNA 1999, S. 186 ff.; SCHEIN 1983, S. 21). SchlieBlich kann innerhalb eines Untemehmens (z.B. aufgrund von Ressourcenbeschrankungen) eine Diskrepanz zwischen marktorientierten Werten und Normen und deren Umsetzung vorliegen (VAzQUEZ etal. 2001, S. 71; LAMMERTS etal. 2001, S. 10). Eine direkte Verbindung zwischen einer marktorientierten Kultur und dem Erfolg eines Untemehmens ist unwahrscheinlich: Latente Phanomene wie die Untemehmenskultur zeigen nur dann einen Erfolgsbeitrag, wenn sie sich in konkreten Handlungen/Aktivitaten manifestieren (HULT etal. 2005, S. 1174; DREHER 1995, S. 44; vgl. auch die empirischen Befunde von HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 457). Verhaltensorientierte Ansdtze zeigen durch die Betrachtung von mehr oder weniger sichtbaren Verhaltensweisen deutliche Vorteile in der Messbarkeit sowie in der Anwendungsorientierung/Implementierbarkeit (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; HURLEY/HULT 1998, S. 43; KLEINALTENKAMP/DAHLKE 1998, S. 33; DREHER 1995, S. 48). Im Vergleich zu den kultur-
orientierten Ansatzen ist von marktorientierten Handlungen eines Untemehmens eine direktere Erfolgswirkung zu erwarten (HULT etal. 2005, S. 1178; HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 457). Kritisiert wird eine vergleichsweise schwachere theoretische Fundiemng (KOK et al. 2003, S. 140; MCNAUGHTON etal. 2001, S. 522; HUNT/LAMBE 2000, S. 28). Gegen ein rein verhaltensorientiertes Verstandnis spricht dariiber hinaus, dass marktorientierte Aktivitaten vermeintlich einfach von jedem Untemehmen (losgelost von der Untemehmenskultur) erfolgreich eingesetzt werden konnten, was sich in der Realitat jedoch so nicht beobachten lasst (NARVER/SLATER 1998, S. 235; GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 318).
Inhaltlich betrachtet soUte die Frage nach der Angemessenheit einer kulturellen vs. verhaltensorientierten Konzeption der Marktorientiemng keine ,Entweder-oder-Frage' sein. Die Literatur geht weitestgehend davon aus, dass marktorientiertes Verhalten die Konsequenz einer marktorientierten Kultur darstellt (MATSUNO etal. 2005, S. 3; HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 457). Dennoch lasst sich in der empirischen Forschung ein Trend zur verhaltensorientierten Messung der Marktorientierung beobachten (UTZIG 1997, S. 51). Insbesondere aus einer anwendungsorientierten Perspektive erscheint es angebrachter, Marktorientiemng auf der Basis konkreter Aktivitaten verhaltensorientiert zu analysieren (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; KLEINALTENKAMP/DAHLKE 1998, S. 33). So distanzieren sich z.B. DESHPANDE/ FARLEY (1998a;b) mittlerweile von ihrem urspriinglichen, kulturorientierten Konstmktverstandnis. Die Autoren entwickeln basierend auf den drei Skalen von NARVER/SLATER (1990), KOHLI et al. (1993) und DESHPANDE et al. (1993) eine neue Skala, die sog. MORTNSkala. Auf der Basis der empirischen Synthese kommen die Autoren zu folgendem Schluss:
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„Market Orientation is not a "culture" (as Deshpande and Webster originally suggested in 1989) but rather a set of "activities" (i.e., a set of behaviours and processes related to continuous assessment and serving of customer needs). This implies that Market Orientation is more consistent with earlier descriptions by Kohli andJaworski (1990) (...)." (DESHPANDE/FARLEY 1998, S. 226a; H.d.V.)
Die Synthese der Skalen zeigt dariiber hinaus ausschlieBlich einen Kundenfokus: Die Integration wettbewerbsorientierter Indikatoren in das Konstrukt der Marktorientierung lasst sich empirisch nicht bestatigen. Die Autoren empfehlen daher eine isolierte Betrachtung der beiden Konstrukte Kunden- und Wettbewerberorientierung (DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 225 f.; vgl. auch LI/CALANTONE 1998, S. 14; VAN BRUGGEN/SMIDTS 1995, S. 17).
Unabhangig von der eingenommenen Perspektive beinhaltet das Konstrukt der Marktorientierung trotz umfangreicher Forschungsbemiihungen in den letzten 15 Jahren nach wie vor ein erhebliches Forschungspotenzial (CANO etal. 2004, S. 179). Ein haufig formulierter Kritikpunkt bezieht sich auf den hohen Abstraktionsgrad vorhandQnQr Ansatze (LIN/GERMAIN 2004, S. 244; BOTSCHEN 1999, S. 39; HAN etal. 1998, S. 31). Eine empirische Studie weist darauf hin, dass das Konstrukt der Marktorientierung von Praktikem haufig missinterpretiert wird. So wird beispielsweise aus der Durchfuhrung oberflachlicher Kundenzufriedenheitsbefragungen abgeleitet, dass eine hohe Kundenorientierung im Untemehmen vorliegt (MASON/HARRIS 2005, S. 377 ff.). Die Problematik eines zu hohen Abstraktionsgrades ist bei den verhaltensorientierten Ansatzen (insbesondere bei KOHLI/JAWORSKI 1990; KOHLI etal. 1993) vergleichsweise geringer ausgepragt (HENDERSON 1998, S. 601), jedoch nicht abschlieBend gelost. Es dominiert eine relativ grobe, weit gefasste Beschreibung untemehmerischen Verhaltens (GOUNARIS/ AvLONiTis 2001, S. 356). So handelt es sich auch bei den drei Komponenten von KOHLI/ JAWORSKI (1990) letztlich um Grobkategorien von Verhaltensweisen (BOTSCHEN 1999, S. 8). Sie reflektieren zwar die Quantitat der Verarbeitung von Marktinformationen und den Einfluss auf den strategischen Planungsprozess, nicht jedoch die Qualitat der Marktorientierung (BAKER/SINKULA 2002, S. 8). So merken KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 16) selbst an, dass es eine Frage der ,Qualitat' der Ausfuhrung der Aktivitaten ist, inwieweit und in welchem MaBe diese zum Erfolg flihren. Eine dariiber hinaus gehende Auseinandersetzung mit der Frage, wie und wodurch diese Qualitat der Ausfuhrung gekennzeichnet ist, erfolgt nicht. Ein wesentlicher Grund dafiir ist in der situationsunspezifischen Konzeptualisierung des Konstruktes zu vermuten. Traditionelle Ansatze konzeptualisieren das Konstrukt der Marktorientierung weitgehend unabhangig von situativen Faktoren (z.B. Untemehmens-/Marktsituation; LIN/GERMAIN 2004, S. 244; UTZIG 1997, S. 51). Damit einhergehend erscheint es schwer moglich, konkrete Aktivitaten festzulegen, die in alien denkbaren Untemehmens- und Marktsituationen Erfolg versprechen (BOTSCHEN 1999, S. 8; KUHN 1991, S. 98 f.). Angelehnt an den Forschungsbedarf zur Senkung des Abstraktionsgrades (MASON/HARRIS 2005, S. 385;
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LANGERAK et al. 2004a, S. 80) lasst sich daher auch ein Forschungsbedarf fiir eine situationsspezifische Konzeptualisierung des Konstruktes ableiten: „So far, however there is Httle in the literature on market orientation to suggest precisely how companies should adapt to the market and what this requires. (...) the behavioural approach to market orientation is less general than the cultural approach, but it still does not answer the question as to how a company can create value in the market in a particular contexts (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; H.d.V.)
Ansatzpunkte fur eine situationsspezifische Konzeptualisierung bieten neuere Perspektiven der Marktorientierung (vgl. BEVERLAND et al. 2006, S. 384), die im Folgenden dargestellt werden. 4.2.2 Neuere Perspektiven der Marktorientierung Neuere Perspektiven der Marktorientierung kniipfen an den dargestellten traditionellen Konzeptionen der Marktorientierung an. Es lassen sich zwei Forschungsrichtungen erkennen: Eine Forschungsrichtung betrachtet Marktorientierung im Zusammenhang mit Konstrukten des Organisationalen Lemens (4.2.2.1), eine andere differenziert zwischen reaktiven/marktgeleiteten und proaktiven/marktgestaltenden Formen der Marktorientierung (4.2.2.2). 4.2.2.1 Marktorientierung und Organisationales Lernen Organisationales Lernen kann beschrieben werden als ein Prozess, bei dem Organisationen durch Interaktion mit ihrer Umwelt koUektiv lernen (SINKULA 1994, S. 36; siehe zum Forschungsbereich im Uberblick WANG/AHMED 2003; BELL et al. 2002). In der Literatur lassen sich zunehmend Beitrage identifizieren, die die Konzepte ,Marktorientierung' und ,Organisationales Lernen' miteinander in Verbindung bringen. Dieser jungen Forschungsrichtung wird ein hohes Potenzial zugeschrieben, was sich auch in der Einstufung als ,priority research topic' des Marketing Science Institute widerspiegelt (BELL etal. 2002, S. 71). Grundsatzlich lassen sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen erkennen. Wahrend eine Forschungsrichtung Konstrukte des Organisationalen Lemens spezifisch far den Kontext extemer Lemprozesse (Lernen von Marktinformationen) entwickelt und gegeniiber Konzepten der Marktorientierung abgrenzt (z.B. SINKULA 1994), fordem andere Autoren eine starkere Verkniipfling traditioneller Perspektiven der Marktorientierung mit Basiskonzepten des Organisationalen Lemens (z.B. adaptives vs. generatives Lemen; SLATER/NARVER 1995). Zu der zuerst genannten Forschungsfraktion gehoren die Beitrage von SINKULA (1994), DAY (2002; 1994b) und SiNKULA et al. (1997). SINKULA (1994, S. 36 ff.) konzeptualisiert das Konstmkt der Verarbeitung von Marktinformationen (market information processing) bestehend aus den vier Lemprozessen Informationserwerb, Informationsverbreitung, geteilte Interpretation und Informationsspeichemng. Das Konstmkt des marktgeleiteten Lernprozesses (market leaming process) von DAY (2002, S. 240 f) besteht aus vier analogen Lemphasen. SINKULA
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etal. (1997) entwickeln einen Bezugsrahmen ftir marktbasiertes Organisationales Lernen (market based organizational learning). Ihre empirische Studie weist darauf hin, dass marktbasiertes Organisationales Lernen durch lemorientierte Werte (Commitment zum Lernen, Aufgeschlossenheit und gemeinsame Visionen), Verarbeitung von Marktinformationen und darauf aufbauende organisational Verandemngen gefordert wird (SINKULA etal. 1997, S. 314). Wie aber lassen sich die Konstrukte Marktorientierung und marktgeleitetes/marktbasiertes Organisationales Lernen voneinander abgrenzen? Die Konstrukte zeigen konzeptionelle Gemeinsamkeiten, sind jedoch nicht identisch (BELL et al. 2002, S. 79; HUNT/LAMBE 2000, S. 26). Zum einen wird die langfristige Informationsspeicherung (als eine wesentliche Komponente des Organisationalen Lemens) von den Ansatzen der Marktorientierung nicht gefordert. Umgekehrt ist Organisationales Lernen nicht mit einer expliziten Handlungskomponente verbunden, wahrend eine Reaktion auf die generierten und verteilten Informationen wesentliches Charakteristikum der Marktorientierung darstellt (UTZIG 1997; S. 113; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 122 f; SiNKULA 1994, S. 43). Wenn auch voneinander abgrenzbar, so stehen die Konstrukte Marktorientierung und Organisationales Lernen dennoch in Beziehung zueinander (FARRELL/OCZKOWSKI 2002, S. 199), wobei sich die Literatur nicht iiber die Richtung der Kausalitat einig ist (SANTOS-VlJANDE etal. 2005, S. 189; BELL etal. 2002, S. 81). Wahrend einige Autoren Marktorientierung als kulturelle Basis des Organisationalen Lemens verstehen (FARRELL 2000, S. 216; BAKER/ SINKULA 1999a, S. 413; SLATER/NARVER 1995, S. 67), betrachten andere wiederum Organisationales Lernen als Ausgangspunkt der Marktorientierung (MORGAN etal. 1998, S. 373; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 125; DAY 1994b, S. 9 f.). Es kann vermutet werden, dass das zugrunde liegende Verstandnis der Marktorientierung (als Kultur bzw. Verhalten) einen Einfluss auf die postulierte Kausalitat hat. SLATER/NARVER (1995; 1994a) fordem mit ihrem Beitrag Market Oriented Isn't Enough: Build a Learning Organization' eine Verkniipfiing zwischen lemorientierten Konzepten und traditionellen Perspektiven der Marktorientierung. Die Autoren unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Arten des Lemens: Adaptives und generatives Lemen (SENGE 1990; ARGYRIS 1977 spricht analog auch von single-loop bzw. double-loop leaming). Adaptives Lernen entspricht der Basis-Form des Lemens. Entsprechende Lemprozesse vollziehen sich innerhalb der bestehenden Annahmen einer Organisation uber sich selbst und ihre Umwelt. Lemen auf einer hoheren Ebene, generatives Lernen, tritt erst ein, wenn bestehende Annahmen (z.B. iiber Kunden, Fahigkeiten und Strategien) hinterfragt werden (SLATER/NARVER 1995, S. 64). Im Fall der Substitution bestehender Annahmen und Routinen wird z.T. in der Literatur von ,Verlemen' (unleaming) gesprochen (SiNKULA 2002, S. 257).
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Ein Schlusselmerkmal der sog. Lemenden Organisation (Untemehmen, die sich durch eine hohe Lemkompetenz auszeichnen; vgl. SINKULA etal. 1997, S. 305) ist das Vorhandensein sowohi adaptiver als auch generativer Lemprozesse. Lemen kann dabei auf intemen (exploitation) und/oder extemen (exploration) Erfahrungen basieren (MARCH 1991, S. 71). Ein zu starker Fokus auf interne Erfahrungen steht i.d.R. einem generativen Lemen entgegen. Enge Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen extemen Partnem ermoglichen hingegen „a new way of looking at the world" (SLATER/NARVER 1995, S. 64). Das daraus resultierende, starkere Hinterfragen bestehender Annahmen fiihrt zu neuen Herangehensweisen und Losungen. MORGAN etal. (1998, S. 357) sprechen in diesem Zusammenhang auch von ,creating' im Gegensatz zu ,coping'. Besonders interessant erscheint die Integration lemorientierter Konzepte in die verhaltensorientierte Perspektive der Marktorientiemng. So kommen JAWORSKI/KOHLI (1996, S. 125), als zwei Vater der traditionellen Perspektive der Marktorientiemng, zu folgendem Schluss: „(...) work on learning organizations can inform work on market orientation. A key component of a learning organization, as discussed by Slater and Narver (1995) is an organization's ability to engage in adaptive as well as generative learning. These notions appear to have direct implications for how organizations acquire, process, and subsequently use market intelligence, i.e., their market orientation. (...) Future research along these lines is likely to provide useful insights." (JAWORSKI/KQHLI 1996, S. 125)
Haufig wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass Marktorientiemng im Sinne des traditionellen Verstandnisses (z.B. KOHLI/JAWORSKI 1990) zwar i.d.R. adaptive, jedoch nicht notwendigerweise generative Lemprozesse ermoglicht (SANTOS-VuANDE etal. 2005, S. 189; FARRELL/OCZKOWSKI 2002, S. 210; BAKER/SINKULA 2002, S. 12 f.). Es wird davon ausgegangen, dass generative Lemprozesse eine intensive Zusammenarbeit mit extemen Partnem (insb. Kunden) verlangen, die iiber das klassische Verstandnis der Informationsgeneriemng hinausgeht (TUOMINEN etal. 2004, S. 214; BERTHON etal. 1999, S. 42; CONNOR 1999, S. 1159 U SLATER/NARVER 1994a, S. 5 und 12).
Entsprechende gemeinsame Lemprozesse mit extemen Partnem werden bis dato in den Ansatzen der Marktorientiemng nicht beriicksichtigt. Eine entsprechende Erweitemng traditioneller Perspektiven stellt ein interessantes Themenfeld fiir die zuktinftige Forschung dar (WILKINSON 2001, S. 75; HUNT/LAMBE 2000, S. 28). Als schwierig erweist sich dabei jedoch, dass wesentliche Konstmkte (u.a. generatives Lemen) erst am Anfang ihrer Konzeptualisiemng stehen (BAKER/SINKULA 2005, S. 498; MORGAN 2004, S. 79). 4.2.2.2 Reaktive/marktgeleitete versus proaktive/marktgestaltende Formen der Marktorientierung Einige neuere Ansatze im Forschungsfeld der Marktorientiemng unterscheiden zwischen reaktiven vs. proaktiven (NARVER et al. 2004; 2000) bzw. marktgeleiteten vs. marktgestaltenden
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(JAWORSKI et al. 2000; KUMAR et al. 2000) Formen der Marktorientierung. Die Konzepte zeigen inhaltliche Uberschneidungen, lassen sich jedoch voneinander abgrenzen (NARVER et al. 2000, S. 8 f). Im Kontext von Innovationen wird unter dem Ausdruck proaktiv i.d.R. das Bestreben verstanden, nicht nur existierende Markte zu bedienen, sondem daruber hinaus neue Markte zu antizipieren und zu kreieren (SANDBERG 2005, S. 24 f.; HAMEL/PRAHALAD 1991, S. 82). NARVER et al. (2004; 2000) defmieren zwei Auspragungsformen der Marktorientierung anhand von verschiedenen Arten von Kundenbediirfnissen, an denen sich Untemehmen ausrichten. Reaktive (responsive) Marktorientierung konzentriert sich auf die Identifikation und Befriedigung artikulierter Kundenbedurfnisse; proaktive (proactive) Marktorientierung orientiert sich im Gegensatz dazu an sog. latenten Kundenbediirfnissen (NARVER et al. 2004, S. 336; 2000, S. 8). ,Wirklich' marktorientierte Untemehmen (total market oriented) beriicksichtigen sowohl artikulierte als auch latente Kundenbedurfnisse (NARVER et al. 2000, S. 5; SLATEP^ARVER 1998, S. 1002). Latente Bedurfhisse sind keineswegs weniger real als artikulierte Bediirfnisse. Sie stellen ein hohes Potenzial fur eine Bediirfiiisbefriedigung dar, iiber das sich der Kunde jedoch (noch) nicht bewusst ist (KARKKAINEN et al. 2001, S. 393). Zur Identifikation dieser unbewussten Bediirfnisse verlangt proaktive Marktorientierung daher ein besonders tiefes Kundenverstandnis, z.B. auf der Basis einer intensiven Beobachtung des Kundenverhaltens (NARVER et al. 2000 S. 10 f). NARVER et al. (2004, S. 340 f) entwickeln einen ersten Ansatz zur Messung proaktiver Marktorientierung (MOPRO-Skala; die Autoren verwenden die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym). Konzepte der marktgeleiteten (market driven) versus marktgestaltenden (market driving bzw. driving markets) Marktorientierung zeigen einen vergleichsweise breiteren Fokus. Sie betrachten nicht nur die Identifikation von Kundenbediirfnissen, sondem auch deren aktive Beeinflussung. HARRIS/CAI (2002, S. 173 f) umschreiben den Begriff market driving als „proactive approach to reshape, educate and lead the customer, or more generally, the market." Ansatze der Marktgestaltung beziehen sich i.d.R. nicht nur auf die Gmppe der Kunden, sondem auch auf weitere Marktteilnehmer. Was konkret mit dem Begriff der Marktgestaltung gemeint ist, dariiber ist sich die Literatur jedoch nicht einig (HILLS/SARIN 2003, S. 14). Obwohl die gedanklichen Urspriinge dieses Ansatzes bereits auf die 1980er Jahre (z.B. auf DiCKSON/GiNTER 1987; ZEITHAML/ZEITHAML 1984) zuriickzuftihren sind, beschaftigt sich die Literatur zur Marktorientiemng erst seit ein paar Jahren mit dem Thema. Als wesentlich (vgl. CARRILLAT et al. 2004, S. 2 f; HARRIS/CAI 2002, S. 174) gelten die Ansatze von JAWORSKI
et al. (2000) und KUMAR et al. (2000). Erstere entwickeln mit ihrem Beitrag ,Market-Driven versus Driving Markets' eine Systematisiemng verschiedener Moglichkeiten der aktiven
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Gestaltung von Markten. Die Autoren betrachten Marktorientierung aus dem Blickwinkel zwei verschiedener Dimensionen. Die Marktstruktur bezieht sich auf die Teilnehmer im Markt und ihre Rollen (u.a. Kunden, Wettbewerber, Zulieferer, Handel), wahrend sich das Marktverhalten im Verhalten der Marktteilnehmer (z.B. Praferenzverhalten von Kunden, Wettbewerbsstrategien der Hersteller) widerspiegelt. Marktgeleitete Marktorientierung liegt vor, wenn beide Dimensionen als gegeben (given) betrachtet werden. Werden die Marktstruktur und/oder das Marktverhalten hingegen aktiv beeinflusst (shape), so handelt es sich um eine marktgestaltende Form der Marktorientierung (JAWORSKI et al. 2000, S. 47). KUMAR etal. (2000) betrachten weniger exteme Prozesse der Marktgestaltung als interne Prozesse als Voraussetzungen der Marktgestaltung. Die Autoren postulieren, dass der Erfolg eines market driving-Ansatzes auf der Einzigartigkeit des Geschaftsmodells bzw. der Geschaftsprozesse sowie der Revolution der Wertschopfung fur die Kunden (Kosten-NutzenVerhaltnis) basiert. Mittels einer qualitativen Analyse erfolgreicher Pioniere der Marktgestaltung (u.a. IKEA, Dell und Amazon.com) leiten die Autoren differenzierende Charakteristika der Untemehmen ab wie z.B. Visionen als Ausgangspunkt der Geschaflstatigkeit, Wissenstransfer an die Kunden und Ubererfiillung von Kundenerwartungen (KUMAR et al. 2000, S. 132 ff.). HARRIS/CAI (2002, S. 190 ff.) gelingt es, wesentliche Inhalte der Ansatze von JAWORSKI et al. (2000) und KUMAR et al. (2000) basierend auf einer qualitativen Fallstudie empirisch zu bestatigen. Sie kommen jedoch zu dem Schluss, dass es vermutlich nicht die marktgestaltende Marktorientierung gibt, sondem verschiedene Auspragungsformen (HARRIS/CAI 2002, S. 192).
Wie bereits dargestellt wurde, beziehen sich Ansatze der Marktgestaltung nicht nur auf Kunden, sondem auch auf andere Marktteilnehmer wie z.B. Wettbewerber und Zulieferer. Fokussiert man jedoch die Perspektive der Kunden, so kristallisieren sich zwei wesentliche Merkmale der Marktgestaltung heraus. Marktgestaltung basiert zum einen auf einem besonders tiefen Kundenverstandnis (HARias/CAi 2002, S. 185 ff; CARPENTER/NAKAMOTO 1994, S. 572). Die Informationsgeneriemng verlangt im Vergleich zu marktgeleiteten Formen der Marktorientierung einen weitlaufigeren Fokus, der iiber bestehende Kundenstrukturen und -praferenzen hinausgeht (BEVERLAND et al. 2006, S. 389; JOHNSON et al. 2003, S. 81). Neben aktuellen spielen latente und zukiinftige Kundenbediirfnisse eine wesentliche Rolle, well sie Moglichkeiten bieten, vor der Konkurrenz das Marktverhalten der Kunden zu beeinflussen. KUMAR et al. (2000, S. 132) sprechen in diesem Zusammenhang auch von „forward sensing (how can the marketplace evolve?)". Die Identifikation von noch nicht artikulierten Kundenbediirfnissen verlangt ein besonders tiefes Verstandnis der Kunden und der Rahmenbedingungen ihres Handelns (JAWORSKI et al. 2000, S. 51; SHETH/SISODIA 1999, S. 81). An dieser Stelle zeigen sich deutliche Parallelen zum Verstandnis der proaktiven Marktorientierung von NARVER et al. (2004; 2000).
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Neben einem tiefen Kundenverstandnis ist ein weiteres wesentliches Charakteristikum der Marktgestaltung die aktive Beeinflussung (Schaffung bzw. Verdnderung) von Kundenprdferenzen (HARRIS/CAI 2002, S. 187; CARPENTER/NAKAMOTO 1994, S. 572). Durch die Schaf-
fung neuer Kundenbedtirfnisse (z.B. durch die Einfuhrung einer radikalen Innovation) bzw. die Veranderung bestehender Kundenbedtirfnisse (z.B. durch die Kommunikation eines neuen Kundennutzens fur etablierte Produkte) kann das Marktverhalten der Kunden beeinflusst werden (JAWORSKI et al. 2000, S. 53). Ein wesentlicher Ansatz stellt dabei ein Wissenstransfer in den Markt dar (KuMAR et al. 2000, S. 134 sprechen in diesem Zusammenhang von ,customer education'; vgl. auch HARRIS/CAI 2002, S. 187; JAWORSKI et al. 2000, S. 52 f.).
Marktgestaltende Ansatze weichen in diesem Zusammenhang von einigen klassischen Annahmen der Marktorientierung ab (CARPENTER etal. 1997, S. 532). Marktgeleitete Ansatze gehen implizit davon aus, dass die Praferenzen der Kunden auf exogen gegebenen, stabilen Bediirfnissen basieren. Marktgestaltende Ansatze der Marktorientierung betrachten hingegen Kundenpraferenzen als variabel und beeinflussbar. Ziel ist es, die Wahmehmungen, Praferenzen und Entscheidungen der Kunden zu Gunsten des eigenen Leistungsangebotes zu beeinflussen. Dieser Gedanke spiegelt sich bereits in friiheren wegweisenden Marketingbeitragen wider (u.a. HOCH/DEIGHTON 1989; CARPENTEP^/NAKAMOTO 1989), wonach auf Informationen
basierende, produktbezogene Lemprozesse wesentlich sind fur die Praferenzbildung potenzieller Kunden. Produktbezogene Lemprozesse konnen auf eigenen Erfahrungen bzw. auf einem Wissenstransfer durch andere basieren (HOCH/DEIGHTON 1989, S. 2 f.). Es lasst sich festhalten, dass marktgestaltende Formen der Kundenorientierung darauf abzielen, basierend auf einem tiefen Kundenverstandnis die Praferenzbildung der Kunden aktiv zu beeinflussen. Die z.T. in der Literatur vorgenommene Einstufung traditioneller Perspektiven der Marktorientierung als rein reaktiv/marktgeleitet (z.B. NARVER et al. 2004, S. 336 f.; ATUAHENE-GIMA/KO 2001, S. 63) ist inhaltlich nicht haltbar (vgl. auch SANTOS-VIJANDE
et al. 2005, S. 190). Der Konzeptualisiemngsansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 4) bezieht sich z.B. explizit nicht nur auf aktuelle, sondem auch auf zukiinftige Kundenbedtirfnisse und die Initiierung von Schritten zur Erfiillung dieser Bedurfnisse. Markt-Voraussicht (market foresight) und darauf aufbauendes Verhalten sind wesentliche Komponenten der Marktorientierung (JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 126). Dieses Verstandnis spiegelt sich auch in der Erweiterung der Definition der Marktorientierung durch JAWORSKI/KOHLI (1996, S. 131) wider: „(...) it is useful to define market orientation as the organizationwide generation of market intelligence pertaining to customers, competitors, and forces affecting them, internal dissemination of the intelligence, and reactive as well as proactive responsiveness to the intelligence."(H.d.V,)
Innerhalb des traditionellen Verstandnisses der Marktorientierung ist also potenziell sowohl reaktives/marktgeleitetes als auch proaktives/marktgestaltendes Verhalten vorgesehen. Dennoch sind die neueren Ansatze der Marktorientierung (NARVER et al. 2004; JAWORSKI et al.
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2000; KUMAR et al. 2000) nicht als , alter Wein in neuen Schlauchen' zu betrachten. Sie gehen einen Schritt weiter, indem sie sich starker inhaltlich mit den spezifischen Charakteristika verschiedener Ausprdgungsformen der Marktorientierung auseinander setzen. Wichtig dabei ist das Verstandnis, dass proaktive bzw. marktgestaltende Formen der Marktorientierung keineswegs mit einer Produktorientierung (Produktentwicklung ohne Berucksichtigung der Bediirfnisse im Markt) gleichzusetzen sind (BEVERLAND et al. 2006, S. 386; NARVER et al. 2000, S. 9). Im Gegensatz zur Produktorientierung steht eine fundierte Kundenanalyse am Anfang des Prozesses, denn: „the future develops from the present" (CONNOR 1999, S. 1158). Die Literatur geht davon aus, dass ein langfristiger Erfolg im Markt auf der Fahigkeit basiert, sowohl marktgeleitet als auch marktgestaltend agieren zu konnen (BEVERLAND et al. 2006, S. 389; HILLS/SARIN 2003, S. 21; JAWORSKI et al. 2000, S. 53; SHETH/SISODIA 1999, S. 81).
Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der Unterscheidung verschiedener Auspragungsformen der Marktorientierung um einen interessanten Forschungsansatz. Potenzial bietet vor allem die Frage, unter welchen situativen Bedingungen welche Auspragungsform besonders Erfolg versprechend ist (BEVERLAND etal. 2006, S. 384; BERTHON etal. 2004, S. 1071; JOHNSON et al. 2003, S. 80 f). Im Schwerpunkt wurde das Phanomen bis dato nur konzeptionell betrachtet. Erste empirische Arbeiten zeigen interessante Ergebnisse, jedoch bleiben viele Fragen offen. Insbesondere bzgl. der Konstruktmessung steht die Forschung bis dato noch am Anfang (ATUAHENE-GIMA etal. 2005, S. 465; CARRILLAT etal. 2004, S. 10; HILLS/SARIN 2003, S. 21). 4.3 Einfluss der Marktorientierung auf der Unternehmensebene auf den Erfolg 4.3.1 Uberblick zum Forschungsfeld Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene gehort zu den am haufigsten untersuchten Konstrukten der Marketingforschung (CANO et al. 2004, S. 179). Neben der im vorangegangenen Abschnitt (4.2) fokussierten Konzeptualisierung steht folgende Frage im Mittelpunkt des Forschungsinteresses: Welchen Einfluss hat die Marktorientierung auf den Erfolg eines Untemehmens? KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 13) kommen auf der Basis qualitativer Interviews zu folgendem Schluss: „Virtually all of the executives interviewed noted that a market orientation enhances the performance of an organization. The typical response to our question about positive consequences was a "laundry list" of favorable business performance indicators such as ROI, profits, sales volume, market share, and sales growth."
Diese Annahme wurde seit Beginn der 1990er Jahre von einer Vielzahl von Autoren empirisch iiberpruft. Zusammenfassend fmdet sich in der Marketing-Literatur haufig die Aussage, dass Marktorientierung und Erfolg eindeutig positiv assoziiert sind (HUNT/LAMBE 2000, S. 26 f; WRENN 1997, S. 39). Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die Marktorientierung
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als eindeutigen, allgemein giiltigen Erfolgsfaktor in Frage stellen (KAYNAK/KARA 2004, S. 747; JOHNSON etal. 2003, S. 79; MATSUNO/MENTZER 2000, S. 1). MEEHAN (1996, S. 47)
stellt sogar provozierend die Frage: "Is the value of market orientation more than legend?" Die Beantwortung dieser Frage verlangt QmQfundierte Analyse vorliegender empirischer Befunde. Die folgende Abbildung beinhaltet eine Synthese untersuchter Zusammenhange auf der Basis von 42 wesentlichen empirischen Studien zur Marktorientierung.
Marktorientierung als Gesamtkonstrukt • MKTOR (Narver/Slater 1990)15.7.8.9, • MARKOR (Kohli et al. 1993)34,11.12,1
Teilkonstrukte der Marktorientierung
Branchenmerkmale
Unternehmenserfolg
Marktturbulenz3.4,7,9.i4,23,25,26,33 Technologieturbulenz3.7.9.i3,23,25 Wettbewerbsintensitat bzw. -agresslvitat3.4.7.i3,i4,23,25,26,33 Marktwachstum^'9 Lieferantenmachti'^26
Subjektive Messung (wahrg. Erfolg)
Kundenorientierung
• MKTOR (Narver/Slater 1990)^7.21,28,32 • Sonstiges33.34,35
Markterfolg2''.3o,33 Finanzieller Erfolg24.3o,33 Marktanteip5.i9.42 Umsatz-/Absatzentwicklung7.9,io,i4.i8,25,26,3 Profitabilitati79.io.i4,i5,i7,i8,25,26.36,42 Objektive Messung Gesamterfolg^ Umsatz-/Absatzentwicklung5.17,24,25,36 Profitabllitat2.5i7.24,25,32,36. Marktantei|3.ii36
• MKTOR (Narver/Slater 1990)1721.28.32 • Deshpand6 et al. 1993^ •'6.18.22 •Ruekert 19922.31 • MORTN (Desphande/Farley 1998a)i6.39 • MOPRO (Narver et al. 2004)39 • Sonstlges24.35,38,34,33
Wettbewerberorientierung
Gesamterfolg38.11.12,13,15,16,19,20.22,23,29.35,4(
Konseguenzen fiir Innovationen Innovation als mediierende Variable Innovationsneigung des Unternehmensi72o,29,3o,32,4o,42
Legende: ^Narver/Slater 1990; ^Ruekert 1992, 3jaworski/Kohli 1993; ^Diamantopoulos/Hart 1993; SNarver et al. 1993; ^Deshpande et al. 1993 ^Slater/Narver 1994b; ^Siguaw et al. 1994; ^Greenley 1995; loPelham/Wilson 1996; i^Selnesetal. 1996; i2pittetal. 1996; i3Bhuian 1998; ^^Kumar et al. 1998, i5Appiah-Adu/Ranchhod 1998, i^Deshpand^/Farley 1998a; ^^Han etal. 1998; iSAppiahAdu/Singh 1998, i^Baker/Sinkula 1999a, 20Baker/Sinkula 1999b; 2iWebb et al. 2000, 22Deshpande et al. 2000; 23pulendran et al. 2000, 24VossA/oss 2000; 25Harris 2001,26Subramanian/ Gopalakrishna 2001,27Atuahene-Gima/Ko 2001; 28Kahn 2001, 29 Vazquez et al. 2001; 30Matear et al. 2002; 3iRamaseshan et al. 2002 32Noble et al. 2002;33Muller 2003; 34Frambach et al. 2003; 35Singh/Ranchhod 2004; 36Kaynak/Kara 2004; 37Langerak et al. 2004a; 38Verhees/Meulenberg 2004; 39Narver et al. 2004; ^OHult et al. 2004; "iSantos-Vijande et al. 2005; «Baker/Sinkula 2005
Innovationserfolg auf der Unternehmensebene79ioi''i5.i8.i9,26,28,36,39,42 Innovationserfolg auf der Projektebene27.3i.37 Innovationsneigung des Unternehmens34.38
Konseguenzen fiir Kunden Qualitat10.21. 27,36
Kundenloyalitat26.36 Kundenzufriedenheit2i
Konseguenzen fiir Mitarbeiter OrganisationalesCommitnnent2.3.8,ii Kundenorientierung des Verkaufspersonals8 Rollenambiguitat/-konflikt8 Arbeitszufriedenheit2.8
Abb. 8: Empirische Forschung zum Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Wie aus der Abbildung 8 ersichtlich ist, kann unterschieden werden zwischen Studien, die Marktorientierung als aggregiertes Gesamtkonstrukt untersuchen, und Studien, die den Einfluss der Teilkonstrukte der Marktorientierung (Kunden- und Wettbewerberorientierung) getrennt voneinander betrachten. Als problematisch erweist sich, dass in der Literatur die Begriffe Markt- und Kundenorientierung z.T. synonym verwendet werden (vgl. auch Abschnitt 4.1.2). In der vorliegenden Arbeit werden die Studien nicht entsprechend ihrer Begriffsverwendung, sondem entsprechend ihrer inhaltlichen Fokussierung/Operationalisierung eingeordnet. Aufgrund der ausgepragten Konzentration auf die Interessensgruppe der Kunden werden daher z.B. die Studien von DESHPANDE et al. (1993) und RuEKERT (1992) und entsprechende Replikationsstudien (z.B. RAMASESHAN et al. 2002) dem Teilkonstmkt der Kundenorientierung zugeordnet. Operationalisierungen, die zu der Kategorie ,Sonstiges' gehoren, basieren i.d.R. auf einer Kombination verschiedener Ansatze.
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Ziel der empirischen Forschung ist die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Marktorientierung und Erfolg. Dabei stellt sich zunachst die Frage, was unter ,Erfolg' zu verstehen ist. Es lassen sich vier wesentliche Erfolgskategorien identifizieren (KiRCA etal. 2005, S. 25 f.; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 128; vgl. Abb. 8). Es dominiert die Betrachtung des (1) Unternehmenserfolges, wobei zwischen einer subjektiven und einer objektiven Erfolgsmessung sowie dem Heranziehen verschiedener Erfolgskriterien (z.B. Marktanteil, Profitabilitat bzw. aggregierte GroBen wie z.B. Markterfolg) unterschieden werden kann. Im Bereich der (2) Konsequenzen der Marktorientierung fur Innovationen kann zwischen dem Innovationserfolg auf der Untemehmensebene (z.B. Zielerreichung der Neuproduktentwicklung), dem Innovationserfolg auf der Projektebene (z.B. Neuprodukterfolg einer Innovation der letzten funf Jahre) und der Innovationsneigung des Untemehmens (z.B. Innovationsrate) differenziert werden. Dabei handelt es sich bis auf Ausnahmen (ATUAHENE-GIMA/KO 2001, S. 63) i.d.R. um subjektive ErfolgsgroBen, da die Erhebung objektiver GroBen im Innovationskontext mit besonderen Problemen verbunden ist (vgl. auch Abschnitt 3.1.2.1). VerhaltnismaBig wenige Studien setzen sich mit den (3) Konsequenzen der Marktorientierung fur Kunden (z.B. Qualitat der Produkte) bzw. (4) Konsequenzen filr Mitarbeiter (z.B. Kundenorientierung des Verkaufspersonals) auseinander. Grundsatzlich kann zwischen direkten, moderierten und mediierten Erfolgseinfliissen unterschieden werden. Vorhandene Studien inkl. Moderatorvariablen konzentrieren sich i.d.R. auf Branchenmerkmale wie z.B. Marktturbulenz, Technologieturbulenz und WettbewerbsintensitatZ-aggressivitat. Dariiber hinaus betrachten neuere Studien den mediierenden Einfluss der Innovationsneigung des Unternehmens. Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass Marktorientierung nur dann einen positiven Einfluss auf den Erfolg austiben kann, wenn sie sich in Innovationen niederschlagt (HULT et al. 2004, S. 430; vgl. Abb. 8). Aufbauend auf der dargestellten Synthese untersuchter Zusammenhange stellt sich die Frage, welche empirischen Ergebnisse zum Einfluss der Marktorientierung bis dato vorliegen. Einige Autoren diskutieren den Stand der Forschung mittels einer Synopse bzw. Metaanalyse. Wahrend bei einer Synopse Ergebnisse vorhandener Studien qualitativ verglichen werden, basiert eine Metaanalyse auf einer quantitativen Analyse von Effektstarken und Signifikanzen (MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 404 f). Mittels einer qualitativen Analyse kommen JAWORSKI/KOHLI (1996, S. 128 f) zu dem Schluss, dass Marktorientierung alle vier vorgestellten Erfolgskategorien positiv beeinflusst. LANGERAK (2003) zeigt, dass in 50 untersuchten Studien insgesamt 68 % positive Effekte, 30 % nicht-signifikante Effekte und 2 % negative Erfolgseinfliisse der Marktorientierung berichtet werden. Der Autor schlussfolgert: "the evidence on the direct business performance impact of market orientation is, at least, equivocal." (LANGERAK 2003, S. 447).
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CANO et al. (2004) und KiRCA et al. (2005) fuhren je eine Metaanalyse zum Erfolgseinfluss der Marktorientierung durch. CANO et al. (2004, S. 188) kommen basierend auf der Analyse von 53 empirischen Studien zu dem Ergebnis, dass Marktorientierung eindeutig einen Erfolgsfaktor darstellt: Uber alle untersuchten Studien betrachtet erklart der Grad der Marktorientierung ca. 12 % der Varianz des Untemehmenserfolges. Einen verfeinerten Forschungsansatz wahlen KIRCA et al. (2005). Mit Hilfe einer Datenbasis von 72 Studien betrachten sie den Erfolgseinfluss der Marktorientierung differenziert fiir die vier Erfolgskategorien. Die Autoren kommen zu folgenden Ergebnissen (KIRCA et al. 2005, S. 27 f.): (1) Unternehmenserfolg: Marktorientierung hat mit einem korrigierten mittleren Korrelationskoeffizienten von r = .32 (p<.05) einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Bezogen auf unterschiedliche Erfolgskriterien ermitteln die Autoren einen positiven Einfluss auf den Gesamterfolg (r = .46, p<.05), die Profitabilitat (r =.27, p<.05), die Umsatz-/Absatzentwicklung (r= .26, p<.05) und den Marktanteil (r= .31, p<.05). Die Autoren unterscheiden diesbeztiglich nicht zwischen subjektiver und objektiver Erfolgsmessung. (2) Konsequenzen fur Innovationen: Marktorientierung hat mit einem korrigierten mittleren Korrelationskoeffizienten von r = .36 (p<.05) einen positiven Einfluss auf den Innovationserfolg und mit r = .45 (p<.05) einen positiven Einfluss auf die Innovationsneigung eines Untemehmens. Es erfolgt keine Unterscheidung nach dem Innovationserfolg auf der Untemehmensebene und auf der Projektebene. (3) Konsequenzen fur Kunden: Marktorientierung hat einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene Qualitat (r = .36, p<.05), die Kundenloyalitat (r = .35, p<.05) und Kundenzufriedenheit (r = .45, p<.05). (4) Konsequenzen fur Mitarbeiter. Marktorientierung hat einen positiven Einfluss auf das organisational Commitment (r = .71, p<.05), auf die Kundenorientierung des Verkaufspersonals (r=.25; p<.05) und die Arbeitszufriedenheit (r=.61; p<.05) und einen negativen Einfluss auf Rollenkonflikte der Mitarbeiter (r=-.54; p<.05). Insgesamt betrachtet kommen sowohl CANO et al. (2004) als auch KIRCA et al. (2005) im Gegensatz zu LANGERAK (2003) zu dem Ergebnis, dass Marktorientierung eindeutig einen wesentlichen Erfolgsfaktor fiir Untemehmen darstellt. Positiv hervorzuheben ist, dass KIRCA et al. (2005) metaanalytische Ergebnisse getrennt fur verschiedene Erfolgskategorien und Erfolgskriterien zur Verfiigung stellen. Kritisch zu bewerten ist, dass bis dato vorliegende Synopsen und Metaanalysen nicht zwischen dem Einfluss des aggregierten Konstruktes der Marktorientierung und dem Einfluss der Teilkonstrukte Kunden- und Wettbewerberorientierung differenzieren. Das unterliegt der Annahme, dass Kunden- und Wettbewerberorientierung eine kongruente Erfolgswirkung erzielen. Sollte diese Annahme jedoch nicht erfiillt sein.
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so sind aggregierte Aussagen auf der Ebene des Gesamtkonstruktes wenig zielftihrend. Der folgende Abschnitt widmet sich diesem Forschungsdefizit mittels einer differenzierten Synopse empirischer Befunde zum Erfolgseinfluss der Marktorientierung. 4.3.2 Differenzierte Synopse empirischer Befunde Ziel des vorliegenden Abschnittes ist eine Synopse empirischer Forschung zur Marktorientierung differenziert nach dem aggregierten Gesamtkonstrukt Marktorientierung und den Teilkonstrukten Kunden- und Wettbewerberorientierung. Dabei wird zwischen direkten (4.3.2.1) sowie moderierenden und mediierenden (4.3.2.2) Effekten unterschieden. 4.3.2.1 Direkte Effekte Die folgende Tabelle beinhaltet eine Gegenuberstellung signifikanter und nicht-signifikanter direkter Einfliisse der Markt-, Kunden- und Wettbewerberorientierung auf den Erfolg. Dabei erfolgt eine Unterscheidung nach den vorgestellten Erfolgskategorien. Die tiberwiegende Anzahl an Studien untersucht den Erfolgseinfluss der Marktorientierung als aggregiertes Konstrukt. Vorhandene Studien, die Einfliisse der Teilkonstrukte Kunden- und Wettbewerberorientierung fokussieren bzw. getrennt berichten, werden gesondert ausgewiesen. Im Regelfall werden positive lineare Effekte berichtet; negative bzw. kurvlineare Effekte werden explizit kenntlich gemacht (,negativ' bzw. ,kurvlinear' in Klammem). Mit einem Stem (*) gekennzeichnete Befunde basieren auf einer objektiven Erfolgsmessung.
hVm^eiifmhmmMfM^ Signifikante Befuiide
Nicbf-sigaifikante Befunde
M O : SANTOS-ViJANDE et al. 2005, S. 197; M A T S U N O et al. 2005, S. 6; BHUIAN et al. 2005, S. 15; HULT et al. 2004, S. 435; A G A R W A L et al. 2003, S. 75; HARRIS/
M O : L A N G E R A K et al. 2004a, S. 88; AGARWAL et al. 2003, S. 7 5 * ; VAZQUEZ et al. 2 0 0 1 , S. 82; H A R R I S O N -
O G B O N N A 2 0 0 1 , S. 163; G R E W A L / T A N S U H A J 2 0 0 1 ,
B A K E R / S I N K U L A 1999b, S. 304; H A N et al. 1998,
S.
76 (negativ); PULENDRANet al. 2000, S. 131; BAKER/ SiNKULA 1999a, S. 419; B H U I A N 1998, S. 2 1 ; A P P I A H Gesamterfolg
A D U / R A N C H H O D 1998, S. 205;
W A L K E R 2 0 0 1 , S. 161; C A R U A N A et al. 1999, S. 10; S. 39; H A N et al. 1998, S. 39*; H A R T 1993, S.
DIAMANTOPOULOS/
119*
DESHPANDE/FARLEY
1998a, S. 217; S E L N E S et al. 1996, S. 150; PiTT et al. 1996, S. 14; D E N G / D A R T 1994, S.
736;
J A W O R S K I / K O H L I 1993, S . 63 K O : S I N G H / R A N C H H O D 2004, S. 140; H A R R I S O N -
K O : DESHPANDE et al. 2000, S. 360
W A L K E R 2 0 0 1 , S. 161; B A L A K R I S H N A N 1996, S. 265; D E S H P A N D E et al. 1993, S. 30
W O : S I N G H / R A N C H H O D 2004, S. 140; B A L A K R I S H N A N 1996, s .
WO:
HARRISON-WALKER 2 0 0 1 , S.
265
M O : HOMBURG et al. 2004, S. 1337; MATEAR et al. 2002, S. 1067; HOMBURG/PPLESSER 2000, S. 457 Markterfolg
K O : MORGAN/TURNELL 2003, S. 268; MULLER2003, S. 198 f. (kurvlinear)
K O : M O O R M A N / R U S T 1999,
W O : MORGAN/TURNELL 2003, S. 268; MOORMAN/ R U S T 1999, S. 190 (negativ)
W O : MULLER 2003, S. 199
S.190
161
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hVmUtmkmmm&tit^ Signifikante Befunde
Nicht-signiflkante Befunde
MO: MATEARet al. 2002, S. 1067, DAY/NEDUNGADI 1994,8.40 Finanzieller Erfolg
KO: VOSSA'OSS 2000, S. 76 (negativ); MOORMAN/ RUST 1999, S. 190
KO:MULLER2003, S. 196 WO: Voss/Voss 2000, S. 76; MOLLER 2003, S. 196; MOORMAN/RUST 1999, S. 190
Marktanteil
MO: KAYNAK/KARA 2004, S. 750*; MATSUNO et al. 2002, S. 26; BAKER/SINKULA 1999a, S. 419; APPIAHADU/RANCHHOD 1998, S. 205
MO: BAKER/SINKULA 2005, S. 494; SELNES et al. 1996, S. 150*; JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 63*
MO: MATSUNO et al. 2005, S. 6; KAYNAK/KARA
MO: SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 367; HARRIS 2001, S. 29; HARRIS 2001, S. 29*; BHUIAN 1997, S. 322*; PELHAM/WILSON 1996, S. 37; GREENLEY 1995, S. 7
2004, S. 748; KAYNAK/KARA 2004, S. 750*; SUBRAMANIAN/GOPALAKRISHNA 2001, S. 8; KUMAR Umsatz-/ Absatzentwicklung
et al. 1998, S. 221; SLATER/NARVER 1996, S. 167;
SLATER/NARVER 1994b, S. 51; NARVERet al. 1993, S. 12* KO: VOSSA^OSS 2000, S. 76 (negativ); VOSSA^OSS 2000, S. 76 (negativ)*; APPIAH-ADU/SINGH 1998, S. 390 WO: VOSSA^OSS 2000, S. 76*
WO: VOSS/VOSS 2000, S. 76
MO: BAKER/SINKULA 2005, S. 494; MATSUNO et al.
MO: KAYAK/KARA 2004, S. 748; KAYNAK/KARA 2004, S. 750*; SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 367; HARRIS 2001, S. 29; HARRIS 2001, S. 29*; BHUIAN 1997, S. 322*; SLATER/NARVER 1996, S. 167; GREENLEY 1995, S. 7;
2005, S. 6; HoMBURGet al. 2004, S. 1337; MATSUNO et al. 2002, S. 26; SUBRAMANIAN/GOPALAKRISHNA
Profitabilitat
2001, S. 8; HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 457; SANDVIK et al. 2000, S. 4; SLATER/NARVER 2000a, S. 71; APPIAH-ADU/RANCHHOD 1998, S. 205; KUMAR et al. 1998, S. 221; PELHAM/WILSON 1996, S. 36; SLATER/NARVER 1994b, S. 51; NARVER/SLATER
NARVER et al. 1993, S. 14*
1990, S. 30 (sample 1: kurvlinear); NARVER/SLATER 1990, S. 30 (sample II) KO: VOSS/VOSS 2000, S. 76* (negativ); APPIAH-
KO: NOBLE et al. 2002, S. 34*; DAWES 2000, S. 191
ADU/SINGH 1998, S. 390; UTZIG 1997, S. 177;
RUEKERT1992, S. 239f.* WO: NOBLE et al. 2002, S. 33*; Voss/Voss 2000, S. 76* (negativ); DAWES 2000, S. 192
1 2* iC^nseqiimzaii IQr Iii]i0vatioii^i Signifikante Befunde MO: BAKER/SINKULA 2005, S. 494; MATSUNO et al. 2005, S. 6; KAYNAK/KARA 2004, S. 748; CALANTONE
Niclit - signifikante Befunde MO: APPIAH-ADU/RANCHHOD 1998, S. 205; GREENLEY
1995, S.7
et al. 2003, S. 98; MATSUNO et al. 2002, S. 26; KAHN 2001, S. 319; SUBRAMANIAN/GOPALAKRISHNA 2001, Innovationserfolg auf der Unternehmensebene
S. 8; BAKER/SINKULA 1999a, S. 419; KUMAR et al. 1998, S. 221; PELHAM/WILSON 1996, S. 36; SLATER/
NARVERl994b, S. 51 KO: ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 472 f. (reaktive und proaktive KO: kurvlinear); NARVER et al. 2004,
KO: NARVER et al. 2004, S. 343 (reaktive KO)
S. 343 (proaktive KO); KAHN 2001, S. 320; MOORMAN/RUST 1999, S. 190; APPIAH-ADU/SINGH
1998, S.390
Innovationserfolgaufder Projektebene
WO: KAHN 2001, S. 320 (negativ)
WO: MOORMAN/RUST 1999, S. 190
MO: ATUAHENE-GIMA/KO 2001, S. 64*; LADO/ MAYDEU-OLIVARES 2001, S. 140
MO: LANGERAK et al. 2004a, S. 88
KO: RAMASESHAN et al. 2002, S. 404; ATUAHENEGIMA 1996, S. 99 (Projektwirkung); ATUAHENE-GIMA
KO: GATIGNON/XUEREB 1997, S. 84; ATUAHENE-GIMA 1996, S. 99 (Markterfolg)
1995, S. 283 WO: GATIGNON/XUEREB 1997, S. 84
Innovationsneigung des Unternehmens
KO: HYVONEN et al. 2004, S. 174; VERHEES/ MEULENBERG 2004, S. 146; FRAMBACH et al. 2003, S. 390; CLAYCOMB/GERMAIN 1997, S. 98
WO: FRAMBACH et al. 2003, S. 390 (negativ)
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
80
liililli ' ' ~ -liSBHIi^Hli m^^^sm^^"**^^"*^"^'^^^, Signifikante Befoiicte
Nicht - signifikante Befuttde
MO: ATUAHENE-GIMA/KO 2001, S. 67; KAYNAK/
Qualitat
KARA 2004, S. 748; PELHAM/WILSON 1996, S. 36
Kundenloyalitat
MO: KAYNAK/KARA 2004, S. 748; SUBRAMANIAN/
KOAVO: WEBB et al. 2000, S. 108
Kundenzufriedenheit
GOPALAKRISHNA 2001, S. 8 KO: WEBB et al. 2000, S. 108 WO: WEBB et al. 2000, S. 108
\4ll^m^i^mm^'^^^^^^mt''^
'-^
Signifikante Befunde Organisationales Commitment
':"-.) Nicht - signifikante Befunde
MO: SELNES et al. 1996, S. 150; SiGUAW et al. 1994, S. 112 ; JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 64
KO: RUEKERT 1992, S. 239
KO des Verkaufspersonals
MO: LANGERAK 2001, S. 229; SiGUAW et al. 1994, S.
RollenambiguitatZ-konflikt
MO: SIGUAW et al. 1994, S. 112 (negativ)
Arbeitszufriedenheit
MO: SiGUAW et al. 1994, S. 112
112
KO: RUEKERT 1992, S. 239
MO = Marktorientierung; KO = Kundenorientierung; WO = Wettbewerberorientierung Falls nicht explizit angegeben („negativ" bzw. „kurvlinear"), werden positive, lineare Effekte berichtet * = Befunde basieren auf einer objektiven Erfolgsmessung Tab. 3: Befunde zum Erfolgseinfluss der Markt-, Kunden- und Wettbewerberorientierung Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Befunde zur Marktorientierung als Gesamtkonstrukt Betrachtet man die in der Tab. 3 systematisierten, vorhandenen empirischen Ergebnisse zur Marktorientierung, so zeigt sich, dass unabhangig von der zugrunde liegenden Erfolgskategorie bzw. dem Erfolgskriterium der tiberwiegende Teil der Studien einen signifikanten positiven Erfolgseinfluss berichtet. Hier spiegelt sich das Ergebnis eines insgesamt positiven Erfolgseinflusses der Marktorientierung wider, den die Metaanalysen CANO et al. (2004) und KiRCA et al. (2005) berichten. Fiir die tiberwiegende Anzahl an Erfolgskriterien lassen sich jedoch jeweils auch Studien identifizieren, die keinen direkten signifikanten Einfluss feststellen konnen. In zwei Studien zeigt sich sogar ein signifikanter negativer Effekt (GREWAL/TANSUHAJ 2001) bzw. ein kurvlinearer Effekt (NARVER/SLATER 1990). GREWAL/TANSUHAJ (2001) stellen fest, dass im Fall einer okonomischen Krise (asiatische Wirtschaflskrise) Marktorientierung einen signifikanten negativen Einfluss auf den wahrgenommenen Untemehmenserfolg nach der Krise hat. Die Autoren begriinden diesen Effekt damit, dass Marktorientierung tendenziell zu einer Tragheit (inertia) fiihrt, die im Krisenfall einer kreativen Neuorientierung des Untemehmens entgegensteht (GREWAL/TANSUHAJ 2001, S. 76). NARVER/SLATER (1990, S. 30 f.) berichten flir eine ihrer Stichproben einen U-formigen Zusammenhang zwischen Marktorientierung und wahrgenommener Profitabilitat im Vergleich zum Wettbewerb. Die Autoren fuhren diesen Effekt
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
81
darauf zuruck, dass in der betrachten Industrie (Forstwirtschaft) Marktorientierung sich erst dann ,lohnt', wenn durch einen besonders hohen Auspragungsgrad Markteintrittsbarrieren (z.B. hohe Kundenbindung) aufgebaut werden konnen. Die Befunde von GREWAL/TANSUHAJ (2001) und NARVER/SLATER (1990) lassen sich jedoch aufgrund der besonderen Kontextfaktoren nicht generalisieren. Da objektive Erfolgkriterien ungleich schwerer zu erheben sind und gleichzeitig viele Studien eine hohe Korrelation objektiver und subjektiver Kriterien berichten (z.B. DESS/ROBINSON 1984, S. 269 f.; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.1.2.1), dominiert in der Forschung die Verwendung subjektiver Erfolgskriterien (AGGARWAL et al. 2003, S. 78). Die wenigen Studien zur Marktorientierung, die auf objektiven Kriterien beruhen, konnen seltener einen signifikanten Erfolgseinfluss berichten (vgl. die mit * markierten Befunde in der Tab. 3). So weisen beispielsweise JAWORSKI/KOHLI (1993, S. 63 f.) zwar einen positiven Einfluss der Marktorientierung auf den subjektiv gemessenen Gesamterfolg, jedoch keinen signifikanten Einfluss auf den objektiven Marktanteil nach. Zum Teil kann sowohl fiir objektive als auch fiir subjektive Kriterien kein signifikanter, direkter Erfolgseinfluss nachgewiesen werden (z.B. HARRIS 2001, S. 29). Metaanalysen bestatigen die Vermutung, dass subjektive Erfolgsmessungen im Mittel zu starkeren Erfolgszusammenhangen fuhren als objektive Kriterien (KiRCA et al. 2005, S. 33; CANO et al. 2004, S. 190). Es lasst sich vermuten, dass Respondenten, die ihr Untemehmen als besonders marktorientiert wahmehmen, dazu neigen, den Erfolg ihres Untemehmens iiberzubewerten. Dabei handelt es sich um eine Verzerrung, die durch einen sog. Multi-InformantenAnsatz abgeschwacht werden kann (NOBLE etal. 2002, S. 27; vgl. auch Abschnitt 6.1.2.1). Als kritisch erweist sich, dass bis auf wenige Ausnahmen (z.B. NARVER et al. 2004) empirische Studien zur Marktorientierung auf der Befragung eines einzigen Respondenten beruhen (MASON/HARRIS 2005, S. 375).
Der GroBteil der empirischen Forschung zur Marktorientierung fokussiert die Kategorie Untemehmenserfolg. Neuere Studien betrachten dariiber hinaus auch Konsequenzen der Marktorientierung fur Innovationen. Dabei dominiert die Betrachtung des Innovationserfolges auf der Untemehmensebene. Bis auf zwei Befunde (APPIAH-ADU/RANCHOD 1998, S. 205; GREENLEY 1995, S. 7) zeigt sich ein robuster, signifikant positiver Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Innovationserfolg auf der Untemehmensebene. Bezogen auf den Innovationserfolg auf der Projektebene konnten zwei signifikant positive Einfliisse (ATUAHENEGIMA/KO 2001, S. 64; LADO/MAYDEU-OLIVARES 2001, S. 140), und ein nicht-signifikanter
Einfluss (LANGERAK et al. 2004a, S. 88) festgestellt werden. In den Erfolgskategorien Konsequenzen fur Kunden und fur Mitarbeiter zeigt sich durchgehend ein signifikant positiver Einfluss der Marktorientierung (vgl. Tab. 3).
82
11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Befunde zur Kunden- und Wettbewerberorientierung als Teilkonstrukte Im Bereich der Kunden- und Wettbewerberorientierung als Teilkonstrukte existieren analog zur Marktorientierung nicht nur eindeutige Befunde (vgl. Tab. 3). Ftir das Konstrukt der Kundenorientierung lassen sich insgesamt betrachtet 25 positive, 8 nicht-signifikante, 4 negative und 2 kurvlineare Befunde feststellen. Es zeigt sich, dass der uberwiegende Anteil an Studien die Hypothese eines positiven Erfolgseinflusses der Kundenorientierung bestatigt. Bei den vier negativen Befunden gilt es zu benicksichtigen, dass sie alle auf der Studie von VossA^OSS (2000) basieren, die durch einen Fokus auf die Theater-Industrie spezifischen Kontextfaktoren unterliegt. Kunden konnen in diesem Bereich nur bedingt ihre Praferenzen formulieren und erwarten neue, iiberraschende bis hin zu provokative und eben nicht ,kundenorientierte' Impulse (VossA^OSS 2000, S. 76). Es handelt sich damit nicht um einen allgemein giiltigen, industrietibergreifenden Befund. Zwei neuere Studien (ATUAHENE-GIMA et al. 2005; NARVER et al. 2004) differenzieren zwischen dem Erfolgseinfluss reaktiver und proaktiver Formen der Kundenorientierung (vgl. zur Unterscheidung Abschnitt 4.2.2.2). NARVER et al. (2004, S. 343) kommen zu dem Ergebnis, dass lediglich eine auf latente Bediirfnisse ausgelegte, proaktive Kundenorientierung einen positiven Einfluss auf den Neuprodukterfolg hat. Eine reaktive, auf artikulierte Bediirfnisse abzielende Orientierung am Kunden zeigt hingegen keinen signifikanten Effekt. Im Gegensatz dazu konnen ATUAHENE-GIMA et al. (2005, S. 472 ff.) fiir beide Arten der Kundenorientierung keinen direkten, linearen Effekt feststellen. Bezogen auf den Einfluss proaktiver Kundenorientierung stellen die Autoren eine inverse U-Funktion fest. Das heiBt, ein mittlerer Grad an proaktiver Kundenorientierung erweist sich als am erfolgreichsten. Die Autoren vermuten, dass eine zu starke Proaktivitat aufgrund von Abweichungen zu bestehenden Kompetenzen mit Ineffizienzen verbunden sein kann. Bezogen auf den Zusammenhang zwischen reaktiver Kundenorientierung und Erfolg stellen sie eine U-Funktion fest. Danach fiihrt ein besonders tiefes Verstandnis gegenwartiger, artikulierter Kundenbediirfnisse zu einer besonders hohen Effektivitat der Neuproduktentwicklung. Dieser Befund zeigt Parallelen zu den Erkenntnissen von MULLER (2003, S. 199), der im Kontext neu gegriindeter Softwareunternehmen einen kurvlinearen, U-formigen Effekt zwischen Kundenorientierung und Markterfolg berichtet. Im Bereich der Wettbewerberorientierung lassen sich insgesamt 8 positive, 8 nicht-signifikante und 4 negative Befunde identifizieren. In Anbetracht der geringen Anzahl vorliegender Befunde ist das Verhaltnis von nicht-signifikanten und negativen Befunden als vergleichsweise hoch einzustufen. Insbesondere im Bereich der Konsequenzen fur Innovationen konnten bis dato nur nicht-signifikante (z.B. MOORMAN/RUST 1999, S. 190) und negative
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
83
Effekte festgestellt werden (z.B. KAHN 2001, S. 320). Ein positiver Einfluss der Wettbewerberorientierung kann fur diesen Bereich daher nicht angenommen werden. Die Messung der Marktorientierung als Gesamtkonstrukt unterliegt der Annahme, dass die Teilkonstrukte Kunden- und Wettbewerberorientierung hinsichtlich Starke und Richtung eine kongruente Erfolgswirkung erzielen. Bei einem Vergleich vorliegender Befunde lasst sich diese Annahme nicht immer bestatigen (vgl. Tab. 3). Einige Autoren berichten eine gleichgerichtete, positive Erfolgswirkung (z.B. fur den Gesamterfolg: SINGH/RANCHHOD 2004, S. 140) bzw. fur beide Konstrukte jeweils keine direkte, signifikante Wirkung (z.B. fur den Innovationserfolg: GATIGNON/XUEREB 1997, S. 84). Dariiber hinaus existieren jedoch auch relativ viele nicht-kongruente Befunde. So erweist sich teilweise z.B. nur die Wettbewerberorientierung (z.B. fiir die Profitabilitat: DAWES 2000, S. 191 f.) bzw. nur die Kundenorientierung (z.B. fur den Gesamterfolg: HARRISON-WALKER 2001, S. 161) ais signifikant. Dariiber hinaus lassen sich relativ haufig sogar entgegengesetzte Wirkungen der Kunden- und Wettbewerberorientierung feststellen. So identifizieren z.B. VOSS/VOSS (2000, S. 76) Kundenorientierung als signifikanten negativen und Wettbewerberorientierung als signifikanten positiven Einflussfaktor der Umsatzentwicklung (allerdings gilt es hier emeut den spezifischen Kontextfaktor der Theaterindustrie zu beriicksichtigen). Umgekehrt kommt KAHN (2001, S. 320) bezogen auf den Innovationserfolg zu dem Ergebnis, dass Kundenorientierung positiv und Wettbewerberorientierung negativ wirkt. Analog berichten FRAMBACH et al. (2003, S. 390) einen positiven Einfluss der Kundenorientierung und einen negativen Einfluss der Wettbewerberorientierung auf die Innovationsneigung des Untemehmens. Bezogen auf Innovationen stehen also insgesamt betrachtet in der Tendenz positive Einfliisse der Kundenorientierung negativen Einfliissen der Wettbewerberorientierung gegeniiber. Die haufig (hinsichtlich Starke und/oder Richtung) nicht kongruente Erfolgswirkung der Teilkonstrukte kann als eine Erklarung fur die verhaltnismaBig vielen nicht-signifikanten Erfolgseinfliisse der Marktorientierung herangezogen werden. Daraus lasst sich schlussfolgem, dass die in der Forschung iiberwiegend vorgenommene Messung des Erfolgseinflusses der Marktorientierung als Gesamtkonstrukt nicht angemessen ist. Das gilt besonders im Kontext von Innovationen, da hier entgegengesetzte Effekte der Teilkonstrukte tiberwiegen. 4.3.2.2 Moderierende und mediierende Effekte Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt wurde, existiert in der Literatur eine nicht zu vernachlassigende Anzahl empirischer Befiinde, die keinen signifikanten Einfluss der Marktorientierung nachweisen konnen. Entsprechend stellen einige Autoren einen direkten Erfolgseinfluss in Frage und postulieren den Einfluss von moderierenden bzw. mediierenden Variablen. Vom einem Moderatoreffekt spricht man, wenn der Zusammenhang zwischen
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
84
einer unabhangigen und einer abhangigen Variable durch eine dritte Variable (der Moderatorvariable) beeinflusst (verstarkt bzw. abgeschwacht) wird. Im Fall eines Mediatoreffektes erfolgt der Erfolgseinfluss einer unabhangigen Variable indirekt iiber eine andere Variable (sog. Mediatorvariable), wobei zwischen partiellen und vollstandigen Mediatoreffekten unterschieden werden kann (VENKATRAMAN 1989, S. 424 ff.). Befunde zu moderierenden Effekten In Bezug auf moderierende Effekte hat sich die Forschung bis dato im Schwerpunkt mit den Branchenmerkmalen Marktturbulenz, Technologieturbulenz und Wettbewerbsintensitat/ -aggressivitat beschaftigt. Die folgende Tabelle fasst vorliegende empirische Befunde zusammen.
Moderator
Nlcht-signiflkante Befunde
Signifikante Befunde Positiver Moderatoreffekt MO: HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 458; PULENDRAN
et al. 2000, S. 131; KUMAR et al. 1998, S. 223; DIAMANTOPOULOS/HART 1993, S. I l l Marktturbulenz
KO: MOLLER2003, S. 206; GATIGNON/XUEREB 1997, S. 86
MO: LANGERAK et al. 2004b, S. 304; SUBRAMANIAN/GOPALAKRISHNA 2 0 0 1 , S. 8; JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 64 WO:MULLER2003,S.206
Negativer Moderatoreffekt MO: HARRIS 2001, S. 32; GREENLEY 1995, S. 9; SLATER/NARVER 1994b, S. 52 WO: GATIGNON/XUEREB 1997, S. 86
Negativer Moderatoreffekt Technologieturbulenz
MO: GREENLEY 1995, S. 9, SLATER/NARVER 1994b,
S. 52 Positiver Moderatoreffekt
MO: LANGERAK et al. 2004b, S. 304; HARRIS 2001, S. 29 ff.; PULENDRAN et al. 2000, S. 131; BHUIAN 1998, S. 21; JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 64
KO: HANetal. 1998, S. 40 WO: HANetal. 1998, S. 40 Positiver Moderatoreffekt Wettbewerbsintensitat bzw. -aggressivitat
1993, S . I l l
MO: SUBRAMANIAN/GOPALAKRISHNA 2001, S. 9; PULENDRAN et al. 2000, S. 131; SLATER/NARVER 1994b, S. 52; JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 64
KO: ATUAHENE-GIMA 1995, S. 284 f.
KO: MULLER2003, S. 206; GATIGNON/XUEREB 1997,
MO: HARRIS 2001, S. 30; BHUIAN 1998, S. 21; KUMAR et al. 1998, S. 223; DIAMANTOPOULOS/HART
S. 86 WO: MULLER2003, S. 206; GATIGNON/XUEREB 1997,
S. 86 MO = Marktorientierung; KO = Kundenorientierung; WO = Wettbewerberorientierung Tab. 4: Befunde zu Moderatoreffekten von Branchenmerkmalen Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Unter Marktturbulenz versteht man die Veranderungsdynamik des Marktes in Bezug auf die Anzahl/Zusammensetzung von Kunden/Kundengruppen und ihren Praferenzen (KUMAR et al. 1998, S. 209; JAWORSKI etal. 1993, S. 57). In der Regel wird in der Literatur ein positiver Moderatoreffekt der Marktturbulenz vermutet. Es wird davon ausgegangen, dass in turbulenten Markten (im Vergleich zu stabilen Markten) ein hoherer Grad an Marktorientierung erforderlich ist, um dynamische Kundenbediirfnisse durch eine Veranderung des Marketing-Mix
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
85
kontinuierlich erfiillen zu konnen (SLATER/NARVER 1994b, S. 48; JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 57). Betrachtet man jedoch vorliegende Befunde, so zeigt sich ein inkonsistentes Bild (vgl. Tab. 4). Einem Teil der Studien gelingt es, einen positiven Moderatoreffekt nachzuweisen (z.B. HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 458), wahrend andere Studien keinen signifikanten, moderierenden Befund (z.B. JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 64) bzw, sogar entgegen ihrer Hypothesen einen negativen Moderatoreffekt (z.B. HARRIS 2001, S. 32) berichten. Die Variable Technologieturbulenz steht fur die technologische Veranderungsrate in einer Industrie (z.B. KUMAR et al. 1998, S. 209; JAWORSKI et al. 1993, S. 57). In der Kegel wird von einem negativen Moderatoreinfluss ausgegangen. JAWORSKI/KOHLI (1993, S. 57; ahnlich SLATER/NARVER 1994b, S. 48) begrunden einen negativen Moderatoreffekt folgendermaBen: „Organizations that work with nascent technologies that are undergoing rapid change may be able to obtain a competitive advantage through technological innovation, thereby diminishing - but not eliminating - the importance of a market orientation."
Betrachtet man die vorliegenden Befunde (vgl. Tab. 4), so zeigt sich, dass die Mehrzahl der Studien keinen signifikanten Moderatoreinfluss der Technologieturbulenz berichten kann. Lediglich GREENLEY (1995, S. 9) und SLATER/NARVER (1994b, S. 52) stellen einen signifikanten negativen Moderatoreffekt bezogen auf das Erfolgskriterium Innovationserfolg fest. Danach ist Marktorientierung fur den Erfolg einer Innovation in technologisch turbulenten Markten weniger wichtiger als in technologisch stabilen Markten. LANGERAK et al. (2004b, S. 304) gelingt es hingegen nicht, einen signifikanten, negativen Moderatoreinfluss bezogen auf den Innovationserfolg festzustellen. Beziiglich der Wettbewerbsintensitdt bzw. -aggressivitdt in der Branche wird i.d.R. von einem positiven Moderatoreffekt ausgegangen. Je intensiver und aggressiver der Wettbewerb in einem Markt ist, desto mehr Altemativen haben die Kunden zur Bedurfnisbefriedigung. Unternehmen, die nicht marktorientiert agieren, laufen somit Gefahr, ihre Kunden an den Wettbewerb zu verlieren (JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 56). Empirisch werden sowohl signifikant positive Effekte (z.B. HARRIS 2001, S. 30) als auch nicht-signifikante Moderatoreffekte der Wettbewerbsintensitat/-aggressivitat berichtet (z.B. SUBRAMANIAN/GOPALAKRISHNA 2001, S. 9; vgl. Tab. 4). Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass relativ viele Studien zur Marktorientierung Moderatoreffekte vermuten, die vorliegenden Befunde jedoch als inkonsistent einzustufen sind (vgl. auch LANGERAK 2003, S. 458 f; MATSUNO/MENTZER 2000, S. 2). Die Vermutung von Moderatoreffekten der Markt- und Technologieturbulenz und Wettbewerbsintensitat/-aggressivitat kann empirisch nicht ausreichend untermauert werden (vgl. auch KiRCA et al. 2005, S. 36). In Bezug auf Branchenmerkmale kann also auf der Basis vorhandener Studien nicht von Moderatoreffekten ausgegangen werden.
86
11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Ein Grund dafiir ist emeut in z.T. nicht-kongruenten Wirkungen der Teilkonstrukte Kundenund Wettbewerberorientierung zu vermuten. So kann z.B. MULLER (2003, S. 206) bezogen auf den wirtschaftlichen Erfolg neu gegriindeter Softwareuntemehmen fiir die Kundenorientierung einen positiven Moderatoreffekt der Marktturbulenz feststellen, wohingegen sich der Effekt fiir die Wettbewerberorientierung als nicht signifikant erweist. GATIGNON/XUEREB (1997, S. 84 f.) stellen fiir die Variable Nachfrageunsicherheit (Operationalisierung entspricht Marktttirbulenz) im Kontext des Innovationserfolges sogar entgegengesetzte Effekte der Teilkonstrukte fest. Es zeigt sich, dass Kundenorientierung nur dann mit dem Erfolg einer Innovation positiv assoziiert ist, wenn es sich um einen sehr unsicheren Markt handelt (positiver Moderatoreffekt). Die Autoren begriinden den Befund damit, dass durch kundenorientierte Aktivitaten (z.B. Marktstudien) der Unsicherheitsgrad reduziert werden kann. Wenn die Nachfrage jedoch stabil und bekannt ist, dann haben alle Wettbewerber den gleichen Zugang zu den Informationen unabhangig von ihrem Grad der Kundenorientierung. In diesem Fall stiftet eine hohe Kundenorientierung keinen zusatzlichen Nutzen, sondem ist nur mit Kosten verbunden. Bei geringer Nachfrageunsicherheit ist eine Orientierung am Wettbewerb sinnvoller, um sich moglichst gut im Markt positionieren zu konnen. Entsprechend erweist sich im Fall der Wettbewerberorientierung die Nachfrageunsicherheit als ein negativer Moderatoreffekt. Befunde zu mediierenden Effekten Aufgrund der z.T. inkonsistenten Ergebnisse hinsichtlich eines direkten und moderierten Erfolgseinflusses der Marktorientierung hat sich die Forschung in den letzten Jahren verstarkt mit altemativen Wirkungszusammenhangen beschaftigt (JOHNSON et al. 2003, S. 79). Dabei dominiert die Betrachtung des mediierenden Einflusses der Innovationsneigung eines Unternehmens mit der Vermutung, dass Innovationen in der Beziehung zwischen Marktorientierung und Erfolg eine wichtige Rolle spielen (HuLT et al. 2004, S. 430; BERTHON et al. 2004, S. 1069; MATEAR et al. 2002, S. 1061). Gemessen wird die Innovationsneigung eines Unternehmens unterschiedlich, z.T. als eine Kultureigenschaft auf der Basis von HURLEY/HULT (1998; z.B. bei VAZQUEZ etal. 2001, S. 79), z.T. als Innovationsrate (z.B. Anzahl eingefiihrter Innovation; z.B. NOBLE et al. 2002, S. 30). Differenziert werden muss zwischen der Innovationsneigung und der Neigung zur Entwicklung bzw. Einfuhrung hochinnovativer Produkte (hoher Innovationsgrad). Eine hohe Innovationsneigung geht nicht automatisch mit der Einfuhrung hochgradiger Innovationen einher (vgl. zum Zusammenhang zwischen Markt-/Kundenorientierung und dem Innovationsgrad ausfiihrlich Abschnitt 8.2.2.1.1). Die folgende Tabelle fasst vorliegende empirische Befunde zum mediierenden Einfluss der Innovationsneigung zusammen, wobei vollstandige Mediatoreffekte berichtet werden (auf partielle Effekte wird in Klammem hingewiesen).
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Signifikante Befunde MO: BAKER/SINKULA 2005, S. 495; HULT et al. 2004, S. 435 (partiell); AGARWAL et al. 2003, S. 75; MATEAR et al. 2002, S. 1067 f. (partiell); VAZQUEZ et al. 2001, S. 82; BAKER/SINKULA 1999b, S. 303; HAN et al. 1998, S. 38 f. KO:HANetal. 1998, S. 38 f.
87
Nicht-signifikante Befunde
KO: NOBLE et al. 2002, S. 35 WO: NOBLE et al. 2002, S. 35; HAN et a
MO = Marktorientierung; KO = Kundenorientierung; WO = Wettbewerberorientierung; partiell = partieller Mediatoreffekt
Tab. 5: Befunde zum mediierenden Einfluss der Innovationsneigung des Unternehmens Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Bis auf wenige Ausnahmen berichten vorhandene Studien signifikante Mediatoreffekte. So kommen beispielsweise BAICER/SINKULA (1999b, S. 303) zu dem Ergebnis, dass sich Marktorientierung in der Innovationsneigung des Unternehmens niederschlagen muss, um den Untemehmenserfolg indirekt positiv beeinflussen zu konnen (vollstandiger Mediatoreffekt). Einige Studien weisen darauf hin, dass Marktorientierung nicht nur einen indirekten, sondem auch einen direkten Erfolgseinfluss ausiibt (partieller Mediatoreffekt; z.B. HULT et al. 2004, S. 435). Bezogen auf die Teilkonstrukte stellen NOBLE et al. (2002, S. 35) entgegen ihrer Hypothese keinen Mediatoreffekt der Innovationsneigung fest. In Abgrenzung dazu konnen HAN etal. (1998, S. 38 ff.) ftir das Konstrukt der Kundenorientierung, nicht jedoch fiir die Wettbewerberorientierung, einen voUstandigen Mediatoreffekt nachweisen. Insgesamt betrachtet tiberwiegen signifikante Mediatoreffekte der Innovationsneigung. Die vorgestellten Befunde unterliegen jedoch der Annahme, dass die entsprechenden Effekte fiir alle Arten von Innovationen gelten. Das wird in aktuellen Beitragen zunehmend in Frage gestellt (HURLEY etal. 2005, S. 282; NARVER etal. 2004 S. 344; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 130). Erste Beitrage widmen sich dieser Problematik, indem sie den Innovationsgrad als Kontextvariable beriicksichtigen (z.B. ATUAHENE-GIMA 2005; vgl. dazu ausfiihrlich Abschnitt 8.2.2.1.2). 4.3.3 Kritische Wiirdigung vorliegender empirischer Befunde Viele empirische Studien haben sich bis dato mit dem Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg beschaftigt. Metaanalysen (KiRCA etal. 2005, S. 27 f; CANO etal. 2004, S. 188) berichten einen positiven Erfolgseinfluss, ohne jedoch zwischen der Wirkung der Marktorientierung als aggregiertes Konstrukt und den Teilwirkungen der Kunden- und Wettbewerberorientierung zu unterscheiden. Im Rahmen einer differenzierten Synopse konnte in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, dass positive Effekte in der Summe zwar tiberwiegen, eine nicht unerhebliche Anzahl an Studien jedoch keinen direkten Erfolgseinfluss der Marktorientierung feststellen kann. Als kritisch erweist sich dabei, dass die Mehrzahl der Studien eine subjektive Erfolgsmessung vomimmt, ohne mittels eines Multi-Informanten-Ansatzes Verzerrungen vorzubeugen (MASON/HARRIS 2005, S. 375).
II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Da von den Teilkonstrukten Kunden- und Wettbewerberorientierung hdufig keine kongruente (Erfolgs-) Wirkung ausgeht, ist die in der Forschung iiberwiegend vorgenommene Messung des Einflusses der Marktorientierung als Gesamtkonstrukt als nicht angemessen einzustufen. Das gilt im Besonderen im Innovationskontext, da hier tendenziell positive Wirkungen der Kundenorientierung negativen Wirkungen der Wettbewerberorientierung gegeniiberstehen. Es lasst sich schlussfolgem: „Future research should disentangle the effects of competitor and customer orientation rather than treat them as one composite construct." (FRAMBACH et al. 2003, S. 393)
In den wenigen Fallen, in denen der Erfolgseinfluss der Teilkonstrukte getrennt voneinander betrachtet wird, wird i.d.R. mit Hilfe der Skala der Marktorientierung von NARVER/SLATER (1990) komponentenweise vorgegangen (z.B. NOBLE et al. 2002; KAHN 2001). In der Literatur wird jedoch zunehmend gefordert, die Teilkonstrukte der Marktorientierung differenzierterzu betrachten (HULT et al. 2005, S. 1179; ATUAHENE-GIMA/KO 2001, S. 68). Erste empirische Befunde machen in diesem Zusammenhang z.B. auf die Bedeutung verschiedener Auspragungsformen des Konstruktes (reaktiv vs. proaktiv) aufmerksam (ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 465). Bezogen auf den Einfluss von Branchenmerkmalen kann bis dato nicht von Moderatoreffekten ausgegangen werden und die iiberwiegende Anzahl an Befunden weist auf eine mediierende Rolle der Innovationsneigung des Unternehmens bin. Weitestgehend offen bleibt bis dato jedoch die Frage, durch welche konkreten Aktivitaten Marktorientierung erfolgreich in Innovationen umgesetzt werden kann: „Which innovation activities convert a market orientation into innovation success remains unknown. This is important however, as it would inform managers about activities through which they can influence innovation success, and hence business performance." (LANGERAK 2003, S. 460; H.d.V.)
Wesentlich erscheint dariiber hinaus eine weiterfuhrende Untersuchung von Kontextfaktoren, die potenziell die Beziehung zwischen Marktorientierung und Erfolg moderieren konnten (NOBLE et al. 2002, S. 27). Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit weniger Branchenmerkmale als Merkmale von Innovationen den Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Erfolg moderieren (MATSUO 2006, S. 242; CANO et al. 2004, S. 193). Ein besonders hoher Forschungsbedarf wird der Rolle des Innovationsgrades zugeschrieben (HURLEY et al. 2005, S. 282; NARVER et al. 2004 S. 344; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 130). Erste Studien widmen sich dieser Fragestellung (z.B. ATUAHENE-GIMA 2005; vgl. dazu ausflihrlich Abschnitt 8.2.2.1.2). Insgesamt betrachtet lasst sich ableiten, dass der Erfolgseinfluss der Marktorientierung trotz einer erheblichen Anzahl vorhandener, empirischer Studien nach wie vor als ein „on-going
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research field" (DESHPANDE/FARLEY 2004, S. 6; vgl. ahnlich MATSUNO et al. 2005, S. 7) einzustufen ist. 4.4 Zusammenfassung und Ableitung von Forschungspotenzialen Kapitel 4 hat sich mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Untemehmensebene beschaftigt. Zunachst konnte gezeigt werden, dass sich das Konstrukt der Marktorientierung auf das Marketingkonzept zuriickfuhren lasst und zu den strategischen Orientierungen einer Organisation gezahlt werden kann. Dariiber hinaus wurde deutlich gemacht, dass drei unterschiedUche Betrachtungsebenen der Marktorientierung differenziert werden konnen: Unternehmensebene, individuelle Mitarbeiterebene und Projektebene. Die vorliegende Arbeit hat sich dem dominierenden, breiten Verstandnis der Marktorientierung auf der Untemehmensebene als Ausrichtung der Untemehmenstatigkeit am Markt (Kunden, Wettbewerber, Umfeld) angeschlossen. AnschHeBend wurde ein systematischer Uberblick zu Perspektiven der Marktorientierung auf der Untemehmensebene gegeben. Im Rahmen traditioneller Perspektiven wurden kulturorientierte und verhaltensorientierte Ansatze der Marktorientiemng gegeniibergestellt. Es konnte gezeigt werden, dass beide Perspektiven inhaltlich betrachtet ihre Berechtigung haben: Eine marktorientierte Kultur kann als Basis marktorientierten Verhaltens verstanden werden. Aus einer anwendungsorientierten Perspektive wurden jedoch Vorteile verhaltensorientierter Ansatze (insb. KOHLI/JAWORSKI 1990) deutlich. Neuere Perspektiven kniipfen an den traditionellen Ansatzen an, indem sie Marktorientiemng im Zusammenhang mit Konstmkten des Organisationalen Lemens betrachten bzw. verschiedene Auspragungsformen der Marktorientiemng (reaktiv/marktgeleitet vs. proaktiv/marktgestaltend) unterscheiden. SchlieBlich wurde der Erfolgseinfluss der Marktorientiemng betrachtet, wobei im Rahmen einer differenzierten Synopse zwischen direkten und moderierenden/mediierenden Effekten unterschieden wurde. Insgesamt betrachtet konnte gezeigt werden, dass das Konstmkt der Marktorientiemng auf der Untemehmensebene trotz intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzung nach wie vor Forschungspotenzial bietet (MATSUNO et al. 2005, S. 7; WILKINSON 2001, S. 75; DESHPANDE
1999, S. 4 f.). Folgende Aspekte konnen aus den bisherigen Erkenntnissen als konkrete Ansatzpunkte fiir die weitergehende Forschung abgeleitet werden: (1) Getrennte Betrachtung der Teilkonstrukte der Marktorientierung: Die differenzierte Analyse vorliegender Befiinde zum Einfluss der Marktorientiemng auf den Erfolg hat auf die Notwendigkeit einer getrennten Betrachtung der Teilkonstmkte der Marktorientiemng aufmerksam gemacht. Insbesondere im Innovationskontext ist durch z.T. entgegengesetzte Erfolgswirkungen der Kunden- und Wettbewerberorientiemng eine Betrachtung der Marktorientiemng als aggregiertes Konstmkt nicht zielfiihrend.
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II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
(2) Situationsspeziflsche Konzeptualisierung: Das Konstrukt der Marktorientierung wurde bis dato weitgehend unabhangig von der Untemehmens- bzw. Marktsituation konzeptualisiert (LIN/GERMAIN 2004, S. 244; UTZIG 1997, S. 51). Im Nachhinein wird durch die Betrachtung von Moderatorvariabeln z.T. eine empirische Uberpriifung in verschiedenen Umweltkonstellationen vorgenommen, jedoch ausgehend von einem situationsunabhangigen Verstandnis der Marktorientierung. Gleichzeitig wird in der Literatur davon ausgegangen, dass das Konstrukt sehr komplex ist und „will take different forms in different contexts" (AAKER 1989, S. 95). Eine situationsspeziflsche Konzeptualisierung ist als Forschungsdefizit einzustufen (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534). (3) Integration neuerer Perspektiven der Marktorientierung: Ansatzpunkte fur eine situationsspeziflsche Konzeptualisierung bieten neuere Perspektiven der Marktorientierung (BEVERLAND et al. 2006, S. 384; ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 465), die zwischen verschiedenen Auspragungsformen der Marktorientierung differenzieren. Besonderes Potenzial bietet die Erweiterung traditioneller Perspektiven um generative Lemprozesse (basierend z.B. auf einer Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde) und die Beriicksichtigung proaktiver/marktgestaltender Verhaltensweisen. (4) Senkung des Abstraktionsgrades: Als ein wesentliches Forschungsdefizit ist die Konkretisierung des Konzeptes der Marktorientierung als Handlungsrahmen konkreter Aktivitaten einzustufen (LANGERAK etal. 2004a, S. 80; HULT etal. 2001, S. 2). So kommt FLINT (2002, S. 313) speziell fiir das Teilkonstrukt der Kundenorientierung zu folgendem Ergebnis: „(...) examination of the scales used to measure market orientation reveals that items focused on customers primarily address whether respondents believe that they do understand customers' current needs or try to anticipate future needs. They say nothing about how the firms that claim to be marketoriented actually dig into what customers value and how they try to anticipate what customers will value. This leaves the firm wishing to become more customer-oriented at a loss for how to do so." (H.d.V.)
(5) Beriicksichtigung des Innovationsgrades als Moderatorvariable: Die differenzierte Synopse zu den Erfolgswirkungen der Marktorientierung hat gezeigt, dass mangels einheitlicher Befiinde in Bezug auf Branchenmerkmale (z.B. Markt-ZTechnologieturbulenz) bis dato nicht von moderierenden Effekten ausgegangen werden kann. Es sollte daher verstarkt der Frage nachgegangen werden, inwieweit weniger Branchemerkmale als Merkmale von Innovationen - und dabei insbesondere der Innovationsgrad - relevante Moderatorvariablen darstellen (z.B. HURLEY et al. 2005, S. 282). Die vorliegende Arbeit widmet sich den herausgearbeiteten Forschungsdefiziten. Ziel ist die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen: (1) Es wird das Teilkonstrukt der Kundenorientierung fokussiert und (2) situationsspezifisch flir hochgradige Innovationen konzeptualisiert. (3) Dabei wird auf dem dargestellten Stand der Forschung zur
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Marktorientierung aufgebaut, wobei das traditionelle Verstandnis um neuere Perspektiven erweitert wird. (4) Zur Senkung des Abstraktionsgrades werden der Projektebene angepasste, spezifische Aktivitaten der Kundenorientierung fokussiert. (5) Im Rahmen einer Erfolgsbetrachtung wird der Innovationsgrad als Moderatorvariable beriicksichtigt. Der folgende dritte Teil dieser Arbeit widtnet sich der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Kapitel 5) sowie einer darauf aufbauenden empirischen Bestandsaufnahme (Kapitel 6).
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III Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und empirische Bestandsaufnahme 5 Konzeptualisierung des 3-Saulenmodells der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Das vorliegende funfle Kapitel dieser Arbeit widmet sich der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Dazu wird zunachst der Untersuchungsfokus prdzisiert und der Stand der Forschung dargestellt (5.1). Da Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen ein sehr komplexes Konstrukt ist, das bis dato in der Forschung vernachlassigt wurde, verfolgt die vorliegende Arbeit einen explorativen Ansatz. Ziel ist es, auf der Basis einer fundierten Literaturanalyse eine Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zu entwickeln. Die Konzeptualisierung (bzw. Konzeptbildung) des zu messenden Inhaltes eines Konstruktes ist der erste Schritt der Entwicklung eines Messinstrumentes. Es handelt sich dabei um eine begriffliche Festlegung der zu messenden Inhalte und die Entwicklung von Konstruktdimensionen. Eine Konzeptualisierung unterliegt dem Ziel, ein Konstrukt qualitativ aus verschiedenen Perspektiven heraus zu betrachten, um ein gmndlegendes Verstandnis fur die verschiedenen Konstruktfacetten zu erarbeiten (HiLDEBRANDT 2000, S. 38; HOMBURG/GIERING 1996, S. 5 ff.). Die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen basiert auf zwei unterschiedlichen Abstraktionsebenen. Zunachst wird ein Basisverstdndnis des Konstruktes der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen entwickelt (5.2). AnschlieBend erfolgt die daraus abgeleitete inhaltliche Konzeptualisierung der spezifischen Komponenten des Konstruktes (5.3). Das Kapitel endet mit einer zusammenfassenden Darstellung (5.4). Die Konzeptualisierung stellt die Basis einer empirischen Bestandsaufnahme (Kapitel 6), einer theoretischen und literaturgesttitzten Erfolgsableitung (Kapitel 7 und 8) und einer integrierten empirischen Uberprufung der gewonnenen Erkenntnisse dar (Kapitel 9 und 10). Eine abschliefiende, quantitativ-empirisch gestutzte Operationalisierung des Konstruktes der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen kann aufgrund der Komplexitat und Breite des Konstruktes nicht Ziel des vorliegenden Vorhabens sein. 5.1 Untersuchungsfokus und Stand der Forschung 5.1.1 Prazisierung des Untersuchungsfokus In der Literatur dominiert das Verstandnis der Marktorientierung als ein verschiedene Teilkonstrukte umfassendes Konstrukt (DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 225 f). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf das Teilkonstrukt der Kundenorientierung. In Abgrenzung zu den im vorangegangenen Kapitel thematisierten Ansatzen der Marktorientierung auf der Unternehmensebene erfolgt eine Betrachtung des Konstruktes auf der Projektebene. Bei der Ana-
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lyse der Markt-/Kundenorientierung in einzelnen Projekten eines Untemehmens steht ein spezifisches Produkt bzw. ein spezifischer Markt im Vordergrund der Betrachtung (RUEKERT 1992, S. 228). Die Entwicklung neuer Produkte wird sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft i.d.R. als Projekt defmiert (HAUSCHILDT 2004, S. 84). Die Untemehmensebene ist konzeptionell von der Projektebene abzugrenzen: „Market orientation, as an organizational level construct, is conceptually and operationally different from organizational proficiency in performing marketing-related activities or market orientation in specific activities such as product innovation." (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 276; H.i.O.)
Innovationsprojekte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Eigenschaften (z.B. Risiko) und Erfolgswirkungen (HAUSCHILDT 2004, S. 8). In der Konsequenz ist es unwahrscheinlich, dass Marktorientierung auf der Untemehmensebene alle Innovationsprojekte in der gleichen Art und Weise beeinflusst. Dariiber hinaus fiihrt die Messung des Innovationserfolges auf der Untemehmensebene (durch eine Aggregation der Erfolge aller neuen Produkte) zu Verzermngen (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 277). Entsprechend wird in der Literatur zunehmend eine Betrachtung der Projektebene gefordert (LANGERAK 2003, S. 460; SALAVOU/LIOUKAS 2003, S. 96). Die Forschung hat sich bis auf wenige Ausnahmen (KOK et al. 2003) nicht mit der Projektebene beschaftigt (BIEMANS 2003, S. 517; vgl. ausftihrlich folgender Abschnitt 5.1.2). Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Forschungsdefizit und fokussiert die Ebene des Innovationsprojektes. Aufgmnd konzeptioneller Unterschiede zwischen Produkten und Dienstleistungen (KiRCA et al. 2005, S. 35; ATUAHENE-GIMA 1995, S. 288) fokussiert die vorliegende Arbeit Produktinnovationen. Dabei wird ein brancheniibergreifender Ansatz gewahlt. Eine brancheniibergreifende Konzeptualisiemng der Kundenorientiemng entspricht dem Verwendungszusammenhang der iiberwiegenden Autoren im Forschungsfeld (UTZIG 1997, S. 121; JAWORSKI/KOHLI 1993, S. 58). Es werden sowohl BtoB- als auch BtoC-Innovationen berucksichtigt. Empirische Studien konnten in der Vergangenheit sowohl bezogen auf die Orientiemng am Markt/Kunden (HoMBURG etal. 1999, S. 11; DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 222; AVLONITIS/GOUNARIS 1997, S. 398 f) als auch das Management von Innovationen (HULTINK/ROBBEN 1999, S. 552; HANNA etal. 1995, S. 53 f.) keine bzw. nur geringfugige Unterschiede zwischen BtoB- und BtoC-Untemehmen feststellen, so dass diese Vorgehensweise gerechtfertigt ist. In Anlehnung an das im vorangegangenen Kapitel abgeleitete Forschungspotenzial erfolgt eine situationsspezifische Vorgehensweise. Die Konzeptualisiemng der Kundenorientiemng konzentriert sich auf den Kontext hochgradiger Innovationen (siehe analog zur Wettbewerberorientiemng KNACK 2006). Diese Vorgehensweise unterliegt der Gmndannahme, dass
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hochgradige Innovationen aufgrund ihrer Besonderheiten aus Hersteller- und Kundensicht (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2) besondere Herausforderungen an das Innovationsmanagement stellen (LYNN/AKGUN 1998, S. 12). Folglich wird davon ausgegangen, dass die Konzeptualisierung der Kundenorientierung spezifische Anpassungen an den Neuigkeitsgrad der Innovation verlangt (analog HART et al. 1999, S. 24). Die folgende Abbildung visualisiert den Untersuchungsfokus. Marktorientieafng Kundenorientierung Kundenorientierung im Innovationsprojekt Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
Abb. 9: Untersuchungsfokus: Kundenorientierung bei hocligradigen Innovationen Quelle: Eigene Darstellung
Durch die situationsspezifische Konzeptualisierung kann das Konstrukt als Handlungsrahmen konkreter Aktivitaten betrachtet werden. Damit widmet sich die vorliegende Arbeit der Forderung nach einer Senkung des Abstraktionsgrades im Forschungsbereich der Markt-/ Kundenorientierung (LANGERAKet al. 2004a, S. 80; FLINT 2002, S. 313, vgl. 4.2.1.3). Der Innovationsgrad wird in zweifacher Weise als Kontingenzfaktor beriicksichtigt (vgl. auch 3.2.3). Neben der situationsspezifischen Konzeptualisierung der Kundenorientierung wird der Innovationsgrad als Moderatorvariable in den Bezugsrahmen integriert. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit dem Forschungsstand zur Marktorientierung auf der Unternehmensebene, nach dem aufgrund widerspriichlicher empirischer Befunde weniger ein moderierender Einfluss von Branchenmerkmalen (z.B. Markt-/Technologieturbulenz) als von Innovationsmerkmalen, und dabei insb. vom Innovationsgrad, vermutet wird (HURLEY et al. 2005, S. 282; vgl. 4.3.3). Die vorliegende Arbeit folgt diesem Ansatz und postuliert, dass der Innovationsgrad den Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und Erfolg moderiert. Auf der Untemehmensebene wird perspektiviibergreifend unter dem Konstrukt der Kundenorientierung die Ausrichtung der Untemehmenstatigkeit am Kunden verstanden (vgl. Abschnitt 4.1.2). Analog wird im Folgenden Kundenorientierung im Innovationsprojekt zunachst generisch als Ausrichtung der Innovationstdtigkeit an den Kunden defmiert. Der Begriff Kunde beinhaltet dabei nicht nur gegenwartige, sondem auch potenzielle und zukiinftige Kunden des Untemehmens (siehe analog z.B. BONNER/WALKER 2004, S. 157; HUNT/ MORGAN 1995, S. 11). Das ist im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte besonders
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relevant, da haufig Markte anvisiert werden, die vorher noch nicht durch das Untemehmen bedient wurden (SANDBERG 2005, S. 2) bzw. die noch nicht existieren (BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 283). 5.1.2 Darstellung des Forschungsstandes Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen ist in der Vergangenheit in der wissenschaftlichen Forschung vemachlassigt worden (CALLAHAN/LASRY 2004, S. 107; LETTL 2004, S. 125; KOK etal. 2003, S. 155). Nach dem derzeitigen Wissensstand der Autorin liegt bis dato keine Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen vor. Einige Ansatze beschaftigen sich mit der Beziehung zwischen Markt-/Kundenorientierung und hochgradigen Innovationen, fokussieren dabei jedoch nicht die Projekt-, sondem die Untemehmensebene (z.B. CHRISTENSEN/RAYNOR 2004; SANDVIK et al. 2000; vgl. ausflihrlich 8.2.2.1). Eine Reihe von wissenschaftlichen Beitragen beschaftigt sich mit der Rolle von Kundenorientierung in hoch innovativen Projekten, konzentriert sich dabei jedoch auf Teilaspekte (z.B. Marktforschung: DESZCA et al. 1999; vgl. ausflihrlich 8.2.2.2). Zum Teil setzen sich Autoren auf der Basis von Fallstudien umfassender mit Aspekten des Phanomens auseinander (z.B. SANDBERG 2005; LETTL 2004; VERYZER 1998b, vgl. ausflihrlich 8.2.2.2), ohne jedoch eine ganzheitliche, brancheniibergreifende Konstruktkonzeptualisierung vorzunehmen. Es mangelt an dem grundsatzlichen und ganzheitlichen Verstandnis, was konkret unter Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zu verstehen ist. Auch im Bereich der situationsunabhangigen (also der allgemeinen, vom Innovationsgrad losgelosten) Konzeptualisierung des Konstruktes zeigt sich ein erhebliches Forschungsdefizit (MATSUO 2006, S. 242; BIEMANS 2003, S. 517). Obwohl einige Beitrage explizit den Titel ,Kundenorientierung im Innovationsprozess' verwenden (REICHART 2002; LUTHJE 2000), setzen sie sich nicht tatsdchlich mit der Konzeptualisierung auseinander. So beschaftigt sich LiJTHJE (2000) in seiner Arbeit im Schv^erpunkt mit der Auswahl von Kunden bei KundenHersteller-Interaktionen in Konsumgiitermarkten. Dazu nimmt er im Vorfeld eine knappe aktivitatsbezogene Definition der Kundenorientierung im Innovationsprojekt vor (LtJTHJE 2000, S. 6 f.), eine dariiber hinausgehende Konzeptualisierung erfolgt jedoch nicht. Auch REICHART (2002) beschaftigt sich nur mit einem Teilaspekt der Kundenorientierung (Kundeneinbindung in fiiihen Entwicklungsphasen); eine ganzheitliche Betrachtung des Konstruktes bleibt aus. Auch bzgl. der Konzeptualisierung des aggregierten Konstruktes, der Marktorientierung im Innovationsprojekt, besteht ein massives Forschungsdefizit (analog BIEMANS 2003, S. 517): „But even though there is quite some literature on the relationship between market orientation and product development and the literature indicates the significance of market oriented product development, it is all but silent on what market oriented product development is. Hardly any study reports on the
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conceptualisation and operationalisation of market orientation in the managerial context of a specific critical process like product development." (KOK et al. 2003, S. 138; H.d.V.)
KOK et al. (2003) adressieren dieses Forschungspotenzial und entwickeln einen konzeptionellen Bezugsrahmen zur marktorientierten Produktentwicklung. In Anlehnung an die Unternehmensebene differenzieren sie zwischen einer kulturorientierten (hier genannt kognitive Perspektive) und einer verhaltensorientierten Perspektive. Unter der kognitiven Perspektive verstehen die Autoren Elemente von Organisationen, die die Basis marktorientierten Verhaltens im Innovationsprojekt darstellen: Werte und Normen, Wissen und Fertigkeiten sowie technische und geschaftliche Wissenssysteme. Mittels zwei Fallstudien illustrieren die Autoren ihre Konzeption, eine Operationalisierung bzw. quantitative UberprUfung steht noch aus (KOK et al. 2003, S. 139 ff.). Unter der verhaltensorientierten Komponente der marktorientierten Produktentwicklung verstehen KOK et al. (2003, S. 146 f.) die Generierung, Verteilung und Nutzung von Marktinformationen entlang des Innovationsprozesses. Eine tiber diese Definition hinaus gehende Konzeptualisierung erfolgt jedoch nicht. BIEMANS/HARMSEN (1995, S. 9) definieren in direkter Anlehnung an das verhaltensorientierte Konzept der Marktorientierung von KOHLI/JAWORSKI (1990) marktorientierte Produktentwicklung als Entwicklung neuer Produkte auf der Basis der Generierung von Marktinformationen, der Verteilung der Information innerhalb des Unternehmens und der Reaktion auf die generierten Informationen. Uber die Definition hinaus nehmen die Autoren jedoch ebenfalls keine weiter gehende Konzeptualisierung des Konstruktes vor. Sie konzentrieren sich in ihrem Beitrag auf die Beschreibung von Barrieren marktorientierter Produktentwicklung. Einige Beitrage in der Literatur beschaftigen sich mit Konstrukten, die eine inhaltliche Ndhe zur verhaltensorientierten Perspektive der Marktorientierung im Innovationsprojekt aufzeigen. Dazu gehoren die Konstrukte Fahigkeit zu marktbasiertem Lemen (market learning capability; CiLLO 2002), marktbasierter Lemprozess (market learning process; ADAMS et al. 1998), marktbasierte Informationsverarbeitung (market information processing; OTTUM/ MOORE 1997) und marktbasierte Wissenskompetenz (market knowledge competence; Li/ CAVUSGIL 1999; LI/CALANTONE 1998). Eine wesentliche Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Autoren die Generierung, Verteilung und NutzungA^erwendung von Marktinformationen im Innovationsprojekt fokussieren. Obwohl die Beitrage von den Konstruktbezeichnungen her eher in den Bereich des Organisationalen Lemens einzuordnen sind (vgl. ausfiihrlich 4.2.2.1), zeigen sie inhaltlich eine starke Anlehnung an das Konzept der Marktorientierung von KOHLI/JAWORSKI (1990). Kritisiert werden muss ein relativ hoher Abstraktionsgrad: Es bleibt weitestgehend offen, durch welche konkreten Verhaltensweisen Marktinformationen im Innovationsprojekt generiert und verteilt werden konnen und wie auf die Informationen reagiert werden kann (BIEMANS 2003, S. 517).
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Zusammenfassend: Eine Konzeptualisierung des Konstruktes der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen liegt bis dato nicht vor. Auch im Bereich der situationsunabhangigen Konzeptualisierung zeigt sich ein Forschungsdefizit. Einen ersten Ansatzpunkt liefern KOK et al. (2003) mit ihrem Bezugsrahmen der marktorientierten Produktenwicklung. Die Autoren differenzieren zwischen einer kognitions- und einer verhaltensorientierten Perspektive, konzentrieren sich in ihrem Beitrag jedoch auf die kognitionsorientierte Komponente. Im Bereich der verhaltensorientierten Perspektive, also der Betrachtung konkreter Aktivitaten, lasst sich ein erhebliches Forschungsdefizit erkennen: Uber kurze Definitionen/ Beschreibungen (z.B. LiJTHJE 2000, S. 6 f.; BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 9) hinaus erfolgt in der Literatur keine Auseinandersetzung damit, was konkret unter markt- bzw. kundenorientiertem Verhalten im Innovationsprojekt zu verstehen ist (MATSUO 2006, S. 242; KOK et al. 2003, S. 155; BlEMANS 2003, S. 517). 5.2 Basisverstandnis der Kundenorientierung bei hocligradigen Innovationen 5.2.1 Auswahl des Ansatzes von KOHLI/JAWORSKI (1990) als Referenzbasis Kundenorientierung im Innovationsprojekt kann zwar konzeptionell vom Konstrukt der Kundenorientierung auf der Untemehmensebene abgegrenzt werden, die Konstrukte zeigen jedoch deutliche inhaltliche Parallelen. Wahrend auf der Untemehmensebene die Ausrichtung der Untemehmenstatigkeit am Kunden im Fokus steht, bezieht sich die Projektebene auf die Ausrichtung der Innovationstatigkeit am Kunden. In Anbetracht des im vorangegangenen Abschnitt identifizierten Forschungsdefizits zur Kundenorientierung auf der Projektebene, stellt sich die Frage, welcher der vorhandenen Ansatze auf der Untemehmensebene eine geeignete Referenzbasis darstellt. Wie im Abschnitt 4.2.1 ausfuhrlich dargestellt wurde, wird in der Literatur zwischen einem kulturorientierten und einem verhaltensorientierten Verstandnis der Marktorientiemng unterschieden. Die vorliegende Arbeit nimmt aus folgenden zwei Grunden eine verhaltensorientierte Perspektive der Kundenorientierung ein: (1) Wie ausfuhrlich herausgearbeitet wurde, sind die kulturorientierten Ansatze in der Vergangenheit verhaltnismaBig stark kritisiert worden. Es konnte gezeigt werden, dass den Konzeptionen auf der Verhaltensebene insbesondere Vorteile bzgl. Messbarkeit sowie Anwendungsorientiemng/Implementierbarkeit zugeschrieben werden (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534) und sich entsprechend in der empirischen Forschung ein Trend zur verhaltensorientierten Konstmktmessung beobachten lasst (DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 226; UTZIG 1997, S. 51; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 4.2.1.3). (2) Da in der vorliegenden Arbeit die Projektebene betrachtet wird, ist das Verstandnis von Kundenorientiemng aus der Perspektive des Verhaltens besser geeignet als das Verstand-
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nis aus der Perspektive der Kultur. Projekte basieren auf Aktivitaten und Verhaltenweisen (HAUSCHILDT 2004, S. 84 f.; THIEME et al. 2003, S. 108). Durch die Betrachtung von Verhaltensweisen konnen konkrete Handlungsempfehlungen fiir das Innovationsmanagement abgeleitet werden (VAZQUEZ et al. 2001, S. 71). Im Rahmen der verhaltensorientierten Perspektive nutzt die vorliegende Arbeit den verhaltensorientierten Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) als Referenzbasis. Der Ansatz besticht aus folgenden drei Griinden: (1) Die verhaltensorientierten Konzeptionen von NARVER/SLATER (1990) und KOHLI/ JAWORSKI (1990) haben sich als dominante Ansatze der Marktorientierung auf der Unternehmensebene durchsetzen konnen (MATSUNO et al. 2005, S. 1 f.). Die Ansatze zeigen in ihrer Konzeption und Operationalisierung ein hohes MaB an Ahnlichkeit (MAVONDO/ FARRELL 2000, S. 224). In einem direkten Vergleich besticht der Ansatz von KOHLl/ JAWORSKI (1990) u.a. aufgrund einer systematischeren Fundierung und einer hoheren Anwendungsorientierung (HARRIS 2000, S. 603; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 4.2.1.2). (2) Die Starke Fokussierung von KOHLI/JAWORSKI (1990) auf die Verarbeitung von Informationen zeigt eine gute Passung zum Kontext hochgradiger Innovationen. Wie im Abschnitt 3.2.2.1 ausfiihrlich dargestellt wurde, stellt Unsicherheit eine SchlusselroUe fiir den Informationsbedarf innovierender Untemehmen dar (WRIGHT/ASHILL 1998, S. 129). Hochgradige Innovationen verlangen aufgrund ihrer komplexen Unsicherheitsstruktur (RICE et al. 2002, S. 331) ein besonderes hohes AusmaiJ an Informationen (LEIFER 1998, S. 133). Aufgrund einer hohen Variabilitat und geringen Analysierbarkeit der Prozesse erweist sich die Informationsverarbeitung als besonders schwierig und verlangt die Nutzung extemer Informationsquellen (SALOMO etal. 2003, S. 175). Kundenorientierung als Informationsverarbeitungsansatz (KOHLI/JAWORSKI 1990) kann damit als eine Form der Unsicherheitsreduktion verstanden werden, die eine besondere Relevanz im Kontext hochgradiger Innovationen hat. (3) Die Praferenz fiir den Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) wird unterstiitzt durch die Tatsache, dass erste vorhandene Ansatze zur Defmition/Beschreibung der Kundenorientierung im Innovationsprojekt (KoK etal. 2003, S. 146 f; BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 9) bzw. zu verwandten Konstrukten (z.B. marktbasierter Lemprozess: ADAMS etal. 1998) auf den Ansatz Bezug nehmen. Daruber hinaus wurde die Konzeption bereits erfolgreich auf verschiedene Kontextsituationen iibertragen (HARRIS 2000, S. 603; vgl. z.B. zur Marktorientierung im Einzelhandel ELG 2003). Insgesamt betrachtet bietet sich der Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) als Referenzbasis der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen an. Durch die
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III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Konzentration auf das Teilkonstrukt der Kundenorientierung werden die drei Komponenten des Ansatzes (Intelligence Generation, Intelligence Dissemination und Responsiveness; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 4.2.1.2) im Kontext der Ausrichtung der Innovationstatigkeit am Kunden betrachtet. Das heiBt, in Abgrenzung zur ursprunglichen Konzeption werden nicht generell Marktinformationen, sondem kundenbezogene (Markt-) Informationen fokussiert. Aufgrund der Besonderheiten hochgradiger Innovationen sowohl auf der Hersteller- als auch auf der Kundenseite bedarf es konzeptioneller Anpassungen und Erweiterungen des Konzeptes, die im Folgenden dargestellt werden. 5.2.2 Generatives Lernen und Marktgestaltung als wesentliche Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Im Forschungsbereich der Marktorientierung auf der Untemehmensebene konnten neuere Perspektiven identifiziert werden, die an den traditionellen Konzeptionen ankniipfen. Ein neuer Forschungsansatz fordert die Integration lernorientierter Konzepte in die verhaltensorientierte Perspektive der Marktorientierung (JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 125). In diesem Zusammenhang wird zwischen adaptiven (single-loop learning) und generativen (double-loop learning) Lemprozessen unterschieden (SLATER/NARVER 1995, S. 64; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 4.2.2.1). Viele Autoren vermuten einen engen Zusammenhang zwischen generativen Lemprozessen und einem hohen Neuigkeitsgrad von Innovationen: •
„Adaptive learning is necessary for continuous improvement and incremental innovation. However, adaptive learning is not sufficient for break-through innovation. The ability to learn generatively is more likely to be the catalyst for break-through innovations than any other factor." (SLATER/NARVER 1999, S. 1166 f)
•
„(...) to develop such radically innovative business concepts and products that influence and even create markets. This requires generative learning capabilities (...)." (TUOMINEN et al. 2004, S. 214)
•
„(1) 'Single-loop' learning is associated with incremental product innovation; (2) 'double-loop' learning is associated with discontinuous product innovation." (MCKEE 1992, S. 233)
•
„Developing innovative products is thus a process of double loop learning (...), in which new insights are incorporated and the premises themselves are reconsidered." (DOUGHERTY 1992, S. 181)
•
„Mit zunehmenden Diskontinuitaten wird also immer ofter auch ein radikaler Ubergang auf vollig neue Kompetenz- und Innovationspfade erforderlich. Dies allerdings setzt den Erwerb neuen, bisher im Untemehmen nicht vorhandenen Wissens und damit ein Lernen hoherer Ordnung im Sinne eines Emeuerungslemens (double-loop-leaming) voraus." (ZAHN et al. 2000, S. 57)
•
„Higher order learning (i.e., generative, double-loop learning) (...) will better enable firms not only accomplish within-paradigm improvements (e.g. continuous improvement) but also paradigm shifts (e.g. breakthrough innovation)." (BAKER/SINKULA 1999a, S. 413)
•
„ ( . . . ) engage in the type of higher order learning activities that facilitate radical innovation." (BAKER/SINKULA 2005, S. 486)
In der Literatur wird also davon ausgegangen, dass Innovationen unterschiedlicher Neuigkeitsgrade mit unterschiedlichen Arten des Lernens verbunden sind. So sind inkrementale Innovationen mit leichten (technologischen bzw. marktbezogenen) Modifikationen verbun-
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den, die innerhalb bestehender Annahmen sowie Werte und Normen der Organisation und damit basierend auf adaptiven Lemprozessen stattfinden konnen. Hochgradige Innovationen verlangen aufgrund ihrer starken Diskontinuitaten hingegen ein kontinuierliches Hinterfragen, eine sich daran anschlieBende Substitution bestehender Annahmen und Problemlosungsansatze und damit generative Lemprozesse (BAKER/SINKULA 2002, S. 10 ff.; MCKEE 1992, S. 238 ff.). Wie bereits im Abschnitt 4.2.2.1 dargestellt wurde, wird in der Literatur davon ausgegangen, dass Marktorientierung im Sinne des traditionellen Verstandnisses zwar i.d.R. adaptive, jedoch nicht notwendigerweise generative Lemprozesse ermoglicht (z.B. SANTOSViJANDE etal. 2005, S. 189; FARRELL/OCZKOWSKI 2002, S. 210). Es lasst sich ableiten, dass die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen diesbeziiglich Anpassungen verlangt. Die zweite neuere Perspektive zur Marktorientierung unterscheidet zwischen reaktiven/ marktgeleiteten und proaktiven/marktgestaltenden Formen der Marktorientierung (u.a. NARVER et al. 2004; JAWORSKI et al. 2000; vgl. ausfahrlich Abschnitt 4.2.2.2). Relativ viele Autoren verweisen auf einen engen Zusammenhang zwischen proaktiven/marktgestaltenden Formen der Marktorientierung und einem hohen Neuigkeitsgrad von Innovationen: •
„The market-driving orientation matches the proactive business logic emphasizing a firm's capability to develop such radically innovative business concepts and products that influence and even create markets." (TUOMINEN et al. 2004, S. 214)
•
„Success of market driving firms is based on radical innovation and turning existing industry rules on their head." (KUMAR et al. 2000, S. 135)
•
„Market driving suggests a significantly stronger, if not exclusive, emphasis on innovation, whereas market driven suggests a full range of both innovation and imitation." (JOHNSON et al. 2003, S. 80)
•
„This driving activity seems to be especially appropriate to the high-tech industries (...)." (HILLS/SARIN 2003, S. 21)
•
„It appears that market driving relates to situations in which firms must build primary product category demand and transform customer mental models to achieve this growth. This contrasts to the more mundane building of brand demand, that typically requires 'no more' than a market-driven approach that considers and responds to existing customer mental models." (HARRIS/CAI 2002, S. 182)
•
„In general we argue that market driven firms invest less than market driving firms in radical product innovation. (...) Market driving firms will be more successful at radical product innovation, on average, than market driven firms." (KUMAR/SCHEER 1998, S. 11 f und S. 20)
•
„The issue of being proactive is of particular interest to hi-tech companies. (...) engineers in these companies must drive technological breakthroughs (...)." (JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 126)
•
„We suggest that a proactive market orientation will lead more probably to the development of substantially new products." (NARVER et al. 2000, S. 27)
Wie bereits im Abschnitt 4.2.2.2 dargestellt wurde, ist innerhalb des traditionellen Verstandnisses der Marktorientierung von KOHLi/JAWORSKi (1990) potenziell sowohl ein reaktives/ marktgeleitetes als auch ein proaktives/marktgestaltendes Verhalten vorgesehen (JAWORSKI/ KOHLI 1996, S. 131). Neuere Ansatze der Marktorientierung gehen jedoch einen Schritt weiter, indem sie sich inhaltlich mit den Charakteristika der Auspragungsformen auseinander
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III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
setzen. Dabei haben sich zwei wesentliche Merkmale marktgestaltender Kundenorientierung herauskristallisiert (HARRIS/CAI 2002, S. 185 ff.; CARPENTER/NAKAMOTO 1994, S. 572): Die
Notwendigkeit eines besonders tiefen Kundenverstdndnisses zur Identifikation latenter und zukunftiger Bediirfnisse und darauf aufbauend die Beeinflussung von Kundenprdferenzen z.B. durch einen Wissenstransfer in den Markt (,customer education'; KUMAR et al. 2000, S. 134). Es lasst sich ableiten, dass die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen diesbeziiglich Anpassungen verlangt. Aufgrund ihrer besonderen Relevanz fur hochgradige Innovationen werden beide neueren Perspektiven der Marktorientierung in die vorliegende Konzeptualisierung integriert. Auf der Basis vorhandener Forschungsbeitrage erfolgt eine situationsspezifische Anpassung der drei Komponenten der Kundenorientierung von KOHLI/JAWORSKI (1990). Generative Lernprozesse finden im Rahmen der zweiten Saule der Kundenorientierung, Intelligence Dissemination, Beriicksichtigung. Das Konzept der Proaktivitat/Marktgestaltung tangiert die beiden anderen Saulen der Kundenorientierung. Der erste Aspekt, die Notwendigkeit eines besonders tiefen Verstdndnisses der Kundenbedurfnisse zur Identifikation von latenten und zukunftigen Kundenbediirfnissen, findet im Schwerpunkt in der ersten Saule der Kundenorientierung, Intelligence Generation, Beriicksichtigung. Der zweite Aspekt, die Beeinflussung von Kundenprdferenzen durch einen Wissenstransfer, ist Basis der Konzeptualisierung der dritten Saule der Kundenorientierung, Responsiveness. Die folgende Abbildung fasst das dieser Arbeit zugrunde liegende Basisverstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zusammen.
Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Referenzbasis: TradMonelier Ansalz von Kohii/jaworskl (1090) Intelligence Generation: Generierung von kundenbezogenen Informationen
Proaktivitat/Marktgestaltung: Tiefes Verstandnis der Kunden und ihrer Bediirfnisse
Intelligence Dissemination: Verbreitung von kundenbezogenen Informationen
Kundenorientierung und Organisationales Lernen: Generative Lernprozesse
Responsiveness: Reaktion auf kundenbezogene Informationen
Proaktivitat/Marktgestaltung: Beeinflussung von Kundenpraferenzen durch einen Wissenstransfer
Eii^ft^l^^rip wt«: Wm^m Pfn^^fciven (^r ICMn^n^P^rtifi^nnis Abb. 10: Basisverstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Quelle: Eigene Darstellung
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5.3 Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Im vorliegenden Abschnitt erfolgt die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Auf der Basis einer Literaturanalyse wird der Inhalt des Konstruktes konzeptionell abgeleitet, begrifflich festgelegt und beschrieben (HILDEBRANDT 2000, S. 38; HOMBURG/GIERING 1996, S. 5). Fur die drei Saulen der Kundenorientierung von KOHLI/ JAWORSKI (1990) wird zunachst jeweils das inhaltliche Verstdndnis abgeleitet. Das heiBt, es wird der Frage nachgegangen, was unter der entsprechenden Saule der Kundenorientierung im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte zu verstehen ist. Dazu wird die Referenzbasis der Arbeit (KOHLI/JAWORSKI 1990) jeweils hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit bei hochgradigen Innovationen kritisch iiberpnift und das Konzept ggf. kontextspezifisch angepasst. AnschlieBend erfolgt jeweils die inhaltliche Beschreibung der Saule der Kundenorientierung, indem aktivitatsbezogene Gestaltungsoptionen aufgezeigt werden. 5.3.1 Erste Saule: Intelligence Generation 5.3.1.1 Intelligence Generation verstanden als Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung Die erste Saule von KOHLI/JAWORSKI (1990), Intelligence Generation, bezieht sich im Kontext der Kundenorientierung auf die Generierung kundenbezogener Informationen. Darunter konnen alle Informationen verstanden werden, die zur Beschreibung der KundenZ-struktur eines Marktes herangezogen werden konnen (z.B. Kundengruppen, -verhalten, -bediirfnisse und -anforderungen; HART etal. 1999, S. 21 f). Eine wesentliche Quelle der Informationsgenerierung stellen Marktforschungsaktivitaten dar (CORNISH 1997, S. 147). Es stellt sich zunachst die Frage, inwieweit die Generierung kundenbezogener Informationen fur den Kontext hochgradiger Innovationsprojekte Relevanz hat. Grundsatzlich dient die Informationsgenerierung im Innovationsprojekt der Reduktion von Unsicherheiten (GESCHKA/ EGGERT-KIPFSTUHL 1994, S. 116; DAVIS 1993, S. 310). Hochgradige Innovationen sind mit einem komplexen Muster verschiedener Arten von Unsicherheiten konfrontiert (Markt-, Technologic und Ressourcenunsicherheiten sowie organisatorische Unsicherheiten; RICE et al. 2002, S. 331; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2.1). Die Generierung von kundenbezogenen Informationen adressiert im Schwerpunkt Marktunsicherheiten, die auf mangelnden Kenntnissen tiber den Markt und die Anforderungen der Kunden basieren (LEIFER et al. 2000, S. 18 f). Marktunsicherheiten konnen zu zwei verschiedenen Arten von Fehlentscheidungen flihren (ELIASHBERG etal. 1997, S. 216 f; vgl. Abb. 11). Fehlentscheidungen erster Art stehen fur den Fall, dass das Management in ein Innovationsprojekt (weiter) investiert, obwohl das zu erwartende Erfolgspotenzial als niedrig einzustufen ist. Die Folge ist eine enttauschende
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Performance der Innovation im Markt. Bei einer hohen Abweichung von den Managementerwartungen handelt es sich um das klassische Verstandnis eines Innovations-Misserfolges (Flop). Fehlentscheidungen zweiter Art bedeuten, dass eine im Markt potenziell erfolgreiche Produktidee existiert, das Management in das entsprechende Innovationsprojekt jedoch nicht (weiter) investiert. Das heiBt, das objektiv hohe Erfolgspotenzial wird nicht erkannt und die Option auf einen Markterfolg falschlicherweise nicht wahrgenommen.
m^m Marktpotenzial der Innovation H^dflg
iiivM^<>ii
f^M'^miv^^m
Erfolg der Innovation im Markt (folgericiitige Entscheidung)
Verpasste Erfolgsoption (Fehlentscheidung zweiter Art)
Misserfolg der Innovation im Markt (Fehlentscheidung erster Art)
Kein Misserfolg der Innovation im Markt (folgerichtige Entscheidung)
Abb. 11: Fehlentscheidung erster und zweiter Art Quelle: in Aniehnung an ELIASHBERG et al. (1997, S. 217)
Fehlentscheidungen erster und zweiter Art sind im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte besonders schwerwiegend. Aufgrund ihrer iiberproportional hohen Entwicklungs- und Vermarktungskosten (RICE etal. 2002, S. 334; vgl. Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1) konnen Fehlentscheidungen erster Art den Untemehmenserfolg bzw. die Existenz eines Untemehmens erheblich gefahrden. Bei Fehlentscheidungen zweiter Art handelt es sich nicht um einen Misserfolg im klassischen Verstandnis, aufgrund der potenziell iiberdurchschnittlich hohen Erfolge hochgradiger Innovationen (REID/DE BRENTANI 2004, S. 172; vgl. Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1) jedoch ebenfalls um eine schwerwiegende Management-Fehlentscheidung (HAIMERL etal. 2001, S. 63). Aus den schwerwiegenden Folgen von Fehlentscheidungen erster und zweiter Art sowie den erhohten Marktunsicherheiten lasst sich fur hochgradige Innovationsprojekte eine besonders hohe Relevanz der Generierung kundenbezogener Informationen ableiten (vgl. auch JENNER 2000, S. 134; ELIASHBERG etal. 1997, S. 217 f; DAVIS 1993, S. 310). Durch Marktforschung kann die Informationsbasis und damit die Prognosegenauigkeit des erwarteten Marktpotenzials der Innovation erhoht werden. Auf der Basis folgerichtiger Entscheidungen konnen potenziell erfolgreiche Innovationsprojekte moglichst effektiv weiterverfolgt und potenziell misserfolgreiche Innovationsprojekte moglichst friihzeitig abgebrochen werden (ELIASHBERG
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et al. 1997, S. 217). In der vorliegenden Arbeit wird daher unter der ersten Saule der Kundenorientierung (Intelligence Generation) analog zu KOHLI/JAWORSKI (1990) die Generierung kundenbezogener Informationen verstanden. Im Kontext von Innovationsprojekten handelt es sich dabei um Aktivitdten der Innovationsmarktforschung. Wie im Grundlagenteil dieser Arbeit (A.l.l.l) herausgearbeitet wurde, ist ein wesentliches Merkmal proaktiver/marktgestaltender Kundenorientierung die Notwenigkeit eines besonders tiefen Verstandnisses der Kunden zur Identifikation latenter und zukunftiger Bediirfnisse (HARRIS/CAI 2002, S. 185 ff.). In der Innovationsliteratur unterscheidet man zwischen aktuellen, latenten und zukiinftigen Bediirfnissen. Wahrend zukunftige Bediirfnisse gegenwartig noch nicht existent sind (in Zukunft aber mit groBer Wahrscheinlichkeit relevant werden), ist sowohl bei aktuellen als auch bei latenten Bediirfnissen eine Existenz heute schon gegeben. Aktuelle Bediirfnisse sind bereits artikuliert und bekannt, latente Bediirfnisse jedoch (relativ) unbewusst und damit nicht bzw. nicht ohne Weiteres artikulierbar (KARKKAINEN et al. 2001, S. 393; KLEINSCHMIDT et al. 1996, S. 111; GESCHKA/EGGERT-KIPFSTUHL 1994, S. 117).
Latente und zukiinflige Kundenbediirfnisse haben eine besonders grofie Relevanz im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte (NARVER et al. 2000, S. 7). Hochgradige Innovationen weisen defmitionsgemaB starke markt- und technologiebezogene Verandemngen auf (vgl. Abschnitt 3.2.1.1). Marktbezogene Verandemngen auBem sich haufig durch die Schaffung eines neuen Kundennutzens (VERYZER 1998a, S. 307). Aufgrund zunehmend gesattigter Markte geht ein neuer Kundennutzen i.d.R. iiber aktuelle, von den Kunden bereits artikulierte Bediirfnisse hinaus. Entsprechend adressieren hochgradige Innovationen haufig latente bzw. zukunftige Kundenbedurfnisse (LICHTENTHALER etal. 2004, S. 110; LAI3 2002, S. 1619; CHANDY/TELLIS 1998, S. 479; LEHMANN/WINER 1997, S. 1613).
Die Ermittlung latenter und zukiinftiger Bediirfnisse ist mit besonderen Herausforderungen verbunden (WEIBER etal. 1999, S. 105 f.; GESCHKA/EGGERT-KIPFSTUHL 1994, S. 116). Be-
notigt wird ein besonders tiefgehendes, empathisches Verstandnis potenzieller Kunden und der Rahmenbedingungen ihres Handelns (LAB 2002, S. 1666; KARKKAINEN etal. 2001, S. 391). Die Gegenwart bietet wichtige Ankniipftingspunkte: „But what about discontinuous change? It is not just a question of progressing from the current situation. New technologies involve novel ideas. But they are not autogenerative, their roots will be found in current work and needs. The key to successful implementation is in the recognition of latent potential. Slater and Narver use the word 'latent' which means the possibilities of the future are within the current." (CONNOR 1999, S. 1163)
Anhaltspunkte zu latenten und zukiinftigen Bediirfnissen lassen sich auf der Basis unterschiedlichster Innovationsmarktforschungsmethoden generieren (NARVER et al. 2000, S. 9; vgl. im tJberblick KARKKAINEN et al. 2001). Entsprechend unterliegt der vorliegenden Arbeit ein relativ breites Verstandnis des Begriffes der Innovationsmarktforschung. Der Begriff be-
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zieht sich nicht nur auf formale, primaranalytische, sondem z.B. auch auf informale Ansatze (z.B. intensive Kundengesprache) und innovative Methoden (wie z.B. das auf der Beobachtung basierende Empathische Design; LEONARD/RAYPORT 1997; vgl. ausfuhrlich auch Abschnitt 8.2.1.3). Zusammenfassend: Hochgradige Innovationen sind mit hohen Marktunsicherheiten verbunden. Kundenbezogene Informationen helfen, Fehlentscheidungen erster und zweiter Art zu minimieren. Im vorliegenden Vorhaben wird KOHLI/JAWORSKI'S (1990) Intelligence Generation auf die Generierung kundenbezogener Informationen im Rahmen eines Innovationsprojektes bezogen. Der allgemeine Begriff der Marktforschung wird durch den Begriff der Innovationsmarktforschung kontextspezifisch angepasst. Durch die Beriicksichtigung nicht nur aktueller, sondem auch latenter und zuktinftiger Bedtirfnisse wird dem marktgestaltenden Verstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Rechnung getragen. 5.3.1.2 Inhaltliche Beschreibung der Intelligence Generation Wie im vorangegangenen Abschnitt erlautert wurde, wird die erste Saule der Kundenorientierung, IntelUgence Generation, in der vorliegenden Arbeit konzeptualisiert als die Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung. Da eine aktivitatsbezogene Sichtweise eingenommen werden soil, stehen Aktivitdten der Innovationsmarktforschung im Vordergrund der Betrachtung. Im vorliegenden Abschnitt werden zunachst Gestaltungsoptionen in diesem Bereich aufgezeigt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit einzelne Methoden einen positiven Beitrag zum Innovationserfolg leisten (vgl. dazu ausfuhrlich Teil IV und V dieser Arbeit). Eine wesentliche Gestaltungsoption der Intelligence Generation betrifft die Auswahl einzusetzender Innovationsmarktforschungsmethoden (ALAM 2006, S. 471; 2002, S. 252). Aufgrund ihrer vielfaltigen Informationsdefizite und der Schwierigkeit der Ermittlung von latenten und zuktinftigen Bediirfiiissen verlangen hochgradige Innovationsprojekte i.d.R. einen vergleichsweise breiten Untersuchungsfokus (DANNEELS 2002, S. 1106) und den Einsatz unterschiedlicher Methoden (LAB 2002, S. 1314). Der Einfluss von Innovationsmarktforschung erstreckt sich dabei auf alle Phasen des Innovationsprozesses, beginnend von der Untersuchung allgemeiner Kundenentwicklungen, iiber die Ideenfindung und -selektion bis hin zur Markteinfuhrung (PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 70; LYNN 1993, S. 13; DE BONT 1992,
S. lOff.). Methoden der Innovationsmarktforschung lassen sich nach verschiedenen Beschreibungsdeterminanten unterscheiden. Analog zur allgemeinen Marktforschung kann zwischen Primdr- und Sekunddrmarktforschung differenziert werden (LAB 2002, S. 1323; ADAMS etal. 1998, S. 405). Wahrend bei der Primarmarktforschung neue, originare Daten generiert wer-
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den, basiert die Sekundarmarktforschung auf bereits vorhandenem Datenmaterial (BEREKOVEN et al. 2004, S. 42). Eine Form der Sekundarmarktforschung ist z.B. die Auswertung von Literatur bzw. von Datenbanken, die spezielle Informationen iiber den potenziellen Markt der Innovation liefem. Daruber hinaus konnen erste Hinweise auf unerfiillte Kundenbedtirfnisse z.B. aus vorhandenen Kundenanfragen und -beschwerden generiert werden (HERSTATT 1991, S. 60 ff). Fiir viele spezifische Informationsbedurfnisse im Innovationsprozess reichen jedoch Sekundarquellen nicht aus und es muss auf Primarmarktforschung zuruckgegriffen werden (PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 72 f). Als primaranalytische Basismethoden stehen die Befragung, die Beobachtung und das Experiment zur Verftigung (BEREKOVEN et al. 2004, S. 42 ff).
Nach dem Erhebungsansatz wird zwischen qualitativ und quantitativ ausgerichteten Untersuchungsmethoden unterschieden (BEREKOVEN et al. 2004, S. 95). Gewohnlich werden mit dem Begriff der qualitativen Forschung Methoden verbunden, die subjektive Daten auf der Basis kleiner Fallzahlen generieren (z.B. Tiefeninterview, Gruppendiskussion). Im Gegensatz dazu wird mit quantitativen Forschungsmethoden die Generierung objektiver Daten auf der Basis groBerer Stichproben assoziiert (z.B. schriftliche Befragung; MULLER 2000, S. 131; KEPPER 1994, S. 15 ff). Inhaltlich betrachtet, beschaftigt sich die quantitative Forschung tendenziell mit Fragen wie z.B. ,was?', ,wie oft?' und ,wie viel?', wahrend die qualitative Forschung versucht. Motive und Hintergrundinformationen durch Fragen wie z.B. ,warum?', ,wie?' und ,weshalb?' zu generieren (PERRY et al. 2004, S. 203). Eine einheitliche Abgrenzung zwischen qualitativen und quantitativen Marktforschungsmethoden liegt bis dato jedoch nicht vor (vgl. ausfiihrlich MULLER 2000, S. 129 ff; KEPPER 1994, S. 5 f). Neben der Unterscheidung zwischen primarer/sekundarer und qualitativer/quantitativer Innovationsmarktforschung kann auch zwischen geplanten und ungeplanten Aktivitaten differenziert werden. Die Generierung von kundenbezogenen Informationen muss nicht immer auf einer formal, geplanten Methode basieren, sondem kann auch informal, ad hoc erfolgen (WOODRUFF 1997, S. 143; KIRCHMANN 1994, S. 108). Gerade im Investitionsgiiterbereich
werden haufig intensive, personliche Kundengesprache innerhalb des Tagesgeschaftes genutzt, um Informationen iiber unerfiillte Kundenbedtirfnisse zu generieren (STRUMANN 1997, S. 153; KLEINSCHMIDT et al. 1996, S. 114).
Die Erhebungsquelle bezieht sich auf die Frage, woher die Marktinformationen generiert werden (BEREKOVEN et al. 2004, S. 95). Im Kontext der Kundenorientierung nehmen Kunden eine Schltisselposition ein. So gehen KLEINSCHMIDT et al. (1996, S. 107) z.B. davon aus, dass der Innovationsbedarf sich am besten beim Kunden direkt identifizieren und evaluieren lasst. Wichtige Quellen von kundenbezogenen Informationen sind auch interne Mitarbeiter (z.B. Mitarbeiter im Kundenkontakt) und Experten (HAGEMANN 1999, S. 161; DAVIS/MOE 1997,
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S. 351). Marktinformationen konnen dariiber hinaus auch auf der Basis von Marktstudien/ Situationsanalysen generiert werden, die Marktdaten aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen verdichten (KLEINSCHMIDT et al. 1996, S. 138). Innovationsmarktforschung kann nicht nur hinsichtlich der eingesetzten Methoden, sondem auch bzgl. der damit verfolgten Untersuchungsziele beschrieben werden (ALAM 2002, S. 252). Grundsatzlich unterliegt Innovationsmarktforschung dem Ziel der Minimierung von Fehlentscheidungen erster und zweiter Art: Der potenzielle Markterfolg bzw. -misserfolg soil moglichst friihzeitig und gleichzeitig valide abgeschatzt werden (ELIASHBERG et al. 1997, S. 217; vgl. vorangegangener Abschnitt 5.3.1.1). Aus den spezifischen Informationsdefiziten in hochgradigen Innovationsprojekten lassen sich differenzierte Untersuchungsziele von Innovationsmarktforschung ableiten. Ein Untersuchungsziel ist haufig die Identiflkation potenzieller Kundengruppen (PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 74). Realtiv viele hochgradige Innovationen sind mittelinduziert, d.h., es handelt sich um Technologiedruckinnovationen. Da hier der Ausgangspunkt des Innovationsprojektes eine technische Invention ist, sind Anwendungspotenziale haufig zunachst unbekannt (WEIBER et al. 1999, S. 104). In der Konsequenz ist haufig in friihen Phasen verhaltnismaBig unklar, wer potenzielle Kunden der Innovation sein konnten (LYNN et al. 1998, S. 46; LYNN et al. 1996a, S. 81). Innovationsmarktforschung kann genutzt werden, um Kundengruppen zu identifizieren, die potenziell Bedarf fur die Innovation aufweisen. Ein weiteres, wesentliches Ziel der Innovationsmarktforschung ist die Identiflkation von Kundenbedurfnissen (DAVIS/MOE 1997, S. 349; PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 75; HAUSER 1984,
S. 70). Da hochgradige Innovationen haufig noch nicht artikulierte, latente und zukiinftige Kundenbediirfnisse adressieren (LICHTENTHALER etal. 2004, S. 110), liegen diesbeziiglich i.d.R. noch keine fundierten Informationen vor. Dariiber hinaus kann Innovationsmarktforschung zur Analyse der Akzeptanzbarrieren potenzieller Kunden beitragen. Je hoher der Neuigkeitsgrad einer Innovation ist, desto wahrscheinlicher sind Widerstande und Ablehnungen seitens der Zielkunden (RAM/SHETH 1989, S. 6; vgl. auch Abschnitt 3.2.2.2). Eine frtihzeitige Identiflkation potenzieller Barrieren ermoglicht konkrete MaBnahmen zur Reduktion von Akzeptanzbarrieren. Nicht selten verandem hochgradige Innovationen etablierte Marktstrukturen bzw. schaffen neue Markte (AGGARWAL et al. 1998, S. 363 ff; URBAN et al. 1996, S. 47). Entsprechend ist die Abschatzung des Marktpotenzials und der Marktentwicklung vergleichsweise schwierig (DANNEELS 2002, S. 1106; vgl. Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1). Ein potenzielles Ziel der Innovationsmarktforschung ist daher die Generierung geeigneter Informationen, die zu einer Abschatzung des Marktpotenzials beitragen (PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 70). Ein weiteres Informationsdefizit bei hochgradigen Innovationen betrifft die Preisbereitschaft potenzieller
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Kunden. Die Preisbereitschaft basiert vor allem auf dem Nutzen, den eine Innovation dem Kunden bietet (BERGSTEIN/ESTELAMI 2002, S. 304). Der Nutzen einer hochgradigen Innovation ist fiir potenzielle Kunden aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Komplexitat, geringen Kompatibilitat sowie eingeschrankten Erprobbarkeit und Kommunizierbarkeit schwer abzuschatzen (POHL 1996, S. 63; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.2.2.2). Die Ermittlung von Informationen zur Preisbereitschaft potenzieller Kunden stellt daher eine besondere Herausforderung dar (BERGSTEIN/ESTELAMI 2002, S. 304). Neben der Frage, welche Marktforschungsaktivitaten wann und mit welchen Untersuchungszielen durchgefiihrt werden, ist eine weitere Gestaltungsoption der Intelligence Generation die Zustdndigkeit fiir die Durchfiihrung. Bei einer intemen Durchfuhrung kann unterschieden werden, ob die Aktivitat im Verantwortungsbereich des Projektteams und/oder einer unternehmensintemen Marktforschungsabteilung liegt (PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 71). Neben einer untemehmensintemen Durchfuhrung besteht die Option der Beauftragung einer extemen Beratung bzw. eines Marktforschungsinstitut (ZAHAY etal. 2004, S. 660 f.; CORNISH 1997, S. 147). Die folgende Abbildung fasst die Konzeption und die Gestaltungsoptionen der Intelligence Generation zusammen.
tntelttgence Generation
jijBiiiilili
tntefligence Dissemination
Responsiveness
Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung • Phasenspezifischer Einsatz der Innovationsmarktforschung • Methoden der Innovationsmarktforschung - Primar-ZSekundarmarktforschung - Qualitative/quantitative Methoden - Formale/informale Methoden - Erhebungsquelle: Kunden, interne Mitarbeiter, Experten, Marktdaten • Untersuchungsziele der Innovationsmarktforschung - Identifikation von Kundengruppen - Identifikation von Kundenbedurfnissen - Analyse von Akzeptanzbarrieren - Abschatzung der Preisbereitschaft - Abschatzung des Marktpotenzials • Durchfuhrung der Innovationsmarktforschung - Projektteam - Unternehmensinterne Marktforschungsabteilung - Externe Beratung/Marktforschungsinstitut
Abb. 12: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Intelligence Generation Quelle: Eigene Darstellung
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in Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
5.3.2 Zweite Saule: Intelligence Dissemination 5.3.2.1 Intelligence Dissemination verstanden als Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess Die zweite Saule von KOHLI/JAWORSKI (1990), Intelligence Dissemination, beinhaltet im Kontext der Kundenorientierung die Verbreitung kundenbezogener Informationen im Unternehmen. Dahinter steht die Annahme, dass die Reaktion auf die generierten Informationen die Partizipation aller Abteilungen innerhalb des Untemehmens verlangt (MALTZ/KOHLI 1996, S. 47 f.; KOHLI et al. 1993, S. 473). In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass die Saule Intelligence Dissemination im Kontext hochgradiger Innovationen eine Neudefinition verlangt. In diesem Zusammenhang wird kritisch hinterfragt, inwieweit eine ausreichende Kundenorientierung sichergestellt werden kann durch (1) eine reine Informationsweitergabe vom Marketing- an den F&E-Bereich und (2) durch eine rein passiv gepragte Rolle der Kunden im Sinne des herstellerdominierten Innovationsprozesses. Es wird postuliert, dass die spezifischen Merkmale hochgradiger Innovationsprojekte zum einen eine Generierung kundenbezogener F&EInformationen und zum anderen eine aktive Funktion des Kunden im Innovationsprozess verlangen. Beide Aspekte werden im Folgenden genauer dargestellt. Generierung kundenbezogener F&E-Informationen Zunachst stellt sich die Frage, inwieweit im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte eine ausreichende Kundenorientierung durch die Verbreitung kundenbezogener Informationen durch den Marketing-Bereich sichergestellt werden kann. So gehen KOHLI und sein Forscherteam (MALTZ/KOHLI 1996, S. 47; KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 5) davon aus, dass i.d.R. der Marketing-Bereich Marktinformationen generiert und an Nicht-Marketingbereiche im Untemehmen (im Kontext von Innovationsprojekten insbesondere den F&E-Bereich) verteilt. Diese Annahme entspricht dem klassischen, fiinktionalen Rollenverstandnis im Innovationsprojekt: Danach sind Marketing-Mitarbeiter Schltisselpersonen im Hinblick auf die Generierung von Marktinformationen, wahrend F&E-Mitarbeiter im Schwerpunkt fur technologische Informationen verantwortlich sind (SONG/THIEME 2006, S. 308; MOENAERT/SOUDER 1990, S. 95 f.). Ein angemessener Umgang mit Wechselwirkungen zwischen Markt- und Technologieunsicherheiten verlangt, dass die Informationen zwischen den Bereichen diffiindieren (SOUDER/MOENAERT 1992, S. 490 f.). Das gilt insbesondere fur hochgradige Innovationsprojekte, da hier Unsicherheiten und ihre Wechselwirkungen besonders hoch sind (SONG/THIEME 2006, S. 310; SONG et al. 2001, S. 227; LEIFER 1998, S. 133). Gleichzeitig zeigen empirische Studien jedoch erhebliche Mangel im interfunktionalen Informationsaustausch. Mitarbeiter
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aus dem F&E-Bereich nehmen haufig die durch das Marketing bereit gestellten Informationen gemessen an ihren (technischen) Informationsbediirfnissen als unzureichend bzw. wenig relevant wahr (ERNST 2001, S. 126; ATUAHENE-GIMA/EVANGELISTA 2000, S. 1277; GEMUNDEN/
MELHERITZ 1998, S. 53; DOMSCH etal. 1991, S. 1056 f.). Insbesondere in innovations- und technologieintensiven Branchen wird dem Marketing-Bereich eine mangelnde technische Kompetenz und ein mangelndes Verstandnis der Grenzen von F&E vorgeworfen. Informationen aus Marktforschungsstudien werden durch den F&E-Bereich haufig nicht bzw. nur unzureichend berucksichtigt und umgesetzt (ADAMS et al. 1998, S. 413 f; WORKMAN 1993a, S. 410 ff; GUPTA/WiLEMON 1988, S. 39).
Eine insbesondere im Kontext hochgradiger Innovationen diskutierte Moglichkeit zur Losung dieses Konfliktes besteht in der sog. Rollenflexibilitdt im Innovationsprojekt (JiN 2001, S. 282; WORKMAN et al. 1998, S. 32; BROCKHOFF 1997, S. 360). Rollenflexibilitat von Mitar-
beitem bzw. Abteilungen bedeutet, dass diese auch Aufgaben auBerhalb ihrer originaren Rolle wahmehmen (JiN 2001, S. 275; MOENAERT etal. 1994, S. 33). Empirische Studien weisen darauf hin, dass in technologieintensiven Branchen Rollenflexibilitat des F&E-Bereiches relativ weit verbreitet ist. Um eine hohe Kompatibilitat zwischen der technologischen Losung und den Kundenbediirfnissen sicherzustellen, werden originare Marketing-Aufgaben (z.B. die Analyse von Kundenbediirfnissen) haufig von F&E-Mitarbeitem iibemommen (O'CONNOR 1998, S. 161; WORKMAN etal. 1998, S. 31; BACON etal. 1994, S. 41). Eine wichtige Rolle nimmt dabei die Integration ausgewdhlter Kunden in den (technischen) Innovationsprozess ein (VERYZER 2005, S. 34; O'CONNOR 1998, S. 160; SASHITTAL/WILEMON 1994, S. 696 f).
Durch einen direkten F&E-Kunden-Kontakt konnen kundenbezogene Informationen generiert werden, die speziell auf die Informationsbedtirfnisse des F&E-Bereiches zugeschnitten sind. Um eine multifunktionale Interpretation der Bedtirfnisse zu gewahrleisten, erfolgt der Kontakt dabei i.d.R. in Zusammenarbeit mit Marketingmitarbeitem (WORKMAN 1998, S. 270; GUPTA/ WILEMON 1996, S. 508 f).
Betrachtet man die traditionellen Ansatze der Kundenorientierung, so zeigt sich, dass Rollenflexibilitat nicht ausreichend berucksichtigt wird (KROHMER etal. 2002, S. 453; WORKMAN 1993a, S. 417). Die Generierung von Marktinformationen durch den F&E-Bereich ist zwar grundsatzlich moglich und wiinschenswert (KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 5), die damit verbundenen Aktivitaten spiegeln sich jedoch nicht in der Konzeptualisierung und Operationalisierung wider. Es lasst sich ableiten, dass der traditionelle Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) fur den Kontext hochgradiger Innovationen diesbeziiglich Anpassungen verlangt. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass eine ausreichende Kundenorientierung durch eine reine Informationsweitergabe vom Marketing- and den F&E-Bereich nicht gewahrleistet werden kann. Es wird vielmehr angenommen, dass die wechselseitigen Unsicherheiten hochgradiger Innovationsprojekte die Generierung spezifischer, kundenbezogener F&E-Informa-
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tionen verlangt. Eine wesentliche Moglichkeit besteht dabei in der Integration ausgewdhlter Kunden in den (technischen) Innovationsprozess (JENNER 2000, S. 142; GEMUNDEN/ MELHERITZ 1998, S. 53).
Generative Lernprozesse durch eine intensive Zusammenarbeit mit Kunden Der Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) zeigt deutliche Parallelen zum hersteller-dominierten Innovationsprozess. Wie im Abschnitt 3.3 ausfiihrlich dargestellt wurde, beschreibt VON HiPPEL (1978b, S. 243) die Rolle des Kunden hier als rein passiv im Sinne von „speaking only when spoken to". Danach ist es Aufgabe des Herstellers, Zielgruppen und Kundenbediirfnisse zu identifizieren und darauf aufbauend Innovationen zu generieren und umzusetzen. Ein ahnlich passiv gepragtes Kundenverstandnis zeigt sich bei KOHLI/JAWORSKI (1990): Der Marketing-Bereich generiert kundenbezogene Informationen, diese werden untemehmensweit verteilt, und es erfolgt eine entsprechende Reaktion. Der Kunde leistet keinen aktiven Beitrag, sondem ,spricht nur dann, wenn der Hersteller im Zuge von Marktforschungsaktivitaten zu ihmspricht'. Gleichzeitig weisen wissenschaftliche Erkenntnisse jedoch darauf hin, dass hochgradige Innovationen eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde und damit einhergehend Lernprozesse hoherer Ordnung (generatives Lemen) verlangen. Zum einen konnte im Bereich der Innovationsforschung gezeigt werden, dass ftir den Fall eines angestrebten groBen Innovationsschrittes nicht ein herstellerdominierter Innovationsprozess, sondem vielmehr eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde im Sinne des Zusammenarbeitsmodells von GEMUNDEN (1981) anzustreben ist (z.B. LIN/GERMAIN 2004, S. 249; GEMUNDEN 1980, S. 30; BIEGEL 1987, S. 133 f.; vgl. auch Abschnitt 3.3).
Zum anderen lasst sich die Vorteilhaftigkeit einer aktiven Rolle des Kunden aus dem Forschungsbereich neuerer Perspektiven der Marktorientierung ableiten. Neuere Ansatze fordem eine Differenzierung zwischen verschiedenen Auspragungsformen der Marktorientierung auf der Basis lemorientierter Konzepte, insbesondere adaptivem und generativem Lemen (JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 125; SLATER/NARVER 1995, S. 64; vgl. ausftihrlich Abschnitt
4.2.2.1). In der Literatur wird davon ausgegangen, dass hochgradige Innovationsprojekte vor allem generative Lemprozesse verlangen (MCKEE 1992, S. 233; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 5.2.2). Im Kontext der Kundenorientiemng heifit das, dass Annahmen Uber Kunden und ihre Bedurfnisse kontinuierlich kritisch hinterfragt und im Sinne eines Verlemens abgelegt und durch neue Annahmen ersetzt werden (SINKULA 2002, S. 257; BAKER/SINKULA 1999b, S. 297 f.). Eine wesentliche Quelle generativer Lemprozesse sind exteme Quellen auBerhalb des Unternehmens. Sie eroffnen neue Perspektiven und ermoglichen auf diese Weise Prozesse des
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Hinterfragens bestehender Annahmen (BAKER/SINKULA 2002, S. 15; SLATER/NARVER 1995, S. 64; MCKEE 1992, S. 239). Im Kontext der Kundenorientierung stellen Kunden eine wichtige Quelle fiir generative Lemprozesse bzw. Prozesse des Verlemens dar: „The degree to which the firm is connected to the customer is proportional to the timing and amount of unlearning that ensues." (SiNKULA 2002, S. 265)
Dabei ist jedoch die Intensitat der Beziehung zum Kunden entscheidend. So ermoglicht Kundenorientierung im Sinne des traditionellen Verstandnisses (z.B. nach KOHLI/JAWORSKI 1990) zwar i.d.R. adaptives Lemen, jedoch nicht notwendigerweise generatives Lemen (SANTOSViJANDE etal. 2005, S. 189; FARRELL/OCZKOWSKI 2002, S. 210; BAKER/SINKULA 2002, S. 12 f.). Generative Lemprozesse werden gefordert durch eine intensive, lemorientierte Zusammenarbeit mit Kunden, die iiber die Informationsverarbeitung im Sinne des herstellerdominierten Innovationsprozesses hinausgeht (TUOMINEN et al. 2004, S. 214; BERTHON et al. 1999, S. 42; CONNOR 1999, S. 1159 f.; vgl. auch Abschnitt 4.2.2.1). Es lasst sich ableiten, dass ein Verstandnis der Kundenorientierung als rein herstellerdominierter Innovationsprozess nicht den besonderen Anforderungen hochgradiger Innovationsprojekte gerecht wird. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass durch eine rein passiv gepragte Rolle der Kunden keine ausreichende Kundenorientierung sichergestellt werden kann. Notig sind vielmehr generative Lemprozesse auf der Basis einer kooperativen Zusammenarbeit mit ausgewahlten Kunden. Zusammenfassend'. In der vorliegenden Arbeit erfolgt eine Neudefinition der zweiten Saule der Kundenorientiemng von KOHLI/JAWORSKI (1990). Es wird nicht davon ausgegangen, dass im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte eine ausreichende Kundenorientiemng sichergestellt werden kann durch (1) eine reine Weitergabe von Marktinformationen vom Marketing-Bereich an den F&E-Bereich und (2) eine rein passiv gepragte Rolle des Kunden im Sinne des herstellerdominierten Innovationsprozesses. Es wird postuliert, dass die Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess eine bedeutende Moglichkeit der Umsetzung von Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen darstellt. Auf diese Weise konnen zum einen kundenbezogene F&E-Informationen generiert werden und zum anderen durch eine intensive, kooperative Zusammenarbeit generative Lemprozesse gefordert werden. In Anbetracht der dargestellten Erkenntnisse wird Intelligence Dissemination im Kontext hochgradiger Innovationen verstanden als Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess. Da im vorliegenden Bezugsrahmen im Schwerpunkt ein extemer Fokus eingenommen wird, wird eine Verbreitung von kundenbezogenen Informationen im Untemehmen (als klassisches Verstandnis der Intelligence Dissemination) nicht beriicksichtigt. Das entspricht auch dem Vorgehen anderer Autoren, die den interfunktionalen Informationsaustausch als einen intemen Kommunikationsmechanismus unabhangig von der Markt- bzw. Kunden-
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orientierung betrachten (z.B. JOHNSON etal. 2003, S. 79; UTZIG 1997, S. 116ff.; DAY/ NEDUNGADI 1994, S. 36). Unterstutzt wird dieses Vorgehen durch die empirischen Ergebnisse von GRUNER (1997, S. 195). Der Autor kann einen positiven Einfluss des Auspragungsniveaus des intemen Schnittstellenmanagement auf die Intensitat der Zusammenarbeit mit Kunden nachweisen. Das heiBt, die Integration von Kunden in den Innovationsprozess kann als eine Fortentwicklung des interfunktionalen Informationsaustausches verstanden werden. 5.3.2.2 Abgrenzung der ersten beiden Saulen der Kundenorientierung Die beiden bisher thematisierten Saulen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen weisen Parallelen auf. Sowohl die Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation) als auch die Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess (Intelligence Dissemination) dienen der Reduktion von Marktunsicherheiten (ERNST 2001, S. 174; MCDERMOTT 1999, S. 636 f.; MOENAERT/SOUDER
1990, S. 93). Es stellt sich die Frage, wie diese beiden Komponenten der Kundenorientierung voneinander abgegrenzt werden konnen. In der Literatur lasst sich keine allgemein akzeptierte Vorgehensweise feststellen. Forschungsbeitrage zur sog. Innovationsbedarfserfassung (Ermittlung und Analyse von Kundenbedtirfnissen als Informationsgrundlage der Neuproduktentwicklung; vgl. ELVENGREN et al. 2004, S. 275) nehmen haufig keine klare Abgrenzung zwischen Innovationsmarktforschung und Kundenintegration (bzw. synonym Kundeneinbindung) vor (REICHART 2002, S. 126; KARLE-KOMES 1997, S. 150; HERSTATT 1991, S. 59). Einige Autoren grenzen die beiden Begriffe wiederum explizit voneinander ab. So sieht JENNER (2000, S. 134) in der direkten Interaktion zwischen F&E-Mitarbeitem und Kunden das zentrale Charakteristikum der Kundenintegration, wahrend im Fall der Innovationsmarktforschung i.d.R. nur Marketing-Mitarbeiter mit den Kunden kommunizieren. GRUNER (1997, S. 142) misst Kundeneinbindung u.a. iiber den Indikator „Einbindung iiber das in der Marktforschung allgemein ubliche MaB hinaus." Auch IANSITI/CLARK (1994) gehen davon aus, dass Kundenintegration ,mehr ist' als Marktforschung. Danach ist Kundenintegration: „(...) much more than being close to customers, market oriented or customer driven. Customer integration implies mutual adaptation between the organization and its market (customer needs may influence organizational competences, and the competence base may influence customer needs) and mutual learning between producers and customers." (IANSITI/CLARK 1994, S. 570; H.d.V.)
Das Verstandnis, dass Kundenintegration iiber Innovationsmarktforschung hinausgeht, fmdet sich auch in anderen Forschungsbeitragen. So differenziert ERNST (2002, S. 9) zwischen einer Ausrichtung der Innovationstatigkeit an den Bediirfnissen der Kunden (im Sinne von klassischer Marktforschung) und einer Einbindung von Kunden als aktive Mitgestalter des Innovationsprozesses. Analog unterscheidet BROCKHOFF (1998, S. 8) aus der Kundenperspektive zwischen Kunden, die durch ihre Teilnahme an Marktforschungsaktivitaten Bedurfnisse er-
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kennen lassen und Kunden, die den Produktentwicklungsprozess aktiv mitgestalten. JEPPESEN (2005, S. 349) grenzt in Abhangigkeit des Aktivitatsgrades der Kunden listening to customers' von ,interaction with customers' ab. Auch im Bereich der Kooperationsforschung kann zwischen Kooperationen mit Kunden, die vomehmlich durch eine Informationsgenerierung gepragt sind und Kooperationen, die individuelle Interaktionsprozesse zwischen Herstellem und Kunden darstellen, unterschieden werden (STRUMANN 1997, S. 40 f.). Die vorliegende Arbeit folgt dem in der Literatur dominanten Grundverstandnis, dass Kundenintegration iiber Innovationsmarktforschung hinausgeht. Dieses Grundverstandnis wird durch ausgewahlte Interaktionsansatze im Innovationsprozess (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.3) prazisiert. Intelligence Generation wird konzeptualisiert als eine Form des herstellerdominierten Innovationsprozesses (MAP-Paradigma; vgl. VON HiPPEL 1978a). Danach ist es Aufgabe des Herstellers, durch Aktivitaten der Innovationsmarktforschung den breiten Markt zu analysieren und Kundenbediirfnisse aufzudecken. Die Rolle der Kunden ist verhaltnismaBig passiv ausgepragt, sie agieren bei Bedarf als Lieferanten von Informationen (vgl. Abb. 13). In Abgrenzung dazu wird Intelligence Dissemination in Anlehnung an das Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1981) konzeptualisiert. Danach stellt die Integration von Kunden in den Innovationsprozess eine intensive Hersteller-Kunden-Interaktion dar. Ausgewahlte Kunden nehmen die Rolle aktiver Mitgestalter des Innovationsprozesses ein. Entscheidend ist dabei der Grad der Aktivitat: Aufgrund der damit verbundenen, hohen Kundenaktivitat werden Testaktivitaten (Konzept-ZPrototypentests; z.B. DOLAN/MATTHEWS 1993) z.B. als eine Form der Kundenintegration betrachtet (vgl. auch KAULIO 1998, S. 144). Auf der Basis einer kooperativen Zusammenarbeit ermoglicht Kundenintegration einen beiderseitigen Lemprozess (ATHAIDE/STUMP 1999, S. 472; vgl. Abb. 13).
Intelligence Generation (Innovationsmarktforschung) Basis: Herstellerdominierter Innovationsprozess (IVIAP-Paradigma; von Hippel 1978a,b) Breiter Markt iKunde nl |Kunde 2 | _ J iKunde 1
HersteHer Informationsgenerierung
Intelligence Dissemination (Kundenintegration) Basis: Zusammenarbeitsmodell von Gemunden (1981)
Ausgew£[hlte Kunden
Itersfeifer
Kunde 1
J_ernprozess
Kunde 2
Lernprozess
Abb. 13: Abgrenzung der Intelligence Generation und Dissemination Quelle: Eigene Darstellung
Kundendominierte Innovationsprozesse, in denen die wesentlichen Aktivitaten zu Beginn des Prozesses (inkl. Prototypenentwicklung) alleine durch den Kunden getragen werden (CAP-
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Paradigma; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.3), finden in der vorliegenden Arbeit konzeptionell keine Beriicksichtigung. Durch den Fokus auf das Konstrukt der Kundenorientierung besteht die grundsatzliche Fragestellung darin, wie ein innovierendes Untemehmen im Innovationsprojekt kundenorientiert agieren kann. Der Hersteller ist damit ab Beginn des Prozesses definitionsgemaB involviert, so dass das CAP-Paradigma keinen relevanten Erklarungsrahmen ftir die vorliegende Arbeit bietet (vgl. zum CAP-Paradigma im Kontext hochgradiger Innovationen LETTL/GEMLFNDEN 2005).
Bine intensive Interaktion zwischen Hersteller und Kunde ist empfehlenswert, wenn das Innovationsprojekt auf einen groBen Innovationsschritt abzielt (GEMUNDEN 1981, S. 345 f.). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit das zusammenarbeitsorientierte Konzept der Kundenintegration eine herstellerdominierte Innovationsmarktforschung obsolet macht. Eine potenzielle Gefahr der Integration ausgewahlter Kunden besteht darin, dass der breitere Kontext auBer Acht gelassen wird (WORKMAN 1998, S. 274): Haben andere Kunden die gleichen Bediirfnisse? Wie groB und profitabel ist das entsprechende Kundensegment? Aufgabe der Innovationsmarktforschung ist es „[to] provide the bigger, marketwide picture" (WORKMAN 1993b, S. 19). Auf einer Kundenintegration basierende, einzelkundenbezogene Informationen sind durch eine systematische Innovationsmarktforschung zu erganzen, um das Erfolgspotenzial einer Innovation fur unterschiedliche Kundensegmente beurteilen zu konnen (vgl. auch ERNST 2001, S. 325).
Zusammenfassend: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen verlangt beides: (1) Innovationsmarktforschung im Sinne einer herstellerdominierten, breiten Orientierung an den Bediirfnissen potenzieller Zielkunden (Intelligence Generation) und (2) Kundenintegration im Sinne einer zusammenarbeitsorientierten Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess (Intelligence Dissemination). Intelligence Generation bezieht sich auf den breiten Markt (verstanden als alle potenziellen Kunden), wahrend Intelligence Dissemination einzelne, ausgewahlte Kunden fokussiert. 5.3.2.3 Inhaltliche Beschreibung der Intelligence Dissemination Wie in den beiden vorangegangenen Abschnitten ausfiihrlich begriindet und erlautert wurde, wird Intelligence Dissemination, als zweite Saule der Kundenorientierung, in der vorliegenden Arbeit konzeptualisiert als Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess. Im Folgenden werden relevante Gestaltungsoptionen der Kundenintegration bei hochgradigen Innovationen aufgezeigt. Die erste Gestaltungsoption betrifft den phasenspezifischen Einsatz von Aktivitdten der Kundenintegration (REICHART 2002, S. 126; ALAM 2002, S. 252). Grundsatzlich kann sich eine Hersteller-Kunden-Interaktion auf alle Phasen des Innovationsprozesses erstrecken: Von der
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Ideengenerierung uber die Produktenwicklung bis hin zur Markteinfiihrung (HERSTATT 1991, S. 45). Eine in der Literatur haufig angefuhrte Aktivitat der Kundenintegration ist die sog. Lead User-Methode. Lead User sind besonders innovative Kunden: Sie haben Bediirfnisse, die mit vorhandenen Produkten nicht - oder nur bedingt - zu befriedigen sind und die typische Nutzer erst in Zukunft wahmehmen. Zusatzlich zeichnen sie sich durch eine hohe Motivation aus. Sie suchen besonders intensiv nach Problemlosungen, da sie einen hohen Nutzen erwarten (VON HIPPEL 1986, S. 796). Um Lead User erfolgreich in den Innovationsprozess einzubinden, wurde von VON HIPPEL (1986, S. 797 ff.) in den 80er Jahren ein vierstufiges Vorgehen konzipiert, das seitdem kontinuierlich weiterentwickelt wurde (u.a. LUTHJE 2004; HERSTATT etal. 2002; VON HIPPEL etal. 1999; URBAN/VON HIPPEL, 1988; vgl. ausfiihrlich
Abschnitt 8.2.1.3). Neben dem phasenspezifischen Einsatz von Aktivitaten der Kundenintegration bezieht sich eine weitere Gestaltungsoption auf die Rollen bzw. Funktionen des Kunden im Innovationsprojekt (ALAM 2006, S. 470; LETTL/GEMUNDEN 2005, S. 339; REICHART 2002, S. 131).
Grundsatzlich unterscheidet BROCKHOFF (1998, S. 8 ff.) fiinf Arten von Beitragen, die Kunden innerhalb eines Innovationsprojektes erbringen konnen: (1) Kunden als Nachfrager, die Bediirfnisse erkennen lassen, (2) Kunden als aktive Mitgestalter des Innovationsprozesses, die z.B. Ideen geben, anregen, gestalten bis hin zu Probleme losen (3) Kunden als Innovator en, deren (quasi-) fertige Problemlosung entwickelt und vermarktet wird, (4) Kunden als Quelle von Anwendungserfahrungen fur das Redesign von Produkten (z.B. erhoben mittels einer Fokusgruppe bzw. Beobachtung) und (5) Kunden als Heifer bei der Uberwindung von Innovationswiderstdnden innerhalb des innovierenden Untemehmens. Es stellt sich die Frage, welcher Kundenbeitrag in der vorliegenden Arbeit ftir die Konzeptualisierung der Intelligence Dissemination relevant ist. Die Kundenbeitrage (1) und (4) spiegeln sich bereits in der ersten Saule der Kundenorientierung (Intelligence Generation) wider. (3) Kundendominierte Innovationsprozesse, in denen die Aktivitaten bis zur Prototypentwicklung alleine durch den Kunden getragen werden, finden im Kontext der vorliegenden Arbeit keine Berticksichtigung (vgl. zur Begriindung vorangegangener Abschnitt 5.3.2.2). (5) Interne Prozesse der Uberwindung von Innovationswiderstanden innerhalb des innovierenden Untemehmens stehen nicht im Zusammenhang zu dem extern orientierten Konstrukt der Kundenorientierung und sind damit nicht Fokus dieser Arbeit. Im Kontext der Kundenintegration steht der Kundenbeitrag (2), also die aktive Mitgestaltung von Kunden im Innovationsprozess, im Vordergrund der Betrachtung. Eine Konkretisierung der Moglichkeiten der aktiven Kunden-Mitgestaltung des Innovationsprozesses stellt der Systematisierungsansatz von HERSTATT (1991, S. 47 f) dar. Der Autor unterscheidet vier aktive Kunden-Rollen: Initiator, Berater, Partner und Vermarkter. Dieser
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Ansatz wird als Gestaltungsoption der Kundenintegration in der vorliegenden Arbeit ubernommen. Danach geben Kunden, die ein Innovationsprojekt initiieren, Initiatoren, einen aktiven Input im Innovationsprojekt, indem sie zu Beginn konkrete Bediirfnisse oder Probleme formulieren bzw. erfinderisch tatig sind (HERSTATT 1991, S. 47). Kunden, die die Rolle Berater einnehmen, formulieren konkrete Anspriiche an die Gestaltung der Innovation, wirken als Bewerter von Innovationskonzepten hzw. losen konkrete Probleme (HERSTATT 1991, S. 47 f.). Eine wiederholt an kritischen Punkten im Innovationsprozess stattfmdende Beratung durch ausgewahlte Kunden ermoglicht dem innovierenden Untemehmen ein systematisches Einholen von Kunden-Feedback bzgl. der Erfiillung von Anforderungen und Bedtirfnissen (LEONARD-BARTON 1998, S. 99).
Die intensivste Form der Zusammenarbeit besteht in der Funktion des Kunden als Partner. Hier gestalten Kunden den Innovationsprozess aktiv mit, indem sie im Bereich der Entwicklung und Konstruktion mitwirken bzw. als Prototypentester agieren. Dabei iibemehmen sie Aufgabenpakete vollstandig bzw. fuhren wesentliche Entwicklungsprozesse gemeinschaftlich mit dem innovierenden Untemehmen durch (HERSTATT 1991, S. 48). Diese Form der gemeinschaftlichen Produktentwicklung wird in der Literatur auch unter dem Stichwort ,co-development' (ATHAIDE et al. 2003) bzw. ,joint new product development' (FLIESS/ BECKER 2006; ATHAIDE/STUMP 1999) diskutiert. Eine partnerschaftliche Entwicklungstatigkeit zeichnet sich durch eine intensive, kontinuierliche Hersteller-Kunden-Interaktion aus (ATHAIDE/STUMP 1999, S. 473; LEONARD-BARTON 1998, S.
100).
Der Innovationsprozess bezieht sich nicht nur auf die Entwicklung der Innovation, sondem auch auf deren Vermarktung. Gerade im Kontext hochgradiger Innovationen gilt es, Innovationswiderstande im Markt abzubauen (SCHRADER 1995, S. 466). Vermarkter fordem in spateren Phasen des Innovationsprozesses die Akzeptanz der Innovation im Markt durch ihre Funktion als Pilot- oder Referenzkunde (HERSTATT 1991, S. 48). Wahrend Pilotkunden erste Anwendungserfahrungen zur Uberpriifung der Funktionsfahigkeit der Innovation ermoglichen, iiberzeugen Referenzkunden potenzielle Kunden im Markt (PLESCHAK 2001, S. 68 f). DefmitionsgemaB wird eine aktive Mitgestaltung im Innovationsprozess nicht durch den breiten Markt, sondem durch ausgewahlte Kunden getragen (BROCKHOFF 1997, S. 357 f). Da ein Kunde nicht notwendigerweise alle Funktionen/RoUen gleichzeitig kompetent iibemehmen muss, ist eine intensive Zusammenarbeit mit wenigen, ausgewahlten Kunden als besonders sinnvoll anzusehen (BROCKHOFF 2002, S. 33). Eine weitere, wesentliche Gestaltungsoption der Kundenintegration betrifft daher die Auswahl der zu integrierenden Kunden anhand speziflscher Eigenschaften (ALAM 2006, S. 470 f; REICHART 2002, S. 126; BROCKHOFF 1998, S. 11; GRUNER 1997, S. 76).
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Einer der ersten Autoren, der darauf hingewiesen hat, dass potenzielle Kunden einer Innovation sich in ihren Merkmalen unterscheiden, ist VON HIPPEL (1986). Der Autor impliziert mit seinem Lead User-Ansatz, dass die Gruppe potenziell integrierbarer Kunden bzgl. ihrer Eignung inhomogen ist (GRUNER 1997, S. 75). Ein potenzielles Auswahlkriterium ist daher die Frage, inwieweit es sich bei dem zu integrierenden Kunden um einen Lead User handelt (BROCKHOFF 2003, S. 473; HELM 2001, S. 80; GRUNER 1997, S. 187). Wie bereits dargestellt
wurde, sind Lead User trendanfilhrend in der Branche, da ihre heutigen Bediirfnisse bereits die kiinftigen Bediirfnisse des breiten Marktes erkennen lassen (VON HIPPEL 1986, S. 796). Dieses Kundenmerkmal stellt ein potenziell wichtiges Auswahlkriterium bei hochgradigen Innovationen dar, insbesondere weil hochgradige Innovationen haufig latente und zukiinftige Kundenbediirfnisse adressieren (HELM 2001, S. 80; MCDERMOTT 1999, S. 637; BROCKHOFF
1998, S. 7). Grundsatzlich besteht eine Gefahr der Kundenintegration darin, dass die generierten Bediirfnisse nicht fur den Gesamtmarkt, sondem nur fiir ein bestimmtes Kundensegment eine Prognose erlauben (BROCKHOFF 1997, S. 364). Ein potenziell relevantes Auswahlkriterium stellt daher die Reprdsentativitdt des Kunden fur den Gesamtmarkt dar, bezogen auf innovationsrelevante Kriterien wie z.B. Produktionsstruktur, UntemehmensgroBe bzw. Stand der Technik (BROCKHOFF 2003, S. 473; LETTL 2004, S. 87 f; GRUNER 1997, S. 76).
Ein weiteres, potenziell wichtiges Auswahlkriterium ist die technische Kompetenz des Kunden (BROCKHOFF 2003, S. 473; KIRCHMANN 1998, S. 302; GRUNER 1997, S. 77). Technische
Kompetenz bezieht sich auf die Fahigkeit, Funktionen und Interaktionen natiirlicher und kiinstlicher Zusammenhange zu verstehen und zu beschreiben (HiTT et al. 2000, S. 234). Ein Kunde mit hoher technischer Kompetenz kann wertvolles Wissen zu Losungsmoglichkeiten im Problemlosungsprozess beisteuem. Aufgrund ihrer iiberdurchschnittlich hohen Komplexitat (KIM/WILEMON 2003, S. 19; vgl. Tab. 2, Abschnitt 3.2.2.2) hat die technische Kompetenz des Kunden besondere Relevanz fiir hochgradige Innovationsprojekte (ATHAIDE et al. 2003, S. 52; ENKEL et al. 2005, S. 206 f; ATHAIDE/STUMP 1999, S. 473).
Ein unerwiinschter Wissensabfluss an Dritte (z.B. an Wettbewerber) ist grundsatzlich eine Gefahr der Kundenintegration (ENKEL et al. 2005, S. 205; BROCKHOFF 1997, S. 365). Daher wird in der Praxis haufig auf Kunden zuriickgegriffen, mit denen bereits eine langere, vertrauensvolle Geschaftsbeziehung besteht (PLESCHAK 2001, S. 69; KLEINSCHMIDT etal. 1996, S. 130 f). Aufgrund ihres iiberdurchschnittlich hohen strategischen Wertes (BAKER/SINKULA 2005, S. 491; vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1) und des damit verbundenen Bediirfnisses, die Entwicklung so lange wie moglich geheim zu halten, ist eine hohe Vertrauenswiirdigkeit des Kunden besonders relevant bei hochgradigen Innovationen (ATHAIDE et al. 2003, S. 52; BROCKHOFF 2003, S. 474; ATHAIDE/STUMP 1999, S. 473).
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III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Ein weiteres Auswahlkriterium kann das Nachfragepotenzial des Kunden sein, also die Frage, inwieweit es sich um einen potenziellen Grofiabnehmer handelt (ENKEL et al. 2005, S. 207; BROCKHOFF 2003, S. 473; HELM 2001, S. 81). Hochgradige Innovationen sind i.d.R. mit uberdurchschnittlich hohen Entwicklungs- und Vermarktungskosten verbunden (RiCE etal. 2002, S. 334; vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1). Da Grofiabnehmer das Vermarktungsrisiko senken, kann dieses Auswahlkriterium gerade bei hochgradigen Innovationen einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Ein haufiges Ziel der Kundenintegration ist die Nutzung integrierter Kunden als Referenzkunden im Markt (HELM 2001, S. 79). Der Status, ein Referenzkunde zu sein, eignet sich jedoch nicht als Kundenmerkmal, da er voraussetzt, dass das Innovationsprojekt bereits abgeschlossen ist und der Kunde die Innovation erworben hat und einsetzt (GRUNER 1997, S. 76 f.). Da Referenzkunden in der Branche ein hohes Ansehen genieBen und die Adoptionsprozesse anderer potenzieller Kunden beeinflussen, kann die Meinungsfuhrerschaft in der Branche als eine potenziell relevante Kundeneigenschaft betrachtet werden (ENKEL et al. 2005, S. 206; BROCKHOFF 2003, S. 473; PLESCHAK 2001, S. 69). Aufgrund ihrer erhohten Akzeptanzbarrieren im Markt (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.2.2.2) ist dieses Kriterium bei hochgradigen Innovationen besonders relevant. Die folgende Abbildung fasst die Konzeption und die Gestaltungsoptionen der Intelligence Dissemination bei hochgradigen Innovationen im Uberblick zusammen.
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^1^^^^^ IrtteHtgence Gesierstiort
1 I
intelligence Dissemination
Responsiveness
Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess
|i||ii|||||p|
• Phasenspezifischer Einsatz der Kundenintegration • Rollen/Funl
Abb 14 Konzeption und Gestaltungsoptionen der Intelligence Dissemination Quelle Eigene Darstellung
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
121
5.3.3 Dritte Saule: Responsiveness 5.3.3.1 Responsiveness verstanden als Wissenstransfer durch Marktvorbereitung Die dritte Saule des Ansatzes von KOHLI/JAWORSKI (1990), Responsiveness, beinhaltet im Kontext der Kundenorientierung die Reaktion auf die generierten und verbreiteten kundenbezogenen Informationen. KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 5 f.) verstehen darunter den Einsatz eines zielgruppenspezifischen Marketing-Instrumentariums, wobei eine an den Kundenbediirfnissen orientierte Produktentwicklung einen wesentlichen Aspekt darstellt. Der Betrachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, das Innovationsprojekt, stellt im Verstandnis der Autoren also bereits an sich eine Reaktion dar. Es lasst sich ableiten, dass im Kontext von Innovationsprojekten die Konzeptualisierung der Saule der Responsiveness eine Neudefinition verlangt (vgl. auch VERHEES/MEULENBERG 2004, S. 136). Es stellt sich die Frage, durch welche Art der Reaktion Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen sichergestellt werden kann. Das Konstrukt wurde in der vorliegenden Arbeit generisch defmiert als Ausrichtung der Innovationstatigkeit an den Kunden (vgl. Abschnitt 5.1.1). Durch die ersten beiden Komponenten der Kundenorientierung (Intelligence Generation und Dissemination) konnen Marktunsicherheiten fiir das innovierende Untemehmen reduziert werden. Hochgradige Innovationsprojekte sind jedoch nicht nur auf der Herstellerseite (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.2.2.1), sondem auch auf der Kundenseite mit erhohten Unsicherheiten verbunden. Im Rahmen der konzeptionellen Grundlagen dieser Arbeit wurden anhand von drei theoretischen Perspektiven die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht hergeleitet. Es konnte gezeigt werden, dass hochgradige Innovationen den Aufbau neuer Wissensstrukturen sowie Einstellungs- und Verhaltensdnderungen erfordem (BINSACK 2003, S. 219 f.), durch iiberwiegend ilbernahmehemmende Ausprdgungen der ROGERS-Kriterien gepragt sind (WEIBER/POHL 1995, S. 416) und aufgrund hoher negativer Kauffolgen und hoher Unsicherheiten ein vergleichsweise hohes wahrgenommenes Risiko aufweisen (HELM 2001, S. 170 f.; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2.2). In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass Kundenorientierung nicht nur auf der Seite des Herstellers (Intelligence Generation und Dissemination), sondem auch auf der Seite potenzieller Kunden die Reduktion von Unsicherheiten erfordert. Einen wesentlichen Stellenwert nimmt dabei die Bereitstellung geeigneter Informationen durch das innovierende Unternehmen ein (LEE/0'CONNOR 2003, S. 5; WREN et al. 2000, S. 603; BACKHAUSA^OETH 1995, S. 403). Einen interessanten Anhaltspunkt bietet in diesem Zusammenhang die Forschung z\x proaktiven/marktgestaltenden Formen der Marktorientierung: „Market-driving firms are successful at launching radically new products because they are able to educate consumers about the existence and value of the innovations "(CARRILLAT et al. 2004, S. 6; H.d.V.)
122
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Neben der Notwendigkeit eines tiefen Verstandnisses der Kundenbedtirfnisse zur Identifikation latenter und zukunftiger Kundenbedurfnisse hat sich die Beeinflussung von Kundenpraferenzen als wesentliches Merkmal marktgestaltender Kundenorientierung herauskristallisiert (HARRIS/CAI 2002, S. 185; CARPENTER/NAKAMOTO 1994, S. 572). Durch die Schaffling bzw. Veranderung von Kundenpraferenzen konnen die kognitiven Strukturen der Kunden und damit ihr Marktverhalten beeinflusst werden (JAWORSKI et al. 2000, S. 52 f.). Einen wesentlichen Stellenwert nimmt dabei die ^customer education \ die Beeinflussung von Kundenpraferenzen durch einen Wissenstransfer, ein (KUMAR etal. 2000, S. 134; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 4.2.2.2). Es stellt sich die Frage, wie eine marktgestaltende Beeinflussung von Kundenpraferenzen konkret umgesetzt werden kann. Einen ersten Ansatzpunkt bietet SANDBERG (2005; 2002) mit ihrem Beitrag zur Proaktivitdt in der MarkteinfUhrungsphase: "(...) proactiveness at the launch stage seems to be particularly important for highly innovative firms that are facing the challenge of shaping science into a commercially successful product. At this stage, it mainly takes the form of market preparation, i.e. building market awareness and educating prospective customers." (SANDBERG 2002, S. 190)
Danach manifestiert sich Proaktivitat/Marktgestaltung in der Markteinfiihrungsphase in einem Wissenstransfer durch eine Vorbereitung des Marktes. Marktvorbereitung kann verstanden werden als „readying the ,market' for the change" (EASINGWOOD/HARRINGTON 2002, S. 658). Dabei handelt es sich um spezifische Aktivitaten sowohl im Vorfeld als auch wahrend der Einftihrung der Innovation in den Markt. Ziel ist es, Unsicherheiten potenzieller Kunden zu senken und so die Diffusion der Innovation im Markt positiv zu beeinflussen (SANDBERG 2002, S. 188). In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass die Reduktion von Unsicherheiten auf der Seite potenzieller Kunden einen wesentlichen Aspekt der Ausrichtung der Innovationstatigkeit am Kunden darstellt. In Anlehnung an SANDBERG (2002) wird die dritte Saule der Kundenorientierung, Responsiveness, in der vorliegenden Arbeit konzeptualisiert als Wissenstransfer durch Marktvorbereitung. 5.3.3.2 Inhaltliche Beschreibung der Responsiveness Wie im vorangegangenen Abschnitt hergeleitet wurde, wird Responsiveness (als dritte Saule der Kundenorientierung nach KOHLI/JAWORSKI 1990) konzeptualisiert als Wissenstransfer durch Marktvorbereitung. SANDBERG (2005, S. 88; 2002, S. 190) versteht darunter (1) die Schaffung eines Bewusstseins fiir die Innovation (building market awareness) und (2) die Vermittlung von Wissen an potenzielle Kunden (educating prospective customers). Marktvorbereitung zielt vor allem auf den Aufbau neuer Wissensstrukturen bei potenziellen Kunden. Auf der Basis konzeptioneller Uberlegungen und einer qualitativen Fallstudie leitet die Auto-
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
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rin erste konkrete MaBnahmen der Marktvorbereitung bei hochgradigen Innovationen ab. Dazu gehort z.B. die Gewinnung von Meinungsftihrem sowie der Einsatz von Referenzkunden und Produktdemonstrationen (SANDBERG 2002, S. 189 ff.). Es handelt sich dabei um erste DenkanstoBe, die einer Erweiterung und Konkretisierung bedurfen; ein ganzheitlicher Ansatz zur Marktvorbereitung bei hochgradigen Innovationen liegt bis dato nicht vor (SANDBERG 2002, S. 194). Die folgende, literaturbasierte Ableitung relevanter MaBnahmen bei hochgradigen Innovationen gliedert sich entlang der beiden Bestandteile der Marktvorbereitung nach SANDBERG (2002). (1) Schaffung eines Bewusstseins fur die Innovation (building market awareness) Potenzielle Kunden miissen die Innovation als solche zunachst wahmehmen (Kenntnisnahme), damit sich daran ein Entscheidungsprozess (Meinungsbildung) anschlieBen kann (ROGERS 2003; S. 20f.; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.1.3). Die erste Komponente der Marktvorbereitung nach SANDBERG (2002), die Schaffung eines Bewusstseins fur die Innovation, zielt auf diese erste Phase des Adoptionsprozesses ab. Der Einsatz eines vergleichsweise hohen Kommunikations- und Vertriebsbudgets unterliegt dem Ziel einer hohen Prasenz/Sichtbarkeit der Innovation im Markt. Empirische Studien zeigen, dass der Marktanteil eines innovierenden Untemehmens positiv von der relativen Hohe des eingesetzten Kommunikations- und Vertriebsbudgets beeinflusst wird (LAMBKIN 1992, S. 14; URBAN etal. 1986, S. 652; YOON/LILIEN 1985, S. 140). Hoch innovative Unternehmen weisen in diesem Bereich i.d.R. tiberdurchschnittlich hohe Ausgaben auf (TRAYNOR/TRAYNOR 1997, S. 246).
Adoptionsprozesse nehmen von der ersten Kenntnisnahme bis zur Entscheidung fur die Ubemahme der Innovation i.d.R. eine gewisse Zeitspanne in Anspruch. Unter dem Begriff Produktvorankiindigung versteht man im zeitlichen Vorlauf der Markteinfuhrung stattfmdende Kommunikationsaktivitaten (MOHRLE 1995, S. 11; PREUKSCHAT 1993, S. 10 f).
Produktvorankiindigungen konnen individuelle Adoptionsprozesse zeitlich vorverlagem und damit die Diffusion einer Innovation beschleunigen (KOHLI 1999, S. 45; PREUKSCHAT 1993, S. 48). Das ermoglicht wiederum eine Verkiirzung der Break even-Zeit, was gerade bei investitionsintensiven Innovationen von besonderer Bedeutung ist (MOHRLE 1995, S. 61 f). Aufgrund ihrer verhaltnismaBig langen Diffusionszeitraume (z.B. DANNEELS 2002, S. 1106; vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1) werden Produktvorankiindigungen besonders bei hochgradigen Innovationen eingesetzt (BINSACK 2003, S. 278; LEE/O'CONNOR 2003, S. 15; EASINGWOOD/HARRINGTON 2002, S. 659; GUILTINAN 1999,
S. 520).
124
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
(2) Vermittlung von Wissen an potenzielle Kunden (educatingprospective customers) In der zweiten Phase des Adoptionsprozesses, der Meinungsbildung, entwickelt ein potenzieller Kunde eine Einstellung gegeniiber der Innovation, und darauf aufbauend erfolgt eine Entscheidung fur oder gegen ihre Obemahme (ROGERS 2003, S. 20 f.; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.1.3). Der zweite Bestandteil der Marktvorbereitung nach SANDBERG (2002), die Vermittlung von Wissen an potenzielle Kunden, setzt an dieser Phase des Adoptionsprozesses an. Ziel ist es, die seitens der potenziellen Kunden wahmehmbaren Innovationseigenschaften positiv zu beeinflussen und damit potenziell iibemahmehemmende Faktoren zu senken. Einen direkten Ansatzpunkt zur Senkung der Adoptionsbarrieren bieten die produktbezogenen Adoptionsfaktoren, die ROGERS-Kriterien (BAHR-SEPPELFRICKE 1999, S. 12 f.; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.1.3). Der Einfluss dieser Kriterien auf die Adoption hochgradiger Innovationen konnte empirisch nachgewiesen werden (STRUTTON etal. 1994, S. 127). In der Literatur wird davon ausgegangen, dass der relative Vorteil und die Kompatibilitdt besonders kritische Adoptionsfaktoren bei hochgradigen Innovationen darstellen (SANDBERG 2002, S. 189; GUILTINAN 1999, S. 515). Empirische Studien sttitzen diese Vermutung. Danach weist die Evaluierungsphase verhaltnismafiig starke Grundsatziiberlegungen auf: Die Adoption wird unmittelbar davon bestimmt, was die Innovation an prinzipiellem Nutzen zu bieten hat und wie kompatibel sie zu existierenden Erfahrungen und Bedurfnissen ist (KOLLMANN 1998, S. 274; SCHMALEN/PECHTL 1996, S. 832 f; STRUTTON et al. 1994, S. 127).
Die Vermittlung von Wissen an potenzielle Kunden sollte daher den relativen Vorteil und die Kompatibilitat der Innovation fokussieren. Da hochgradige Innovationen i.d.R. mit hohen negativen Kauffolgen (bei einer Fehlentscheidung) und gleichzeitig einer hohen Unsicherheit bzgl. des Eintritts dieser Folgen einhergehen (HELM 2001, S. 170 f; vgl. auch Abschnitt 3.2.2.2), sollte dariiber hinaus spezifisches Wissen zur Senkung des wahrgenommenen Risikos vermittelt werden. Die Ableitung geeigneter MaBnahmen zur Wissensvermittlung im Rahmen der Marktvorbereitung orientiert sich im Folgenden an den drei Kategorien Vermittlung von Wissen bezogen auf den relativen Vorteil der Innovation, die Kompatibilitat der Innovation und das wahrgenommene Risiko. Vermittlung von Wissen bezogen auf den relativen Vorteil der Innovation In der Literatur wird davon ausgegangen, neuer Funktionalitaten objektiv betrachtet Vorteil aufweisen (SAMLI/WEBER 2000, problematisch erweist sich jedoch, dass
dass hochgradige Innovationen z.B. aufgrund i.d.R. einen verhaltnismaBig hohen relativen S. 38; vgl. Tab. 2, Abschnitt 3.2.2.2). Als der relative Vorteil aufgrund der erhohten
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
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Unsicherheiten fur potenzielle Kunden vor dem Kauf haufig nicht eindeutig erkennbar ist (POHL 1996, S. 63). Bei den produktbezogenen Adoptionsfaktoren ist jedoch nicht das objektive MaB, sondem die subjektive Wahmehmung der Faktoren seitens potenzieller Kunden relevant (ROGERS 2003, S. 265 f.; GUILTINAN 1999, S. 526). Das heifit, ein objektiv hoher relativer Vorteil beeinflusst nur dann den Adoptionsprozess positiv, wenn die Vorteilhaftigkeit seitens des Kunden wahrgenommen wird. Einen wesentlichen Ansatzpunkt der Marktvorbereitung bei hochgradigen Innovationen stellt daher die intensive Kommunikation des relativen Vorteils der Innovation dar (SANDBERG 2002, S. 189; EASINGWOOD/HARRINGTON 2002, S. 660; GEIS/TWARDAWA 2001, S. 363).
Die Wahmehmung des relativen Vorteils der Innovation vor der Ubemahme wird durch die spezifische, ubemahmehemmende Auspragung der restlichen ROGERS-Kriterien haufig uberlagert (WEIBER/POHL 1995, S. 420; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2.2). Durch die Bereitstellung geeigneter Informationen zur Reduktion der Komplexitdt fur die Zielkunden kann die Wahmehmung des relativen Vorteils unterstiitzt werden (GEIS/ TWARDAWA 2001, S. 363; GuiLTlNAN 1999, S. 521). Produktdemonstrationen verdeutlichen Produktvorteile und reduzieren Unsicherheiten bzgl. der ErfLillung der Leistungskriterien (SANDBERG 2002, S. 193; GUILTINAN 1999, S. 519; EASINGWOOD/
BEARD 1989, S. 134). Durch die Moglichkeit einer stufenweisen Ubernahme konnen hochgradige Innovationen auf einer limitierten Basis erprobt werden (MEYERS et al. 1999, S. 304 f.; FRAMBACH et al. 1998, S. 170), wobei sich diese MaBnahme rein technisch nicht fiir alle Produktkategorien gleich gut eignet. SchlieBlich kann durch den Einsatz von Pionieranlagen/Referenzkunden die Innovation in der praktischen Anwendung gezeigt und die Funktionsfahigkeit der Innovation demonstriert werden (SANDBERG 2002, S. 189; KOTTKAMP 1998, S. 162 f.; LENDER 1991, S. 239).
Vermittlung von Wissen bezogen auf die Kompatibilitdt der Innovation Wie bereits dargestellt wurde, gilt neben der relativen Vorteilhaftigkeit die Kompatibilitdt der Innovation als ein weiterer, besonders kritischer Adoptionsfaktor bei hochgradigen Innovationen (SANDBERG 2002, S. 189; SCHMALEN/PECHTL 1996, S. 832 f.). Hochgradige Innovationen sind aufgmnd ihrer Neuartigkeit haufig vergleichsweise wenig kompatibel zu existierenden Werten, Erfahmngen und Bedtirfnissen der Zielkunden (AGGARWAL etal. 1998, S. 359; vgl. Tab. 2, Abschnitt 3.2.2.2). Die Ubemahme hochgradiger Innovationen verlangt in der Konsequenz i.d.R. signifikante Einstellungs- und Verhaltensmodifikationen (ROGERS 2003, S. 245). In der Phase der Meinungsbildung hat eine personliche Kommunikation einen hoheren Einfluss auf die Einstellungsbildung und -andemng als massenmediale Kommunikation (ROGERS 2003, S.205). Personliche Kommunikation ermoglicht Rtickfragen bzw. das Ein-
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HI Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
holen von Informationen, die fur potenzielle Adopter individuell zu einem bestimmten Zeitpunkt relevant sind. Eine intensive personliche Interaktion mit den Zielkunden gilt daher als wichtiger Aspekt der Marktvorbereitung (FRAMBACH etal. 1998, S. 170; GESCHKA/EGGERT 1990, S. 35), wobei die Bedeutung mit zunehmendem Innovationsgrad steigt (TRAYNOR/TRAYNOR 2004, S. 460; SANDBERG 2002, S. 194; GARDNER et al. 2000,
S. 1062). Innovierende Untemehmen sollten daruber hinaus Meinungsjuhrer in der Branche direkt ansprechen, um gezielt Multiplikatoreffekte auszulosen (SANDBERG 2002, S. 189; BROSSARD
1998, S. 45; BEARD/EASINGWOOD
1996, S. 94). Meinungsfiihrer
(opinion leaders, LAZARSFELD et al. 1944) sind Personen, die im Kommunikationsprozess die Informationen vom Kommunikator filtem, iibersetzen, bewerten und personlich an Zielpersonen weitergeben. Als relativ objektive, untemehmensexteme Personen geben Meinungsfiihrer eine wesentliche Orientierung fur die Kaufentscheidung Anderer (vgl. ausfuhrlich TROMMSDORFF 2004, S. 237 ff.). Neben dem Einsatz personlicher Kommunikation kann die Kompatibilitat einer Innovation durch gezielte Qualiflkationsmafinahmen und Implementierungshilfen fur die Zielkunden aktiv erhoht werden (MEYERS etal. 1999, S. 297; LEONAJa)-BARTON 1988, S. 26). Insbesondere die Implementierung hochgradiger Innovationen verlangt haufig die Unterstiitzung der damit verbundenen Anpassungsprozesse, um eine vollstandige Bediirfnisbefriedigung zu ermoglichen (PARASURAMAN/COLBY 2001, S. 7; GOFFIN/NEW 2001, S. 298; GUILTINAN 1999, S. 520).
Vermittlung von Wissen bezogen aufdas wahrgenommene Risiko Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt aufgrund hoher (mit einer Fehlentscheidung verbundener) negativer Kauffolgen und einer hohen Unsicherheit bzgl. des Eintrittes dieser Folgen das wahrgenommene Ubemahmerisiko (HELM 2001, S. 170 f.; vgl. auch Tab. 2, Abschnitt 3.2.2.2). Spezifische MaBnahmen der Marktvorbereitung adressieren im Schwerpunkt das wahrgenommene Risiko potenzieller Kunden. Ein Ansatz zur Senkung des finanziellen Risikos ist eine ilberdurchschnittlich ausgeprdgte Garantiepolitik (GOFFIN/NEW 2001, S. 278; GARDNER etal. 2000, S. 1074; SRIVASTAVA/MITRA 1998,
S. 327). Spezielle Einfuhrungs- und Vorverkaufspreise adressieren das wahrgenommene Risiko friiher Ubemehmer (Innovatoren) und beschleunigen damit die Diffusion (MONTAGUTI etal. 2002, S. 24; GUILTINAN 1999, S. 519; EASINGWOOD/BEARD 1989, S. 134). In der Literatur wird in diesem Zusammenhang z.T. auch auf die Moglichkeit der Gewahrung von Finanzierungshilfen fur potenzielle Kunden verwiesen (BEARD/ EASINGWOOD 1996, S. 95; EASINGWOOD/BEARD 1989, S. 135).
Insgesamt betrachtet kann davon ausgegangen werden, dass hochgradige Innovationen eine Vorbereitung des Marktes verlangen, die iiber klassische Marketingaktivitaten hinausgeht: Es
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bedarf einer Strategic, die an den spezifischen Adoptionsbarrieren der Zielkunden angelehnt ist (RACKHAM 1998, S. 206 f.). Aufbauend auf den Erkenntnissen von SANDBERG (2002) und einer Literaturanalyse wurden Mafinahmen einer Marktvorbereitung bei hochgradigen Innovationen abgeleitet. Die folgende Abbildung fasst die Erkenntnisse zusammen.
^^
:qii|i|iii|i:i|
Wissenstransfer durch Marktvorbereitung • Schaffung eines Bewussteins fur die Innovation - Einsatz eines vergleichsweise hohen Kommunikationsbudgets - Einsatz eines vergleichsweise hohen Vertriebsbudgets - Produlctvorankundigung • Vermittlung von Wissen... ...bezogen auf den relativen Vorteil der Innovation - Intensive Kommunikation des relativen Vorteils der Innovation - Bereitstellung geeigneter Informationen zur Komplexitatsreduktion - Produktdemonstrationen - Moglichkeit einer stufenweisen Ubernahme - Einsatz von Pilotanlagen/Referenzkunden ...bezogen auf die Kompatibilitat der Innovation - Intensive personliche Interaktion mit den Zielkunden - Direkte Ansprache von Meinungsfuhrern - Qualifikationsmalinahmen/lmplementierungshilfen fur die Zielkunden ...bezogen auf das wahrgenommene Risiko - Uberdurchschnittlich ausgepragte Garantiepolitik - Spezielle Einfijhrungs- und Vorverkaufspreise - Finanzierungshilfen
Abb. 15: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Responsiveness Quelle: Eigene Darstellung
5.4 Zusammenfassung Als ein wesentliches Ziel der vorliegenden Arbeit wurde die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen defmiert. Im fiinften Kapitel wurde dieser Zielsetzung nachgegangen. Dazu wurde zunachst der Untersuchungsfokus prazisiert und der Stand der Forschung aufgearbeitet. AnschlieBend wurde ein Basisverstandnis des Konstruktes entwickelt. Neben der Auswahl des Ansatzes von KOHLI/JAWORSKI (1990) als Referenzbasis wurden dazu das generative Lemen und Proaktivitat/Marktgestaltung als wesentliche Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen identifiziert. Darauf aufbauend erfolgte die inhaltliche Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Entlang der drei Saulen Intelligence Generation, Intelligence Dissemination und Responsiveness wurde jeweils das inhaltliche Verstandnis hergeleitet und eine inhaltliche Beschreibung vorgenommen. Die erste Saule der Kundenorientierung, Intelligence Generation, wurde als Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarkforschung konzeptualisiert. Beziiglich der zweiten Saule der Kundenorientierung,
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III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Intelligence Dissemination, wurde eine Neudefinition vorgenommen. Es konnte gezeigt werden, dass bei hochgradigen Innovationen eine ausreichende Kundenorientierung durch eine reine Informationsweitergabe vom Marketing- an den F&E-Bereich und eine rein passiv gepragte Rolle des Kunden nicht gewahrleistet werden kann. Durch eine Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess konnen hingegen zum einen kundenbezogene F&E-Informationen generiert werden und zum anderen generative Lemprozesse gefordert werden. In Abgrenzung zur herstellerdominierten Innovationsmarktforschung wurde Kundenintegration basierend auf dem Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1981) als kooperativer, gemeinsamer Lemprozess konzeptualisiert. AbschlieBend erfolgte die Konzeptualisierung der dritten Saule der Kundenorientierung, der Responsiveness. In Anlehnung an Ansatze zur Proaktivitat/Marktgestaltung wurde Responsiveness konzeptualisiert als Wissenstransfer durch Marktvorbereitung. Die folgende Abbildung fasst die Konzeption und die wesentlichen Gestaltungsoptionen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen im Uberblick zusammen.
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1 p^mm^m^--'',
Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung
Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess
Phasenspezifischer Einsatz der Innovationsmarktforschung
Phasenspezifischer Einsatz der Kundenintegration
Schaffung eines Bewusstseins fur die Innovation
Methoden der Innovationsmarktforschung
Rollen/Funktionen der integrierten Kunden
Vermittlung von Wissen...
Untersuchungsziele der Innovationsmarktforschung
Eigenschaften der integrierten Kunden
Durchfijhrung der Innovationsmarktforschung
Wissenstransfer durch Marktvorbereitung
... bezogen auf den relativen Vorteil der Innovation ...bezogen auf die KompatibilitSt der Innovation ...bezogen auf das wahrgenommene Risiko
Abb. 16: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Quelle: Eigene Darstellung
Insgesamt betrachtet wird deutlich, dass Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen einen beiderseitigen Lernprozess zwischen Hersteller und Kunden darstellt. Basis der Lemprozesse des innovierenden Untemehmens sind Aktivitaten der Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation) und eine intensive Zusammenarbeit mit ausgewahlten Kunden, die iiber Marktforschung hinausgeht (Intelligence Dissemination). Auf diese Weise konnen Marktunsicherheiten reduziert werden, die vor allem aus mangelnden Kenntnissen iiber die Anforderungen potenzieller Kunden an die Innovation resultieren. Lemprozesse potenzieller Kunden basieren neben der Hersteller-Kunden-Interaktion (Intelligence Dissemination) auf
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einem Wissenstransfer im Rahmen der Marktvorbereitung durch das innovierende Untemehmen (Responsiveness). So konnen Akzeptanzbarrieren gesenkt werden, die eine Folge der erhohten kundenbezogenen Unsicherheiten hochgradiger Innovationen darstellen. Basierend auf den bisherigen Ergebnissen erfolgt im Kapitel 6 eine empirische Bestandaufnahme zur Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten.
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6 Empirische Bestandsaufnahme Im vorangegangenen Kapitel wurde das Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen konzeptualisiert. Das vorliegende Kapitel 6 dient einer empirischen Bestandsaufnahme. Zunachst wird das Design der empirischen Untersuchung vorgestellt (6.1). Dazu werden die Zielsetzung des Innovationskompass (6.1.1), die Berucksichtigung von Qualitatskriterien der empirischen Forschung (6.1.2), die Operationalisierung der Basiskonzepte (6.1.3) und methodische Analysegrundlagen (6.1.4) dargestellt. AnschlieBend werden deskriptive Ergebnisse der empirischen Untersuchung fokussiert (6.2). Aufbauend auf einer kurzen Beschreibung der Stichprobe (6.2.1) werden entlang der drei Saulen Intelligence Generation (6.2.2.1), Intelligence Dissemination (6.2.2.2) und Responsiveness (6.2.2.3) die Merkmale der Kundenorientierung vorgestellt. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung (6.3). 6.1 Design der empirischen Untersuchung 6.1.1 Zielsetzung des Innovationskompass Die empirische Bestandsaufnahme zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen basiert auf Daten, die im Rahmen des sog. Innovationskompass erhoben wurden. Der Innovationskompass ist eine Forschungskooperation der Technischen Universitat Berlin mit den Lehrstuhlen Innovations- und Technologiemanagement (Professor Dr. H.G. Gemiinden) und Marketing (Professor Dr. V. Trommsdorff), der Untemehmensberatung McKinsey & Company und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI und VDI Nachrichten; siehe fiir eine ausfiihrliche Beschreibung des Forschungsprojektes O.V. 2001). Der Innovationskompass stellt ein sog. Co-Res earch-Projekt (HARTLEY/BENINGTON 2000) dar. Co-Research-Projekte adressieren z.T. bestehende Konflikte zwischen Wissenschaft und Praxis. Praktiker haben z.T. Schwierigkeiten, wissenschaftliche Theorien, Konzeptionen und Analysen umzusetzen. Die Erkenntnisse werden entweder als zu abstrakt oder aber als zu banal bzw. bereits bekannt eingestuft. Umgekehrt kritisieren Wissenschaftler eine in der Tendenz undifferenzierte bzw. oberflachliche Herangehensweise in der Problemlosung und eine mangelnde Bereitschaft der Praxis zur Implementierung wissenschaftlicher Erkenntnisse (TOMCZAK 1992, S. 78). Ziel des Innovationskompass ist es, durch eine Kooperation zwischen Wissenschaft (TU Berlin) und Praxis (McKinsey & Company und VDI) beide Perspektiven zu berucksichtigen und so Synergieeffekte zu erzielen (HARTLEY/BENINGTON 2000, S. 464 f.). Inhaltlich fokussiert der Innovationskompass das Management hochgradiger Innovationsprojekte in Deutschland. Um das Management moglichst ganzheitlich zu erfassen, wird sowohl die Perspektive der Innenorientiemng als auch die Perspektive der AuBenorientierung
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beriicksichtigt. Der Innovationskompass stellt ein mehrstufiges, kontinuierliches Forschungsprojekt dar. In der ersten Runde reprasentierten sieben Themenfelder das Forschungsfeld Jewells eines Doktoranden: Aufbauorganisation, Ablauforganisation, technologieorientierte Zusammenarbeit und informale Organisation/Kultur (Innenorientierung) sowie Kundenorientierung, Wettbewerberorientierung und Umfeldorientierung (AuBenorientierung). Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf das Themenfeld der Kundenorientierung. Die empirische Forschung liefert bis dato nur wenige Anhaltspunkte allgemein zur Kundenorientierung auf der Projektebene (REICHART 2002, S. 115) bzw. zur Kundenorientierung im Kontext hochgradiger Innovationen (O'CONNOR 1998, S. 153). Die Kemfragestellung der empirischen Bestandsaufnahme lautet daher: Durch welche Merkmale/Aktivitdten ist die Kundenorientierung deutscher Unternehmen in hochgradigen Innovationsprojekten geprdgt? Von der empirischen Bestandsaufnahme zu unterscheiden ist die Frage, welchen Einfluss Kundenorientierung auf den Erfolg eines Innovationsprojektes ausiibt. Entsprechende Hypothesen werden im weiteren Verlauf der Arbeit abgeleitet (Teil IV) und empirisch iiberpruft (Teil V). 6.1.2 Berticksichtigung von Qualitatskriterien der empirischen Forschung Der Innovationskompass basiert auf verbalen, retrospektiven Daten. Diese Form der Datenerhebung ist in der Vergangenheit im Hinblick auf ihre Gtite kritisiert worden (PODSAKOFF/ORGAN 1986, S. 532ff; NISBETT/WILSON 1977, S. 231 ff). Wissenschaftliche
Studien zeigen jedoch, dass eine retrospektive Erhebung verbaler Daten valide und reliabel ist, wenn die Datenerhebung bestimmten Grundsdtzen unterliegt (HUBER 1985, S. 943 ff). Im Innovationskompass wurde die Validitat und Reliabilitat der Daten sichergestellt, indem die Untersuchungsfalle und Respondenten sorgfaltig ausgewahlt wurden (vgl. Abschnitt 6.1.2.1) und die Datenerhebung sorgfaltig vorbereitet und durchgefiihrt wurde (vgl. Abschnitt 6.1.2.2; HuBER/PowER 1985, S. 174 ff; ERICSSON/SIMON 1980, S. 215 ff).
6.1.2.1 Generierung der Stichprobe und Respondentenauswahl Eine qualitativ hochwertige empirische Untersuchung verlangt eine dem Forschungszweck angemessene Generierung der Stichprobe und Auswahl geeigneter Respondenten. Die Stichprobengenerierung im Rahmen des Innovationskompass basiert mif folgenden Beschreibungselementen der Grundgesamtheit (vgl. auch KRIEGER 2005, S. 124 f; BILLING 2003, S. 160 f): (1) Untersuchungsobjekt: In der Innovationsforschung wird je nach Aggregationsniveau die Ebene des Unternehmen, des Geschaftsbereiches bzw. des Einzelvorhabens/Projektes
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betrachtet (ICHIMURA et al. 1995, S. 108 f.). Der Innovationskompass konzentriert sich auf die Untersuchung einzelner Innovationsvorhaben zur Entwicklung und Vermarktung von Innovationen (Projektebene). (2) Innovations art: Der Innovationskompass fokussiert hochgradige Produktinnovationen. Nicht betrachtet werden neue Faktorkombinationen im innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess (sog. Prozessinnovationen; vgl. Abschnitt 3.1.1). Zur generischen Einstufung des Innovationsgrades dienen die Markt- und die Technologiedimension: Hochgradige Innovationen weisen definitionsgemaB mittlere bis hohe marktbezogene und/oder mittlere bis hohe technologiebezogene Veranderungen auf (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.2.1.1). (3) Branchenfokus'. Der Innovationskompass verfolgt einen branchenilbergreifenden Ansatz. Je heterogener die untersuchten Branchen sind, desto starker kann es jedoch zu einer Aufweichung von Effekten kommen (SCHLAAK 1999, S. 130). Um die Heterogenitat zu begrenzen, stellen daher die innovationsaffmen Branchen Automobilbau, Maschinenbau, Elektrotechnik, Software und Biotechnologie die Zielbranchen des Innovationskompass dar. Innerhalb dieser Branchen werden sowohl Projekte aus BtoB-, als auch aus BtoCMarkten beriicksichtigt. (4) Geografischer Fokus: Der geografische Fokus des Innovationskompass ist Deutschland. In Ausnahmefallen werden Projekte auslandischer Untemehmen untersucht, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Projekte zu 100 % in Deutschland durchgefiihrt wurden. Bis auf Ausnahmen (z.B. SANDBERG 2005; LETTL 2004) hat sich die empirische Forschung bis dato auf die Untersuchung hochgradiger Innovationsprojekte in den USA beschrankt (z.B. O'CONNOR 1998; VERYZER 1998a/b).
Diese vier Kriterien stellen im Innovationskompass die Basis der Identifikation geeigneter, zu untersuchender Falle dar. In der Innovationsforschung ist es ublich, Untemehmen mit der Bitte zu kontaktieren, ein geeignetes Innovationsprojekt auszuwahlen und mittels eines Fragebogens einzustufen. Als problematisch erweist sich jedoch, dass Innovationsprojekte mit zunehmendem Innovationsgrad verstarkt der Geheimhaltung im Untemehmen unterliegen (GRUNER 1997, S. 10). Entsprechend besteht bei einer selbst bestimmten Auswahl seitens der Untemehmen die Gefahr, dass nur Projekte mit einem vergleichsweise geringen Innovationsgrad in die Stichprobe eingehen (SALOMO 2003, S. 407 f.). Dariiber hinaus sind aufgmnd der eingeschrankten Veroffentlichung von Informationen klassische Recherchemethoden wie z.B. die Analyse von Presseberichten und Intemetseiten nur sehr begrenzt Erfolg versprechend (BILLING 2003, S. 161).
Die Generiemng einer Stichprobe hochgradiger Innovationsprojekte verlangt daher eine besondere Aufmerksamkeit der Identifikation geeigneter Falle. Im Rahmen der ersten Runde des Innovationskompass wurden zum einen Teilnehmer- und Gewinnerlisten deutscher Innova-
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tionspreise (z.B. Innovationspreis der deutschen Wirtschaft, Innovationspreis Berlin/ Brandenburg) bzw. Verzeichnisse deutscher Innovationsforderprogramme (z.B. des Bundesministeriums fxir Bildung und Forschung, BMBF) herangezogen. Dariiber hinaus hat das Innovationskompass-Team in Zusammenarbeit mit 20 Industrieexperten der Projektpartner sog. Innovations/elder definiert. Es handelte sich dabei um spezifische Themengebiete/ Technologiebereiche, in denen in den letzten Jahren eine intensive Entwicklungstatigkeit zu beobachten war und die ein hohes Potenzial fiir hochgradige Innovationen bereits zeigten bzw. zukiinftig erwarten lieBen (SALOMO 2003, S. 410). Im Innovationskompass beispielhaft vertretene Innovationsfelder sind (vgl. auch KRIEGER2005, S. 126): Brennstoffzelle, By-wire, Telematik (Automobil); Genom, Endoprothetik, Plasmareinigung (Biotech); Photovoltaik, Sensorik, Biometrie (Elektrotechnik); Nanotechnologie, Machine Vision, Laser (Maschinenbau) und Mustererkennung, Breitband und Wireless Web (Software). Fiir jedes der insgesamt 45 identifizierten, viel versprechenden Innovationsfelder wurden die Industrieexperten gebeten, deutsche Untemehmen zu benennen, die aktiv die Entwicklung der Felder vorantreiben. Diese nicht auf dem Zufallsprinzip basierende Form der Stichprobengenerierung ist dem explorativen Charakter der Untersuchung angemessen und wird in vergleichbaren empirischen Innovationsstudien ebenfalls herangezogen (z.B. ATUAHENE-GIMA/ Ko 2001, S. 61; die Autoren sprechen von einem sog. ,judgement sample'). Die durch die Experten benannten Untemehmen wurden moglichst iiber bereits bestehende, personliche Kontakte auf Seiten der Projektpartner angesprochen und um die Teilnahme am Innovationskompass mit ihren innovativsten Projekten gebeten. Die GefahrA^ermutung, die Untemehmen konnten vorzugsweise ihre erfolgreichsten Prestigeprojekte auswahlen, wurde durch die empirischen Ergebnisse nicht bestatigt. Vielmehr konnte im Sample ein gutes Verhaltnis aus erfolgreichen und weniger erfolgreichen Projekten erzielt werden. Eine wesentliche Voraussetzung der Teilnahme war, dass es sich um ein Projekt handelte, das erst kiirzlich in den Markt eingeflihrt wurde bzw. kurz vor der Markteinfiihmng stand. Durch diesen Fokus aufrelativ aktuelle Projekte wurden Verzermngseffekte minimiert, die bei einer retrospektiven Erhebung weit in der Vergangenheit liegender Ereignisse auftreten konnen (z.B. Erinnemngsverlust, tJberlagemng; HUBER/POWER 1985, S. 177; NISBETT/WILSON 1977, S. 231 ff.).
Das Setzen von Anreizen fiihrt zu einer erhohten Teilnahmemotivation der Respondenten und damit VoUstandigkeit und Sorgfalt der Angaben (HUBER/POWER 1985, S. 176). Neben der Zusichemng der Vertraulichkeit der Daten dienten als Anreize ein Exemplar des Endberichtes sowie ein individualisiertes Profil des Projektes im Vergleich zur Stichprobe. Insgesamt wurden 276 Kontakte hergestellt, aus denen eine Stichprobe von 103 Innovationsprojekten generiert werden konnte. Eine Riicklaufquote von 37 % kann gemessen an den Schwierigkeiten der Stichprobengeneriemng im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte als sehr zufriedenstellend eingestuft werden.
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Nicht nur die Stichprobengenerierung, sondem auch die Auswahl geeigneter Respondenten hat einen wesentlichen Einfluss auf die Qualitat empirischer Studien. In der empirischen Forschung dominiert bis dato die Heranziehung eines Schlusselinformanten pro untersuchtem Fall (BiEMANS 2003, S. 520; ERNST 2002, S. 34). Das ist insofem problematisch, als das so die Gefahr des sog. Single-Informant-Bias besteht (KuMAR et al. 1993, S. 1634; PODSAKOFF/ ORGAN 1986, S. 533). So kann z.B. ERNST (2001, S. 296) empirisch nachweisen, dass die hierarchische Stellung und die funktionale Zugehorigkeit zu erheblichen Informantenspezifischen Verzerrungen bei der Bewertung der Neuproduktentwicklung fiihrt. Im Rahmen des Innovationskompass wurde daher der Empfehlung von ERNST (2001, S. 321) gefolgt, bei komplexen Innovationsprozessen (z.B. hoher Innovationsgrad) mindestens zwei kompetente Schlusselinformanten pro untersuchtem Fall auszuwahlen. Basis der Auswahl geeigneter Respondenten sollten individuelle Kompetenzen zur Beantwortung der zu untersuchenden Fragestellungen sein (KUMAR et al. 1993, S. 1635). Bei mehreren Respondenten sollten die Personen moglichst iiber verschiedene Themenaspekte unterschiedlich gut Bescheid wissen bzw. verschiedene Betrachtungsperspektiven einnehmen konnen (HUBER/POWER 1985, S. 174 f.). Da im Innovationskompass als Untersuchungsobjekt das Innovationsvorhaben gewahlt wurde, wurden Informanten auf der Projektebene fokussiert (vgl. auch ERNST 2001, S. 227). Die Interviewpartner wurden so ausgewahlt, dass ein Informant im Projekt fur die technische Entwicklung der Innovation und der andere Informant ftir das Marketing verantwortlich war. Dariiber hinaus sollte einer der beiden Interviewten als Projektleiter gewirkt haben, um iibergreifende Fragen zum Untemehmen und Projekt beantworten zu konnen. Nur in Ausnahmefallen, in denen die technik- und marktbezogene Verantwortung in Personalunion besetzt war, wurden samtliche Angaben durch einen Informanten bereitgestellt. 6.1.2.2 Vorbereitung und Durchfuhrung der Datenerhebung Um dem Anspruch einer umfassenden Untersuchung bei gleichzeitig relativ groBer Fallzahl gerecht zu werden, wurde als Methode der Datenerhebung das strukturierte Einzelinterview gewahlt. Die personliche Anwesenheit von Interviewem bei der Datenerhebung ermoglicht die Erfassung komplexer Sachverhalte, indem z.B. Riickfragen direkt geklart werden und ggf auch erganzende Materialien (z.B. Visualisierungen, Beschreibungen) eingesetzt werden konnen (BEREKOVEN et al. 2004, S. 106 ff).
Basis der Einzelinterviews stellte ein standardisierter Fragebogen dar. Indem die Fragen in alien Interviews in der gleichen Reihenfolge und im gleichen Wortlaut gestellt wurden, konnte der Ablauf der Befragungen strukturiert und die Vergleichbarkeit der Interviews sichergestellt werden (BEREKOVEN et al. 2004, S. 98). Dariiber hinaus bestand die Moglichkeit, spezielle Themengebiete im Gesprach zu vertiefen bzw. zu diskutieren. Ein Interview-
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Protokoll diente der Erhebung dieser qualitativen Zusatzinformationen. SchlieBlich wurden soweit verftigbar - Sekunddrinformationen wie z.B. Geschaftsberichte, Produktbeschreibungen, Presseberichte und Marktdaten zusammengetragen. Zusatzinformationen untersttitzen die kontextbezogene Interpretation der erhobenen Daten und ermoglichen eine exteme Dateniiberprufung (RiEGE 2003, S. 82). Die Fragebogenstruktur und die Formulierung der Fragen haben einen hohen Einfluss auf das Antwortverhalten der Respondenten (HUBER/POWER 1985, S. 177). Entsprechend wurde der Fragebogen dufierst sorgfdltig durch das Innovationskompass-Team entwickelt. Soweit moglich, insbesondere zur Messung des Innovationsgrades und des Erfolges, wurde auf bewahrte Konstrukte zuriickgegriffen. Basis der Erfassung der Kundenorientierung stellte die im vorangegangenen Abschnitt dargestellte Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen dar. Daraus abgeleitete Operationalisierungen wurden zusammen mit den Kooperationspartnem im Rahmen einer Vielzahl iterativer Abstimmungsprozesse diskutiert und konkretisiert. AnschlieBend wurde der Fragebogen unter Ruckgriff auf Experten von der TU Berlin und der Universitat Kiel sowie vier Respondenten aus der Praxis mehreren Pretests unterzogen. Im Vordergrund stand die Uberpriifung der Relevanz und Verstandlichkeit der Fragen sowie der Zumutbarkeit der Dauer der Befragung. Die Anregungen aus den Pretests fuhrten zu geringfiigigen Modifikationen des Fragebogens. Der Fragebogen umfasste insgesamt elf Themenblocke aufdrei Untersuchungsebenen. Neben allgemeinen Daten zum Geschaftsbereich/Untemehmen (Untemehmensebene) und zu den Innovationsfeldem (Ebene des Innovationsportfolios) wurden im Schwerpunkt fiir ein Innovationsvorhaben allgemeine Daten und vertiefende Informationen zu den spezifischen Themenfeldem der Innen- und AuBenorientierung erhoben (Projektebene). Geschlossene Fragen wurden iiberwiegend mit siebenstufigen Rating-Skalen (z.B. 1 = trifft iiberhaupt nicht zu bis 7 = trifft vollkommen zu) abgefragt. Dariiber hinaus wurden einfache Altemativfragen (ja/nein), alternative Auswahlfragen, Selektivfragen mit optionalen Mehrfachantworten und offene Fragen eingesetzt. Zur Minimierung von Messfehlem erfolgte die Aufteilung der Beantwortung der Themenblocke auf die beiden Interviewten auf der Basis ihrer ftinktionalen Kompetenz (ERNST 2001, S. 159). Wahrend von dem F&E-Informanten die hochste Kompetenz ftir die intemen Themengebiete zu erwarten war, erschien der Marketing-Informant am besten geeignet zur Beantwortung der auBenorientierten Themen. Entsprechend wurden alle Fragen zum Konstrukt der Kundenorientierung (Aktivitaten der Innovationsmarktforschung, Kundenintegration und Marktvorbereitung) dem Marketing-Verantwortlichen gestellt. Auch neuere Studien zeigen, dass Informationen zur Integration von Kunden in den technischen Entwicklungsprozess auf diese Weise valide gemessen werden konnen (z.B. BONNER/WALKER 2004, S. 161).
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Die Informationen zum Geschaflsbereich/Untemehmen und Innovationsportfolio sowie die themeniibergreifenden, allgemeinen Prqjektdaten (insb. Einstufung des Erfolges und des Innovationsgrades) wurden durch den Projektleiter bereitgestellt. Da in der Mehrzahl der Falle die Funktion des Projektleiters durch den F&E-Informanten eingenommen wurde, wurden im Kontext der Kundenorientierung die unabhangigen Variablen (Aktivitaten der Kundenorientierung) und die abhangigen Variablen (Erfolg) durch zwei unterschiedliche Informanten eingestuft. Auf diese Weise konnte bei der im weiteren Verlauf der Arbeit durchzufiihrenden Hypothesenpriifling (vgl. Teil V) der Forderung nach einer Kontrolle des SingleInformant-Bias (PODSAKOFF/ORGAN 1986, S. 533) nachgekommen werden. Die Interviews wurden von Anfang Mai 2001 bis Ende Juli 2001 durchgefiihrt. Den Informanten wurden die Fragebogen ca. eine Woche vor dem Interview zugesandt mit der Bitte, sich einzulesen bzw. wenn moglich, den Fragebogen schon vorab auszufullen. Auf diese Weise konnten in vielen Interviews kritische Punkte fokussiert und Diskussionen vertieft werden. Die Interviewdauer lag bei jeweils mindestens 2 Stunden, der Median bei etwa 3 Stunden (SALOMO 2003, S. 411). Verantwortlich fur die Durchfuhrung vor Ort war jeweils ein Interviewerteam aus zwei Doktoranden oder Post-Doktoranden, i.d.R. einer mit technischem Hintergrund und einer aus dem Marketing-Bereich. Der Einsatz eines Interviewer-Tandems hatte den Vorteil, dass ein Interviewer sich auf das Gesprach und der andere auf die ProtokoUierung der Daten konzentrieren konnte. Der Einsatz von audio-visuellen Hilfsmitteln zur Aufzeichnung ist bei der Befragung von Personen der hoheren Management-Ebene und bei sensiblen Daten eher ungeeignet (HUBER/POWER 1985, S. 178). Da alle Interviewer intensiv in die Konzept- und Fragebogenentwicklung eingebunden waren, lag ein einheitliches Verstdndnis aller zentralen Konstrukte vor (SALOMO 2003, S. 411). Auf diese Weise konnten Riickfragen der Informanten von alien Interviewem kompetent beantwortet werden. Eine ausfiihrliche Interviewerschulung diente dazu, den Prozessablauf der Befragung im Detail zu vereinheitlichen und zu proben. DarUber hinaus wurden zur individuellen Vorbereitung detaillierte Informationsproflle liber die Untemehmen und die Innovationsvorhaben angefertigt. Das auf diese Weise vorliegende Fachverstandnis der Interviewer ermoglichte es, kompetent spezifische Sachverhalte mit den Informanten zu diskutieren und Informationsverluste gering zu halten. Im Anschluss an die personlichen Interviews wurden die Fragebogen und das Interview-ProtokoU auf fehlende Angaben und Inkonsistenzen iiberprtift. Konnten die Informanten wahrend des Interviews Fragen nicht bzw. nicht prazise beantworten, so wurden diese an themenspezifische Experten im Untemehmen delegiert und nachgereicht. Eventuelle Unklarheiten wurden durch eine telefonische Rticksprache mit den Informanten geklart. Qualitative Zusatzinformationen, die einer Interpretation bedurften, wurden im Interviewerteam diskutiert und das Interview-Protokoll wurde entsprechend erganzt.
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6.1.3 Operationalisierung der Basiskonzepte 6.1.3.1 Unterscheidung von drei Prozessphasen hochgradiger Innovationsprojekte Der Innovationskompass unterliegt dem Ziel der Identifikation von Erfolgsfaktoren hochgradiger Innovationen. Ein prazises Verstandnis des Einsatzes von Managementaktivitaten verlangt eine Phasengliederung des Innovationsprozesses. In der Literatur existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Phasenmodellen, die sich vor allem bzgl. ihres Differenzierungsgrades unterscheiden (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.1.1). Da der Innovationskompass eine brancheniibergreifende Untersuchung darstellt und der Prozess hochgradiger Innovationen experimentellen Charakter hat (vgl. Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1) eignet sich am besten ein generisches Phasenmodell. In Anlehnung an entsprechende, dargestellte Modelle (GERPOTT 1999, S. 52 ff.; vgl. Abschnitt 3.1.1) wurden folgende drei Phasen unterschieden (siehe auch KRIEGER 2005, S. 26 ff.; BILLING 2003, S. 42 ff):
(1) Die Phase der Initiative: Jedes Innovationsvorhaben wird durch eine Initiative bzw. bildlich gesprochen durch einen ,Funken' ausgelost. Theoretisch kann zwischen zweckinduzierten Marktsoginnovationen und mittelinduzierten Technologiedruckinnovationen unterschieden werden, wobei in der Praxis eine konsequente Zuordnung haufig nicht moglich ist (vgl. Abschnitt 3.1.1). Im Verlauf der Phase der Initiative wird die Idee konkretisiert und ihr Potenzial ausgelotet. Am Ende der Phase steht die (Investitions-) Entscheidung, das Vorhaben weiter zu verfolgen bzw. die Initiative abzubrechen. Diese Entscheidung basiert i.d.R. auf einem Businessplan bzw. einem ausformulierten Konzept. (2) Die Phase des Geschdftsaufbaus: In der zweiten Phase liegt der Schwerpunkt der Entwicklungstatigkeit, gepragt z.B. durch die Generierung und das Testen von Prototypen. Haufig werden dabei iterative und parallel alternative Wege zur Losung eines technischen Problems eingeschlagen. Ziel ist es, die wesentlichen Funktionen der Innovation, den Produktnutzen und das/die angestrebten Kundensegment/e festzulegen. Das Vorhaben verlasst diese Phase iiblicherweise, wenn es am sog. ,design freeze' angekommen ist, d.h., wenn alle wichtigen Produktfunktionen und das Vermarktungskonzept feststehen. (3) Die Phase der Markterschliefiung: Nach der Entscheidung der Einfiihrung der Innovation in den Markt kommt die Phase der MarkterschlieBung. In der Kegel wurde das Produkt schon erfolgreich in Pilotinstallationen getestet, so dass in dieser Phase die Erschliefiung des breiten Marktes im Vordergrund steht. Im Zuge einer moglichst effizienten Gestaltung operativer Prozesse sind Produktanderungen nur noch marginaler Natur. Das Innovationsprojekt wird in dieser Phase i.d.R. abgeschlossen und geht in den Linienbereich im Unternehmen iiber. Das verwendete Phasenschema unterlag einer Orientierungsfunktion. Ziel war es, eine allgemein giiltige Strukturierung und eine einfache Kommunizierbarkeit komplexer Innovations-
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prozesse zu erreichen. In thematisch sinnvollen Bereichen erfolgte eine Gliederung des Fragebogens nach den drei Phasen. 6.1.3.2 Messung der Gestaltungsmerkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Im vorangegangenen Kapitel 5 wurde das Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen konzeptualisiert. Ziel war die Entwicklung eines grundlegenden Verstandnisses fur die verschiedenen Facetten des Konstruktes auf der Basis vorhandener Erkenntnisse (HOMBURG/GIERING 1996, S. 11 f.). Die entwickelte Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen stellt die Basis der empirischen Bestandsaufnahme dar. In enger Abstimmung mit den Projektpartnem wurde ein Erhebungsdesign entwickelt, das sowohl die wissenschaftlichen als auch die praxisorientierten Projektanforderungen adressierte. Die Messung der Merkmale erfolgte entlang der drei Saulen der Kundenorientierung. Intelligence Generation, als erste Saule der Kundenorientierung, bezieht sich auf die Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 5.3.1). Die folgende Tabelle fasst die Messung der Gestaltungsmerkmale der Intelligence Generation zusammen.
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1. Haben Sie zur Gewdhrleistung der Kundenorientierung im Innovationsvorhaben MarktforschungsaktivitMtendurchgefiihrt? Ja Nein
2. Falls nein: Welche Grunde sprechen/sprachen in diesem Projekt gegen die Durchfiihrung von MarktforschungsaktivitSten (1-trifft iiberhaupt nicht zu bis 7=trifft vollkommen zu) Budgetrestriktionen Geheimhaltungsgriinde Zielkunden orientieren sich zu sehr an der Gegenwart/Vergangenheit Zielkunden konnen ihre Bediirfnisse/Ziele nicht klar darstellen Sonstiges:
3. Welche MarktforschungsaktivitMten haben Sie zur Sicherstellung der Kundenorientierung durchgefiihrt bzw. planen Sie noch durchzufiihren?
-
Phase I: Phase II: Phase III:
Haben Sie im Besonderen die folgenden Methoden eingesetzt? Formal strukturierte Marktanalyse (z.B. SWOT) Conjoint Analyse Fokusgruppe/Tiefeninterview
4. Nennen Sie bitte die zwei flir das Projekt wichtigsten MarktforschungsaktivitSten: Welche Personen haben Sie dabei einbezogen? Aktivitat 1: Aktivitat 2:
5. Fur AktivitSt 1 & 2: Welche Untersuchungsziele haben Sie mit dem Einsatz der jeweiligen Marktforschungsaktivitat verfolgt? (l=^rifft iiberhaupt nicht zu bis 7=trifft vollkommen zu) Identifikation von Kundengruppen Identifikation von Kundenbediirfhissen Analyse von Akzeptanzbarrieren Abschatzung der Preisbereitschafl Abschatzung des Marktpotenzials Sonstige: 6. Fur Aktivitat 1 & 2: Wer hat die Marktforschungsaktivitat durchgefiihrt? Projektteam UntemehmensintemeMarktforschungsabteilung Exteme Beratung/Marktforschungsinstitut Sonstige:
7. Fiir Aktivitat 1 & 2: Bitte bewerten Sie den Erfolg des Einsatzes der beiden AktivitSten flir das Gesamtprojekt. (l^trifft iiberhaupt nicht zu bis 7'^rifft vollkommen zu) Die Ziele wurden voll erreicht. Es konnten neue/unerwartete Informationen generiert werden (Uberraschungen). Die Ergebnisse wurden konkret im Vorhaben umgesetzt. Die Aktivitat hatte einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg des Vorhabens. Tab. 6: Messung der Gestaltungsmerkmale der Intelligence Generation
Im Rahmen der Innovationskompass-Datenerhebung wurde zunachst erfasst, inwieweit zur Gewahrleistung der Kundenorientierung iiberhaupt Marktforschungsaktivitaten im Innovationsprqjekt durchgefiihrt wurden (Frage 1; vgl. Tab 6). Falls keine Marktforschung eingesetzt wurde, erfolgte eine Abfrage von Griinden (Frage 2). Andemfalls wurde der Einsatz von Marktforschungsaktivitaten entlang der drei Phasen des Innovationsprozesses erhoben. Da in der Praxis haufig kein einheitliches Methodenverstandnis vorzufmden ist, entschied sich das
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Innovationskompass-Team, diese Frage off en zu stellen (vgl. auch die empirischen Ergebnisse von CALLAHAN/LASRY 2004, S. 12). Die Informanten wurden gebeten, durchgefuhrte bzw. noch geplante Marktforschungsaktivitaten ausflihrlich zu beschreiben. Direkt wurde daruber hinaus abgefragt, inwieweit eine formal strukturierte Marktanalyse, eine Conjoint Analyse und/oder eine Fokusgruppe/Tiefeninterview zum Einsatz kam (Frage 3). Da die Anzahl eingesetzter Methoden in der Praxis begrenzt ist (NUSSEN/FRAMBACH 2000, S. 128, ermitteln z.B. durchschnittlich 3 Methoden pro Projekt) entschied sich das Innovationskompass-Team, maximal zwei Aktivitaten der Innovationsmarktforschung pro Vorhaben naher zu betrachten. In Kongruenz zur Methode der kritischen Ereignisse wurden die Befragten gebeten, die zwei fur das Projekt wichtigsten Marktforschungsaktivitaten zu benennen. (Frage 4). Fiir diese zwei Aktivitaten wurden die verfolgten Untersuchungsziele (Frage 5) und die Quelle der Durchfiihrung (Frage 6) ermittelt. AnschlieBend wurde der Erfolg des Einsatzes der Aktivitaten aus Sicht der Informanten erhoben. Dazu wurde in Anlehnung an KARKKAINEN etal. (2001, S. 396) die Zielerreichung, die Generierung neuer Informationen, die Umsetzung der Ergebnisse im Vorhaben und der Einfluss der Aktivitat auf den Erfolg des Vorhabens gemessen (Frage 7). Die zweite Saule der Kundenorientierung, Intelligence Dissemination, wurde in der vorliegenden Arbeit als Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess konzeptualisiert (vgl. ausflihrlich Abschnitt 5.3.2). Die folgende Tabelle fasst die Messung der Gestaltungsmerkmale der Kundenintegration zusammen.
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1. Haben Sie in den Innovationsprozess Kunden in einer Art und Weise integriert, diefiberreine Marktforschung hinausgeht? (z.B. Integration von Kunden in den Entwicklungsprozess) Ja Nein
2. Falls nein: Warum haben Sie keine Kunden in den Innovationsprozess integriert? (offen)
3. Bitte erlSutern Sie kurz durch welche AktivitSten Sie jeweils die Kunden in den Phasen integriert haben (z.B. Lead User-Workshop, Prototypentest) Phase I: Phase II: Phase III:
4, Fiir Kunde 1 & 2: Welche Funktionen haben die fur das Projekt zwei wichtigsten integrierten Kunden eingenommen? (l=trifft iiberhaupt nicht zu bis 7=trifft voUkommen zu) Initiator (Bedurfhis-ZProbiemformuherer, Erfinder) Berater (Anspruchsformulierer, Problemloser, Konzeptbewerter) Partner (Produktentwickler, Konstrukteur, Prototypentester) Vermarkter (Pilot-ZReferenzkunde) Sonstige:
5. Fttr Kunde 1& 2: Welche Eigenschaften batten die zwei wichtigsten integrierten Kunden? (l=trifft uberhaupt nicht zu bis 7-trifft voUkommen zu) Technische Kompetenz/Know How Trendanfuhrend in der Branche durch fruhzeitige Innovationsbedarfserkennung („Lead User") Reprasentativitat fiir den Gesamtmarkt Hohe Vertrauenswtirdigkeit Potentieller Grofiabnehmer Meinungsfiihrer in der Branche Sonstige: 6. Fiir Kunde 1 & 2: Bitte bewerten Sie die Kundenintegration anhand der folgenden Kriterien. (l=trifft iiberhaupt nicht zu bis 7-trifft voUkommen zu) Die Ziele wurden vol! erreicht. Es konnten neue Informationen/Losungen generiert werden. Die Integration hatte einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg des Vorhabens. Tab. 7: Messung der Gestaltungsmerkmale der Intelligence Dissemination
Analog zur ersten Saule wurde zunachst abgefragt, inwieweit uberhaupt eine Kundenintegration im Projekt vorgenommen wurde (Frage 1; vgl. Tab. 7) und falls nicht, wurden die Griinde dafur ermittelt (Frage 2). Andemfalls wurden die Befragten gebeten, jeweils fur die drei Phasen des Innovationsprozesses zu erlautem, durch welche Aktivitaten (z.B. Lead User Workshop) die Kundenintegration erfolgte (Frage 3). Hier wurde emeut auf offene Fragen zuriickgegriffen, da nicht von einem einheitlichen Aktivitaten-Verstandnis der Informanten ausgegangen werden konnte (vgl. auch CALLAHAN/LASRY 2004, S. 12). AnschlieBend wurde emeut die Methode der kritischen Ereignisse herangezogen, hier bezogen auf die aus Sicht der Befragten zwei wichtigsten integrierten Kunden (BONNER/WALKER 2004, S. 161 sprechen von den „most influential customers"). Nach dem Systematisierungsansatz von HERSTATT (1991, S. 47 f; vgl. ausfiihrlich 5.3.2.3) wurde fiir diese beiden Kunden die Intensitat der ausgeubten Funktionen/Rollen abgefragt (Frage 4). Dartiber hinaus wurden
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143
die Befragten gebeten, den Auspragungsgrad vorgegebener Eigenschaften der beiden ausgewahlten Kunden anzugeben (Frage 5). AbschlieBend wurde die Integration jeweils anhand der Kriterien Zielerreichung, Generierung neuer Informationen/Losungen und Einfluss auf den Erfolg des Vorhabens durch die Befragten bewertet (Frage 6). Die dritte Saule der Kundenorientiemng, Responsiveness, steht fiir einen Wissenstransfer durch Vorbereitung des Marktes (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 5.3.3). In der folgenden Tabelle findet sich die Messung der Gestaltungsmerkmale der Responsiveness, die im Rahmen der empirischen Bestandsaufnahme herangezogen wurde.
1. Wie stark haben $ie die nachfolgend genannten Mafinahmen zur Vorbereitung des Marktes und Beschleunigung der Innovationsverbreitung eingesetzt bzw. planen Sie dies zu tun? (l==trifft iiberhaupt nicht zu bis 7=trifft vollkommen zu) Intensive Kommunikation des relativen Vorteils der Innovation Direkte Ansprache von Meinungsfiihrem Produktvorankiindigung Monate vor der Markteinfuhrung Einsatz eines vergleichsweise hohen Kommunikationsbudgets Bereitstellung geeigneter Informationen zur Komplexitatsreduktion fiir die Zielkunden Qualifikationsmafinahmen/Implementierungshilfen fiir die Zielkunden Moglichkeit einer stufenweise Ubemahme Produktdemonstrationen Einsatz von Pilotanlagen/Referenzkunden Einsatz eines vergleichsweise hohen Vertriebsbudgets Intensive personliche Interaktion mit den Zielkunden Uberdurchschnittlich ausgepragte Garantiepolitik Spezielle Einfuhrungs- bzw. Vorverkaufspreise Finanzierungshilfen fiir die Zielkunden
2. Haben Sie durch weitere, bisher noch nicht angesprochene MaBnahmen versucht oder gepiant, den Markt aktiv auf Ihre Innovation vorzuberelten und die Verbreitung der Innovation zu beschleunigen? (offen) Tab. 8: Messung der Gestaltungsmerkmale der Responsiveness
Zunachst wurden die Befragten gebeten, die Intensitat des Einsatzes vorgegebener MaBnahmen zur Vorbereitung des Marktes und Beschleunigung der Innovationsverbreitung einzustufen (Frage 1; vgl. Tab. 8). AnschlieBend wurde offen abgefragt, inwieweit weitere MaBnahmen der Marktvorbereitung zum Einsatz kamen (Frage 2). 6.1.4 Methodische Analysegrundlagen Folgende Methoden der Datenanalyse kommen im Rahmen der empirischen Bestandsaufnahme zum Einsatz: (1) Deskriptive Staffs tit Die Variablen werden durch beschreibende Analysen charakterisiert. Berichtet werden absolute Haufigkeiten, relative Haufigkeiten bzw. arithmetische Mittelwerte. DarUber hinaus werden Angaben zur Fallzahl n bzw. bei einem Vergleich verschie-
144
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
dener Gruppen Angaben zu der minimalen und maximalen Fallzahl (nmin und nmax) dokumentiert. (2) Korrelationsanalyse: Mit Hilfe von Korrelationsanalysen werden Aussagen iiber die Starke der Beziehung zwischen zwei Variablen getroffen. Da in der vorliegenden Untersuchung die betreffenden Variablen intervallskaliert sind (7er-Skala), wird fiir die Schatzung der Korrelationen der Pearson'sche Korrelationskoeffizient r (Wertebereich: -1 bis +1) verwendet (BUHL/ZOFEL 2005, S. 322 f.). Die Irrtumswahrscheinlichkeit p wird anhand von vier Signifikanzniveaus (^p<. 10; p<.05; p<.01; p<.001) dargestellt. (3) Mittelwertvergleiche: Vergleiche von mehr als zwei unabhangigen Stichproben werden mit Hilfe einer einfaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) vorgenommen. Durch Post-hocTests konnen hinsichtlich der untersuchten Mittelwerte signifikant unterschiedliche Untergruppen identifiziert werden. Fiir bestimmte Fragestellungen werden im Vorhinein Teilmengen von Kontrasten festgelegt (sog. A-priori-Kontraste). Mit Hilfe des LeveneTests wird die Varianzhomogenitat der Gruppen kontrolliert (BUHL/ZOFEL 2005, S. 284 ff). Es wird ebenfalls nach vier Signifikanzniveaus unterschieden (*p<.10; p<.05;
*V.oi;**V.ooi). (4) Qualitative Analyse: Wahrend der personlichen Innovationskompass-Interviews bestand die Moglichkeit, iiber den standardisierten Fragebogen hinaus Themenaspekte zu vertiefen bzw. zu diskutieren. Diese Zusatzinformationen wurden in einem Interview-Protokoll dokumentiert. An geeigneten Stellen der empirischen Bestandaufnahme wird auf qualitative Erkenntnisse Bezug genommen. Von einer empirischen Bestandsaufnahme zu unterscheiden ist die Analyse eines Erfolgszusammenhanges. Zur Uberpriifung des Einflusses der Kundenorientierung auf den Erfolg wird in der vorliegenden Arbeit die Methodik der Regressions- und Diskriminanzanalyse eingesetzt (vgl. dazu ausfiihrlich Abschnitt 9.3.2). 6.2 Deskriptive Ergebnisse der empirischen Untersuchung Im vorliegenden Abschnitt werden die deskriptiven Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Dazu erfolgt zunachst ein kurzer Uberblick zur Stichprobe (6.2.1). Anschliefiend werden die Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen in der Praxis entlang der drei Saulen der Kundenorientierung vorgestellt und diskutiert (6.2.2). ^T2d^Beschreibung der Stichprobe In der folgenden Abbildung ist die Verteilung wesentlicher untemehmensbezogener Merkmale der Untersuchungsstichprobe dargestellt. Aus dem ersten Kreisdiagramm ergibt sich die Verteilung nach der Branche. Wie bereits dargestellt wurde (vgl. Abschnitt 6.1.2.1), konzentriert sich der Innovationskompass auf die Untersuchung der innovationsaffmen Branchen
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
145
Elektrotechnik, Maschinenbau, Automobilbau, Software und Biotechnologie. Im Bereich Automobilbau sind bis auf wenige Ausnahmen Automobilzulieferer untersucht worden. Betrachtet man die Verteilung nach Umsatz, so zeigt sich eine verhaltnismaBig gleichmaBige Verteilung iiber die UntemehmensgroBen, was sich analog auch in der Verteilung nach Mitarbeitern widerspiegelt. Bezogen auf das Kriterium Alter der Unternehmen wurden drei Kategorien gebildet: Unternehmen, die jiinger als 5 Jahre sind (Neu- oder Ausgrundungen), die zwischen 5 und 15 Jahren bestehen und die alter als 15 Jahre sind. Hier zeigt sich mit fast 60 % der Stichprobe eine Dominanz der hochsten Alterskategorie. Verteilung nach Branche
Verteilung nach Umsatz k.A.
Biotech
Maschinenbau Verteilung nach Mitarbeitern k.A.
< 50 Mio. Euro Verteilung nach Alter 5-15 Jahre
<200 Mitarbeiter Relative Haufigkeiten; n = 103 Abb. 17: Unternehmensbezogene Merkmale der Stichprobe Quelle: Darstellung in Anlehnung an BILLING (2003, S. 164)
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf den Kontingenzfaktor Innovationsgrad. Um Verzerrungen der Ergebnisse durch die Heterogenitat der Stichprobe zu vermeiden, wurden jedoch soweit moglich die Merkmale Branche, UntemehmensgroBe und -alter als kontrollierende Variablen in den Auswertungen einer Uberpriifung unterzogen. Als begrenzend erwies sich dabei jedoch die z.T. geringe Fallzahl in den Untergruppen. 6.2.2 Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Auf der Basis der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen werden die deskriptiven Ergebnisse des Innovationskompass entlang der drei Saulen der Kundenorientierung dargestellt und diskutiert.
146
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
6.2.2.1 Merkmale der Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation) Die deskriptiven Ergebnisse des Innovationskompass zur Intelligence Generation, der Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung, werden gruppiert nach fiinf Themenfeldem vorgestellt. Einsatz von Innovationsmarktforschung und Griinde dagegen Mit 77 % wurden bei einem verhaltnismaBig groBen Anteil der untersuchten Innovationsprojekte zur Gewahrleistung von Kundenorientierung Marktforschungsaktivitaten durchgefuhrt (vgl. Abb. 18). Bei einer Analyse der Griinde, die bei dem Rest gegen den Einsatz von Marktforschung sprachen, wird deutlich, dass weniger Restriktionen innerhalb des Untemehmens (wie z.B. Budgetrestriktionen und Geheimhaltungsgrunde) als Griinde auf Seiten der Kunden im Vordergrund standen. Mit einem Mittelwert von 3,9 (auf einer Skala von 1-7) erhielt die hochste Zustimmung die Aussage, dass sich Zielkunden zu sehr an der Gegenwart bzw. Vergangenheit orientieren, gefolgt von der Befiirchtung, dass sie ihre Bediirfnisse und Ziele nicht klar darstellen konnen (3,7). In den personlichen Gesprachen wurde durch Aussagen wie z.B. „da redet man mit dem Blinden von der Farbe" bzw. „das Grundproblem ist, dass der Kunde ,ja, ja' sagt, aber das noch lange nicht heiBt, dass er das Produkt auch kauft" z.T. eine sehr negative Einschatzung der Kompetenz der Kunden deutlich. Vereinzelt wurde auch die Befurchtung formuliert, dass Innovationen durch Marktforschung verhindert werden konnten.
Einsatz von Marktforschung zur Kundenorientieru ng
Grunde, die gegen die Durchfuhrung von Marktforsciiung sprachen Kunden an der Gegenwart/ Vergangenheit orientiert
13,9
Kunden konnen Bedurfnisse nicht klar darstellen Geheimhaltungsgrunde Budgetrestriktionen
Relative Haufigkeiten; n = 100
i3,7 13.3 12,9
Mittelwerte; n„i„= 13, n^3^= 17
Abb. 18: Einsatz von Innovationsmarktforschungsaktivitaten
Da die vorgegebenen Grunde im Mittel alle unterhalb der Skalenmitte von 4 liegen, ist davon auszugehen, dass weitere, nicht aufgefuhrte Argumente gegen den Einsatz von Marktforschung sprachen. In den personlichen Gesprachen zeigte sich, dass einige Untemehmen auf Marktforschung verzichteten, weil sie den intemen Wissensstand als ausreichend einstuften. Ein Informant formulierte es folgendermaBen: „Marktforschung war nicht notwendig, weil
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
147
der Sinn und Zweck der Innovation vollig klar war." Ein Automobilhersteller auBerte: „Innovationen sind angebotsorientiert, deshalb wurde keine Marktforschung betrieben. AuBerdem kann man sich kaum nach den Kundenanforderungen richten; die Kunden miissen mit dem zufrieden sein, was sie bekommen. Die ,normalen' Anforderungen an unsere Automobile sind bestens bekannt; diese versucht man natUrlich zu erfullen." Auf der anderen Seite wurde jedoch z.T. auch deutlich, dass ein Verzicht auf Marktforschung im Nachhinein bereut wurde, so der Informant eines groBen Elektronikherstellers: „Man war sich leider zu sicher, dass das Projekt ein Erfolg werden wtirde." Ein Ziel des Innovationskompass bestand darin, ein detailliertes Bild tiber die Marktforschungsaktivitaten in hochgradigen Innovationsprojekten zu erhalten. Die dazu vorgenommenen, im Folgenden dargestellten deskriptiven Auswertungen beziehen sich auf das Subsample von Projekten, in denen Innovationsmarktforschung durchgefiihrt wurde (n = 77). Uberblick zur Innovationsmarktforschung in den drei Phasen des Innovationsprozesses Im Rahmen der personlichen Gesprache wurden die Informanten gebeten, die im Projekt eingesetzten Marktforschungsaktivitaten entlang der drei Phasen Initiative, Geschaftsaufbau und MarkterschlieBung ausfuhrlich zu beschreiben (offene Frage; Mehrfachnennungen moglich). Im Anschluss an die Datenerhebung wurden diese Informationen durch die Interviewer anhand von vier verschiedenen Beschreibungsdeterminanten kategorisiert. Es wurde eingestuft, inwieweit es sich bei den beschriebenen Aktivitaten um Primar- vs. Sekundarmarktforschung handelte, qualitativ vs. quantitativ ausgerichtete Methoden, formale (geplante) vs. informale (ad hoc) Marktforschung und welche Erhebungsquelle (Kunden, interne Quellen, Experten bzw. Marktdaten) jeweils herangezogen wurden (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 5.3.1.2). Die folgende Abbildung zeigt entlang der drei Phasen des Innovationsprozesses, in wie viel Prozent der betrachteten Projekte die jeweiligen Kategorien an Aktivitaten zum Einsatz kamen. Die Prozentzahlen spiegeln innerhalb der drei Phasen Mehrfachangaben bezogen auf unterschiedliche Kategorien wider, nicht jedoch Mehrfachangaben zu Aktivitaten derselben Kategorie. Die Zahlen sind beispielhaft folgendermaBen zu interpretieren: In 66 % der Falle, in denen Innovationsmarktforschung angewandt wurde, wurde in der Phase 1 mindestens eine primaranalytische und in 49 % mindestens eine sekundaranalytische Marktforschungsaktivitat durchgefiihrt.
148
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Aktivitaten (kategorisiert)
Marktforschungsaktivitaten
Phase 1
Primarmarktforschung
1
_
1 78 %
Sekundarmarktforschung
I 35 %
1 29 % 0
20
40
60
Qualitative Marktforschung
80 100 j 69 %
Quantitative Marktforschung
0
20
20
40
60
60
80 100
0
20
40
60
80 100
60
80 100
l34%
1 77 % [ 31 %
1 34 % 0
40
[
80 100
0
20
40
60
80 100
0
20
40
1
J ^^ "'"
Formale Marktforschung
68% [
Informale Marktforschung 0
20
40
60
80 100
0
40
60
' I 33 %
• 18%
1 38 % 20
[
80 100
Quelle der Informationen Kunden
|57%
Experten
Z] ""^""'
Marktdaten 20
40
4%
J22% J25%
|48 % 0
68%
1 pio%
]]9%
60
^__^
80 100
0
Absolute Haufigkeiten; n = 100
20
40
60
80 100
0
20
40
60
80 100
Angaben In Prozent (Mehrfachnennungen mOglich); n = 77
Abb. 19: Aktivitaten der Innovationsmarlctforschung in den drei Phasen
Zunachst zeigt sich insgesamt betrachtet, dass in den ersten beiden Phasen des Innovationsprozesses deutlich mehr Marktforschungsaktivitaten durchgefiihrt wurden, als in der letzten Phase, der Markterschliefiung: Wahrend die maximalen Anteile in der ersten Phase bei 71 % (formale Marktforschung) und in der zweiten Phase bei 78 % (Primarmarktforschung) liegen, wird in der dritten Phase ein maximaler Anteil von lediglich 35 % (Primarmarktforschung) erreicht. Bezogen auf das Verhdltnis von Primdr- und Sekunddrforschung wird deutlich, dass in alien drei Phasen primaranalytische Methoden dominierten. Es kann vermutet werden, dass dieser Effekt auf die Merkmale hochgradiger Innovationen zuriickzufiihren ist. Hochgradige Innovationen sind defmitionsgemaB neuartig, so dass der Verfiigbarkeit bereits vorhandener Sekundarinformationen naturliche Grenzen gesetzt sind. Mit einem Vorsprung von ca. 17 % ist die Dominanz der Primarforschung in der ersten Phase vergleichsweise am schwachsten ausgepragt. Es lasst sich vermuten, dass als Ausgangspunkt der Innovationsaktivitaten ein erhohter Bedarf an allgemein zuganglichen Sekundarinformationen (z.B. zu gegenwartigen Bediirfnissen und Angeboten im Markt) besteht. Dariiber hinaus wird deutlich, dass in alien drei Phasen qualitative im Vergleich zu quantitativer Marktforschung iiberwog. Mit einem maximalen Wert von 34 % in der ersten Phase wurde lediglich in einem Drittel der betrachteten Projekte iiberhaupt quantitative Marktforschung betrieben. Diese Tendenz kann ebenfalls mit den Merkmalen hochgradiger Innovationen erklart werden. So ist davon auszugehen, dass im Kontext besonders neuartiger Produkte
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
149
eine standardisierte Informationsgenerierung mangels vorhandener Wissenseinheiten nur begrenzt moglich bzw. zielfuhrend ist. Ein iiberproportional hoher Einsatz qualitativer Methoden wurde auch bereits in anderen Studien im Kontext von Innovationen allgemein (KAHN 2002, S. 136; MOORE 1987, S. 13; WATKINS 1984, S. 26) bzw. hochgradigen Innovationsprojekten (ADAMS et al. 1998, S. 418; SHANKLIN/RYANS 1988, S. 492 f.) festgestellt.
Im Bereich der nachsten Kategorie zeigt sich zwar in alien drei Phasen das Uberwiegen^brmaler (geplanter) Ansdtze, jedoch ist der Anteil der Projekte, in denen auf informale (ad hoc) Methoden zuruckgegriffen wurde, relativ hoch. In ca. einem Drittel (Phase 1 und 2) bzw. einem Fiinftel (Phase 3) der Falle wurden informale Aktivitaten wie z.B. personliche Kundengesprache innerhalb des Tagesgeschaftes zur Informationsgenerierung genutzt. Dieser Befund steht im Einklang mit anderen empirischen Studien, in denen festgestellt wurde, dass Innovationsmarktforschung in der Praxis verhaltnismaBig haufig informal/ad hoc durchgefiihrt wird (REICHART 2002, S. 214; KARKKAINEN etal. 2001, S. 402; EKSTROM/KARLSSON 2001,
S. 12 ff; BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 12). Eine Erklarung ist dariiber hinaus, dass ein relativ grofier Anteil des Innovationskompass-Samples in BtoB-Markten tatig ist, in denen Kundengesprache grundsatzlich einen wichtigen Bestandteil der Marktforschung darstellen (STRUMANN 1997, S. 153).
AbschlieBend lassen sich aus der Abb. 19 Erkenntnisse zur Erhebungsquelle der Marktforschungsaktivitaten ableiten. In alien drei Phasen iiberwogen Kunden gefolgt von allgemein zuganglichen Marktdaten. Der Anteil der Projekte, in denen auf interne Quellen (z.B. Mitarbeiter-Befragungen) zuruckgegriffen wurde, ist mit ca. 10 % in den Phasen 1 und 2 und 4 % in der dritten Phase relativ gering. Auch Experten (z.B. Branchenexperten) wurden vergleichsweise eher selten hinzugezogen. Lediglich in der zweiten Phase erreichten Experten mit 22 % einen ahnlich hohen Anteil wie allgemein zugangliche Marktdaten. Die Dominanz von Kunden als Erhebungsquelle in hochgradigen Innovationsprojekten wird auch durch den empirischen Befund von KAHN (2002, S. 136) bestatigt. Uber die phasenspezifische Beschreibung der Marktforschungsaktivitaten hinaus wurde explizit der Einsatz von drei vorgegebenen Methoden abgefragt. An dieser Stelle bestatigte sich der bereits vorab gewonnene Eindruck, dass neuere, innovative Marktforschungsmethoden bis dato nur sehr begrenzt in die Praxis diffundiert sind. Wahrend mit 47 % fast die Halfte der Informanten angaben, eine formal strukturierte Marktanalyse (z.B. nach dem SWOT-Schema) durchgefiihrt zu haben, sowie 41 % den Einsatz von Fokusgruppen/Tiefeninterviews bestatigten, dokumentierten lediglich 9 % die Anwendung einer Conjoint-Analyse.
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
150
Analyse der wichtigsten eingesetzten Aktivitdten der Innovationsmarktforschung Neben einem Uberblick zum Einsatz von Marktforschungsaktivitaten sollten ausgewahlte Methoden hinsichtlich ihrer Ziele und Wirksamkeit genauer betrachtet werden. Dazu wurden die Befragten gebeten, maximal zwei aus ihrer Sicht ftir das Projekt wichtigste Marktforschungsaktivitaten zu benennen (vgl. auch Abschnitt 6.1.3.2). Insgesamt betrachtet konnten auf diese Weise 136 Aktivitdten genauer analysiert werden. Um diese Aktivitaten miteinander vergleichen zu konnen, musste eine Kategorisierung der offenen Angaben vorgenommen werden. Dazu wurden bewusst nicht die Beschreibungsdeterminanten des phasenspezifischen tjberblicks verwendet (vgl. Abb. 19), sondem darauf aufbauend ,Realtypen' an Marktforschungsaktivitaten gebildet. Um konkrete Handlungsempfehlungen ableiten zu konnen, sollten Gruppen an Aktivitaten betrachtet werden, in denen sich die Praxis wiederfmden wtirde. Insgesamt konnten sechs Realtypen identifiziert werden, deren prozentualer Anteil bezogen auf die Summe der genannten wichtigsten Marktforschungsaktivitaten sich aus der folgenden Abbildung entnehmen lasst.
Wichtigste Marktforschungsaktivitaten (kategorisiert in sechs Realtypen) 30252015-1
10-1 5
Quantitative Kundenbefragung
Qualitative Kundenbefragung
Intensive ExpertenInterne SekundSrKundenbefragung/ Marktforschung nnarktforschung gesprache -gesprache Basis: Angabe der 2 wichtigsten Marktforschungsaktivitaten pro Projekt Relative Haufigkeiten; n = 136
Abb. 20: Verteilung der wichtigsten eingesetzten Mari(tforschungsal(tivitMten
Mit einem Anteil von 27 % bzw. 24 % der wichtigsten eingesetzten Aktivitaten dominierten die Sekundarmarktforschung und die qualitative Kundenbefragung. Dartiber hinaus zeigte sich mit etwas mehr als einem Ftinftel ein vergleichsweise hoher Anteil intensiver Kundengesprache. Mit Prozentwerten um die 10 % eher unterreprasentiert waren Expertengesprache/befragungen, quantitative Kundenbefragungen und interne Marktforschungsaktivitaten. Ein Themenaspekt, der im Rahmen des Innovationskompass betrachtet werden sollte, war die Verantwortlichkeit fur die Durchfuhrung von Aktivitdten der Innovationsmarktforschung. Es
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
151
sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit in hochgradigen Innovationsprojekten die Projektteams Marktforschung tendenziell selber durchfuhren oder aber eher Auftrage an Projektexteme (z.B. Marktforschungsabteilungen, -institute) vergeben. Die Auswertung der Daten zeigte, dass in einem vergleichsweise hohen Prozentsatz der Falle das Projektteam selbst verantwortlich war bzw. an der Durchfiihrung zumindest maBgeblich beteiligt war. Konkret wurden 77 % der wichtigsten Aktivitaten durch das Projektteam, 21 % durch eine interne Marktforschungsabteilung und 20 % durch eine exteme Beratung bzw. ein Marktforschungsinstitut durchgefiihrt (Mehrfachangaben moglich). Es lasst sich vermuten, dass die Komplexitat hochgradiger Innovationen einer kompletten Auslagerung der Marktforschung entgegensteht. Positiv ist daran, dass durch eine Involvierung des Projektteams eine hohere Wahrscheinlichkeit der Nutzung der Informationen zu erwarten ist. Gleichzeitig ist jedoch auch davon auszugehen, dass neuere Methoden, die spezifische Marktforschungskompetenzen verlangen (z.B. Conjoint-Analyse), vergleichsweise selten eingesetzt werden, was sich ja auch in den Daten widerspiegelt. Dariiber hinaus sollten die Untersuchungsziele der Marktforschung in hochgradigen Innovationsprojekten genauer analysiert werden. Aus der folgenden Abbildung lasst sich entnehmen, wie stark vorgegebene Untersuchungsziele zum einen insgesamt betrachtet und zum anderen differenziert nach den sechs Realtypen in den Projekten im Mittel verfolgt wurden. Bei den dargestellten Signifikanzen der Mittelwertvergleiche (Basis: Einfaktorielle ANOVA mit Apriori-Kontrasten) gilt es zu beachten, dass die GruppengroBen der Realtypen voneinander abweichen.
III Konzeptualisiemng & Empirische Bestandsaufnahme
152
Abschatzung der Preisbereitschaft (n = 128) M\N 4,8
Identifikation von Kundengruppen Realtypen (kategonsiert) Quantitative Kundenbefragung
, ,„>„„j j j ^
Qualitative Kundenbefragung
ii).3 35,0
Intensive Kundengesprdche ExpertenbefragungZ-gesprache
T^
Abschatzung des Marktpotenzials (n = 131)
' *y
: i .. 4.0
Sekundarmarktforschung
35,2
Interne Marktforschung
Identifikation von Kundenbedurfnissen Realtypen (kategorisiert) Quantitative Kundenbefragung Qualitative Kundenbefragung
(n = 130)
*y
Analyse von Akzeptanzbarrieren (n = 131)
MW 6,0
. MW 5,4
Z]6,4 5,9
Intensive KundengesprSche ExpertenbefragungZ-gesprache Interne Marktforschung Sekundarmarktforschung
i 6,1
3 6,4
' Mittelwerte; Signifikanztests auf der Basis einfaktorieller ANOVA mit A-priori-Kontrasten *p<.10, *p<.05, **p<.01, ***p<.001; n„i„= 9, n „ „ = 35
Abb. 21: Verfolgte Ziele der wichtigsten Marktforschungsaktivitaten
Insgesamt betrachtet stand mit einem Mittelwert von 6,0 das Ziel der Identifikation von Kundenbedurfnissen deutlich im Vordergrund der Innovationsmarktforschung (mit p<.001 hochsignifikanter Unterschied zu den restlichen Mittelwerten). Das lasst sich dadurch erklaren, dass in hochgradigen Innovationsprqjekten haufig latente und zukiinftige Kundenbedtirfnisse adressiert werden (LICHTENTHALER etal. 2004, S. 110), deren Ermittlung mit besonderen Herausforderungen verbunden ist (vgl. auch ausfuhrlich Abschnitt 8.2.1.1). Informationen zu Kundenbedurfnissen stellen daher haufig einen besonders groBen Engpass dar. Auch das Ziel Analyse von Akzeptanzbarrieren weist einen vergleichsweise hohen Wert (5,4) auf. Hochgradige Innovationen sind auf der Seite der Kunden verstarkt mit iibemahmehemmenden Faktoren (z.B. Wissensdefizite; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2.2) verbunden. Das erfordert eine besonders friihzeitige und intensive Auseinandersetzung mit Akzeptanzbarrieren potenzieller Kunden. Als etwas weniger relevant, aber dennoch deutlich iiber der Skalenmitte liegend, erwiesen sich die Ziele Abschatzung des Marktpotenzials (5,1), Abschatzung der Preisbereitschaft (4,8) und Identifikation von Kundengruppen (4,6). Eine Analyse der verfolgten Untersuchungsziele differenziert nach den sechs Realtypen weist auf eine Reihe von signifikanten Unterschieden hin. Die Ziele Identifikation von Kundengruppen und Abschatzung des Marktpotenzials wurden signifikant weniger intensiv durch eine kundennahe Marktforschung (quantitative/qualitative Kundenbefragung, Kundengesprache) als durch die Hinzuziehung von Experten, intemen Quellen bzw. Sekundardaten verfolgt. Betrachtet man hingegen z.B. das Ziel Abschatzung der Preisbereitschaft, so wird deutlich, dass neben intemen Quellen vor allem Kunden zur Beantwortung dieser Frage hin-
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
153
zugezogen wurden. Mit einem Mittelwert von jeweils 4,0 stand dieses Ziel hingegen nicht im Vordergrund von Experten- und Sekundarmarktforschung. Die Analyse von Akzeptanzbarrieren erfolgte deutlich weniger mit Hilfe intemer und sekundaranalytischer Marktforschung als mit einer kundennahen Marktforschung bzw. der Hinzuziehung von Experten. Das erscheint insofem plausibel als dass z.B. bei einer rein intemen Betrachtung die Gefahr besteht, die Akzeptanz fur das Innovationsprojekt zu optimistisch einzustufen. Im Bereich der Identifikation von Kundenbedurfnissen zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen Sekundarmarktforschung und den fiinf anderen Realtypen. Das ist insofem einleuchtend, als dass mit hochgradigen Innovationen haufig latente Kundenbedurfnisse adressiert werden, die sich nur bedingt aus bereits vorliegenden Informationen ableiten lassen. Wirksamkeit der wichtigsten Marktforschungsaktivitdten Neben den verfolgten Zielen wurde auch die Wirksamkeit der wichtigsten eingesetzten Marktforschungsmethoden durch die Informanten eingestuft. Dazu wurden vier Kriterien herangezogen: Zielerreichung, Einfluss der Aktivitat auf den Erfolg des Vorhabens, Generierung neuer Informationen und Umsetzung der Ergebnisse im Projekt (vgl. Abb. 22). Wichtig ist dabei der Hinweis, dass es sich hierbei nicht um eine ,wahre' Erfolgsbetrachtung handelt. Es handelt sich vielmehr um eine subjektive Wahmehmung der Informanten, inwieweit die jeweiligen Aktivitaten zum Erfolg des Vorhabens beigetragen haben.
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
154
Realtypen (kategorisiert)
Zielerreichung (n = 133)
V5
Intensive Kundengesprache
Einfluss auf den Vorhabenserfolg (n = 116) . MW 5,5
n
Interne Marktforschung
• 6.1 1
Quantitative Kundenbefragung
] ..:.
Qualitative Kundenbefragung
1
ExpertenbefragungZ-gesprache
1
Sekundarmarktforschung
]
15 4 - ,
.
!5 ^^,5 i 5,6
—' 1 2
Realtypen (kategorisiert)
Generierung neuer Informationen (n = 131) . MW 4,1
3
4
5
6
7
Umsetzung der Ergebnisse im Projekt (n = 119) . MW 5,6
ii57~
Quantitative Kundenbefragung
3115,9
Qualitative Kundenbefragung Intensive Kundengesprache ExpertenbefragungZ-gesprache SekundSrmarktforschung Interne Marktforschung
Realtypen (kategorisiert)
Gesamtbewertung^ (n = 134)
. MW 5,2
Intensive Kundengesprache
1
ExpertenbefragungZ-gesprache
4 i 1 5.
Interne Marktforschung
II 5:=
Qualitative Kundenbefragung 1
....
Quantitative Kundenbefragung Sekundarmarktforschung
5,7
* 1
115.1 is-n
1
...i47: 1—
1 2 3 4 5 6 7 1 Mittelwert tiber die vier Kriterien; Angabe von Mittelwerten; Signifikanztests auf der Basis einfaktorieller ANOVA mit A-priori-Kontrasten; *p<.10, *p<.05, **p<.01, ***p<.001; n^in= 7, n^ax= 36
Abb. 22: Bewertung der wichtigsten Marktforschungsaktivitaten
Insgesamt betrachtet wurde die Wirksamkeit der Marktforschungsaktivitaten von den Informanten sehr positiv eingestuft. Mit einem Mittelwert (4,1) knapp tiber der Skalenmitte erzielte das Kriterium Generierung neuer Informationen jedoch eine signifikant geringere Einstufung als die drei restlichen Wirksamkeitskriterien, die zwischen 5,5 und 5,7 liegen (mit p<.001 hochsignifikanter Unterschied). Aus Sicht der Informanten konnten durch die Aktivitaten der Innovationsmarktforschung also vergleichsweise nur begrenzt neue, unerwartete Informationen im Sinne von Uberraschungen generiert werden. Betrachtet man die Bewertung differenziert nach den sechs Realtypen, so lassen sich zusatzliche Erkenntnisse auf der Aktivitatenebene ableiten. Sowohl bezogen auf die Zielerreichung als auch den Einfluss der Aktivitdt auf den Erfolg des Vorhabens wurden intensive Kundengesprache und interne Marktforschung signifikant positiver bewertet, als die restlichen vier Realtypen. Es lasst sich vermuten, dass sich in diesem Ergebnis eine vergleichsweise kritische
Ill Konzeptualisiemng & Empirische Bestandsaufnahme
155
Einstellung der Informanten gegeniiber dem klassischen Verstandnis von Marktforschung widerspiegelt. Im Bereich der Generierung neuer Informationen zeigten sich die starksten Differenzen. Neben intensiven Kundengesprachen wurde vor allem der Austausch mit Experten als Quelle neuer, unerwarteter Informationen und Uberraschungen wahrgenommen. Die relativ niedrigen Werte der Kategorien quantitative Kundenbefragung, Sekundarmarktforschung und interne Marktforschung sind insofem plausibel, als das sich hiermit i.d.R. nur begrenzt neue Informationen generieren lassen. Im Bereich der Umsetzung der Ergebnisse im Projekt wurden intemer sowie kundennaher Marktforschung signifikant hohere Werte zugewiesen, als den Kategorien ExpertenbefragungZ-gesprache und Sekundarmarktforschung. Es kann vermutet werden, dass sich durch eine Konzentration auf interne Quellen bzw. Kunden leichter projektspezifische Informationen generieren lassen, was sich dann in der konkreten Umsetzbarkeit der gewonnenen Informationen niederschlagt. Betrachtet man die Gesamtbewertung der Aktivitdten (Mittelwert iiber die vier Bewertungskriterien; vgl. Abb. 22), so zeigt sich, dass alle Aktivitaten im Mittel iiber der Skalenmitte liegen. Daraus lasst sich ableiten, dass alle Kategorien an Aktivitaten grundsatzlich positiv bewertet werden. Eine signifikant hohere Bewertung im Vergleich zu dem Rest erzielten die Kategorien intensive Kundengesprache (5,7), ExpertenbefragungZ-gesprache (5,4) und interne Marktforschung (5,3). Mit einem Mittelwert von 4,7 schnitt die Kategorie Sekundarmarktforschung am schlechtesten ab. Das verweist insofem auf einen Handlungsbedarf, als dass Aktivitaten der Sekundarmarktforschung den groBten Anteil der aus Sicht der Befragten wichtigsten, eingesetzten Marktforschungsaktivitaten ausgemacht haben (vgl. Abb. 20). Neben den vorgesehenen Fragen des standardisierten Interviewleitfadens wurden in einigen Interviews dariiber hinausgehende Themen diskutiert. Auf die Frage, was im Bereich der Innovationsmarktforschung besonders erfolgskritisch sei, antwortete der Projektleiter eines Maschinenbau-Untemehmens: „Zuhoren statt reden. Zum Beispiel fahren der Marketing-Leiter und seine Teammitglieder haufig mit dem Vertrieb raus, um Kundengesprachen einfach nur zuzuhoren. Erfolgskritisch ist zudem eine gute Analyse des Gehorten, denn es macht keinen Sinn die eierlegende Wollmilchsau zu entwickeln, die in der Summe aller Kundenwiinsche aber haufig gefordert wird. Das erfordert zum einen gute Branchenkenntnisse und zum anderen das Wissen iiber die Machbarkeit im eigenen Untemehmen."
Die Notwendigkeit einer sorgfdltigen Interpretation von Marktforschungsergebnissen kam auch in anderen Interviews zum Ausdruck. Der Informant eines Elektronikkonzems war z.B. der festen Uberzeugung, dass „das Projekt gestorben ware, wenn man sich 1:1 an die Ergeb^risse^ef Marktforschungsinstitute^ehalten hatte." Ein anderer betonte, dass es wichtig sei, Marktforschungsergebnisse aus verschiedenen fiinktionalen Perspektiven zu betrachten. Sinnvoll sei eine Troika, besetzt aus einem Mitarbeiter aus dem Marketing, einem aus dem Produktmanagement und einem aus dem F&E-Bereich. In einigen Gesprachen wurde zum Abschluss gefragt, was die Informanten in Bezug auf die Kundenorientierung ein zweites Mai
156
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
anders machen wurden. Bezogen auf die erste Saule der Kundenorientierung, die Innovationsmarktforschung, dominierten Aussagen wie ,umfangreichere', Jriihzeitigere' und ,strukturiertere Innovationsmarktforschung'. 62,1,1 Merkmale der Kundenintegration (Intelligence Dissemination) Intelligence Dissemination, als zweite Saule der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, bezieht sich auf die Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess. Das Konzept der Kundenintegration stellt eine Form der intensiven Hersteller-Kunden-Interaktion dar, die iiber die herstellerdominierte Innovationsmarktforschung hinausgeht (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 5.3.2). Im Folgenden werden die deskriptiven Ergebnisse des Innovationskompass im Bereich der Kundenintegration vorgestellt. Einsatz von Kundenintegration und Griinde dagegen In 86 % der untersuchten Projekte wurden Kunden in den Innovationsprozess integriert (vgl. Abb. 23). Das widerspricht der z.T. in der Literatur formulierten Vermutung, dass im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte Kundenintegration aufgrund einer besonders hohen Geheimhaltungsproblematik eher selten anzutreffen sein diirfte (GRUNER/HOMBURG 1999, S. 127). Griinde, die gegen eine Integration sprachen, waren zu gleichen Anteilen eine mangelnde Kompetenz der Kunden, ein noch nicht vorhandener Markt und bereits ausreichendes internes Know How (offene Frage). Ein Informant driickte sein mangelndes Vertrauen in die Kompetenz der Kunden folgendermaBen aus: „Man braucht einem Kunden nicht 5 Stunden zu erklaren, was in Zukunft technisch moglich ware, um ihn dann nach dem 5sttindigen Begeisterungsversuch zu fragen: Sind Sie begeistert?" Dartiber hinaus wurde in einigen Gesprachen deutlich, dass in der Kundenintegration potenziell die Gefahr eines Know How-Abflusses an Wettbewerber gesehen wird.
Integration ausgewahlter Kunden in rien Innovationsprozess
Grunde. die ^egen die Integration von Kunden spraohen (kategorisiert^ Kunden waren nicht kompetent genug Markt war noch nicht vorhanden Know how war intern bereits vorhanden
Relative Haufigkeiten; n = 100
Abb. 23: Einsatz von Kundenintegration und Grunde dagegen
Anzahl an Nennungen (offene Frage); n= 12
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
157
Bezugsbasis der im Folgenden dargestellten Analyse der Aktivitaten der Kundenintegration ist jeweils das Subsample von Projekten, in denen Kunden in den Innovationsprozess integriert wurden (n = 86). Uberblick zur Kundenintegration in den drei Phasen des Innovationsprozesses Die Informanten wurden im Rahmen der Interviews gebeten, ihre Aktivitaten der Kundenintegration entlang der drei Phasen des Innovationsprozesses zu beschreiben (offene Frage). Im Rahmen einer anschliefienden Kategorisierung der Antworten durch die Interviewer konnten verschiedene Arten der Kundenintegration identifiziert werden. Es wurde phasenspezifisch eingestufl, inwieweit eine reine Informationsgenerierung (z.B. im Rahmen eines Workshops), Testaktivitdten (Konzept- bzw. Prototypentests) bzw. eine Absatzvorbereitung (z.B. durch den Einsatz von Pilotkunden) in den Projekten vorgenommen wurde. Die folgende Abbildung illustriert fur die drei Phasen jeweils den Anteil der Projekte, in denen die verschiedenen Arten der Kundenintegration zum Einsatz kamen. In alien drei Phasen wurden Aktivitaten der Kundenintegration durchgefiihrt, wobei ein deutlicher Schwerpunkt in der zweiten Phase, dem Geschaftsaufbau, lag. In der ersten Phase, der Initiative, dominierten mit einem Drittel Aktivitaten der Informationsgenerierung, gefolgt von Testaktivitaten (23 %) und einem minimalen Anteil an Projekten, in denen bereits eine Absatzvorbereitung vorgenommen wurde (1 %). In der zweiten Phase nahmen Aktivitaten der Informationsgenerierung und Absatzvorbereitung im Vergleich zur Phase davor leicht zu, wurden jedoch deutlich iibertroffen von Testaktivitaten, die in iiber Zweidrittel der Projekte durchgefiihrt wurden. In der dritten Phase, der MarkterschlieBung, zeigte sich eine etwas ausgeglichenere Verteilung der Arten der Kundenintegration, es dominierte jedoch auch hier das Bediirfnis, die Innovationen durch ausgewahlte Kunden testen zu lassen.
Kundenintegration (kategorisiert) Piiase 1
Phase 3
33% 20% 7% Informations- Testen gewinnung
Absatzvorbereitung
Informationsgewinnung
Testen
Absatzvorbereitung
'y-.
•'S\
Informations- Testen gewinnung
Absatzvorbereitung
Angaben in Prozent (Mehrfachnennungen mOglich) Bezugsbasis: Unternehmen, die Kunden integriert haben; n=86
Abb. 24: Arten der Kundenintegration in den drei Phasen
158
ni Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
In den personlichen Gesprachen wurde die uberdurchschnittlich hohe Bedeutung von Testaktivitdten bestatigt. Einige Informanten betonten die Notwendigkeit, Kunden bereits „etwas in die Hand geben zu konnen", um Anforderungen an die Innovation zu prazisieren. Der Informant eines Automobilherstellers formulierte es folgendermaBen: „Unsere Kunden verstehen eine Innovation solange nicht, bis sie die Moglichkeit haben, mit dem System herumzuspielen." In Kongruenz dazu bestand ein wesentliches Ziel vieler Projekte darin, moglichst fruhzeitig erste Prototypen TAX entwickeln und die Kunden mit diesen zu konfrontieren. Zwei Informanten verglichen diesen Prozess mit einem ,Try and Error'-Prinzip, da sie fruh erste Versionen der Innovation in den Markt einfiihrten, um gezielt aus den Widerstanden der Kunden zu lemen. Funktionen und Eigenschaften der wichtigsten integrierten Kunden Uber einen phasenspezifischen Uberblick hinaus sollten im Rahmen des Innovationskompass ausgewahlte Aktivitaten der Kundenintegration genauer betrachtet werden. Dazu wurden die Informanten gebeten, die Integration von maximal zwei aus ihrer Sicht flir das Projekt wichtigsten Kunden zu fokussieren (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 6.1.3.2). Insgesamt betrachtet konnten auf diese Weise 143 Fdlle der Kundenintegration genauer analysiert werden. Eine wesentliche Gestaltungsoption der Kundenintegration bezieht sich auf die Rolle bzw. Funktionen der Kunden im Innovationsprojekt. Wie im Rahmen der Konzeptualisierung ausfiihrlich dargestellt wurde (vgl. Abschnitt 5.3.2.3), kann zwischen dem Initiator, Berater, Partner und Vermarkter unterschieden werden. Die praktische Relevanz dieser vier Funktionen konnte fiir hochgradige Innovationen bestatigt werden. Mit einem Mittelwert von 4,9 die vergleichsweise hochste Auspragung erzielte die Funktion des Vermarkters (vgl. Abb. 25). Uberdurchschnittlich stark wurden in den betrachteten Projekten dariiber hinaus Kunden in der Funktion des Beraters hinzugezogen (4,6), wohingegen die Funktionen Initiator (3,7) und Partner (4,3) im Mittel unterdurchschnittlich stark eingenommen wurden (mit max. p<.05 sind alle Unterschiede signifikant). Das Ergebnis ist inhaltlich kongruent zu GRUNER (1997, S. 177 f.), der (allerdings bezogen auf Innovationen eines mittleren Neuigkeitsgrades) eine eher geringe Intensitat der Kundenintegration in der Phase der Ideenfmdung und die vergleichsweise hochste Intensitat in der Phase der Markteinfuhrung festgestellt hat.
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Funktionen der integrierten Kunden
159
MW 4,4
Initiator (Bedurfnis-/ Problemformulierer, Erfinder)
13.7
Berater (Anspruclisformulierer, ProblemlOser, Konzeptbewerter) Partner (Produktentwickler, Konstrukteur, Prototypenester)
I]4,6 h ,3
Vennarkter (Pilot-/ Referenzkunde)
1 1
2
3
14,9
4
5
6 7 Mittelwerte; n^^„= 138, n^^= 141
Abb. 25: Funktionen der wichtigsten integrierten Kunden
Kunden erfiillen im Innovationsprozess nicht nur bestimmte Rollen/Funktionen, sondem lassen sich auch anhand spezifischer Merkmale/Eigenschaften charakterisieren. Sechs fur hochgradige Innovationsprojekte potenziell relevante Eigenschaflen wurden im Rahmen der Konzeptualisierung dieser Arbeit hergeleitet (vgl. Abschnitt 5.3.2.3). Diese Eigenschaften wurden fur die wichtigsten integrierten Kunden durch die Informanten eingestuft. Im Mittel erzielten alle vorgegebenen Eigenschaften vergleichsweise hohe Werte (alle Mittelwerte liegen deutlich iiber der Skalenmitte; vgl. Abb. 26), so dass deren praktische Relevanz grundsatzlich bestatigt wurde. Als im Vergleich besonders hoch ausgepragtes Merkmal erwies sich mit einem Wert von 5,9 die Vertrauenswiirdigkeit der integrierten Kunden (mit p<.001 hochgradig signifikante Mittelwertunterschiede). Leicht iiber dem Durchschnitt lag dariiber hinaus das Kriterium trendanfuhrend in der Branche durch eine friihzeitige Innovationsbedarfserkennung („Lead User"; 5,2). Die restlichen Kriterien schwankten in ihren Mittelwerten zwischen 4,7 und 5,0 und liegen damit unterhalb des Durchschnitts von 5,1.
Eigenschaften der integrierten Kunden
MW 5,1 i 5,0
Technische Kompetenz Trendanfuhrend Reprslsentativ
] 5,2 -:
'
.. :..
.. 15,0
-..
Hohe VertrauenswQrdigkelt
•1 5.9
Potenzieller Groftabnehmer
. ,
-....w.s
Meinungsfdhrer
•- .
U,7
2
3
4
5
6
7 Mittelwerte; n^„= 139, n„^=143
Abb. 26: Eigenschaften der wichtigsten integrierten Kunden
In den personlichen Gesprachen wurde deutlich, dass teilweise weitere Eigenschaften als relevant betrachtet wurden. Zwei Informanten betonten die Wichtigkeit einer Begeisterung des Kunden fur die Produktidee und das Vorhaben und damit einhergehend eine hohe Kooperationsbereitschaft/Motivation. Die Bedeutung dieser Eigenschaft konnte auch in einer qualita-
160
in Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
tiven Studie im Kontext hochgradiger Innovationen festgestellt werden (LETTL 2004, S. 227). Ein Informant verwies daruber hinaus darauf, dass die rdumliche Ndhe zum Kunden ebenfalls ein Auswahlkriterium darstellen kann. In dem betrachteten Biotechnologie-Untemehmen sind Erstinstallationen haufig mit einem hohen Betreuungs- und Service-Aufwand verbunden. Das fiihrt dazu, dass trotz weltweiter Anfragen vor allem regionale Kunden in den Innovationsprozess eingebunden werden. Wirksamkeit der Integration der wichtigsten Kunden Zur Bewertung der Integration der wichtigsten Kunden wurden die Kriterien Zielerreichung, Generierung neuer Informationen/Losungen und Einfluss der Integration auf den Vorhabenserfolg herangezogen. Es sollte beachtet werden, dass es sich analog zur ersten Saule der Kundenorientierung hierbei ebenfalls nicht um eine ,wahre' Erfolgsbetrachtung handelt, sondem vielmehr um eine subjektive Einschdtzung der Informanten. Mit Werten von mindestens 5,0 (Zielerreichung: 5,3; Generierung neuer Informationen: 5,2 und Einfluss auf den Vorhabenserfolg: 5,0) bewerteten die Informanten die Kundenintegration sehr positiv. Im Vergleich wird deutlich, dass durch Aktivitaten der Kundenintegration eher neue Informationen generiert werden konnten als durch Aktivitaten der Innovationsmarktforschung (Mittelwert von 4,1). Bei den beiden anderen Kriterien erzielten hingegen die Aktivitaten der Marktforschung im Mittel etwas hohere Werte (vgl. vorangegangener Abschnitt 6.2.2.1). Aus der folgenden Abbildung lasst sich der Zusammenhang zwischen den Funktionen der integrierten Kunden und den Bewertungskriterien entnehmen. Bis auf die Funktion des Beraters, die keinen signifikanten Zusammenhang zur Zielerreichung zeigt, weisen alle Funktionen bezogen auf alle Kriterien signifikante positive Korrelationen auf Deutlich wird eine vergleichsweise hohe Vorteilhaftigkeit der Funktionen Berater und Partner bei den Kriterien Generierung neuer Informationen/Losungen und Einfluss der Integration auf den Vorhabenserfolg, was sich entsprechend auch in der Gesamtbewertung niederschlagt. Die insgesamt hochste Korrelation zur Gesamtbewertung wird mit einem Wert von .44 durch die intensivste Form der Einbindung, die Partnerfunktion, erzielt. Das macht insofem auf einen Handlungsbedarf fiir die Praxis aufmerksam, als dass die Funktion des Partners im Vergleich zu den anderen Funktionen unterdurchschnittlich stark durch die Kunden eingenommen wurde (vgl. Abb. 25).
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Zl^i^i^eliimg FunKtionen der integrierten Kunden
161
Qmmmo
ttmier AnfCMillitlll^kSMIflQil/
Initiator (Bedurfnis-/ Problemformulierer, Erfinder)
.20*
.17*
.34***
.28**
Berater ('Anspruchformuiierer, Problemloser, Konzeptbewerter)
ns
.30***
.54***
40***
Partner (Produktentwickler, Konstrukteur, Prototypentester)
.17±
.41***
.48*.*
.44***
Vermarkter (Pilot-/ Referenzkunde)
.23**
.27**
.30**
.32**
Korrelationen nach Pearson; n^^^=^2^, n^ax=135 *p<.10, *p<.05, **p<.01, ***p<.001; ns = nicht signifikant 1 Mittelwert aus den ersten drei Kriterien
Abb. 27: Zusammenhang zwischen den Funktionen der Kunden und der Bewertung der Kundenintegration
Betrachtet man den Zusammenhang zwischen den Eigenschaflen der Kunden und der Bewertung der Kundenintegration (vgl. Abb. 28), so werden ebenfalls Unterschiede deutlich. Den hochsten Zusammenhang zur Gesamtbewertung (Mittelwert aus Zielerreichung, Generierung neuer Informationen und Einfluss der Integration auf den Vorhabenserfolg) weist die Eigenschaft trendanfuhrend (.34) auf, gefolgt von dem Merkmal technische Kompetenz (.32). Schwachere Korrelationen zeigen die Kriterien Vertrauenswtirdigkeit (.22) und Reprasentativitat fiir den Gesamtmarkt (.21). Keinen Zusammenhang haben die Merkmale potenzieller GroBabnehmer und Meinungsftihrer in der Branche. Bezogen auf die Integration von potenziellen GroBabnehmem verdeutlichte ein Informant im personlichen Gesprach ein spezifisches Problem. Danach bestehe die Gefahr, dass GroBabnehmer aufgrund ihrer Ressourcenmacht eine 100 %-ErRillung ihrer Anforderungen erwarten wiirden, was sich insgesamt negativ auf den Erfolg der Kundenintegration auswirken kann.
Zielerreichung Eigenschaften der integrierten Kunden
Qeneriening neuer infomtationen/ Ldsungen
Einfluss der Integration auf den VorhatHsnseifotg
Qesamt> bewertungi
Technische Kompetenz
.18*
.20*
.38***
.32***
Trendanfuhrend
.18*
.23**
.38***
.34***
Reprasentativ
ns
ns
.27**
.21*
Hohe Vertrauenswijrdigkeit
.25**
.16±
ns
.22*
Potenzieller GroBabnehmer
ns
ns
ns
ns
ft&
fIS
ns ns Korrelationen nach Pearson; n^,„=^2^, u^^^=^37 *p<.10, *p<.05, **p<.01, ***p<.001; ns = nicht signifikant 1 Mittelwert aus den ersten drei Kriterien
Abb. 28: Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Kunden und der Bewertung der Kundenintegration
162
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
Am Ende des Gespraches machten relative viele Informanten deutlich, dass sie ein zweites MdXfruher und intensiver ausgewdhlte Kunden in den Innovationsprozess integrieren wiirden. Ein Informant formulierte fiir sein Untemehmen folgendes zukiinftiges Modell der Kundenintegration: „Je hoher die Unsicherheit, desto friiher sollten wir in Zukunft Kunden in den Innovationsprozess integrieren." 6.2.2.3 Merkmale der Marktvorbereitung (Responsiveness) Die dritte Saule der Kundenorientierung, Responsiveness, wurde in der vorliegenden Arbeit konzeptualisiert als Wissenstransfer durch Marktvorbereitung. Basierend auf SANDBERG (2002, S. 190) konnten zwei Aspekte, die Schaffung eines Bewusstseins ftir die Innovation und die Vermittlung von Wissen, als wesentliche Bestandteile der Marktvorbereitung identifiziert werden (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 5.3.3.2). Im Folgenden werden die deskriptiven Ergebnisse des Innovationskompass zur Marktvorbereitung vorgestellt. Intensitdt der Marktvorbereitung Die folgende Abbildung beinhaltet Informationen zur Intensitat des Einsatzes vorgegebener Aktivitaten der Marktvorbereitung in den untersuchten Innovationsprojekten. Zunachst zeigt sich, dass die Intensitat der vier Kategorien der Marktvorbereitung variiert (Mittelwerte dargestellt als gestrichelte Linie). Eine klare Dominanz nahmen im Mittel Aktivitaten der Wissensvermittlung bezogen auf den relativen Vorteil der Innovationen und bezogen auf die Kompatibilitat der Innovation ein (jeweils im Mittel 5,3). Die beiden anderen Kategorien, Aktivitaten zur Schaffung eines Bewusstseins far die Innovation (3,7) und Vermittlung von Wissen bezogen auf das wahrgenommene Risiko (2,4) wurden signifikant weniger intensiv durchgeflihrt (p<.001; mittels T-Test).
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
163
Schaffung eines Bewusstseins fiir die Innovation MW 3,7
n
Produktvorankundigung Einsatz eines rel. hohen Kommunlkationsbudgets
13 4,3
]
|3 5
j
Einsatz eines rel. hohen Vertriebsbudgets
j3,3
Vennittlung von Wissen .•. MW 5,3 Produktdemonstrationen Intensive Kommunikation des relativen Vorteils Einsatz von Pilotanlagen/ Referenzkunden Bereitstellung von Infos zur Komplexitatsreduktion Moglichkeit einer stufenweisen Ubernahme
1 6,2 tJ
5,7 1 5,7
1
-
. bezogen auf den relativen Vorteil der Innovation
14,8
- 1 3,9 MW 5,3
1 Intensive persbniiche Interaktion mit den Zielkunden
f
Direkte Ansprache von Meinungsfuhrem
. M 5,6
Qualifikationsmaftnahmen/ Implementierungshilfen
15,9
J 1
i 4
.. bezogen auf die Kompatibilitat der Innovation
14,5
:
-,
,
Uberdurchschnittliche Garantiepolitik
3 4 MW 2,4 H 2,8
Einfuhrungs- bzw. Vorverkaufspreise
2,4
^
1
.. bezogen auf das wahrgenommene Risiko
Finanzierungshilfen fur die Zielkunden Mittelwerte; n_,i.= 81, n_,.
Abb. 29: Ausgestaltung der Marktvorbereitung
Innerhalb der Kategorien standen folgende Aktivitdten im Vordergrund (ygl. Abb. 29): (1) Zur Schaffung eines Bewusstseins fur die Innovation wurden tiberdurchschnittlich stark Produktvorankilndigungen eingesetzt. (2) Im Rahmen der Wissensvermittlung bezogen auf den relativen Vorteil der Innovation dominierten Produktdemonstrationen, eine intensive Kommunikation des relativen Vorteils und der Einsatz von Pilotanlagen/Referenzkunden. (3) Zur Wissensvermittlung bezogen auf die Kompatibilitat der Innovation wurde besonders intensiv auf eine personliche Interaktion mit den Zielkunden und eine direkte Ansprache von MeinungsJuJirernmruciigQgnWQn. (4) Zur Senkung des wahrgenommenen Risikos stand eine uberdurchschnittliche Garantiepolitik im Vordergrund.
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
164
Einsatz von Produktvorankilndigungen Etwa die Halfte der Informanten gab an, aktiv das Instrument der Produktvorankundigung eingesetzt zu haben. Zusatzlich erhobene Angaben zum Zeitpunkt der Durchfiihrung (Monate vor Markteinfiihrung) weisen mit einem Minimalwert von weniger als einem Monat und einem Maximalwert von 72 Monaten eine erhebliche Spannweite auf. Die Betrachtung der kategorisierten Angaben (vgl. Abb. 30) verdeutlicht, dass die (iberwiegende Anzahl an Produktvorankilndigungen in einem Zeitraum zwischen 3 bis 6 Monaten bzw. 6 bis 12 Monaten vor der geplanten Markteinfiihrung initiiert wurde. Sechs Innovationen wurden mehr als ein Jahr und drei Innovationen sogar mehr als zwei Jahre vor der Einfiihrung bereits angekiindigt. Einige Informanten, die sich explizit gegen den Einsatz von Produktvorankilndigungen aussprachen, machten in den personlichen Gesprachen deutlich, dass sie keine Versprechungen machen woUten, die sie im Endeffekt nicht hatten halten konnen. Diese potenzielle Gefahr bestatigte sich bei einigen Fallen im Untersuchungssample: Vier Informanten berichteten, dass aufgrund von Riickschlagen im Innovationsprozess der kommunizierte Zeitpunkt des Markteintrittes verschoben werden musste. Im Nachhinein betrachtet bewerteten sie daher den Zeitpunkt der Produktvorankundigung als zufruhzeitig.
Zeitpunkt der Produktvorankundigung (ka egorisi ert) 20-1 18161412108642-
Mittelwert: 11 l\/lonate Median: 6 Monate Minimum: 0 Monate Maximum: 72 Monate
18
13 8 6 3
x<3
3<x<6
6<x<12
12 < x < 2 4
m
x>24 X = Monate vor Markteinfiihrung Absolute Haufigkeiten; n = 48
Abb. 30: Produktvorankundigung
Weitere Mafinahmen der Marktvorbereitung tjber die Einstufiing vorgegebener MaBnahmen der Marktvorbereitung hinaus wurde mit Hilfe einer offenen Frage erfasst, inwieweit weitere, noch nicht genannte MaBnahmen zum Einsatz kamen. Bei den Antworten dominierten Messeauftritte, Vorstellungen der Innovation auf Kongressen und Symposien, Fachverqffentlichungen, Mailing-Aktionen sowie Roadshows/Prdsentationen bei potenziellen Kunden. Ein Informant machte dariiber hinaus deutlich, dass die Vergabe von Alleinnutzungsrechten gezielt dazu eingesetzt werden kann, Diffusionsprozesse anzustoBen (sog. ,first of a kind'-Ansatz): Danach wird ersten Kunden die Moglichkeit eingeraumt, die Innovation maximal fiir ein Jahr exklusiv zu nutzen, und erst
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
165
danach erfolgt eine Weiterentwicklung des Produktes fiir den Massenmarkt. Nur vereinzelt brachten Untemehmen hingegen zum Ausdruck, dass sie gar keine aktive Marktvorbereitung vorgenommen haben. Ein Informant aus einem relativ jungen Untemehmen in einem sehr dynamischen Markt formulierte es folgendermaBen: „Der Markt hat uns entwickelt und nicht wir den Markt." Auf die Frage, was die Informanten in Bezug auf eine Orientierung an den Kunden ein zweites Mai anderes machen wiirden, formulierten einige, dass sie mehr Budget fur eine intensivere undfrilhzeitigere Marktvorbereitung verwenden wiirden. 6.3 Zusammenfassung Im sechsten Kapitel wurde zunachst das Design der empirischen Untersuchung vorgestellt. Neben der Zielsetzung des Innovationskompass wurden die beriicksichtigten Qualitatskriterien der empirischen Forschung, die Operationalisierung der Basiskonzepte und die methodischen Analysegrundlagen dargestellt. AnschlieBend wurden die deskriptiven Ergebnisse des Innovationskompass fokussiert. Nach einem kurzen Uberblick zur Stichprobe wurde eine empirische Bestandsaufnahme zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen durchgefiihrt. Folgende Kernergebnisse lassen sich fiir die drei Saulen der Kundenorientierung zusammenfassen: 1. Intelligence Generation: Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung • Einsatz von Innovationsmarktforschung: Mit 77 % wurde bei einem verhaltnismaBig groBen Anteil der untersuchten Projekte Innovationsmarktforschung betrieben. Bei den Projekten, in denen keine Marktforschung zum Einsatz kam, standen weniger interne Griinde (z.B. Budgetrestriktionen) als wahrgenommene Restriktionen auf Seiten der Kunden (z.B. mangelnde Kompetenz) im Vordergrund. • Uberblick zum Einsatz von Marktforschungsaktivitdten: In den ersten beiden Phasen des Innovationsprozesses wurde deutlich mehr Marktforschung betrieben als in der dritten Phase, der Markterschliefiung. Insgesamt betrachtet dominierte der Einsatz primdranalytischer, qualitativer undformaler Ansdtze und als Erhebungsquelle dienten vorrangig Kunden. Neuere bzw. spezifischere Methoden der Innovationsmarktforschung kamen nur sehr begrenzt bzw. gar nicht zum Einsatz. Basierend auf der Angabe der max. zwei wichtigsten Aktivitaten pro Projekt konnten sechs Realtypen der Innovationsmarktforschung identifiziertwerdenr Qualitative Kundenbefraguiigr^pjantita^^ Kundengesprache, ExpertenbefragungZ-gesprache, interne Marktforschung und Sekundarmarktforschung. GroBtenteils war das Projektteam fiir die Durchfiihrung der wichtigsten Marktforschungsaktivitaten verantwortlich bzw. zumindest maBgeblich beteiligt.
166
HI Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
• Untersuchungsziele der wichtigsten Marktforschungsaktivitdten'. Im Vordergrund der Marktforschungsbemuhungen stand die Identiflkation von Kundenbediirfnissen. Es konnte dariiber hinaus festgestellt werden, dass mit den sechs Realtypen der Innovationsmarktforschung vorgegebene Untersuchungsziele unterschiedlich stark verfolgt wurden. Wahrend zur Identiflkation von Kundengruppen und Abschatzung des Marktpotenzials vor allem Experten, interne Quellen und Sekundarmarktforschung herangezogen wurden, erfolgte eine Abschatzung der Preisbereitschaft, eine Analyse von Akzeptanzbarrieren und die Identiflkation von Kundenbediirfnissen verstarkt durch eine kundenahe Marktforschung (qualitative/quantitative Kundenbefragung bzw. intensive Kundengesprache). • Wirksamkeit der wichtigsten Marktforschungsaktivitdten: Die Wirksamkeit der Marktforschungsaktivitaten (Zielerreichung, Generierung neuer Informationen, Umsetzung der Ergebnisse und Einfluss auf den Vorhabenserfolg) wurde durch die Informanten insgesamt betrachtet sehr positiv eingestuft. In der Gesamtbewertung erzielten intensive Kundengesprache, ExpertenbefragungZ-gesprache und interne Marktforschung signifikant hohere Werte im Vergleich zu den restlichen Realtypen. Die beiden erstgenannten zeichneten sich insbesondere durch die vergleichsweise starkste Generierung von neuen Informationen aus. Handlungsbedarf zeigte sich am deutlichsten fur die Kategorie Sekundarmarktforschung, die in der Gesamtbewertung am schlechtesten abschnitt und gleichzeitig den groBten Anteil der genannten Realtypen ausmachte. 2. Intelligence Dissemination: Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess • Einsatz von Kundenintegration: In 86 % der untersuchten Projekte wurden Kunden in den Innovationsprozess in einer Art und Weise integriert, die liber Marktforschung hinausgeht. Gegen eine Integration von Kunden sprachen zu gleichen Teilen eine mangelnde Kundenkompetenz, das Nicht-Vorhandensein eines Marktes bzw. bereits ausreichendes internes Know How. • Uberblick zur Kundenintegration: In alien drei Phasen des Innovationsprozesses wurden Kunden integriert, am haufigsten jedoch in der zweiten Phase, dem Geschaftsaufbau. Drei Arten der Integration von Kunden konnten identifiziert werden: Aktivitaten zur Informationsgewinnung, Testaktivitaten und Aktivitaten zur Absatzvorbereitung. Insgesamt betrachtet stellte sich eine besonders hohe Bedeutung von Testaktivitdten (z.B. Konzept-/Prototypentests) heraus. In vielen Projekten bestand das Ziel, moglichst friihzeitig Prototypen zu entwickeln, um potenziellen Kunden „etwas in die Hand geben zu konnen" und aus der Beurteilung zu lemen. • Funktionen der wichtigsten integrierten Kunden: Die praktische Relevanz der vier vorgegebenen Funktionen von Kunden im Innovationsprozess konnte ftir hochgradige Innovationen grundsatzlich bestatigt werden: AUe Funktionen erzielten im Mittel relativ hohe Auspragungen (bis auf die Initiatorfiinktion mit 3,7 lagen alle Werte iiber der Ska-
Ill Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
167
lenmitte von 4). Uberdurchschnittlich intensiv wurden im Sample die Funktionen Vermarkter und Berater, unterdurchschnittlich hingegen die Funktionen Initiator und Partner wahrgenommen. • Eigenschaften der wichtigsten integrierten Kundew. Neben den Funktionen konnte auch die Relevanz der sechs vorgegebenen Kunden-Eigenschaften fur den Kontext hochgradiger Innovationen bestatigt werden: Alle Werte lagen im Mittel im Bereich zwischen 4,7 und 5,9. Uberdurchschnittlich hoch ausgepragt war im Sample die Vertrauenswiirdigkeit der integrierten Kunden und das Kriterium trendanfuhrend in der Branche. • Wirksamkeit der Integration der wichtigsten Kunden: Insgesamt betrachtet wurden die Aktivitaten der Kundenintegration durch die Informanten sehr positiv bewertet. Die Kriterien Zielerreichung, Generierung neuer Informationen und Einfluss der Integration auf den Vorhabenserfolg lagen im Mittel im Bereich zwischen 5,0 und 5,3. Alle Funktionen der Kunden korrelieren positiv mit der Gesamtbewertung der Kundenintegration, wobei die Funktionen Partner und Berater etwas hoher korrelieren als die Funktionen Initiator und Vermarkter. Im Bereich der Eigenschaften der Kunden erzielten bis auf die Kriterien potenzieller GroBabnehmer und Meinungsfuhrer alle Kriterien ebenfalls signifikante positive Korrelationen zur Gesamtbewertung. Den hochsten Wert erzielte die Eigenschaft trendanfiihrend in der Branche, gefolgt von der technischen Kompetenz der Kunden. 3. Responsiveness: Wissens transfer durch Marktvorbereitung • Intensitdt der Marktvorbereitung: Insgesamt konnte das Konzept der Marktvorbereitung durch die empirischen Daten bestatigt werden. Bezogen auf die vier Kategorien konnten jedoch Unterschiede in der Intensitat festgestellt werden: Aktivitaten der Wissensvermittlung bezogen auf den relativen Vorteil und die Kompatibilitat der Innovation wurden im Mittel deutlich intensiver eingesetzt, als Aktivitaten zur Schaffung eines Bewusstseins fiir die Innovation und zur Vermittlung von Wissen bezogen auf das wahrgenommene Risiko. Innerhalb der jeweiligen Kategorien uberdurchschnittlich eingesetzt wurden Produktvorankiindigungen, Produktdemonstrationen, eine intensive Kommunikation des relativen Vorteils, Pilotanlagen/Referenzkunden, eine personliche Interaktion mit den Zielkunden, direkte Ansprache von Meinungsfiihrem und eine iiberdurchschnittliche Garantiepolitik. • Einsatz von Produktvorankundigungen: In etwa der Halfte der betrachteten Innovationsprojekte wurde das Instrument der Produktvorankiindigung eingesetzt. Die iiberwiegende Anzahl wurde in einem Zeitraum von 3 bis 12 Monaten initiiert. Deutlich wurde eine potenzielle Gefahr, Innovationeii^u fnih^iiztikundigen. Insgesamt betrachtet konnte das Konzept der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen anhand der empirischen Daten bestatigt werden: In alien drei Saulen der Kundenorientierung konnte ein hohes bis sehr hohes Level an entsprechenden Aktivitaten in der Praxis
168
III Konzeptualisierung & Empirische Bestandsaufnahme
festgestellt werden. Dabei konnten auch Erkenntnisse zur Wirksamkeit spezifischer Gestaltungsoptionen der Kundenorientierung aus Sicht der Informanten generiert werden. Von der empirischen Bestandsaufnahme zu unterscheiden ist der Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg des Projektes. Der folgende, vierte Teil dieser Arbeit beschaftigt sich mit dem Erfolg der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Neben einer theoriebasierten Ableitung (Kapitel 7) erfolgt eine Ableitung aus der konzeptionellen und empirischen Literatur (Kapitel 8).
IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgsableitung
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IV Theoretische und literaturgestutzte Erfolgsableitung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Im vorangegangenen Kapitel 6 wurde eine empirische Bestandsaufnahme zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen durchgefuhrt. Hochgradige Innovationsprojekte in Deutschland wurden in Bezug auf ihre Merkmale der Kundenorientierung beschrieben. Der vorliegende vierte Teil der Arbeit beschafligt sich mit dem Phdnomen aus einer Erfolgsperspektive. Es stellt die Frage, inwieweit Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen erfolgsrelevant ist und welche Rolle der Innovationsgrad einnimmt. Es wird zwischen einer theoriebasierten Betrachtung (Kapitel 7) und einer Erfolgsableitung auf Basis der konzeptionellen und empirischen Literatur (Kapitel 8) unterschieden. 7 Theoriebasierte Erfolgsableitung Sowohl die Erfolgsfaktorenforschung (ERNST 2002, S. 33; HAENECKE 2002, S. 166; vgl. ausfahrlich Abschnitt 3.1.2.2) als auch der Forschungsbereich zur Marktorientierung (KOK et al. 2003, S. 140; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 4.2.1.3) sind in der Vergangenheit aufgrund einer tendenziell schwachen theoretischen Fundierung kritisiert worden. Insbesondere die verhaltensorientierten Ansatze der Marktorientierung tendieren dazu, einen positiven Erfolgseinfluss zu postulieren bzw. zu testen, ohne ausreichend theoretisch zu begriinden, warum bzw. wodurch Marktorientierung zum Erfolg fiihrt (STOELHORST/VAN RAAIJ 2004, S. 473; HUNT/LAMBE 2000, S. 28). Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Forschungsdefizit und analysiert den Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen theoriebasiert. Im Abschnitt 7.1 erfolgt zunachst eine Auswahl geeigneter theoretischer Perspektiven. Im Ergebnis werden anschlieBend der ressourcenbasierte Ansatz (7.2) und die Ressourcenabhangigkeitsperspektive (7.3) fokussiert. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung und theoriebasierten Hypothesenableitung (7.4). 7.1 Auswahl geeigneter theoretischer Perspektiven Die Kemfrage des strategischen Management bezieht sich auf die Entwicklung von Erfolgspotenzialen als VorlaufgroBen fiir zukunftigen Erfolg (BAMBERGER/WRONA 1996a, S. 130; RASCHE/WOLFRUM 1994, S. 501). Zwei theoretische Perspektiven, die in diesem Zusammenhang in der Literatur haufig gegeniibergestellt werden (ZAHN et al. 2000, S. 49 f.) sind der ressourcenbasierte und der marktbasierte Ansatz. Der marktbasierte Ansatz (market-based view) stellt Umfeldbedingungen von Unternehmen und die Struktur von Mdrkten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Kemelement ist das Wettbewerbskonzept von PORTER (1980), mit dem der marktbasierte Ansatz das dominante Strategie-Modell der achtziger Jahre darstellte. Wettbewerbsvorteile werden aus einer gunstigen Auswahl und Besetzung von Produkt-Markt-Positionen in der Branche erklart (ZAHN et al. 2000, S. 49). Dabei wird ange-
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nommen, dass die Kontexte/Markte, in denen sich Untemehmen bewegen, relativ statisch sind und Untemehmen aufgrund von Ressourcenmobilitat und -handelbarkeit in ihrer Ressourcenausstattung identisch sind. Kritik an diesen Grundannahmen fiihrte ab Mitte der achtziger Jahre zu der verstarkten Verbreitung der ressourcenbasierten Perspektive (ZAHN et al. 2000, S. 49 f.). Der ressourcenbasierte Ansatz (resource-based view) geht aufgrund der Annahme nicht uneingeschrankt mobiler bzw. imitierbarer Ressourcen von dauerhaften Unterschieden (Heterogenitdt) in der Ressourcenausstattung von Untemehmen aus (zu KNYPHAUSEN 1993, S. 776). Nachhaltige Wettbewerbsvorteile werden durch einzigartige Untemehmensressourcen, Biindel von Ressourcen und deren Beziehungen untereinander erklart. Trotz in Teilen divergierender Annahmen sind der markt- und der ressourcenbasierte Ansatz nicht als Gegenpositionen, sondem als komplementare Ansatze zu verstehen (BAMBERGER/WRONA 1996a, S. 141; SETH/THOMAS 1994, S. 178). So verlangen attraktive Marktpositionen iiberlegene Ressourcen und Fahigkeiten des Untemehmens und gleichzeitig sind Ressourcen nur von Nutzen, wenn sie sich auch in einer differenzierenden Position im Markt niederschlagen (ZAHN et al. 2000, S. 51). WERNERFELT (1984, S. 171) spricht in diesem Zusammenhang von „two sides of the same coin". Die Entscheidung fur bzw. gegen die Eignung einer der beiden theoretischen Perspektiven verlangt die Berucksichtigung der strategischen Gmndannahmen. Ein wichtiges Entscheidungskriterium betrifft die Eigenschaften des zu untersuchenden Marktes. Die Heranziehung des marktbasierten Ansatzes gilt in der Literatur als am ehesten sinnvoll in reifen Industrien mit einer gefestigte Marktstmktur, wahrend bei einer ausgepragten Marktdynamik die ressourcenbasierte Perspektive iiberzeugt (MAKHIJA 2003, S. 449; BORNER 2000, S. 693; GRANT 1996b, S. 376). Ein weiteres Entscheidungskriterium betrifft die zu untersuchende Themenstellung. Der auf der Industrieokonomik aufbauende marktbasierte Ansatz erlaubt aufgmnd der Annahme homogener Ressourcenausstattungen nur bedingt (und zwar nur in den Bereichen Branchenwahl und wettbewerbsstrategische Positioniemng) eine Analyse von Unterschieden zwischen Untemehmen (KROHMER 1999, S. 50; zu KNYPHAUSEN 1993, S. 772). In Abgrenzung dazu eignet sich der ressourcenbasierte Ansatz sehr gut zur Untersuchung strategischer Entscheidungen innovierender Untemehmen (SETH/THOMAS 1994, S. 177). In Bezug auf diese beiden Entscheidungskriterien iiberzeugt der ressourcenbasierte Ansatz far den Kontext dieser Arbeit. Zum einen weisen empirische Untersuchungen darauf hin, dass hochgradige Innovationen verstdrkt mit dynamischen Markt- und Umfeldbedingungen (z.B. starkes Marktwachstum, hoher Wettbewerbsdmck) einhergehen (ZHOU et al. 2005, S. 50; MANU/SRIRAM 1996, S. 86 f). Zum anderen basiert Kundenorientierung auf strategischen Entscheidungen innovierender Untemehmen, so dass diesbeziiglich Unterschiede zwischen
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Untemehmen zu erwarten und zu analysieren sind (LYNN/AKGUN 1998, S. 12). Es lasst sich ableiten, dass im Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen der ressourcenbasierte Ansatz dem marktbasierten Ansatz vorzuziehen ist. Neben dem im Schwerpunkt innenorientierten, ressourcenbasierten Ansatz (ZAHN et al. 2000, S. 51) soli in der vorliegenden Arbeit eine auBenorientierte Theorie herangezogen werden. Kundenorientierung als Informationsverarbeitungsansatz (KOHLI/JAWORSKI 1990) manifestiert sich in der untemehmensspezifischen, intemen Ressource Information. Gleichzeitig handelt es sich bei der Orientierung an den (extemen) Kunden defmitionsgemaB um eine auBenorientierte Perspektive (SRIVASTAVA et al. 2001, S. 780). Die interne, ressourcenbasierte Perspektive wird in der vorliegenden Arbeit erganzt um die externe Ressourcenabhdngigkeitsperspektive. Die Ressourcenabhangigkeitsperspektive, die im Wesentlichen von ALDRICH/PFEFFER (1976) und PFEFFER/SALANCIK (1978) entwickelt wurde, untersucht Einfliisse der Umwelt auf eine Organisation und die daraus entstehenden Abhangigkeitsstrukturen. Die Ubertragung des Ansatzes auf Marketing-Fragestellungen wird durch das Vorhandensein von Kaufermarkten begiinstigt: Untemehmen sind abhangig von Kunden, die zwischen verschiedenen Anbietem im Markt wahlen konnen (PLINKE 1992, S. 832 f). Untersttitzt wird die Wahl der Ressourcenabhangigkeitsperspektive als eine theoretische Grundlage dieser Arbeit durch andere Beitrage, die ebenfalls im Themenumfeld der Kundenorientierung auf den Ansatz zuruckgreifen (LETTL 2004, S. 96 f; GRUNER 1997, S. 53 ff; UTZIG 1997, S. 74 ff; HOMBURG 1995, S. 41 ff). So defmiert UTZIG (1997, S. 93)
Kundenorientierung beispielsweise als „Management der Kundenerwartungen mit der Zielsetzung des Erwerbs von fiir das Uberleben der Organisation notwendigen und von Kunden bereitgestellten Ressourcen". Der ressourcenbasierte Ansatz und die Ressourcenabhangigkeitsperspektive stehen nicht in einer konkurrierenden Beziehung zueinander. Sie fokussieren vielmehr als komplementare Ansatze (zu KNYPHAUSEN-AUFSEB 1997, S. 457) unterschiedliche Aspekte des Erfolgseinflusses der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Die Beriicksichtigung mehrerer, sich erganzender Theorieansatze entspricht der Forderung nach theoretischer Pluralitdt in der Erfolgsfaktorenforschung (SETH/THOMAS 1994, S. 185).
7.2 Ressourcenbasierter Ansatz 7.2.1 Uberblick zum ressourcenbasierten Ansatz Die Grundlage des ressourcenbasierten Ansatzes stellt die Ende der 1950er Jahre publizierte Arbeit von PENROSE (1959) dar, in der Untemehmen als Ansammlung produktiver Ressourcen konzeptualisiert werden. Basierend auf der Kritik am marktbasierten Ansatz erfuhr der ressourcenorientierte Ansatz mit Beginn der 1980er Jahren zunehmende Aufmerksamkeit. Als
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Begrunder des heutigen Verstdndnisses gelten WERNERFELT (1984) sowie BARNEY (1991), GRANT (1991) und PETERAF (1993) (vgl. FREILING 2000, S. 15; BAMBERGER/WRONA 1996b,
S. 386). Die im Rahmen des ressourcenbasierten Ansatzes verwendeten Begriffsabgrenzungen und Klassifizierungen von Ressourcen sind vielfaltig (FREILING 2000, S. 25; RASCHE/WOLFRUM 1994, S. 511). WERNERFELT (1984, S. 172) definiert Ressourcen kurz und knapp als alles, was als eine Starke oder Schwache eines Untemehmens interpretiert werden kann. BARNEY (1991, S. 101) wird etwas spezifischer: „(...)firm resources include all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness." (H.i.O.)
In der Literatur dominiert ein verhaltnismaBig breites Verstdndnis des Ressourcenbegriffes (FAHY etal. 2006, S. 152; BURMANN 2002, S. 144). Haufig wird zwischQW physischen (z.B. Anlagen und Ausstattungen), intangiblen (Vermogenswerte/Assets und Fahigkeiten), flnanziellen (interne und exteme Fonds) und organisationalen Ressourcen (Managementsysteme und interorganisationale Beziehungsstrukturen) unterschieden. Fahigkeiten, als wesentliche intangible Ressourcen, stellen die Wissensbasis des Untemehmens dar und basieren auf spezifischem Know How und Erfahrungen der Mitarbeiter (BAMBERGER/WRONA 1996a, S. 133 f.). Der ressourcenbasierte Ansatz unterliegt der Grundpramisse der Heterogenitdt der Ressourcenbasis von Unternehmen (OSSADNIK 2000, S. 276; PETERAF 1993, S. 180; BARNEY 1991, S. 101). Als Ursache dafiir, dass sich Untenehmen bzgl. ihrer Ressourcenausstattung unterscheiden, gilt die Unvollkommenheit der Faktormdrkte. Danach sind bestimmte Ressourcen (z.B. implizites Wissen) nicht bzw. nur zu hohen Transaktionskosten handelbar. Die daraus im Zeitablauf entstehenden unterschiedlichen Ressourcenausstattungen von Unternehmen bilden die Grundlage von Wettbewerbsvorteilen und damit die Quelle tiberdurchschnittlicher Gewinne (sog. Renten, BAMBERGER/WRONA 1996a, S. 132; PETERAF 1993, S. 180 ff.). Im Mittelpunkt des ressourcenbasierten Ansatzes steht das Konzept des Wettbewerbsvorteils. Auch wenn bis dato kein einheitliches Konzeptverstandnis vorliegt (SRIVASTAVA et al. 2001, S. 777), so dominieren doch in der Literatur zwei konstituierende Basiselemente (SLATER 1996, S. 80; COYNE 1986, S. 55): (1) Es handelt sich um ein relatives Konzept, d.h., ein Vorteil besteht nur im Vergleich zum Wettbewerb innerhalb eines gegebenen Marktes und (2) im Zentrum steht der Kunde, d.h., ein Wettbewerbsvorteil verlangt, dass ein vom Kunden wahrgenommener Kundennutzen generiert wird (WOODRUFF 1997, S. 142). Erfolg basiert auf einer im Vergleich zum Wettbewerb besseren, originelleren oder schnelleren Auswahl bzw. Kombination von Ressourcen. Nicht alle Ressourcen fiihren jedoch zu
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dauerhaften/nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen (BARNEY 1991, S. 102). Innerhalb des ressourcenbasierten Ansatzes gibt es viele (in Teilen uneinheitliche) Beitrage, die zu erfiillende Bedingungen von Nachhaltigkeit diskutieren (insb. BARNEY 1991, S. 106 ff.; GRANT 1991, S. 123 ff.). OSSADNIK (2000, S. 276 f) fasst auf der Basis einer Literaturanalyse vier wesentliche Bedingungen von Ressourcen zusammen (ahnlich RASCHE/WOLFRUM 1994, S. 503 ff; ZUKNYPHAUSEN 1993, S. 776):
(1) Nicht-Imitierbarkeit: Ressourcen diirfen nur begrenzt imitierbar sein. Folgende wesentliche Quellen kommen fiir eine begrenzte Imitierbarkeit in Betracht: •
Unternehmensindividuelle Vergangenheitsentwicklung (Historizitdt): Jedes Unternehmen durchlauft eine idiosynkratische historische Entwicklung, die als solche nicht voUstandig wiederholbar ist. Das System wird auf Nachahmungsversuche in kaum vorhersehbarer Weise reagieren.
•
Unklarheit titer Kausalzusammenhdnge (Kausale Ambiguitdt): Kausale Ambiguitat bedeutet, dass Wirkungszusammenhange zwischen Ressourceneinsatz und Erfolg nicht eindeutig sind. Das heiBt, es ist nicht bekannt, welche Ressource bzw. welche Ressourcenkombination konkret den Erfolg begrundet.
•
Interdependenzen von Ressourcen (Komplexitdt): Haufig entsteht erst durch die Interaktion verschiedener Ressourcen (z.B. auf viele Personen verteiltes Wissen) ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil.
(2) Unternehmensspezifitdt Der Grad der Untemehmensspezifitat einer Ressource wird durch ihre organisatorische Einbindung im Untemehmen bestimmt. Insbesondere intangible Ressourcen, die auf subtilen Verhaltensschemata und Routinen beruhen (implizites Wissen), sind i.d.R. hochgradig untemehmensspezifisch. Mit zunehmender Spezifitat steigen die mit einem Ressourcentransfer verbundenen Transaktionskosten. (3) Nicht-Substituierbarkeit: Ressourcen diirfen nicht substituierbar sein, d.h., der Effekt der Ressource darf nicht mit ahnlichen Ressourcen bzw. durch andere Optionen erzielt werden konnen. (4) Fdhigkeit zur Nutzenstiftung am Markt: Damit eine Ressource strategisch relevant ist, muss sie signifikant dazu beitragen, dass die Leistung des Untemehmens am Absatzmarkt einen fur Kunden einzigartigen Zusatznutzen bietet. GRANT (1991, S. 129) bezeichnet Ressourcen, die nicht-imitierbar, untemehmensspezifisch, nicht-substituierbar und nutzenstiftend sind, als ,Kronjuwelen' eines Untemehmens. Fiir die Entwicklung wettbewerbsrelevanter Ressourcen konnen drei gmndsatzliche Altemativen in Betracht gezogen werden. Fiir eine interne Entwicklung sprechen vor allem der damit verbundene Imitationsschutz und das Erreichen von Synergien und Lemvorteilen. Mangels Know How bzw. technischer oder fmanzieller Mittel miissen jedoch viele Ressourcen extern
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iiber den Markt beschafft werden. Ein (dauerhafter) Wettbewerbsvorteil begrundet sich dabei z.B. in einer untemehmensspezifischen Ressourcenverwendung, einer komplexen Kombination mit anderen Ressourcen bzw. den Erwerb von Verfiigungsrechten. Schliei31ich kann ein Ressourcenzugang anf Kooperationen mit Marktpartnem (z.B. Joint Venture, Netzwerk) basieren (BAMBERGER/WRONA 1996a, S. 141 f.). Relevant ist jedoch nicht nur ,was man hat', sondem auch ,was man draus macht'. Entscheidend sind dabei weniger zeitpunktbezogen vorhandene Ressourcen, als zeitraumbezogen neue Ressourcen nutzbar zu machen (OSSADNIK 2000, S. 277). Weiterentwicklungen bzw. Ableger des ressourcenbasierten Ansatzes setzen sich daher verstarkt mit einer dynamischen Fdhigkeitsentwicklung von Untemehmen auseinander. Konkret handelt es sich um die wissensbasierte und die kompetenzbasierte Sichtweise (ZAHN etal. 2000. S. 51 ff.). Die wissensbasierte Sichtweise (knowledge-based view; z.B. TEECE 2000; NONAKA et al. 2000; GRANT 1996a) fmdet ihren Ursprung im ressourcenbasierten Ansatz, geht aber durch die Betrachtung weiterer Aspekte der Untemehmensfuhrung (z.B. Organisationsstruktur, Rolle der Untemehmensleitung) iiber diesen hinaus (GRANT 1996a, S. 110). Die wissensbasierte Sichtweise stellt Wissen als die strategisch wichtigste Ressource und damit Wissensmanagement als die bedeutendste Fahigkeit eines Untemehmens heraus (AcEDO etal. 2006, S. 629; ZAHN etal. 2000, S. 52). Danach konnen Untemehmen als eine Institution zur Integration von individuellem Wissen verstanden werden (GRANT 1996b, S. 380). Die kompetenzbasierte Sichtweise (competence-based view) riickt organisationale Fdhigkeiten (capabilities) in den Mittelpunkt der Betrachtung (FREILING 2000, S. 27 f.). Die Begriffe organisationale Fahigkeit, Kompetenz und Kemkompetenz werden z.T. voneinander abgegrenzt, iiberwiegend jedoch synonym verwendet (GIBBERT etal. 2006, S. 148; ATUAHENE-GIMA 2005, S. 61; BURMANN 2002, S. 157). Im Vordergrund stehen einzigartige, beim Wettbewerb nicht vorhandene Biindel an Ressourcen (RUHLI 1995, S. 94 f.; DAY 1994a, S. 38). Untemehmenserfolg wird dabei nicht (nur) iiber die vorhandenen Ressourcen defmiert, sondem vor allem iiber die Fahigkeit einer Organisation zur Ressourcennutzung, -koordination und -kombination zur Losung marktlicher Aufgaben (BURMANN 2002, S. 152). Das impliziert kollektive Lemprozesse, durch die Wissen (intem und/oder extem) generiert, akkumuliert und integriert wird (BURMANN 2002, S. 156; PRAHALAD/HAMEL 1990, S. 82). LEONARD-BARTON (1992) beschaftigt sich vor einem ressourcenbasierten Hintergmnd mit dem Phanomen von sog. Kernrigiditdten (core rigidities; z.T. wird auch von Keminkompetenzen gesprochen; z.B. DOUGHERTY 1995). Innovationsprojekte beinhalten gmndsatzlich einen Konflikt zwischen der Notwendigkeit kreativer Emeuerang (creative destmction; SCHUMPETER 1942) und der Nutzung/Beibehaltung vorhandener organisationaler Fahigkeiten (LEONARD-BARTON 1992, S. 112). Kemkompetenzen haben dabei eine paradoxe Rolle, indem
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sie auf der einen Seite Innovationen ermoglichen, auf der anderen Seite sie aber auch behindem: „Values, skills, managerial systems, and technical systems that served the company well in the past and may still be wholly appropriate for some projects or parts of projects, are experienced by others as core rigidities - inappropriate sets of knowledge." (LEONARD-BARTON 1992, S. 118)
Die sukzessive Verbesserung existierender Kemkompetenzen verringert die Attraktivitat des Experimentierens mit neuen Ressourcen (LEVITT/MARCH 1988, S. 322). Es besteht die Gefahr, dass Untemehmen in Kompetenzfallen geraten und zu Gefangenen ihrer eigenen, auf spezialisierten Ressourcen basierenden Erfolgsmuster der Vergangenheit werden. Diese Gefahr besteht vor allem im Kontext hochgradiger Innovationen, da diese den Ubergang auf neue Kompetenz- und Innovationspfade erfordem (DANNEELS 2002, S. 1105; ZAHN etal. 2000, S. 57). Speziell in innovationsintensiven, jungen Markten wird daher das dynamische Management von Ressourcen und die damit einhergehende laufende Weiter- und Neuentwicklung von Kemkompetenzen zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Der sog. dynamic capabilities-Ansatz (insb. TEECE et al. 1997; vgl. im tJberblick WINTER 2003) beschaftigt sich mit der Fdhigkeit zur Verdnderung von Wettbewerbsvorteilen in turbulenten Markten. Folgende dazu notige Verandemngsprozesse defmieren TEECE etal. (1997, S. 518ff.): (1) Koordination und Integration bereits vorhandener Fahigkeiten, (2) Refiguration, d.h. umfassende Veranderung der Ressourcen- und Fahigkeitsausstattung und (3) Organisationales Lemen. Untemehmen, die in innovationsintensiven Markten bestandig erfolgreich sein wollen, sind auf dynamische Fahigkeiten angewiesen (IANSITI/CLARK 1994, S. 558 f). Ermoglicht wird das u.a. durch einen Zugang zu Wissensressourcen auBerhalb des Untemehmens in Verbindung mit Lemprozessen hoherer Ordnung (ZAHN et al. 2000, S. 57; LEONARD-BARTON 1998, S. 56). Dynamische Fahigkeiten werden daher z.T. auch als Fahigkeiten zweiter Ordnung bezeichnet (DANNEELS 2002, S. 1112 f.). Insgesamt betrachtet wird die durch den ressourcenbasierten Ansatz ausgeloste Perspektivenerweitemng der Betrachtung untemehmensintemer Erfolgspotenziale (insb. auch intangibler Ressourcen) sehr positiv bewertet. Kritikpunkte betreffen die uneinheitliche Verwendung von Begrifflichkeiten und die in Teilen unterschiedliche Definition erfolgsrelevanter Ressourcen. Dariiber hinaus werden z.T. bereits bekannte Aussagen im Gewand neuer theoretischer Ansatze publiziert. So kritisieren BARNEY etal. (2001) beispielsweise, dass es sich bei dem dynamic capability-Ansatz nicht wie behauptet (TEECE etal. 1997, S. 513 ff) um eine neue Theorie handelt, sondem „'dynamic capabilites' are simply 'capabilities that are dynamic'" (BARNEY et al. 2001, S. 630; vgl. zur kritischen Wurdigung des ressourcenbasierten Ansatzes im Uberblick PRIEM/BUTLER 2001, S. 25 ff; FREILING 2000, S. 34ff; RASCHE/WOLFRUM
1994, S. 510 ff).
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7.2.2 Ressourcenbasierte Erfolgsableitung Die Verwendung des ressourcenbasierten Ansatzes im Marketingkontext erscheint vielversprechend, wurde jedoch in der Forschung lange vernachldssigt (ACEDO et al. 2006, S. 633; SRIVASTAVA etal. 2001, S. 778; SLATER 1997, S. 163). Ein besonders groBes Forschungsdefizit besteht im Kontext der Betrachtung von Innovationsprojekten (KELLER 2004, S. 245; WEERAWARDENA 2003, S. 16). Zunachst soil daher der Stand der Forschung zur Kundenorientierung auf der Untemehmensebene im Uberblick dargestellt werden (7.2.2.1). Darauf aufbauend wird der Erfolgseinfluss des Konstruktes der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen fokussiert (7.2.2.2). 7.2.2.1 Kundenorientierung auf der Untemehmensebene als Determinante des Unternehmenserfolges Bis dato existiert kein einheitliches Verstandnis von Marketing-Ressourcen (HOOLEY et al. 2005, S. 19). SRIVASTAVA etal. (2001, S. 779) verstehen darunter Ressourcen, die groBtenteils durch Marketingaktivitaten generiert bzw. gestarkt werden und die die wesentlichen Bedingungen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile erfiillen. Haufig wird dabei zwischen Marketing-Vermogenswerten und Marketing-Fahigkeiten differenziert (SRIVASTAVA etal. 2001, S. 779; HoOLEY etal. 2001, S. 507). Marketing-Vermogenswerte (marketing assets) stellen die Ausstattung eines Untemehmens mit marketing-spezifischen Ressourcen dar (z.B. Image, Vertriebsnetzwerk, Kundenbeziehungen, Wissen iiber Kundenbediirfnisse; SRIVASTAVA et al. 2001, S. 782). Marketing-Fahigkeiten (marketing capabilities) konnen als integrative Prozesse der Anwendung dieser Ressourcen zur Losung von Marktaufgaben und zur Generierung eines Kundennutzens verstanden werden (z.B. Kundenreaktionsfahigkeit, Innovationsfahigkeit; HOOLEY et al. 2001, S. 508; DAY 1994a, S. 40 f.). Im Kontext des Untersuchungsfokus dieser Arbeit stellt sich die Frage, inwieweit das Konstrukt der Kundenorientierung als eine (Marketing-) Ressource bezeichnet werden kann. Vorhandene Beitrage konzentrieren sich auf das aggregierte Konstrukt der Marktorientierung. Abhangig von dem zugrunde liegenden Konstruktverstandnis (kultur- vs. verhaltensorientiert) wird Marktorientierung von einigen Autoren als Marketing-Vermogenswert (ATUAHENEGiMA 2005, S. 79; HYVONEN etal. 2004, S. 174) bzw. als Marketing-Fahigkeit (ZHOU etal. 2005, S.44; HULT/KETCHEN 2001, S. 900; HUNT/LAMBE 2000, S. 28) interpretiert. Weitestgehende Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass Marktorientierung eine (Marketing-) Ressource im Sinne des ressourcenbasierten Ansatzes darstellt (HoOLEY etal. 2005, S. 18; SRIVASTAVA etal. 2001, S. 781; HUNT/LAMBE 2000, S. 27). Es lasst sich ableiten, dass das Teilkonstrukt der Kundenorientierung ebenfalls eine Marketing-Ressource darstellt. Bis dato existiert kein einheitliches Verstandnis der konkreten, ressourcenbasierten Wirkungskette des Einflusses der Marktorientierung auf den Erfolg. Es existieren zwar Beitrage
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zu Teilbereichen der Wirkungskette (MCNAUGHTON etal. 2001; OLAVARRIETA/FRIEDMAN 1999), eine ganzheitliche, allgemein akzeptierte Darstellung liegt nach dem derzeitigen Wissensstand der Verfasserin jedoch nicht vor. Die folgende Abbildung widmet sich diesem Forschungsdefizit und fasst bestehende konzeptionelle und empirische Erkenntnisse aus der Literatur zusammen. Dabei wird davon ausgegangen, dass vorliegende Erkenntnisse zur Marktorientierung auf das Teilkonstrukt der Kundenorientierung tibertragen werden konnen. Deshalb und aufgrund unterschiedlicher Konstmktdefinitionen (Marketing-Ressourcen, Erfolg) ist die Darstellung als exploratorischer Beitrag zur ressourcenbasierten Erfolgswirkung der Kundenorientierung zu verstehen.
•Wilkinson 2001,8.75* •Srivastava etal. 2001,3.782* •Tuominen 1996,8.27* •Slater/Narver1994c,8.25*
Marketing-Ressourcen im Unternehmen •Hooley etal. 2005,8.23** •McNaughton etal. 2001,8.524* • Ottesen/Gronhaug 2000,8.5** • Hunt/Lambe 2000, S. 27*
MarlcetingVermdgenswerte
Kundenorientierung als Ressource •Hooley etal. 2005,8.23** • Atuahene-Gima 2005,8.77** • Jayachandran et al. 2004,8.224' • Weerawardena/ O'Cass 2004, 8.425** •Vorhies/Harker2000,8.162** • Olavarrleta/Fiiednfiann 1999,8.220* •Slater/Narver1994c,8.25*
•Hooley etal. 2005,8.24** • Hyvonen et al. 2004,8.174** •McNaughton etal. 2001,8.524*
•Wangetal.2004, 8.255* • Srivastava et al. 2001,8.782 ff.* •Hunt/Lambe2000, 8.27*
IVIarketingFahigkeiten
Nachhatttger Weltbewerbsvarteii
d
Untemeh-
menserfoig
•Hooley etal. 2005,8.24** • Jayachandran et at. 2004,8.224** •Wang etal. 2004,8.270** • Weerawardena 2003,8.26** • Srivastava et al. 2001, S. 782 f.* • Otavarrieta/Friedmann 1999,8.220* •Vorhies1998,8.14** •8later/Narver1994c,8.25*
= konzeptionelle Aussage; **= empirischer Befund
Abb. 31: Ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung (Unternehmensebene) Quelle: Eigene Darstellung
Es wird deutlich, dass Kundenorientierung einen positiven Einfluss auf weitere MarketingRessourcen im Unternehmen ausiibt (vgl. Abb. 31). Beispielweise kann durch kundenorientiertes Verhalten kundenbezogenes Wissen generiert werden (als Marketing-Vermogenswert; z.B. MCNAUGHTON et al. 2001, S. 524) und es kann die Kundenreaktions- bzw. Innovationsfahigkeit (als Marketing-Fdhigkeiten\ z.B. JAYACHANDRAN et al. 2004, S. 224; HoOLEY et al. 2005, S. 23) gesteigert werden. Marketing-Vermogenswerte und Marketing-Fahigkeiten stehen wiederum in einer wechselseitigen Beziehung zueinander (z.B. WANG etal. 2004, S. 255). Ressourcenorientierte Beitrage weisen darauf bin, dass durch Kundenorientierung kreierte bzw. gesteigerte Marketing-Vermogenswerte und -Fahigkeiten zu einem Wettbewerbsvorteil im Markt fuhren (HoOLEY etal. 2005, S. 24; WEERAWARDENA 2003, S. 26; vgl. Abb. 31).
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Wettbewerbsvorteile wirken positiv auf den Untemehmenserfolg: Zum einen konnen durch die damit verbundene Verschiebung der Nachfragekurve die Absatzmenge und/oder die Preise erhoht werden, zum anderen kann eine Steigerung der Absatzmenge zur Reduktion der Fertigungskosten eingesetzt werden. Insgesamt betrachtet lasst sich ein positiver Einfluss eines Wettbewerbsvorteils im Markt auf den Untemehmenserfolg (Umsatz und/oder Profitabilitat) ableiten (NARVERet al. 1993, S. 4 ff.). Nicht alle Ressourcen fiihren zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil und damit zu einem langfristigen Erfolg im Markt (BARNEY 1991, S. 102; vgl. Abschnitt 7.2.1). In der Literatur besteht jedoch weitestgehend Einigkeit dariiber, dass Kundenorientierung die Ressourcenbedingungen eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils erfiillt (HOOLEY etal. 2005, S. 19; DUTTA et al. 1999, S. 550 f.; HUNT/MORGAN 1995, S. 13). Ober die bisher dargestellte Wirkungskette hinaus postulieren ressourcenorientierte Beitrage eine Wechselwirkung zwischen Marketing-Ressourcen und Erfolg (z.B. WILKINSON 2001, S. 75; vgl. Abb. 31). Zusammenfassend: Aus einer ressourcenbasierten Perspektive kann abgeleitet werden, dass Kundenorientierung auf der Untemehmensebene eine Determinante des Untemehmenserfolges darstellt. Im folgenden Abschnitt (7.2.2.2) wird der Frage nachgegangen, inwieweit Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten eine Determinante des Innovationserfolges darstellt, 7.2.2.2 Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen als Determinante des Innovationserfolges Bis auf Ausnahmen (DANNEELS 2002; VERONA 1999) hat sich die ressourcenorientierte Forschung nicht mit dem Erfolgseinfluss von Marketing-Ressourcen in Innovationsprojekten beschaftigt (KELLER 2004, S. 245; SRIVASTAVA etal. 2001, S. 796). Der vorliegende Abschnitt widmet sich im Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen diesem Forschungsdefizit. Ressourcen bilden die Basis ftir Innovationen (ZAHN et al. 2000, S. 57). Gleichzeitig konnen Innovationen als Inbegriff der Generierung neuer Ressourcen verstanden werden (WERNERFELT 2005, S. 16; zu KNYPHAUSEN 1993, S. 779). Im Innovationsprojekt konnen zwei Kemkompetenzen unterschieden werden: „The two key tasks involved in product innovation are to physically make the new product (which is possible when a technological competence is present) and to sell that product to certain customers (which is enabled by the presence of a customer competence)'' (DANNEELS 2002, S. 1102; H.d.V.)
Wahrend Technologiekompetenzen technologiebezogene Ressourcen wie z.B. Produktionsanlagen, Design und Entwicklungs-Know How umfassen, basieren Kundenkompetenzen auf Marketing-Ressourcen wie z.B. Wissen tiber Kundenbedtirfnisse und -praferenzen, Distribu-
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tionszugangen sowie Kommunikationskanalen zum Austausch von Informationen mit Kunden wahrend der Innovationsentwicklung und -kommerzialisierung. Kundenkompetenzen konnen als Marketing-Vermogenswerte im Innovationsprojekt verstanden werden (DANNEELS 2002, S. 1102 ff.). Hochgradige Innovationen verlangen den Aujbau neuer Technologie- und Kundenkompetenzen (DANNEELS 2002, S. 1105). Kemrigiditaten konnen der Entstehung neuer Kompetenzen entgegenstehen: Ressourcen, die in gegenwartigen Innovationsprojekten einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil manifestieren, konnen im Kontext neuer Projekte das Gegenteil bewirken (LEONARD-BARTON 1992, S. 118; vgl. Abschnitt 7.2.1). So ist es im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte z.B. entscheidend, dass Untemehmen sich neben einer engen Beziehung zu ihren gegenwartigen Kunden (tight coupling) die Unabhangigkeit der Ansprache neuer Kundengruppen (loose coupling) bewahren (DANNEELS 2003, S. 572). Wesentlich sind in diesem Zusammenhang dynamische Fdhigkeiten bzw. Fdhigkeiten zweiter Ordnung (DANNEELS 2002, S. 1112 f.). Fahigkeiten zweiter Ordnung beziehen sich auf kontinuierliche Lernprozesse der Identiflkation, Evaluation und Integration neuer Technologie- und Kundenkompetenzen in das Ressourcenportfolio. Bezogen auf den Aufbau neuer Kundenkompetenzen versteht DANNEELS (2002, S. 1113) darunter: „(•..) identifying new customers, developing knowledge about those customers, and gaining access to them through sales and distribution channels."
Es zeigt sich eine deutliche Parallele zum Konzept der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Die folgenden Ausftihrungen entlang der drei Saulen Intelligence Generation, Dissemination und Responsiveness verdeutlichen, dass Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen als eine dynamische Marketing-Fahigkeit bzw. Fahigkeit zweiter Ordnung verstanden werden kann (vgl. auch Abb. 32): (1) Intelligence Generation als Fahigkeit zur Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung: Die Fahigkeit zur Identiflkation, Integration und Nutzung von extemem Wissen (Wissen auBerhalb des Untemehmens) stellt eine kritische Komponente im Innovationsprojekt dar (sog. absorptive capacity; COHEN/LEVINTHAL 1990, S. 128 f.). Innovationsmarktforschung dient der Integration von extemem Wissen und kann damit als wesentliche Marketing-Fahigkeit im Innovationsprojekt verstanden werden (VERONA 1999, S. 135). Die Generierung kundenbezogener Informationen fuhrt zu neuem Wissen liber KundenZ-gruppen und ihre Bedilrfiiisse und damit zum Aufbau neuer Kundenkompetenzen (DANNEELS 2002, S. 1113; DOUGHERTY 1995, S. 133). (2) Intelligence Dissemination als Fahigkeit zur Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess: Die Stellung des Kunden hat sich in den letzten 30 Jahren sukzessive von passiv eingestellten Abnehmem hin zu aktiven Mitgestaltem der Wertschopfung ver-
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andert (PRAHALAD/RAMASWAMY 2000, S. 66 ff.; GEMUNDEN et al. 1996, S. 450). In die-
sem Zusammenhang ist die Fahigkeit zur Kundenintegration entscheidend (customer integration capability bzw. competence vgl. JACOB 2006; IANSITI/CLARK 1994). Darunter verstehen IANSITI/CLARK (1994, S. 570) die Fahigkeit, Informationen iiber Kunden und ihre Bediirfnisse auf der Basis eines wechselseitigen Lemprozesses in den Innovationsprozess einflieBen zu lassen. Diese Fahigkeit kann als eine Teilkomponente der weiter gefassten Netzwerkkompetenz verstanden werden, die es Untemehmen ermoglicht, im Rahmen ihrer Innovationsprozesse Beziehungen zu extemen Partnem (darunter Kunden) zu etablieren und erfolgreich zu nutzen (RITTER/GEMUNDEN 2004, S. 549; 2003, S. 746 f.). Durch eine Zusammenarbeit mit ausgewahlten Kunden konnen z.B. neue Kommunikationskandle zum Informationsaustausch mit Kunden wahrend der Innovationsentwicklung aufgebaut und genutzt werden, was generative Lemprozesse fordert (TUOMINEN et al. 2004, S. 214) und Kemrigiditaten entgegenwirkt (ZAHN et al. 2000, S. 57). (3) Responsiveness verstanden als Fahigkeit zum Wissenstransfer durch Marktvorbereitung: Nicht nur die Entwicklung einer Innovation, sondem auch deren Vermarktung/ Kommerzialisierung verlangt Marketing-Ressourcen. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur z.B. auf das Vorhandensein von Distributionskanalen (DANNEELS 2002, S. 1103), Fahigkeiten der Markteinflihrung (z.B. Gestaltung des Marketing-Mix; FAHY et al. 2006, S. 153; VERONA 1999, S. 136) und die Fahigkeit zum Verkauf von ,Losungen' anstelle von ,Produkten' (GIBBERT et al. 2006, S. 149) verwiesen. Wissenstransfer durch Marktvorbereitung und die damit verbundene Uberwindung von Akzeptanzbarrieren stellt einen Zugang zu potenziellen Kunden zur Vermarktung der Innovation dar und fiihrt damit zum Aufbau neuer Kundenkompetenzen (DANNEELS 2002, S. 1107). Insgesamt betrachtet fordert Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen die Entwicklung neuer Kundenkompetenzen und kann damit als eine dynamische Marketing-Fdhigkeit (bzw. Marketing-Fahigkeit zweiter Ordnung) bezeichnet werden.
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Marketing-Ressourcen im Innovationsprojekt Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen als dynamische Marketing-FShigkeit Intelligence Generation Fahigkeit zur Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung
Neue Kundenkompetenzen als Marketing-Vermdgenswerte, z.B.
Intelligence Dissemination FShigkeit zur Integration ausgewShlter Kunden in den Innovationsprozess
• Kommunikationskanaie zum Infomiationsaustausch mit Kunden
• Wissen uber Kunden/ -gruppen und ihre BedOrfnisse
• ZugSnge zu Kunden zur Vemriarktung der Innovation Responsiveness Fahigkeit zum WIssenstransfer durch eine Marktvorbereitung
Abb. 32: Ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Projektebene) Quelle: Eigene Darstellung
Neue Kundenkompetenzen bieten als Marketing-Ressourcen im Innovationsprojekt Potenzial fur einen Wettbewerbsvorteil im Markt. Ein Wettbewerbsvorteil im Markt besteht jedoch definitionsgemaB nur dann, wenn (1) ein vom Kunden wahrgenommener Nutzen generiert wird und (2) dieser Nutzen einen Vorteil im Vergleich zum Wettbewerb darstellt (COYNE 1986, S. 55; vgl. Abschnitt 7.2.1). Defmitionsgemafi beinhaltet Kundenorientierung eine Ausrichtung der Innovationstatigkeit am Kunden. Es bleibt jedoch die Frage, inwieweit sich dadurch ein Vorteil im Vergleich zum Wettbewerb generieren lasst. Das ist abhangig davon, inwieweit es sich dabei um ein seltenes Phdnomen handelt: Wenn in alien Innovationsprojekten in einer Branche gleich gut kundenorientiert agiert wird, lasst sich so kein Wettbewerbsvorteil generieren (HUNT/LAMBE 2000, S. 27; HUNT/MORGAN 1995, S. 11).
Empirische Studien verweisen auf erhebliche Mangel bei der Implementierung der Kundenorientierung allgemein (MASON/HARRIS 2005, S. 373) und insbesondere im Kontext der Entwicklung neuer Produkte (EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 24; GRUNER/HOMBURG 2000, S. 11; COOPER 1999, S. 117). Es lasst sich ableiten, dass es sich nicht um einen allgemein umgesetzten Standard handelt, so dass grundsatzlich Potenzial zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils im Markt besteht. Damit Ressourcen jedoch zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil fuhren, mtissen vier wesentliche Bedingungen erfiillt sein (vgl. Abschnitt 7.2.1). Fiir die Marketing-Ressource Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen gelten die folgenden Uberlegungen: (X) Nicht-Imitierbarkeit: Kompetenzen im Innovationsprojekt basieren zum einen auf einer untemehmensindividuellen Vergangenheitsentwicklung (DANNEELS 2002, S. 1099 f.), und
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zum anderen ist der Wirkungszusammenhang zwischen Ressourceneinsatz und Erfolg nicht eindeutig erkennbar. Es bleibt verhaltnismaBig diffiis, welche Aspekte der Kundenorientierung (z.B. welche Informationsquellen) bzw. welche Kundenkompetenzen den Erfolg eines Innovationsprojektes konkret begriinden (hohe kausale Ambiguitat). Daruber hinaus ist das Wissen zur Umsetzung der Kundenorientierung haufig auf das Innovationsteam verteilt und weist damit eine hohe Komplexitat auf (HITT et al. 2000, S. 235). Es lasst sich ableiten, dass Kundenorientierung und daraus resultierende neue Kundenkompetenzen hochstens begrenzt imitierbar sind. (2) Unternehmensspezifitdt: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen basiert auf subtilen Verhaltensschemata und Routinen (DUTTA etal. 1999, S. 550 f). Wissen iiber Kunden und ihre Bediirfnisse stellt implizites Wissen dar, das durch einen personlichen, intensiven Austausch mit Kunden im Zeitablauf entsteht (JEPPESEN 2005, S. 348; RUDIGERA^ANINI 1998, S. 473). Das gilt besonders fur die im Kontext hochgradiger Innovationen besonders relevanten latenten und zuktinftigen Kundenbedtirfnisse (NARVER et al. 2000, S. 9). Implizites Wissen ist untemehmensspezifisch, schwierig zu artikulieren und kann nur zu hohen Transaktionskosten tibertragen werden (NONAKA et al. 2000, S. 7; ZUKNYPHAUSEN 1993, S. 780).
(3) Nicht-Substituierbarkeit Der Effekt der Ressource Kundenorientierung kann nicht einfach durch andere Ressourcen substituiert werden. So zeigen Forschungsergebnisse, dass erhebliche Unterschiede darin bestehen, was Manager denken, was Kunden einen Nutzen stiftet, und was Kunden tatsachlich als nutzenstiftend empfmden (WOODRUFF 1997, S. 143). Erst durch die Generierung von kundenbezogenen Informationen konnen Hinweise gewonnen werden, welche konkreten Leistungsangebote von den Kunden praferiert werden (SLATER 1996, S. 80).
(4) Fdhigkeit zur Nutzenstiftung am Markt: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zielt auf eine Ausrichtung der Innovationstatigkeiten an den Kunden und ihren Bediirfnissen. Damit wird das Kriterium der Fahigkeit zur Nutzenstiftung am Markt definitionsgemaB erfiillt. Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und die daraus resultierenden Kundenkompetenzen sind also nur begrenzt imitierbar, untemehmensspezifisch, nicht-substituierbar und tragen zu einer Nutzenstiftung am Markt bei. Damit werden die vier wesentlichen Ressourcenbedingungen zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils erftillt. Das heiBt, es kann davon ausgegangen werden, dass Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen grundsatzlich das Potenzial hat, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu generieren.
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Ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil wirkt sich wiederum positiv auf den Innovations erfolg aus. Ein Vorteil im Vergleich zum Wettbewerb hat einen positiven Einfluss auf die Kundennachfrage: Kunden konnen zwischen verschiedenen Anbietem im Markt wahlen und entscheiden sich i.d.R. flir das Angebot, das ihnen den hochsten Nutzen bietet (PLINKE 1992, S. 832 f.). Ein seitens potenzieller Kunden wahrgenommener Wettbewerbsvorteil fiihrt damit zu der Erzielung einer vergleichsweise hohen Absatzmenge bzw. relativ hoher Preise und hat damit einen positiven Einfluss auf den Erfolg der Innovation (NARVER et al. 1993, S. 4 ff.). Auf der Basis des ressourcenbasierten Ansatzes lasst sich also ein positiver Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg hochgradiger Innovationen ableiten. Dariiber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit sich aus einer ressourcenbasierten Perspektive ein moderierender Einfluss des Innovationsgrades ableiten lasst. Mit anderen Worten: Inwieweit steigt die Relevanz der Kundenorientierung mit zunehmendem Innovationsgrad? Grundsatzlich gilt: Je hochgradiger eine Innovation ist, desto weniger verfiigt das innovierende Untemehmen bereits tiber Kompetenzen zur Entwicklung und Vermarktung der Innovation (DANNEELS 2002, S. 1106; MCDERMOTT/0'CONNOR 2002, S. 429; vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1). Bezogen auf Kundenkompetenzen ist davon auszugehen, dass das Wissensdefizit tiber potenzielle Kunden und deren Bediirfnisse umso groBer ist, je hoher der Innovationsgrad ist (CHANDY/TELLIS 2000, S. 4). Es lasst sich schlussfolgem, dass radikale Innovationsprojekte besonders stark von neuen Kundenkompetenzen und damit von einer Kundenorientierung profitieren (SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 358; SANDVIK et al. 2000, S. 4; ATUAHENE-GIMA 1995, S. 279).
Da radikale Innovationen haufig latente bzw. zukunftige Kundenbediirfnisse betreffen (LEHMANN/WINER 1997, S. 269), die schwer zu artikulieren und zu erheben sind, ist davon auszugehen, dass entsprechendes Wissen besonders wertvoll ist (hohe Untemehmensspezifitat und Nicht-Imitierbarkeit). SchlieBlich profitieren radikale Innovationen aufgrund hoher Akzeptanzbarrieren im Markt besonders stark von einer Marktvorbereitung. Insgesamt betrachtet lasst sich aus ressourcenbasierter Sicht also ein positiv moderierender Einfluss des Innovationsgrades auf die Beziehung zwischen Kundenorientierung und Erfolg vermuten. Mit anderen Worten: Es ist davon auszugehen, dass je hoher der Neuigkeitsgrad einer Innovation ist, desto starker beeinflusst Kundenorientierung den Erfolg der Innovation. 7.3 Ressourcenabhangigkeitsperspektive Im vorangegangenen Abschnitt wurde der Einfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen auf den Erfolg aus einer intemen Perspektive heraus betrachtet. Der vorliegende Abschnitt 7.3 erganzt diesen Ansatz um die extern ausgerichtete Ressourcenabhangigkeitsperspektive. Dazu erfolgt zunachst ein kurzer Uberblick zu den Kemaussagen dieses theoreti-
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schen Ansatzes (7.3.1). Anschliefiend wird die Ressourcenabhangigkeitsperspektive auf den Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen tibertragen (7.3.2). 7.3.1 Uberblick zur Ressourcenabhangigkeitsperspektive Die systemtheoretisch gepragte Ressourcenabhangigkeitsperspektive (resource dependence perspective) wurde im Wesentlichen durch ALDRICH/PFEFFER (1976) und PFEFFER/SALANCIK (1978) entwickelt (ERNST 2001, S. 175; HOMBURG 1995, S. 43). Analog zum ressourcenbasierten Ansatz stellt die Ressourcenabhangigkeitsperspektive den Ressourcenbegriff in den Mittelpunkt der Betrachtung. Indem PFEFFER (1992, S. 87) Ressourcen als „almost anything that is perceived as valuable" definiert, weist er ein ahnlich breites Verstandnis des Ressourcenbegriffs auf wie wesentliche Vertreter des ressourcenbasierten Ansatzes (z.B. WERNERFELT 1984, S. 172; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 7.2.1). Wahrend der ressourcenbasierte Ansatz Untemehmen aus einer intemen Perspektive heraus betrachtet, nimmt die Ressourcenabhangigkeitsperspektive eine exteme Perspektive ein. Es wird davon ausgegangen, dass Organisationen eingebettet sind in ein System von externen Interessensgruppen, die durch die Bereitstellung benotigter Ressourcen die Aktivitaten der Organisation beeinflussen konnen: „The resource dependence model proceeds from the indisputable proposition that organizations are not able to internally generate either all the resources or functions required to maintain themselves, and therefore organizations must enter into transactions and relations with elements in the environment that can supply the required resources." (ALDRICH/PFEFFER 1976, S. 83)
PFEFFER/SALANCIK (1978, S. 2) formulieren das Kemthema der Ressourcenabhangigkeitsperspektive zu Beginn ihres Buches kurz und knapp: „This book discusses how organizations manage to survive." Im Gegensatz zum ressourcenbasierten Ansatz, nach dem Untemehmen iiberdurchschnittliche Gewinne (Renten) generieren soUen, begniigt sich die Ressourcenabhangigkeitsperspektive mit dem Uberleben einer Organisation (zu KNYPHAUSEN-AUFSEB 1997, S. 459). Hier zeigt sich die Verankerung in der Systemtheorie, die in Anlehnung an ihren biologischen Ursprung ebenfalls die Cberlebensfahigkeit eines Systems als zentralen Erfolgsfaktor definiert (HOMBURG 1995, S. 43). Operationalisiert wird Uberleben durch den externen Erfolgsfaktor der Effektivitat. Verstanden wird darunter die Fahigkeit einer Organisation, die Forderungen derjenigen externen Interessensgruppen zu erfallen, die uber fur die Organisation essenzielle Ressourcen verfiigen (PFEFFER/SALANCIK 1978, S. 11). Der Grad der Abhangigkeit der Organisation von einer externen Interessensgruppe basiert im Wesentlichen auf drei Faktoren (PFEFFER/SALANCIK 1978, S. 45 ff): (1) Wichtigkeit der Ressource: Die Wichtigkeit einer Ressource ergibt sich zum einen aus dem relativen AusmaB ihres Austausches und zum anderen aus ihrer Bedeutung ftir das Uberleben der Organisation. So ist ein Untemehmen, das lediglich ein Produkt anbietet.
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starker abhangig von seinen Kunden als ein Untemehmen, das verschiedene Leistungen in verschiedenen Markten anbietet. Eine kritische Ressource ist dadurch charakterisiert, dass ohne ihr Vorhandensein das Uberleben der Organisation erheblich gefahrdet ist. (2) Verfugungsgewalt uber die Ressource: Moglichkeiten der Verftigungsgewalt seitens der Interessensgruppe liber die Allokation und den Gebrauch einer Ressource sind der Besitz der Ressource, die ZugangskontroUe zu der Ressource, die Ressourcennutzung und die Regulierung des Ressourcenbesitzes. So kann z.B. ein Individuum, das Wissen in einem bestimmten Bereich besitzt, im Allgemeinen auch iiber das Wissen verfugen. Gewerkschaften kontrollieren z.B. den Zugang zur qualifizierten Arbeiterschaft, Manager bestimmen die Nutzung wesentlicher intemer Ressourcen, und der Staat hat die Macht, in ausgewahlten Bereichen den Ressourcenbesitz zu regulieren (SHEPPARD 1995, S. 29). (3) Konzentration der Ressourcenkontrolle\ Konzentriert sich die Ressourcenkontrolle auf eine/wenige exteme Interessensgruppe/n, so liegt ein hoher Grad an Abhangigkeit vor. Kann die Ressourcenlieferung hingegen substituiert werden, so vermindert sich die Abhangigkeit der Organisation. PFEFFER/SALANCIK (1978, S. 92 ff.) verweisen auf unterschiedliche Strategien mit der Abhangigkeit von externen Interessensgruppen umzugehen, wobei in einem Marketing-Kontext drei Strategien besondere Relevanz haben (ERNST 2001, S. 176; HOMBURG 1995, S. 46 f.): (1) Erfiillung der Anforderungen der Interessensgruppe; (2) Stdrkung der Beziehung zur Interessensgruppe (z.B. durch Informationsaustausch, verstarkte Interaktion) und (3) Beeinflussung der Determinanten der Forderungen (z.B. durch eine Steuerung der Entstehung der Forderungen der Interessensgruppe). Wahrend die erste Strategic eine rein passive Reaktion auf die Anforderungen der Interessensgruppe darstellt, konnen die beiden anderen Strategien als aktive Reaktionen bezeichnet werden (UTZIG 1997, S. 90). Eine rein passive Erfiillungsstrategie ist insofem problematisch, als dass sie aufgrund inkompatibler Anforderungen von Interessensgruppen auf Dauer kaum durchzuhalten ist urid die Abhangigkeit der Organisation tendenziell verstarkt (PFEFFER/ SALANCIK 1978, S. 94 f). Eine langfristig sinnvolle Moglichkeit der Bewaltigung von Abhangigkeiten stellt die Intensivierung der Kooperation mit externen Interessensgruppen dar (PFEFFER/SALANCIK 1978, S. 45). SCOTT (1992, S. 197) spricht in diesem Zusammenhang von .bridgingstrategies', also Strategien, die Grenzen zwischen Organisationen iiberbrticken. Als wesentlicher Umfeldfaktor gilt dabei die Unsicherheit (PFEFFER/SALANCIK 1978, S. 67 f). Unsicherheit basiert vor allem auf der Verfiigbarkeit kritischer Ressourcen und wirkt sich positiv auf die Notwendigkeit von bridging strategies aus. Mit anderen Worten: Bei hoher Unsicherheit sind bridging strategies besonders erfolgsentscheidend (HOMBURG 1995, S. 47).
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7.3.2 Ubertragung der Ressourcenabhangigkeitsperspektive auf den Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Kunden sind eine essentielle exteme Interessensgruppe von Untemehmen. Zum einen verkorpert ihre Nachfrage die einzige dauerhafte Moglichkeit flir Untemehmen, sich mit finanziellen Ressourcen zu versorgen. Zum anderen stellen Kunden Informationen uber ihre Bedilrfnisse zur Verfugung, die dazu beitragen, erfolgreicher im Markt zu agieren (NAMBISAN 2002, S. 394; HOMBURG 1995, S. 46; KOTTER 1979, S. 88). Abhangigkeit besteht nicht nur von gegenwdrtigen Kunden, sondem auch von potenziellen Kunden, mit denen ein Untemehmen gegenwartig (noch) nicht interagiert, die aber zukiinftig Einfluss nehmen konnten (UTZIG 1997, S. 78 f.; KOTTER 1979, S. 88; vgl. auch zusammenfassend Abb. 33). Das ist im Kontext der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen besonders entscheidend, da haufig Markte anvisiert werden, die vorher noch nicht durch das Untemehmen bedient wurden (SANDBERG 2002, S. 188).
Aus dem Verstandnis der Ressourcenabhangigkeitsperspektive heraus stellt sich die Frage, wie stark hochgradig innovierende Untemehmen von den Ressourcen gegenwartiger und potenzieller Kunden abhangig sind. (1) Wichtigkeit der Ressourcen: Aufgmnd der hohen Entwicklungs- und Vermarktungskosten hochgradiger Innovationen (z.B. RiCE etal. 2002, S. 334; vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1) sind Untemehmen besonders stark auf eine Kundennachfrage zur Amortisation der Investitionen angewiesen. Da die Akzeptanz einer Innovation entscheidend von der Innovationsausrichtung an den Kundenbediirfnissen abhangt (ROGERS 2003, S. 229 f.), benotigen Untemehmen darUber hinaus dringend Informationen iiber Kundenbediirfnisse. Insgesamt betrachtet beinhalten die Ressourcen ,Nachfrage' und ,Informationen iiber Kundenbediirfnisse' damit eine hohe Wichtigkeit und stellen daher kritische Ressourcen im Sinne der Ressourcenabhangigkeitsperspektive dar. (2) Verfugungsgewalt iiber die Ressourcen: Beziiglich des zweiten Faktors des Abhangigkeitsgrades gilt es einzuschatzen, inwieweit Kunden iiber die Ressourcen verfiigen konnen. Unkritisch ist, dass Kunden finanzielle Ressourcen besitzen, um auf dem Markt angebotene Innovationen nachzufragen (SHEPPARD 1995, S. 30). Fraglich ist jedoch, inwieweit Kunden Verfugungsgewalt iiber Bediirfnis-Informationen haben. Gmndsatzlich konnen Individuen iiber Wissen, das sie besitzen, auch verfiigen (PFEFFER/SALANCIK 1978, S. 48). Hochgradige Innovationen betreffen jedoch haufig latente und zukiinftige Kundenbediirfnisse, die unbewusst bzw. gegenwartig noch nicht existent sind (LiCHTENTHALER etal. 2004, S. 110). Latente Bedurfnisse stellen implizites Wissen dar, das sich durch einen intensiven personlichen Austausch in explizites Wissen umwandeln lasst (RUDIGER/VANINI 1998, S. 472; NONAKA/KONNO 1998, S. 46). Zukiinftige Bediirf-
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nisse finden letztlich ebenfalls ihre Wurzeln in den Kunden und den gegenwartigen Rahmenbedingungen ihres Handeln (CONNOR 1999, S. 1158). Insgesamt betrachtet kann also davon ausgegangen werden, dass Kunden im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte Verfiigungsgewalt tiber die relevanten Ressourcen durch Besitz haben (vgl. auch LETTL 2004, S. 96). (3) Konzentration der Ressourcenkontrolle: Der dritte Faktor betrifft Moglichkeiten der Substitution der Ressourcenlieferung. Es ist unbestritten, dass sich die Nachfrage fur eine Innovation langfristig auf die exteme Interessensgruppe der Kunden konzentriert (HOMBURG 1995, S. 46). Dariiber hinaus lassen sich Informationen zu Kundenbedtirfnissen nicht einfach substituieren (GRUNER 1997, S. 55). Wie bereits dargestellt wurde, weicht das Verstandnis von Untemehmen dariiber, was Kunden einen Nutzen stiftet, erheblich von dem ab, was Kunden tatsachlich als nutzenstiflend wahmehmen (WOODRUFF 1997, S. 143). Das gilt im Besonderen fiir hochgradige Innovationsprojekte, da die Marktunsicherheiten besonders hoch sind (vgl. ausluhrlich Abschnitt 3.2.2.1). Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass im Kontext hochgradiger Innovationen bzgl. der Ressourcen ,Nachfrage' und ,Informationen tiber Kundenbediirfnisse' (1) eine hohe Wichtigkeit, (2) Verfiigungsgewalt der Kunden durch Besitz und (3) eine hohe Konzentration der Ressourcenkontrolle vorliegt. Das heifit, es besteht eine hohe Abhdngigkeit innovierender Untemehmen von der extemen Interessensgruppe der Kunden (DANNEELS 2003, S. 560; HOMBURG 1995, S. 46; vgl. auch zusammenfassend Abb. 33). Bin hoher Abhangigkeitsgrad verlangt Strategien der Abhdngigkeitsbewdltigung. Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen steht in mehrerer Hinsicht mit den im vorangegangenen Abschnitt (7.3.1) dargestellten Optionen der Abhangigkeitsbewaltigung in Verbindung. Zum einen beinhaltet Kundenorientierung defmitionsgemaB eine Ausrichtung der Innovationstatigkeit an den Kunden (PLINKE 1992, S. 836) und zielt damit auf eine Erfullung der Anforderungen potenzieller Kunden ab (ERNST 2001, S. 176; HOMBURG 1995, S. 46 f.). Die zweite Saule der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, Kundenintegration, zeigt Parallelen zur Stdrkung der Beziehung zur Interessensgruppe. Durch die intensive Zusammenarbeit mit ausgewahlten Kunden und dem damit verbundenen Informations- und Interaktionsaustausch starkt der Hersteller die Beziehung zur Interessensgruppe (ERNST 2001, S. 176; PLINKE 1992, S. 839). SchlieBlich kann die dritte Saule der Kundenorientierung, Marktvorbereitung, als Beeinflussung der Determinanten der Forderungen interpretiert werden. Durch einen Wissenstransfer an potenzielle Kunden werden Erwartungen an die Innovation und damit auch Forderungen der Kunden beeinflusst. Da die Strategien tiber den passiven Ansatz der Erfiillung der Kundenanforderungen hinausgehen, kann Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen als eine langfristige
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Moglichkeit der Bewaltigung der Abhangigkeit von den Kunden und damit als eine ,bridging strategy' verstanden werden (vgl. ahnlich LETTL 2004, S. 96; GRUNER 1997, S. 55). Aus dem Verstandnis der Ressourcenabhangigkeitsperspektive, die Oberbruckungsstrategien als maBgebliche Erfolgsfaktoren einstuft, lasst sich ein positiver Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen ableiten. Uberbriickungsstrategien sind besonders erfolgsrelevant in Situationen hoher Unsicherheit (vgl. Abschnitt 7.3.1). Der Grad der Unsicherheit ist insbesondere abhangig von der Verfiigbarkeit kritischer Ressourcen. Je hoher der Innovationsgrad ist, desto weniger Informationen iiber Kundenbedurfnisse sind intern bereits vorhanden (DANNEELS 2002, S. 1106). Gleichzeitig steigen mit zunehmendem Innovationsgrad die Schwierigkeiten der Generierung von Informationen tiber latente und unbewusste Bediirfnisse (SLATER/MOHR 2006, S. 319; vgl. ausfiihrlich auch Abschnitt 8.2.1.1). Das heiBt, auf der Grundlage der Ressourcenabhangigkeitsperspektive lasst sich ein positiv moderierender Einfluss des Innovationsgrades auf den Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und Erfolg ableiten (vgl. analog LETTL 2004, S. 97). Die folgende tJbersicht fasst die Erkenntnisse zur Ressourcenabhangigkeitsperspektive zusammen.
Kontext-iJbertragung
^twH* mni^nm
\ \ Abhangigkeit einer Organisation von , , \\ externen Interessensgruppen, die , 1 uber fur die Organisation essenzielle / / Ressourcen verfugen
Interessensgruppe: Gegenwartige und potenzielle Kunden Ressourcen: (1) Nachfrage (2) Informationen uber Bedurfnisse
\\ Bewertungskriterien: \ \ 1. Ressourcen-Wichtigkeit ) 2. Ressourcen-Verfugungsgewalt // 3. Konzentration der // Ressourcenkontrolle
Hohe Abhangigkeit von den Kunden: LHoheWichtigkeit 2. Verfugungsgewalt durch Besitz 3. Hohe Konzentration der | 1 Ressourcenkontrolle
Olwi^^F ; Al3*^l^^^c^ ; -
\\ Langfristig sinnvolle Moglichkeit 1 A i j l ^ b ^ i t o i ^ t ^ l ^®'' Abhangigkeitsbewaltigung: 1^ ^ ^ ^ Z ^ 1 Intensivierung der Kooperation ^ ^ n ^ ^ 9 ^ // mit der Interessensgruppe durch // .bridging strategies' ^ , \\ \\ lltl^^^rMt 1 i/ , //
Notwendigkeit und damit Erfolgseinfluss von .bridging strategies' steigt mit zunehmender Unsicherheit. Unsiclierheit ist insb. abhangig von der Ressourcenverfugbarkeit
1 Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen kann als .bridging strategy' verstanden werden Ableitbare Hypothese: Positiver Einfluss auf den Erfolg Unsicherheit: Hoher Innovationsgrad Ableitbare Hypothese: Positiv moderierender Einfluss des Innovationsgrades
Abb. 33: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen aus Sicht der RessourcenabhSngigkeitsperspektive Quelle: Eigene Darstellung
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7.4 Zusammenfassung und theoriebasierte Hypothesenableitung Ziel des siebten Kapitels ist eine theoriebasierte Erfolgsableitung ftir das Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. In den vorangegangenen Abschnitten wurden der ressourcenbasierte Ansatz und die Ressourcenabhangigkeitsperspektive als geeignete theoretische Ansatze identifiziert und herangezogen. Innerhalb des ressourcenbasierten Ansatzes erfolgte ein Uberblick zu den wesentlichen Inhalten der Theorie, eine systematische Darstellung vorhandener Erkenntnisse zur Kundenorientierung auf der Untemehmensebene und eine Ubertragung auf den Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Es konnte gezeigt werden, dass Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zum Aufbau neuer Kundenkompetenzen fiihrt und damit als dynamische Marketing-Fahigkeit verstanden werden kann. Durch die Erflillung der vier wesentlichen Ressourcenbedingungen (Nicht-Imitierbarkeit, Untemehmensspezifitat, NichtSubstituierbarkeit und Fahigkeit zur Nutzenstiftung am Markt) besteht Potenzial zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils am Markt und damit eines positiven Einflusses auf den Innovationserfolg. AnschlieBend wurde die Ressourcenabhdngigkeitsperspektive herangezogen. Basierend auf einem Theorieuberblick wurde der Ansatz auf den Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen tibertragen. Es konnte gezeigt werden, dass gegenwartige und potenzielle Kunden aufgrund ihrer Ressourcen ,Nachfrage' und Jnformationen iiber Kundenbediirfnisse' essenzielle Interessensgruppen darstellen und ein hoher Abhangigkeitsgrad Bewaltigungsstrategien verlangt. Dabei konnte hergeleitet werden, dass Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen als eine geeignete Strategic der Abhangigkeitsbewaltigung im Sinne einer ,bridging strategy' verstanden werden kann. Es lasst sich zusammenfassen, dass Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen basierend auf beiden theoretischen Ansatzen, dem ressourcenbasierten Ansatz und der Ressourcenabhangigkeitsperspektive, einen Erfolgsfaktor darstellt. Grundsatzlich stellt sich jedoch die Frage, inwieweit von einem monoton steigenden Erfolgseinfluss ausgegangen werden kann. Kundenorientierung ist neben den dargestellten positiven Effekten auch mit Kosten verbunden (UTZIG 1997, S. 52). Die Kosten sind der „Wert alles dessen, was der Anbieter fur die Erlangung der akquirierten Ressourcen hergibt" (PLINKE 1992, S. 838). Konkret handelt es sich um Transaktionskosten, die sich aus dem Informationsaustausch mit den Kunden ergeben (z.B. Zeiteinsatz) und Herstellkosten zur Umsetzung erwtinschter Differenzierungsmerkmale. Grundsatzlich besteht die Moglichkeit, die entstehenden Kosten der Kundenorientierung iiber den Preis auf die Kunden zu tibertragen (PLINKE 1992, S. 839). Das verlangt aber, dass der wahrgenommene Nutzen der Differenzierung die entstehenden Mehrkosten iibersteigt. Das heifit, die Wirkung der Kundenorientierung
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auf den wahrgenommenen Kundenvorteil determiniert den Spielraum fur die Uberwalzung differenzierungsbedingter Kosten. Geht man jedoch davon aus, dass der mit einer Kundenorientierung erzielbare Nutzen nicht unbegrenzt ist (SIMON 1991, S. 272), so lasst sich ableiten, dass einer Kostenuberwalzung ebenfalls Grenzen gesetzt sind (HOMBURG 1995, S. 160). Bezieht man die Kosten der Kundenorientierung in die Uberlegungen mit ein, so sollte das Ziel nicht ein maximaler, sondem ein optimaler Grad an Kundenorientierung sein (BROCKHOFF 2003, S. 471; SIMON 1991, S. 271). Aus einer theoretischen Perspektive erscheint es plausibel, dass die Ertrags- bzw. Erloszuwachse (z.B. Absatz, Marktanteil, Umsatz) mit hoherer Kundenorientierung abnehmen, wahrend die Grenzkosten der Kundenorientierung steigen (SIMON 1991, S. 271; siehe Abb. 34). Damit liegt das hypothetische Optimum der Kundenorientierung dort, wo die Differenz zwischen Erlos und Kosten maximal ist (UTZIG 1997, S. 52 f.).
Erlos, Kosten
Optimum der Kundenorientierung
Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
Abb. 34: Die optimale Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Quelle: in Anlehnung an SIMON (1991, S. 272)
Es stellt sich also die Frage, inwieweit die Erfolgswirkung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen nicht komplexer ist als es in einer linearen Hypothese (,je mehr Kundenorientierung, desto hoher der Erfolg') zum Ausdruck kommt (vgl. auch DESHPANDE 1999, S. 5). Diese tJberlegungen fmden Unterstiitzung in einigen empirischen Studien. So gelingt es HOMBURG (1995, S. 168), fur das Konstrukt der Kundennahe erste Hinweise fur einen nicht-monotonen Funktionsverlauf zwischen Kundennahe und Profitabilitat empirisch nachzuweisen. Analog existieren auch im Forschungsbereich der Marktorientierung auf der Untemehmensebene einige Studien, die kurvlineare Effekte berichten (ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 472 ff.; MtFLLER 2003, S. 199; NARVER/SLATER 1990, S. 30 f.; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 4.3.2.1).
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Folglich kann im Zweifel nicht pauschal von einer monotonen Beziehung zwischen Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und Erfolg ausgegangen werden. In Anlehnung an den dargestellten Zusammenhang zwischen Grenzkosten und -erlosen wird in der vorliegenden Arbeit theoretisch von einer inversen U-Funktion zwischen Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und Erfolg ausgegangen. Danach nimmt der Erfolg mit wachsehder Kundenorientierung bis zu einem optimalen Grad der Kundenorientierung zu und nimmt ab dem Punkt mit steigender Kundenorientierung wieder ab. Theoretisch betrachtet kann unter Erfolgsgesichtspunkten ein Untemehmen also zu kundenorientiert sein. Anderseits wird jedoch davon ausgegangen, dass die meisten Untemehmen derzeit noch unterhalb des optimalen Niveaus der Kundenorientierung einzuordnen sind (vgl. analog ftir Kundennahe HOMBURG 1995, S. 160; SIMON 1991, S. 271 f.). Im Bereich der Neuproduktentwicklung verweisen empirische Studien auf eine mangelnde Kundenorientierung in der Praxis, die sich u.a. in einer hohen Differenz zwischen Kundenanforderungen und erbrachter Innovationsleistung widerspiegelt (EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 24; COOPER 1999, S. 117;
BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 16). Es lasst sich ableiten, dass bei den meisten Untemehmen die Grenzerlose der Kundenorientierung im Innovationsprojekt relativ hoch ausgepragt sind. Gleichzeitig vemrsacht kundenorientiertes Verhalten (z.B. intensive Kundengesprache) nicht notgedmngen iibermaBig hohe Kosten (SLATER/NARVER 1999, S. 1167). So geht es vielfach nicht damm, quantitativ mehr, sondem problembezogener und effektiver kundenbezogene Informationen zu generieren und zu nutzen (HARRIS/PIERCY 1997, S. 33). Folglich kann von verhaltnismaBig geringen Grenzkosten einer Steigemng der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen ausgegangen werden Insgesamt betrachtet lasst sich vermuten, dass viele Untemehmen bzgl. ihrer Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen unterhalb des Optimums operieren (vgl. auch die empirischen Ergebnisse von HOMBURG 1995, S. 169 fiir das Konstmkt der Kundennahe). Daher wird in Abweichung zu der theoretisch begriindbaren inversen U-Funktion in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass empirisch ein monotoner positiver Einfluss der Kundenorientiemng auf den Erfolg beobachtet werden kann. Unterstellt man, dass man sich im monotonen Bereich der Kurve befindet, so lasst sich folgende Basishypothese 1 theoretisch begriindet ableiten: Basishypothese 1: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen hat einen positiven Einfluss auf den Erfolg, In den vorangegangenen Abschnitten konnte gezeigt werden, dass ein positiver Moderatoreffekt des Innovationsgrades zu vermuten ist. So ist aus der Perspektive des ressourcenbasierten Ansatzes davon auszugehen, dass bei hochgradigen Innovationen kein bzw. nur sehr wenig Wissen iiber potenzielle Kunden und deren Bediirfnisse vorliegt. Entsprechend
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profitieren hochgradige Innovationsprojekte besonders stark vom Aufbau neuer Kundenkompetenzen. In Kongruenz dazu konnte aus der Verfiigbarkeit kritischer Ressourcen abgeleitet werden, dass Kundenorientierung als ,bridging strategy' insbesondere bei einer hohen Unsicherheit (hoher Innovationsgrad) vorteilhaft ist. Aus einer Optimierungsperspektive kann davon ausgegangen werden, dass der Nettoeffekt aus Nutzen und Kosten der Kundenorientierung abhangig ist vom Innovationsgrad. Je starker Informationen iiber Kundenbediirfnisse eine kritische Ressource darstellen, desto starker ist der Nutzen der Kundenorientierung. So kann es z.B. bei inkrementalen Projekten vorkommen, dass der Nutzen der Kundenorientierung nicht ausreicht, die Kosten zu kompensieren (GALES/ MANSOUR-COLE 1995, S. 87). Umgekehrt iibersteigt der Nutzen bei hochgradigen Innovationen im Zweifel erheblich die Kosten. Damit lasst sich folgende Basishypothese 2 theoretisch begrundet ableiten: Basishypothese 2: Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinjluss der Kundenorientierung (positiver Moderatoreffekt).
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8 Ableitung eines Erfolgszusammenhanges aus der konzeptionellen und empirischen Literatur Im vorangegangenen Kapitel 7 wurde der Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen auf der Basis des ressourcenbasierten Ansatzes und der Ressourcenabhangigkeitsperspektive theoretisch abgeleitet. Von Theorien zu unterscheiden sind konzeptionelle und empirische Beitrage. Im Folgenden wird zunachst ein Uberblick zu relevanten Befunden im Kontext der Kundenorientierung aus der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung gegeben (8.1). Allgemein bedeutet in diesem Zusammenhang, dass in den entsprechenden Studien Faktoren betrachtet werden, denen unabhangig von Kontextfaktoren (z.B. Innovationsgrad) eine Erfolgswirkung zugeschrieben wird. AnschlieBend werden Befunde im Kontext hochgradiger Innovationen fokussiert (8.2). 8.1 Uberblick zu relevanten Befunden aus der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung 8.1.1 Metasynopse zu Erfolgsfaktoren im Kontext der Kundenorientierung Die Erfolgsfaktorenforschung zielt darauf ab, Faktoren zu ermitteln, die zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Innovationsprojekten differenzieren. Bis heute liegt eine kaum iiberschaubare Anzahl an Beitragen aus dem Bereich der Erfolgsfaktorenforschung vor (vgl. auch Abschnitt 3.1.2.2 im Grundlagenteil dieser Arbeit). Qualitative Synopsen bzw. quantitative Metaanalysen identifizieren Faktoren, die sich iiber viele Studien hinweg als erfolgskritisch herausgestellt haben (SCHLAAK 1999, S. 117f.; TROMMSDORFF/BINSACK 1999, S. 112). Im Folgenden wird eine ,Metasynopse' zu Erfolgsfaktoren im Kontext der Kundenorientierung im Innovationsprojekt durchgeftihrt. Basis sind dreizehn Synopsen und zwei Metaanalysen aus der Literatur, die in der Anzahl integrierter Studien variieren und z.T. auch inhaltlich unterschiedlich fokussiert sind (vgl. Tab. 9). Es lassen sich dennoch erste Hinweise zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung im Innovationsprojekt ableiten. Unterschieden werden kann zwischen prozess-, produkt- und marktbezogenen Erfolgsfaktoren (HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 364). Prozessbezogene Erfolgsfaktoren beziehen sich auf Aktivitaten entlang des Innovationsprozesses und konnen den drei Saulen der Kundenorientierung (Intelligence Generation, Dissemination und Responsiveness) thematisch zugeordnet werden. Produktbezogene Erfolgsfaktoren betreffen das Ergebnis des Innovationsprozesses, das entwickelte Produkt, wahrend marktbezogene Erfolgsfaktoren auf exogene Merkmale des anvisierten Marktes Bezug nehmen. Um die Komplexitat zu reduzieren, werden in der folgenden Tabelle ahnliche Begriffe in Annahme eines iibereinstimmenden Sinnverstandnisses der Autoren kategorisiert.
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1. ftmms^m^&i^mm UM^tMmtm Intelligence Generation: Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung Durchfuhrung von
LETTL 2004, S. 37; ERNST 2002, S. 9; LUTHJE 2000, S. 12; MELHERITZ
Marktforschungsaktivitaten
1999, S. 176; RUDIGER 1997, S. 15; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 280
EinsatzMarktforschungsressourcen
ERNST 2002, S. 24; LUTHJE 2000, S. 11; RUDIGER 1997, S. 15
Vorentwicklungsfertigkeiten (inkl. Durchftihrung von Marktstudien)
ERNST 2002, S. 9; HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368 (r = .46); RUDIGER 1997, S. 15; MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 408 (r = .29);
KOTZBAUER 1992a, S. 18 Friihe qualitative Studien Gute/Qualitat der Marktforschung Tiefes Verstandnis der Kundenbediirfnisse
LETTL 2004, S. 37; LUTHJE 2000, S. 11 VAN DER PANNE et al. 2003, S. 324; ERNST 2002, S. 9 LUTHJE 2000, S. 11; MELHERITZ 1999, S. 177; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 2 8 1 ; KOTZBAUER 1992a, S. 18
Intelligence Dissemination: Integration ausgewShlter Kunden in den Innovationsprozess Kundeneinbindung in den Innovationsprozess
HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368 (ns); KOTTKAMP 1998, S. 37; RUDIGER 1997, S. 15; BROWN/EISENHARDT 1995, S. 350; LILIEN/YOON
1989, S. 5 Friihzeitige Kundeneinbindung
LETTL 2004, S. 37; LUTHJE 2000, S. 15; KOTTKAMP 1998, S. 37; RUDIGER 1997, S. 15
Testaktivitaten (z.B. Prototypentests)
ERNST 2002, S. 9; LUTHJE 2000, S. 12; MELHERITZ 1999, S. 176;
Hohe Frequenz/Intensitat der Kundenkontakte
LUTHJE 2000, S. 11; MELHERITZ 1999, S. 177; KOTTKAMP 1998, S. 37
RUDIGER 1997, S. 15
Responsiveness: Wissenstransfer durch Marktvorbereitung Giite/Qualitat der Launch-Aktivitaten
HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368 (r = .43); AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU 2000, S. 28; RUDIGER 1997, S. 15; KOTZBAUER 1992a, S. 18
Hoher Einsatz von Kommunikations- und Distributionsressourcen Kundenorientierter Verkauf (z.B. Implementierungshilfen) Kommunikation Vorteilhaftigkeit
TALKE 2005, S. 60; ERNST 2002, S. 24; AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU 2000, S. 28; MELHERITZ 1999, S. 176; RUDIGER 1997, S. 15 AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU 2000, S. 28; MELHERITZ 1999, S. 176; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 281 TALKE 2005, S. 60; AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU 2000, S. 28
%, Ww^^M^e^mm Wt^s^^iMwtm^ Produktvorteil/ -uberlegenheit
HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368 (r = .48); LUTHJE 2000, S. 12; MELHERITZ 1999, S. 175; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 280; RUDIGER 1997, S. 15; BROWN/EISENHARDT 1995, S. 350; MONTOYAWEISS/CALANTONE 1994, S. 408 (r = .36); KOTZBAUER 1992a, S. 18; LILIEN/YOON 1989, S. 4
Fit zwischen Produkteigenschaften und Kundenbediirfhissen
HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368 (r = .50); BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 280; RUDIGER 1997, S. 15; LILIEN/YOON 1989, S. 5
3. Mm^^Sbm^W^i^t Irl^l^^tor Marktpotenzial
LETTL 2004, S. 37; HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368 (r = .54); LUTHJE 2000, S. 11; MELHERITZ 1999, S. 178; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 280; RUDIGER 1997, S. 15; BROWN/EISENHARDT 1995, S. 350; MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 408 (r = .24); KOTZBAUER 1992a, S. 18; LILIEN/YOON 1989, S. 5
r = korrigierter mittlerer Korrelationskoeffizient; ns = nicht signifikant; Fokus der Beitrage: Autor/en (Anzahl integrierter Studien): Metaanalysen/Dberblick: HENARD/SZYMANSKI 2001 (41); MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994 (47)
Synopsen/Uberblick: VAN DER PANNE et al. 2003 (43); ERNST 2002 (57); MELHERITZ 1999 (14); BALACHANDRA/FRIAR 1997 (19); RtFDiGER 1997 (26); BROWN/EISENHARDT 1995 (k.A.); KOTZBAUER 1992a (20); LILIEN/YOON 1989 (17)
Synopsen/kundenbezogene Erfolgsfaktoren: LETTL 2004 (14); LUTHJE 2000 (33); KOTTKAMP 1998 (21) Synopsen/Erfolgsfaktoren der Markteinfuhrung: TALKE 2005 (28); AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU 2000 (19) Tab. 9: Metasynopse zur Kundenorientierung im Kontext der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
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Insgesamt betrachtet wird deutlich, dass eine Vielzahl von Erfolgsfaktoren in einem engen Zusammenhang zur Kundenorientierung im Innovationsprojekt steht. Bezogen auf die erste Saule der Kundenorientierung, Intelligence Generation, berichten vorliegenden Synopsen und Metaanalysen durchweg positive Einfliisse. Es zeigt sich, dass die Faktoren Durchfuhrung von Marktforschungsaktivitaten, Einsatz von Marktforschungsressourcen und Vorentwicklungsfertigkeiten erfolgsrelevant sind. Daruber hinaus haben sich in der Vergangenheit die Durchfuhrung friiher qualitativer Studien, Marktforschung hoher Giite/Qualitat und das Vorliegen eines tiefen Verstandnisses der Kundenbediirfnisse als relevant herausgestellt (vgl. Tab. 9). Intelligence Dissemination, die Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess, ist in breit angelegten Erfolgsfaktorenstudien in der Vergangenheit tendenziell vemachlassigt worden (MILLSON/WILEMON 2002, S. 17; GRUNER/HOMBURG 1999, S. 121). Einige Synopsen verweisen auf einen positiven Einfluss der Kundeneinbindung allgemein bzw. einer fruhzeitigen Kundeneinbindung, der Durchfuhrung von Testaktivitaten und haufiger/intensiver Kundenkontakte. Relativ haufig wird in der Literatur jedoch auf kontroverse Ergebnisse zur Kundenintegration hingewiesen (ERNST 2002, S. 31; VAN DER PANNE et al. 2003, S. 324). Das spiegelt sich auch in der Metaanalyse von HENARD/SZYMANSKI (2001, S. 368) wider, in der kein signifikanter Einfluss der Kundeneinbindung festgestellt werden kann. Kundenintegration muss also differenziert betrachtet werden (so auch CAMPBELL/COOPER 1999, S. 517; vgl. folgender Abschnitt 8.1.2). Das Konstrukt der Marktvorbereitung, als Responsiveness die dritte Saule der Kundenorientierung, ist bis dato in der Forschung vemachlassigt worden. Dennoch lassen sich einige Erfolgsfaktoren identifizieren, die in einem Zusammenhang zur Markvorbereitung stehen. Es zeigt sich ein positiver Einfluss der Giite/Qualitat der Launch-Aktivitaten sowie des Einsatzes von Kommunikations- und Distributionsressourcen, eines kundenorientierten Verkaufes und der Kommunikation der Vorteilhaftigkeit der Innovation (vgl. Tab. 9). Kundenorientierung steht nicht nur in einem Zusammenhang zu prozessbezogenen, sondem manifestiert sich auch in produkt- und marktbezogenen Erfolgsfaktoren. Die Faktoren ProduktvorteilZ-uberlegenheit und Fit zwischen den Produkteigenschaften und Kundenbedtirfnissen stellen Konsequenzen kundenorientierter Aktivitaten dar (CAMPBELL/COOPER 1999, S. 512f.; LI/CALANTONE 1998, S. 25; BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 11). Da durch Innovationsmarktforschung die Anwendungsmoglichkeiten einer Innovation und die Anzahl und GroBe potenzieller Kundensegmente abgeschatzt werden konnen, steht auch das Marktpotenzial als marktbezogener Erfolgsfaktor in einem engen Verhaltnis zur Kundenorientierung.
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Zusammenfassend: Insgesamt betrachtet bestatigen vorliegende Synopsen und Metaanalysen der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung die Vorteilhaftigkeit der Kundenorientierung im Innovationsprojekt. Dabei muss jedoch benicksichtigt werden, dass der Forschungsbereich in der Vergangenheit z.T. erheblich kritisiert worden ist (vgl. im Uberblick Abschnitt 3.1.2.1). Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass vorliegende Befunde fiir gleiche bzw. ahnliche Variablen z.T. erheblich voneinander abweichen. Das spiegelt sich auch im Bereich der Kundenintegration wider: Im Gegensatz zu den beiden anderen Saulen (Intelligence Generation und Responsiveness) sind die Erkenntnisse zur Intelligence Dissemination (Kundenintegration) in Teilen widerspriichlich (vgl. folgender Abschnitt). 8.1.2 Differenzierte Befunde zur Kundenintegration Wie im vorangegangenen Abschnitt festgestellt wurde, sind die Befunde der Erfolgsfaktorenforschung im Bereich der Kundenintegration nicht eindeutig (VAN DER PANNE et al. 2003, S. 324). Ein wesentlicher Grund ist darin zu vermuten, dass die Integration von Kunden in den Innovationsprozess nicht nur mit ZielenA^orteilen, sondem auch mit Problemen/Gefahren verbunden ist. In diesem Zusammenhang kann zwischen Unsicherheits-, Ressourcen- und Absatzaspekten unterschieden werden (KiRCHMANN 1996, S. 77; vgl. Abb. 35). Durch eine Integration von Kunden kann z.B. das Marktverstandnis verbessert werden, gleichzeitig entstehen jedoch auch neue Unsicherheiten wie z.B. Schwierigkeiten bei der Identifikation geeigneter Kunden. Ressourcenaspekte betreffen auf der einen Seite z.B. eine schnellere und kostengiinstigere Produktentwicklung, auf der anderen Seite jedoch auch z.B. (Transaktions-) Kosten der Kundenintegration. Bezogen auf den Absatz konnen z.B. Multiplikatoreffekte durch Referenzkunden erzielt werden, gleichzeitig besteht u.a. jedoch auch die Gefahr einer zu starken Nischenorientierung.
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1 Unsicherheitsaspekte t jIdentifikation geeigneter Kunden^'''^''^ f 1 Interne Akzeptanzprobleme^'•^ ""^ i 1 Konflikte mit dem Kundeni-2.6.7,9.15.16 J Inkrementalismus^''5 1 Ressourcenaspekte Ressourcenaspekte Zugang zu fehlenden Ressourcen'''3'8.9''o.is ['1 Kosten der Kundenintegration'''2.6.12,14 Schnellere Produktentwicklung^As.e.g.is 11neffiziente Produktenwicklung^-^.e.g Kostenminderung3A5,6,9,io,i3,i5 i jOpportunistisches Kundenverhalten^.^-^''^""^i^ Absatzaspekte I 1 Absatzaspekte HOherer Produktvorteil/AkzeptanzS^s.Q.io.i 1 iZu Starke Nischenorientierung^'^-^'^-^''^''^ Hohere Kundenloyalitat^-s.ii.is J Negative Imageeffekte'''^ Multiplikatoreffekte durch 1 Referenzkunden'''2-3.5,6,8,ii 1 Unsicherheitsaspekte Besseres Marktverstandnis'''2'3.4,5,8,io,i5 Hohere Produktqualitat3.4.5,9,io,i5 Innovativere Produkte^''^
^Bsaeter/KtelnschmlcK 1992, S. 131 f.; zQates/Mansour-Cofe 1995. S. 79 f., sKirchmam^ 1996, S. 81; '•Stfumaim 1997 S. 108 tr.; sOrwner 1997, S. 176: «Kar!e-Komes 1997, S. 63 ff..143 ff.; ^Brockhoff 1 9 ^ , S. 19 ff.; «Athak!te/Stump 1999. a 470ff.;«CampbeH/Cooper 1999, S. 509; i«Jenner 2000. S. 134 f.; " l ^ l m 2001, S, 79; ^^BfOCkhoff 2002. S. 32 f ; «AttiakJe et al. 2{K)3, S. 4 6 1 ; ^Jeppesen 2005. S. 350; ^^rkei et af. 2005, S, 203 ff.; ^^Alam 2006, S. 476
Abb. 35: Ziele und Gefahren der Integration von Kunden in den Innovationsprozess Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Kundenintegration sollte also nicht pauschal positiv bewertet werden, sondem verlangt eine differenzierte Betrachtung (ERNST 2001, S. 305 f.). Einige Studien weisen darauf hin, dass speziflsche Gestaltungsoptionen der Kundenintegration die Erfolgswirkung des Konstruktes beeinflussen. Zum einen zeigt sich, dass der Erfolgseinfluss der Kundenintegration abhangig ist von der Intensitdt (GRUNER/HOMBURG 2000, S. 10 f.) bzw. der Kontinuitdt der Kundenintegration (MiLLSON/WiLEMEON 2002, S. 11; CAMPBELL/COOPER 1999, S. 515). So stellen MiLLSON/WlLEMEON (2002, S. 11) z.B. fest, dass nur eine kontinuierliche, dauerhafte Kooperation mit Kunden, die sich iiber den gesamten Innovationsprozess erstreckt, den Markterfolg einer Innovation positiv beeinflusst. Die Autoren vermuten, dass eine kontinuierliche Kundenintegration notig ist, damit zu Beginn spezifizierte Kundenbediirfnisse nicht im Verlauf der Produktentwicklung intemen ,trade-off-Entscheidungen zum Opfer fallen. Zum anderen weisen empirische Befunde darauf hin, dass bestimmte Merkmale der integrierten Kunden eine Erfolgsrelevanz haben. Neben Lead User-Eigenschaften haben sich eine hohe wirtschaftliche Attraktivitat des Kunden und die Enge der Geschaftsbeziehung als erfolgsdiskriminierend herausgestellt. Keinen signifikanten Einfluss konnte hingegen bis dato fur das Merkmal technische Attraktivitat festgestellt werden (LILIEN etal. 2002, S. 1051; GRUNER/HOMBURG 2000, S. 10 f).
SchlieBlich hat sich in empirischen Studien gezeigt, dass die Analyse des Erfolgseinflusses der Kundenintegration eine Differenzierung zwischen verschiedenen Erfolgskriterien verlangt. BSTIELER/KLEINSCHMIDT (1992) vergleichen Projekte, die in Zusammenarbeit mit Kunden durchgefuhrt wurden, mit solchen ohne Kundenpartnerschaft. Wahrend sich die Projekte hin-
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sichtlich der Kriterien ROI, Profitabilitat und Entwicklungszeit nicht unterscheiden, zeigt sich ein signifikanter Unterschied bezogen auf zwei Erfolgskriterien: Partnerschaftsprojekte mit Kunden weisen einen besseren Zugang zu neuen Markten und einen hoheren technischen Erfolg auf (BSTIELER/KLEINSCHMIDT 1992, S. 137). Der Befund steht im Einklang mit dem Ergebnis von GEMUNDEN et al. (1992, S. 369), wonach Kundeneinbindung einen starkeren Einfluss auf den technischen als den kommerziellen Innovationserfolg ausiibt. Zusammenfassend: Es wird deutlich, dass Kundenintegration differenziert betrachtet werden muss. Neben der Intensitat/Kontinuitat der Kundenintegration, spezifischen Kundenmerkmalen und Erfolgskriterien wird in der Literatur auf weitere Kontextvariablen, insbesondere den Innovationsgrad, verwiesen (ENKEL etal. 2005, S. 212; VAN DER PANNE etal. 2003, S. 328; BROCKHOFF2003, S. 474; CAMPBELL/COOPER 1999, S. 517).
8.2 Befunde im Kontext hochgradiger Innovationen Grundsatzlich stellt sich die Frage, inwieweit die Erkenntnisse der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung auch im Kontext hochgradiger Innovationen Bestand haben. Neuere Beitrage widmen sich dieser Fragestellung. Es kann unterschieden werden nach konzeptionellen Beitragen (8.2.1) und empirischen Befunden (8.2.2). 8.2.1 Konzeptionelle Beitrage zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Der Erfolgseinfluss der Kundenorientierung wird im Kontext hochgradiger Innovationen kontrovers diskutiert (VERYZER 2005, S. 24; LETTL 2004, S. 1). Die uberwiegende Anzahl an Beitragen beschaftigt sich mit dem Phanomen auf einer konzeptionellen Ebene (MATSUO 2006, S. 243). Konzeptionell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die entsprechenden Beitrage bzw. Empfehlungen nicht auf einer empirischen Erfolgsmessung basieren. In konzeptionellen Beitragen lasst sich relativ haufig ein Verweis auf die sog. ,Gefahr des Inkrementalismus' identifizieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass Kundenorientierung tendenziell zu Innovationen eines niedrigen Neuigkeitsgrades fiihrt (KELLER 2004, S. 254; BAKER/SINKULA 1999b, S. 297; HAYES/ABERNATHY 1980, S. 72). Als Argumente werden haufig spezifische Schwierigkeiten der Informationsermittlung in hochgradigen Innovationsprojekten angefiihrt. Der folgende Abschnitt (8.2.1.1) widmet sich dieser Themenstellung, anschliefiend werden konzeptionelle Empfehlungen zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (8.2.1.2) und innovative Methoden im Kontext hochgradiger Innovationen (8.2.1.3)vorgestellt. 8.2.1.1 Probleme der Informationsermittlung Konzeptionelle Aussagen zu Problemen der Informationsermittlung im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte lassen sich drei Themenbereichen zuordnen: Transfer von Informationen
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uber latente Bediirfnisse, Antizipation der Zukunft und neuer Produktfunktionen sowie Verstandnis hochgradiger Innovationskonzepte (vgl. Tab. 10).
Transfer von Informationenfiberlatente Bediirfnisse Kunden sind sich ihrer Bediirfnisse haufig nicht bewusst
Kunden haben Schwierigkeiten, ihre Bediirfnisse adaquat zu artikulieren
FRANKE/PILLER 2004, S. 404; LICHTENTHALER et al. 2004, S. 110; TROTT 2001, S. 119; HERSTATT 2001, S. 17; SONG/PARRY 1999, S. 666; FRIAR/BALACHANDRA 1999, S. 38; LYNN et al. 1999, S. 570; O'CONNOR 1998, S. 153; VERYZER 1998b, S. 143; SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 125; LEHMANN/WINER 1997, S. 269; MOORE 1994, S. 9 SLATER/MOHR 2006, S. 31; JEPPESEN 2005, S. 347; FRANKE/PILLER
2004, S. 404; VAN DER PANNE 2003, S. 324; SANDBERG 2002, S. 187; HERSTATT 2001, S. 17; TROTT 2001, S. 119; KARKKAINEN et al. 2001, S. 393; HUSTAD 1998, S. 107; VERYZER 1998b, S. 143; ADAMS et al. 1998, S. 406; ATUAHENE-GIMA 1996, S. 94; VALENTIN 1994, S. 66; MORIARTY/KOSNIK 1990, S. 25; MCGEE/SPIRO 1988, S. 43; SAMLI et al. 1987, S. 47; BENNETT/COOPER 1981, S. 54
Antizipation der Zukunft und neuer Produktfunktionen Kunden sind gefangen in ihren bisherigen Erfahrungen und damit mental gebunden an Funktionen, die sie bereits kennen („functional fixedness")
Kunden haben Probleme, sich Umfeldveranderungen und damit einhergehende, neue Bediirfnisse vorzustellen
Kunden konnen Produkterfahrungen und soziale Interaktionen nur schwer antizipieren
HERSTATT/LETTL 2004, S. 161; LILIEN et al. 2002, S. 1043; ULWICK2002, S. 92; VAZQUEZ et al. 2001, S. 73; KARKKAINEN et al. 2001, S. 394; LUKAS/FERRELL 2000, S. 240; POOLTON/ISMAIL 2000, S. 803; NOORI et al. 1999a, S. 546; ATUAHENE-GIMA 1996, S. 94; LEONARD/RAYPORT 1995, S. 103; DAVIS 1993, S. 311; LENDER 1991, S. 102; MCGEE/SPIRO 1988, S. 43; DICKINSON et al. 1986, S. 19; VONHIPPEL 1986, S. 791; HAYES/ABERNATHY 1980, S. 71; BENNETT/COOPER 1979, S. 78 FRISHAMMAR/HORTE 2005, S. 259; VAN DER PANNE 2003, S. 324; HOEFFLER2003, S. 406; LILIEN et al. 2002, S. 1043; BROCKHOFF 2002, S. 42; KARKKAINEN et al. 2001, S. 393; LUKAS/FERRELL 2000, S. 240; TROTT 2001, S. 119; DESZCA et al. 1999, S. 618; LYNNet al. 1999, S. 570; VERYZER 1998b, S. 143; LEONARDBARTON 1998, S. 100; LENDER 1991, S. 102; HOUSTON 1986, S. 86; TAUBER 1974, S. 25 JEPPESEN 2005, S. 349; HOEFFLER 2003, S. 410 f.; LUTHJE2000, S. 21; O'CONNOR 1998, S. 153; ADAMS et al. 1998, S. 406; MORIARTY/KOSNIK 1990, S. 26; MCGEE/SPIRO 1988, S. 43; SAMLI et al. 1987, S. 47; HOUSTON 1986, S. 86; BENNETT/COOPER 1981,
S. 54
Verst^ndnis hochgradiger Innovationskonzepte Kunden konnen die Innovation nur schwer einordnen/vergleichen
BiNSACK 2003, S. 271; HOEFFLER 2003, S. 407; TROTT 2002, S.
Kunden haben Verstandnisschwierigkeiten bzgl. neuer technischer Losungen
TROTT 2002, S. 237; KARKKAINEN et al. 2001, S. 393; HAIMERL et al. 2001, S. 63; LUKAS/FERRELL 2000, S. 240; VERYZER 1998a,
246; VAZQUEZ et al. 2001, S. 73; HAIMERL et al. 2001, S. 63; VERYZER 1998a, S. 309; VERYZER 1998b, S. 144; DUKE 1994, S.
50
S. 317; RouACH 1996, S. 255; Fusco 1994, S. 30; HOUSTON 1986, S. 86 Kunden konnen Konsequenzen des Besitzes und den Produktnutzen haufig nur schwer abschatzen
BERTHON et al. 2004, S. 1068; DAHL/HOEFFLER 2004, S. 264;
BiNSACK 2003, S. 288; HOEFFLER 2003, S. 406; TROTT 2002, S. 237; HAIMERL et al. 2001, S. 63; VERYZER 1998a, S. 309; VERYZER 1998b, S. 144; MULLINS/SUTHERLAND 1998, S. 228; DUKE 1994, S. 53; ORTT/SCHOORMANS 1993, S. 378; MORIARTY/KOSNIK 1990, S. 26; HOLT 1987, S. 8; HOUSTON 1986, S. 86; TAUBER 1974, S. 25
Tab. 10: Schwierigkeiten der Informationsermittlung im Kontext hochgradiger Innoyationsprojekte Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
200
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
Haufig wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass Kunden im Kontext hochgradiger Innovationen Probleme haben, ihre Bediirfnisse bewusst wahrzunehmen bzw. adaquat zu artikulieren. VON HIPPEL (1994, S. 430) bezeichnet entsprechende Bediirfnisse bildhaft als ,sticky information', die zah wie Kaugummi an ihrem Trager kleben und sich dem Transfer zu widersetzen scheinen. Daruber hinaus wird haufig auf Probleme der Antizipation von Umfeldveranderungen, Produkterfahrungen und sozialen Interaktionen und das sog. , functional fixedness'-Problem verwiesen. Dabei handelt es sich um eine psychologische Blockade des Menschen, bei der sich die Verwendung eines Objektes in einer bestimmten Art und Weise negativ auf zukiinflige ProblemlosungeivVerwendungen auswirkt (ADAMSON 1952, S. 288). Im Innovationskontext bedeutet das, dass Kunden mental durch ihre Produkterfahrungen gebunden sind und Schwierigkeiten haben, sich alternative Produktfunktionen vorzustellen (LEONARD 2002, S. 92). Schliefilich werden in der Literatur vielfach Verstdndnisschwierigkeiten potenzieller Kunden angefuhrt. Danach konnen hochgradige Innovationen nur schwer eingeordnet werden, technische Losungen werden nur bedingt verstanden und der Produktnutzen ist schwer abzuschatzen (siehe auch Tab. 2, Abschnitt 3.2.2.2). Aufbauend auf den dargestellten Problemen wird zum einen haufig davon ausgegangen, dass Kunden keine hochgradigen Produktkonzepte einfordern bzw. selbststdndig entwickeln (FRISHAMMAR/HORTE 2005, S. 259; ULWICK 2002, S. 92; TROTT 2001, S. 117; BROCKHOFF
1998, S. 357; BUZZELL 1997, S. 505; LENDER 1991, S. 66 f). Diese Annahme spiegeh sich im folgenden, provokativ gemeinten Praxiszitat wider: „Chrysler did not receive any letter asking for a minivan in the ten years prior to its introduction." (MOORE 1994, S. 9)
Zum anderen wird darauf verwiesen, dass hochgradige Innovationskonzepte haufig zundchst vonpotenziellen Kunden abgelehnt werden (IMAVORKMAN 2004, S. 126; TROTT 2002, S. 246; O'CONNOR 1998, S. 153; TAUBER 1974, S. 23), womit die ,Gefahr des Inkrementalismus' begriindet wird (ULWICK 2002, S. 92; TROTT 2001, S. 117; KOTTKAMP 1998, S. 41; BENNETT/COOPER 1981, S. 54).
8.2,1.2 Konzeptionelle Empfehlungen Konzeptionelle Empfehlungen zur Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten beziehen sich in ihrer Argumentation haufig auf die im vorangegangenen Abschnitt (8.2.1.1) dargestellten Probleme der Informationsermittlung. Insgesamt betrachtet lassen sich funf verschiedene Kategorien an Empfehlungen identifizieren: 1. Keine Kundenorientierung (infi^uhen Phasen) Vielfach zitierte Kritiker der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen sind BENNETT/COOPER (1981) und HAYES/ABERNATHY (1980). Die Autoren beschaftigen sich
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgableitung
201
mit der Krise der amerikanischen Automobilindustrie Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre. Die Autoren vermuten als einen wesentlichen Grund fur erhebliche Umsatz- und Gewinneinbruche die Verbreitung des Marketingkonzeptes in Amerika: „it has led to a dearth of true innovation." (BENNETT/COOPER 1981, S. 52). Die Autoren gehen davon aus, dass Kundenorientierung in Verbindung mit einer kurzfristigen, ,results now'ausgerichteten Investitionspolitik dazu gefuhrt hat, dass amerikanische Manager zunehmend das Risiko hochgradiger Innovationen nicht mehr eingegangen sind (HAYES/ABERNATHY 1980, S. 71 f.).
Ein weiterer Kritiker der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, auf den sich Beitrage in der Innovationsforschung immer wieder beziehen, ist TAUBER (1974). Die Kemaussage seines Beitrages lautet, dass die Generierung von Kundeninformationen „is inherently biased against, and thereby discourages, major innovations" (TAUBER 1974, S. 22). Danach kommt es entsprechend der im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Probleme zu falschen Prognosen und das ,Startproblem' hochgradiger Innovationen wirkt sich negativ auf die Validitat der Informationsgenerierung aus (vgl. auch HAIMERL et al. 2001, S. 64). MARTIN (1995, S. 83) fordert fiir hochgradige Projekte sogar „to start ignoring the customer". Dieser Standpunkt spiegelt sich auch in der folgenden, haufig zitierten (z.B. FLORES 1993, S. 95) Aussage von Akio Morita, dem Mitbegrunder von Sony Corporation, wider: "Our plan is to lead the public to new products rather than ask them what they want. The public does not know what is possible, but we do."
In Kongruenz dazu stellen COOPER/LITTLE (1977, S. 110) fest, dass in der Praxis signifikant weniger Marketingressourcen in hochgradige Innovationsprojekte investiert werden als in inkrementale Projekte. Empirische Befunde verweisen in diesem Zusammenhang auf eine iibersteigerte Erfolgsgewissheit der Manager, Skepsis gegeniiber der Nutzlichkeit von Marktforschung in hochgradigen Innovationsprojekten und Probleme im Umgang mit weichen, qualitativen Informationen (COOPER 1999, S. 120 f; ADAMS et al. 1998, S. 410 ff; COOPER/LITTLE 1977, S. 110 f).
In der wissenschafllichen Literatur wird z.T. vermutet, dass hochgradige Innovationsprojekte weniger stark marktbezogene Aktivitdten verlangen als inkrementale Projekte und dass vielmehr technologische Aspekte im Vordergrund des Innovationsmanagement stehen sollten (JOHNSEN etal. 2006, S. 676; WORKMAN 1998, S. 272; BALACHANDRA/ FRIAR 1997, S. 283; RANGAN/BARTUS 1995, S. 70; CORSTEN 1989, S. 8). Andere Autoren
vertreten wiederum die Meinung, dass bei Innovationen hoheren Neuigkeitsgrades kundenorientierte Aktivitaten erst in spdteren Phasen erfolgen sollten (HAIMERL et al. 2001,
202
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
S. 64; HELM 2001, S. 80; GRUNER 1997, S. 216; HOLT 1987, S. 8). Es wird davon aus-
gegangen, dass die Zielkunden hochgradige Innovationskonzepte erst dann valide einstufen konnen, wenn bereits ein relativ weit ausgearbeitetes Innovationskonzept bzw. ein friiher Prototyp vorliegt und sie entsprechend damit erste Produkterfahrungen machen konnen. 2. Besonders intensive Kundenorientierung In einem direkten Widerspruch zu den dargestellten Kritikem der Kundenorientierung vertreten einige Autoren die Meinung, dass hochgradige Innovationen eine besonders intensive Kundenorientierung verlangen. Aufgrund der besonderen Herausforderungen der Informationsgenerierung wird empfohlen, in hochgradigen Innovationsprojekten kundenbezogene Informationen moglichst friihzeitig (ENKEL et al. 2005, S. 209; MORE 1984, S. 86; LUTSCHEWITZ/KUTSCHKER 1977, S. 68 f.) bzw. moglichst umfangreich (NIJSSEN/FRAMBACH 2000, S. 130; COOPER/LITTLE 1977, S. 104) zu erheben. Analog vermuten einige Autoren, dass die Erfolgsrelevanz der Integration von Kunden in den Innovationsprozess mit zunehmendem Innovationsgrad steigt (BROCKHOFF 2002, S. 43; SHERMAN etal. 2000, S. 264; CAMPBELL/COOPER 1999, S. 517). Diese Empfehlung ist kongruent zu den Erkenntnissen der Informationsverarbeitungstheorie: Danach verlangen hochgradige Innovationen aufgrund der erhohten marktbezogenen Unsicherheiten ein vergleichsweise hohes MaB an Informationen (LEIFER 1998, S. 133; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.2.2.1). Dariiber hinaus vertreten einige Autoren die Meinung, dass der Wissensstand potenzieller Kunden in vielen Branchen bereits sehr hoch ist bzw. immer mehr zunimmt, was die Probleme der Informationsermittlung relativiert (TROTT 2001, S. 120; SASHITTAL/WILEMON 1994, S. 694).
3. Einbindung von (Quasi-) Experten Eine weitere Empfehlung im Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen beinhaltet die Konzentration auf Experten zur Generierung kundenbezogener Informationen (TROTT 2001, S. 122; LEIFER etal. 2000, S. 80; SCHOORMANS
etal. 1995, S. 158 f; SAMLI etal. 1987, S. 49). Experten in einer Produktkategorie verfiigen im Vergleich zu Nicht-Experten (sog. Novizen) iiber umfangreichere und starker detaillierte kognitive Strukturen (ALBA/HUTCHINSON 1987, S. 415f). Bei radikalen Innovationen, die vollig neue Produktkategorien begrunden, versteht man unter Experten sog. Quasi-Experten (proxi-experts), die iiber ausgepragtes Wissen in ahnlichen Produktkategorien verfiigen (z.B. im Hinblick auf die Technologic und/oder die Produkteigenschaften; SCHOORMANS et al. 1995, S. 155 f).
IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgableitung
203
Empirische Studien verweisen auf Vorteile der Informationsverarbeitung von Experten, die sich positiv auf die Fahigkeit zur Beurteilung innovativer Konzepte auswirken. Zum einen steigert der Grad an Expertise die Ausftihrlichkeit, Konsistenz und Stabilitat der Beurteilung von Produktkonzepten (DE BONT/SCHOORMANS 1995, S. 610f.; REIDENBACH/GRIMES 1984, S. 262). Zum anderen erzielen Experten im Kontext hochgradiger Innovationen die vergleichsweise hochste Ubereinstimmung zwischen einer Konzeptevaluation und einer zeitlich nachgelagerten Produktevaluation (SCHOORMANS etal. 1995, S. 158). Eine empirische Studie stellt jedoch fest, dass zwischen moderat innovativen und radikalen Innovationen differenziert werden muss (MOREAU et al. 2001, S. 27). Danach fiihren die Vorteile der Informationsverarbeitung bei moderat innovativen neuen Produkten tendenziell dazu, dass Experten Innovationskonzepte besser verstehen und den wahrgenommenen Nutzen besser abschatzen konnen. Bei radikalen Innovationen fiihrt ein hoher Wissensstand jedoch haufig dazu, dass Verstandnisdefizite schneller erkannt und ein hoheres Risiko der Nichterfallung produktbezogener Ziele wahrgenommen wird. Das heiBt, bei radikalen Innovationen kann sich Expertise auf die Beurteilung und Ubemahme einer Innovation negativ auswirken. Unabhangig davon, ob Expertise einen positiven oder negativen Einfluss auf die Fahigkeit zur Beurteilung eines Innovationskonzeptes ausiibt, sind die von Experten generierten Informationen definitionsgemdfi nicht reprdsentativ. Experten machen i.d.R. keinen bzw. nur einen Teil der Zielgruppe einer Innovation aus, so dass sie schon deshalb nicht ,Experten' fur die Bedurfnisse, Reaktionen und Akzeptanzbarrieren der anvisierten Zielgruppe sein konnen (BINSACK 2003, S. 289; HAIMERL et al. 2001, S. 65; KARKKAINEN
etal. 2001, S. 393; VERYZER 1998b, S. 149; LYNN 1993, S. 21). Daruber hinaus ist das Wissen zwischen und innerhalb verschiedener Expertengruppen i.d.R. sehr heterogen verteilt (LUTHJE et al. 2003, S. 567 ff), so dass die Innformationsgenerierung sich nicht auf wenige Experten konzentrieren soUte. SchlieBlich profitieren insbesondere hochgradige Innovationsprojekte von einer hohen Heterogenitat kundenbezogenen Wissens (BONNER/WALKER 2004, S. 164), was auf die Grenzen der Involvierung weniger Experten aufmerksam macht. 4. Differenzierung zwischen Bediirfnissen und Losungen Einige Autoren verweisen im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte auf die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von kundenbezogenen Informationen. Danach sollten im Zentrum der Innovationsmarktforschung weniger Losungen als Bedurjhisse stehen (KATZ 2004, S. 197; DAY 2002, S. 246 f; ULWICK 2002, S. 92; TROTT 2001, S. 122; HAMEL/PRAHALAD 1991, S. 84). Ziel sollte es sein, Informationen tiber Kunden und ihre Bediirfnisse zu generieren, um daraus hochgradige
204
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
Innovationsideen zu entwickeln bzw. indirekt abzuleiten, inwieweit ein Bedarf fur ein bereits bestehendes Innovationskonzept im Markt besteht (JENNER 2000, S. 135; ORTT/SCHOORMANS 1993, S. 378; in diesem Zusammenhang wird auch von einem „outcome-based vs. solution-based approach" gesprochen; vgl. ALAM 2006, S. 475). MAHAJAN/WIND (1999, S. 8) verdeutlichen diese Forderung mit der Metapher eines ArztPatienten-Verhaltnisses: "Patients don't typically have a specific solution to their problem in mind. Instead, the patients might tell the doctor they have an upset stomach, trouble sleeping, and aches (...). Similarly, customers didn't ask for a Walkman or minivan before these products' invention, but they did help identify the needs for portable entertainment and of additional space in family vehicles. No doctor would propose identifying diagnosis as worthless because the patients didn't come up with the cure. But in marketing research, that type of scenario is occurring. Although marketing researchers cannot expect customers to identify product or service solutions, they can use market research as an interactive process of diagnosis and experimentation. (...) This is similar to the way doctors or architects "lead" their clients through a process of understanding their needs by asking questions about their experiences."
Zum Teil wird auch empfohlen, auf unterschiedliche Arten von Respondenten in Abhdngigkeit der gewunschten Informationen zuriickzugreifen. Unterschieden wird dabei zwischen Informationen mit Produktbezug, die auf einer direkten Beurteilung der Innovation bzw. des Innovationskonzeptes basieren (z.B. Konzept-ZPrototypentest), und Informationen ohne Produktbezug wie z.B. Kundenziele, -bedtirfnisse und -gewohnheiten. Danach sollte im ersten Fall auf Experten zuriickgegriffen werden, wahrend ftir Fragen, die kein produktbezogenes Wissen voraussetzen, reprasentative Zielkunden fokussiert werden sollten (LETTL 2004, S. 91 f.; BiNSACK 2003, S. 290; GEMUNDEN/MELHERITZ 1998, S. 51;KLEiNSCHMiDTetal. 1996, S. 107). 5. Einsatz innovativer Methoden der Kundenorientierung Die flinfte Empfehlung konzeptioneller Beitrage bezieht sich auf den Einsatz spezieller Methoden der Informationsgenerierung in hochgradigen Innovationsprojekten. Viele Autoren vertreten die Meinung, dass traditionelle (Marktforschungs-) Methoden fUr hochgradige Projekte nicht bzw. nur bedingt geeignet sind (ROSENTHAL/CAPPER 2006, S. 215; VERHEES/MEULENBERG 2004, S. 141; HOEFFLER 2003, S. 406; TROTT 2002, S. 237; HERSTATT 2001, S. 16; DESZCA et al. 1999, S. 613; LENDER 1991, S. 66). Unter traditio-
nellen Methoden werden dabei i.d.R. standardisierte Techniken wie z.B. groBzahlige, schriflliche Befragungsmethoden bzw. quantitative Prognosemodelle verstanden (DAY 2002, S. 243; NooRi et al. 1999a, S. 546; LEHMANN/WINER 1997, S. 269). Es wird argumentiert, dass traditionelle Methoden fur inkrementale Innovationen entwickelt worden sind und bei hochgradigen Innovationen an ihre Grenzen stoBen (WIND/MAHAJAN 1997, S. 9). Zwei Merkmale traditioneller Methoden stehen im Zentrum der Kritik:
IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgableitung
205
Traditionelle Methoden sind zu oberfldchlich und zu stark vergangenheitsorientiert, um latente und zukiinftige Kundenbediirfnisse zu identifizieren (DAY 2002, S. 243; EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 7; POOLTON/ISMAIL 2000, S. 802 f.; LENDER 1991,
S. 66). TROMMSDORFF/WEBER (1994, S. 62) sprechen im Zusammenhang der quantitativen Trendprognose auch von ,Ruckspiegel-Marktforschung'. •
Traditionelle Methoden sind zu stark aufdie Bewertung von Losungen ausgelegt. Dabei unterliegen sie der Pramisse, dass Respondenten tiber ausreichendes Produktwissen verfugen, um Funktionen und Praferenzen ad hoc valide einschatzen zu konnen (KATZ 2004, S. 168 f; HOEFFLER 2003, S. 406; HAIMERL et al. 2001, S. 64; DESZCA et al. 1999, S. 617; BACKHAUS/STADIE 1998, S. 187; ELIASHBERG et al. 1997, S. 223).
Daran angelehnt wird in der Literatur haufig der Einsatz innovativer Methoden verlangt (z.B. SLATER/MOHR 2006, S. 31; WIND/MAHAJAN 1997, S. 9; BACON/BUTLER 1998,
S. 152). Es wird argumentiert, dass fur hochgradige Innovationsprojekte sehr nutzliche Informationen generiert werden konnen, vorausgesetzt, es werden adaquate Methoden verwendet (ZHOU et al. 2005, S. 45; TROTT 2002, S. 246; ELIASHBERG et al. 1997, S. 227;
ROUACH 1996, S. 258). 8.2.1.3 Innovative Methoden der Kundenorientierung Die in der Literatur im Kontext hochgradiger Innovationen angeftihrten, innovativen Methoden der Kundenorientierung lassen sich in sechs Kategorien einordnen. Die folgende Tabelle fasst pro Kategorie Verweise in der Literatur und wesentliche Aspekte jeweils einer prototypischen Methode zusammen.
Methode/ Verwandte Methoden Qualitative/ explorative Methoden
Verweise auf Eignung bei hochgradigen Innovationen
Beispiel/Quelle Beschreibung der Methode
LEONARD 2002, S. 93; ULWICK
Beispiel: Kundenidealisiertes Design (Fokusgruppe) Quellen: MAGIDSON 2004; CICCANTELLI/MAGIDSON 1993 Prinzip: Aktuelle oder potenzielle Kunden designer! ihr ideales Produkt im Rahmen einer Fokusgruppe, ohne die technische Machbarkeit zu beachten. Schritte: 1. Moderator erklart, dass das entsprechende Produkt tiber Nacht zerstOrt wurde und die Probanden die Chance haben, etwas vollig Neues zu kreieren; 2. Brainstorming zu Anforderungen an das ideale Produkt; 3. Iterative Prazisierung und Ausarbeitung in Kleingruppen mit anschlieBenden Diskussionen Vorteile: Sehr fruhzeitige Kundeneinbindung; Ermittlung von verborgenen Kundenbedurfiiissen durch Kreativitatstechniken Probleme: Gtite hangt von den Fahigkeiten des Moderators ab; Gefahr von Konflikten in der Gruppe; technische Machbarkeit muss im Nachhinein sichergestellt werden
2002, S. 94; DAY 2002, S. 244; FLINT 2002, S. 309; HAIMERL et al. 2001, S. 64; HERSTATT
2001, S. 19;NARVERetal. 2000, S. 9; PooLTON/ ISMAIL 2000, S. 803;NiJSSEN/ Verwandte Methoden: Future-oriented Focus Groups (SAMLI 1996); Looking glass method (DURGEE etal. 1998); Projektive Techniken (ZALTMAN 1997); RoUenspiele ( H A I M E R L e t a l . 2001)
FRAMBACH 2000, S. 130; HART et al. 1999, S. 27; DESZCA et al.
1999, S. 6 2 4 ; N O O R I e t a l . 1999a, S. 548; ADAMS et al. 1998, S. 418; DURGEE et al.
1998, S. 526; VERYZER 1998b, S. 148; RAO/STECKEL 1998, S.
83; HUSTAD 1998, S. 107; RouACH 1996, S. 256; LEONARD-BARTON 1998, S. 193; FAIX/GORGEN 1994, S. 1 6 3 ; M C K E E 1 9 9 2 , S. 240; MEISNER 1979, S. 360
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
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Methode/ Verwandte Methoden Methoden der Zukunftsanalyse
Verweise auf Eignung bei hochgradigen Innovationen
Beisplei/QueUe Beschreibung der Methode
HERSTATT/LETTL 2004, S. 163;
Beispiel: Umbrella-Methode Quelle: NooRi et al. 1999a;b Prinzip: 8peziell fiir hochgradige Innovationen entwickelte Marktforschungsmethode basierend auf einer 8zenarioanalyse S'c/jnV/e: 1. 8zenarioanalyse: Ableitung verschiedener 8zenarien der Zukunft; 2. Backcasting: Wie miissen sich Umfeldbedingungen andem, damit das Produkt in Zukunft erfolgreich ist?; 3. Kontinuierliches Umfeldmonitoring zur Validierung der Zukunftsszenarien Vorteile: Beachtung von Umfeldbedingungen; crossfiinktionale Herangehensweise; Einsatz auch moglich, wenn der Zielmarkt noch nicht bekannt ist Nachteile: Keine direkte Kundeneinbindung; z.T. nur indirekter Produktbezug
DANNEELS 2002, S. 1106;
DESZCAetal. 1999,8.621; WEiBERetal. 1999, S. 106; DuRGEEetal. 1998,8.526; 8AMLI1996, 8. 594; LEONARDBARTON et al. 1 9 9 5 , 8 . 3 0 1 ; GESCHKA/EGGERT-KIPFSTUHL 1994, 8. 125; M C K E E 1992, 8. 240; HAMEL/PRAHALAD 1991,
8.85 Verwandte Methode: DelphiAnalyse (MULLER 1997) Ethnografische Methoden, insb. Empathisches Design
ROSENTHAL/CAPPER 2006, 8.
Beispiel: Empathisches Design
216; 8LATER/M0HR 2006, 8.
Quelle: LEONARD/RAYPORT 1995
31; PERRY et al. 2004, 8. 204; NARVER et al. 2004, 8. 336; D A Y 2002, 8. 244; HERSTATT 2001,8. 19;EKSTR6M/ KARLSSON 2001, 8. 7; LUKAS/ FERRELL 2000, S. 244;
PooLTON/ISMAiL 2000, 8. 803; VERONA 1999, 8. 136; LYNN
et al. 1999, 8. 571; NooRi et al. Verwandte Methoden: Day-in-the-life-visits (MRAZEKetal. 1995; GOUILLART/
1999a, 8. 546; DESZCA et al. 1999,
8. 623; BERTHON et al.
1999, 8 . 4 3 ; DuRGEEetal. 1998, 8. 526; ADAMS e t a l . 1998,
8. 418; 8LATER/NARVER 8. 1003; VERYZER 1998b,
Prinzip: Crossfiinktionale Beobachtung aktueller und potenzieller Kunden in ihrer natiirlichen Umgebung zur Erfassung von Informationen iiber Nutzungsimpuls und Produktanwendung, Zweckentfremdung, Umfeldbedingungen, Produktanpassungen, Produktwirkung und unausgesprochene Kundenbedtlrfhisse Schritte: 1. Planung; 2. Beobachtung und Datenerfassung; 3. Reflexion und Analyse; 4. Brainstorming zur Losungsentwicklung; 5. Entwurf von Prototypen Vorteile: Kombination des impliziten Wissens der Kunden mit dem technischen Wissen der F«feEMitarbeiter; Methode umgeht Probleme der Artikulation von latenten Bediirfnissen; Ziel ist ein besonders tiefes Kundenverstandnis Nachteile: Relativ zeit- und kostenaufwandig; verlangt neues Marktforschungsverstandnis; anthropologisches Know How notig
STURDIVANT 1994);
1998,
Gemba-Research (RONNEY et al. 2000); Customer Visits (MCQUARRIE 1995)
8. 148; BALACHANDRA/FRIAR
Simulationsmethoden, insb. Information Acceleration
HERSTATT/LETTL 2004, 8. 163;
Beispiel: Information Acceleration
HOEFFLER2003, 8. 407; BiNSACK 2003, 8. 289;
Quellen: URBAN et al. 1997; 1996
1997,
8. 283; ZIEN/BUCKLER
1997,
8. 283; WIND/MAHAJAN
1997, 8. 9
LASRY/CALLAHAN 2002, 8. 2 3 ; BROCKHOFF 2002, 8. 42; HAIMERL et al. 2001, 8. 64;
NooRietal. 1999a, 8. 546; WEiBERetal. 1999,8. 106; DESZCA et al. 1999, 8. 623;
DURGEE et al. 1998, S. 526; ADAMS etal. 1998,8.418; BACKHAUS/8TADIE 1998, 8. 181; WIND/MAHAJAN 1997, 8. 3; LEHMANN/WINER 1997, 8.
Verwandte Methoden: Virtual Concept Testing, Information Pump (URBAN/HAUSER 2004;DAHAN/ HAUSER 2002);
Virtual Shopping (BURKE 1996)
269; ELIASHBERG et al. 1997, 8. 225;
GESCHKA/EGGERT-
KIPFSTUHL 1994, 8. 125; M C K E E 1992, 8. 240; MOORE
1982, 8. 290
Prmzzp: Marktpotenzial-Prognosen auf der Basis einer Zukunftskonditionierung und Informationsvermittlung mit Hilfe von interaktiven und multimedialen ComputerSimulationen S'c/jnV^e: 1. Erstellung von Zukunftsszenarien und Produktinformationen; 2. Zukunftskonditionierung und computerbasierter, interaktiver Informationsabruf durch die Probanden; 3. 8chrittweise Erfassung von Wahmehmungen, Praferenzen und Kaufwahrscheinlichkeiten; 4. Abschatzung des Marktpotenzials und der Umsatzentwicklung Vorteile: Praferenzmessung basierend auf einem fiir die Zukunft realitatsnaheren Entscheidungsumfeld; friihzeitige Potenzialabschatzxmg vor Prototyperstellung; erfolgreich getestet fiir verschiedene Produktgruppen (u.a. Elektrofahrzeuge/General Motors) Nachteile: Validitat ist abhangig von der Treffgenauigkeit/Professionalitat der eingesetzten 8zenarien; personliches Umfeld kann nicht abgebildet werden; zeit- und kostenaufwandig , Zukunft kann nur bedingt simuliert werden
IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgableitung
Methode/ Verwandte Methoden Intensive Zusammenarbeit mit ausgewShlten Kunden, insb. Lead Usern
Venveise auf Eignung bei hochgradigen Innovationen SLATER/MOHR 2006, S. 31; ENKEL et al. 2005, S. 208; ZHOU et al. 2005, S. 45; MAGIDSON 2004, S. 237; NARVER et al. 2004, S. 336; SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 358; HELM 2001, S. 80; TROTT 2001, S. 122; SLATER/NARVER
2000b, S. 122; LUKAS/FERRELL 2000, S. 244; WEIBER et al. 1999, S. 106; DAY 1999, S. 12; NooRietal. 1999a, S. 546; DESZCAetal. 1999,8.622; DURGEEetal. 1998,8.526; VERYZER 1998b, 8. 148; Verwandte Methoden: Toolkits for User Innovation (VON
WIND/MAHAJAN 1997, 8. 9; ELIASHBERG et al. 1997, 8. 225; BUZZELL 1997, 8. 506;
8CHRADER 1995, 8. 464; DUKE
HIPPEL/KATZ2002;
1994, 8. 50; GRIFFIN/HAUSER
VON HiPPEL 2001)
1993, 8. 24
Iterative Experimentation, insb. Probe & Learn
HERSTATT/LETTL 2004, 8. 164; 8ANDVIK/8ANDVIK 2003, 8. 358; DANNEELS 2003, 8. 570; DAY 2002, 8. 247; BROCKHOFF 2002, 8. 43; TROTT 2001, 8. 120; SLATER/NARVER 2000b, 8. 122; NARVER et al. 2000, 8. 10; KUMAR et al. 2000, 8. 138; LUJCAS/FERRELL 2000, 8. 244;
Verwandte Methoden: Continuous prototyping (MASCITELLI 2000); Expeditionary Marketing (HAMEL/
DESZCA et al. 1999, 8. 622;
PRAHALAD 1991)
8LATER 1997, 8. 165; BUZZELL 1997, S. 506; 8CHRADER 1995, 8. 465; VALENTIN 1994, S. 66
207
Beispiel/Quelle Beschreibung der Methode Beispiel: Lead User Methode Quellen: LUTHJE/HERSTATT 2004; LILIEN et al. 2002; VON HiPPEL 1986 Prinzip: Einbindung von Kunden, die innovative Bediirfnisse und eine hohe Motivation haben Schritte: 1. Bildung eines crossfiinktionalen Teams und Festlegung des 8uchfeldes; 2. Trendprognose: Identifikation und Analyse von Technologie- und Markttrends; 3. Identifikation von Lead Usem: Screening bzw. Networking-Ansatz; 4. Lead User Workshop: Entwicklung von Produktkonzepten; 5. Bewertung und Transfer auf die Bediirfiiisse des Gesamtmarktes Vorteile: Generierung von Informationen uber zukunftige Bediirfnisse; Einbindung von Kunden in den Losungsprozess; fiihrt tendenziell zu einem hohen Innovationsgrad; erfolgreiche Anwendung in Investitions- und Konsumgiitermarkten Nachteile: Identifikation von Lead Usem kann schwierig sein; Einsatz ist zeitaufwandig; Gefahr der Nischenorientierung Beispiel'. Probe & Learn Quelle: LYNN et al. 1996a,b; LYNN 1993 Prinzip: Sukzessive Annaherung an ein aus Kundensicht optimales Produkt durch experimentelles (vs. analytisches), iteratives Ausprobieren und Lemen S'c/znYfe: 1. Probing: Friihzeitige Einfuhrung von Prototypen und Probeversionen in Testmarkte; 2. Learning: Ermittlung von Kundenanforderungen und Verbesserung des Produktes; 3. Probing & Learning als iterativer Prozess der Produktweiterentwicklung Vorteile: Trotz langem Entwicklungsprozess friihzeitige Marktnahe; Kunden konnen das Produkt ausprobieren; sukzessive Reduktion von Unsicherheiten; Ansatz wurde empirisch ermittelt Nachteile: Kostenintensiver Prozess; neues Selbstverstandnis der Produktentwicklung notig
Tab. 11: Innovative Methoden der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Es zeigt sich, dass viele Autoren den Einsatz qualitativer, explorativer Methoden fordem: „The fiirther into the future or the unknown one goes, the more one has to eschew direct inquiry for openended questions or other techniques." (LEONARD 2002, S. 93)
Wahrend bei inkrementalen Projekten haufig schon ein groBer Wissensbestand vorliegt, der nur noch konfirmatorisch bestatigt werden muss, verlangen hochgradige Projekte die Generierung neuer Informationen (HART et al. 1999, S. 27). Neue Informationen konnen durch eine Vielzahl an qualitativen Methoden generiert werden. Dazu gehoren z.B. Tiefeninterviews sowie verschiedene Arten von Fokusgruppen/Kundenworkshops wie z.B. das kundenidealisierte Design, projektive Techniken, Rollenspiele und die Looking glass-Methode, bei der Ideen flir neue Produktkonzepte im Rahmen von Kundendiskussionen abgeleitet werden (DURGEE et al. 1998, S. 526; vgl. Tab. 11).
208
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
Zukunftsanalysen sind qualitative Methoden, die sich mit zukiinftigen Veranderungen von Rahmenbedingungen beschaftigen. Insbesondere bei unbekannten bzw. noch nicht existenten Zielmarkten eignet sich der Einsatz von Methoden mit einem breiten Untersuchungsfokus wie z.B. die szenario-basierte Umbrella-Methode. Einige Autoren vertreten explizit die Meinung, dass man sich im Kontext hochgradiger Innovationen von quantitativen, exakten Zukunftsprognosen zu Gunsten qualitativer Tendenzen verabschieden muss (ROUACH 1996, S. 256; LENDER 1991, S. 155; Twiss 1984, S. 29). In diesem Zusammenhang gilt das JOHNMAYNARD KEYNES zugeschriebene Zitat „it is better to be roughly right than exactly wrong" (TROMMSDORFF/BINSACK 1997, S. 65), das bereits durch viele benihmte Fehlprognosen in der Vergangenheit bestatigt wurde. Ebenfalls qualitativ ausgerichtete, ethnografische Methoden zielen auf ein moglichst ganzheitliches und tiefes Kundenverstandnis durch die Beobachtung von Zielkunden in ihrer natiirlichen Umgebung (ROSENTHAL/CAPPER 2006, S. 218 f.). Im Vordergrund steht die Identifikation schwer artikuUerbarer, latenter Kundenbedurfnisse (PERRY etal. 2004, S. 201 ff.; ZANGER/SISTENICH 1996, S. 352). Neben der bekanntesten Methode, dem Empathischen Design, stehen die auf ahnlichen Prinzipien beruhenden Methoden Day-in-the-life-vis its bzw. die aus Japan stammende Gemba-Research zur Verfiigung. Dariiber hinaus zahlen auch sog. Customer Visits, bei denen ein crossfunktionales Team durch systematische Kundenbesuche in die Welt der Kunden eintaucht, zu den ethnografischen Methoden (EKSTROM/KARLSSON 2001,S. 7;vgl. Tab. 11). Dariiber hinaus wird in der Literatur auf Simulationsmethoden, insbesondere die am Massachussets Institute of Technology entwickelte Information Acceleration-Methode, verwiesen. Information Acceleration setzt an dem Problem an, dass eine valide Beurteilung und Adoption von hochgradigen Innovationen Lemprozesse verlangt (BINSACK 2003, S. 289; HOEFFLER 2003, S. 407; WIND/MAHAJAN 1997, S. 3). Ziel ist es, Lemprozesse zu beschleunigen, indem vor einer Praferenzmessung umfangreiche Informationen zur Innovation und zu zukiinftigen Rahmenbedingungen bereitgestellt werden. Einem ahnlichen Prinzip unterliegen weitere virtuelle Methoden wie z.B. Information Pump, eine virtuelle Fokusgruppe, in der Lemeffekte durch Mund-zu-Mund-Propaganda simuliert werden (DAHAN/HAUSER 2002, S.348ff;vgl.Tab. 11). Eine weitere, haufig im Kontext hochgradiger Projekte angeftihrte Option der Informationsgenerierung ist die Lead User-Methode. Wie bereits dargestellt wurde (vgl. Abschnitt 5.3.2.3) zielt sie darauf ab, nicht ein moglichst reprSsentatives Abbild der Grundgesamtheit zu generieren, sondem nur ganz bestimmte, innovative Kunden in den Innovationsprozess einzubinden (LAG 2002, S. 1473). Die sog. Toolkits for User Innovation stellen einen verwandten Ansatz dar. Dabei handelt es sich um benutzerfreundliche Design Tools/Werkzeuge, die es er-
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgableitung
209
moglichen, dass Kunden ihre eigenen Produktinnovationen entwickeln. Indem Kunden verstarkt am Entwicklungsprozess teilnehmen, werden Transferkosten von schwer zu iibertragenden, kundenbezogenen Informationen gesenkt (voN HIPPEL/KATZ 2002, S. 821 ff.). SchlieBlich wird in der Literatur haufig auf die Vorteile einer iterativen Experimentation bzw. eines sog. Probe & Learn-Prozesses verwiesen. Danach werden hochgradige Innovationen nicht bis zur technischen Perfektion entwickelt, sondem fruhzeitig als Prototypen/Probeversionen in potenzielle Testmarkte eingefuhrt. Im Vordergrund steht die experimentelle (vs. analytische) Generierung von Verbesserungs- und Weiterentwicklungsideen, also ein Ausprobieren (probe) und Lemen (learn) durch kontinuierliche Interaktion mit potenziellen Kunden (LYNN etal. 1996b, S. 27 ff.; LYNN 1993, S. 284). Einem ahnlichen Prinzip unterliegen die Methoden Continuous Prototyping und Expeditionary Marketing. Entsprechende Methoden ermoglichen eine Co-Evolution der Technologie und des Marktes und damit einhergehend ein besonders tiefgreifendes Verstandnis der Kunden und ihrer Bedurfnisse (LA13 2002, S. 1675; MASCITELLI 2000, S. 188 f.; vgl. Tab. 11). Insgesamt betrachtet zeichnen sich innovative im Vergleich zu traditionellen Methoden der Kundenorientierung durch ein tieferes Verstandnis der Kunden, ihrer Bedurfnisse und Verwendungssituationen aus (EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 7). Daruber hinaus wird haufig ein Zukunftsbezug hergestellt, indem Veranderungen von Rahmenbedingungen antizipiert bzw. beachtet werden (NOORI etal. 1999a, S. 555). Methoden wie z.B. das Empathische Design stiitzen sich obendrein nicht nur darauf, was Kunden sagen, sondem auch, wie sie sich verhalten (SLATER/MOHR 2006, S. 31). Bei Simulationsmethoden erfolgt eine umfangreiche Wissensvermittlung, um den Adoptionsprozess moglichst realitatsnah zu simulieren (ELIASHBERG etal. 1997, S. 223). Experimentelle Methoden wie z.B. Probe & Learn beinhalten eine Beschleunigung der Interaktion der Kunden mit der Innovation (O'CONNOR 1998, S. 153). Trotz der Chancen innovativer Methoden kommen sie in der Praxis bis dato verhaltnismaBig selten zum Einsatz (HERSTATT/LETTL 2004, S. 171; FLINT 2002, S. 310; LAB 2002, S. 1466), was sich auch in der empirischen Bestandsaufnahme im Rahmen dieser Arbeit gezeigt hat (vgl. Kapitel 6). 8.2.2 Empirische Befunde zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Im vorangegangenen Abschnitt wurden konzeptionelle Beitrage zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen dargestellt. Es stellt sich die Frage, inwieweit die konzeptionellen Empfehlungen empirisch bestatigen werden konnen. Der vorliegende Abschnitt widmet sich empirischen Studien, die Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen in Bezug setzen zum Erfolg. Dabei kann differenziert werden zwischen Befunden zur Kundenorientierung auf der Untemehmensebene (8.2.2.1) und Befunden zur Kundenorientierung auf der Projektebene (8.2.2.2).
210
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
8.2.2.1 Befunde zur Kundenorientierung auf der Unternehmensebene Im Grundlagenteil dieser Arbeit wurde das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene ausfuhrlich dargestellt (vgl. Kapitel 4). Einige Studien aus diesem Forschungsbereich beschaftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen Marktorientierung (als aggregiertes Konstrukt) bzw. Kundenorientierung (als Teilkonstrukt) und hochgradigen Innovationen. Dabei kann unterschieden werden zwischen Befunden zum Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad (vgl. Abschnitt 8.2.2.1.1) und Befunden zum Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg (vgl. Abschnitt 8.2.2.1.2). 8.2.2.1.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad Qualitativer Fallstudienansatz von Christensen Ein im Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen haufig zitierter Erklarungsansatz stammt von der Forschergruppe um CHRISTENSEN (Z.B. CHRISTENSEN/RAYNOR 2004; BOWER/CHRISTENSEN 1995). Ausgangspunkt ist die Differenzierung zwischen zwei verschiedenen Arten von Innovationen: Wahrend bewahrende (sustaining) Innovationen Verbesserungen innerhalb der Grenzen gegebener Leistungsparameter erzielen, defmieren disruptive (disruptive) Innovationen neue Leistungsparameter und kreieren neue Markte (CHRISTENSEN/RAYNOR 2004, S. 35; in fruheren Beitragen wird z.T. von Technologien gesprochen: BOWER/CHRISTENSEN 1995, S. 45). Disruptiven Innovationen gelingt es i.d.R. zunachst nicht, die Leistungswerte der etablierten, bewahrenden Innovationen zu erzielen, dafar bieten sie jedoch neue Vorteile (CHRISTENSEN/RAYNOR 2004, S. 38). So waren z.B. Sony's frtihe Transistorenradios zunachst mit EinbuBen in der Klangqualitat verbunden, kreierten jedoch basierend auf den Leistungskriterien Gewicht und Portabilitat einen vollig neuen Markt (BOWER/CHRISTENSEN 1995, S. 45).
Die Forschergruppe untersucht mittels Fallstudien die Ursachen des Scheitems technologisch und kommerziell flihrender Untemehmen in dynamischen Branchen. Die Autoren stellen fest, dass branchenfiihrende Untemehmen bei einem Technologiewandel haufig ihre iiberlegene Position an kleinere, innovative Untemehmen (Start-ups) verlieren. Sie identifizieren als einen wesentlichen Gmnd die fehlende Fahigkeit von Branchenfuhrem, rechtzeitig auf neue, dismptive Innovationen umzusteigen (sog. inertia, Tragheit). Die Hauptursache dafiir sehen sie in einer zu engen Orientierung an den Bedurfnissen bestehender Kunden: „they fail because they listen too carefully to their customers" (CHRISTENSEN/BOWER 1996, S. 198). Die Forscher gehen davon aus, dass die von Branchenfuhrem vorangetriebene Geschwindigkeit des technischen Fortschritts sukzessive die Fahigkeit ihrer Kunden iibersteigt, diesen aufzunehmen (CHRISTENSEN et al. 2002, S. 56). Da dismptive Innovationen aufgmnd der Definition neuer Leistungsparameter haufig auBerhalb des Kompetenzbereiches gegenwartiger
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgableitung
211
Kunden liegen, erzielen sie (z.B. in Prototypentests) wenig Interesse bzw. stoBen sogar auf Ablehnung. Die Autoren leiten daraus ab, dass kundenorientierte Branchenfuhrer dazu neigen, zu lange in bewahrende Innovationen zu investieren (CHRISTENSEN/BOWER 1996, S. 207 f). Das heifit, es lasst sich ein negativer Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgraddib\Q\iQn(yBKYZEK2005, S. 24). Neue, junge Untemehmen, die iiber keinen Kundenstamm in der Branche verfiigen, konnen hingegen ,ungebunden' nach den profitabelsten Anwendungsfeldem und Markten fur disruptive Innovationen suchen. Hohere Leistungssteigerungsraten disruptiver Innovationen ermoglichen es ihnen dann nach relativ kurzer Zeit, die Branchenfuhrer in ihren Markten zu attackieren und schlieBlich zu verdrangen (CHRISTENSEN/BOWER 1996, S. 207 ff.). CHRISTENSEN (2003) hat in diesem Zusammenhang den Begriff des Innovator's Dilemma gepragt, z.T. wird auch vom Fluch der Etablierten (,incumbent's curse'; CHANDY/TELLIS 2000) bzw. der Tyrannei des bedienten Marktes (,tyranny of the served market'; HAMEL/PRAHALAD 1991) gesprochen. Dabei handelt es sich um einen der am meisten zitierten Ansatze im Bereich des Innovations- und Technologiemanagements, der vielfach als Argument gegen Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen herangezogen wird (z.B. bei MATSUO 2006, S. 243; FAEMS et al. 2005, S. 242; TROTT 2001, S. 117).
Quantitative Studien Im Rahmen einer Literaturanalyse konnten 12 Studien identifiziert werden, die den Einfluss der Markt- bzw. Kundenorientierung auf der Untemehmensebene auf den Innovationsgrad quantitativ uberpriifen. Als abhangige Variable iiberwiegt die Messung der Entwicklung/ Einfiihrung hochgradiger Innovationen auf der Untemehmensebene, nur wenige Studien betrachten den Innovationsgrad auf der Projektebene, z.T. dabei differenziert nach der Neuartigkeit aus Kunden- bzw. Untemehmenssicht (vgl. Tab. 12). Wahrend ein Teil der Autoren analog zu CHRISTENSEN von einem negativen Einfluss der Markt-/Kundenorientierung auf den Innovationsgrad ausgeht (z.B. ZHOU et al. 2005, S. 45), postulieren andere wiederum einen positiven Einfluss. Dabei wird z.B. vermutet, dass marktorientierte Untemehmen gezielt hochgradige Innovationen entwickeln, um Marktliicken zu besetzen und sich vom Wettbewerb zu differenzieren (SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 369; VAZQUEZ etal. 2001, S. 74). SLATER/NARVER (1994C, S. 25) argumentieren, dass Markt-
orientiemng die Entwicklungstatigkeit in Bereiche lenkt, die durch ein besonders groBes kommerzielles Potenzial gepragt sind, was zu einer Priorisiemng hochgradiger Innovationsprojekte fuhrt. ATUAHENE-GIMA (2005, S. 64) vermutet, dass ein intensives Verstandnis der Kunden und ihrer Bediirfnisse eine Unzufriedenheit des innovierenden Untemehmens mit bestehenden Fahigkeiten zur Losung von Kundenproblemen auslost, was den Aufbau neuer Fahigkeiten und damit Innovationen eines hohen Neuigkeitsgrades begiinstigt.
212
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
Betrachtet man vorliegende empirische Befunde (vgl. Tab. 12), so zeigt sich, dass die iiberwiegende Anzahl vorhandener Studien einen positiven Einfluss der Markt-ZKundenorientierung auf den Innovationsgrad bQhchtQt So zeigen z.B. die Ergebnisse von SANDVIK (SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 365; SANDVIK et al. 2000, S. 3), dass Marktorientierung nicht nur einen positiven Einfluss auf new-to-the-firm-Produkte (Imitationen), sondem auch auf new-to-the-market-Produkte (erstmalig im Markt eingefuhrte und damit hochgradige Innovationen) hat. Fiir das Teilkonstrukt der Kundenorientierung stellen z.B. LUKAS/FERRELL (2000, S. 243 f.) entgegen ihrer Hypothese fest, dass Kundenorientierung einen negativen Einfluss auf Imitationen, jedoch einen positiven Einfluss auf die Einfiihrung vollig neuer Produkte (new-to-the-world products) hat. Die Autoren vermuten, dass es kundenorientierten Untemehmen gelingt, durch den Einsatz innovativer Methoden latente Kundenbediirfnisse zu identifizieren und Kunden zur Generierung radikaler Ideen zu stimulieren.
Messung
Entwicklung/ Einfiihrung von hochgradigen Innovationen (Untemehmensebene)
Positive Befunde
Nicht-Signifikante Befunde
Negative Befunde
MO: ZHOU et al. 2005, S. 50 (technologiebasiert); SANDVIK/SANDVIK 2003,
MO:
MO: ZHOU et al. 2005, S. 50 (marktbasiert)
BAKER/SINKULA
2005, S. 496
S. 365; LADO/MAYDEUO L I V A R E S 2 0 0 1 , S . 140;
VAZQUEZ etal. 2001, S. 82; SANDVIK et al. 2000, S. 3; SLATER/NARVER
1996, S. 167 KO: LADO/MAYDEUO L I V A R E S 2 0 0 1 , S . 140;
LUKAS/FERRELL 2000, S.244 KO:
Innovationsgrad (Projektebene)
SALAVOU/LIOUKAS
2003, S. 101;ATUAHENEGlMA 1996, S. 97*;
KO: GATIGNON/XUEREB 1997, S. 86;ATUAHENE-
GiMA 1996, S. 97**
LAWTON/PARASURAMAN
1980,8.23*;** MO = Marktorientierung; KO = Kundenorientierung; * = Innovationsgrad spezifi sch gemessen aus Untemehmenssicht;"^* = Innovationsgrad spezifisch gemessen aus Kundensicht Tab. 12: Einfluss der Markt-/Kundenorientierung auf den Innovationsgrad Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Es zeigt sich, dass einige Studien keinen signijikanten Einfluss der Markt-/Kundenorientierung auf den Innovationsgrad feststellen konnen (vgl. Tab. 12). BAKER/SINKULA (2005, S. 496) kommen z.B. zu dem Ergebnis, dass Marktorientierung keinen direkten Einfluss auf die Priorisierung radikaler Innovationen gegeniiber inkrementalen Innovationen hat. Bei ATUAHENE-GIMA (1996, S. 97) zeigt sich kein signifikanter Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad gemessen aus Untemehmenssicht, bei LAWTON/
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgableitung
213
PARASURAMAN (1980, S. 20) dariiber hinaus auch kein Einfluss auf den Innovationsgrad gemessen aus Kundensicht. Drei Studien berichten einen negativen Einfluss auf den Innovationsgrad. GATIGNON/XUEREB (1997, S. 86) konnen feststellen, dass Kundenorientierung zu Innovationen fuhrt, die weniger radikal und ahnlicher im Vergleich zu Konkurrenzprodukten sind. ATUAHENE-GIMA (1996, S. 94) kommt hypothesenkonform zu dem Ergebnis, dass eine Orientierung am Kunden den Innovationsgrad aus Kundensicht negativ beeinflusst. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass der Innovationsgrad aus Kundensicht iiber die Notwendigkeit umfangreicher Einstellungsund Verhaltensanderungen seitens der Kunden gemessen wird (ATUAHENE-GIMA 1996, S. 101), vergleichsweise positive Aspekt des Innovationsgrades (z.B. Adressierung eines neuen Kundennutzens bzw. Vorteil der Innovation; vgl. auch Abschnitt 3.2.1.2) werden nicht berticksichtigt. ZHOU et al. (2005, S. 43) differenzieren zwischen zwei verschiedenen Arten hochgradiger Innovationen. Wahrend sog. technologiebasierte Innovationen die Bediirfnisse eines bestehenden Marktes im Vergleich zur Konkurrenz besser erftillen, verlassen sog. marktbasierte Innovationen den Pfad der Leistungsverbesserung, indem sie auf neuen Markte einen neuen Kundennutzen adressieren (CHRISTENSEN 2003 spricht hier von disruptiven Innovationen). Den Autoren gelingt es, ihre Kemhypothese zu bestatigen: Danach hat Marktorientierung einen positiven Einfluss auf technologiebasierte, jedoch einen negativen Einfluss auf marktbasierte (disruptive) Innovationen (ZHOU et al. 2005, S. 50). Ein generell negativer Einfluss der Marktorientierung auf den Innovationsgrad kann damit nicht bestatigt werden. Zusammenfassend: Insgesamt betrachtet lasst sich entgegen der qualitativen Erkenntnisse von CHRISTENSEN (2003) die geflirchtete ,Gefahr des Inkrementalismus' durch die vorliegenden, quantitativen Befunde nicht stiitzen. Nur in Einzelfallen wird ein negativer Befund berichtet, positive bzw. nicht-signifikante Befunde tiberwiegen deutlich. 8.2.2.1.2 Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg Vom Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad zu unterscheiden, ist die Frage, inwieweit Kundenorientierung den Erfolg hochgradiger Innovationen beeinflusst. Bis dato haben sich nur sehr wenige Studien mit dieser Frage beschaftigt (ATUAHENE-GIMA 2005, S. 80). Auf der Untemehmensebene liegen nur zwei empirische Studien vor, und die stellen einen positiven Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg hochgradiger Innovationen fest. So kommt ATUAHENE-GIMA (1995, S. 284) zu dem Ergebnis, dass Kundenorientierung auf der Untemehmensebene den Projekterfolg radikaler Innovationen signifikant positiv beeinflusst. Bezogen auf den Markterfolg stellen die Autoren einen positiven, jedoch nichtsignifikanten Einfluss fest. SALAVOU (2002, S. 167) berichtet im Kontext radikaler Innovatio-
214
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
nen einen positiven Einfluss der Reaktion auf Kundenbedtirfnisse auf den Untemehmenserfolg kleiner und mittlerer Untemehmen. Aufgrund der mit zunehmendem Innovationsgrad steigenden Informationsdefizite und Marktunsicherheiten postulieren beide Autoren daruber hinaus einen positiv moderierenden Einfluss des Innovationsgrades (SALAVOU 2002, S. 166; ATUAHENE-GIMA 1995, S. 279). Die empirischen Ergebnisse weisen jedoch auf einen entgegengesetzten Effekt hin: Danach hat Kundenorientierung eine groBere Erfolgsrelevanz fur inkrementale als ftir radikale Innovationen (SALAVOU 2002, S. 167; ATUAHENE-GIMA 1995, S. 284). ATUAHENE-GIMA (1995,
S. 286) vermutet, dass inkrementale Innovationen einem starkeren Wettbewerb ausgesetzt sind, so dass eine vergleichsweise starkere Orientierung an den Bediirfnissen potenzieller Kunden notig ist, um sich im Markt zu behaupten. Eine neuere Studie von ATUAHENE-GIMA (2005) weist jedoch darauf hin, dass die Relevanz der Kundenorientierung mit zunehmendem Innovationsgrad steigt. Der Autor analysiert den Einfluss von Kundenorientierung auf den Erfolg inkrementaler und radikaler Innovationen in China. Als mediierende Variable betrachtet er die Nutzung vorhandener (exploitation) bzw. den Aufbau neuer (exploration) Innovationskompetenzen. Die Ergebnisse zeigen, dass Kundenorientierung sowohl die Nutzung vorhandener als auch den Aufbau neuer Kompetenzen positiv beeinflusst, wobei der Einfluss auf den Kompetenzaufbau vergleichsweise groBer ist. Wahrend die Nutzung vorhandener Kompetenzen den Erfolg inkrementaler Innovationen positiv beeinflusst, steigert der Aufbau neuer Kompetenzen den Erfolg radikaler Innovationen. Das heiBt, Kundenorientierung hat indirekt (iiber die Variablen Kompetenznutzung bzw. aufbau) einen starkeren positiven Einfluss auf den Erfolg radikaler Innovationen als auf den Erfolg inkrementaler Innovationen (ATUAHENE-GIMA 2005, S. 72 ff). Aus diesem Befund lasst sich ein positiver Moderatoreffekt des Innovationsgrades auf den Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und Erfolg ableiten. Zusammenfassend: Vorliegende empirische Studien zeigen, dass Kundenorientierung auf der Untemehmensebene den Erfolg hochgradiger Innovationen positiv beeinflusst. Bezogen auf den moderierenden Einfluss des Innovationsgrades liegt bis dato kein eindeutiges Ergebnis vor: Entgegen ihrer Hypothese stellen zwei Studien einen negativen Moderatoreffekt fest, wahrend eine neuere Studie auf einen positiven Moderatoreffekt hinweist. 8.2.2.1.3 Zusammenfassung und kritische Wiirdigung vorliegender Befunde In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurden Beitrage fokussiert, die sich auf der Untemehmensebene mit dem Einfluss der Markt-/Kundenorientierung auf den Innovationsgrad bzw. den Erfolg hochgradiger Innovationsprojekte beschafligen. Zunachst wurde das Innovator's Dilemma von CHRISTENSEN (2003) dargestellt, das einen negativen Einfluss der
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Kundenorientierung auf den Innovationsgrad postuliert und daher haufig als pauschales Argument gegen Kundenorientierung im Kontext hochgradiger Innovationen herangezogen wird (VERYZER 2005, S. 24; FAEMS et al. 2005, S. 242). Eine kritische Betrachtung des Ansatzes verdeutlicht drei Themenaspekte, die eine differenziertere Betrachtungsweise verlangen als es haufig in der Literatur der Fall ist: 1. Differenzierung zwischen den Konstrukten Innovationsgrad und Grad der Disruptivitdt Der Begriff der disruptiven Innovation wird in der Literatur haufig nicht prazise definiert (DANNEELS 2004, S. 247 f). Deutlich wird jedoch, dass es sich bei den Konstrukten Grad der Disruptivitat und Neuigkeitsgrad einer Innovation um verschiedene Konstrukte handelt (GOVINDARAJAN/KOPALLE 2006, S. 13; SLATER/MOHR 2006, S. 26). Wesentliche Definitionskriterien disruptiver Innovationen sind, dass (1) deren Leistungsfahigkeit zunachst nicht an das Leistungsmaximum bestehender Losungen heranreicht und (2) neu entstehende Markte adressiert werden (BOWER/CHRISTENSEN 1995, S. 45). Diese Kriterien gelten nicht automatisch ftir alle hochgradigen Innovationen. So konnen hochgradige Innovationen zwar neue Leistungskriterien kreieren, konnen aber auch durchaus ,nur' mit einer substanziellen Verbesserung bestehender Leistungskriterien in bestehenden Markten einhergehen (LEIFER et al. 2000, S. 5; siehe dazu ausflihrlich Abschnitt 3.2.1). Es lasst sich ableiten, dass die Befunde von CHRISTENSEN nicht fur alle Arten hochgradiger Innovationen Bestand haben. Sie gelten hochstens fur die Teilmenge an hochgradigen Innovationen, die neben einem hohen Innovationsgrad auch einen hohen Grad an Disruptivitat aufweisen. Bestatigt wird diese Vermutung durch ZHOU (2005, S. 50), der einen negativen Einfluss der Marktorientierung auf die Einfuhrung disruptiver, jedoch einen positiven Einfluss auf die Einfuhrung nicht-disruptiver, hochgradiger Innovationen feststellen kann (vgl. Abschnitt 8.2.2.1.1). 2. Differenzierung zwischen gegenwdrtigen und neuen Kunden/Mdrkten Die Erkenntnisse von CHRISTENSEN beziehen sich explizit auf die Orientierung von Branchenflihrem an den Bediirfnissen ihrer gegenwartigen Kunden in bestehenden Markten (CHRISTENSEN/BOWER 1996, S. 198). Es ist der Forschergruppe insofem zuzustimmen, als dass gegenwartige Kunden in bestehenden Markten eine Kemrigiditat fur hochgradige und gleichzeitig disruptive Innovationen darstellen konnen (WOODSIDE 2005, S. 277; LEONARD-BARTON 1998, S. 182 f). Es handelt sich jedoch um eine Miss interpretation des Konstruktes der Kundenorientierung, wenn eine ausschlieBliche Orientierung an gegenwartigen Kunden/Markten abgeleitet wird (SLATER/MOHR 2006, S. 30; DANNEELS 2004, S. 255; DAY 1999, S. 13; SLATER/NARVER 1998, S. 1003).
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Das Phanomen, das CHRISTENSEN beobachtet, basiert weniger auf einer zu starken Kundenorientierung als vielmehr auf einem zu engen Verstdndnis des Kundenbegriffes. Aus einer ressourcenbasierten Perspektive mangelt es den betreffenden Untemehmen an der dynamischen Fahigkeit, neue Kunden zu identifizieren und zu analysieren und damit neue Kundenkompetenzen aufzubauen (DANNEELS 2006, S. 2; HENDERSON 2006, S. 6; vgl. auch Abschnitt 7.2.2.2). Es lasst sich ableiten, dass im Kontext disruptiver Innovationen nicht Kundenorientierung an sich, sondem vielmehr eine ausschlieBliche Orientierung an gegenwartigen Kunden die ,Gefahr des Inkrementalismus' in sich birgt. So kommt auch CHRISTENSEN (2006, S. 51) in seinem bis dato aktuellsten Beitrag zu folgendem Eingestandnis: „Upon reflection, the way I originally characterized the role of the customers of established leaders in disruption was a mistake. ( . . . ) ! have said that it was because the leaders listened to their best customers that they were not led to the disruptive technologies. (...) A more accurate prescriptive statement is that managers always must listen to customers. They simply must be aware of the direction in which different customers will lead them." (H.d.V.)
3. Differenzierung zwischen artikulierten und latenten Kundenbedurfnissen Die Erkenntnisse von CHRISTENSEN beziehen sich daruber hinaus implizit auf eine Orientierung der Branchenfiihrer an gegenwartigen, bereits artikulierten Kundenbedurfnissen und damit auf ein „shallow understanding of their customers' needs" (DANNEELS 2004, S. 255). Der Forschergruppe ist emeut insofem zuzustimmen, als dass eine einseitige Orientierung an artikulierten Bediirfnissen eine Gefahr von Kemrigiditaten und Inkrementalismus beinhaltet (SLATER/MOHR 2006, S. 30; LEONARD-BARTON et al. 1995, S. 292). Es zeigt sich jedoch an dieser Stelle emeut eine Miss interpretation des Konstruktes der Kundenorientierung (SLATER/MOHR 2006, S. 30; DANNEELS 2004, S. 255): Kundenorientierung zielt nicht nur auf artikulierte, sondem insbesondere auch auf latente und zuktinftige Kundenbedtirftiisse ab. Emeut basiert das Phanomen, das CHRISTENSEN beobachtet, im Zweifel weniger auf einer zu starken Kundenorientiemng als auf einem zu engen Konstmktverstandnis (vgl. auch SCHMIDT 2004, S. 172). Zusammenfassend betrachtet zeigt sich, dass die Verwendung der CHRISTENSEN-Befunde als pauschales Argument gegen eine Kundenorientiemng in hochgradigen Innovationsprojekten nicht angemessen ist. Diese Schlussfolgemng fmdet durch die vorgestellten quantitativen Studien Bestatigung: Quantitative Studien im Bereich der Markt-/Kundenorientiemng auf der Untemehmensebene konnen die gefurchtete ,Gefahr des Inkrementalismus' i.d.R. nicht stUtzen. Bezogen auf den Einfluss der Kundenorientiemng auf der Untemehmensebene auf den Erfolg hochgradiger Innovationsprojekte konnte in zwei Studien ein positiver Effekt festgestellt werden, bezogen auf den moderierenden Einfluss des Innovationsgrades liegen jedoch widersprtichliche Befiinde vor. Insgesamt gilt es zu beachten, dass die Messung des Innova-
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Qualitative AnsStze - Innovationsmanagement allgemein: ABETTI 2000; MULLINS/SUTHERLAND 1998; VERYZER 1998a; TABRIZI/WALLEIGH 1997; LEONARD-
BARTON 1998; SouDER 1989 - Kundeninput/Kundenorientierung: SANDBERG 2005; LETTL 2004, 2003; VERYZER 1998b; BENTLEY 1990 Inhaltlicher Fokus
- Marktiernen: ADAMS et al. 1998; O'CONNOR 1998; LYNN 1993; MEYERS/ATHAIDE 1991
Quantitative AnsMtze - Generierung von Marktinformationen: SALOMO/CRATZIUS 2005; VAN RIEL et al. 2004; CALLAHAN/LASRY 2004; OTTUM/MOORE 1997
- Kundeneinbindung: CALLAHAN/LASRY 2004; LILIEN et al. 2002; SETHI et al. 2001; SOUDER et al. 1998; SCHLAAK 1999; GALES/MANSOUR-
CoLE 1995; BSTIELER/KLEINSCHMIDT 1992 - Innovationsvermarktung: TALKE 2005; LEE/O'CONNOR 2003; AVLONTIS/ PAPASTATHOPOULOU 2000; ATHAIDE et al. 1996; ATUAHENE-GIMA 1995
- Innovationsphasen: AVLONTIS/ PAPASTATHOPOULOU 2001; DE BRENTANI 2001; SONG/MONTOYA-WEISS 2001; 1998; ROCHFORD/RUDELIUS 1997
Branchenbetrachtung
- Branchenfokussierend: LETTL 2004/2003: Medizintechnik; ABETTI 2000: Elektronik; MuLLiNS/SuTHERLAND 1998: Telekommunikation; BENTLEY 1990: Software - Brancheniibergreifend: AUe anderen Studien
- Innovationsmethoden: CILLO et al. 2004; CHOU 2000; TIDD/BODLEY 2002 - Branchenfokussierend: CILLO et al. 2004: Modeindustrie; VAN RIEL et al. 2004: Informationstechnologie; AVLONITIS/ PAPASTATHOPOULOU 2001/2000: Finanzdienstleistungen; CALLAHAN/LASRY 2004: Computertechnologie; ROCHFORD/ RUDELIUS
1997: Medizinprodukte; GALES/MANSOUR-COLE 1995: Abfallwirtschaft - Brancheniibergreifend: Alle anderen Studien - Erfolgreiche Projekte: SANDBERG 2005; Erfolgsbetrachtung
O'CONNOR 1998; VERYZER 1998a^; LYNN 1993; MEYERS/ATHAIDE 1991; BENTLEY 1990; SOUDER 1989
- Erfolgreiche Projekte: TIDD/BODLEY 2002; CHOU 2000; ATHAIDE et al. 1996
- Erfolgeiche & nicht-erfolgreiche Projekte: Alle anderen Studien
- Erfolgreiche & nicht-erfolgreiche Projekte: AUe anderen Studien Tab. 13: Erfolgsfaktorenstudien im Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)
Im Folgenden werden relevante Befunde systematisch entlang der drei Saulen der Kundenorientierung ausgewertet und diskutiert. Dabei wird jeweils differenziert nach (1) direkten Erfolgsbefunden und (2) Befunden zum moderierenden Einfluss des Innovationsgrades. 8.2.2.2.1 Befunde zur Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation) 1. Einfluss der Innovationsmarktforschung aufden Erfolg hochgradiger Innovationen Viele Erfolgsfaktorenstudien im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte betrachten auf die eine oder andere Art und Weise Aspekte der Innovationsmarktforschung. ADAMS et al. (1998, S. 409) stellen fest, dass Teammitglieder in erfolgreichen im Vergleich zu weniger erfolgreichen hochgradigen Projekten uber mehr Marktwissen verfligen. Dariiber hinaus zeigt sich in relativ vielen Beitragen, dass die Erfolgsrelevanz der Innovationsmarktforschung abhdngig ist von der Art der eingesetzten Methoden. Deutlich wird, dass sich traditionelle Methoden nur bedingt flir hochgradige Innovationsprojekte eignen (LYNN 1993, S. 264; SOUDER 1989, S. 21). Viele Autoren verweisen auf einen Zusammenhang
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tionsgrades in den vorgestellten Studien als rudimentar eingestuft werden muss: Es dominiert die Verwendung nominaler Klassifikationen (z.B. SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 362) bzw. eindimensionaler Messansatze mit wenigen Indikatoren (z.B. SLATER/NARVER 1996, S. 165). 8.2.2.2 Befunde zur Kundenorientierung auf der Projektebene Es besteht ein erhebliches Forschungsdefizit im Bereich der Analyse der Erfolgswirkung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen auf der Projektebene (MATSUO 2006, S. 243; ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 476; HILLS/SARIN 2003, S. 21). Ein wesentlicher Grund ist darin zu vermuten, dass eine Konzeptualisierung der Konstruktes bis dato nicht vorgenommen wurde (vgl. auch Abschnitt 5.1.2). Es existieren jedoch Befunde, die in einem inhaltlichen Zusammenhang zu der Fragestellung stehen. Der vorliegende Abschnitt widmet sich inhaltlich relevanten Erfolgsfaktorenstudien, die hochgradige Innovationsprojekte als Analyseobjekt fokussieren bzw. den Innovationsgrad als Moderatorvariable beriicksichtigen. Erfolgsfaktorenstudien im Kontext hochtechnologischer Branchen, die keine Differenzierung nach dem Innovationsgrad vomehmen (z.B. BACON et al. 1994), werden aufgrund eines nicht unerheblichen Anteils inkrementaler Innovationen in hochtechnologischen Branchen (MAIDIQUE/ZIRGER 1984, S. 195 f.) nicht berucksichtigt. Die folgende Tabelle fasst relevante Studien systematisch zusammen. Dabei wird unterschieden nach qualitativen/quantitativen Ansatzen, und es erfolgt jeweils eine Spezifizierung des inhaltlichen Fokus sowie der Art der Branchen- und Erfolgsbetrachtung.
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zwischen Erfolg und dem Einsatz qualitativer Marktforschungsmethoden (ADAMS et al. 1998, S. 418; VERYZER 1998a, S. 314; 1998b, S. 147; MULLINS/SUTHERLAND 1998,
S. 230). Fruhe, quantitative Marktprognosen werden nur vereinzelt insbesondere zur Erzielung einer intemen Unterstutzung des Projektes vorgenommen (LETTL 2003, S. 306; MULLINS/SUTHERLAND 1998, S. 230; VERYZER 1998a, S. 315; SOUDER 1989, S. 21),
innerhalb des Projektteams ist das Vertrauen in die Zahlen jedoch gering (O'CONNOR 1998, S. 157). Im Vordergrund der Informationsgenerierung steht zunachst eine erste, grobe Abschatzung der Erwartungen des Marktes und weniger die Beantwortung quantitative! Fragen. Teilweise kommen in spateren Phasen (z.B. zur Prazisierung der Preisfestlegung) auch traditionelle Methoden zum Einsatz (MULLINS/SUTHERLAND 1998, S. 230; VERYZER 1998a, S. 319; 1998b, S. 142). Daruber hinaus wird berichtet, dass erfolgreiche Innovatoren intensiv auf informale Marktforschungsmethoden zuruckgreifen (ABETTI 2000, S. 213; VERYZER 1998a, S. 315; 1998b, S. 142; ADAMS etal. 1998, S. 412; TABRIZI/WALLEIGH 1997, S. 119; SOUDER 1989, S. 20 f.). Ziel ist dabei, durch kontinuierliche, offene Gesprache mit Zielkunden ein moglichst gutes Gespur fur den Markt zu entwickeln z.B. um Kundenanforderungen abzuleiten bzw. potenzielle Entwicklungspartner zu identifizieren (VERYZER 1998a, S. 315). ABETTI (2000, S. 213) spricht in diesem Zusammenhang auch von „coupling with the marketplace". Neben klassischen qualitativen Methoden wie Fokusgruppen und Kundengesprachen zeigt sich z.T. auch der Einsatz innovativer Marktforschungsmethoden. So kann VERYZER (1998b, S. 142) feststellen, dass in besonders hochgradigen Projekten vermehrt empathische Methoden wie z.B. Kundenbeobachtungen einsetzt werden. Analog verweisen andere Autoren darauf, dass in den von ihnen untersuchten Projekten intensiv versucht wurde, ein antizipatives und empathisches Kundenverstandnis aufzubauen (SANDBERG 2005, S. 245 f.; O'CONNOR 1998, S. 158 f.; ADAMS et al. 1998, S. 418; LYNN
1993, S. 279). CiLLO etal. (2003, S. 21) konnen feststellen, dass zukunftsorientierte Innovationsmarktforschung, die durch eine kontinuierliche Interaktion mit dem Markt und dem Einsatz innovativer Methoden gepragt ist, einen positiven Einfluss auf den Innovationsgrad hat, wahrend vergangenheitsorientierte Methoden (wie z.B. Sekundaranalysen) eher zu inkrementalen Innovationen fiihren. Dartiber hinaus bestatigt sich die Vermutung einiger konzeptioneller Beitrage (vgl. Abschnitt 8.2.1.2), dass hochgradige Innovationsprojekte eine Differenzierung zwischen Bediirfnissen und Losungen verlangen. So stellt z.B. VERYZER (1998a, S. 318) fest, dass durch Marktforschung gut Informationen uber Bediirfhisse generiert werden konnen, nur bedingt jedoch Informationen uber technologische Anwendungen und Losungen. In
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Bezug auf Losungen von Kundenproblemen verweisen vorliegende Studien auf die Integration ausgewahlter Kunden (LETTL 2004, S. 288 ff.; VERYZER 1998a, S. 316; O'CONNOR 1998, S. 161; vgl. ausftihrlich folgender Abschnitt 8.2.2.2.2). Insgesamt betrachtet lasst sich ftir eine intensive (qualitativ orientierte bzw. innovative) Innovationsmarktforschung ein positiver Einfluss auf den Erfolg hochgradiger Innovationen ableiten. 2. Moderierender Einfluss des Innovationsgrades Es stellt sich die Frage, welche Rolle der Innovationsgrad bezogen auf die Beziehung zwischen Innovationsmarktforschung und Erfolg hat. Einige Studien konnen keinen moderierenden Einfluss des Innovationsgrades feststellen. So kommen SONG/MONTOYA-WEISS (2001, S. 74) zu dem Ergebnis, dass Marktintelligenz unabhangig vom Grad der Unsicherheit den fmanziellen Projekterfolg positiv beeinflusst. OTTUM/MOORE (1997, S. 267) konnen ihre Hypothese eines positiven Moderatoreffektes des Innovationsgrades empirisch nicht bestatigen: Die Generierung von Marktinformationen (tiber die GroBe des Marktes, Kundenbediirfnisse und Marktsegmente) erweist sich unabhangig vom Innovationsgrad als erfolgsrelevant. Analog zeigen die Ergebnisse von VAN RIEL et al. (2004, S. 354 f), dass die Generierung kundenbezogener Informationen sowohl bei inkrementalen als auch bei radikalen Innovationen einen signifikanten, positiven Erfolgseinfluss ausiibt. Andere Studien konnen hingegen einen positiv moderierenden Effekt des Innovationsgrades feststellen. So berichten z.B. SALOMO/CRATZIUS (2005, S. 85 ff.), dass mit steigendem Marktinnovationsgrad die Erfolgsrelevanz einer moglichst fruhzeitigen Integration von Marketing-Know How ins Innovationsprojekt steigt. In anderen Studien wird emeut deutlich, dass zwischen verschiedenen Arten/Methoden der Innovationsmarktforschung differenziert werden muss. So zeigen SONG/MONTOYA-WEISS (1998), dass eine strategische Planung im Sinne einer vorausschauenden Einschatzung von Marktchancen einen positiven Einfluss auf radikale, jedoch einen negativen Einfluss auf inkrementale Innovationen hat. Umgekehrt erweisen sich friihe, formale Marktstudien als negativer Erfolgsfaktor bei radikalen und als positiver Erfolgsfaktor bei inkrementalen Innovationen (SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 130; vgl. ahnlich DE BRENTANI 2001, S. 180). Es lasst
sich ableiten, dass in Abhangigkeit des Innovationsgrades verschiedene Arten der Informationsgenerierung unterschiedlich sinnvoll sind. Wahrend eine tendenziell qualitativ ausgerichtete strategische Planung bei radikalen Innovationen erfolgsentscheidend ist, erweist sie sich bei inkrementalen Innovationen als unnotig und damit ineffizient. Umgekehrt stellt eine formale, quantitative Marktabschatzung eine nicht angemessene und damit ineffiziente Form des Marktlemens ftir radikale Innovationen dar (SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 130 ff).
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Die Vermutung einer mit steigendem Innovationsgrad zunehmenden Bedeutung einer intensiven, qualitativ orientierten Informationsgenerierung wird durch weitere empirische Studien gestiitzt. So stellen CALLAHAN/LASRY (2004, S. 112ff.) fiir die Phasen IdeengenerierungZ-screening und technische Entwicklung einen positiven Zusammenhang zwischen dem Innovationsgrad und dem Einsatz interaktionsintensiver Methoden fest. Wahrend z.B. Sekundaranalysen und Kundenbefragungen nur einen geringen Interaktionsgrad mit den Zielkunden aufweisen, zeichnen sich qualitative Methoden wie z.B. Fokusgruppen und empathische Ansatze durch einen weitaus hoheren Interaktionsgrad und damit einhergehend durch eine hohere Intensitat aus. CHOU (2000, S. 171) stellt fest, dass in erfolgreichen radikalen Projekten kundenbezogene Informationen starker durch informale Methoden (insb. face-to-face Austausch) generiert werden, wahrend in inkrementalen Projekten vermehrt formale Sekundaranalysen zum Einsatz kommen. Ahnlich kommen TIDD/BODLEY (2002, S. 133) zu dem Ergebnis, dass in radikalen im Vergleich zu inkrementalen Projekten eine tiefe Marktanalyse durch qualitative Methoden einen signifikant hoheren Nutzen aufweist, quantitative Segmentierungsansatze sich hingegen als sinnvoller fur inkrementale Projekte erweisen. Zusammenfassend: Vorliegende Befunde zur Innovationsmarktforschung zeigen insgesamt betrachtet ein kongruentes Bild. Es wird deutlich, dass in erfolgreichen hochgradigen Projekten vor allem Methoden eingesetzt werden, die eine intensive Informationsgenerierung ermoglichen (insb. informale, qualitative und innovative Methoden). Traditionelle Methoden wie z.B. standardisierte Kundenbefragungen eignen sich hingegen weniger gut. Fiir eine intensive Informationsgenerierung lasst sich dariiber hinaus ein positiver Moderatoreffekt des Innovationsgrades ableiten. Das heiBt, es ist davon auszugehen, dass radikale Projekte besonders von einer hohen Intensitat eingesetzter Marktforschungsmethoden profitieren. Diese Befunde widersprechen konzeptionellen Beitragen, die Kundenorientierung grundsatzlich mit einer Inkrementalismus-Gefahr assoziieren bzw. sich gegen einen fruhzeitigen Einsatz in hochgradigen Projekten aussprechen (vgl. auch SANDBERG 2005, S. 260; VERYZER 1998b, S. 147). Umgekehrt korrespondieren sie mit den konzeptionellen Beitragen, die den Einsatz spezifischer, innovativer Methoden im Rahmen hochgradiger Innovationsprojekte fordem (vgl. Abschnitt 8.2.1.3). 8.2.2.2.2 Befunde zur Kundenintegration (Intelligence Dissemination) 1. Einfluss der Kundenintegration aufden Erfolg hochgradiger Innovationen Kongruent zur Konzeptualisierung in der vorliegenden Arbeit (vgl. Abschnitt 5.3.2.3) weisen empirische Studien darauf hin, dass i.d.R. ausgewdhlte Kunden mit spezifischen Merkmalen wie z.B. Lead User Eigenschaflen bzw. fachlicher Kompetenz in hochgradige Innovationsprojekte integriert werden (LETTL 2004, S. 288 ff; VERYZER 1998a, S. 316;
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O'CONNOR 1998, S. 161). Dariiber hinaus bestatigt sich, dass der Kontakt zum Kunden nicht auf die Marketing-Mitarbeiter beschrankt ist: In erfolgreichen hochgradigen Projekten lasst sich haufig ein direkter F&E-Kunden-Kontakt beobachten (LETTL 2003, S. 306;SOUDER1989, S.20f.). Analog zu den dargestellten Befunden im Bereich der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung (vgl. Abschnitt 8.1.2) wird deutlich, dass spezifische Gestaltungsoptionen der Kundenintegration die Erfolgswirkung des Konstruktes beeinflussen. Zum einen gibt es Hinweise, dass in erfolgreichen hochgradigen Projekten Kunden friihzeitig eingebunden werden (MULLINS/SUTHERLAND 1998, S. 232). So stellt beispielsweise LETTL (2003, S. 307 ff.) fest, dass in alien fiinf untersuchten, medizintechnischen Projekten Anwender die Impulsgeber bzw. Ideengeber der Innovationen waren. Das stellt die haufig in der Literatur vertretene Ansicht in Frage, dass Anwender aufgrund ihres begrenzten Erfahrungshorizontes (functional fixedness; vgl. Tab. 10, Abschnitt 8.2.1.1) nicht in der Lage sind, Ideen fiir hochgradige Innovationen zu generieren. Einige Studien verdeutlichen dariiber hinaus die Relevanz einer kontinuierlichen Kundenintegration. Danach weisen erfolgreiche Projekte einen kontinuierlichen Kundendialog auf, der sich nicht nur auf die Phasen der Ideengeneriemng und Entwicklung, sondem auch auf die Phase der Markteinfiihrung erstreckt (TABRIZI/WALLEIGH 1997, S. 123). LETTL (2004, S. 293 ff) stellt zwar unterschiedliche Zeitmuster der Anwenderintegration fest, gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass eine kontinuierliche Interaktion die Ubertragung von implizitem Wissen und damit von Informationen iiber latente und zuktinftige Kundenbediirfnisse fordert. Sehr deutlich wird, dass Prototypentests im Rahmen der Kundenintegration eine wesentliche Rolle einnehmen. Fast alle qualitativen Studien verweisen auf die Bedeutung einer friihzeitigen Entwicklung von Prototypen und entsprechende Testaktivitaten (SANDBERG 2005, S. 246f;
O' CONNOR
1998, S. 160; VERYZER
1998a, S. 316; MULLINS/
SUTHERLAND 1998, S. 232; TABRIZI/WALLEIGH 1997, S. 123; LYNN 1993, S. 284). Dabei
zeigt sich haufig der von LYNN (1993) als Probe & Learn bezeichnete, experimentelle Lemprozess, bei dem Probeversionen/Prototypen friihzeitig in Testmarkten eingefiihrt werden (O'CONNOR 1998, S. 161; MULLINS/SUTHERLAND 1998, S. 232). Probe & Learn kann als eine Form der kontinuierlichen und intensiven Kundenintegration interpretiert werden (JiN 2000, S. 39; JENNER 2000, S. 139; DESZCA etal. 1999, S. 622; vgl. ausfuhrlich Tab. 11, Abschnitt 8.2.1.3). SchlieBlich machen viele qualitative Befunde darauf aufmerksam, dass hochgradige Innovationsprojekte eine besonders interaktionsintensive Form der Kundenintegration verlangen (SANDBERG 2005, S. 246 f; ADAMS et al. 1998, S. 412). So stellt z.B. SOUDER
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(1989, S. 20 f.) in alien seiner 15 untersuchten radikalen Projekte eine sehr starke Interaktion mit den Kunden fest. Der Autor bezeichnet den sehr engen Kontakt als eine symbiotische Form der Hersteller-Kunden-Beziehung. Analog berichten O'CONNOR (1998, S. 161), VERYZER (1998b, S. 142) und LEONARD-BARTON (1998, S. 100) iiber die von ihnen untersuchten Projekte von sehr engen Partnerschaften mit ausgewahlten Kunden. LETTL (2004, S. 300) kann feststellen, dass aufgrund der erklarungsbediirftigen Natur der Informationen alle Interaktionen mit Anwendem in direkter, personlicher und damit intensiver Form erfolgen. Insgesamt betrachtet zeigen vorliegende qualitative Studien, dass erfolgreiche hochgradige Innovationsprojekte durch eine intensive Integration ausgewdhlter Kunden gepragt sind. Quantitative Studien konnen dieses Ergebnis stiitzen. Zum einen zeigt sich, dass eine intensive Kundenintegration positiv aufden Innovationsgrad wirkt (LiLlEN et al. 2002, S. 1051; SETHI etal. 2001, S. 81; BSTIELER/KLEINSCHMIDT 1992, S. 139), was in
einem direkten Widerspruch zu der z.T. angefiihrten ,Gefahr des Inkrementalismus' steht. Dariiber hinaus stellen quantitative Studien einen positiven Einfluss einer intensiven Kundenintegration auf den Erfolg hochgradiger Innovationen fest. So berichten BSTIELER/KLEINSCHMIDT (1992, S. 144), dass Kundenpartnerschafts-Projekte einen verbesserten Zugang zu neuen Markten und einen hoheren technischen Erfolg erzielen als hochgradige Projekte ohne Kundenpartnerschaft. Gleichzeitig zeigt sich jedoch in der Tendenz ein geringerer finanzieller Erfolg. Die Autoren vermuten, dass eine Zusammenarbeit mit Kunden zu Innovationen fuhrt, die dem Markt voraus sind/einen neuen Markt kreieren, zunachst jedoch verbunden mit fmanziellen Einbufien. Diese Einbufien basieren auf einem erhohten Zeit- und Kostenaufwand, der jedoch im Verlaufe der Zeit amortisiert wird. SCHLAAK (1999, S. 281 f) zeigt, dass durch eine intensive Kooperation mit Kunden ein tendenziell negativer Einfluss des Innovationsgrades auf den Markterfolg ausgeglichen werden kann. Insgesamt betrachtet lasst sich fur eine intensive Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess ein positiver Erfolgseinfluss ableiten. 2. Moderierender Einfluss des Innovationsgrades In der qualitativen Studie von MEYERS/ATHAIDE (1991, S. 163 f.) zeigt sich, dass von sechs untersuchten Projekten die beiden radikalsten die vergleichsweise intensivste Kundeneinbindung aufweisen. Die Vermutung, dass die Relevanz einer intensiven Kundenintegration mit zunehmendem Innovationsgrad steigt, wird durch quantitative Studien gestutzt. Zum einen weisen quantitative Studien darauf hin, dass Prototypentests mit Kunden eine signifikant hohere Bedeutung far radikale im Vergleich zu inkrementalen Projekten haben (TIDD/BODLEY 2002, S. 133 f; ROCHFORD/RUDELIUS 1997, S. 75). Zum
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anderen zeigt sich, dass die Relevanz einer engen Zusammenarbeit mit Kunden mit steigendem Innovationsgrad zunimmt. TIDD/BODLEY (2002, S. 133 f.) berichten einen signifikant hoheren Nutzen einer engen Zusammenarbeit mit Kunden (partnering) fiir radikale im Vergleich zu inkrementalen Projekten. SOUDER etal. (1998, S. 528 f.) kommen zu dem Ergebnis, dass Projekte, die mit einer hohen Marktunsicherheit (als eine Dimension des Innovationsgrades) verbunden sind, besonders stark von einer intensiven F&E-Kunden-Integration profitieren. GALES/MANSOUR-COLE (1995, S. 98) stellen fest, dass mit zunehmender Unsicherheit eine verstarkte Kundeneinbindung (Haufigkeit an Interaktionen mit ausgewahlten Kunden) n6tig ist, um einen negativen Einfluss der Unsicherheit auf den kommerziellen Erfolg auszugleichen. Eine empirische Studie verweist auf eine kurvlineare Beziehung zwischen der Erfolgsbedeutung der Kundenintegration und dem Innovationsgrad. CALLAHAN/LASRY (2004, S. 110) gehen davon aus, dass die Wichtigkeit des Kundeninputs im Innovationsprozess mit zunehmendem Innovationsgrad steigt, jedoch ab einem bestimmten Punkt wieder abnimmt (inverse U-Funktion). Die Autoren vermuten, dass Kunden bei sehr hochgradigen, radikalen Projekten keine wertvollen Informationen mehr beisteuem konnen (vgl. auch SALOMO/CRATZIUS 2005, S. 91 f.). Es gelingt den Autoren, ihre Hypothese empirisch zu bestatigen. Differenziert betrachtet zeigt sich, dass ein kurvlinearer Effekt auf die Dimension des Marktinnovationsgrades zuruckzufiihren ist: Wahrend mit zunehmendem Technologieinnovationsgrad die Wichtigkeit des Kundeninputs linear ansteigt, nimmt sie mit zunehmendem Marktinnovationsgrad nur bis zu einem bestimmten Punkt zu und sinkt dann wieder ab (CALLAHAN/LASRY 2004, S. 116). Dabei muss jedoch beachtet werden, dass der Untersuchung keine Erfolgsmessung zugmnde liegt. Die Messung der Wichtigkeit des Kundeninputs basiert auf der direkten Einschatzung der befragten (F&E-) Projektmanager und kann damit auch das Ergebnis einer rationalen Entscheidung darstellen. Zusammenfassend: Vorliegende Befunde zur Kundenintegration bei hochgradigen Innovationen ergeben insgesamt betrachtet ein kongruentes Bild. Es zeigt sich, dass spezifische Gestaltungsoptionen der Kundenintegration die Erfolgswirkung beeinflussen. Dazu gehoren insbesondere die Fruhzeitigkeit/Kontinuitdt der Integration sowie die Intensitdt der Interaktion mit den Kunden. Es wird deutlich, dass eine intensive Kundenintegration einen positiven Einfluss auf den Innovationsgrad und den Erfolg hat. Daruber hinaus lasst sich ein positiver Moderatoreffekt des Innovationsgrades ableiten: Es kann davon ausgegangen werden, dass die Erfolgsbedeutung einer intensiven Kundenintegration mit zunehmendem Innovationsgrad steigt.
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8.2.2.2.3 Befunde zur Marktvorbereitung (Responsiveness) 1. Einfluss der Marktvorbereitung aufden Erfolg hochgradiger Innovationen Nur wenige Studien haben sich bis dato mit der Erfolgswirkung der Vermarktung bzw. Marktvorbereitung bei hochgradigen Innovationen beschaftigt. Im Bereich qualitativer Befunde konnen drei Studien einen positiven Erfolgseinfluss einer Marktvorbereitung stutzen. Sowohl die Ergebnisse von BENTLEY (1990, S. 25), als auch von MEYERS/ ATHAIDE (1991, S. 167) zeigen, dass die untersuchten, erfolgreichen hochgradigen Innovationsprojekte sich durch einen Wissenstransfer an potenzielle Kunden auszeichneten. Insbesondere die Vermittlung von Informationen iiber die Innovation und ihre Potenziale zur Erfiillung von Kundenbediirfnissen sowie das Angebot von Implementierungshilfen standen dabei im Vordergrund (BENTLEY 1990, S. 25). SANDBERG (2005, S. 247) kann in flinf Fallstudien erfolgreicher radikaler Innovationsprojekte in Finnland einen hohen Grad an Proaktivitat in der Markteinfahrungsphase feststellen. Proaktivitat auBert sich in der Kreierung eines Marktes durch die Schaffung eines Bewusstseins fur die Innovation und die Vermittlung von Wissen an potenzielle Kunden (vgl. auch Abschnitt 5.3.3.2). Zwei empirische Studien konnen diese Befunde quantitativ bestatigen. ATHAIDE et al. (1996) untersuchen 242 erfolgreiche hochgradige Innovationsprojekte im Hinblick auf ihre Vermarktungsstrategien. Sie konnen verschiedene Erfolgsfaktoren feststellen, darunter die Verdeutlichung des relativen Vorteils der Innovation, die Durchfuhrung von ProduktschulungenZ-trainings und den Einsatz von Produktdemonstrationen/Testaktivitdten. Es zeigt sich, dass die erfolgreiche Vermarktung von hochgradigen Innovationen deutlich iiber gangige Verkaufsaktivitaten hinausgeht (ATHAIDE etal. 1996, S. 413 ff). AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU (2000) analysieren Unterschiede zwischen erfolgreichen und nicht-erfolgreichen Projekten in Bezug auf die Markteinfuhrungskommunikation. Bei den erfolgreichen hochgradigen Projekten zeigt sich, dass eine besonders umfangreiche und aggressive Kommunikationsstrategie eingesetzt wurde. Es bestatigt sich ein Fokus auf die Schaffung eines Bewusstseins fur die Innovation (z.B. durch PR-Artikel) und die Vermittlung von Wissen (z.B. durch Informationsmaterial; AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU 2000, S. 33 ff).
Aus den vorgestellten Befiinden kann ein positiver Einfluss der Marktvorbereitung auf den Erfolg hochgradiger Innovationen abgeleitet werden. 2. Moderierender Einfluss des Innovationsgrades Es stellt sich die Frage, inwieweit der Innovationsgrad einen moderierenden Einfluss auf die Beziehung zwischen Marktvorbereitung und Erfolg ausiibt. Generell zeigt sich in empirischen Studien zur Markteinfuhrung kein moderierender Einfluss des Innovations-
226
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgsableitung
grades: Danach ist die Phase der Markteinfiihrung sowohl fiir inkrementale als auch fiir radikale Innovationen in einem vergleichbaren AusmaB erfolgsrelevant (TALKE 2005, S. 253; AVLONITIS/PAPASTATHOPOULOU 2001, S. 727; DE BRENTANI 2001, S. 177; SONG/
MONTOYA-WEISS 1998, S. 130). Betrachtet man jedoch differenzierte Befunde, so lasst sich ein positiver Moderatoreffekt des Innovationsgrades ableiten. Die Ergebnisse von ATUAHENE-GIMA (1995, S. 285) weisen darauf hin, dass die Professionalitat der Markteinfuhrungsaktivitaten nur bei einem hohen Innovationsgrad den Markterfolg einer Innovation positiv beeinflusst. LEE/ O'CONNOR (2003, S. 15 f.) berichten fiir Produktvorankiindigungen, die auf das Produkt aufmerksam machen wollen bzw. auf einen Wissenstransfer in den Markt abzielen, einen starkeren Einfluss auf den Neuprodukterfolg hochgradiger als inkrementaler Innovationen. Es lasst sich ableiten, dass eine Marktvorbereitung, die auf die Schaffung eines Bedtirfnisses und die Vermittlung von Wissen abzielt, eine mit steigendem Innovationsgrad zunehmende Erfolgsrelevanz hat (positiver Moderatoreffekt). Zusammenfassend: Im Bereich der dritten Saule der Kundenorientierung, Responsiveness, lasst sich aus vorliegenden Befunden ein positiver Erfolgseinfluss einer intensiven Marktvorbereitung bei hochgradigen Innovationen ableiten. Daruber hinaus weisen einige Befunde auf einen positiven Moderatoreffekt des Innovationsgrades hin. Das heiBt, es kann davon ausgegangen werden, dass der Erfolgseinfluss der Marktvorbereitung mit zunehmendem Innovationsgrad steigt. 8.3 Zusammenfassung und Hypothesenableitung Das achte Kapitel hat das Ziel einer Erfolgsableitung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen basierend auf der konzeptionellen und empirischen Literatur. Dazu wurde zunachst ein Uberblick zu relevanten Befunden aus der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung gegeben. AnschlieBend wurden Befunde im Kontext hochgradiger Innovationen fokussiert. Der Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen wird insbesondere in konzeptionellen Beitrdgen kontrovers diskutiert (VERYZER 2005, S. 24), so dass zunachst entsprechende Beitrage systematisch ausgewertet wurden. Es konnte gezeigt werden, dass die haufig angefiihrte ,Gefahr des Inkrementalismus' auf drei Probleme der Informationsermittlung zuriickgefuhrt werden konnen. Darauf aufbauend konnten fiinf Kategorien an konzeptionellen Empfehlungen zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen identifiziert werden. In diesem Zusammenhang wurden anschlieBend haufig in der Literatur angefiihrte, innovative Methoden der Kundenorientierung vorgestellt. Nach der Betrachtung konzeptioneller Beitrage wurden empirische Befunde zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen systematisch dargestellt und diskutiert. Zunachst wurden vorliegende Befunde zur Kundenorientierung auf der Untemehmensebene fokussiert, wobei zwischen Studien zum
IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgableitung
227
Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad und zum Einfluss auf den Erfolg unterschieden wurde. Im Anschluss daran wurden empirische Befunde zur Kundenorientierung auf der Projektebene behandelt. Dazu erfolgte eine systematische Aufbereitung vorhandener Erkenntnisse entlang der drei Saulen der Kundenorientierung. Insgesamt betrachtet lassen sich folgende Kernergebnisse zusammenfassen: (1) Gefahr des Inkrementalismus kann durch vorliegende empirische Studien nicht bestdtigt werden: Relativ haufig wird in der Literatur im Kontext der Kundenorientierung auf die ,Gefahr des Inkrementalismus' hingewiesen. Die haufig in diesem Zusammenhang herangezogenen, qualitativen Befunde der Forschergruppe um CHRISTENSEN (2003) mtissen kritisch hinterfragt werden. Neben einer unzureichenden Differenzierung zwischen hochgradigen und disruptiven Innovationen hat sich gezeigt, dass der Ansatz durch eine Konzentration auf gegenwartige Kunden und deren artikulierte Bedtirfnisse ein zu enges Verstandnis der Kundenorientierung reflektiert. Aus dem Ansatz ein pauschales Argument gegen Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen abzuleiten, erweist sich damit als nicht angebracht. Unterstiitzt wird diese Erkenntnis durch die Mehrzahl quantitativer Befunde auf der Untemehmensebene, die keinen negativen Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad feststellen konnen. (2) Es IdsSt sich ein positiver Einfluss einer intensiven Kundenorientierung auf den Erfolg hochgradiger Innovationen vermuten: Auf der Untemehmensebene haben sich nur sehr wenige Studien mit dem Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen beschafligt, die Befunde weisen jedoch auf einen positiven Einfluss hin. Prazisiert wird dieses Ergebnis durch empirische Studien auf der Projektebene. Hier wurde deutlich, dass von einer intensiven Kundenorientierung ein positiver Einfluss auf den Erfolg hochgradiger Innovationen zu vermuten ist. Danach kann davon ausgegangen werden, dass eine intensive Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation), eine intensive Kundenintegration (Intelligence Dissemination) und eine intensive Marktvorbereitung (Responsiveness) jeweils positiv auf den Erfolg hochgradiger Innovationsprojekte wirken. (3) Es Idsst sich vermuten, dass mit zunehmendem Innovationsgrad der Erfolgseinfluss einer intensiven Kundenorientierung steigt (positiver Moderatoreffekt): Bezogen auf den moderierenden Einfluss des Innovationsgrades konnte aus den wenigen vorhandenen Studien auf der Untemehmensebene kein eindeutiges Ergebnis abgeleitet werden. Wahrend zwei Studien entgegen ihrer Hypothese einen negativen Moderatoreffekt feststellen, weist eine neuere Studie auf einen positiven Moderatoreffekt hin. Betrachtet man jedoch vorliegende Befunde auf der Projektebene, so lasst sich fur eine intensive Kundenorientiemng eindeutig ein positiver Moderatoreffekt ableiten. Das heiBt, es kann davon ausgegangen werden.
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IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgsableitung
dass mit zunehmendem Innovationsgrad die Erfolgsrelevanz einer intensiven Innovationsmarktforschung, Kundenintegration und Marktvorbereitung steigt. Im Hinblick auf die dargestellten konzeptionellen Empfehlungen in der Literatur lassen sich folgende Riickschlusse ableiten: • Keine Kundenorientierung (in friihen Phasen): Der z.T. fiir hochgradige Innovationsprojekte geforderte Verzicht auf eine Kundenorientierung insgesamt bzw. in friihen Phasen lasst sich empirisch nicht stiitzen. • Besonders intensive Kundenorientierung: Die Empfehlung, dass hochgradige Innovationen eine besonders intensive Kundenorientierung verlangen, kann durch empirische Studien gestutzt werden. Es kann vermutet werden, dass eine intensive Innovationsmarktforschung und Kundenintegration die spezifischen Probleme der Informationsermittlung bei hochgradigen Innovationen iiberwinden. • Einbindung von (Quasi-) Experten: Empirische Studien berichten i.d.R. keine Fokussierung auf Experten in der Innovationsmarktforschung, verweisen jedoch auf die Einbindung ausgewahlter Kunden im Rahmen der Kundenintegration. • Differenzierung zwischen Bediirfnissen und Losungen: Diese Empfehlung lasst sich insofem stiitzen, als das festgestellt wurde, dass durch Marktforschung haufig Informationen ohne direkten Produktbezug (insb. Bedurfnisse, Ziele, Akzeptanzbarrieren) und durch die Integration ausgewahlter Kunden Informationen mit Produktbezug (z.B. direkte Beurteilung von Losungen) generiert werden. • Einsatz innovativer Methoden: Zum Teil konnte der Einsatz innovativer Methoden der Kundenorientierung (wie z.B. empathische Methoden und Probe & Learn) in den untersuchten hochgradigen Innovationsprojekten empirisch festgestellt werden. Insgesamt betrachtet konnen mit Hilfe der dargestellten konzeptionellen und empirischen Ergebnisse die theoretischen Basistheorien dieser Arbeit (vgl. Kapitel 7) folgendermaBen prazisiert werden: Basishypothese 1: Die Intensitdt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen hat einen positiven Einfluss auf den Erfolg, Basishypothese 2: Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitdt der Kundenorientierung (positiver Moderatoreffekt). Eine integrierte empirische Uberprilfung dieser Hypothesen unter Beachtung der mehrdimensionalen Struktur des Innovationsgrades steht bis dato noch aus. Zum einen ist bis heute noch keine ganzheitliche Messung des Erfolgseinflusses der Kundenorientierung auf der Projekt-
IV Theoretische & literaturgestiitzte Erfolgableitung
229
ebene durchgeftihrt worden. Viele der dargestellten Befunde stammen aus qualitativen Studien bzw. beschaftigen sich nur mit Teilaspekten der Kundenorientierung (vgl. auch VERYZER 2005, S. 25). Zum anderen mangelt es an einer Benicksichtigung der mehrdimensionalen Struktur des Innovationsgrades (ZHOU et al. 2005, S. 55; LANGERAK et al. 2004b, S. 305 f.). Es dominiert die Verwendung nominaler Klassifikationen (z.B. SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 362) bzw. eindimensionaler Messansatze mit wenigen Indikatoren (z.B. bei SLATER/ NARVER 1996, S.
165).
Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Forschungsbedarf. Im folgenden Teil erfolgt eine integrierte, empirische Uberpriifung des Erfolgseinflusses der Intensitat der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Zur Uberpriifung des moderierenden Einflusses wird die mehrdimensionale Struktur des Innovationsgrades benicksichtigt.
V Empirische Erfolgsiiberprufling
231
V Empirische Uberpriifung des Erfolgseinflusses der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 9 Konzeption der empirischen Erfolgsbetrachtung 9.1 Hypothesen im Untersuchungsmodell und erganzende Fragestellungen Im vorangegangenen Teil dieser Arbeit wurden zwei Basishypothesen theoretisch und konzeptionell/empirisch abgeleitet. Diese Hypothesen werden im vorliegenden Kapitel mit Hilfe von Daten aus dem Forschungsprojekt Innovationskompass (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 6.1.1) empirisch iiberpriift. Die folgende Abbildung fasst die Hypothesen im Untersuchungsmodell zusammen.
Innovationsgrad Intensitat der Intelligence Generation
Hia
Intensitat der Intelligence Dissemination Intensitat der Responsiveness
H^ Hic
H8H
Hypothese 1: Die Intensitat der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen hat einen positiven Einfluss auf den Erfoig. H^a: Die Intensitat der Intelligence Generation hat einen positiven Einfluss auf den Erfoig. Hii,: Die Intensitat der Intelligence Dissemination hat einen positiven Einfluss auf den Erfoig. H^j,: Die Intensitat der Responsiveness hat einen positiven Einfluss auf den Erfoig. Hypothese 2: Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitat der Kundenorientierung (positiver Moderatoreffekt). Hja: Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitat der Intelligence Generation. Hjb: Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitat der Intelligence Dissemination. Hst-: Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitat der Responsiveness. Abb. 36: Hypothesen im Untersuchungsmodell Quelle: Eigene Darstellung
Empirische Studien zur Kundenorientierung auf der Untemehmensebene haben in der Vergangenheit gezeigt, dass von den Teilkomponenten des Konstruktes (Intelligence Generation, Dissemination und Responsiveness) ein unterschiedlich starker Erfolgseinfluss ausgehen kann (HULT etal. 2005, S. 1178; HOMBURG etal. 2004, S. 1337; MARTIN/GRBAC 2003, S. 34; MOORMAN/RUST 1999, S. 190). Im Folgenden wird daher der Forderung nachgekommen, Kundenorientierung nicht als aggregiertes Konstrukt zu messen, sondem den Erfolgseinfluss der drei Saulen der Kundenorientierung getrennt voneinander zu betrachten (VAZQUEZ et al. 2001, S. 85). Unterschieden wird jeweils zwischen einem direkten Erfolgseinfluss (Hypo-
232
V Empirische Erfolgsuberprufung
these 1) und einem durch den Innovationsgrad moderierten Erfolgseinfluss (Hypothese 2) der Intensitat der Kundenorientierung. Neben den explizit im Untersuchungsmodell formulierten Hypothesen sollen zwei zusdtzliche Fragestellungen untersucht werden, die einen erganzenden Erkenntnisgewinn vermuten lassen. Die erste Fragestellung bezieht sich auf die ,Gefahr des Inkrementalismus'. Der Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad kann als ein Erfolgsaspekt im weiteren Sinne verstanden werden. So ist der Erfolg eines Innovationsprojektes als gering einzustufen, wenn die Einfiihrung einer hochgradigen Innovation geplant ist, jedoch letztlich eine inkrementale Innovation resultiert. Als eine erganzende Fragestellung soil daher untersucht werden, inwieweit Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten einen Einfluss auf den Innovationsgrad hat. Eine weitere erganzende Fragestellung betrifft die zweite Saule der Kundenorientierung, Intelligence Dissemination. Wie im Rahmen der Konzeptualisierung ausfiihrlich dargestellt wurde (vgl. Abschnitt 5.3.2.3), nehmen ausgewahlte Kunden die RoUe aktiver Mitgestalter des Innovationsprozesses ein. Eine Gestaltungsoption der Kundenintegration betrifft daher die Auswahl zu integrierender Kunden anhand spezifischer Merkmale. Es soil daher der Frage nachgegangen werden, inwieweit spezifische Eigenschaften der Kunden (wie z.B. technische Kompetenz, Vertrauenswtirdigkeit) einen Einfluss auf den Erfolg hochgradiger Innovationen haben. Im Folgenden wird die Operationalisierung der zentralen Konstrukte des Untersuchungsmodells dargestellt. 9.2 Operationalisierung der zentralen Konstrukte 9.2.1 Operationalisierung der Kundenorientierung Sowohl die Erfolgsfaktorenforschung (HAENECKE 2002, S. 178; vgl. Abschnitt 3.1.2.2) als auch die Forschung zur Marktorientierung auf der Untemehmensebene (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; vgl. Abschnitt 4.4) sind in der Vergangenheit aufgrund eines hohen Abstraktionslevels kritisiert worden. Eine prazise und handlungsorientierte Messung des Konstruktes der Kundenorientierung verlangt die Betrachtung konkreter Aktivitaten/Methoden: „If we really want to know whether a firm is (...) customer-oriented, we must dig very deeply into exactly how customer understanding is developed. (...) Future research ought to explore ways to expand market orientation conceptualization and operationalization to include specific methods by which firms act market-oriented." (FLINT 2002, S. 313 f.; H.d.V.)
Die vorliegende Untersuchung widmet sich diesem Forschungsbedarf Es wird der Frage nachgegangen, durch welche konkreten Aktivitaten/Methoden eine intensive Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen umgesetzt werden kann. Bestatigung findet diese
V Empirische Erfolgsiiberprufung
233
Vorgehensweise durch CALLAHAN/LASRY (2004, S. 112), die ebenfalls mit einer Methodenintensitatsskala (method intensity scale) arbeiten. Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen der Arbeit wird eine aktivitdtenbasierte Operationalisierung der Intensitdt der Kundenorientierung entwickelt. Dabei wird auf Verdichtungen von im Rahmen des Innovationskompass direkt gemessenen Variablen zuriickgegriffen. Der explorative Charakter der Untersuchung lasst eine Hypothesenpriifung anhand weniger, jedoch aussagekraftiger Indikatoren zu (HAENECKE 2002, S. 173). 9.2.1.1 Intelligence Generation Im Bereich der Intelligence Generation ist im vorangegangenen Kapitel deutlich geworden, dass sich nicht alle Methoden der Innovationsmarktforschung in der gleichen Art und Weise fiir die Erhebung kundenbezogener Informationen eignen (vgl. insb. Abschnitt 8.2.2.2.1). Eine intensive Innovationsgeneriemng verlangt im Kontext hochgradiger Innovationen den Einsatz spezifischer Methoden. Als Grundlage der Operationalisierung der Intensitat der Innovationsmarktforschung dient daher im Folgenden die spezifische Eignung von Methoden fur hochgradige Innovationsprojekte. Die Einstufung der Eignung basiert auf Erkenntnissen, die im Rahmen der konzeptionellen und empirischen Befunde zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen generiert werden konnten (vgl. Abschnitt 8.2). In der folgenden Abbildung ist die Intensitdtsskala der Innovationsmarktforschung schematisch dargestellt.
Intensitat der Methoden der Innovationsmarktforschung iM^^^^f^ Keine SekundarInnovations- marktstudie/ marktforschung Interne Gesprache i k
'^^f^'^]^, :
Expertengesprache/ -befragung
iV
i
L
Quantitative Kundenbefragung i
L
Tiefeninterview/ Fokusgruppe/ Innovative Methoden
t Informal
',;-;
^^SS^^018^^^^^I)^^
Quantitativ Sekundar & Intern
^^^^^^^^^^^^^^l^^^^^y
i^i^^--:/ ,;;._,';-'_
Intensive Kundengesprache
Nein
(Quasi-) Experten
Ja
Abb. 37: Intensitdtsskala der Innovationsmarktforschung Quelle: Eigene Darstellung
Qualitativ
Representative Zielkunden
t Formal
234
V Empirische Erfolgsuberpriifung
Die Intensitat der Innovationsmarktforschung wird in der vorliegenden Arbeit mit Hilfe von vier Klassifikationsmerkmalen eingestuft: Existenz, Informationsquelle, Standardisierungsgrad und Formalisierungsgrad. Im Bereich des ersten Klassifikationsmerkmals, Existenz, stellt sich zunachst die Frage, ob in hochgradigen Projekten uberhaupt Innovationsmarktforschung durchgefiihrt wird. Der in konzeptionellen Beitragen z.T. geforderte Verzicht auf eine friihzeitige Generierung von kundenbezogenen Informationen (z.B. BENNETT/COOPER 1981, S. 52; vgl. Abschnitt 8.2.1.2) konnte in empirischen Studien nicht bestatigt werden (vgl. Abschnitt 8.2.2). Nur durch eine friihzeitige Uberpriifting der Marktadaquatheit eines hochgradigen Innovationskonzeptes kann verhindert werden, dass die Innovation am Markt vorbei entwickelt wird (TROTT 2001, S. 119; WEIBER et al. 1999, S. 105). Entsprechend wird dem Verzicht auf Innovationsmarktforschung der vergleichsweise geringste Grad an Intensitat zugeordnet (vgl. Abb. 37). Das zweite Klassifikationsmerkmal bezieht sich auf die Informationsquelle der Innovationsmarktforschung. Sekunddrquellen und internen Quellen wird der zweitniedrigste Grad an Intensitat zugeschrieben. Aufgrund der Abweichung hochgradiger Innovationsprojekte vom Status Quo ist der Nutzen von bestehenden Daten bzw. intern bereits vorhandenem Marktwissen sehr begrenzt (ADAMS etal. 1998, S. 410f; LENDER 1991, S. 145). Eine weitere Quelle der Innovationsmarktforschung sind (Quasi-) Experten. Wie ausfuhrlich dargestellt wurde, empfehlen einige Autoren eine Konzentration auf (Quasi-) Experten, die uber eine relativ detaillierte kognitive Struktur in vergleichbaren Produktkategorien verfiigen (z.B. TROTT 2001, S. 122; vgl. 8.2.1.2). Diese Empfehlung konnte im Bereich der Innovationsmarktforschung empirisch nicht bestatigt werden, deutlich wurde jedoch eine Differenzierung zwischen Bedtirfnissen und Losungen. Danach wird in erfolgreichen Projekten fur Informationen ohne Produktbezug (z.B. allgemeine Bediirfnisse) tendenziell auf representative Zielkunden zuriickgegriffen, wahrend Informationen mit Produktbezug (z.B. direkte Beurteilung von Losungen) haufig durch die Integration ausgewahlter Kunden generiert werden (VERYZER 1998a, S. 318; vgl. 8.2.2.2.1). Damit lasst sich fur die Innovationsmarktforschung reprdsentativen Zielkunden ein hoherer Nutzen zuordnen als (Quasi-) Experten (vgl. Abb. 37). Ein weiteres Klassifikationsmerkmal stellt der Standardisierungsgrad der Innovationsmarktforschung dar. Im Bereich konzeptioneller Empfehlungen wurde gezeigt, dass viele Autoren den Einsatz innovativer, im Schwerpunkt qualitativer Methoden fordem (z.B. LEONARD 2002, S. 93; vgl. Tab 11, Abschnitt 8.2.1.3). Diese Empfehlung konnte durch empirische Befunde gesttitzt werden: In erfolgreichen hochgradigen Innovationsprojekten werden verstarkt qualitative Methoden mit einem geringen Standardisierungsgrad eingesetzt (z.B. ADAMS et al. 1998, S. 418; vgl. 8.2.2.2.1). Durch i.d.R. auf einer personlichen Interaktion basierende, qualitative Methoden konnen latente und zukiinftige Kundenbediirfnisse erfasst werden (LAB 2002, S. 1287) und eventuelle Verstandnisprobleme durch Riickfragen geklart werden (DAFT/
V Empirische Erfolgstiberprufung
235
LENGEL 1986, S. 563 f.). Es lasst sich ableiten, dass qualitative Methoden bei hochgradigen Innovationen eine hohere Intensitat der Informationsgenerierung ermoglichen, als quantitative Methoden (vgl. Abb. 37). Das letzte Klassifikationskriterium betrifft den Formalisierungsgrad der eingesetzten Methode. Empirische Studien haben gezeigt, dass im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte relativ haufig auf informale Marktforschungsmethoden (z.B. intensive Kundengesprache) zuriickgegriffen wird (z.B. ABETTI2000, S. 213; vgl. 8.2.2.2.1). Ein systematisches Marktverstandnis kann jedoch vergleichsweise besser durch den Einsatz geplanter,yorma/er Methoden generiert werden (FLINT 2002, S. 306; KARKKAINEN etal. 2001, S. 403; DAY 1994a, S. 43). Formalen Methoden wie z.B. Tiefeninterviews und Fokusgruppen bzw. formalen, innovativen Methoden (z.B. Empathisches Design) wird daher ein hoherer Skalenwert zugeschrieben, als vergleichsweise informalen Methoden wie z.B. intensiven Kundengesprachen (vgl. Abb. 37). Die Operationalisierung der Intelligence Generation basiert auf der soeben dargestellten Skala. Die Befragten sind im Rahmen der Datenerhebung des Innovationskompass gebeten worden, die aus ihrer Sicht ftir das Projekt zwei wichtigsten Marktforschungsaktivitaten zu benennen und zu beschreiben (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 6.1.3.2). Da Respondenten aus der Praxis haufig kein einheitliches Methodenverstandnis aufweisen (vgl. auch CALLAHAN/LASRY 2004, S. 12), erfolgte die Einstufiing der Intensitat der in den Projekten eingesetzten Methoden durch das Innovationskompass-Team. Die jeweils zwei beschriebenen, wichtigsten Aktivitaten der Innovationsmarktforschung wurden auf der Basis der Intensitatsskala klassifiziert. Pro Projekt wurde der Skalenwert der Intelligence Generation durch die Aktivitat mit der hoheren Intensitatsauspragung defmiert. 9.2.1.2 Intelligence Dissemination Empirische Befiinde haben im Bereich der zweiten Saule der Kundenorientierung, Intelligence Dissemination, die Erfolgsrelevanz einer intensiven Kundenintegration verdeutlicht (vgl. 8.2.2.2.2). Als Grundlage der Operationalisierung der Intelligence Dissemination dient daher die Intensitat der Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess. Die im Folgenden abgeleitete Intensitatsskala der Kundenintegration (vgl. Abb. 38) basiert auf den bisher dargestellten, konzeptionellen und empirischen Erkenntnissen.
V Empirische Erfolgsiiberprufling
236
Intensitat der Rolie/Funktion integrierter Kunden
Keine bzw. nur geringfijgige Integration
0
Vermarkter (Pilot-/ Referenzkunde)
Initiator (Bedurfnis-/ Problemformulierer, Erfinder)
i
iL
i L
i
Berater (Anspruchsformulierer, Problemloser, Konzeptbewerter)
t Hoch
Punktuell:
iS^^^t^C^^ii^ fiNiSlfN^
1 Spat Nein
Punktuell:
11 Fruh
1
Partner (Produktentwickler, Konstrukteur Prototypentester)
t Sehr hoch
Kontinuierlich
Ja
Abb. 38: Intensitatsskala der Kundenintegration Quelle: Eigene Darstellung
Als Basis der Einstufiing der Intensitat der Kundenintegration dienen die drei Klassifikationsmerkmale Existenz, Zeitpunkt/Kontinuitat und Interaktionsintensitat. In Abgrenzung zur Innovationsmarktforschung stehen im Bereich der Kundenintegration keine Methoden, sondem die Kunden und die durch sie eingenommenen Rollen bzw. Funktionen im Innovationsprozess im Mittelpunkt der Betrachtung. Grundsatzlich konnen vier aktive Rollen der Mitgestaltung von Kunden unterschieden werden: Initiator, Berater, Partner und Vermarkter (HERSTATT 1991, S. 47 f.; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 5.3.2.3). Diese RoUen/Funktionen konnen hinsichtlich ihrer Intensitat unterschieden werden (BROCKHOFF 1997, S. 359 f.). Zunachst stellt sich die Frage, ob in einem Innovationsprojekt iiberhaupt eine Integration ausgewahlter Kunden erfolgt {Existenz). Kundenintegration kann als ein Kontinuum von einem rein herstellerdominierten Innovationsprozess (keine Kundenintegration) bis hin zu einer gemeinschaftlichen Entwicklung zwischen Hersteller und Kunde (als intensivste Form der Kundenintegration) interpretiert werden (FLIESS/BECKER 2006, S. 32; ATHAIDE/STUMP 1999, S. 470). In empirischen Studien konnte gezeigt werden, dass sich erfolgreiche, hochgradige Innovationsprojekte durch einen hohen Intensitatsgrad der Kundenintegration auszeichnen (vgl. Abschnitt 8.2.2.2.2). Dem Verzicht auf eine Integration ausgewahlter Kunden bzw. einem sehr geringen AusmaB der Kundenintegration wird daher der niedrigste Intensitatsgrad zugewiesen (vgl. Abb. 38). Das zweite Klassifikationsmerkmal betrifft den Zeitpunkt und die Kontinuitdt der Kundenintegration. Empirische Studien haben gezeigt, dass in erfolgreichen hochgradigen Innovationsprojekten Kunden sowohl friihzeitig (z.B. MULLINS/SUTHERLAND 1998, S. 232) als auch kontinuierlich (z.B. TABRIZI/WALLEIGH 1997, S. 123) eingebunden werden (vgl. 8.2.2.2.2). Darauf aufbauend konnen die Rollen der Kunden in eine Rangfolge gebracht werden. Sowohl
V Empirische Erfolgsuberpriifung
237
der Berater in seiner Funktion als Anspruchsformulierer, Problemloser und Konzeptbewerter als auch der Partner als Produktentwickler, Konstrukteur und Prototypentester nehmen vergleichsweise kontinuierlich Aufgaben entlang des Innovationsprozesses wahr. Der Vermarkter und der Initiator werden hingegen nur punktuell eingebunden: Der Vermarkter dient als Pilot-/Referenzkunde in der Markteinfiihrungsphase und der Initiator formuliert seine Bediirfnisse zu Beginn des Innovationsprozesses (HERSTATT 1991, S. 47 f.). Da eine aktive Beeinflussung der Innovationseigenschaften eine moglichst fruhzeitige Integration verlangt, wird dem Initiator im Vergleich zum Vermarkter ein hoherer Intensitatsgrad zugewiesen (vgl. Abb. 38). Die beiden starker kontinuierlich ausgeiibten Rollen, Berater und Partner, unterscheiden sich im Hinblick auf das dritte Klassifikationsmerkmal, die Interaktionsintensitdt. In empirischen Studien ist deutlich geworden, dass sich erfolgreiche hochgradige Innovationsprojekte durch eine besonders hohe Interaktionsintensitat zwischen dem Hersteller und den integrierten Kunden auszeichnen (z.B. SANDBERG 2005, S. 246 f.; vgl. Abschnitt 8.2.2.2.2). Ein wesentlicher Grund ist darin zu vermuten, dass die Ubertragung von ,sticky information' (VON HiPPEL 1994), also implizitem Wissen iiber latente Bediirfnisse, eine intensive, personliche Interaktion verlangt (CAVUSGIL etal. 2003, S. 13 f.; NONAKA/KONNO 1998, S. 46). Das hochste MaB an Interaktionsintensitat liegt also bei einer gemeinsamen Produktentwicklung vor (FLIESS/BECKER 2006, S. 32; BONNER/WALKER 2004, S. 157f.; ATHAIDE/STUMP 1999,
S. 477 f.). Da Partner wesentliche Entwicklungsaufgaben gemeinschaftlich mit dem Hersteller ausftihren, weisen sie im Vergleich zu Beratem eine hohere Interaktionsintensitat auf. Entsprechend wird der Rolle des Partners der hochste Grad der Intensitdt der Kundenintegration zugewiesen (vgl. Abb. 38). Das steht auch im Einklang mit empirischen Befunden, die auf die iiberdurchschnittlich hohe Bedeutung intensiver, gemeinsamer Prototypentests (z.B. O'CONNOR 1998, S. 160) bzw. einer besonders engen Partnerschaft mit Kunden (z.B. VERYZER 1998b, S. 142) im Kpntext hochgradiger Innovationsprojekte aufmerksam gemacht haben (vgl. Abschnitt 8.2.2.2.2). Die Operationalisierung der Intelligence Dissemination basiert auf der soeben dargestellten Intensitatsskala der Kundenintegration. Im Rahmen der Innovationskompass-Datenerhebung sind die Befragten gebeten worden, die aus ihrer Sicht zwei wichtigsten integrierten Kunden zu benennen. AnschlieBend sollten die Befragten angeben, zu welchem AusmaB (Skala von 1 bis 7) die Kunden die vier Rollen (Initiator, Berater, Partner und Vermarkter) jeweils ausgeiibt haben (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 6.1.3.2). Um den untersuchten Projekten einen Skalenwert der Intelligence Dissemination zuzuweisen, erfolgte eine Verdichtung der direkt erhobenen Daten. Die Ermittlung des Skalenwertes der Intelligence Dissemination basierte pro Innovationsprojekt auf folgenden vier Schritten:
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(1) Ermittlung der dominierenden Rolle pro integriertem Kunden: Die Rolle, die von den Befragten das hochste AusmaB der Rollenausubung (1 bis 7) zugewiesen bekommen hat, stellte die dominierende Rolle pro integriertem Kunden dar. Haben mehrere Rollen ein gleichhohes Mal3 der Rollenausubung aufgewiesen, so zeichnete sich der Kunde durch mehrere dominierende Rollen aus. Lag das AusmaB der Ausubung aller Rollen unterhalb von 3, so wurde von keiner bzw. nur einer geringftigigen Kundenintegration ausgegangen. (2) Zuweisung des Skalenwertes der Intensitdt der Kundenintegration pro integriertem Kunden: Fiir die dominierende Rolle erfolgte die Zuweisung des entsprechenden Wertes der Intensitatsskala der Kundenintegration (1 bis 5; z.B. dominierende Rolle Vermarkter -^ 2; vgl. Abb. 38). Falls mehr als eine dominierende Rolle vorlag, wurde der relativ betrachtet hochste Wert der Intensitatsskala der Kundenintegration herangezogen (z.B. dominierende Rollen Vermarkter und Berater -> 4). Im Falle keiner bzw. nur einer geringftigigen Kundenintegration wurde der niedrigste Wert der Intensitatsskala der Kundenintegration zugewiesen (-^ 1; vgl. Abb. 38). (3) Beriicksichtigung des Ausmafies der Rollenausubung pro integriertem Kunden: Um die von den Befragten angegebenen, unterschiedlichen AusmaBe der Rollenausubung zu beriicksichtigen, erfolgte eine Multiplikation des im Schritt 2 ermittelten Wertes der Intensitatsskala der Kundenintegration (1 bis 5) mit dem seitens der Befragten angegebenen AusmaB der Rollenausiibung (1 bis 7). Im Falle keiner bzw. nur einer geringfiigigen Kundenintegration wurde keine Multiplikation vorgenommen (hier gait der Wert der Intensitatsskala: 1). (4) Ermittlung des Skalenwertes der Intelligence Dissemination: Der abschlieBend herangezogene Skalenwert der Intelligence Dissemination stellte das Maximum der im 2. Schritt (fiir die beiden integrierten Kunden) ermittelten Werte dar. Das heiBt, der Kunde mit dem hochsten Gesamtwert (Intensitat der Kundenintegration der dominierenden Rolle x AusmaB der Rollenausiibung) stellte die relevante BezugsgroBe pro betrachtetem Innovationsprojekt dar. 9.2.1.3 Responsiveness Bezogen auf die dritte Saule der Kundenorientierung, Responsiveness, ist im vorangegangenen Kapitel deutlich geworden, dass sich erfolgreiche hochgradige Innovationsprojekte durch eine intensive Marktvorbereitung auszeichnen. Empirische Studien haben gezeigt, dass ein Wissenstransfer an potenzielle Kunden eine erfolgsrelevante Komponente der Markteinfuhrung hochgradiger Innovationen darstellt (z.B. ATHAIDE etal. 1996, S. 413 ff.; vgl. ausfuhrlich Abschnitt 8.2.2.2.3). Im Rahmen der Konzeptualisierung der dritten Saule der Kundenorientierung wurden in der vorliegenden Arbeit konkrete MaBnahmen einer Marktvorbereitung bei hochgradigen Inno-
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vationen definiert. Aufbauend auf den Erkenntnissen von SANDBERG (2005; 2002) wurde dabei unterschieden nach MaBnahmen, die auf die Schaffung eines Bewusstseins fur die Innovation abzielen und MaBnahmen, die eine Vermittlung von Wissen an potenzielle Kunden beinhalten (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 5.3.3.2). Im Rahmen der Innovationskompass-Datenerhebung wurden die Befragten gebeten, die Intensitat der Durchfiihrung vorgegebener Aktivitaten der Marktvorbereitung auf einer RatingSkala (1 = trifft uberhaupt nicht zu bis 7 = trifft vollkommen zu) einzustufen (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 6.1.3.2). Um die Vergleichbarkeit der Projekte zu erhohen, wurden bei der Operaionalisierung der Responsiveness nur die MaBnahmen der Marktvorbereitung berucksichtigt, deren Einsatz relativ unabhangig von der Produktart ist. Dazu gehoren folgende acht Indika'oren: Intensive Kommunikation des relativen Vorteils der Innovation Direkte Ansprache von Meinungsfahrem Einsatz eines vergleichsweise hohen Kommunikationsbudgets Bereitstellung geeigneter Informationen zur Komplexitatsreduktion far die Zielkunden Produktdemonstrationen Einsatz von Pilotanlagen/Referenzkunden Einsatz eines vergleichsweise hohen Vertriebsbudgets Intensive, personliche Interaktion mit den Zielkunden Der Mittelwert der von den Befragten angegebenen Intensitaten (1 bis 7) dieser Aktivitaten stellte den Skalenwert der dritten Saule der Kundenorientierung, der Responsiveness, dar. 9.2.2 Operationalisierung des Innovationsgrades Im Grundlagenteil dieser Arbeit (Abschnitt 3.2.1) wurde das Konstrukt des Innovationsgrades ausfuhrlich behandelt. Basierend auf vorliegenden zentralen Synopsen zum Forschungsfeld wurde der Innovationsgrad anhand der vier Dimensionen Markt-, Technologic, Organisationsund Umfeldinnovationsgrad multidimensional konzeptualisiert. Diese Konzeptualisiemng wurde zur Messung des Innovationsgrades herangezogen. Bei der Itemformulierung wurde i.d.R. auf die (z.T. marginal modifizierten) Items von SCHLAAK (1999, S. 144 ff) zuruckgegriffen, der sich neben SALOMO (2003) als einer von wenigen Autoren im deutschsprachigen Raum empirisch mit dem Konstrukt des Innovationsgrades beschaftigt hat (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2.1.2). Zur Einstufung des Innovationsgrades wurde aufgrund seiner projektubergreifenden hierarchischen und funktionalen Kompetenz der Projektleiter ausgewahlt (vgl. zur Respondentenauswahl im Rahmen des Innovationskompass ausfuhrlich Abschnitt 6.1.2.1). In 45 Fallen konnte dariiber hinaus eine Einstufung des Innovationsgrades durch den zweiten Informanten
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erzielt werden. Das ermoglichte die Durchfiihrung eines Konkordanztestes. Zur Variablenbildung wurden die in der Tab. 14 aufgefuhrten Items herangezogen, die eine hohe Interkorrelation in der Beurteilung des Projektleiters und des zweiten Informanten aufwiesen.
Dimensionen
Indikatoren
Marktinnovationsgrad
- Die Innovation adressiert einen vollig neuen Kundennutzen. - Die Innovation verlangt von dem Kunden umfangreiche Einstellungs- und Verhaltensanderungen. - Das Innovationsprojekt verbessert (voraussichtlich) die Marktposition des eigenen Untemehmens grundlegend. - Hohe der Unsicherheit bezuglich des Marktes am Anfang der ersten Phase.
Technologieinnovationsgrad
- Bei dem Vorhaben wird ein vollig neues technologisches Prinzip angewendet. - Die Technologie ermoglicht eine sprunghafte Leistungssteigerung. - Existierende Technologien werden durch die Innovation verdrangt (z.B. DVD vs. Video). - Hohe der Unsicherheit beztiglich der Technologie am Anfang der ersten Phase. - Wertschopfungsstufen werden durch die Innovation iiberfliissig oder andem sich stark (z.B. B2B-Marktplatze vs. klassischer Vertrieb). - Mit der Umsetzung des Vorhabens war eine Neuorientierung der Untemehmensstrategie verbunden. - Die Umsetzung des Vorhabens verlangte eine vollkommen neue Organisationsstruktur. - Die notwendigen Qualifikationen der Mitarbeiter zur Umsetzung der Innovationsidee mussten komplett neu aufgebaut werden.
Organisationsinnovationsgrad
- Zur Umsetzung der Innovation mussten die Untemehmensprozesse grundlegend verandert werden. - Mit den zur Produktion verwendeten Verfahren/Anlagen hatten wir nur sehr wenig Erfahrung. - Das gesamte Vorhaben hat die bisher in dem Untemehmen vorhandene Kultur sehr stark verandert. - Die Umsetzung der Innovation verlangte eine deutlich intensivere Zusammenarbeit mit extemen Partnem. - Der Finanzbedarf fur das Vorhaben iibersteigt weit den sonst bei Entwicklungsvorhaben iiblichen Rahmen. - Fiir die Durchsetzung der Innovation am Markt musste eine neue Infrastruktur (wie z.B. Wasserstoff-Tankstellen fur Wasserstoffbetrieb von Autos) geschaffen werden.
Umfeldinnovationsgrad
- Fur die Durchsetzung der Innovation am Markt mussten regulatorische Rahmenbedingungen (z.B. durch staatliche Stellen oder Berufsverbande) erheblich angepasst/geschaffen werden.
- Die Innovation steht im Kreuzfeuer gesellschaftlicher Kritik. Tab. 14: Operationalisierung des Innovationsgrades Quelle: Eigene Darstellung
Die in der Tabelle aufgefuhrten Indikatoren wurden von dem Informanten anhand einer Rating-Skala (1 = trifft iiberhaupt nicht zu bis 7 = trifft vollkommen zu) eingestuft. Die Angaben zur Unsicherheit bzgl. des Marktes/der Technologie erfolgten mittels einer eigenen Skala (1 = sehr groBe Unsicherheit bis 7 = keine Unsicherheit; revers kodiert). Fiir jede Di-
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mension wurde der Innovationsgrad als arithmetisches Mittel der entsprechenden Items ermittelt. Der (Gesamt-) Innovationsgrad stellt ein gleichgewichtetes Mittel aller Items dar. 9.2.3 Operationalisierung des Erfolges Im Rahmen der theoretisch-konzeptionellen Grundlagen dieser Arbeit wurde der Stand der Forschung zur Messung des Innovationserfolges aufgearbeitet (vgl. Abschnitt 3.1.2.1). Es konnte gezeigt werden, dass Messansatze nach (1) ihrer Betrachtungsebene (Untemehmensvs. Projektebene), (2) den verwendeten Erfolgsdimensionen (ergebnis- vs. prozessbezogen) und (3) der zugrunde liegenden Datenerhebungsmethode (objektive vs. subjektive Erfolgsmessung) unterschieden werden konnen. Da der Untemehmenserfolg neben der Innovationstatigkeit durch eine Vielzahl weiterer Faktoren determiniert wird und einen vergangenheitsorientierten Messansatz darstellt, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Messung des Projekterfolges. Eine differenzierte Beurteilung des Innovationserfolges verlangt dabei die Verwendung eines breiten Spektrums an Kriterien (GRIFFIN/PAGE 1996, S. 479; HAUSCHILDT 1991, S. 473). Deshalb werden je nach Fragestellung sowohl ergebnis- als auch prozessbezogene Kriterien zur Erfolgsmessung eingesetzt. Entsprechend der dominierenden Vorgehensweise in der wissenschafllichen Forschung werden die Erfolgskriterien auf der Basis des subjektiv wahrgenommenen Zielerreichungsgrades gemessen. Damit ergeben sich folgende Auspragungen der Erfolgsmessung: (1) Betrachtungsebene: Innovationsvorhaben (2) Erfolgsdimensionen: Ergebnis- und prozessbezogene Erfolgskriterien (3) Datenerhebungsmethode: Subjektive Erfolgsmessung mittels Zielerreichungsgrad Die Auswahl heranzuziehender Erfolgskriterien ist inhaltlich zu begriinden. Im Vordergrund steht die Frage, wie sich die Wirkung der zu untersuchenden, potenziellen Erfolgsfaktoren bestmoglich abbilden lasst (HAENECKE 2002, S. 169 f). Kundenorientierung im Innovationsprojekt zielt letztlich auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Position eines Untemehmens. Das konkrete Resultat des Innovationsvorhabens und dessen Beitrag zur Untemehmensentwicklung kann am besten durch Output-orientierte Erfolgskriterien abgebildet werden (GERPOTT 1999, S. 81). Fur die Kemfragestellung dieser Arbeit, Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg, wird daher eine ergebnisbezogene Erfolgsmessung vorgenommen. Neben dem okonomisch-orientierten Markterfolg wird auch der technisch-orientierte interne Erfolg beriicksichtigt. Zur Minimierung von Verzerrungseffekten retrospektiver Datenerhebungen wurden im Rahmen des Innovationskompass Projekte ausgewahlt, die erst kiirzlich in den Markt eingefiihrt wurden bzw. die kurz vor der Markteinfuhrung standen. Aufgrund der Tatsache, dass hochgradige Innovationen durch relativ langsame Diffusionsprozesse gepragt sind (GOLDER/
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TELLIS 1997, S. 266; vgl. Tab. 1 und ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2.1), ergeben sich besondere Herausforderungen an die Messung des Markterfolges. So ist davon auszugehen, dass sich der Erfolg einer hochgradigen Innovation erst vergleichsweise spat im Marktanteil widerspiegelt. Auf die Betrachtung des Marktanteils (als ein mogliches Kriterium des Markterfolges; vgl. Abschnitt 3,1.2.1) wird daher in der vorliegenden Arbeit verzichtet. Es resultiert die in der folgenden Tabelle dargestellte, ergebnisbezogene Operationalisierung des Erfolges. Die aufgefiihrten Indikatoren wurden anhand einer Rating-Skala (1 = trifft iiberhaupt nicht zu bis 7 = trifft vollkommen zu) eingestuft. Fur eine Gesamtbeurteilung des Innovationserfolges (sog. Gesamterfolg) wurde ein gleichgewichtetes arithmetisches Mittel der vier Items gebildet. Es gilt zu beachten, dass bei den noch nicht im Markt eingefiihrten Projekten zur Erfolgsmessung auf Schatzungen der Projektleiter (voraussichtliche Zielerreichung) zuriickgegriffen werden musste. Damit sind die Kriterien des Markterfolges (finanzieller Erfolg und Imagegewinn) in der Tendenz als vorlaufig einzustufen.
Ii||i|i)l|jii|i|i||| Bewerten Sie bitte, ob die Ziele des Vorhabens bzgl. der folgenden Dimensionen erreicht wurden bzw. voraussichtlich erreicht werden. - Technischer Erfolg - Finanzieller Erfolg (Gewinn/Rendite) - Imagegewinn - Kompetenzgewinn des Untemehmens Tab. 15: Ergebnisbezogene Erfolgsoperationalisierung Quelle: Eigene Darstellung
Eine erganzende Fragestellung dieser Arbeit betrifft die Erfolgswirksamkeit der Eigenschaften ausgewdhlter, integrierter Kunden (vgl. auch Abschnitt 9.1). Die qualitativen Befunde von LETTL (2004, S. 288 ff) zur Rolle von Anwendem bei hochgradigen Innovationen weisen darauf hin, dass die Erfolgswirksamkeit spezifischer Kundeneigenschaften phasenspezifisch variieren kann. Daraus lasst sich ableiten, dass eine Beantwortung dieser Fragestellung eine prozessbezogene Erfolgsmessung entlang der Phasen eines Innovationsprojektes verlangt. Wie im Gmndlagenteil dieser Arbeit ausfuhrlich dargestellt wurde (3.1.2.1), werden prozessbezogene Erfolgskriterien i.d.R. mit Hilfe der Zielerreichung des Trios Qualitat-Zeit-Kosten abgebildet. Aus der Tab. 16 lasst sich die dieser Arbeit zugrunde \\QgQndQ, prozessbezogene Erfolgsoperationalisierung entnehmen. Analog zum ergebnisbezogenen Messansatz wurden die aufgefiihrten Indikatoren anhand einer siebenstufigen Rating-Skala erhoben. Mittels einer phasenspezifischen Aggregation der Zielerreichungsgrade wurden die Phasenerfolge ermittelt. So ergibt sich z.B. der Erfolg in Phase 1 aus dem arithmetischen Mittel der Zielerreichung der Kriterien Produktqualitat, Zeitplan und Budget bezogen auf die erste Phase des Innovationsprozesses. Es gilt zu beachten, dass fiir die Erfolgsbetrachtung der dritten Phase
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nur diejenigen Projekte beriicksichtigt wurden, die sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung bereits in der Phase der MarkterschlieBung befanden.
Erfolg Phase 1,2 und 3 Bewerten Sie bitte, ob die Ziele des Vorhabens bzgl. der folgenden Dimensionen erreicht wurden bzw. voraussichtlich erreicht werden. - Produktqualitat/Leistung in Phase 1 (analog Phase 2 und 3) - Einhaltung des Zeitplans in Phase 1 (analog Phase 2 und 3) - Kosten des Innovationsvorhabens (Budget) in Phase 1 (analog Phase 2 und 3) Tab. 16: Prozessbezogene Erfolgsoperationalisierung Quelle: Eigene Darstellung
Sowohl fiir die ergebnisbezogene als auch die prozessbezogene Erfolgsmessung wurde aufgrund seiner projektiibergreifenden Kompetenz der Projektleiter ausgewahlt (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 6.1.2.1). Da die Funktion des Projektleiters i.d.R. durch den F&E-Informanten eingenommen wurde und gleichzeitig die Aktivitaten der Kundenorientierung durch den Marketing-Verantwortlichen eingestuft wurden, konnte die Problematik des Single-Informant-Bias kontrolUert werden (vgl. auch Abschnitt 6.1.2.2). 9.3 Methodik 9.3.1 Validierung der Konstruktmessungen Das im Abschnitt 9.1 dargestellte Untersuchungsmodell soil in der vorliegenden Arbeit einer ersten integrierten Uberpriifung unterzogen werden. Zur Operationalisierung der Kundenorientierung wurde auf Verdichtungen von Variablen zurtickgegriffen, die im Rahmen des Innovationskompass direkt erhoben wurden (vgl. Abschnitt 9.2.1). Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit dem explorativen Charakter der Untersuchung (HAENECKE 2002, S. 173), stellt jedoch lediglich eine erste Umsetzung der entwickelten Konzeptualisierung des Konstruktes dar. Entsprechend den Anforderungen an die empirische Forschung soil dennoch eine erste Validierung der Konstruktmessungen vorgenommen werden. Grundsatzlich wird in der empirischen Forschung zwischen reflektiven und formativen Messmodellen unterschieden (DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER 2001, S. 271). Das Hauptmerkmal reflektiver Messmodelle besteht darin, dass die Veranderung der nicht direkt messbaren, latenten Variable eine Veranderung der Indikatorvariablen bedingt. Die latente Variable steht also als Ursache hinter den Indikatorvariablen. Bei formativen Messmodellen verhalt es sich andersherum: Hier stellen die direkt beobachtbaren Indikatorvariablen die Ursache fur die latente Variable dar. Der wesentliche Unterschied der beiden Ansatze besteht also in der Richtung der Kausalitat (BACKHAUS et al. 2003, S. 408 f.).
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Eine Variable kann haufig sowohl reflektiv als auch formativ formuliert werden (EGGERT 2003, S. 12). Die Entscheidung fiir ein geeignetes Messmodell sollte vor allem auf einer inhaltlichen Einstufiing der Kausalitat basieren (FORNELL/CHA 1994, S. 61). In der empirischen Sozialforschung dominiert bis dato die Anwendung reflektiver Modelle, was jedoch haufig inhaltlich nicht gerechtfertigt ist und daher in der Vergangenheit stark kritisiert wurde (EGGERT/FASSOTT 2003, S. 1; BOLLEN 1989, S. 65).
In der vorliegenden Arbeit sind alle Konstrukte des Untersuchungsmodells als formative Messmodelle gebildet worden. Betrachtet man zunachst die Konzeptualisierung der Kundenorientierung, so zeigt sich fur alle drei Dimensionen (Intelligence Generation, Dissemination und Responsiveness) ein formativer Charakter. Es lasst sich z.B. die Aussage treffen, dass mit zunehmender Anzahl an Aktivitaten der Marktvorbereitung die Kundenorientierung eines Innovationsprojektes steigt. Das heiBt, die Indikatoren determinieren die latente Variable und nicht umgekehrt. Das gilt analog flir die Aktivitaten der Innovationsmarktforschung und Kundenintegration. Unterstiitzung fmdet dieses Vorgehen durch aktuelle Beitrage in der Literatur, die das inhaltlich verwandte Konstrukt der Marktorientierung auf der Untemehmensebene (KOHLI/JAWORSKI 1990) ebenfalls formativ defmieren (z.B. SANDVIK/SANDVIK 2003, S. 363). Die Konstrukte Innovationsgrad und Erfolg wurden im Forschungsprojekt Innovationskompass standardisiert eingesetzt. Es handelt sich um formative Messmodelle, die bereits in den Arbeiten von BILLING (2003), KRIEGER (2005), SCHMIDTHALS (2006) und KNACK (2006)
zum Einsatz kamen. Aufgrund ihrer konzeptionellen Unterschiede unterliegen formative Messmodelle anderen Validierungsgrundsatzen als reflektive Modelle (DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER 2001, S. 271). Da bereits vor der Datenerhebung die Inhaltsvaliditat gewahrleistet werden muss, steht zunachst eine besonders sorgsame konzeptionell-theoretische Konstruktableitung im Vordergrund (DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER 2001, S. 271). In der vorliegenden Arbeit wurde dieser Forderung nachgekommen, indem die inhaltlichen Aspekte der Konstrukte fundiert theoretisch abgeleitet wurden und darauf aufbauend die Indikatoren bestimmt wurden. Daneben wurde die inhaltliche Relevanz mit Hilfe eines Pretests kontrolliert (EGGERT/ FASSOTT 2003, S. 5), was z.T. in der Literatur auch als Uberpriifung der Expertenvaliditat bezeichnet wird (KRAFFT et al. 2005, S. 76 f). Zur Konstruktvalidierung formativer Messmodelle ist dariiber hinaus die sog. Indikatorkollinearitdt von groBer Bedeutung (KRAFT et al. 2005, S. 76 ff; EGGERT/FASSOTT 2003, S. 4 ff). Im Gegensatz zu reflektiven Messmodellen, die sich auf das Prinzip der einfachen Regression stiitzen, basieren formative Messmodelle auf dem Prinzip der multiplen Regression. Eine lineare Abhangigkeit zwischen den Indikatoren, sog. Multikollinearitat (vgl. auch Abschnitt 9.3.2.1), kann daher zu Verzermngen der Ergebnisse fiihren (DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER
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2001, S. 272). Folgende MaBe der Kollinearitatsdiagnose werden ublicherweise herangezogen: (1) Korrelationskoeffizient nach Pearson (Wertebereich: -1 bis +1): Ftir eine erste Prufung kann die Korrelationsmatrix aller Indikatoren eines Konstruktes betrachtet werden. Hohe Korrelationskoeffizienten (>.7) bedeuten emsthafte Multikollinearitat. Da jedoch nur bivariate Abhangigkeiten betrachtet werden, kann Multikollinearitat auch bei niedrigeren Werten bestehen. Es sollten daher weitere MaBe hinzugezogen werden (BACKHAUS et al. 2003, S. 89 f.; BELSLEY 1991, S. 29).
(2) Toleranz bzw. Variance Inflation Faktor (VIF): Als Toleranz wird der Anteil der Varianz eines Indikators bezeichnet, der nicht durch die anderen Indikatoren erklart wird. Von Multikollinearitat kann bei Toleranzwerten von <.01 ausgegangen werden, wobei bereits ab Werten von <.10 Multikollinearitat vermutet werden kann (HAIR et al. 1998, S. 220 f.). Der VIF-Wert berechnet sich aus dem Kehrwert der Toleranz und soUte maximal unterhalb des Grenzwertes von 10 liegen. Dieser Wert wird jedoch haufig als zu hoch betrachtet (z.B. SKIERA/ALBERS 2000, S. 222). In der vorliegenden Arbeit dient daher als strenger Grenzwert ein Wert von 2 (HAIR et al. 1998, S. 193). (3) Konditionsindex: SchlieBlich wird der sog. Konditionsindex nach BELSLEY (1991) herangezogen. Ein Wert von uber 30 deutet auf eine starke Multikollinearitat hin und stellt damit das Messmodell in Frage. Das Verfahren ermoglicht daruber hinaus in Kombination mit einer Varianzzerlegungsmartix die Identifikation der Anzahl und Starke moglicher Abhangigkeiten sowie deren jeweilige Verursacher auf Indikatorebene. Bei Vorliegen von Multikollinearitat konnen ein oder mehrere Indikatoren entsprechend entfemt werden (BELSLEY 1991, S. 137
ff.).
Zur Validierung aller Mehr-Indikatoren-Konstrukte des Untersuchungsmodells wurden Jewells die dargestellten MaBe der Kollinearitatsdiagnose iiberpriift. Die Korrelationskoeffizienten der Indikatoren liegen i.d.R. deutlich unterhalb von .5. Zwei Indikatoren des phasenspezifischen ErfolgsmaBes (Erreichung Zeit und Kostenziele) sowie zwei Indikatoren der Responsiveness (Einsatz eines vergleichsweise hohen Kommunikations- sowie Vertriebsbudgets) weisen Werte knapp iiber .6 auf Da der Grenzwert von .7 nicht uberschritten wird, konnen die Messmodelle akzeptiert werden. Unterstiitzt wird diese Vorgehensweise auch durch die Betrachtung der Toleranz-, VIF- und Konditionsindizes, die fur alle Konstrukte unterhalb der vorgegebenen Grenzwerte liegen. 9.3.2 Analyse der Konstruktbeziehungen Ziel des vorliegenden Kapitels ist eine erste empirische Uberpriifung des Erfolgseinflusses einer intensiven Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Angesichts der Komplexitat des Modells ware die Durchfuhrung einer Kausalanalyse mit Strukturgleichungsmo-
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dellen (z.B. auf der Basis von LISREL oder PLS) grundsatzlich moglich (BACKHAUS et al. 2003, S. 408). Da der in der Literatur dokumentierte Entwicklungsstand der Theorie jedoch nicht als gesichertes Wissen interpretiert werden kann, ist eine konfirmatorische Oberpnifung des Wirkungszusammenhanges mit Hilfe kausalanalytischer Verfahren nicht induziert (HAENECKE 2002, S. 167 f.). Daruber hinaus ist aufgrund der begrenzten Fallzahl (durch die Verkniipfung von Variablen z.T. nur n = 74) und der Itemstruktur die Schatzung eines Strukturgleichungsmodells nicht geeignet (BACKHAUS et al. 2003, S. 408; HAENECKE 2002, S. 176; HAlRetal. 1998,8.605). Die vorliegende Arbeit verfolgt einen quantitativ-explorativen Forschungsansatz (vgl. ausfuhrlich Kapitel 2). Zur quantitativ-explorativen Untersuchung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhangen eignet sich besonders die Regress ions analyse (HAENECKE 2002, S. 175 f.). In der vorliegenden Arbeit wird daher der Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg mit Hilfe der Methodik der Regressionsanalyse untersucht (vgl. analog z.B. ATUAHENE-GIMA et al. 2005; NARVER et al. 2004; BONNER/WALKER 2004). Neben den Hypothesen im Untersuchungsmodell soUen zwei erganzende Fragestellungen empirisch untersucht werden (vgl. Abschnitt 9.1). Die erste Fragestellung, der Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad, wird ebenfalls mit Hilfe der Regressionsanalyse untersucht. Als zweite erganzende Fragestellung soil die Erfolgswirksamkeit spezifischer Eigenschaften integrierter Kunden analysiert werden. Im Vordergrund steht die Frage, inwieweit sich iiberdurchschnittlich erfolgreiche Innovationsprojekte hinsichtlich der Eigenschaften ihrer integrierten Kunden von unterdurchschnittlich erfolgreichen Projekten unterscheiden. Die Fragestellung in Verbindung mit dem explorativen Forschungsanspruch dieser Arbeit spricht far den Einsatz einer Diskriminanzanalyse (BUHL/ZOFEL 2005, S. 431; BACKHAUS etal. 2003, S. 156). Da die abhangige Variable metrischer Natur ist, konnte grundsatzlich auch eine Regressionsanalyse angewandt werden. Relativ hohe Interkorrelationen der unabhangigen Variablen tangieren jedoch eine wesentliche Anwendungsvoraussetzung der Regression (keine Multikollinearitat; vgl. folgender Abschnitt 9.3.2.1), so dass darauf verzichtet wird. Um die Diskriminanzanalyse durchfuhren zu konnen, wird die metrisch skalierte Erfolgsvariable mittels eines Median-Splits zu einer nominalen Gruppenvariable transformiert. 9.3.2.1 Regressionsanalyse Die Regressionsanalyse untersucht die Abhangigkeit zwischen einer abhangigen Variable (Regressand) und einer oder mehreren unabhangigen Variablen (Regressoren; SKIERA/ ALBERS 2000, S. 205). Ziel ist es, Ursache-Wirkungs-Beziehungen quantitativ zu beschreiben und zu erklaren bzw. Werte einer abhangigen Variable zu prognostizieren (BACKHAUS et al. 2003, S. 46). Bei der in einer Regressionsanalyse unterstellten Kausalbeziehung handelt es
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sich i.d.R. um eine Vermutung des Untersuchers, eine Hypothese. Diese Hypothese muss basierend auf theoretischen und sachlogischen Uberlegungen plausibel sein, da durch eine Regressionsanalyse nur Korrelationen zwischen Variablen, jedoch keine Kausalitat zweifelsfrei nachgewiesen werden kann (BACKHAUS et al. 2003, S. 47 f.). Die Hypothesen zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen wurden sowohl theoretisch (Kapitel 7) als auch auf der Basis konzeptioneller und empirischer Beitrage (Kapitel 8) sorgfaltig abgeleitet, so dass diese Voraussetzung erfallt ist. Die Regressionsanalyse ist induziert, wenn sowohl die abhangige als auch die unabhangige/n Variable/n metrisch skaliert sind. Anwendungsvoraussetzungen sind weiterhin, dass die unabhangigen Variablen nicht linear voneinander abhangig sind (keine MultikoUinearitat), dass die Residuen nicht korrelieren (keine Autokorrelation) und dass die Streuung der Residuen konstant ist (keine Heteroskedastizitat). Je nachdem, ob eine oder mehrere unabhangige Variablen betrachtet werden, spricht man von einer einfachen bzw. einer multiplen Regressionsanalyse (BACKHAUS et al. 2003, S. 50). In der vorliegenden Arbeit stellen die drei Saulen der Kundenorientierung die unabhangigen Variablen und der Erfolg die abhangige Variable dar. Es handelt sich damit um eine multiple Regressionsanalyse. Das Ziel der Regressionsanalyse besteht darin, die Parameter so zu schatzen, dass die Summe der quadrierten ResidualgroBen minimiert wird (sog. Methode der kleinsten Quadrate; SKIERA/ALBERS 2000, S. 207 f.). Dabei kann zwischen der schrittweisen und der blockweisen Regression unterschieden werden. Wahrend bei ersterer die unabhangigen Variablen sukzessive einbezogen werden, gehen bei letzterer alle Variabeln auf einmal in die Regressionsgleichung ein. Da in der vorliegenden Arbeit die Regressionsanalyse zur Uberpriifling von Hypothesen eingesetzt wird, ist eine blockweise Regression induziert (BACKHAUS et al. 2003, S. 105 und 93). Die klassische, lineare Regressionsanalyse unterstellt eine lineare Abhangigkeit zwischen der abhangigen und den unabhangigen Variablen (SKIERA/ALBERS 2000, S. 205). In vielen Forschungsbereichen sind jedoch nicht mehr nur einfache, sondem auch interaktive Effekte der unabhangigen Variablen von Interesse. Man spricht von einem moderierenden Einfluss wenn eine Variable (z.B. Innovationsgrad) auf die Richtung und/oder Starke des Zusammenhanges zwischen einer unabhangigen (z.B. Intelligence Generation) und einer abhangigen Variable (z.B. Erfolg) wirkt (VENKATRAMAN 1989, S. 424). Wahrend reine Moderatoren nicht mit der abhangigen Variablen korrelieren, weisen sog. Quasi-Moderatoren neben ihrer Moderatorfunktion auch einen direkten Einfluss auf den Regressand auf (SHARMA et al. 1981, S. 293 f.). Zur Modellierung von Moderatoreffekten eignet sich am besten die moderierte Regressionsanalyse (CARTE/RUSSELL 2003, S. 480 f.; AGUINIS 1995, S. 1141 f.). Dazu wird das Produkt der potenziell interagierenden Variablen als Regressor in das Regressionsmodell mit aufge-
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nommen. Dieser sog. Interaktionsterm ist jeweils mit diesen beiden Variablen hoch korreliert, was rein methodisch zu dem bereits angesprochenen Problem der Multikollinearitdt fiihrt (AGUINIS 1995, S. 1149). Um dieses Problem weitestgehend zu vermeiden, werden die betreffenden Variablen vor ihrer multiplikativen VerkniipfUng z-standardisiert (AIKEN/WEST 1991, S. 35 f.; VENKATRAMAN 1989, S. 427).
Zur Interpretation der Ergebnisse der Regressionsanalyse werden folgende statistische MaBe herangezogen: (1) (Korrigiertes) Bestimmtheitsmafi: Zur Beurteilung der Giite der Anpassung einer Regressionsgleichung an die empirischen Daten wird das BestimmtheitsmaB R^ herangezogen. Wie gut eine abhangige Variable erklart wird, kann durch die quadrierte multiple Korrelation zwischen den geschatzten und beobachteten Werten zum Ausdruck gebracht werden. Das BestimmtheitsmaB ist ein normierter Wert und liegt zwischen 0 und 1, wobei bei dem Maximalwert 100 % der gesamten Streuung auf die erklarenden Variablen und 0 % auf sonstige, nicht erfasste Einfliisse zuriickzufuhren sind. Das korrigierte BestimmtheitsmaB R^korr vermindert das einfache BestimmtheitsmaB auf der Basis der Anzahl an Regressoren und Freiheitsgrade um eine KorrekturgroBe (BACKHAUS et al. 2003, S. 66 f.; SKIERA/ ALBERS 2000, S. 209).
(2) (Standardisierte) Regressionskoeffizienten: Die Regressionskoeffizienten geben den jeweiligen marginalen Effekt der Anderung der unabhangigen Variablen auf die abhangige Variable an. Da die Werte abhangig sind von der verwendeten Messskala, konnen sie nur verglichen werden, wenn die unabhangigen Variablen in gleichen Einheiten gemessen wurden. Andemfalls besteht die Moglichkeit, die Regressionskoeffizienten zu standardisieren. Standardisierte Regressionskoeffizienten (sog. Beta-Werte) sind unabhangig von der linearen Transformation der Variablen und konnen daher als MaB fiir deren Wichtigkeit/Einflussstarke verwendet werden. Bei der Durchflihrung einer Regressionsanalyse mit standardisierten Variablen (wie im Fall der moderierten Regression) werden die nichtstandardisierten Regressionskoeffizienten als Beta-Werte interpretiert (BACKHAUS et al. 2003, S. 61 f). (3) Signifikanz (F-Wert/t-Werte): Mit Hilfe des F-Wertes kann die Giiltigkeit des Stichprobenergebnisses fiir die Grundgesamtheit, die sog. Signifikanz, iiberpruft werden. Es wird die Hypothese getestet, dass zwischen den abhangigen und den unabhangigen Variablen auch in der Grundgesamtheit mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (Differenz zwischen 1 und der Irrtumswahrscheinlichkeit) ein Zusammenhang besteht. Fur einen zu ermittelnden empirischen F-Wert wird auf der Basis der F-Statistik die Irrtumswahrscheinlichkeit dafiir errechnet, dass der F-Wert von Null abweicht. Ist das vorgegebene Signifikanzniveau (z.B. 1 % oder 5 %) groBer als diese Wahrscheinlichkeit, so liegt ein signifikanter Einfluss vor. Nach der Oberprufung der Signifikanz des Gesamtmodells wird
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249
mit Hilfe von t-Tests ermittelt, inwieweit jeder einzelne Regressionskoeffizient signifikant ist (BACKHAUS et al. 2003, S. 68 ff.; SKIERA/ALBERS 2000, S. 211).
Im Fall der moderierten Regression wird zunachst eine blockweise Regression nur mit den unabhangigen Variablen durchgefiihrt. In einer zweiten blockweisen Regression wird die Regressionsgleichung um den Interaktionsterm erweitert. Die zweite Regressionsgleichung wird mittels eines erweiterten F-Tests bestehend aus einem Vergleich der BestimmtheitsmaBe der beiden Regressionsgleichungen uberpruft. Dabei wird untersucht, ob die um die Interaktion erweiterte, zweite Regressionsgleichung den Zusammenhang zwischen der abhangigen und den unabhangigen Variablen signifikant besser erklaren kann. Steigt die multiple Korrelation signifikant an, so kann von einem Moderatoreffekt ausgegangen werden (CARTE/ RUSSELL 2003, S. 481; AGUINIS 1995, S. 1143 f.).
9.3.2.2 Diskriminanzanalyse Die Diskriminanzanalyse ist ein multivariates Verfahren zur Analyse von Unterschieden zwischen Gruppen. Formal betrachtet wird die Abhangigkeit einer nominal skalierten Variable (Gruppierungsvariable) von metrisch skalierten Variablen (Merkmalsvariablen) untersucht. Die Diskriminanzanalyse dient neben der Analyse von Gruppenunterschieden auch zur Prognose der Gruppenzugehorigkeit von Elementen; eine Fragestellung, die vor allem in der Praxis Relevanz hat (BACKHAUS et al. 2003, S. 156; DECKER/TEMME 2000, S. 297 f.). Der Analyseprozess beginnt zunachst mit der Definition der Gruppen, wobei diese sich entweder unmittelbar aus der zu untersuchenden Fragestellung ergibt oder aber das Ergebnis einer vorgeschalteten Analyse (z.B. Clusteranalyse) ist. Dabei gilt es zu beachten, dass die Fallzahlen in den einzelnen Gruppen nicht zu klein werden und die Anzahl der Gruppen nicht die Anzahl der Merkmalsvariablen iibersteigt. AnschlieBend werden die Merkmalsvariablen auf der Basis theoretischer oder sachlogischer Uberlegungen ausgewahlt und es erfolgt die Schatzung der sog. Diskriminanzfunktion (BACKHAUS et al. 2003, S. 160). Die Diskriminanzanalyse zielt auf die Schatzung einer Funktion, die eine optimale Trennung zwischen den zugrunde liegenden Gruppen und eine Berechnung und Priifung der diskriminatorischen Bedeutung der Merkmalsvariablen ermoglicht. Dazu setzt ein zu maximierendes Diskriminanzkriterium die Intergruppenstreuung in Relation zur Intragruppenstreuung. Zur Erzielung eindeutiger Werte fiir die Parameter der Diskriminanzfunktion ist anschliefiend eine Normierung induziert (BACKHAUS et al. 2003, S. 164 ff).
250
V Empirische Erfolgsiiberprufung
Zur Interpretation der Ergebnisse der Diskriminanzanalyse werden folgende statistische Mafie herangezogen: (1) Anteil richtig klassiflzierter Fdlle: Ein erster Anhaltspunkt zur Beurteilung der Giite der Diskriminanzfunktion ist der Anteil der durch die Diskriminanzflinktion richtig klassifizierten Falle (BACKHAUS et al. 2003, S. 179 f.). Eine Giitebeurteilung kann vorgenommen werden, indem dieser Wert in Relation zu dem sog. proportionalen Zufallskriterium gesetzt wird. Bei zwei Gruppen errechnet sich das proportionale Zufallskriterium als Summe aus den Quadraten der Anteile der Untersuchungsobjekte in den beiden Gruppen (DECKER/TEMME 2000, S. 311). Fiir eine ausreichende Giite der Diskriminanzfunktion soUte der Anteil der durch die Diskriminanzfunktion richtig klassifizierten Falle das proportionale Zufallskriterium um 25 % tibersteigen (HAIR et al. 1998). (2) Wilks' Lambda: Das am haufigsten verwendete Kriterium zur Priifung der Diskriminanz bildet Wilks' Lambda, das das Verhaltnis von nicht erklarter Streuung zur Gesamtstreuung beschreibt. Da es sich um ein inverses GiitemaB handelt, stehen kleinere Werte fur eine hohere Trennkraft der Diskriminanzfunktion und umgekehrt (BACKHAUS et al. 2003, S. 182; DECKER/TEMME 2000, S. 313). (3) (Standardisierte) Diskriminanzkoefflzienten: Die Diskriminanzkoeffizienten bilden die Basis der Beurteilung der diskriminatorischen Bedeutung der Merkmalsvariablen. Um Skalierungseffekte auszuschalten, konnen analog zur Regression standardisierte Diskriminanzkoeffizienten herangezogen werden. Je hoher ein Diskriminanzkoeffizient ist, desto hoher ist die diskriminatorische Bedeutung der entsprechenden Merkmalsvariablen (BACKHAUS et al. 2003, S. 186 f; DECKER/TEMME 2000, S. 308).
(4) Signifikanz (Chi-Quadrat-Wert/F-Werte): Die Transformation von Wilks' Lambda in eine probabilistische Variable ermoglicht unter Zugrundelegung der Chi-Quadrat-Statistik eine Signifikanzprtifung der Diskriminanzfunktion (BACKHAUS etal. 2003, S. 183). Falls die Diskriminanzfunktion als Ganzes nicht abgelehnt werden kann, erfolgt anschlieBend die Priifung der Signifikanz der Merkmalsvariablen. Dafiir erfolgt eine Berechnung von Wilks' Lambda fur die einzelnen unabhangigen Variablen, wobei zur Signifikanzpriifiing der F-Test anstelle des Chi-Quadrat-Tests verwendet wird (BACKHAUS etal. 2003, S. 185 f).
V Empirische Erfolgsiiberpriifling
251
10 Empirische Ergebnisse Es folgt die Darstellung und Diskussion der empirischen Ergebnisse. Dabei wird unterschieden nach den im Untersuchungsmodell formulierten Hypothesen zum Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg (10.1) und den zwei Fragestellungen, die erganzend empirisch untersucht wurden (10.2). 10.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg Zur Untersuchung des Einflusses der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen auf den Erfolg wurde die Methodik der Regressionsanalyse gewahlt (vgl. zur Begriindung Abschnitt 9.3.2). Insgesamt wurden fiinf Regressionsmodelle gerechnet. Als abhangige Variable dienten der technische Erfolg, finanzielle Erfolg, Imagegewinn und Kompetenzgewinn sowie der Gesamterfolg als arithmetisches Mittel der vier Kriterien. Die unabhangigen Variablen stellten die drei Saulen der Kundenorientierung dar, Intelligence Generation, Intelligence Dissemination und Responsiveness. Die Anwendungsvoraussetzungen der Regressionsanalyse wurden gepruft. Es wurden ausschlieBlich Variablen verwendet, die durch eine geringe MultikoUinearitat gepragt sind. Die Uberpriifung erfolgte mittels Korrelationen (r < .7), den Toleranz- bzw. Variance Inflation Faktor-Werten (Toleranzwerte >.10; VIF < 2) und dem Konditionsindex (KI < 30; vgl. zur Kollinearitatsprufung ausfuhrlich Abschnitt 9.3.1). Im Rahmen einer blockweisen Regression wurden jeweils zwei Modelle gerechnet. Im ersten Modell wurde jeweils die Beziehung zwischen den drei Saulen der Kundenorientierung sowie des Innovationsgrades und der jeweiligen ErfolgsgroBe analysiert. Das zweite Modell erweiterte jeweils das vorhergehende Modell um den Innovationsgrad als moderierende Variable. Dazu wurden jeweils die Interaktionsterme, die das Produkt der z-standardisierten Werte des Innovationsgrades und der z-standardisierten Werte der jeweiligen Dimension der Kundenorientierung darstellen, in die Regressionsgleichung integriert (vgl. zum Vorgehen der moderierten Regression ausfuhrlich Abschnitt 9.3.2.1). Da mit Hilfe der zweiten, moderierten Modelle sowohl direkte als auch moderierte Effekte untersucht werden konnen, werden nur diese im Folgenden betrachtet. Alle Modelle zeigen signifikante F-Werte und akzeptable Werte fur die erkldrte Varianz, so dass sie interpretiert werden konnen (vgl. Tab. 17).
252
V Empirische Erfolgstiberprufling
AbhMngige Variablen Technischer GesamtErfolg Erfolg
Finanzieller Erfolg
Imagegewinn
Kompetenzgewinn -.020
Intelligence Generation
.118^
.028
.354="
.121
Intelligence Dissemination
.070
.215*
.196
-.148
.011
Responsiveness
.057
.112
-.055
.099
.020
Innovationsgrad (IN)
.000
-.162*
-.279
.243*
.146*
Intelligence Generation * IN
.212**
.050
.463**
.197*
.194*
Intelligence Dissemination * IN
.075
.323**
.221
-.021
-.069
Responsiveness * IN
.150
-.055
-.001
.286**
.284***
R'
.20
.22
.17
.20
.22
R korr
.13
.15
.09
.13
.16
n
91
89
74
87
90
F
2.963**
3.251**
1.973="
2.862*
3.353**
AR^
.17**
.11*
.11*
.12*
.19***
Es werden standardisierte Regressionskoeffizienten berichtet "^p^lO; *p<.05; **p<.01; ***p<.001 Tab. 17: Ergebnisse der Regressionsanalysen (Erfolg)
1. Einfluss der Kundenorientierung aufden Gesamterfolg Betrachtet man zunachst das Regressionsmodell zum Gesamterfolg, so zeigt sich, dass das Modell signifikant ist (p<.01) und 20 % der Varianz (R^) erklart werden konnen. Im Vergleich zu dem Modell ohne Interaktionseffekte konnte eine signifikante (p<.01) Steigerung der erklarten Varianz um 17 % (AR^) erzielt werden. Damit kann von Moderatoreffekten ausgegangen werden. Betrachtet man die standardisierten Regressionskoeffizienten, so wird deutlich, dass lediglich die Dimension Intelligence Generation signifikante Effekte aufweist. Es zeigt sich sowohl ein schwach signifikanter direkter (p = .118; p<.10) als auch ein signifikanter moderierter (P = .212; p<.01) Effekt. Die PWerte sind positiv, was auf eine positive Beziehung hindeutet. Das heifit, eine intensive Generierung von kundenbezogenen Informationen hat einen positiven Einfluss auf den Gesamterfolg und der Einfluss steigt mit zunehmendem Innovationsgrad. Um ein differenzierteres Bild zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zu erlangen, wurden neben dem aggregierten Gesamterfolg die Dimensionen des Konstruktes isoliert betrachtet. 2. Einfluss der Kundenorientierung aufden technischen Erfolg Das zweite Modell in der Tab. 17 fokussiert als abhangige Variable den technischen Erfolg. Das Modell ist insgesamt signifikant (p<.01) und erklart mit 22 % vergleichsweise
V Empirische Erfolgsuberpriifung
253
etwas mehr Varianz (R^). Da durch die Integration der Interaktionsterme eine Steigerung der Varianzerklarung um 11 % (p<.05) erzielt wurde, kann auch in diesem Fall von Moderatoreffekten ausgegangen werden. Es zeigt sich, dass der technische Erfolg einer Innovation durch eine intensive Integration ausgewahlter Kunden gesteigert werden kann. Es kann abgeleitet werden, dass durch eine intensive Kundenintegration generative Lemprozesse entstehen, die sich in verbesserten technischen Losungen niederschlagen. Dabei besteht sowohl ein direkter (P = .215; p<.05), als auch ein moderierter (P = .323; p<.01) Effekt. Mit anderen Worten: Die Erfolgsrelevanz der Intelligence Dissemination steigt mit zunehmendem Innovationsgrad. Dieses Ergebnis vervollstandigt vorliegende allgemeine Befunde zum Einfluss der Kundenintegration auf den technischen Erfolg (BSTIELER/KLEINSCHMIDT 1992, S. 137; GEMUNDEN etal. 1992, S. 369; vgl. ausfuhrlich
Abschnitt 8.1.2) fur den Kontext hochgradiger Innovationen. Daneben weist der Innovationsgrad einen schwach signifikanten negativen Einfluss (p = -.162; p<.10) auf den technischen Erfolg auf, was darauf hinweist, dass es sich in diesem Fall um einen Quasi-Moderator (SHARMA et al. 1981, S. 293 f) handelt. Von der Intensitat der Innovationsmarktforschung und der Marktvorbereitung geht kein signifikanter Effekt auf den technischen Erfolg aus. Im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte werden durch Marktforschung i.d.R. Informationen iiber Kundenbedurfnisse, nicht jedoch technologische Losungen generiert (VERYZER 1998a, S. 318; vgl. zur Differenzierung zwischen Bediirfnissen und Losungen ausfuhrlich Abschnitt 8.2.1.2). Im Fall der Marktvorbereitung kann vermutet werden, dass ein Einfluss auf den technischen Erfolg insofem eingeschrankt ist, als dass Aktivitaten der Marktvorbereitung i.d.R. erst in spateren Phasen des Innovationsprozesses zum Tragen kommen. Entsprechend ist kein entscheidender Einfluss der beiden Saulen auf den technischen Erfolg zu erwarten, was sich auch in den Daten widerspiegelt. 3. Einfluss der Kundenorientierung auf den finanziellen Erfolg Mit dem finanziellen Erfolg wurde ein wesentliches Kriterium des okonomischorientierten Markterfolges betrachtet. Es gelingt eine akzeptable Varianzerklarung von 17 % (R^), jedoch ist das Modell nur schwach signifikant (p<.10). Die Veranderung des BestimmtheitsmaBes um 11 % (p<.05) lasst auf Moderatoreffekte schliefien. Analog zum Gesamterfolg zeigt sich emeut ein signifikanter Einfluss lediglich der ersten Saule der Kundenorientierung, der Intelligence Generation. Der Einfluss erweist sich sowohl direkt (P = .354; p<.10), als auch moderiert (p = .463; p<.01) als verhaltnismafiig stark. Aufgrund des positiven Zusammenhanges zum finanziellen Erfolg kann davon ausgegangen werden, dass durch eine intensive Innovationsmarktforschung eine Nachfragesteigerung bzw. eine Kostenreduktion erzielt werden kann (vgl. auch NARVER et al.
254
V Empirische Erfolgsiiberprufung
1993, S. 4 ff.). Bezogen auf die Innovationsnachfrage kann vermutet werden, dass latente Kundenbediirfnisse identifiziert werden konnen, deren Erftillung einen Wettbewerbsvorteil im Markt manifestiert. Das wirkt positiv auf die Absatzmenge und/oder kann zur Erzielung vergleichsweise hoher Preise genutzt werden. Auf der Kostenseite kann angenommen werden, dass durch eine Konzentration auf die wesentlichen Aspekte des Kundennutzens die Effizienz gesteigert werden kann bzw. durch eine hohe Absatzmenge relativ geringe Fertigungskosten erzielt werden konnen. Der skizzierte positive Einfluss der Intensitat der Innovationsmarktforschung auf den Umsatz und/oder die Kosten schlagt sich entsprechend positiv im finanziellen Ergebnis (z.B. Gewinn) nieder (vgl. auch Abschnitt 7.2.2.2). Es stellt sich jedoch die Frage, warum nach der vorliegenden Datenlage durch die Saulen Kundenintegration und Marktvorbereitung keine Steigerung des finanziellen Erfolges erreicht wird. So zielt Kundenintegration u.a. auf eine kundennahe Entwicklung und Marktvorbereitung auf eine Beeinflussung der Kundenpraferenzen, was sich beides in der Erzielung eines Wettbewerbsvorteils und der damit einhergehenden, zuvor skizzierten Wirkungskette niederschlagen sollte. Ein Grund fur die Nicht-Befunde konnten sog. Wirkungsverzogerungen (time lags) sein: Danach kann es Jahre dauem, bis sich eine Ausrichtung am Markt im finanziellen Ergebnis niederschlagt (ATUAHENE-GIMA 2005, S. 80; LANGERAK etal. 2004a, S. 91; CANO etal. 2004, S. 192). Das gilt insbesondere im Kontext hochgradiger Innovationen (ZHOU et al. 2005, S. 55), die durch relativ langsame Diffusionsprozesse gepragt sind (vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1). Es kann vermutet werden, dass vor allem vergleichsweise kostenintensive Aspekte der Kundenorientierung wie eine intensive Zusammenarbeit mit Kunden bzw. eine intensive Vorbereitung des Marktes sich kurzfristig neutral bzw. sogar negativ auf die Profitabilitat auswirken konnen (vgl. auch SLATER/NARVER 2000b, S. 125; BSTIELER/KLEINSCHMIDT 1992, S. 139). Da im Rahmen des Innovationskompass relativ aktuelle Projekte untersucht wurden, die kurz vor der Markteinfiihrung standen bzw. erst kiirzlich eingefiihrt wurden (vgl. Abschnitt 6.1.2.1), ist das Vorliegen entsprechender Wirkungsverzogerungen sehr wahrscheinlich. Im Zeitablauf ist jedoch davon auszugehen, dass sowohl die Kundenintegration als auch die Marktvorbereitung einen positiven Zusammenhang zum finanziellen Ergebnis zeigen (vgl. auch BSTIELER/KLEINSCHMIDT 1992, S. 139). Da es sich jedoch bei den vorliegenden Daten nicht um Langsschnittdaten handelt, kann diese Vermutung im Rahmen dieser Arbeit nicht iiberpriift werden. 4. Einfluss der Kundenorientierung auf den Image- und Kompetenzgewinn Neben dem technischen und finanziellen Erfolg wurden als weitere Erfolgskriterien der Image- und der Kompetenzgewinn untersucht. In beiden Fallen liegen signifikante (p<.05
V Empirische Erfolgsuberprufung
255
bzw. p<.01) Modelle vor, bei denen Moderatoreffekte vermutet werden konnen (AR^ .12; p<.05 bzw. AR^ = .19; p<.001). Mit Werten von 20 % bzw. 22 % (R^) konnen durch die Modelle fiir beide Erfolgskriterien akzeptable Varianzerklarungen erzielt werden. Im Gegensatz zum technischen Erfolg wirkt der Innovationsgrad sowohl auf den Imagegewinn (P = .243; p<.05) als auch den Kompetenzgewinn (P = .146; p<.10) positiv. Daruber hinaus zeigen sich jeweils signifikante, positive Moderatoreffekte sowohl fur die Intelligence Generation (P = .197; p<.10 bzw. p = .194; p<.05) als auch die Responsiveness (P = .286; p<.01 bzw. p = .284; p<.001). Das heifit, eine intensive Innovationsmarktforschung sowie eine intensive Marktvorbereitung wirken auf einen Image- und Kompetenzgewinn vor allem bei Innovationen eines hohen Neuigkeitsgrades. Keinen Einfluss zeigt hingegen die zweite Saule der Kundenorientierung, die Intelligence Dissemination. Die Effekte auf den Imagegewinn sind insofem plausibel, als dass vermutet werden kann, dass Aktivitaten der Innovationsmarktforschung und Marktvorbereitung im Vergleich zur Kundenintegration eine hohere Sichtbarkeit/Wahmehmbarkeit im Markt aufweisen. Daraus lasst sich ableiten, dass sich diese Aspekte der Kundenorientierung entsprechend starker im Image niederschlagen konnen. Im Fall des Kompetenzgewinns ist es verwunderlich, dass kein Effekt von der Kundenintegration ausgeht. Eine Erklarung konnte sein, dass Informanten technisch weniger erfolgreicher Projekte (in denen gemaB den Befunden zum technischen Erfolg Kunden vergleichsweise weniger intensiv eingebunden wurden) starker einen Kompetenzgewinn im Sinne von Lemeffekten/Lemen aus Fehlem wahrgenommen haben als Informanten technisch erfolgreicher Projekte. Gegebenenfalls ist auf diese Weise ein grundsatzlich positiver Einfluss der Kundenintegration auf den Kompetenzgewinn verwassert worden.
V Empirische Erfolgsuberpriifung
256
Zusammenfassend werden die festgestellten signifikanten Zusammenhange in der folgenden Abbildung illustriert.
Innovationsgrad (IN) Intensitat der Intelligence Generation (IG) Intensitat der Intelligence Dissemination (ID)
.118* Gesamterfolg (R2.20)
H$>
Intensitat der (R)
•
Imagegewinn (R2.20)
^
f*p<.10; *p<.05; **p<.01; ***p<.001
Abb. 39: Zusammenfassende Darstellung zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen
Insgesamt betrachtet wird deutlich, dass der Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen differenziert betrachtet werden muss. Der Einfluss der drei Dimensionen variiert in Abhangigkeit der verwendeten Erfolgskriterien. Die Mehrzahl der signifikanten Effekte geht von der ersten Saule der Kundenorientierung, der Innovationsmarktforschung, aus, was sich entsprechend im Gesamterfolg niederschlagt. 10.2 Erganzende Fragestellungen zum Untersuchungsmodell 10.2.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad Wie ausfiihrlich dargestellt wurde, wird im Kontext hochgradiger Innovationen in der Literatur haufig auf die ,Gefahr des Inkrementalismus' (z.B. HAYES/ABERNATHY 1980; vgl. Abschnitte 8.2.1.1 und 8.2.1.2) verwiesen. Neben den Hypothesen im Untersuchungsmodell sollte daher folgende erganzende Fragestellung empirisch untersucht werden (vgl. auch Abschnitt9.1):
V Empirische Erfolgsuberprufung
257
Inwieweit hat Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten einen Einfluss aufden Innovationsgrad? Zunachst wurde als abhangige Variable der Innovationsgrad als Gesamtkonstrukt betrachtet (vgl. zur Messung Abschnitt 9.2.2). Als unabhangige Variablen dienten emeut die drei Saulen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Wie aus der Tab. 18 ersichtlich ist, zeigt das Modell keinen signifikanten F-Wert (1.638; p = .187) und kann daher nicht interpretiert werden. Bin wesentlicher Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad kann demzufolge auf der Basis der vorliegenden Daten nicht festgestellt werden. Der Innovationsgrad wird jedoch als ein komplexes, mehrdimensionales Konstrukt verstanden (SALOMO 2003; vgl. auch Abschnitt 3.2.1.2). Es stellt sich daher die Frage, inwieweit ein Einfluss der Kundenorientierung auf die einzelnen Dimensionen des Innovationsgrades (Markt-, Technologic-, Organisations- bzw. Umfeldinnovationsgrad) ausgeht. Zur Uberpriifiing dieser Fragestellung wurden vier Regressionsmodelle gerechnet. Ein signifikantes Modell (p<.05) ergab sich lediglich in Bezug auf den Technologieinnovationsgrad, so dass dieses Modell im Folgenden interpretiert wird (vgl. Tab. 18). Abhangige Variablen Innovationsgrad (Gesamt)
TechnologieInnovationsgrad
Intelligence Generation
.098
.132
Intelligence Dissemination
.198^
.238*
Responsiveness
.015
.142
R^
.05
.12
-t^ korrigiert
.02
.09
n
90
88
F
1.638
3.895*
Es werden standardisierte Regressionskoeffizienten berichtet *p<.10; *p<.05; **p<.01; ***p<.001 Tab. 18: Ergebnisse der Regressionsanalysen (Innovationsgrad)
Das Modell zum Technologieinnovationsgrad erklart 12 % der Varianz (R^). Betrachtet man die standardisierten Regressionskoeffizienten, so zeigt sich, dass der Technologieinnovationsgrad mit einer Saule der Kundenorientierung, der Intelligence Dissemination, in einem signifikanten positiven Zusammenhang steht (P = .238; p<.05). Zu den beiden anderen Saulen, Innovationsmarktforschung und Marktvorbereitung, zeigt sich ebenfalls ein positiver Zusammenhang, jedoch ist dieser nicht signifikant. Es lasst sich ableiten, dass durch eine intensive Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess der Grad der Neuartigkeit der Technologic gesteigert werden kann. Dieser Befund steht in Einklang mit weiteren empiri-
258
V Empirische Erfolgsuberpriifung
schen Studien, die einen positiven Einfluss der Kundeneinbindung auf den Innovationsgrad feststellen konnten (SETHI et al. 2001, S. 81; BSTIELER/KLEINSCHMIDT 1992, S. 139; vgl. aus-
fuhrlich Abschnitt 8.2.2.2.2), jedoch neueren Erkenntnissen zur Mehrdimensionalitat des Innovationsgrades nicht Rechnung tragen. Zusammenfassend betrachtet kann die haufig im Kontext der Kundenorientierung angefiihrte ,Gefahr des Inkrementalismus' durch die vorliegenden Daten nicht bestdtigt werden. Wahrend bezogen auf den Innovationsgrad als aggregiertes Konstrukt sowie die Dimensionen Markt-, Organisations- und Umfeldinnovationsgrad kein wesentlicher Einfluss des Konstruktes festgestellt werden konnte, zeigte sich bezogen auf den Technologieinnovationsgrad sogar ein positiver Einfluss. Danach ftihrt eine intensive Integration ausgewahlter Kunden zu einer Steigerung des Neuigkeitsgrades technologischer Aspekte der Innovation. Das steht in einem direkten Widerspruch zur Inkrementalismus-Gefahr. 10.2.2 Erfolgswirkung der Eigenschaften integrierter Kunden Als eine weitere erganzende Analyse sollte die Erfolgswirksamkeit spezifischer Eigenschaften integrierter Kunden untersucht werden (vgl. Abschnitt 9.1). Folgende Frage stand im Vordergrund dieser Betrachtung: Inwieweit unterscheiden sich fiberdurchschnittlich von unterdurchschnittlich erfolgreichen hochgradigen Innovationsprojekten hinsichtlich der Eigenschaften der integrierten Kunden? Zur explorativen Untersuchung dieser Fragestellung wurde die Methodik der Diskriminanzanalyse gewahlt (vgl. zur Begriindung Abschnitt 9.3.2). Als abhangige Variable dienten der Erfolg in Phase 1, 2 und 3 basierend auf der Einstufiing der phasenspezifischen Zielerreichung der Kriterien Produktqualitat, Zeitplan und Budget (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 9.2.3). Fiir die Erfolgsbetrachtung der dritten Phase wurden nur die Projekte beriicksichtigt, die sich bereits in der Phase der MarkterschlieBung befanden. Die metrisch skalierten Erfolgsvariablen wurden gemaB den Anwendungsvoraussetzungen der Diskriminanzanalyse (BACKHAUS et al. 2003, S. 156) jeweils zu einer nominalen Gruppenvariable transformiert. Aufgrund der begrenzten Fallzahlen (insbesondere ftir die Phase 3) wurde ein Median-Split herangezogen. Die unabhangigen Variablen stellten die sechs potenziell relevanten Kunden-Eigenschaften dar, die im Rahmen der Konzeptualisierung hergeleitet wurden (vgl. Abschnitt 5.3.2.3 und 6.1.3.2). Als Bezugsbasis diente der fur das Projekt bedeutsamste Kunde. Im Rahmen der Datenerhebung des Innovationskompass fokussierten die Informanten die Integration von maximal zwei aus ihrer Sicht ftir das Projekt wichtigsten Kunden. In Anlehnung an die Methode der kritischen Ereignisse wurde die Annahme getroffen, dass der zuerst genannte Kunde aus Sicht des Informanten den bedeutendsten Beitrag zum Projekt lieferte. In die Analysen
V Empirische ErfolgsuberprufUng
259
der einzelnen Phasen gingen jeweils nur die Projekte ein, in denen der betreffende Kunde eine aktive Rolle eingenommen hatte. Das fiihrte zu einer Verringerung der Sample-Grofie auf 47 (Phase 1), 67 (Phase 2) bzw. 35 (Phase 3) Falle. Auf der Basis der abhangigen Variablen (Erfolg Phase 1, 2 und 3) wurden drei Diskriminanzanalysen durchgefuhrt. Betrachtet man die Ergebnisse (dargestellt in der Tab. 19), so zeigt sich, dass sowohl fur den Erfolg der Phase 1 als auch fur den Erfolg der Phase 2 die Diskriminanzfiinktionen nicht abgelehnt werden konnen: Die auf der Basis der sechs unabhangigen Variablen errechneten Funktionen ermoglichen jeweils eine signifikante Trennung zwischen den Gruppen (Phase 1: p<.05; Phase 2: p<.10). Dariiber hinaus zeigt sich in beiden Fallen eine ausreichend hohe Giite: Der Anteil der richtig klassifizierten Falle iibersteigt mit 74,5 % bzw. 70,1 % das proportionale Zufallskriterium um deutlich mehr als die von HAIR etal. (1998) geforderten 25 % (vgl. Abschnitt 9.3.2.2). In Abgrenzung dazu ermoglicht die dritte Diskriminanzfunktion keine signifikante Trennung zwischen den Gruppen und kann somit nicht akzeptiert werden. Ein Einfluss der Eigenschaften der Kunden auf den Erfolg der Phase 3 kann mit Hilfe der vorliegenden Daten nicht festgestellt werden. Als ein wesentlicher Grund kann die vergleichsweise geringe Anzahl an Fallen (n = 35) vermutet werden. Die Basisannahme, dass die Eigenschaften der integrierten Kunden einen Einfluss auf den phasenspezifischen Erfolg haben, kann fur die erste und zweite Phase gestiitzt werden. Das ermoglicht eine Abschatzung der relativen Bedeutung der einzelnen Eigenschaften anhand der Diskriminanzkoeffizienten. Da alle unabhangigen Variablen auf derselben Skala gemessen wurden, konnen die nicht-standardisierten, sog. kanonischen Diskriminanzkoeffizienten zur Interpretation herangezogen werden (vgl. auch Abschnitt 9.3.2.2).
260
V Empirische Erfolgsuberpriifling
Abhangige Variablen: Phasenspezifischer Erfolg Technische Kompetenz
Phase 1
Phase 2
Phase 3
-.054
-.157
-.075
Trendanftihrend
.077*
.053"=
.214
Reprasentativitat
.025^
-.138
.428
Hohe Vertrauenswiirdigkeit
.698**
-.085
.629
Potenzieller GroBabnehmer
-.083
-.100
-.245
Meinungsfiihrer
.413**
.684**
-.493
Wilks' Lambda
.726*
.826*
.861
Proportionales Zufallskriterium
50,2 %
50,5 %
50,0 %
Anteil richtig klassifizierter Falle
74,5 %
70,1 %
68,6 %
n
47
67
35
Es werden DiskriminanzfUnktionskoeffizienten *p<.10; *p<.05; **p<.01; ***p<.001 Tab. 19: Einfluss der Eigenschaften der Kunden auf den phasenspezifischen Erfolg
berichtet
Fiir die erste Phase zeigt sich, dass vier der sechs Eigenschaften einen signifikanten Beitrag zur Erklarung der Gruppenzugehorigkeit der Projekte stiften. Die Variable hohe
Vertrauens-
wiirdigkeit weist unter den Diskriminanzkoeffizienten den hochsten Wert auf (.698; p<.01). Ebenfalls einen starken Einfluss tibt die Variable Meinungsfiihrer
in der Branche aus (.413;
p<.01). Einen sehr schwachen Einfluss zeigen daruber hinaus die Variablen trendanfUhrend in der Branche
durch eine friihzeitige
Innovationsbedarfserkennung
(„Lead User")
{.011\
p<.05) und Reprasentativitat fiir den Gesamtmarkt (.025; p<.10). Betrachtet man den Erfolg der zweiten Phase des Innovationsprozesses, den Geschaftsaufbau, so weisen nur zwei Eigenschaften der Kunden einen signifikanten Diskriminanzkoeffizienten auf Einen sehr starken Einfluss stiftet emeut die Eigenschaft Meinungsfiihrer
in der Branche (.684; p<.01). Einen
sehr schwachen Einfluss zeigt daruber hinaus die Variable trendanfUhrend in der Branche durch eine friihzeitige Innovations bedarfserkennung
(„Lead User") (.053; p<.10).
Es konnte festgestellt werden, dass die Meinungsfiihrerschaft
des integrierten Kunden ver-
haltnismaBig stark sowohl den Erfolg in der ersten als auch den Erfolg in der zweiten Phase beeinflusst. Meinungsfiihrer (LAZARSFELD etal. 1944) genieBen ein hohes Ansehen in der Branche und geben eine wesentliche Orientierung fiir die Kaufentscheidung
Anderer
(TROMMSDORFF 2004, S. 237 ff). Aufgrund der erhohten Ubemahmebarrieren auf Seiten der Kunden (vgl. ausfiihrlich Abschnitt 3.2.2.2) wird Meinungsfiihrem eine besonders wichtige RoUe im Rahmen der Marktvorbereitung und -einfiihrung hochgradiger Innovationen zugeschrieben (SANDBERG 2002, S. 189; BEARD/EASINGWOOD 1996, S. 94). Daraus lieBe sich prinzipiell sehr plausibel ein Einfluss des Kriteriums auf den Erfolg der dritten Phase, die
V Empirische Erfolgsuberpriifung
261
MarkterschlieBung, ableiten. Dieser Einfluss kann aber in der vorliegenden Untersuchung nicht festgestellt werden, da (wie bereits dargestellt wurde) keine signifikante Diskriminanzfunktion fiir die dritte Phase vorliegt. Es stellt sich die Frage, wie sich der vorliegende, hohe Erfolgseinfluss der Meinungsfiihrerschaft flir die erste und zweite Phase erklaren lasst. Ein Grund lasst sich in der hohen Interaktions- und Kommunikationsintensitat von Meinungsfiihrem vermuten. So ist davon auszugehen, dass Meinungsfuhrer im Rahmen der Kommunikation mit Branchenvertretem nicht nur Informationen weitergeben, sondem im Gegenzug auch in einem hohen MaBe Informationen erhalten. Das heifit, Meinungsfuhrer verfiigen im Zweifel iiber einen vergleichsweise hohen Informationsstand zu aktuellen Trends und Bediirfnissen innerhalb der Branche. Daraus lasst sich wiederum ableiten, dass diese Informationen einen hohen Nutzen im Rahmen der Kundenintegration darstellen und zwar sowohl fur die Phase der Initiative als auch die Phase des Geschaftsaufbaus. Dariiber hinaus sind hochgradige Innovationsprojekte durch eine vergleichsweise langsame Diffusion im Markt gepragt (SAMLI/WEBER 2000, S. 44; vgl. auch Tab.l, Abschnitt 3.2.2.1). Je frlihzeitiger ein innovierendes Untemehmen mit Meinungsfuhrem in der Branche zusammenarbeitet, desto fhiher konnen Adoptionsprozesse in der Branche angestoBen und erste Multiplikatoreffekte ausgelost werden. Dariiber hinaus konnte festgestellt werden, dass Kunden, die durch eine hohe Vertrauenswurdigkeit gekennzeichnet sind, sich besonders gut ftir eine Einbindung in der ersten Phase eignen. Vertrauen ist eine wesentliche Ausgangsvoraussetzung ftir interorganisationale Kooperationen (GEBERT 2002, S. 139). Insbesondere die friihen Phasen hochgradiger Innovationsprojekte sind mit sehr hohen Unsicherheiten verbunden (VERWORN/HERSTATT 2003, S. 196; vgl. Abschnitt 3.2.2.1). Aufgrund ihres hohen strategischen Wertes (TUSHMAN etal. 1997, S. 3 f.) besteht bei hochgradigen Innovationen gmndsatzlich ein hohes Risiko in einem unerwiinschten Wissensabfluss an Dritte (z.B. Wettbewerber). Dieses Risiko steigt im Falle einer Integration von Extemen (z.B. Kunden) in den Innovationsprozess (BROCKHOFF 1997, S. 365). Es erscheint daher sehr plausibel, dass aufgrund der erhohten Unsicherheiten zu Beginn des Innovationsprozesses ein hohes Vertrauen des Innovators in den zu integrierenden Kunden eine wesentliche Bedingung fiir eine erfolgswirksame Zusammenarbeit darstellt. Es stellt sich jedoch die Frage, warum von der Vertrauenswiirdigkeit kein signifikanter positiver Effekt auf den Erfolg der zweiten Phase ausgeht. Die Ergebnisse der empirischen Studie von BONNER/WALKER (2004) konnten eine Erklarung beinhalten. Die Autoren zeigen im Kontext der Kundenintegration, dass die sog. customer embeddedness (Grad, zu dem integrierte Kunden schon vor dem Projektstart eine enge Beziehung zum Innovator haben) den Produktvorteil einer Innovation positiv beeinflusst. Gleichzeitig postulieren und bestatigen die Autoren einen negativ moderierenden Einfluss des Innovationsgrades. Das heiBt, je hochgradiger die Innovation ist, desto weniger stark ist der positive Einfluss der customer
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V Empirische Erfolgsuberprufung
embeddedness (BONNER/WALKER 2004, S. 163). Die Autoren begninden diesen Effekt damit, dass die enge Beziehung zu bestehenden Kunden dazu fiihren kann, dass ftir hochgradige Innovationen besonders relevante Bediirfnisse von neuen Kundengmppen vemachlassigt werden. Was aber heiBt das fiir die Vertrauenswurdigkeit? NaturgemaB werden Kunden, mit denen bereits eine Beziehung vor Projektstart bestand, vertrauenswurdiger wahrgenommen als neue Kunden (PLESCHAK 2001, S. 69). In Verbindung mit den Ergebnissen von BONNER/ WALKER (2004) kann vennutet werden, dass Vertrauenswurdigkeit in der zweiten Phase, dem Schwerpunkt der Entwicklungstatigkeit und damit der Ausrichtung der Innovation an den Kundenbediirfnissen, auch negative Effekte haben kann. Es ist denkbar, dass die positiven Effekte einer vertrauensvollen Zusammenarbeit durch die beschriebenen negativen Effekte einer zu engen und damit tendenziell eingrenzenden Beziehung nivelliert werden konnen. Eine im Vergleich zur Meinungsfuhrerschaft und Vertrauenswurdigkeit sehr viel schwachere Erfolgsrelevanz konnte sowohl fiir die erste als auch die zweite Phase ftir das Lead User-Kriterium trendanfuhrend in der Branche identifiziert werden. Die Empfehlung von VON HiPPEL (1986), Lead User in den Innovationsprozess einzubinden, kann damit in der vorliegenden Arbeit tendenziell bestatigt werden. Gleichzeitig erstaunt jedoch die sehr geringe Starke des Einflusses. Ein Grund konnte darin bestehen, dass trendanfuhrende Kunden Anforderungen an die Innovation formulieren, die nur sehr aufwandig und kostenintensiv umzusetzen sind. Es kann angenommen werden, dass sich die Erfolgswirksamkeit von Lead Usem erst spater, im Verlauf der Verbreitung der Innovation im Markt, deutlicher positiv niederschlagt. Dieser Effekt kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit insofem nicht nachgewiesen werden, als dass fiir den Erfolg in der dritten Phase keine signifikante Diskriminanzfiinktion vorliegt. Die Befimde von LILIEN et al. (2002), die u.a. die Erfolgrelevanz von Lead Usem fiinf Jahre nach Markteinfiihrung beriicksichtigen, weisen jedoch in diese Richtung. Das Kriterium Reprdsentativitdt fur den Gesamtmarkt weist fiir die erste Phase eine ahnlich schwache Erfolgsrelevanz auf, wie das Lead User-Kriterium. Es lasst sich ableiten, dass der einzubindende Kunde auf der einen Seite zwar verhaltnismaBig friihzeitig (nicht-reprasentativ) Trends und Bediirfnisse empfmden soUte, auf der anderen Seite aber bzgl. anderer innovationsrelevanter Kriterien (z.B. GroBe, Produktionsstruktur) reprasentativ fiir die Branche sein sollte. Die ausschlieBliche Relevanz fiir die erste Phase kann damit begrundet werden, dass im Rahmen der Initiative die wesentlichen Eckpfeiler der Innovation festgelegt werden. Es kann vermutet werden, dass so die aus der Einbindung von Lead Usem resultierende Gefahr einer zu starken Nischenorientiemng (ULWICK 2002, S. 93; DESZCA et al. 1999, S. 622) abgeschwacht werden kann. Der nur schwache Einfluss der Eigenschaft kann ggf. durch eine hohe Kundenheterogenitat im Kontext hochgradiger Innovationen erklart werden, was den Erfolgsbeitrag eines nur vermeintlich ,reprasentativen' Kunden abschwachen wtirde. Das wiirde insofem mit dem Befimd des starken Einflusses der Meinungsfuhrerschaft im Einklang stehen, als dass Meinungsfiihrer aufgmnd ihres iibergreifenden Branchenwissens im Zweifel
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eher Informationen iiber heterogene Kundenwunsche in das Prqjekt einbringen konnen als vermeintlich reprasentative Kunden. Keinen Einfluss auf den phasenspezifischen Erfolg in Phase 1 und 2 konnte fur die KundenEigenschaften potenzieller Grofiabnehmer und technische Kompetenz/Know How festgestellt werden. Im Falle des potentiellen GroBabnehmers erscheint dieses Ergebnis insofem plausibel, als dass sich die wirtschaftliche Attraktivitat eines Kunden definitionsgemafi vor allem nach der VerauBerung der Innovation, also in spaten Phasen, niederschlagt. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die reine Tatsache, dass es sich bei einem integrierten Kunden urn einen potenziellen GroBabnehmer handelt, den Erfolg in fruhen Phasen beeinflusst. Die Tatsache, dass sich die technische Kompetenz der integrierten Kunden nicht im prozessbezogenen Erfolg hochgradiger Innovationen niederschlagt, uberrascht. Hochgradige Innovationen basieren haufig auf komplexen neuen Technologien (GREEN et al. 1995, S. 204 f), so dass eine hohe Relevanz dieser Kunden-Eigenschaft vor allem fiir die zweite Phase, die Entwicklung, zu erwarten ware. So leitet LETTL (2004, S. 227) aus seiner qualitativen Fallstudienanalyse beispielsweise ab, dass in hochgradigen Projekten aktive technologische Entwicklungsbeitrage von Kunden eine entsprechende technologische Kompetenz erfordem. Eine Begriindung fiir den vorliegenden Nicht-Befund konnte im Bereich der Fahigkeiten der innovierenden Untemehmen vermutet werden. Es konnte sein, dass vor allem Untemehmen mit technischen Defiziten dazu tendieren, technisch besonders versierte Kunden einzubinden. Entsprechend ist denkbar, dass ein potenziell positiver Einfluss der technischen KundenKompetenz durch die damit vermehrt einhergehenden Defizite der Untemehmen in der technischen Umsetzung nivelliert wird (vgl. auch GRUNER 1997, S. 207). Zusammenfassend: Fiir die Phasen 1 und 2 konnte exploratorisch gezeigt werden, dass sich iiberdurchschnittlich von unterdurchschnittlich erfolgreichen Innovationsprojekten hinsichtlich einiger Eigenschaften ihrer integrierten Kunden unterscheiden. Eine besonders hohe Relevanz konnte fiir eine hohe Vertrauenswiirdigkeit (Phase 1) und die Meinungsfiihrerschaft in der Branche (Phase 1 und 2) festgestellt werden. Einen schwachen Einfluss zeigten dariiber hinaus die Merkmale Reprasentativitat fiir den Gesamtmarkt (Phase 1) und trendanfiihrend in der Branche durch eine fruhzeitige Innovationsbedarfserfassung (Phase 1 und 2). 10.3 Zusammenfassung und kritische Wurdigung der Ergebnisse In den vorangegangenen Abschnitten wurden empirische Ergebnisse zum Erfolgseinfluss einer intensiven Kundenorientierung dargestellt und diskutiert. Zunachst wurden die im Untersuchungsmodell formulierten Hypothesen fokussiert. Es konnte gezeigt werden, dass der Einfluss des Konstruktes auf den Erfolg differenziert betrachtet werden muss. Aufbauend auf den festgestellten Zusammenhangen kann folgende Hypothesenprufung vorgenommen werden (vgl. Tab. 20).
V Empirische Erfolgsuberpriifung
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Hi
0k Inl^asltit der KiiM^iorlei^riittg bBi hoehgrailtgeii InitoTatlEineit liat ^imn pmiH^tn werdea*
Hia
Die Intensitat der Intelligence Generation hat einen positiven Einfluss auf den Erfolg.
partiell (p<. 10) bestatigt flir Gesamterfolg partiell (p<. 10) bestatigt fur flnanzieller Erfolg
Hib
Die Intensitat der Intelligence Dissemination hat einen positiven Einfluss auf den Erfolg.
bestatigt fur technischer Erfolg
H]c
Die Intensitat der Responsiveness hat einen positiven Einfluss auf den Erfolg.
nicht bestatigt
B^5hy|iotb«^ kwm bestitlgt warden*
HI
j
Mod^mtor^lfekt)* H2a
Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitat der Intelligence Generation.
bestatigt fiir Gesamterfolg bestatigt flir flnanzieller Erfolg partiell (p<.10) bestatigt fiir Imagegewinn bestatigt flir Kompetenzgewinn
H2b
Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitat der Intelligence Dissemination.
bestatigt flir technischer Erfolg
H2c
Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitat der Responsiveness.
bestatigt flir Imagegewinn bestatigt flir Kompetenzgewinn
Tab. 20: Zusammenfassende Hypothesenprufung
Es zeigt sich, dass insgesamt betrachtet die Basishypothese 1 partiell bestatigt und die Basishypothese 2 bestatigt werden kann. Basierend auf dem Untersuchungssample kann davon ausgegangen werden, dass die Intensitat der Kundenorientierung den Erfolg positiv beeinflusst und die Erfolgsbedeutung mit zunehmendem Innovationsgrad steigt. Der Einfluss der einzelnen Saulen der Kundenorientierung variiert in Abhangigkeit der betrachteten Erfolgskriterien (vgl. Tab. 20). Dabei sollte beriicksichtigt werden, dass unterschiedlich ,harte' Erfolgskriterien herangezogen wurden. So stellt der technische Erfolg einer Innovation i.d.R. ein notwendiges, jedoch nicht hinreichendes Zwischenresultat auf dem Weg zum finanziellen Erfolg dar (KIRCHMANN 1996, S. 84). Image- und Kompetenzgewinn konnen als vergleichsweise weiche, jedoch zukunftsorientierte Kriterien betrachtet werden. Neben den Hypothesen im Untersuchungsmodell wurden zwei erganzende Fragestellungen empirisch untersucht und konnen folgendermaBen beantwortet werden: 1. Inwieweit hat Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten einen Einfluss auf den Innovationsgrad? Auf der Basis des Untersuchungssamples konnte kein wesentlicher Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad als aggregiertes Gesamtkonstrukt bzw. auf die Dimensionen Markt-, Organisations- und Umfeldinnovationsgrad festgestellt werden. Es zeigte sich
V Empirische ErfolgsuberprufUng
265
jedoch ein positiver Einfluss der zweiten Saule der Kundenorientierung auf den Technologieinnovationsgrad. Danach steigt mit der Intensitat der Integration ausgewahlter Kunden der Neuigkeitsgrad der Technologie. Dieser Befiind steht in einem direkten Widerspruch zur haufig im Kontext der Kundenorientierung angefuhrten ,Gefahr des Inkrementalismus'. 2. Inwieweit unterscheiden sich iiberdurchschnittlich von unterdurchschnittlich erfolgreichen hochgradigen Innovationsprojekten hinsichtlich der Eigenschaften der integrierten Kunden? Ein Erfolgseinfluss spezifischer Eigenschaften integrierter Kunden konnte ftir die Phasen 1 und 2 festgestellt werden, wahrend fur den Erfolg in der Phase 3 keine akzeptable Diskriminanzfunktion vorlag. Die folgende Tabelle fasst die Ergebnisse zusammen.
Erfolg Phase 2
Etfi%FMsel ...starkem Einfluss
• •
Hohe Vertrauenswiirdigkeit Meinungsftihrer in der Branche
•
Meinungsftihrer in der Branche
...schwachem Einfluss
•
Trendanfuhrend in der Branche durch eine fruhzeitige Innovationsbedarfserfassung („Lead User") Reprasentativitat fiir den Gesamtmarkt
•
Trendanfuhrend in der Branche durch eine fHihzeitige Innovationsbedarfserfassung („Lead User")
•
Tab. 21: Zusammenfassende Darstellung zum Erfolgseinfluss der Eigenschaften der integrierten Kunden
Insgesamt betrachtet geben die vorgestellten Ergebnisse erste Hinweise zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Die erzielten Varianzerklarungen (R2 ^ j2 % bis 22 % bzw. R\orr = 9 % bis 16 %) und z.T. auch die Starken/Signifikanzen der Zusammenhange sind tendenziell als moderat einzustufen. Folgende Merkmale des Untersuchungsdesigns sollten bei der Beurteilung der Ergebnisse berucksichtigt werden: • Betrachtung eines Partialmodells'. Neben dem Konstrukt der Kundenorientierung wirkt eine Vielzahl weiterer Einflussfaktoren auf den Innovationserfolg (z.B. Kultur, Prozesssteuerung etc.). Es ist daher von vomeherein davon auszugehen, dass Kundenorientierung nur einen Teil des Innovationserfolges erklaren kann. Bei der Betrachtung von Partialmodellen sollten daher geringe bis moderate Erklarungsbeitrage als zufrieden stellend eingestuft werden (HAENECKE 2002, S. 166; HOMBURG 1995, S. 155). Die erzielten Werte sind daruber hinaus vergleichbar mit anderen empirischen Studien im Forschungsfeld (z.B. PITT et al. 1996 erklaren 10 % des Untemehmenserfolges durch das Konstrukt der Marktorientierung). • Branchenilbergreifender Ansatz: Die im Innovationskompass vorgenommene, simultane Betrachtung verschiedener, heterogener Branchen ist mit einer erhohten Anzahl nicht kon-
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V Empirische Erfolgsuberpriifung
troUierbarer Umfeldfaktoren verbunden. Das kann dazu ftihren, dass untersuchte Zusammenhange zwischen Variablen geschwacht werden. Bei branchenubergreifenden Ansatzen werden daher i.d.R. im Vergleich zu Ein-Branchen-Ansatzen geringere Varianzerklarungen erzielt (SLATER/NARVER 1996, S. 169). Lassen sich trotz Heterogenitat signifikante Zusammenhange feststellen, so kann von einer Generalisierbarkeit der Ergebnisse ausgegangen werden. Nicht-signifikante Zusammenhange konnten sich hingegen in einer weniger heterogenen Grundgesamtheit durchaus bestatigen (SCHLAAK 1999, S. 130). • Kontrolle des Single-Informant-Bias: Durch die Einstufung der abhangigen und unabhangigen Variablen durch unterschiedliche Informanten wurde der Single-Informant-Bias kontrolliert, der nach ERNST (2001, S. 296) durchschnittlich ca. 30 % der Gesamtvarianz eines Konstruktes ausmacht. Das heiBt, in der vorliegenden Untersuchung wurde ein vergleichsweise konservativer Messansatz gewahlt, der es ermoglicht, den vermeintlich ,wahren' Anteil der durch die unabhangigen Variablen erklarten Varianz zu identifizieren. • Einschrdnkungen in der Erfolgsmessung: Um Verzerrungen retrospektiver Datenerhebungen zu minimieren (HUBER/POWER 1985, S. 177), wurden im Innovationskompass relativ aktuelle Projekte untersucht. Die Mehrzahl der betrachteten Innovationen konnte noch nicht ihr voiles Potenzial im Markt entfalten, weshalb die marktbezogenen Erfolgskriterien (z.B. finanzieller Erfolg) z.T. auf Schatzungen/Erwartungen der Informanten beruhen. Neben den Schatzungen ist es sehr wahrscheinlich, dass die bereits angesprochene Wirkungsverzogerung kundenorientierter Aktivitaten (ATUAHENE-GIMA 2005, S. 80; vgl. ausfiihrlich Abschnitt 10.1) fur die moderaten Erklarungen mitverantwortlich sind (DAWES 2000, S. 176). • Begrenzte Fallzahlen: Die StichprobengroBe beeinflusst die Signifikanzen potenzieller Zusammenhange (SHERMAN et al. 2000, S. 264; PULENDRAN et al. 2000, S. 136). Die Betrachtung von Moderatorhypothesen verstarkt diesen Effekt (GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 102). Aufgrund der Fokussierung auf verhaltnismaBig hochgradige Innovationsprojekte waren der Generierung hoher Fallzahlen im Innovationskompass natiirliche Grenzen gesetzt. So ist beispielsweise auch die Anzahl der wirklich radikalen Innovationen im Sample eher begrenzt, was sich auf die Starke der Moderatoreffekte ausgewirkt haben konnte (SouDERetal. 1998, S. 530). Unter Beriicksichtigung dieser Aspekte sind die empirischen Ergebnisse insgesamt betrachtet als sehr zufrieden stellend einzustufen. Die Untersuchung besitzt jedoch vorrangig explorativen Charakter. Im Sinne des wissenschaftlichen Realismus (HUNT 1990, S. 9 f) wird die universelle Giiltigkeit der gefundenen Erkenntnisse abgelehnt. Neben den Einschrankungen in der Erfolgsmessung und der begrenzten Fallzahl stellen insbesondere die Itemstmktur und -anzahl Limitationen der Untersuchung dar. Dartiber hinaus konnte zwar durch die Integration des Innovationsgrades in das Untersuchungsmodell ein wesentlicher Kontextfaktor beriick-
V Empirische Erfolgsuberprufung
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sichtigt werden, es ist jedoch nicht auszuschlieBen, dass weitere Faktoren die Beziehung zwischen Kundenorientierung und Erfolg beeinflussen. Die gefundenen Ergebnisse sind entsprechend vorsichtig zu interpretieren und verlangen weitere wissenschaftliche UberpriifUngen in zukiinftigen Forschungsansatzen.
VI Zusammenfassung & Implikationen
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VI Zusammenfassung und Implikationen 11 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit Neue Produkte miissen die Bediirfnisse der Zielkunden adressieren, da sind sich Wissenschaft und Praxis einig. Die vorliegende Arbeit hat sich mit dem Phdnomen der Kundenorientierung im Innovationsprojekt beschaftigt. Durch die Fokussierung auf Innovationen eines vergleichsweise hohen Neuigkeitsgrades, hochgradige Innovationen, wurde eine situationsspezifische Vorgehensweise gewahlt. Ausgangspunkt der Arbeit war die Identifikation einer erhebUchen Diskrepanz zwischen der Bedeutung des Themas und der konkreten Umsetzung in der Praxis sowie der wissenschaftlichen Durchdringung. Es konnte gezeigt werden, dass sich der Forschungsbedarffur die Praxis zum einen aufgrund einer schwachen Position Deutschlands im Bereich wachstumstrachtiger Spitzentechnologien in einem drohenden Verlust der intemationalen Wettbewerbsfahigkeit manifestiert. Zum anderen wurde deutlich, dass ein Bedarf an konkreten Handlungsempfehlungen zur Implementierung des Erfolgsfaktors Kundenorientierung besteht. Wissenschaftlich betrachtet wurde ein erhebUches Forschungsdefizit bezogen auf das Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen festgestellt: Es mangelte bis dato an einer ganzheitlichen Betrachtung der inhaltlichen Komponenten des Konstruktes und einer darauf aufbauenden, fundierten Analyse der Erfolgswirkung. Basierend auf dem Forschungsbedarf fur Wissenschaft und Praxis wurden die Zielsetzungen und darauf aufbauend die Forschungsfragen dieser Arbeit formuliert. Die Kemergebnisse der Arbeit werden im Folgenden entlang der sechs Forschungsfragen zusammengefasst. (1) Was sind die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Hers teller- und Kundensicht? Hochgradige Innovationen unterscheiden sich von inkrementalen Innovationen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde zwischen Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Hersteller- und aus Kundensicht unterschieden. Eine Literaturanalyse hat darauf aufmerksam gemacht, dass hochgradige Innovationen aus Hers tellers icht sowohl spezifische Chancen als auch spezifische Herausforderungen beinhalten. Chancen bestehen in der Moglichkeit zur Differenzierung im Wettbewerb und im Erfolgsfall zur Erzielung iiberdurchschnittlich hoher Erfolge. Die Herausforderungen bestehen u.a. in einem vergleichsweise niedrigen vorhandenen Informations- und Kompetenzniveau, Schwierigkeiten der Abschatzung von MarktpotenzialZ-entwicklung und der technischen Leistungsfahigkeit der Innovation sowie in einem uberdurchschnittlich langen Innovationsprozess mit hohen Entwicklungs- und Vermarktungskosten. Diese Herausforderungen lassen sich auf ein komplexes Muster von Markt-, Technologic- und Ressourcenunsicherheiten sowie organisatorischen Unsicher-
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VI Zusammenfassung & Implikationen
heiten zuruckfiihren. Die wesentliche Herausforderung des Management hochgradiger Innovationen besteht in einer sukzessiven Reduktion dieser vier Unsicherheitsdimensionen, was gemaB dem Informationsverarbeitungsansatz von GALBRAITH (1977) vor allem die Generierung von Informationen verlangt. Zur Ableitung der Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht wurden die Schematheorie, die Adoptions- und Diffusionsforschung sowie die Theorie des wahrgenommenen Risikos herangezogen. Schematheoretisch konnte gezeigt werden, dass hochgradige Innovationen den Aufbau neuer Wissensstrukturen sowie Einstellungs- und Verhaltensanderungen verlangen. Die damit verbundenen Lemprozesse stellen eine Adoptionsbarriere ftir potenzielle Kunden dar. Aus der Perspektive der Adoptions- und Diffusionsforschung wurden die Merkmale hochgradiger Innovationen aus Nachfragersicht auf spezifische Auspragungen der ROGERS-Kriterien zuruckgefuhrt. Hochgradige Innovationen weisen zwar i.d.R. einen vergleichsweise hohen relativen Vorteil auf, dieser ist jedoch aufgrund einer iiberdurchschnittlich hohen Komplexitat, niedrigen KompatibiHtat, erschwerten Kommunizierbarkeit und geringen Erprobbarkeit vor dem Kauf fiir potenzielle Kunden haufig nicht eindeutig erkennbar. Das hat einen negativen Einfluss auf den Adoptionsprozess und erhoht die Gefahr einer Innovationsresistenz. SchlieBlich konnte mit Hilfe der Theorie des wahrgenommenen Risikos gezeigt werden, dass sich aus vergleichsweise hohen negativen Kauffolgen und einer hohen Unsicherheit bzgl. des Eintrittes dieser Folgen ein vergleichsweise hohes wahrgenommenes Risiko hochgradiger Innovationen ableiten lasst. Daraus resultiert eine aufschiebende und blockierende Wirkung auf die Adoptionsentscheidung. Eine wichtige Konsequenz aus alien drei theoretischen Ansatzen besteht in der Bereitstellung geeigneter Informationen seitens des innovierenden Untemehmens. Insgesamt betrachtet konnte gezeigt werden, dass Informationen eine Schliisselrolle im Kontext hochgradiger Innovationen einnehmen. Die Reduktion von Unsicherheiten auf der Herstellerseite verlangt die Generierung von Informationen im Innovationsprozess, wahrend Unsicherheiten auf der Kundenseite durch eine Informationsbereitstellung reduziert werden konnen. (2) Wie wird Marktorientierung auf der Untemehmensebene konzeptualisiert und welche Erkenntnisse bestehen zum Erfolgseinfluss? Aufgrund deutlicher Parallelen zur Kundenorientierung auf der Projektebene wurde in der vorliegenden Arbeit auf den Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Unternehmensebene zuriickgegriffen. Es konnte gezeigt werden, dass trotz massiver Forschungsbemiihungen bis dato kein einheitliches Konstruktverstandnis vorliegt. Die Begriffe Markt- und Kundenorientierung werden in der Literatur z.T. synonym verwendet,
VI Zusammenfassung & Implikationen
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letztlich dominiert jedoch das breitere Verstandnis der Marktorientierung, nach dem Kundenorientierung eine Teilkomponente neben der Wettbewerber- und Umfeldorientierung darstellt. Es konnte gezeigt werden, dass marktorientiertes Verhalten als Konsequenz einer marktorientierten Kultur verstanden werden kann. Beide traditionellen Perspektiven der Marktorientierung haben damit inhaltlich ihre Berechtigung, jedoch wurden aus einer anwendungsorientierten Perspektive erhebliche Vorteile einer verhaltensorientierten Analyse der Marktorientierung deutlich. Aufbauend auf den traditionellen Ansatzen konnten neuere Perspektiven der Marktorientierung identifiziert werden und zwar die Betrachtung der Marktorientierung im Zusammenhang mit Konstrukten des Organisationalen Lemens sowie die Differenzierung zwischen reaktiven/marktgeleiteten und proaktiven/marktgestaltenden Formen der Marktorientierung. Ein besonders hohes Forschungspotenzial konnte der Integration lemorientierter und marktgestaltender Ansatze in die verhaltensorientierte Perspektive der Marktorientierung zugeschrieben werden. Bezogen auf das Teilkonstrukt der Kundenorientierung haben sich dabei zwei wesentliche Merkmale der Marktgestaltung herauskristallisiert und zwar die Notwendigkeit eines tiefen Verstandnisses der Kunden und ihrer Bediirfnisse sowie die aktive Beeinflussung (Schaffung bzw. Veranderung) von Kundenpraferenzen. Neben traditionellen und neueren Perspektiven der Marktorientierung wurde der Stand der Forschung zum Erfolgseinfluss der Marktorientierung analysiert. Vorliegende Synopsen und Metaanalysen berichteten insgesamt betrachtet einen positiven Erfolgseinfluss der Marktorientierung. Als kritisch envies sich jedoch, dass keine Differenzierung zwischen dem Einfluss des aggregierten Konstruktes der Marktorientierung und dem Einfluss der Teilkonstrukte vorgenommen wurde. Diesem Forschungsbedarf wurde in der vorliegenden Arbeit durch eine differenzierte Synopse empirischer Befunde nachgekommen. Dabei wurde u.a. deutlich, dass von den Teilkonstrukten Kunden- und Wettbewerberorientierung hinsichtlich Starke und/oder Richtung relativ haufig eine nicht kongruente Erfolgswirkung ausgeht. Insbesondere im Innovationskontext wurden sogar uberwiegend entgegengesetzte Effekte (tendenziell positive Einfliisse der Kundenorientierung und negative Einflusse der Wettbewerberorientierung) festgestellt. Daraus liefi sich schlussfolgem, dass die in der Forschung tiberwiegend vorgenommene Betrachtung der Marktorientierung als Gesamtkonstrukt nicht zielfiihrend ist. Bezogen auf Branchenmerkmale (z.B. Markt-/ Technologieturbulenz) konnte festgestellt werden, dass zwar haufig Moderatoreffekte vermutet werden, die vorliegende Befundlage jedoch als inkonsistent einzustufen ist. Gleichzeitig konnte aus empirischen Studien abgeleitet werden, dass Innovationen eine wichtige RoUe in der Beziehung zwischen Marktorientierung und Erfolg spielen (mediierender Einfluss). Aus der intensiven Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Untemehmensebene konnten vier konkrete Ansatzpunkte far die weitere Forschung ab-
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VI Zusammenfassung & Implikationen
geleitet werden: (1) Getrennte Betrachtung der Teilkonstrukte der Marktorientierung, (2) Situationsspezifische Konzeptualisierung, (3) Integration neuerer Perspektiven der Marktorientierung, (4) Senkung des Abstraktionsgrades sowie (5) Berucksichtigung des Innovationsgrades als Moderatorvariable. Diese Forderungen stellten die Ausgangsbasis der nachfolgenden Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen dar. (3) Was sind die zentralen Elemente des Konstruktes Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen? Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit bestand in der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Damit wurde ein Forschungsdefizit adressiert: Erste Beitrage haben sich zwar mit Teilaspekten der Beziehung zwischen Kundenorientierung und dem Neuigkeitsgrad einer Innovation beschafligt, eine ganzheitliche Konzeptualisierung des Konstruktes blieb jedoch aus. Zunachst wurde ein Basisverstdndnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen entwickelt. Es konnte gezeigt werden, dass der Ansatz der Marktorientierung auf der Untemehmensebene von KOHLl/ JAWORSKI (1990) eine geeignete Referenzbasis darstellt. Daruber hinaus wurde verdeutlicht, dass die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Hersteller- und Kundensicht konzeptionelle Anpassungen und Erweiterungen des Konzeptes verlangen. Generative Lemprozesse und Marktgestaltung wurden als wesentliche Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen identifiziert. AnschlieBend wurde das Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen konzeptualisiert. Die erste Saule der Kundenorientierung, Intelligence Generation, wurde als Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung definiert. Es konnte gezeigt werden, dass durch Aktivitaten der Innovationsmarktforschung Informationen zur Minimierung von Fehlentscheidungen erster und zweiter Art generiert werden konnen. Durch die Berticksichtigung nicht nur aktueller, sondem insbesondere auch latenter und zukiinftiger Bediirfhisse wurde dem marktgestaltenden VerstSndnis der Kundenorientierung Rechnung getragen. Darauf aufbauend wurden die Kriterien phasenspezifischer Einsatz, Methoden, Untersuchungsziele und Durchfuhrung der Innovationsmarktforschung als wesentliche Gestaltungsoptionen der Intelligence Generation defmiert. Ftir die zweite Saule der Kundenorientierung, Intelligence Dissemination, wurde aufgezeigt, dass hochgradige Innovationsprojekte eine Neudefmition des traditionellen Ansatzes von KOHLI/JAWORSKI (1990) verlangen. Es wurde in Frage gestellt, dass eine ausreichende Kundenorientierung durch (1) eine reine Informationsweitergabe vom Marketing-Bereich an den F&E-Bereich und (2) eine rein passiv gepragte Rolle der Kunden ge-
VI Zusammenfassung & Implikationen
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wahrleistet werden kann. Es wurde argumentiert, dass hochgradige Innovationen zur Generierung kundenbezogener F&E-Informationen und zur Forderung generativer Lemprozesse eine Integration ausgewdhlter Kunden in den Innovationsprozess verlangen. Im Rahmen einer Abgrenzung wurde Intelligence Generation als eine Form des herstellerdominierten Innovationsprozesses (MAP-Paradigma; VON HIPPEL 1978a) und Intelligence Dissemination in Anlehnung an das Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1981) als eine Form der intensiven Hersteller-Kunden-Interaktion konzeptualisiert. Als wesentliche Gestaltungsoptionen der Intelligence Dissemination wurden der phasenspezifische Einsatz der Kundenintegration, Rollen/Funktionen der integrierten Kunden im Innovationsprozess und Eigenschaften der integrierten Kunden festgelegt. Auch die dritte Saule der Kundenorientierung, Responsiveness, verlangte im Kontext hochgradiger Innovationen eine Neudefinition. Es konnte gezeigt werden, dass die Ausrichtung der Innovationstatigkeit am Kunden nicht nur auf der Seite des innovierenden Untemehmens, sondem auch auf der Seite potenzieller Kunden die Reduktion von Unsicherheiten erfordert. In Anlehnung an marktgestaltende Ansatze der Kundenorientierung und den Beitrag von SANDBERG (2002) wurde Responsiveness als Wissenstransfer durch Marktvorbereitung konzeptualisiert. Dabei wurden als zwei wesentliche Bestandteile der Marktvorbereitung die Schaffung eines Bewusstseins fiir die Innovation und die Vermittlung von Wissen an potenzielle Kunden identifiziert. Daran angelehnt wurden geeignete MaBnahmen der Marktvorbereitung bei hochgradigen Innovationen abgeleitet. Insgesamt betrachtet stellen folgende drei Saulen die zentralen Elemente der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen dar: 1. Intelligence Generation: Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung; 2. Intelligence Dissemination: Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess; 3. Responsiveness: Wissenstransfer durch Marktvorbereitung. (4) Durch welche Merkmale ist die Kundenorientierung deutscher Unternehmen in hochgradigen Innovationsprojekten geprdgt? Mit Hilfe personlicher Interviews, die im Rahmen der Forschungskooperation Innovationskompass durchgeftihrt wurden (n=103 hochgradige Innovationsprojekte), konnte eine empirische Bestandsaufnahme durchgeftihrt werden. Im Rahmen der Intelligence Generation zeigte sich, dass in iiber Dreiviertel der Projekte Innovationsmarktforschung betrieben wurde. Insgesamt dominierte der Einsatz primaranalytischer, qualitativer und formaler Ansatze der Innovationsmarktforschung und als Erhebungsquelle dienten vorrangig Kunden. Spezifische Marktforschungsmethoden, die in der Literatur im Kontext hochgradiger Innovationen empfohlen werden, wie z.B. das Empathische Design oder Information Acceleration, kamen nicht zum Einsatz. Die Wirksamkeit der Marktforschungs-
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VI Zusammenfassung & Implikationen
aktivitaten wurde durch die Informanten insgesamt betrachtet sehr positiv eingestuft. Intensive Kundengesprache, ExpertenbefragungZ-gesprache und interne Marktforschungsaktivitaten erzielten im Vergleich zu qualitativen und quantitativen Kundenbefragungen und Sekundarmarktforschung signifikant hohere Werte in der Gesamtbewertung. In 86 % der untersuchten Projekte wurden Kunden in den Innovationsprozess in einer Art und Weise integriert, die tiber Innovationsmarktforschung hinausgeht {Intelligence Dissemination). Die ausgewahlten Kunden nahmen iiberdurchschnittlich intensiv die Funktionen Vermarkter und Berater und unterdurchschnittlich die Funktionen Partner und Initiator wahr. Dartiber hinaus zeigte sich im Sample eine uberdurchschnittlich hohe Auspragung der Kundeneigenschaften Vertrauenswiirdigkeit und trendanfuhrend in der Branche. Die Aktivitaten der Kundenintegration wurden durch die Informanten im Mittel sehr positiv bewertet. Im Vergleich zeigte sich, dass aus Sicht der Informanten durch Aktivitaten der Kundenintegration starker neue Informationen generiert werden konnten als durch Aktivitaten der Innovationsmarktforschung. Im Rahmen der Responsiveness, Wissenstransfer durch Marktvorbereitung, zeigte sich, dass Aktivitaten der Wissensvermittlung bezogen auf den relativen Vorteil und die Kompatibilitat der Innovation im Mittel deutlich intensiver eingesetzt wurden als Aktivitaten zur Schaffiing eines Bewusstseins fur die Innovation und zur Vermittlung von Wissen bezogen auf das wahrgenommene Risiko. Mit Mittelwerten von iiber 5,0 (auf einer Skala von 1 bis 7) besonders stark eingesetzt wurden Produktdemonstrationen, eine intensive personliche Interaktion mit den Zielkunden, eine intensive Kommunikation des relativen Vorteils, Pilotanlagen/Referenzkunden und eine direkte Ansprache von Meinungsfuhrem. Dartiber hinaus zeigte sich, dass in ca. der Halfte der Projekte das Instrument der Produktvorankundigung verwendet wurde. Insgesamt betrachtet konnte in alien drei Saulen der Kundenorientierung ein hohes bis sehr hohes Aktivitatslevel in der Praxis festgestellt werden. Das Konzept der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen konnte damit aus einer praxisorientierten Perspektive eine erste Bestatigung fmden. (5) Inwieweit Idsst sich ein Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen theoretisch sowie auf Basis der konzeptionellen und empirischen Literatur ableiten? Von der empirischen Bestandsaufnahme unterschieden wurde die Frage des Einflusses der Kundenorientierung auf den Erfolg hochgradiger Innovationsvorhaben. Entsprechend der Methodik der realitatsorientierten Forschung wurde dazu zunachst emeut eine theoretische Perspektive eingenommen. Mit Hilfe des ressourcenbasierten Ansatzes konnte gezeigt werden, dass Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen die Entwicklung neuer
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Kundenkompetenzen fordert und damit als dynamische Marketing-Fahigkeit verstanden werden kann. Durch die Erfullung der vier Ressourcenbedingungen (Nicht-Imitierbarkeit, Untemehmensspezifitat, Nicht-Substituierbarkeit und Fahigkeit zur Nutzenstiftung am Markt) beinhaltet Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen grundsatzlich Potenzial zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils. Neben der intemen, ressourcenbasierten Perspektive wurde die exteme Ressourcenabhdngigkeitsperspektive herangezogen. Anhand der Kriterien Wichtigkeit der Ressource, Verfugungsgewalt iiber die Ressource und Konzentration der Ressourcenkontrolle konnte hergeleitet werden, dass bei hochgradigen Innovationen eine hohe Abhangigkeit innovierender Untemehmen von der extemen Interessensgruppe der Kunden besteht. Gleichzeitig wurde aufgezeigt, dass Kundenorientierung als eine Moglichkeit der Abhangigkeitsreduktion und damit als eine ,bridging strategy' verstanden werden kann. Insgesamt betrachtet konnte sowohl auf der Basis des ressourcenbasierten Ansatzes als auch der Ressourcenabhangigkeitsperspektive die Basishypothese eines positiven Erfolgseinflusses der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen abgeleitet werden. Dariiber hinaus konnte jeweils gezeigt werden, dass von einem positiv moderierenden Einfluss des Innovationsgrades ausgegangen werden kann. Neben einer theoretischen Diskussion des Erfolgseinflusses wurden vorliegende Befunde aus der konzeptionellen und empirischen Literatur herangezogen. Auf der Basis einer Metasynopse konnte zunachst festgestellt werden, dass die allgemeine Erfolgsfaktorenforschung die Vorteilhaftigkeit einer Kundenorientierung im Innovationsprojekt grundsatzlich bestatigt, wobei der Erfolgseinfluss der Kundenintegration differenziert betrachtet werden muss. Darauf aufbauend wurden Befunde im Kontext hochgradiger Innovationen fokussiert. Aufgrund ihres hohen Anteils in der Literatur wurden zunachst konzeptionelle Beitrage systematisch aufbereitet. Es wurde deutlich, dass die im Kontext der Kundenorientierung haufig angefuhrte ,Gefahr des Inkrementalismus' mit drei spezifischen Problemen der Informationsermittlung (u.a. mangelndes Verstandnis hochgradiger Innovationskonzepte seitens der Zielkunden) begriindet wird. Darauf aufbauend konntQn funf Kategorien an konzeptionellen Empfehlungen zur Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten identifiziert werden: 1. Keine Kundenorientierung (in friihen Phasen), 2. Besonders intensive Kundenorientierung, 3. Einbindung von (Quasi-) Experten, 4. Differenzierung zwischen Bediirfnissen und Losungen und 5. Einsatz innovativer Methoden der Kundenorientierung (z.B. ethnografische Methoden und Simulationsmethoden). Von der kontroversen, konzeptionellen Diskussion zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen wurden empirische Befunde unterschieden. Im Bereich empirischer Studien auf der Unternehmensebene konnte gezeigt werden, dass der im Kontext der ,Ge-
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fahr des Inkrementalismus' haufig zitierte qualitative Ansatz der Forschergruppe um CHRISTENSEN (Z.B. CHRISTENSEN/BOWER 1996) kritisch hinterfragt werden muss. Neben der Notwendigkeit der Differenzierung zwischen dem Grad der Disruptivitat und dem Innovationsgrad wurde deutlich, dass das innovator's Dilemma' weniger auf einer zu starken Kundenorientierung als auf einem zu engen Verstandnis des Konzeptes der Kundenorientierung beruht. Daneben konnte auf der Untemehmensebene gezeigt werden, dass quantitative Studien iiberwiegend die ,Gefahr des Inkrementalismus' nicht stutzen konnen, wenige vorhandene Studien auf einen positiven Einfluss der Kundenorientierung auf hochgradige Innovationen hinweisen und zum moderierenden Einfluss des Innovationsgrades kein eindeutiges Ergebnis vorliegt. AnschlieBend wurden empirische Studien zur Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten (Projektebene) fokussiert. Dabei wurde deutlich, dass hochgradige Innovationsprojekte eine hohe Intensitdt der Kundenorientierung verlangen. Aus vorliegenden empirischen Beflinden konnte die Erfolgsrelevanz einer intensiven Innovationsmarktforschung, einer intensiven Kundenintegration sowie einer intensiven Marktvorbereitung abgeleitet werden. Dariiber hinaus zeigten sich in alien drei Saulen der Kundenorientierung Hinweise zu einem positiven Moderatoreffekt des Innovationsgrades. Darauf aufbauend konnten die theoretisch abgeleiteten Basishypothesen prazisiert werden: Basishypothese l:Die Intensitdt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen hat einen positiven Einfluss auf den Erfolg, Basishypothese 2:Mit zunehmendem Innovationsgrad steigt der positive Erfolgseinfluss der Intensitdt der Kundenorientierung (positiver Moderatoreffekt), Deutlich wurde ein Forschungsbedarf zur integrierten Uberprufung dieser Hypothesen unter Beachtung der mehrdimensionalen Struktur des Innovationsgrades. Die dargestellten und diskutierten Befunde stammten groBtenteils aus qualitativen Studien bzw. bezogen sich lediglich auf Teilaspekte der Kundenorientierung und beriicksichtigen nicht die komplexe Struktur des Innovationsgrades. (6) Inwieweit Idsst sich ein Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen im Rahmen einer integrierten Betrachtung empirisch bestdtigen? Die theoretisch abgeleiteten und konzeptionell/empirisch prazisierten Basishypothesen wurden im Rahmen dieser Arbeit einer integrierten Uberprufung unterzogen. Dazu wurde basierend auf den bisherigen Erkenntnissen der Arbeit eine aktivitatenbasierte Operationalisierung der Intensitat der Kundenorientierung vorgenommen. Mit Hilfe moderierter Regressionsanalysen (Datenbasis: Innovationskompass) konnte die Basishypothese 1 partiell bestdtigt und die Basishypothese 2 bestdtigt werden. Das heiBt, es liegen erste Hin-
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weise vor, dass die Intensitat der Kundenorientierung einen positiven Einfluss auf den Erfolg hochgradiger Innovationsprojekte hat und die Erfolgsbedeutung mit zunehmendem Innovationsgrad steigt. Dabei zeigte sich, dass der Einfluss der drei Saulen der Kundenorientierung in Abhangigkeit der verwendeten Erfolgskriterien variiert. Wahrend z.B. ein positiver Einfluss intensiver Innovationsmarktforschung auf den finanziellen Erfolg nachgewiesen werden konnte, zeigte sich eine Steigerung des technischen Erfolges durch eine intensive Kundenintegration. Bei den Ergebnissen gih es jedoch zu berucksichtigen, dass aufgrund der Betrachtung relativ aktueller Projekte sich eventuelle Wirkungsverzogerungen ggf. noch nicht haben niederschlagen konnen. Die empirischen Beflinde bestatigen die aus dem ressourcenbasierten Ansatz und der Ressourcenabhangigkeitsperspektive theoretisch abgeleiteten Hypothesen. Danach tragt Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zum einen zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils bei und stellt zum anderen eine geeignete ,bridging strategy' zur Bewaltigung der Abhangigkeit von den Kunden dar. Daruber hinaus wurden zwei ergdnzende Fragestellungen empirisch untersucht. Zum einen wurde der Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad analysiert. Bis auf die Dimension Technologieinnovationsgrad, bei der ein positiver Einfluss der Kundenintegration festgestellt werden konnte, konnte kein wesentlicher Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad festgestellt werden. Damit konnte die haufig in der konzeptionellen Literatur angefiihrte ,Gefahr des Inkrementalismus' durch die vorliegenden Daten entkraftet werden. Zum anderen wurde mit Hilfe von Diskriminanzanalysen der Erfolgseinfluss spezifischer Eigenschaflen integrierter Kunden untersucht. Dabei konnte eine hohe Erfolgsrelevanz der Vertrauenswiirdigkeit (Erfolg Phase 1) und der Meinungsfuhrerschaft in der Branche (Erfolg Phase 1 und 2) festgestellt werden. Einen deutlich schwacheren Erfolgseinfluss zeigten die Merkmale Reprasentativitat fur den Gesamtmarkt (Erfolg Phase 1) und trendanfuhrend in der Branche durch eine friihzeitige Innovationsbedarfserfassung (Erfolg Phase 1 und 2). Kein Einfluss konnte fiir die Merkmale technische Kompetenz und potenzieller GroBabnehmer nachgewiesen werden.
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12 Implikationen der Arbeit Die vorliegende Arbeit hat sich mit dem Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen beschaftigt. Es wurden sechs Forschungsfragen formuliert, deren Beantwortung einen wesentlichen Beitrag zum Verstandnis des Phanomens lieferte. Aus den gewonnenen Erkenntnissen konnen interessante Ansatzpunkt fur die weitere Forschung (12.1) und Handlungsempfehlungen fur die Praxis (12.2) abgeleitet werden. 12.1 Implikationen fiir die Forschung Die vorliegende Arbeit zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen lasst sich in die Forschungsbereiche (1) Markt-/Kundenorientierung und (2) Erfolgsfaktoren von Innovationen einordnen. Die Arbeit erganzt die wissenschaftliche Literatur hinsichtlich folgender fiinf wesentlicher Aspekte: (1) Betrachtung der Projektebene: Im Forschungsbereich der Markt-/Kundenorientierung dominierte bis dato die Betrachtung des aggregierten Konstruktes der Marktorientierung auf der Untemehmensebene. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde das Teilkonstrukt der Kundenorientierung auf der Projektebene fokussiert. Dabei wurde der Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) unter Berucksichtigung neuerer Perspektiven der Marktorientierung auf die Projektebene iibertragen. Damit konnte der Forderung einer Senkung des Abstraktionsgrades nachgekommen werden, die sowohl im Forschungsbereich der Marktorientierung als auch im Bereich der Erfolgsfaktorenforschung in den vergangenen Jahren verstarkt formuliert wurde (MASON/HARRIS 2005, S. 385; NICOLAI/KIEFER 2002, S. 588). (2) Berucksichtigung des Kontextfaktors Innovationsgrad: Ebenfalls in beiden Forschungsbereichen konnte als ein wesentlicher Kritikpunkt die Vemachlassigung von Kontextfaktoren identifiziert werden (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; ERNST 2002, S. 33). In der vorliegenden Arbeit wurde der Innovationsgrad als Kontextfaktor in zweifacher Weise beriicksichtigt und zwar zum einem im Rahmen der situationsspezifischen Konzeptualisierung der Kundenorientierung fur hochgradige Innovationen und zum anderen durch die Berucksichtigung der moderierenden Rolle des Innovationsgrades. (3) Theoretische Begriindung der Ursache-Wirkungs-Beziehung: In der Forschung zur Marktorientierung und in der Erfolgsfaktorenforschung dominierten in der Vergangenheit Ansatze ohne eine ausreichende theoretische Untermauerung (LANGERAK et al. 2004a, S. 80; HAENECKE 2002, S. 166). Dieses Forschungsdefizit wurde in der vorliegenden Arbeit adressiert, indem mit Hilfe des ressourcenbasierten Ansatzes und der Ressourcenabhangigkeitsperspektive eine fundierte theoretische Hypothesenableitung vorgenommen wurde.
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(4) Systematische Aufarbeitung des konzeptionellen und empirischen Forschungsstandes'. Kundenorientierung wird im Kontext hochgradiger Innovationen in der Literatur sehr kontrovers diskutiert, wobei tendenziell undifferenzierte Argumentationen auf der Basis selektiver Befunde dominieren. In der vorliegenden Arbeit wurde dem Forschungsdefizit einer umfassenden und systematischen Aufarbeitung und Diskussion des Forschungsstandes nachgekommen. Dabei wurde neben der empirischen auch die konzeptionelle Literatur beriicksichtigt. (5) Integrierte Uberprufung der theoretisch und konzeptionell/empirisch abgeleiteten Hypothesen: Vorliegende qualitative Befunde bzw. Teilbefunde zur Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten wurden erstmaUg im Rahmen einer integrierten, quantitativen Betrachtung untersucht. Eine strenge Selektion der Vorhaben nach ihrem Innovationsgrad fuhrte zu einer Stichprobe hochgradiger (moderat innovativer bis radikaler) Innovationen (n=103). Im Rahmen der personlichen Interviews konnten umfangreiche und detaillierte EinbUcke in das Innovationsmanagement gewonnen werden. Die Messung des Innovationsgrades als komplexes, mehrdimensionales Konstrukt basierte auf dem aktuellen Forschungsstand. Durch die Einstufung der abhangigen und unabhangigen Variablen durch unterschiedliche Schliisselinformanten wurde der in der Erfolgsfaktorenforschung und im Bereich der Marktorientierung verstarkt formulierten Forderung nach Kontrolle des Single-Informant-Bias (MATSUNO et al. 2005, S. 7; BROWN/EISENHARDT 1995, S. 353) nachgekommen.
Insgesamt betrachtet kann abgeleitet werden, dass die vorliegende Arbeit aus inhaltlicher, theoretischer und methodischer Sicht einen wichtigen Beitrag zum Verstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen liefert. Der dieser Arbeit zugrunde liegende Ansatz der realitatsorientierten Forschung bzw. des wissenschaftlichen Realismus akzeptiert im Gegensatz zum kritischen Rationalismus (POPPER 1934) das Verifikationsprinzip. Dabei wird jedoch nicht unterstellt, dass ein positiv ausfallender Hypothesentest gesichertes theoretisches Wissen darstellt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass wissenschaftliche Arbeiten sich in einem kumulativen Forschungsprozess den wahren Gegebenheiten der Realitat annahem (HUNT 1990, S. 9 f.).
Sinnvolle Ansatzpunkte weitergehender Forschung stellen Limitationen der vorliegenden Arbeit dar. Eine Limitation betrifft die Erhebung verbaler, retrospektiver Daten. Damit verbundene Probleme wie Erinnerungsverluste und Uberlagerungen wurden durch den Fokus auf relativ aktuelle Projekte minimiert. Nicht gelost werden konnte jedoch das Problem, dass auf der einen Seite Projektmitarbeiter und -leiter besonders kompetente Informanten darstellen, auf der anderen Seite eine hohe Involvierung und Identifikation mit dem Projekt sich jedoch negativ auf die Objektivitat auswirken kann. Ein Ansatzpunkt fiir die weitere Forschung
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konnte QIUQ prozessbegleitende Erhebung darstellen, bei der die Objektivitat z.B. durch Beobachtungen erhoht werden konnte. Ein weiterer Ansatzpunkt zukiinftiger Forschungsarbeiten stellt der Querschnittscharakter der empirischen Untersuchung dar. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. NOBLE et al. 2002) dominieren im Forschungsbereich der Markt-/Kundenorientierung zwar Querschnittanalysen, die Durchfuhmng von Langsschnittanalysen wird jedoch vermehrt gefordert (HURLEY et al. 2005, S. 282). Kundenorientierung kann insbesondere im Bereich hochgradiger Innovationen mit verhaltnismafiig langen Wirkungsverzogerungen einhergehen (ZHOU et al. 2005, S. 55). Es lasst sich ableiten, dass die Zuverlassigkeit und Giiltigkeit der Aussagen durch langfristige Erhebungszeitraume (mindestens 3 bis 5 Jahre) gesteigert werden kann. Dariiber hinaus kann auf diese Weise die zeitliche Stabilitat des Erfolgsfaktors Kundenorientierung bei veranderten Untemehmens- und Umweltsituationen iiberpriift werden. Durch Langsschnittanalysen konnte auch die im Rahmen dieser Arbeit mit Einschrdnkungen verbundene Erfolgsmessung verbessert werden. Der Erfolg hochgradiger Innovationsprojekte ist vor bzw. erst kurz nach der Markteinfuhrung verhaltnismafiig schwierig abzuschatzen (O'CONNORA^ERYZER 2001, S. 234). Die Verlangerung des Erhebungszeitraumes iiber mehrere Jahre bietet den Vorteil, dass ggf. bereits erste objektive Erfolgsdaten (z.B. Marktanteil, Gewinn/Rendite) vorliegen und extrapoliert werden konnen. Altemativ konnte eine verbesserte Erfolgsmessung in zukunftigen Studien durch eine exteme Validierung der subjektiven Erfolgseinstufungen der Schliisselinformanten z.B. durch Experten aus Branchenverbanden bzw. Banken erzielt werden. Eine weitere Limitation dieser Arbeit stellt die Struktur und die Anzahl der Items dar, die im Rahmen der Erfolgsiiberprufung herangezogen werden konnten. Die Konstruktmessung wurde durch das Design des Forschungsprojektes Innovationskompass determiniert. Gemessen an dem explorativen Charakter der Untersuchung stellt die auf der Basis einer umfangreichen Literaturanalyse entwickelte, aktivitatenbasierte Operationalisierung der Intensitat der Kundenorientierung einen interessanten ersten Messansatz dar. Eine detaillierte Skalenbildung steht jedoch noch aus. Weitere Untersuchungen in diesem Forschungsfeld konnten basierend auf den Erkenntnissen der Arbeit ein verfeinertes Instrumentarium zur Messung der Intensitat der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen entwickeln. Interessant erscheint dabei vor allem, die lemorientierten und marktgestaltenden Aspekte der Kundenorientierung zu prazisieren. Durch eine verfeinerte Operationalisierung in Verbindung mit einem ausreichenden Stichprobenumfang konnten die abgeleiteten Hypothesen kausalanalytisch (z.B. auf der Basis von LISREL oder PLS) iiberpriift werden. Die Befiinde der vorliegenden Arbeit sind nur auf die untersuchte Population generalisierbar. Ansatzpunkte fiir weitergehende Forschung betreffen die Ubertragbarkeit der Ergebnisse auf
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andere Bereiche. Bezogen auf unterschiedliche Innovationsarten konnte eine Ubertragung auf Dienstleistungs- oder Prozessinnovationen bzw. auf inkrementale Innovationen in Betracht gezogen werden. Aufgrund der situationsspezifischen Konzeptualisierung des Konstruktes der Kundenorientierung erscheint eine Ubertragung der Erkenntnisse auf inkrementale Innovationsprojekte jedoch nicht legitim. Es stellt sich die Frage, ob vor dem Hintergrund einer nur marginalen Produktanderung (und der damit einhergehenden, vergleichsweise geringeren Unsicherheiten sowohl auf Hersteller- als auch auf Kundenseite) der erhohte Aufwand einer intensiven Kundenorientierung gerechtfertigt ist. GemaB des Verstandnisses der optimalen Kundenorientierung kann vermutet werden, dass die Grenzkosten einer intensiven Kundenorientierung die Grenzerlose in diesem Fall iibersteigen. Interessant ware eine Untersuchung dieser Vermutung mit Hilfe eines Samples, das das gesamte Kontinuum des Innovationsgrades von inkrementalen bis radikalen Innovationen ausschopft. Aufgrund der Komplexitat des Themas waren dem Bezugsrahmen der Arbeit natiirliche Grenzen gesetzt. Folgende nicht berucksichtigte,']Qdoc\ipotenziell relevante Aspekte der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen konnten interessante Ansatzpunkte fiir die zukiinftige Forschung darstellen: • Sdulenspeziflsche Fokussierung: In der vorliegenden Arbeit wurde Kundenorientierung als ganzheitliches Konzept betrachtet, wodurch nicht alle potenziell relevanten Aspekte innerhalb der drei Saulen der Kundenorientierung untersucht werden konnten. Im Rahmen der Intelligence Generation musste z.B. offen bleiben, inwieweit der Zeitpunkt einer intensiven Marktforschung einen Erfolgseinfluss hat. Im Bereich der Intelligence Dissemination haben die Ergebnisse gezeigt, dass eine moglichst intensive Zusammenarbeit mit ausgewahlten Kunden den Erfolg positiv beeinflusst. Weiterfiihrende Studien konnten sich basierend auf den Erkenntnissen der Kooperationsforschung mit der Ausgestaltung dieser Form der Kooperation beschaftigen. Im Rahmen der Responsiveness ware eine Beantwortung der Frage aufschlussreich, ab welchem Zeitpunkt spezifische MaBnahmen der Marktvorbereitung eingesetzt werden soUten. • Industriespezifische Prdzisierung des 3-Sdulen-Modells der Kundenorientierung: Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde ein industrietibergreifender Ansatz gewahlt und es wurden sowohl BtoB- als auch BtoC-Innovationen betrachtet. Auch wenn in vergangenen Studien keine gmndlegenden Unterschiede bezogen auf eine Orientierung am Markt (z.B. HOMBURG et al. 1999, S. 11) bzw. Innovationsmanagement-Aktivitaten (HULTINK/ROBBEN 1999, S. 552) festgestellt werden konnten, so konnte es trotzdem interessant sein, die gewonnenen Erkenntnisse industriespezifisch zu prazisieren. • Integration weiterer, potenzieller Moderatorvariablem In dieser Arbeit konnte der Innovationsgrad als relevante Moderatorvariable der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen identifiziert werden. Zukiinfte Studien konnten die moderierende Wirkung
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der Disruptivitdt der Innovation (CHRISTENSEN 2006) untersuchen. Aus den Definitionsmerkmalen disruptiver Innovationen (u.a. Leistungsfahigkeit reicht zunachst nicht an das Leistungsmaximum bestehender Losungen heran) lassen sich Konsequenzen fur die Erfolgswirkung der Kundenorientiemng ableiten. Interessant ware es auch, die Rolle der Professionalitdt der Durchfuhrung der Aktivitdten, der Interpretation der generierten Informationen bzw. der Nutzung/Verwendung der Informationen zu untersuchen. SchlieBlich konnte man in einem intemationalen Kontext Auswirkungen kultureller Unterschiede auf die Erfolgsrelevanz der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen analysieren. Dyadische Betrachtung der Kundenorientiemng: Interessant erscheint die zusatzliche Benicksichtigung der Perspektive der Kunden durch einen dyadischen Forschungsansatz. Neben einem Vergleich der Einstufung des Innovationsgrades seitens der Anbieter und ihrer Kunden lasst sich vor allem ein Erkenntnisgewinn fiir die dritte Saule der Kundenorientiemng, die Responsiveness, erwarten. Es konnte auf diese Weise uberpriift werden, inwieweit Aktivitaten der Marktvorbereitung auf der Seite des Kunden wahrgenommen und Unsicherheiten reduziert werden. Neben dem erhebhchen Mehraufwand eines solchen Ansatzes gilt es jedoch auch zu berucksichtigen, dass Anbieter Vorbehalte gegen eine Befragung ihrer Kunden haben konnten (BONNEI^WALKER 2004, S. 160). Beriicksichtigung von Determinanten der Kundenorientiemng: Die Kenntnis der Determinanten der Kundenorientiemng erleichtert die Implementiemng des Konzeptes in der Praxis. Es stellt sich die Frage, inwieweit durch organisatorische Faktoren (wie z.B. eine kundenorientierte Personalauswahl und -entwicklung) sowie durch entsprechende Anreiz- und Belohnungssysteme Kundenorientiemng im Innovationsprojekt gefordert werden kann. Zukiinftige Studien konnten daruber hinaus in einem Multi-Ebenen-Modell (HOMBURG/ PFLESSER 2000) Werte und Normen als kulturelle Antezedenzen der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen modellieren. Modellierung eines Gesamtmodells der Projektausrichtung: Kundenorientiemng kann als eine strategische Ausrichtung im Innovationsprojekt verstanden werden. Da das Konstmkt nur einen begrenzten Ausschnitt der Projektausrichtung darstellt, kann es auch nur fiir einen Teil des Innovationserfolges verantwortlich sein. Interessant ware es, Kundenorientiemng anderen Konzepten wie z.B. der Wettbewerberorientiemng (KNACK 2006), der Technologic- bzw. Innovationsorientiemng (GATIGNON/XUEREB 1997; MANU/SRIRAM 1996)
Oder der untemehmerischen Orientiemng (ATUAHENE-GIMA/KO 2001; MILES/ARNOLD 1991) gegeniiberzustellen.
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12.2 Implikationen fiir die Praxis Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse belegen die Bedeutung der Kundenorientierung ftir den Erfolg hochgradiger Innovationsprojekte. Hochgradige Innovationen sind sowohl auf der Hersteller- als auch auf der Kundenseite mit erheblichen Informationsdefiziten verbunden. Zum erfolgreichen Management entsprechender Innovationsprojekte ist es notwendig, sich an den Zielkunden zu orientieren. Folgender konkreter Nutzen fur die Praxis lasst sich aus den Erkenntnissen der Arbeit ableiten: (1) Drei-Sdulen-Modell zur Orientierung der Umsetzung der Kundenorientierung im Innovationsprojekt Die vorliegende Arbeit liefert ein praxisorientiertes Konzept zur Umsetzung eines kundenorientierten Innovationsmanagement bei hochgradigen Innovationen. Die systematisch hergeleiteten Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Hersteller- und Kundensicht konnen als Checkliste zur Unsicherheitsidentifikation und -reduktion herangezogen werden. Das entwickelte Drei-Saulen-Modell der Kundenorientierung und die darauf aufbauenden Gestaltungsoptionen der Innovationsmarktforschung, Kundenintegration und Marktvorbereitung konnen zur Entscheidungsvorbereitung, -durchftihrung und -kontrolle eingesetzt werden. Manager hochgradiger Innovationsprojekte konnen so sicherstellen, dass die Innovationstatigkeiten im Projekt an den Zielkunden ausgerichtet werden. (2) Identifikation der Kundenorientierung als Erfolgsfaktor im Management hochgradiger Innovationsprojekte Insgesamt betrachtet widersprechen die Ergebnisse dieser Arbeit Beitragen, die sich gegen eine Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen aussprechen. Die Forderung, auf die Generierung kundenbezogener Informationen in hochgradigen Projekten zu verzichten bzw. sogar potenzielle Kunden ,zu ignorieren' (MARTIN 1995, S. 83), muss entschieden zuriickgewiesen werden. Es konnte gezeigt werden, dass Kritiker der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (insb. CHRISTENSEN 2003) vielfach ein zu enges Verstandnis des Konzeptes aufweisen: Kundenorientierung bezieht sich nicht nur auf aktuelle Bediirfnisse gegenwartiger Kunden, sondem insbesondere auch auf latente und zukiinftige Bedurfnisse potenzieller Kunden. Fur ein weites Verstandnis der Kundenorientierung als lemorientierter und marktgestaltender Ansatz konnte ein positiver Einfluss auf den Erfolg hochgradiger Innovationen festgestellt werden. Dariiber hinaus hat sich gezeigt, dass der Erfolgseinfluss mit zunehmendem Innovationsgrad steigt (positiver Moderatoreffekt). Das heiBt, vor allem radikale Innovationsprojekte profitieren von einer Orientierung an den Zielkunden. Das ist eine Erkenntnis, die sich in der Untemehmenspraxis bis dato noch nicht durchgesetzt hat. Ins-
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besondere in Hochtechnologie-Untemehmen ist eine kritische Einstellung gegeniiber dem Konzept der Kundenorientierung relativ weit verbreitet. Die Beflinde der vorliegenden Untersuchung konnen genutzt werden, um Kritiker vom Gegenteil zu iiberzeugen. (3) Handlungsempfehlungen zur Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten Die Kontroverse zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen basiert u.a. auf Informationsdefiziten in der Praxis: „(...) managers are partly to blame fort his controversy because they do not know how to interact with customers and obtain input from them correctly." (ALAM 2006, S. 471)
Die Erkenntnisse dieser Arbeit konnen als konkrete Handlungsempfehlungen fiir die Praxis genutzt werden. Kundenorientierung konnte als ein wesentlicher Erfolgsfaktor hochgradiger Innovationsprojekte identifiziert werden. Deutlich wurde jedoch auch, dass es sich nicht um ,irgendeine' Form der Kundenorientierung handeln sollte. Hochgradige Innovationen verlangen eine hohe Intensitdt der Kundenorientierung. Durch eine intensive, vor allem auf qualitativen und innovativen Methoden basierende Innovationsmarktforschung konnen Probleme der Ermittlung kundenbezogener Informationen reduziert und auch latente und zukiinftige Kundenbedurfnisse identifiziert werden. Die Erfullung dieser Bediirfhisse manifestiert sich in einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, was sich positiv auf den Umsatz und/oder die Kosten und damit auf den fmanziellen Erfolg auswirkt. Ein konkreter Handlungsbedarf wurde insofem deutlich, als das den groBten Anteil der fur das Projekt wichtigsten Markforschungsaktivitaten nicht qualitative, primaranalytische Methoden, sondem Aktivitaten der Sekundarmarktforschung eingenommen haben. Entwicklungspotenzial zeigte sich dariiber hinaus in der Anwendung spezifischer, innovativer Methoden der Kundenorientierung. Viele der dargestellten Methoden (z.B. Empathisches Design, Kundenidealisiertes Design) lassen sich verhaltnismaBig einfach implementieren, so dass die im Rahmen der empirischen Bestandsaufnahme festgestellte sehr eingeschrankte Diffusion in der Praxis erstaunt. Der technische Erfolg einer Innovation lasst sich vor allem durch eine intensive Integration ausgewdhlter Kunden und damit verbundene generative Lemprozesse steigem. Da sich durch eine intensive Kundenintegration auch der Technologieinnovationsgrad erhohen lasst, kann der Innovationsgrad als eine beeinflussbare Variable im Innovationsprozess verstanden werden. Handlungsbedarf wurde insofem deutlich, als dass die intensivste Form der Kundenintegration, die Einbindung von Kunden als Partner, unterdurchschnittlich stark in der Stichprobe ausgeprSgt war. Projektmanager sollten gmndsatzlich nicht undifferenziert eine Zusammenarbeit mit Kunden etablieren, sondem auf die Erfiillung spezifischer Merkmale achten. Die im Rahmen dieser Untersuchung identifizierten Kunden-Eigenschaften (z.B. Meinungsflihrerschaft, Vertrauenswiirdigkeit) konnen als
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phasenspezifische Such-Heuristik fiir die Identifikation und Selektion geeigneter Kunden eingesetzt werden. Durch eine intensive Marktvorbereitung konnen Kundenpraferenzen beeinflusst werden. Wie sich in der vorliegenden Untersuchung herausgestellt hat, lasst sich damit insbesondere bei radikalen Innovationen der Image- und Kompetenzgewinn steigem. Im Rahmen der Konzeptualisierung wurde zwischen Aktivitaten zur Schaffling eines Bewusstseins fiir die Innovation und zur Vermittlung von Wissen bezogen auf den relativen Vorteil der Innovation, die Kompatibilitat und das wahrgenommene Risiko unterschieden. In Anlehnung an die spezifischen Eigenschaften einer Innovation konnen gezielte Schwerpunkte gesetzt werden. Die dargestellten Ergebnisse konnen als Leitlinien der Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten herangezogen werden. Eine nachhaltige Umsetzung des Konzeptes verlangt dariiber hinaus eine aktive Unterstiitzung durch das Top-Management. Die Interpretation der Niitzlichkeit von Informationen unterliegt sog. ,thought worlds', mentalen Schemata, die stark durch den flinktionalen Hintergrund eines Individuums gepragt sind (DOUGHERTY 1992, S. 181). Da in Hochtechnologie-Untemehmen Leitungsfunktionen i.d.R. mit Mitarbeitem aus technischen Bereichen besetzt sind (ROCHFORD/RUDELIUS 1997, S. 82), wird Marketing haufig nicht genug Bedeutung beigemessen (VAZQUEZ etal. 2001, S. 73). Eine nachhaltige Umsetzung der Kundenorientierung verlangt eine Veranderung dieser ,thought worlds'. Erste Ansatze konnen z.B. in einer vermehrten Besetzung verantwortungsvoUer Positionen durch Marketing-Mitarbeiter, der Festschreibung geeigneter Aktivitaten/Meilensteine der Kundenorientierung im Innovationsprozess und der Bereitstellung entsprechender fmanzieller Ressourcen bestehen. Nicht zuletzt muss die Relevanz der Kundenorientierung durch das Top-Management kommuniziert und gelebt werden. Zusammenfassend: „The danger is not of getting too close to customers; the real danger is not getting close enough." (JOHNSON 1998, S. 27)
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Stichwortverzeichnis
333
Stichwortverzeichnis Adoptions- und Diffusionsforschung Disruptive Innovationen Erfolgsfaktorenforschung Gefahr des Inkrementalismus Informationsverarbeitungsansatz Innovationserfolg Innovationsgrad
24 ff., 43 211 f., 216 21 ff., 47 ff., 194 ff. 199 ff., 217, 228, 257 ff. 39 f., 99 45 ff. 27 ff., 45 ff., 211 ff., 221 ff., 240 ff.
Innovationstypologien
28 ff.
Interaktionsforschung
49 ff., 116 f.
Kundenorientierung Begriffsabgrenzung Intelligence Dissemination (Kundenintegration) Intelligence Generation (Innovationsmarktforschung) Methoden Operationalisierung Responsiveness (Marktvorbereitung) Theoretische Betrachtung Lead User Marketingorientierung
56 ff., 93 ff. 110 ff., 157 ff., 181, 194, 196 ff., 221 ff. 103 ff., 147 ff., 180, 194, 218 ff. 206 ffi 141 ff., 233 ff. 121 ff., 163 ff., 181, 194, 225 ff. 177 ff., 187 ff. 51,117,208 56
Marktorientierung Begriffsabgrenzung
56 ff.
Erfblg
14 ff,
kulturorientierte Ansatze marktgeleitet/marktgestaltend verhaltensorientierte Ansatze Organisationales Lemen Ressourcenabhangigkeitsperspektive Ressourcenbasierter Ansatz ROGERS-Kriterien Schematheoretie
59 ff., 65 f. 71 ff., 101 61 ff., 66 68 ff., 100 f., 112 f. 172,184 ff. 171,172 ff. 26 f., 125 ff. 41 ff.
Theorie des wahrgenommenen Risikos
44, 127 f.
Unsicherheiten
38 f., 122