Stefan Franz Reitbauer Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft
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Stefan Franz Reitbauer Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Stefan Franz Reitbauer
Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft Vorgehensmodell, Gestaltungsoptionen und Bewertung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hubert Österle
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation der Universität St. Gallen, 2008 Dissertation Nummer 3527
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Hildegard Tischer Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1298-5
Geleitwort
V
Geleitwort Business Networking verändert die Wertschöpfungsketten in allen Bereichen der Wirtschaft. Die Finanzindustrie hat lange an ihren integrierten Geschäftsmodellen festgehalten, verändert sich jetzt aber umso schneller. Den Anfang machen kleinere und mittlere Institute. Globalisierung und Spezialisierung verlangen von ihnen eine mit grossen, globalen Marktteilnehmern vergleichbare Leistungspalette, die sie alleinstehend nicht mehr entwickeln und produzieren können. Zunehmend stossen jedoch auch grosse Unternehmen im Konkurrenzkampf mit spezialisierten Instituten an ihre Grenzen. Die Entscheidung für die Auslagerung von Teilbereichen einer Bank wie z.B. der Wertpapierabwicklung hat nicht nur Konsequenzen für die Kostenstruktur, sondern ist auch eine Entscheidung für ein bestimmtes Ecosystem, also für eine spezifische Konstellation von Kooperationspartnern. Das ist häufig auch eine Entscheidung gegen ein anderes Netzwerk und kann bis zum Verlust der Unabhängigkeit des Unternehmens führen. Entsprechend gross ist die Unsicherheit in den Geschäftsleitungen von Banken hinsichtlich zu wählender Kooperationsmodelle und –strategien. Das vorliegende Buch setzt bei diesem Entscheidungsproblem an. Stefan Reitbauer entwickelt darin am Beispiel Anlagegeschäft sowohl Gestaltungsoptionen als auch ein Bewertungsmodell zu deren Gegenüberstellung. Er nutzt dazu die in Literatur und Praxis zahlreich vorhandenen Ansätze und formuliert ein Vorgehensmodell, das einzelne Marktteilnehmer als strukturierten und flexiblen Leitfaden nutzen können, um ihre Position im Geschäftsnetzwerk zu bestimmen und Kooperationsentscheidungen zu treffen. Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation in einem Konsortialprojekt, in dem seit 2004 rund 15 Finanzdienstleister zusammen mit einem Forscherteam der Universität St. Gallen Konzepte zum Aufbrechen und Neuformieren der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie entwickeln. Dieses Konsortialprojekt nutzt die Erkenntnisse aus 20 Jahren Forschung auf dem Gebiet des Business Networking in so unterschiedlichen Branchen wie im Konsumgüterhandel oder der automobilen Zulieferung. Die besondere Stärke dieser Form der Zusammenarbeit zwischen Universität und mehreren Unternehmen liegt darin, dass die Ergebnisse sowohl den Stand der Theorie als auch die konkreten Erfahrungen und Konzepte der Wirtschaft zusammenfassen und dass sie in den mitwirkenden Unternehmen unmittelbar angewandt werden. Damit ist diese Publikation nicht nur für die Wissenschaft, sondern gerade für Finanzdienstleister interessant, die ihre Position in ihrer Wertschöpfungskette aktiv gestalten.
St. Gallen im August 2008
Prof. Dr. Hubert Österle
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Competence Center Sourcing in der Finanzindustrie am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen. Die Ergebnisse der Arbeit basieren auf einer intensiven Zusammenarbeit mit Praxispartnern und Kollegen, ohne deren Mithilfe die Arbeit in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Viele Rahmenbedingungen, von denen ich bei der Verfassung meiner Arbeit profitiert habe, sind nicht selbstverständlich, ich möchte mich daher an dieser Stelle bei einigen Personen bedanken, die Anteil am Gelingen der Dissertation haben. Zunächst bedanke ich mich bei Prof. Dr. Hubert Österle für die praxisnahe Forschungsumgebung, die für die bedarfsorientierte Entwicklung und Evaluierung der Resultate entscheidend war, sowie für die Betreuung meiner Dissertation. Die von ihm dabei gewährte Balance von gestalterischer Freiheit und kritischem Feedback waren wesentlich für die persönliche Prägung bzw. inhaltliche Schärfung der Arbeit. Dankbar bin ich auch für die vielfältigen Erfahrungen und Einblicke, die ich während meiner Tätigkeit an seinem Institut gewinnen durfte. Hiervon habe ich in fachlicher und persönlicher Hinsicht sehr profitiert. Prof. Dr. Rainer Alt danke ich für die Übernahme des Koreferats. Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen meiner Arbeit hat die Kooperation mit zahlreichen Unternehmensvertretern (vgl. Appendix) geleistet. Ihnen danke ich an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement sowie ihre Bereitschaft zur konstruktiven Diskussion und zur gemeinsamen Weiterentwicklung bzw. Validierung von Konzepten. Bei meinen Kollegen im CC Sourcing – Clemens Eckert, Felix Falkenberg, Stefan Frei, Matthias Hoffmann, Falk Kohlmann, Ken Mansfeldt, Fritz Reich und Michael Schachtner – bedanke ich mich für die freundschaftliche Zusammenarbeit sowie für den auch in arbeitsintensiven Phasen des Projektes stets respekt- und humorvollen Umgang. Beim Projektleiter des CC Sourcing Thomas Zerndt bedanke ich mich für die zahlreichen spannenden Diskussionen, das kollegiale Arbeitsverhältnis und das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ein spezieller Dank gilt Dr. Oliver Kutsch für die angenehme und lehrreiche Zusammenarbeit in verschiedenen Projekten sowie vor allem auch sein besonderes persönliches Engagement bei der Unterstützung meiner Arbeit. Bei allen anderen Kollegen am Institut, dem Geschäftsführer Dr. Ernst Ensslin sowie den Sekretärinnen Caroline Andenmatten, Katharina Brühwiler und Susanne Gmünder bedanke ich mich für die angenehme Zusammenarbeit und die Hilfsbereitschaft. Annette Glaus danke ich herzlich für die formale und sprachliche Durchsicht der Arbeit. Von Herzen bedanke ich mich bei meinen Eltern, die mir meine akademische Ausbildung ermöglicht haben, sowie meiner Schwester mit ihrem Mann für ihre grossartige Unterstützung, ihr Verständnis und ihre stete Bereitschaft zur konstruktiven Diskussion – nicht nur während der Erstellung der Arbeit. Ihnen widme ich die Dissertation. St. Gallen im Juli 2008
Stefan Reitbauer
Zusammenfassung
IX
Zusammenfassung Die Wertschöpfungskette in der Bankindustrie wird sich in den kommenden Jahren signifikant verändern. Faktoren wie veränderte Kundenbedürfnisse, (daraus resultierend) steigende Produkt- und Abwicklungskomplexität, Globalisierung und die Etablierung von Standards drängen Unternehmen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu fokussieren und komplementäre Leistungen von spezialisierten Partnern zu beziehen. Finanzdienstleister benötigen für diese Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle und die daraus resultierende Transformation ihrer Unternehmen methodische Unterstützung. Die Arbeit leistet hierzu einen Beitrag in Form eines Vorgehensmodells für die Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken. Das Vorgehen basiert auf einem umfassenden Bewertungsmodell und auf Referenzmodellen zur Vernetzung für das Anlagegeschäft. Die für dieses durchgängige Anwendungsbeispiel entwickelten Modelle (Referenzprozess, Referenznetzwerk und Gestaltungsoptionen) beruhen gemäss der Forschungsmethodik Design Science auf einer Literaturanalyse, einigen Fallbeispielen und vier ausführlichen Fallstudien zum Stand der Vernetzung in diesem Bankbereich. Schlüsselwörter: Aufbrechen der Wertschöpfungskette, Outsourcing, Referenznetzwerk, Referenzmodellierung, Bankmodell, qualitative und quantitative Bewertung, Entscheidungsmodell, Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken, Gestaltungsoptionen, Anlagegeschäft.
Summary The banking value chain is facing a structural transformation. Driven by increased complexity of products and thus execution, changing customer behaviour, the internationalization of financial markets, increased competition and ongoing value chain redesign as well as the diffusion of technical and business standards financial institutions are forced respectively enabled to focus iteratively on their core competencies and reduce their degree of vertical integration by sourcing complementary activities. Financial institutions as banks, custodians or back-office service providers are in need of methodological support for that redesign of their business models and for the following transformation. Thus the thesis introduces a procedure model for the redesign of business networks that covers all layers of business engineering – business model, process model and information systems. It is based upon a comprehensive evaluation model and reference models for the investment process. These reference models, including a detailed value chain description, a generic network model and design patterns, for the investment process have been developed upon a literature analysis, several short examples and four elaborative case studies. Key words: Business Engineering, Value Chain Redesign, Reference Modelling, Decision Model, Qualitative and Quantitative Assessment Criteria, Design Patterns for the Investment Process, Procedure Model.
Inhaltsübersicht
XI
Inhaltsübersicht 1
Einleitung ..................................................................................................... 1 1.1
Ausgangslage und Handlungsbedarf ............................................................. 1
1.2
Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit........................................................ 3
1.3
Entstehung und Einordnung .......................................................................... 5
1.4
Forschungsmethodik .................................................................................... 6
1.5
Aufbau der Arbeit.......................................................................................... 7
2
Grundlagen .................................................................................................. 9 2.1
Untersuchungsframework ............................................................................. 9
2.2
Unternehmensnetzwerke ............................................................................. 17
2.3
Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken ................... 27
3
Vernetzung im Anlagegeschäft................................................................. 31 3.1
Bankenmarkt Schweiz................................................................................. 31
3.2
Grundlagen zum Anlagegeschäft ................................................................ 36
3.3
Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft.................................................... 46
3.4
Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft ..................................... 65
4
Fallstudien .................................................................................................. 67 4.1
Auswahlkriterien und Analyseraster ........................................................... 67
4.2
Fallstudie Bank Vontobel............................................................................ 69
4.3
Fallstudie B-Source ..................................................................................... 81
4.4
Fallstudie Entris........................................................................................... 91
4.5
Fallstudie DZ BANK................................................................................. 103
4.6
Gegenüberstellung der Fallstudien............................................................ 113
5
Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell ....................................... 119 5.1
Gestaltungsoptionen .................................................................................. 119
5.2
Bewertungsmodell..................................................................................... 137
5.3
Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells .................................. 158
5.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 167
XII
Inhaltsübersicht
6
Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken............. 169 6.1
Bezugsrahmen und Einordnung ................................................................ 169
6.2
Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente .............................................. 173
6.3
Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens.............................. 202
6.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 206
7
Fazit und Ausblick................................................................................... 209 7.1
Ergebnisse der Arbeit ................................................................................ 209
7.2
Kritische Würdigung und weiterer Forschungsbedarf .............................. 210
7.3
Ausblick..................................................................................................... 213
Anhang A
Erläuterungen zu Konzepten................................................................. 217
Anhang B
Erläuterungen zur Forschungsmethodik ............................................... 221
Anhang C
Zusatzinformationen zu den Fallstudien............................................... 228
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 239
Inhaltsverzeichnis
XIII
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung ..................................................................................................... 1 1.1
Ausgangslage und Handlungsbedarf ............................................................. 1
1.2
Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit........................................................ 3
1.3
Entstehung und Einordnung .......................................................................... 5
1.4
Forschungsmethodik .................................................................................... 6
1.5
Aufbau der Arbeit.......................................................................................... 7
2
Grundlagen .................................................................................................. 9 2.1
Untersuchungsframework ............................................................................. 9
2.1.1
Drei-Ebenen-Modell des Business Engineering ......................................... 10
2.1.2
Referenzmodellierung ................................................................................. 12
2.1.3
Metamodell.................................................................................................. 15
2.2
Unternehmensnetzwerke ............................................................................. 17
2.2.1
Ursprung des Begriffs und Charakteristika ................................................. 17
2.2.2
Treiber und Enabler der Vernetzung ........................................................... 19
2.2.3
Sourcing und Transaktionskostentheorie .................................................... 20
2.2.4
Kernkompetenz, Leistungs- und Wertschöpfungstiefe ............................... 23
2.2.5
Aufbrechen von Marktstrukturen und Entstehung neuer Märkte ............... 25
2.3
Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken ................... 27
2.3.1
Bestehende BNR-Ansätze ........................................................................... 28
2.3.2
Vergleich bestehender Ansätze und Anforderungen an BNR-Vorgehen ... 29
3
Vernetzung im Anlagegeschäft................................................................. 31 3.1
Bankenmarkt Schweiz................................................................................. 31
3.1.1
Internationale Position im Anlagegeschäft ................................................. 32
3.1.2
Status quo des Aufbrechens der Wertschöpfungskette ............................... 33
3.1.3
Einsatz von Standardsoftwarepaketen......................................................... 35
3.2
Grundlagen zum Anlagegeschäft ................................................................ 36
3.2.1
Gründe für Vernetzung im Anlagegeschäft ................................................ 36
XIV
Inhaltsverzeichnis
3.2.2
Institutionen im Anlagegeschäft.................................................................. 38
3.2.3
Referenzprozess Anlegen ............................................................................ 40
3.2.4
Einordnung in ein Bankmodell.................................................................... 44
3.3
Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft.................................................... 46
3.3.1
Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft .................................................. 46
3.3.2
Beispiele für Vernetzung im Anlagegeschäft.............................................. 53
3.3.3
IS-Aspekte der Vernetzung im Anlagegeschäft .......................................... 60
3.3.3.1 Datenaustausch im Referenznetzwerk Anlegen .......................................... 60 3.3.3.2 (Standardisierte) IS-Schnittstellen im Referenznetzwerk Anlegen............. 61 3.3.4
Trends im Anlagegeschäft........................................................................... 64
3.4
Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft ..................................... 65
4
Fallstudien .................................................................................................. 67 4.1
Auswahlkriterien und Analyseraster ........................................................... 67
4.2
Fallstudie Bank Vontobel............................................................................ 69
4.2.1
Zum Unternehmen....................................................................................... 69
4.2.2
Lösung – Angebot der Wertpapier-Transaktionsbank ................................ 73
4.2.3
Bewertung der Lösung ................................................................................ 79
4.2.4
Fazit und Ausblick....................................................................................... 81
4.3
Fallstudie B-Source ..................................................................................... 81
4.3.1
Zum Unternehmen....................................................................................... 81
4.3.2
Lösung – Angebot von B-Source im Anlagegeschäft................................. 84
4.3.3
Bewertung der Lösung ................................................................................ 88
4.3.4
Fazit und Ausblick....................................................................................... 90
4.4
Fallstudie Entris........................................................................................... 91
4.4.1
Zum Unternehmen....................................................................................... 91
4.4.2
Lösung – Angebot von Entris im Anlagegeschäft ...................................... 94
4.4.3
Bewertung der Lösung ................................................................................ 99
4.4.4
Fazit und Ausblick..................................................................................... 102
4.5
Fallstudie DZ BANK................................................................................. 103
Inhaltsverzeichnis
XV
4.5.1
Zum Unternehmen..................................................................................... 103
4.5.2
Lösung – Angebot der DZ BANK im Anlagegeschäft ............................. 104
4.5.3
Bewertung der Lösung .............................................................................. 110
4.5.4
Fazit und Ausblick..................................................................................... 112
4.6
Gegenüberstellung der Fallstudien............................................................ 113
5
Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell ....................................... 119 5.1
Gestaltungsoptionen .................................................................................. 119
5.1.1
Option 1: Wertpapierabwickler ................................................................. 122
5.1.2
Option 2: Streetside Provider mit Handel ................................................. 125
5.1.3
Option 3: Investment Center ..................................................................... 128
5.1.4
Option 4: WP-Abwickler plus Streetside Provider (Transaktionsbank) ... 130
5.1.5
Option 5: Spezialist für das Anlagegeschäft ............................................. 131
5.1.6
Option 6: Backoffice / Fullservice Provider (für reine Vertriebsbanken) ....................................................................... 133
5.2
Bewertungsmodell..................................................................................... 137
5.2.1
Anforderungen an die Bewertung von BNR-Vorhaben............................ 138
5.2.2
Bestehende Ansätze zur Bewertung von BNR-Vorhaben......................... 140
5.2.2.1 Qualitative Ansätze ................................................................................... 140 5.2.2.2 Quantitative Ansätze ................................................................................. 143 5.2.2.3 Kombinierte Ansätze................................................................................. 146 5.2.2.4 Gegenüberstellung der Ansätze................................................................. 148 5.2.3
Bewertungsmodell – Inhalt, Struktur und Vorgehen ................................ 149
5.2.3.1 Qualitative Elemente ................................................................................. 150 5.2.3.2 Quantitative Elemente ............................................................................... 154 5.2.3.3 Ergebnistypen des Bewertungsmodells..................................................... 157 5.3
Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells .................................. 158
5.3.1
Qualitative Bewertungskriterien für das Anlagegeschäft.......................... 158
5.3.1.1 Kriterien zur Bewertung des Potenzials von BNR im Anlagegeschäft..... 158 5.3.1.2 Risikokriterien für BNR im Anlagegeschäft ............................................. 162
XVI
Inhaltsverzeichnis
5.3.2
Beispielhafte Potenzial- und Risikoanalyse .............................................. 163
5.3.3
Fiktives Beispiel zur Anwendung des quantitativen Bewertungsrasters .. 164
5.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 167
6
Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken............. 169 6.1
Bezugsrahmen und Einordnung ................................................................ 169
6.1.1
Bezugsrahmen ........................................................................................... 169
6.1.2
Einordnung in bestehende Ansätze ........................................................... 171
6.2
Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente .............................................. 173
6.2.1
Aufbau und Inhalt des Vorgehensmodells ................................................ 173
6.2.2
Phase 1 „Schaffen von (bankfachlichen) Grundlagen“............................. 177
6.2.2.1 AB 1.1: Analyse der WSK und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten........... 178 6.2.2.2 AB 1.2: Definition von (qual. und quant.) Bewertungskriterien............... 181 6.2.3
Phase 2 „Analyse“ ..................................................................................... 182
6.2.3.1 AB 2.1: Dokumentation des Status quo (IST)........................................... 184 6.2.3.2 AB 2.2: Identifikation von Handlungsfeldern........................................... 184 6.2.3.3 AB 2.3: Definition der Soll-Position im Netzwerk ................................... 187 6.2.4
Phase 3 „Entwurf / Konzeption“ ............................................................... 188
6.2.4.1 AB 3.1: Auswahl potenzieller Partner....................................................... 190 6.2.4.2 AB 3.2: Präzisieren der (BNR-)Handlungsalternativen............................ 191 6.2.4.3 AB 3.3: Analyse der Handlungsalternativen und Festlegen nächster Schritte........................................................................ 193 6.2.5
Kritische Erfolgsfaktoren und Besonderheiten der Phasen 4 und 5.......... 195
6.2.5.1 Phase 4 „Realisierung“.............................................................................. 195 6.2.5.2 Phase 5 „Einführung und Betrieb“ ............................................................ 197 6.2.6
Phasenübergreifende Aufgaben................................................................. 198
6.2.6.1 Transformation .......................................................................................... 199 6.2.6.2 Weitere Aspekte der Netzwerksteuerung .................................................. 201 6.3
Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens.............................. 202
6.3.1
Übersicht zu den Ergebnisdokumenten..................................................... 202
Inhaltsverzeichnis
XVII
6.3.2
Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens ....................................................... 204
6.4
Zwischenfazit ............................................................................................ 206
7
Fazit und Ausblick................................................................................... 209 7.1
Ergebnisse der Arbeit ................................................................................ 209
7.2
Kritische Würdigung und weiterer Forschungsbedarf .............................. 210
7.3
Ausblick..................................................................................................... 213
Anhang A
Erläuterungen zu Konzepten................................................................. 217
Anhang A.1 Prinzipbild der Design Science im Kontext der Arbeit ........................ 217 Anhang A.2 Elemente einer Methode ....................................................................... 217 Anhang A.3 Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung ....................................... 218 Anhang A.4 Elemente des Metamodells ................................................................... 219 Anhang B
Erläuterungen zur Forschungsmethodik ............................................... 221
Anhang B.1 Informationen zum CC Sourcing .......................................................... 222 Anhang B.2 Projekte ................................................................................................. 224 Anhang B.3 Dokumente und Interviews zu den Fallbeispielen ................................ 225 Anhang B.4 Dokumente und Interviews zu den Fallstudien..................................... 226 Anhang C
Zusatzinformationen zu den Fallstudien............................................... 228
Anhang C.1 Interviewleitfaden für die Fallstudien ................................................... 228 Anhang C.2 Unterlagen zur Fallstudie B-Source...................................................... 231 Anhang C.3 Unterlagen zur Fallstudie Entris / RBA-Service................................... 234 Anhang C.4 Unterlagen zur Fallstudie DZ BANK ................................................... 238
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 239
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis AG
Aktiengesellschaft
AO
Application Outsourcing
ASP
Application Service Provision
ARIS
Architektur integrierter Informationssysteme
AWD
Allgemeiner Wirtschaftsdienst
AWV
Aussenwirtschaftsverordnung
BAI
Bankenarchitekturen im Informationszeitalter
B2B
Business to Business
BCBE
Banque Cantonale de Berne
BCJ
Banque Cantonale du Jura
BdG
Banca del Gottardo
BE
Business Engineering
BeBu
Betriebsbuchhaltung
BECS
Business Engineering Case Studies
BEKB
Berner Kantonalbank
BKB
Basler Kantonalbank
BLKB
Basellandschaftliche Kantonalbank
BN
Business Networking
BNR
Business Network Redesign
BO
Backoffice
BPM
Business Process Management
BPO
Business Process Outsourcing
BPR
Business Process Redesign
BSI
Banca della Svizzera Italiana
BSR
Business Scope Redefinition
BTV
Bank für Tirol und Vorarlberg
bez.
bezüglich
ca.
circa
CA
Corporate Actions
CC
Competence Center (Kompetenzzentrum)
CCP
Central Counter Party
CDQ
Corporate Data Quality
CEO
Chief Executive Officer
CHF
Schweizer Franken
Cie
Compagnie
CLS
Continuous Link Settlement
CS-FI
Credit Suisse Financial Institutions
CSD
Central Securities Depository (Zentralverwahrer)
CWO
Credit Workout
D
Deutschland
DACH
Deutschland, Österreich und Schweiz
XIX
XX
Abkürzungsverzeichnis
DL
Dienstleistungen
DS
Design Science
DTA
Datenträgeraustausch
DW
Data Warehouse
dwpbank
Deutsche WertpapierService Bank
EAI
Enterprise Application Integration
EBK
Eidgenössische Bankenkommision
EBPP
Electronic Bill Presentment and Payment
EF
Eigenfertigung
et al.
et alii
EVV
Externer Vermögensverwalter
EZB
Europäische Zentralbank
f
(die) folgende (Seite)
ff
(die) folgende(n) (Seiten)
FIX
Financial Information eXchange
FOREX
Foreign Exchange Market (auch FX Market)
FTE
Full Time Equivalent
F&E
Forschung und Entwicklung
GCM
Global Clearing Member
GEOS
Global Entity Online System (System für WP-Abwicklung in AT)
GK
Gemeinkosten
GoM
Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung
GU
Generalunternehmer
GUI
Graphical User Interface
HR
Human Resources
HSBC TuB
Hongkong and Shanghai Banking Corporation Trinkaus & Burkhardt
HSG
Hochschule St. Gallen
i.d.R.
in der Regel
i.e.S.
im engeren Sinn
ICT
Informations- und Kommunikationstechnologie
IDV
Individuelle Datenverarbeitung
IIM
Integriertes Informationsmanagement
IS
Informationssystem
ISIN
International Securities Identification Number
IT
Informationstechnologie
ITS
International Transaction Services
ITIL
IT Infrastructure Library
ITO
Information Technology Outsourcing
IWI
Institut für Wirtschaftsinformatik
KAG
Kapitalanlagegesetz
KESt
Kapitalertragssteuer
KK
Kernkompetenz
KR
Kredit
Abkürzungsverzeichnis
KUBE
Kundenberater
LCC
Life Cycle Costing
LCH
London Clearing House
LSV
Lastschriftverfahren
MA
Mitarbeiter
MAS
Market Access Services
ME
Method Engineering
MEMO
Multi-Perspective Enterprise Modeling
MiFID
Markets in Financial Instruments Directive
MIS
Management Information System
MLP
Marschollek, Lautenschläger und Partner AG
NBAD
National Bank of Abu Dhabi
NW
(Unternehmens-)Netzwerk
o.a.
oben angeführt
ODV
Operationelle Datenverarbeitung
OK
Oberkriterium / Oberkriterien
OTC
Over the Counter
OTMS
Order Trading Management System
ÖWS
Österreichische Wertpapier Service AG
PG
Produktionsgesellschaft
PKR
Prozesskostenrechnung
PSN
Private Swift Network
PROMET
Projektmethode
QI
Qualified Intermediary
RBAH
Regionalbanken Holding
RBAS
RBA-Service / Regionalbanken Service AG
RBV
Resource-based View
RfI
Request for Information
RfP
Request for Proposal
R-NW
Referenz-Netzwerk
ROR
Reuters Order Routing
RSGV
Rheinischer Sparkassen- und Giroverband
RTC
Real-Time Center
RW
Rechnungswesen
RZ
Rechenzentrum
SECOM
Settlement Communication System (Abwicklungssystem der SIS)
SGKB
St. Galler Kantonalbank
SIC
Swiss Interbank Clearing
SIS
SegaInterSettle
SLA
Service Level Agreement
SNB
Schweizer Nationalbank
SOM
Semantic Object Model
SSW
Standard Software
XXI
XXII
Abkürzungsverzeichnis
STP
Straight Through Processing
SW
Software
SWIFT
Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication
SWX
Swiss Exchange
TC
Target Costing
TCE
Transaction Cost Economics
TCHF
Tausend Schweizer Franken
TCO
Total Cost of Ownership
TRX
Transaktion
tw.
teilweise
TxB
Transaktionsbank
u.a.
unter anderem
UBS
Union de Banques Suisse
UML
Unified Modeling Language
VB
Vertriebsbank
v.a.
vor allem
vgl.
vergleiche
VONSYS
Vontobel Solutions for Your Sourcing
VR
Verwaltungsrat
VSt
Vorsteuer
VU
Virtuelles Unternehmen
WLSGV
Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband
WP
Wertpapier
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WSK
Wertschöpfungskette
z.B.
zum Beispiel
ZB
Zentralbank
ZH
Zürich
ZV
Zahlungsverkehr
1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf
1
1 Einleitung 1.1 Ausgangslage und Handlungsbedarf “Unexpected lessons in global financial markets: Get global. Get specialized. Or get out.” [Dence et al. 2007, 1]
Als Reaktion auf eine umfassende Reorganisation ihrer Unternehmensumwelt nutzen Unternehmen in ihren Geschäftsmodellen verstärkt die Gesetze der vernetzten Wirtschaft (s. [Kagermann/Österle 2006]). Studien (z.B. [Hamprecht et al. 2004; Accenture 2006]) belegen, dass die Finanzindustrie und Banken im Speziellen im Vergleich zu Branchen wie der Automobilindustrie eine hohe Wertschöpfungstiefe1 aufweisen und bisher nur punktuell Leistungen im Netzwerk beziehen. Dieselben Studien prognostizieren in den nächsten Jahren eine signifikante Reduktion der Eigenfertigung bei Banken. Die Branche erlebt aktuell einen grundlegenden Strukturwandel, der (in der Schweiz) aufgrund von parallelen Einflüssen wie dem Aktienboom Ende der neunziger Jahre und den hervorragenden Jahresergebnissen der Jahre 2002-2006 (vgl. [Cocca/Geiger 2007, 73]) bisher nur bedingt wahrgenommen wurde. Die im Herbst 2007 ausgebrochene Hypothekarkrise mit ihren im Frühjahr 2008 noch nicht absehbaren langfristigen Folgen (vgl. [IMF 2008]) bedeutet einen Einbruch der Jahresergebnisse bzw. Aktienkurse und lässt aufgrund einer verstärkten Effizienz- / Kostenorientierung eine Beschleunigung des oben angesprochenen Strukturwandels erwarten. Ein Indikator der strukturellen Transformation ist z.B. im Schweizer Bankenmarkt die Anzahl der bei der Nationalbank registrierten Banken, die seit 1990 von 625 auf unter 350 gesunken ist. [Geiger/Hürzeler 2003] erachten diese Konsolidierungsphase als ersten Schritt, dem nun eine Spezialisierung auf Kernkompetenzen und damit eine zunehmende zwischen- und überbetriebliche Vernetzung folgen. Für das deutsche Kreditgewerbe erkennt z.B. [Weisser 2004] eine Abnahme der Fertigungstiefe2 von 69% im Jahr 1996 auf 51% im Jahr 2002. Gleichzeitig zeigen alternative Studien (z.B. [Schleuniger et al. 2004]), dass die Veränderungen bisher im wesentlichen auf nichtbankfachliche Aktivitäten, also z.B. den Betrieb und die Weiterentwicklung von ITInfrastrukturen und von Anwendungssystemen, beschränkt waren, während die Institute bankfachliche Aufgaben weiterhin mit wenigen Ausnahmen selbst erbringen. In der Literatur bereits des Längeren diskutierte und in der Praxis sukzessiv beobachtbare Konzepte wie z.B. die Vertriebsbank (vgl. [Falkenberg et al. 2006]), die schlanke Bank (vgl. [Allweyer et al. 2004]), die Industrialisierung des Bankbetriebs (vgl. [Bartmann et al. 2005]) oder die Transaktionsbank (vgl. [Zwahlen 2006]) weisen auf neue Formen der Arbeitsteilung hin. Diese sind vor allem gekennzeichnet durch eine konse1
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„Die Wertschöpfung berechnet sich als Differenz zwischen der Gesamtleistung (Umsatzerlöse und Bestandsänderungen) abzüglich der Vorleistungen (zugekauftes Material, fremde Dienstleistungen und Zinsen). Das Verhältnis von Wertschöpfung zu Gesamtleistung ergibt die Wertschöpfungstiefe.“ [Picot 1991, 337] „Die Fertigungstiefe entspricht der Anzahl der Produktions-Zwischenstufen (Elemente der Wertschöpfungskette) vom Rohteil bis zum fertigen Endprodukt.“ [Ewig 2006, 68] Die prozentuale Angabe entspricht dem Verhältnis der selbstständig durchgeführten Produktionsstufen im Verhältnis zu deren Gesamtheit.
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1 Einleitung
quente Spezialisierung der Institute auf ihre Kernkompetenzen und durch eine verstärkte zwischen- und überbetriebliche Kooperation in den übrigen Teilen der Wertschöpfungskette (WSK) (vgl. [Geiger/Hürzeler 2003]). Eine Folge dieser Kooperation von Spezialisten ist eine stärkere Differenzierung der Banken nach (zunehmender) Breite der angebotenen Dienstleistungen und (abnehmender) Tiefe der Wertschöpfung [Lamberti 2004]. Die resultierende Vernetzung stellt hohe Anforderungen an die Planung und Integration der verteilt erstellten Leistungen, da z.B. Vertriebsbanken die Produkte der anderen Spezialisten möglichst effizient und für den Bankkunden unmerklich bündeln müssen. Kooperationen in den Bereichen IT-Operations (ITO), Applikationsentwicklung und -betrieb (Application Service Provision, ASP) sowie im Interbankenbereich (vgl. z.B. Swiss Value Chain in Kapitel 3.2.2) sind bereits etabliert. Langfristig bewährte Beispiele für die Auslagerung von Geschäftsprozessen, die bisher zum Kerngeschäft einer Bank zählten, wie z.B. Kreditverarbeitung und Wertpapierabwicklung, sind in der Schweiz, u.a. im Vergleich zu Deutschland, (noch) selten. Diese als Business Process Outsourcing (BPO) bezeichnete Kooperationsart (vgl. [Alt et al. 2005]) steht im Fokus der Dissertation. Banken erachten im Zuge der Konzentration auf ihre Kernkompetenzen die Abwicklungsprozesse (Zahlungsverkehr, Kredite und Wertpapiere) als vorrangige Kandidaten für BPO (vgl. z.B. [Falkenberg et al. 2006]). Dementsprechend behandeln der praktische und wissenschaftliche Diskurs (z.B. [Eichelmann et al. 2004, 327; Kearney 2004; Lamberti 2005, 74]) primär diese Prozesse. Für eine fundierte Entscheidung über Source, Make or Deliver (vgl. [Lamberti 2004]) ist aber eine vollständige Analyse der Wertschöpfungskette vom Kundenbedürfnis über die Interbankenabwicklung bis zur Bedürfnisbefriedigung beim Bankkunden notwendig.3 Diese Arbeit betrachtet die Vernetzung am Beispiel Anlagegeschäft und damit in einem breiteren Ausschnitt des Bankgeschäfts. Mit dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette müssen Banken und Provider ihre Geschäftsmodelle überprüfen und sich in einem Netzwerk von spezialisierten Partnern (neu) positionieren (vgl. [Kobler 2005]). Die Entwicklung und Realisierung nachhaltig erfolgreicher Geschäftslösungen erfordert die Integration von strategischen, ablaufund aufbauorganisatorischen sowie systemtechnischen Aspekten. Für diese Gestaltung und Bewertung von Unternehmensnetzwerken (NW) besteht ein Methodenmangel, da vorhandene Ansätze u.a. folgende Schwächen aufweisen (vgl. [Alt 2004; Alt 2008]): (1) keine semantische Durchgängigkeit, (2) fehlende Integration von Gestaltung und Bewertung, (3) nur partielle methodische Unterstützung sowie (4) zu abstrakte Diskussionsebene und Vernachlässigung von Branchenspezifika. Speziell zu Beginn des Aufbrechens der Wertschöpfungskette erschweren diese Mängel und deren Konsequenzen, wie z.B. Unsicherheit bez. der Messgrössen und der Vernetzungsoptionen im jeweiligen Fachbereich, die Entscheidungsfindung und stärken den (internen) Widerstand.
1.2 Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit
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1.2 Ziel, Adressaten und Nutzen der Arbeit Das Ziel dieser Dissertation ist, die Potenziale der Vernetzung in Leistungsprozessen für die Finanzindustrie anhand des Beispiels Anlagegeschäft zu präzisieren und ein Vorgehens- und Bewertungsmodell für die Neugestaltung eines Unternehmensnetzwerks4 zu entwickeln. Dazu liefert die Arbeit folgende Ergebnisse: Den Stand und Entwicklungsperspektiven der Vernetzung im Anlagebereich mit unterschiedlichen Vernetzungsansätzen beschreiben sechs Fallbeispiele und vier Fallstudien5 aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zur Darstellung von Vernetzungsoptionen im bankfachlichen Bereich Anlegen entwickelt die Arbeit einen Referenzprozess und darauf aufbauend ein Referenznetzwerk mit Rollen wie z.B. Vertriebsbank, Händler und Valorenzentrale. Ausgehend von der Rolle des Abwicklers leitet die Arbeit Gestaltungsoptionen für die Vernetzung im Anlagegeschäft aus den Fallbeispielen und -studien ab, detailliert diese auf den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme und bildet sie im Referenznetzwerk Anlegen ab. Das mehrdimensionale Bewertungsmodell zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken basiert auf qualitativen und quantitativen Ansätzen aus Literatur und Praxis. Das am Beispiel Anlagegeschäft entwickelte Modell ist allgemein für BNRVorhaben verwendbar und umfasst sowohl einen qualitativen Teil für die Bewertung von Potenzial- und Risikoaspekten als auch einen quantitativen Teil zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit alternativer Netzwerk-Konstellationen. Das Vorgehensmodell zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken kombiniert bzw. erweitert bestehende Ansätze zu einem für BNR geeigneten referenzmodellbasierten Ansatz, der mit dem o.a. Bewertungsmodell abgestimmt ist. Das Vorgehensmodell wird am Beispiel Anlagegeschäft beschrieben, ist aber ebenso für andere Fachbereiche nutzbar.
3
4 5
Banken verstehen die Abwicklung von Transaktionen oft primär als Kostenfaktor (vgl. analog dazu die Diskussion zum Wert der IT in [Carr 2003]). Eine umfassende Betrachtung der Wertschöpfungskette hat auch den Vorteil, die Auswirkungen bzw. den Nutzen einer Neugestaltung für den Bankkunden aufzeigen zu können. In der Folge wird der Begriff Business Network Redesign (BNR) synonym zur Neugestaltung von (Unternehmens-)Netzwerken verwendet. Zur Verdeutlichung des Vorgehens bei der Erhebung von Praxisfällen werden nachfolgend die Typen Fallstudie und Fallbeispiel unterschieden. Fallstudien sind umfassende mit den jeweiligen Unternehmen abgestimmte Beschreibungen einer Netzwerk-Konstellation auf Basis eines einheitlichen Analyserasters (vgl. Kapitel 4.1). Fallbeispiele (vgl. Kapitel 3.2.3) sind kurze Darstellungen ausgewählter Sachverhalte auf Basis von Fachartikeln und Publikationen der Unternehmen.
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1 Einleitung
Im Sinne der dualen Zielsetzung der angewandten Betriebswirtschaftslehre nach [Ulrich 1984, 168f] strebt die Arbeit sowohl einen Beitrag zum theoretischen Erkenntnisfortschritt als auch die Formulierung umsetzbarer Handlungsempfehlungen an und soll für Vertreter aus Wissenschaft und Praxis von Nutzen sein. Tabelle 1-1 nennt dazu entsprechende Beispiele je Zielgruppe. Zielgruppe
Praxis
Akademia
Wissenschaftler
Dozenten und Studenten
Business Development, Beratung und Fachbereich
Nutzen
Referenzmodelle und Vernetzungsoptionen für das Anlagegeschäft
Strukturierter Überblick zum Stand der Vernetzung im Anlageprozess
(Semantische) Basis für einen Diskurs zur Gestaltung des Anlageprozesses
Umfassender Katalog mit Potenzial- und Risikokriterien für NetzwerkKonstellationen (im Anlageprozess) und deren Transformation
Fallstudien als Anschauungsmaterial im Unterricht
Das Referenznetzwerk Anlegen in Kombination mit Fallbeispielen und Gestaltungsoptionen als Beispiel für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie
Anschauliche Beispiele zur Nutzung von Referenzmodellen
Durchgängige Terminologie für den Anlageprozess als Grundlage für Projekte
Allgemeine und in den Fallstudien beschriebene spezifische Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft (vergleichbar anhand des Referenznetzwerks)
Ein Vorgehensmodell als Anleitung für die (Neu-)Gestaltung eines Unternehmensnetzwerks aus Sicht eines Unternehmens
Ergebnisdokumente zur Strukturierung von Ideen und Konzepten
Ein flexibel auf den Projektkontext und das Zielsystem anpassbares Bewertungsmodell mit spezifischen Kriterien und einem abgestimmten Vorgehen
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Tabelle 1-1: Adressaten und Nutzen der Arbeit Die übergreifende Einordnung der Arbeit auf den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme birgt neben der Chance eines ganzheitlichen Ansatzes die Gefahr einer Defokussierung. Dies sollen folgende Abgrenzungen vermeiden: Die Arbeit entwickelt keinen neuen Ansatz zur Unternehmensmodellierung, sondern kombiniert und adaptiert bestehende. Das Vorgehensmodell bietet die Flexibilität, Elemente (z.B. Ergebnisdokumente) aus anderen Ansätzen einzubinden. Bei den Vernetzungstendenzen im Anlageprozess (vgl. Kapitel 3) berücksichtigt die Arbeit internationale Entwicklungen. Die Ausarbeitung der Gestaltungsoptionen und Bewertungsaspekte in Kapitel 5 konzentriert sich – u.a. aufgrund gesetzlicher Spezifika und der zugrunde liegenden Fallstudien – primär auf die Schweiz. Die vorrangigen Zielgruppen im Unternehmen sind der Fachbereich und die Unternehmensentwicklung.
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[Alt 2004, 128] nennt u.a. folgende Nutzenpotenziale von Vorgehensmodellen für Reengineering-Projekte: Berücksichtigen aller Gestaltungsaspekte und Stakeholder, Gewährleisten systematischer Ergebnisse als Basis weiterer Projekte sowie einen effizienten Entwicklungsprozess mit reduziertem Zeit- und Kostenaufwand.
1.3 Entstehung und Einordnung
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1.3 Entstehung und Einordnung Die Dissertation entstand im Rahmen der Kompetenzzentren Sourcing in der Finanzindustrie 1 und 2 am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen (IWIHSG). Die Projekte bauen chronologisch (CC Sourcing 1: 2004-2006, CC Sourcing 2: 2006-2008) und inhaltlich aufeinander auf und sind Teil des Forschungsprogramms Business Engineering (BE-HSG) des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen (IWI-HSG) (vgl. [Österle et al. 2004]). Der Autor hat von Juli 2004 bis August 2007 in diesen Projekten mitgearbeitet. Das Konzept der Kompetenzzentren (CC) sieht vor, dass Wissenschaftler in einer Kooperation mit Unternehmensvertretern an strategischen Fragestellungen der Wirtschaftsinformatik forschen. Im CC Sourcing 1 und 2 arbeiten 12 bzw. 18 Unternehmen (vgl. Anhang B.1) aus der Bankenbranche zusammen in Kooperation mit den beiden Instituten für Wirtschaftsinformatik der Universitäten Leipzig und St. Gallen, mit dem Institut für Banken- und Versicherungswesen der Universität St. Gallen sowie mit den Unternehmensberatungen IMG AG und Comit AG. Anhang B enthält eine Aufstellung der für die Ergebniserarbeitung wesentlichen Workshops (2-3-tägige Arbeitstreffen) mit jeweils ca. 25 Unternehmensvertretern. Schwerpunkte der beiden Forschungsprojekte sind die Gestaltung und Bewertung von Sourcing-Projekten: von bilateralen Sourcing-Kooperationen in CC Sourcing 1 und von Unternehmensnetzwerken in CC Sourcing 2. Die Dissertation entstand in Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen des Forschungsprogramms BE-HSG und baut zum Teil auf deren Ergebnissen auf. Aufgrund der thematischen Nähe bestehen u.a. Anknüpfungspunkte mit den Ergebnissen der Kompetenzzentren Business Networking 1-3 (CC BN 1-3, 2000-2006), Bankenarchitekturen im Informationszeitalter (CC BAI, 2000-2002), Integriertes Informationsmanagement (CC IIM, ab 2002) sowie Corporate Data Quality (CC CDQ, ab 2006). Hervorzuheben sind hierbei unter anderem: Das Business Engineering Modell (vgl. [Österle/Blessing 2003]) als Forschungsparadigma und Strukturierungsrahmen (vgl. Kapitel 2.1). Die in [Alt 2004] beschriebene Business Networking Architektur sowie das Anforderungsprofil für Methoden des Business Network Redesign, das [Alt 2008] im Rahmen einer Methode zur Gestaltung von Portalarchitekturen erläutert. Die Methode zum Entwurf überbetrieblicher Prozessnetzwerke nach [Benz 2001]: Die Arbeit behandelt primär die Konzeption und Koordination von unternehmensübergreifenden Ablauforganisationen, die Ebenen Strategie und Systeme werden nicht umfassend behandelt. Die Methode für das inter-Business Networking nach [Alt et al. 2000]. Die Fallstudienmethodik PROMET BECS nach [Senger 2004], die als Grundlage für die Erhebung und Präsentation der Fallstudien in Kapitel 4 dient.
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1 Einleitung
1.4 Forschungsmethodik Die Arbeit folgt dem Forschungsansatz der Design Science (vgl. [March/Smith 1995; Hevner et al. 2004]): Der Fokus des Dissertationsprojektes liegt folglich auf der Konstruktion und Bewertung von Artefakten (Konzepte, Modelle, Methoden und Instanzen) zur Lösung von (bestehenden) Problemen und weniger auf der Entwicklung oder Begründung von Theorien zur Erklärung bestehender Phänomene (behavioristischer Ansatz). Als besonderes Merkmal der Design Science (DS) können Untersuchungsergebnisse noch während ihrer Erarbeitung von Umweltfaktoren (z.B. durch neue Technologien) beeinflusst werden. Anhang A zeigt die typische Vorgehensweise der Design Science, angewandt auf das Forschungsumfeld der Dissertation. [Hevner et al. 2004, 83ff] nennen sieben Qualitätskriterien für Ergebnisse gemäss Design Science. Tabelle 1-2 erläutert wie der Ansatz der Dissertation jedes dieser Prinzipien berücksichtigt. Prinzip
Ansatz der Dissertation
Gestaltung eines Artefakts
Die zentralen Dissertationsergebnisse wie die Referenzmodelle und Gestaltungsoptionen zur Vernetzung im Anlagegeschäft sowie das Vorgehensmodell zur Gestaltung von Unternehmensnetzwerken sind Artefakte im Sinne der Design Science.
Problemrelevanz
Die Relevanz des Themas Vernetzung in der Finanzindustrie belegt neben aktuellen Studien (z.B. [Accenture 2006; Falkenberg et al. 2006]) auch das breite Interesse von Unternehmen an der Mitarbeit im CC Sourcing.
Ergebnisbeurteilung
Die Forschungsergebnisse werden beurteilt anhand von Kriterien zur Modellqualität (z.B. [Schütte 1998, 166ff; Fettke/Loos 2004b]). Die Nützlichkeit und Anwendbarkeit der Ergebnisse werden im Dialog mit den Partnerunternehmen geprüft. Dadurch sollen die Anwendbarkeit, der praktische Nutzen und der Transfer in die Unternehmen gewährleistet werden.
Forschungsbeitrag
Die enge Kooperation des CC Sourcing und damit des Autors mit den Partnerunternehmen bietet die Voraussetzung für eine zielgerichtete Ergebniserarbeitung und die Evaluierung der Nützlichkeit von Artefakten durch Praktiker. Durch die Ableitung aus bestehenden Ansätzen kann der wissenschaftliche Beitrag der Arbeit beurteilt und das Delta im Sinne eines Wissensfortschritts aufgezeigt werden.
Research Rigor
Die Ergebnisse sind systematisch mittels etablierter Methoden abzuleiten. Die Dissertation basiert hierzu auf einer Kombination der Methoden Fallstudienforschung, Literaturanalyse und Aktionsforschung. Dabei bildet i.d.R. eine Literaturanalyse die Basis der Artefakte, die in den Workshops (vgl. Anhang B.1) und Projekten des CC Sourcing sowie in Fallstudien mehrfach angewendet und evaluiert werden.
Forschung als Suchprozess
Die Forschungsergebnisse entstehen iterativ in Feedbackschleifen mit den Praxispartnern. Im Zuge der Beschreibung der Ergebnisse wird eine Abgrenzung zu bestehenden Ansätzen und alternativen Lösungen vorgenommen.
Kommunikation der Ergebnisse
Die Forschungsergebnisse stehen den Praxispartnern im Rahmen des CC Sourcing zur Verfügung und werden bzw. wurden von den Unternehmen teilweise bereits in Projekten genutzt. Zudem verweist diese Arbeit auf weitere Forschungsaktivitäten des Kompetenzzentrums und ordnet die o.a. Ergebnisse in diese ein. Die Darstellung der Ergebnisse anhand des durchgängigen Anwendungsbeispiels Anlagegeschäft und deren beispielhafte Anwendung (vgl. z.B. Kapitel 5.3) soll die Lesbarkeit und Verständlichkeit der Arbeit fördern.
Tabelle 1-2: Forschungsansatz gemäss den Prinzipien der Design Science
1.5 Aufbau der Arbeit
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1.5 Aufbau der Arbeit Die sieben Kapitel der Arbeit reflektieren sowohl den Forschungsprozess als auch die Kernergebnisse. Abbildung 1-1 visualisiert den Aufbau. Kapitel 1 erklärt ausgehend vom Handlungsbedarf die Zielsetzung der Arbeit und zeigt den Nutzen für die Adressaten sowie die Forschungsmethodik auf. Kapitel 2 schafft mit dem Untersuchungsframework (2.1) und den Grundlagen zu Unternehmensnetzwerken (2.2) die Basis für ein einheitliches Begriffsverständnis. Ein Vergleich bestehender Ansätze zur Gestaltung von Unternehmensnetzwerken (2.3) ist die Basis für die Ableitung eines Anforderungsprofils für das Vorgehensmodell in Kapitel 6. Kapitel 3 erklärt zunächst den Stellenwert des Anlagegeschäfts in der Schweiz und den Stand der Vernetzung im Raum Deutschland, Österreich und Schweiz (3.1). Anschliessend beschreibt es bankfachliche Grundlagen zum Anlagegeschäft (3.2), leitet daraus ein Referenznetzwerk ab (3.3) und stellt darauf aufbauend konkrete Vernetzungsmodelle anhand von sechs Fallbeispielen vor. Kapitel 4 greift die Rolle des Abwicklers als Bezugspunkt aus dem Referenznetzwerk heraus. Davon ausgehend erläutert und vergleicht es vier bezüglich der Ausgangssituation vergleichbare Fallstudien zur Vernetzung im Anlagegeschäft. Kapitel 5 kombiniert bestehende Ansätze zur Gestaltung und Bewertung von Unternehmensnetzwerken mit praktischen und theoretischen Erkenntnissen für das Anlagegeschäft. Es entwickelt als Ergebnisse sechs Gestaltungsoptionen im Anlagegeschäft für eine (Vertriebs-)Bank (5.1) sowie ein qualitatives (Potenzial, Risiko) und quantitatives (Kosten und Erträge) Bewertungsmodell (5.2) für Unternehmensnetzwerke und deren Transformation. Kapitel 6 präsentiert ein Vorgehensmodell für die Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken ausgehend vom Projektauftrag über die Konzeption von alternativen Netzwerk-Konstellationen bis zum Entscheid über das weitere Vorgehen. Auf Basis einer Einordnung und der Diskussion bestehender Ansätze (6.1) beschreibt das Kapitel die Aktivitäten und Ergebnisdokumente des Vorgehensmodells (6.2) und zeigt Einsatzmöglichkeiten (6.3) auf. Die Ergebnisse aus den Kapiteln 3-5 entsprechen Teilergebnissen der einzelnen Schritte des Vorgehensmodells. Kapitel 7 beinhaltet eine Zusammenfassung der Ergebnisse, inklusive einer Reflexion der Potenziale und Grenzen ihrer Anwendung und skizziert mögliche künftige Entwicklungen und Forschungsthemen.
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1 Einleitung Kapitel 1: Einleitung Kapitel 2: Grundlagen
2.1 Untersuchungsframework 2.1.2 Referenzmodellierung
2.1.1 Drei-Ebenen-Modell des BE
2.2 Unternehmensnetzwerke 2.2.1 Ursprung des Begriffs und Charakteristika 2.2.2 Treiber der Vernetzung 2.2.3 Sourcing und Transaktionskostentheorie 2.2.4 Kernkompetenz, Leistungs- und WS-Tiefe 2.2.5 Aufbrechen von Marktstrukturen und Entstehung neuer Märkte
Kapitel 3: Vernetzung im Anlagegeschäft
2.1.3 Metamodell
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken 2.3.1 Bestehende BNR-Ansätze 2.3.2 Vergleich bestehender Ansätze und Anforderungen an BNR-Vorgehen
3.1 Bankenmarkt Schweiz 3.1.1 Internationale Position im Anlagegeschäft 3.1.2 Status quo des Aufbrechens der WSK
3.1.3 Einsatz von Standardsoftwarepaketen
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft 3.2.1 Gründe für Vernetzung im Anlagegeschäft 3.2.2 Institutionen im Anlagegeschäft
3.2.3 Referenzprozess Anlegen 3.2.4 Einordnung in ein Bankmodell
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft 3.3.1 Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft 3.3.2 Beispiele für Vernetzung im Anlagegeschäft
3.3.3 IS-Aspekte der Vernetzung 3.3.4 Trends im Anlagegeschäft
3.4 Zwischenfazit
Kapitel 4: Fallstudien
4.1 Auswahlkriterien und Analyseraster 4.2 Fallstudie Bank Vontobel
4.3 Fallstudie B-Source
4.4 Fallstudie Entris
4.5 Fallstudie DZ BANK
4.6 Gegenüberstellung der Fallstudien
Kapitel 5: Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.1 Gestaltungsoptionen
5.2 Bewertungsmodell
5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4
Option 1: Wertpapier-Abwickler Option 2: Streetside Provider mit Handel Option 3: Investment Center Option 4: WP-Abwickler plus Streetside Provider (Transaktionsbank) 5.1.5 Option 5: Spezialist für das Anlagegeschäft 5.1.6 Option 6: Backoffice/Fullservice Provider (für reine Vertriebsbanken)
5.2.1 Anforderungen an die Bewertung 5.2.2 Bestehende Bewertungsansätze 5.2.3 Bewertungsmodell – Inhalt, Struktur und Vorgehen 5.3 Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells 5.3.1 Qualitative Bewertungskriterien für das Anlagegeschäft 5.3.2 Beispielhafte Potenzial- u. Risikoanalyse 5.3.3 Anwendung d. quant. Bewertungsrasters
5.4 Zwischenfazit
Kapitel 6: Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
6.1 Bezugsrahmen und Einordnung 6.1.1 Bezugsrahmen
6.1.2 Einordnung in bestehende Ansätze 6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente 6.2.1 Aufbau und Inhalt des Vorgehensmodells
6.2.2 Phase 1: Schaffen (bankfachlicher) Grundlagen 6.2.3 Phase 2: Analyse 6.2.4 Phase 3: Entwurf / Konzeption
6.2.5 Kritische Erfolgsfaktoren und Besonderheiten der Phasen 4 und 5 6.2.6 Phasenübergreifende Aufgaben
6.3 Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens 6.3.1 Übersicht zu den Ergebnisdokumenten
6.3.2 Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens 6.4 Zwischenfazit
Kapitel 7: Fazit und Ausblick
Abbildung 1-1: Struktur der Dissertation
2.1 Untersuchungsframework
2
9
Grundlagen
Dieses Kapitel beschreibt den Bezugsrahmen, in dem die Arbeit die Vernetzung in der Finanzindustrie am Beispiel des Anlagegeschäfts betrachtet. Er umfasst drei Bereiche: Untersuchungsframework: Auf Basis des Business Engineering (BE) als Forschungsrahmen der Arbeit ordnet das erste Teilkapitel die Ergebnisse der Dissertation in die Ergebnistypen der Wirtschaftsinformatik ein. Als ein wesentliches Konzept für die Herleitung und auch für die Beurteilung der erarbeiteten Artefakte werden im Anschluss Grundlagen zur Referenzmodellierung und der Evaluierung von Referenzmodellen beschrieben. Ein Metamodell zeigt abschliessend die wesentlichen Gestaltungselemente sowie deren Beziehungen zueinander auf und bildet so den terminologischen Rahmen der Arbeit. Dieses Begriffssystem baut auf dem Metamodell des BE-HSG auf und ist geringfügig an die Themenstellung angepasst. Unternehmensnetzwerke: Das zweite Teilkapitel erklärt den Ursprung und die Charakteristika des Begriffs Netzwerk, diskutiert ausgewählte Aspekte der Vernetzung und verweist auf umfassende Grundlagenbeiträge zu diesem Thema. Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken: Dieses Teilkapitel greift bestehende Literaturanalysen auf und spiegelt deren Erkenntnisse an branchenspezifischen Ansätzen. Abschliessend werden die Anforderungen an das im Rahmen der Arbeit zu entwickelnde Vorgehensmodell für Business Network Redesign (BNR) präzisiert. 2.1 Untersuchungsframework Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette (vgl. Kapitel 1.1) drängt Unternehmen in der Finanzindustrie dazu, ihre Strategie zu überdenken und sie dem veränderten Marktumfeld anzupassen. Eine nachhaltig erfolgreiche Realisierung neuer Geschäftslösungen erfordert die Abstimmung von Geschäftsmodell, Organisation und verwendeten Technologien (vgl. [Leist 2002, 4]). Daraus entsteht der Bedarf nach Methoden und Modellen, welche die Entwicklung und Realisierung dieser abgestimmten Lösungen mit einem umfassenden Ansatz zur Unternehmensmodellierung unterstützen. Der Ansatz BE-HSG erfüllt diese Anforderung. Er bildet den Forschungsrahmen für die Ergebnisse des CC Sourcing (vgl. Kapitel 1.3) und damit auch für diese Arbeit. Wesentliche Gründe für die Wahl von BE-HSG sind die Durchgängigkeit des Ansatzes, die Ganzheitlichkeit bei gleichzeitiger Einfachheit, die betonte Ausrichtung auf Transformationsprojekte sowie die Bereitstellung eines integrierten Ansatzes zur Konzeption von Architekturen und Methoden. Die folgenden Teilkapitel umfassen eine Einordnung und Grundlagen zu BE-HSG (vgl. Kapitel 2.1.1), eine Einführung in die Referenzmodellierung (vgl. Kapitel 2.1.2) als einem für die Arbeit wesentlichen Forschungskonzept sowie die Erläuterung eines für die Arbeit geringfügig adaptierten BEMetamodells (vgl. Kapitel 2.1.3).
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2 Grundlagen
2.1.1 Drei-Ebenen-Modell des Business Engineering „Der Prozess ist der Schlüssel. … Business Engineering integriert die Strategie- und die Systementwicklung über die Prozessentwicklung.“ [Österle 1995, 21]
Analog zu anderen Ansätzen7 der Unternehmensmodellierung wie z.B. ARIS, SOM und MEMO erkennt BE-HSG die drei Ebenen8 Strategie, Prozesse und Systeme9 als zentrale Gestaltungsebenen [Österle/Blessing 2005, 10ff]. Je nach Fokus der Betrachtung weisen weitere Ansätze zum Teil eine detailliertere Gliederung auf. Abbildung 2-1 zeigt, dass gemäss BE-HSG neben den drei Ebenen auch die Beachtung von Politik und Kultur (vgl. Block Führung, Verhalten, Macht in Abbildung 2-1) wesentlich ist. [Fleisch 2001, 280] stellt fest, dass „soziale, kulturelle und politische Kräfte … bestimmende Faktoren bei der Gestaltung von Prozessnetzwerken und Applikationsarchitekturen“ sind, und verdeutlicht damit die entscheidende Rolle „weicher“ Faktoren für den Erfolg von Netzwerkunternehmen. Da die Arbeit vorrangig auf den Fachbereich ausgerichtet ist, sind diese Aspekte bei der Entwicklung von Referenzmodellen (z.B. Gestaltungsoptionen für das Anlagegeschäft) weitgehend ausgeklammert. Bei den Kriterien des Bewertungsmodells sind sie aber explizit berücksichtigt. Die Konzeption künftig erfolgreicher Geschäftslösungen erfordert eine Vorstellung über die Regeln, denen das Unternehmen im Informationszeitalter zu folgen hat. Dazu sind weniger ein detailliertes „Verständnis des Innenlebens der Technik, als vielmehr klare Vorstellungen über die Benutzung der informationstechnischen Werkzeuge“ [Österle/Winter 2003, 16] und damit der Rolle der IT als Katalysator der Transformation des Unternehmens notwendig. Der Nutzen eines BE-Projekts resultiert aus der neuen Geschäftslösung und nicht aus der IT10 (vgl. [Österle 1995, 9]). BE-HSG beschäftigt sich mit Fragestellungen zur Transformation von Unternehmen im Übergang von der Industrie- in die Informationsgesellschaft (vgl. Abbildung 2-1) und umfasst Instrumentarien für eine umfassende Neugestaltung eines Unternehmens (vgl. [Österle/Winter 2003, 4ff]). Eine Besonderheit dieser Arbeit ist, dass sie die Konzepte des BE primär auf die Gestaltung eines Unternehmensnetzwerks anwendet. Da7
8
9 10
[Leist 2002, 11ff; Österle/Blessing 2005, 9] präsentieren jeweils eine Gegenüberstellung der Ansätze ARIS (Architektur integrierter Informationssysteme, vgl. [Scheer 2002]), SOM (für Semantic Object Model, vgl. [Ferstl/Sinz 1997]), MEMO (für Multi-Perspective Enterprise Modeling, vgl. [Frank 2002]) und BE-HSG (vgl. [Österle/Winter 2003]). Aufgrund der Vielzahl der relevanten Komponenten einer Unternehmensarchitektur unterscheiden Ansätze zur Unternehmensmodellierung in der Regel mehrere Architekturschichten, um die Anzahl der Elemente pro Ebene zu reduzieren. Gemäss dem Prinzip „IT follows Business“ ist die Unternehmensstrategie in quasi allen Ansätzen die oberste Ebene und damit der Ausgangspunkt (vgl. [Winter/Fischer 2007, 8]). [Winter/Fischer 2007] schlagen z.B. für die Ebene Systeme eine Dreiteilung in Integrations-, Applikationsund Infrastrukturarchitektur vor. Der nachfolgend diskutierte Ansatz von [Alt 2004] sieht dies ebenfalls vor. Der Nutzen von IS/IT ist aufgrund ihrer Unterstützungsfunktion schwer messbar. So stellt z.B. [Beccalli 2007, 2229] fest, dass es keinen direkten Zusammenhang von IT-Investitionen und Profitabilität von Banken gibt. Er folgt jedoch nicht der Argumentation von [Carr 2003], der die These „IT doesn’t matter“ geprägt hat, sondern schlägt vor, den indirekten Nutzen der IT anhand von geschäftsmodellbasierten Messkriterien wie z.B. Ein/Ausstiegsbarrieren und Time to Market zu beurteilen. [Bartmann 2005] erklärt zwei Eigenschaften von IT, aus denen strategische Ressourcen für den Bankvertrieb entwickelt werden können: Die Enabler-Eigenschaft (für Geschäftsmodelle mit First Mover Advantage und Lock In Effekt bei technologischen Entwicklungssprüngen) sowie die Rechenfähigkeiten (für Zwecke der Optimierung und der künstlichen Intelligenz).
2.1 Untersuchungsframework
11
bei wird das Netzwerk aus Sicht des jeweiligen Unternehmens betrachtet und nicht aus einer aggregierten Netzwerkperspektive. Die Arbeit folgt diesbezüglich der Argumentation von [Fleisch 2001, 260], dass auch Netzwerk-Unternehmen individuelle Nutzenmaximierer sind. IT und neue Wirtschaft Strategie
Prozesse
Transformation des Unternehmens
Führung Verhalten Macht
Systeme
Abbildung 2-1: Ebenen des Business Engineering nach [Österle/Winter 2003, 14] Für die vernetzten Geschäftsmodelle des Informationszeitalters sind vorrangig die Potenziale von Business Engineering in der überbetrieblichen Koordination zutreffend. [Alt 2004, 122ff] unterscheidet hierbei die folgenden Koordinationsformen: Institutionelle Integration11 (Leistungsflüsse zwischen Unternehmen, BE-Ebene Strategie): Die Geschäftsarchitektur beschreibt die erbrachte Marktleistung, das zu bedienende Kundensegment, die Rollen der Netzwerkpartner sowie die von jedem Unternehmen zu erbringenden Leistungen (vgl. [Winter 2003, 95ff]). Organisatorische Integration (Informationsflüsse zwischen Prozessen, BE-Ebene Prozesse): Die Prozessarchitektur ordnet jedem Partner ausgehend von seiner Rolle im Unternehmensnetzwerk Aufgaben zu und strukturiert so Abläufe zwischen den Netzwerk-Partnern zeitlich und logisch. Des Weiteren zeigt sie Abhängigkeiten zwischen Prozessen auf und kategorisiert sie in lokale und globale Prozesse (vgl. [Fleisch 2001, 235f]). Technische Integration (Informationsflüsse zwischen Applikationen, BE-Ebene Systeme): Die Systemarchitektur kann nach [Alt 2004, 184f] wieder in drei Ebenen unterteilt werden. Die Applikationsarchitektur bildet die Verbindung zur Prozessarchitektur und zeigt auf, welche Applikationen die Prozesse unterstützen. Die Integrationsarchitektur gewährleistet den reibungslosen Ablauf von Transaktionen über Applikationsgrenzen. Die Infrastrukturarchitektur stellt Funktionen (Plattform- und Netzwerk-Komponenten) für den Betrieb von Applikationen und Integrationskomponenten bereit. Diese Funktionalität ist weitgehend standardisiert verfügbar, birgt kaum Differenzierungspotenzial12 und ist daher nicht Gegenstand dieser Arbeit. 11
12
Nach [Kosanke et al. 1999, 83] zielt Integration auf die verbesserte Effizienz eines Systems durch die Kooperation der beteiligten Elemente. [Rosemann 1996, 155] unterscheidet Integration im Sinne des Vereinigens und Integration im Sinne des Verbindens. Letzteres ist Gegenstand dieser Arbeit. Studien belegen, dass der Betrieb von IT-Infrastruktur einer der Bereiche bei Banken mit den niedrigsten Kernkompetenz-Werten und dem höchsten Auslagerungsgrad ist (vgl. z.B. [Falkenberg et al. 2006, 71]).
12
2 Grundlagen
Die Ergebnisse der Wirtschaftsinformatik im Allgemeinen und des BE im Speziellen umfassen Architekturen und Methoden. Architekturen13 haben eine statische Sicht auf einen Sachverhalt im Sinne von Erklärung, Beschreibung und Gestaltung, während Methoden14 eine dynamische Sicht in Form eines systematischen Umsetzungsinstrumentariums mit einem Vorgehen inklusive dazugehöriger Ergebnisdokumente und Techniken darstellen. Die Nutzung von Ergebnissen dieser beiden Typen unterscheidet arbeitsteiliges, ingenieurmässiges Konstruieren von individualistischem Schaffen [Winter 2003]. Die vorliegende Arbeit beinhaltet Ergebnisse beider Typen. Ein Resultat des Typs Architektur ist z.B. das Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft in Kapitel 3.3.1. Ein zentrales Element einer Methode15 (vgl. Method Engineering nach [Gutzwiller 1994]) ist ein Vorgehensmodell wie z.B. jenes zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken in Kapitel 6. 2.1.2 Referenzmodellierung Ein Problem zwischenbetrieblicher Vernetzung ist oft das Fehlen einer einheitlichen Terminologie. Bei den Praxispartnern des CC Sourcing (Banken, Provider und Universitäten) und in der Literatur existieren viele Ideen16 zur Neugestaltung der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie. Die Ansätze sind jedoch aufgrund einer nicht systematischen Beschreibung und / oder einer uneinheitlichen Syntax und Semantik kaum vergleichbar. Daraus entsteht der Bedarf nach Referenzmodellen sowohl für die Funktionsweise des jeweiligen Fachbereichs als auch für die in der Praxis umgesetzten bzw. theoretisch-möglichen Vernetzungsoptionen. Diese Referenzmodelle können in BNRMethoden z.B. als Hilfsmittel bei der Konzeption von Netzwerk-Konstellationen verwendet werden und damit die Anforderung (vgl. Kapitel 2.3.2) erfüllen, Branchenspezifika zu berücksichtigen. Referenzmodelle sind ein wesentlicher Ergebnistyp in der Wirtschaftsinformatik. Nach der allgemeinen Modelltheorie (vgl. [Stachowiak 1973]) ist ein Modell ein abstraktes Abbild der Wirklichkeit, das bestimmte Merkmale bewusst vernachlässigt, um die für den Modellierer oder den Modellierungszweck wesentlichen Modelleigenschaften hervorzuheben (vgl. Ebenenbildung im Business Engineering). Ein Referenzmodell ist 13
14
15
16
Der Begriff Architektur wird in der Literatur kontrovers diskutiert. [Alt 2004, 124f] beleuchtet dessen Ursprung, nennt alternative Definitionsansätze und schlägt folgende Definition einer Architektur vor: „Modell, welches die Bestandteile eines betrachteten bzw. zu gestaltenden Systems mit ihren Beziehungen darstellt.“ In Analogie zur Architekturlehre spricht [Sinz 1997, 875] als Synonym für Architektur auch von einem Bauplan. Methoden zeigen den Weg bei der Lösung einer Aufgabenstellung (z.B. beim Prozessentwurf oder der Softwareentwicklung). Sie beschreiben das Vorgehen (als Summe von Aktivitäten), die Rollen sowie die Ergebnisse und enthalten Anleitungen, wie die Ergebnisse erzielt werden können (vgl. [Österle/Blessing 2003, 10]). Die Verwendung einer Methode garantiert in der Wirtschaftswissenschaft nicht die Entwicklung der besten Lösung (vgl. [Braun 2003]), sondern verfolgt den Zweck, den Anwender beim Prozess der Lösungsfindung zu unterstützen und alle wesentlichen Aspekte zu berücksichtigen (vgl. [Malik 2005, 26ff]). [Heym 1993] ergänzt zum Nutzen eines methodengestützten Ansatzes u.a. noch eine zeitliche und logische Strukturierung des Vorgehens und damit eine Reduktion der Komplexität, eine schnelle, kostengünstige und zielgerichtete Projektabwicklung sowie eine höhere Unabhängigkeit von ausführenden Personen. Die in der Literatur vorhandenen Konzepte sind grossteils abstrakt und beschränken sich i.d.R. auf eine allgemeine Dreiteilung der Wertschöpfungskette in Vertriebs-, Transaktions- und Portfolio- bzw. Produktbank (vgl. z.B. [Betsch/Thomas 2005, 74; Lukas 2005, 158ff]).
2.1 Untersuchungsframework
13
ein Modell, welches für die Entwicklung individueller Modelle einer bestimmten Unternehmensklasse einen Bezugspunkt (vgl. [Schütte 1998, 69; Fettke/Loos 2004b, 1]) bzw. einen generell gültigen und wieder verwendbaren Ordnungsrahmen für mehrere Unternehmen darstellt (vgl. [Fettke/Loos 2004a]). Eine unternehmensübergreifende Verwendung eines Referenzmodells erleichtert die Kommunikation und Koordination zwischen den beteiligten Akteuren. Business Engineering ist ein erprobtes Anwendungsfeld der Referenzmodellierung. BE könnte ohne Konzepte, welche die Potenziale der Wiederverwendung explizit ansprechen, nicht als reife Ingenieursdisziplin gelten (vgl. [Fettke/Loos 2005, 20]). Referenzmodelle existieren für beide Kernergebnisse der Wirtschaftsinformatik, Architekturen und Methoden (hier im Speziellen ReferenzVorgehensmodelle). Nach dem Zweck der Modellnutzung unterteilt [Schütte 1998, 71] Referenzarchitekturen in Anwendungssystemmodelle und Organisationsmodelle. Zweitere stehen im Fokus der Arbeit. Abbildung 2-2 zeigt im linken Teil den Konstruktions- und im rechten Teil den Anwendungsprozess von Referenzmodellen. Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis bei der Referenzmodellierung (vgl. [vom Brocke/Buddendick 2004, 345]) entspricht dem Forschungsansatz der Design Science (vgl. Kapitel 1.4). Bei der Entwicklung von Referenzmodellen sind in diesem Sinne neben bestehenden theoretischen Ansätzen auch Praxisbeispiele zu berücksichtigen.
Konstruktionsprozess von Referenzmodellen
Anwendungsprozess von Referenzmodellen
Abbildung 2-2: Konstruktions- und Anwendungsprozess von Referenzmodellen nach [Fettke/Loos 2005, 22] [Schütte 1998, 309ff] unterscheidet zwei prinzipielle Anwendungsbereiche von Referenzmodellen: Den Einsatz als Idealmodell, an das sich ein Unternehmen anzunähern versuchen sollte, und die Nutzung als Ordnungsrahmen oder Konstruktionshilfe für unternehmensspezifische Modelle. Diese Arbeit entwickelt bzw. präsentiert die in Tabelle 2-1 genannten Referenzmodelle, die jeweils als Input bzw. beispielhafte Ergebnisdokumente in das abschliessend genannte (Referenz-)Vorgehensmodell für BNR einfliessen. [Fettke/Loos 2004b, 1f] unterstreichen die hohe theoretische und praktische Bedeutung einer systematischen Konstruktion und Evaluation von Referenzmodellen. Sie betonen
14
2 Grundlagen
die Möglichkeit einer produkt- und/oder prozessbezogenen Analyse17 und nennen im Rahmen der multiperspektivischen Evaluierung alternative Ansätze zur Validierung von Referenzmodellen. Dabei unterscheiden sie analytische und empirische Ansätze. Die Referenzmodelle in dieser Arbeit wurden aus analytischer Perspektive18 deskriptiv-merkmalsbasiert beurteilt und empirisch19 via Kombination aus Befragung, Fallstudien und Aktionsforschung auf ihre Gültigkeit und Praxistauglichkeit geprüft. Referenzmodell
Kap.
Inhalt / Verwendung
Prozess Anlegen
3.2.3
Bankmodell
3.2.4
Netzwerk Anlegen
3.3.1
Das Prozessmodell mit Fokus auf der Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen (TRX) bildet den begrifflichen Rahmen für die Diskussion des Anlagegeschäfts. Das Bank-Prozessmodell mit Fokus auf den drei kundenbezogenen Prozessen Zahlen, Anlegen und Finanzieren erlaubt eine Einordnung des Anlagegeschäfts in den Gesamtbankkontext. Das Referenznetzwerk zeigt mögliche Vernetzungsszenarien im Anlagegeschäft anhand von Rollen auf und bildet die Grundlage für unternehmensspezifische Varianten im Rahmen der Fallbeispiele und Fallstudien. Die Gestaltungsoptionen für Unternehmensnetzwerke im Anlagegeschäft gehen von der Rolle des Abwicklers aus. Diese Referenzmodelle bilden eine Konstruktionshilfe für die konkrete Auswahlentscheidung und Gestaltung von Anwendungsmodellen in der Praxis. Das Vorgehensmodell für die (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken bietet Unterstützung für BNR-Vorhaben. Die Arbeit dokumentiert einzelne Schritte und Ergebnisse daraus für das Beispiel Anlagegeschäft. Zudem spiegelt das BNR-Vorgehen die Struktur der Arbeit wider und fasst deren Ergebnisse zusammen. Dies soll den Transfer vom Anlagegeschäft auf andere Bereiche erleichtern.
Gestaltungsoptionen
5.1
BNR-Vorgehen
6
Tabelle 2-1: Referenzmodelle der Arbeit [Fettke/Loos 2004b, 8] weisen im Rahmen der merkmalsbasierten Evaluierung auf die Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung (GoM)20 als Merkmale zur Analyse von (Referenz-)Modellen hin. Für jeden dieser Grundsätze sind in Tabelle 2-2 beispielhafte Bewertungskriterien21 angeführt. Diese Kriterien sind die Grundlage für die Beurteilung der Güte der Referenzmodelle der Arbeit. In Kapitel 5.1 ist die Anwendung der GoM beispielhaft für die Gestaltungsoptionen beschrieben. Grundsatz
Kriterien
Richtigkeit / Sprachadäquanz Relevanz / Konstruktionsadäquanz Wirtschaftlichkeit Klarheit Vergleichbarkeit
Semantische Mächtigkeit, Formalisierungsgrad, Sprachverständlichkeit, Sprachrichtigkeit Konsens über die Problemdefinition, Intra- und Intermodellkonsistenz, Berücksichtigung relevanter Informationsobjekte, Minimalität Kosten/Nutzen-Relation, Robustheit, Anpassbarkeit, Übertragbarkeit Hierarchisierung, Filterung, Abgrenzbarkeit Semantische Vergleichbarkeit
Systematischer Aufbau
Konsistente Inter-Modellsichtbeziehungen
Tabelle 2-2: Kriterien zur Erfüllung der Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung 17 18 19 20 21
[Fettke/Loos 2004b, 3] unterscheiden die Qualität des Prozesses der Konstruktion bzw. der Anwendung sowie die Qualität des Produktes der Konstruktion (Referenzmodell) bzw. der Anwendung (Anwendungsmodell). Die Arbeit klammert die theoriegeleitete analytische Perspektive im Rahmen der Evaluierung aus. Mögliche Ansätze dazu beschreiben [Wand/Wang 1996; Fettke/Loos 2004b, 9ff]. Die Referenzmodelle der Arbeit wurden iterativ mit Unternehmen abgestimmt. Die Arbeit beschreibt diese Evaluation nicht explizit für alle Modelle, sondern zeigt nur Besonderheiten und Gestaltungsvarianten auf. Anhang A beinhaltet eine allgemeine Beschreibung jedes Grundsatzes. Die Kriterien basieren auf der Evaluation von IT Infrastructure Library (ITIL) als Referenzmodell für das IT Service Management in [Hochstein et al. 2004, 383ff] und werden ergänzt um weitere Anforderungen an Referenzmodelle z.B. in [Fettke/Loos 2004b].
2.1 Untersuchungsframework
15
2.1.3 Metamodell der Arbeit Ein Metamodell22 spezifiziert „die verfügbaren Arten von Bausteinen (Meta-Objekte), die Beziehungen zwischen diesen Bausteinen (Meta-Beziehungen) sowie Konsistenzbedingungen für die Verwendung von Bausteinen und Beziehungen“ [Sinz 1997, 875]. Grundlage des Metamodells der Arbeit in Abbildung 2-3 ist die in [Höning 2008] als Core Business Engineering Metamodell beschriebene Weiterentwicklung des Modells für BE-HSG nach [Österle et al. 2007]. Das Modell enthält jene Gestaltungsobjekte, die typischerweise in jedem Business Engineering Projekt zu berücksichtigen sind und setzt diese zueinander in Beziehung. Ein wesentlicher Aspekt der Weiterentwicklung besteht darin, dass das Metamodell in [Höning 2008] die bisher primär unternehmensinterne Sicht auf ein Transformationsprojekt dahingehend erweitert, dass die Netzwerkperspektive, die im Fokus dieser Arbeit steht, besser abbildbar wird. Die Elemente des BE-Metamodells und deren Beziehungen waren für die Arbeit geringfügig an die spezifischen Anforderungen der Themenstellung BNR anzupassen. Tabelle 2-3 stellt die wesentlichen23 Änderungen im Vergleich zum Core BE-Modell nach [Höning 2008] dar und erläutert die Anpassungen jeweils stichwortartig. Das Metamodell ist analog zu früheren Metamodell-Ansätzen aus dem BE-HSG ([Österle/Blessing 2003, 81; Alt 2004, 140]) nach den drei Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme gegliedert. Diese Ebenen sind, mit Ausnahme der Ebene Prozesse24 deckungsgleich mit den Sichten in [Höning 2008]. Anhang A enthält eine Definition der Elemente des Metamodells. Objekt
Änderung
Erläuterung
Unternehmensnetzwerk
Neues Element
Das Unternehmensnetzwerk ist als Aggregation von Unternehmen modelliert. Unternehmensnetzwerke können selbst wiederum als Organisationen direkt am Markt auftreten. Die Mitgliedschaft in einem Netzwerk wird jeweils via Kooperationsbeziehung (hier Geschäftsbeziehung als rekursive Beziehung zwischen Organisationen) spezifiziert. Diese Modellierung erlaubt die Abbildung von Beziehungen zwischen allen Arten von Organisationen (Unternehmen, Netzwerke und Weitere, wie z.B. Privatpersonen).
Standards
Neues Element mit Unterelementen
Dieses Element repräsentiert Rahmenbedingungen des Marktes, wie z.B. Regulatorien, anerkannte Kommunikationsstandards (z.B. SWIFT) und die Anbindung an Marktinfrastrukturen (z.B. Börsen).
Applikationskomponente
Anpassung Unterelemente
Unterelemente Applikationsfunktion / Geschäftslogikkomponente, Benutzerschnittstelle und Datenbehälter / Datenhaltungskomponente wurden entfernt.
Stelle
Element entfernt
Das Element Stelle auf Ebene Prozesse ist für den Kontext dieser Arbeit nicht erforderlich und wurde daher entfernt.
Tabelle 2-3: Unterschiede zum BE-Metamodell nach [Höning 2008; Österle/Osl 2008] 22
23
24
Der Begriff Metamodell ist nicht mit dem des Referenzmodells gleichzusetzen. Ein Metamodell beschreibt die Semantik („gemeinsame Sprache“) des Modellsystems und blendet dabei die Modellsyntax weitgehend aus. Bei der Referenzmodellierung (vgl. Kapitel 2.1.2) hingegen wird die Syntax der entsprechenden unternehmensspezifischen Modelle eher vernachlässigt und aus den semantischen Gemeinsamkeiten ein Referenzmodell konstruiert. [Schütte 1998, 72ff] Das BE-Metamodell ist umfangreicher als jenes für diese Arbeit. Die aus Gründen der Einfachheit weggelassenen Elemente sind nicht einzeln aufgeführt, sofern ihre Nichtberücksichtigung keine direkte Auswirkung auf die verbleibenden Elemente hat. Die Ebene Prozesse fasst die Sichten Zielsystem/Führung und Prozesse nach [Höning 2008] zusammen.
16
2 Grundlagen
Das Modell in Abbildung 2-3 ist in Anlehnung an die Notation eines UMLKlassendiagramms (vgl. z.B. [Oesterreich 2005]) modelliert, d.h. es enthält Klassen als Gestaltungselemente und Beziehungen zwischen diesen Klassen. Die verwendeten Beziehungstypen sind Generalisierung, Aggregation und Assoziation. Zugunsten der Einfachheit enthält das dargestellte Metamodell keine Kardinalitäten.
Abbildung 2-3: Metamodell in Anlehnung an [Höning 2008; Österle/Osl 2008]
2.2 Unternehmensnetzwerke
17
2.2 Unternehmensnetzwerke 2.2.1 Ursprung des Begriffs und Charakteristika „Das Leben ist leichter, wenn sich verschiedene Menschen zusammenfinden und sich die unterschiedlichsten Arbeiten teilen, als wenn jeder alles allein erledigen muss. Die Spezialisierung schafft einen höheren Wohlstand, bedeutet aber auch, dass die so entstehende Gemeinschaft nach Regeln und Gesetzen zusammenleben muss.“ [Platon 370 v. Chr.]
Diese Analogie aus dem antiken Griechenland zur Vorteilhaftigkeit des Staates belegt die Fundamentalität des Netzwerk-Gedankens. Lange Zeit waren Markt und Hierarchie die grundlegenden Mechanismen der Koordination wirtschaftlichen Handelns. Seit einigen Jahren gelten diese beiden nicht mehr als ausschliessliche Alternativen, sondern als Extrempunkte auf einem Kontinuum (vgl. [Hirnle 2006, 13]). Zwischen diesen Extremen existieren zahlreiche Kooperationsvarianten, die alternative Arten oder Klassen25 von Unternehmensnetzwerken darstellen. Strategische Netzwerke vereinen als eine dieser Mischformen Eigenschaften von Markt und Hierarchie. Die Charakteristika der Form Markt sind Funktionsspezialisierung und marktseitiger Effizienzdruck (im Vergleich zur Funktionsintegration und dem Schutz vor freiem Wettbewerb in der Hierarchie). Die hierarchischen Charakteristika eines Unternehmensnetzwerks sind wechselseitiges Vertrauen und die Integration von Informationen (im Gegensatz zu Opportunismus und Informationsinseln bei marktlicher Koordination). (vgl. [Köhne 2006]) Die Literatur bietet eine Vielzahl an Grundlagenbeiträgen zu Unternehmensnetzwerken (vgl. [Provan et al. 2007, 479]). Eine allgemein anerkannte Definition des Netzwerk-Begriffs fehlt, u.a. weil das Konzept in vielen Disziplinen wie der Organisationslehre, dem strategischen Management, der Soziologie und der Informatik verwendet wird (vgl. [Köhne 2006, 34; Provan et al. 2007]). Eine Abgrenzung der Strömungen der Netzwerktheorie ist nicht Inhalt dieser Dissertation. Dieses Kapitel behandelt die für die vorliegende Arbeit wesentlichen Aspekte und verweist auf weiterführende Quellen26. [Köhne 2006] analysiert eine Reihe von Ansätzen und aggregiert deren Gemeinsamkeiten zur folgenden Begriffsdefinition, die als Grundlage27 dient: „In einem (strategischen) Unternehmensnetzwerk arbeiten mindestens drei rechtlich unabhängige und wirtschaftlich teils abhängige Netzwerkpartner unternehmensübergreifend auf gewissen Gebieten langfristig kooperativ in Wertschöpfungspartnerschaften zusammen und bringen dabei ihre jeweiligen Kernkompetenzen ergänzend ein. … Das übergeordnete Ziel der Zusammenarbeit ist die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen, die sich aus der Kombination marktlicher und hierarchischer Koordinationsprinzipien ergeben.“ [Köhne 2006, 37]
Aus dieser Definition und der Analyse von [Sydow 2005] sind folgende fünf konstituierenden Eigenschaften eines Unternehmensnetzwerks ableitbar:
25 26 27
Klassifikationen von Netzwerken beschreiben [Snow et al. 1992; Köhne 2006, 47ff]. Eine umfassende Literaturanalyse bieten [Fleisch 2001; Swoboda 2003; Sydow 2005; Köhne 2006]. Alternative Definitionen bieten [Klein 1996, 88; Picot et al. 2003; Sydow 2005].
18
2 Grundlagen
(1) Organisiertheit: Unternehmensnetzwerke haben eine klare Struktur, die z.B. mit Kriterien zur Grösse (z.B. Anzahl Partner), der Funktionsteilung, der Dichte (z.B. Intensität des Austauschs) und der Diversität (z.B. Anzahl artverschiedener Partner) beschrieben werden kann. Diese Attribute nutzt die Arbeit zur Abgrenzung alternativer Lösungen im Rahmen der Fallstudien und Gestaltungsoptionen. Zudem fliessen sie bei der Definition der Kriterien zur qualitativen Bewertung mit ein. (2) Verhältnis von Autonomie und Interdependenz: Ein wesentliches Ziel der Vernetzung ist die Erweiterung des wirtschaftlichen Handlungsspielraums des eigenen Unternehmens. Gleichzeitig bedeutet die Vernetzung eine Einschränkung desselben, da das Ziel der Aufrechterhaltung der Partnerbeziehungen einen Teil der Handlungsoptionen ausschliesst. Diesen Wirkungszusammenhang bezeichnet [Boettcher 1974] als „Paradoxon der Kooperation“. Die Komplexität des Anlagegeschäfts bedingt, dass quasi keine Bank eine breite Leistungspalette ohne Kooperation mit anderen Banken anbieten kann. Der Grad der Abhängigkeit divergiert je Leistungsart signifikant. Im interbanknahen Brokerage- und Custody-Geschäft ist der Wechsel von Kooperationspartnern relativ einfach, eine Auslagerung der Abwicklung ist (noch) mit hohen Ein- und Ausstiegsbarrieren verbunden. Wie die Fallbeispiele und Fallstudien zeigen, tendieren Banken dazu, mit ihren Abwicklern eine strategische Partnerschaft mit signifikanten (einseitigen) Kapitalverflechtungen einzugehen. (3) Koexistenz von Kooperation und Wettbewerb (Coopetition): [Corsten 1999] umschreibt den Begriff Coopetition als „Kooperieren, um den gemeinsamen Kuchen zu vergrössern, und konkurrieren, um den Kuchen zu verteilen.“ Ein wesentliches Hindernis für die Vernetzung in der Finanzindustrie ist z.B. die Skepsis vieler Banken, Kunden(stamm)daten an einen potenziellen Konkurrenten auszulagern. Die Fallstudien und Handlungsoptionen enthalten Ansätze zur Gewährleistung einer Trennung von Kooperations- und Konkurrenzaspekten (z.B. Provider ohne Bankstatus und Kapselung von Kundenstammdaten). (4) Reziprozität und Stabilität von Interorganisationsbeziehungen: Netzwerkunternehmen sind individuelle Nutzenmaximierer28. Die Stabilität von zwischenbetrieblichem Leistungsaustausch erfordert jedoch im Gegensatz zum innerbetrieblichhierarchischen Austausch Reziprozität29 im Sinne eines wechselseitigen Ausgleichs der Unternehmensinteressen (vgl. [Fleisch 2001, 276]). Diese Arbeit betrachtet die Einhaltung dieses Gegenseitigkeitsprinzips im Rahmen der Fallstudien30 (vgl. Kapitel 4) und Gestaltungsoptionen (vgl. Kapitel 5.1). Zudem beinhaltet das in Kapitel 5.2 beschriebene Bewertungsmodell Kriterien zur Beurteilung der Ausgewogenheit und Stabilität des Netzwerks bzw. des Nutzens für die Netzwerkpartner. 28
29 30
[Hirnle 2006, 17] weist auf die Notwendigkeit hin, bei der Analyse von Netzwerken stets die individuelle (Realisierung individueller Ziele und langfristig positiver Kosten/Nutzen-Saldo) und die kollektive Ebene (Wettbewerbsfähigkeit des Netzwerks und als gerecht empfundene Kosten/Nutzen-Verteilung) zu berücksichtigen. [Alt 2004, 75f] beschreibt Arten wie z.B. balancierte, generalisierte und negative Reziprozität. Vgl. z.B. für die Fallstudie Vontobel Tabelle 4–3 zum jeweiligen Nutzen der Kooperation für eine Vertriebsbank und Transaktionsbank Vontobel.
2.2 Unternehmensnetzwerke
19
(5) Stets subjektiver (unternehmensspezifischer) Charakter der Abgrenzung des Netzwerks zu seiner Umwelt: Ein Unternehmensnetzwerk hat keine fixen Grenzen, und ein Unternehmen kann Teil von mehreren Unternehmensnetzwerken sein. Wie der Vergleich von Ansätzen zum Aufbrechen der Wertschöpfungskette in Kapitel 3.3.1 zeigt, ist der Analysekontext ein bedeutender Parameter zur Bestimmung der für ein Netzwerk zu berücksichtigenden Elemente. Zudem beeinflusst der jeweilige Standpunkt des Betrachters den Inhalt und die Grenzen des Netzwerks. 2.2.2 Treiber und Enabler der Vernetzung Eine wesentliche Frage im Zusammenhang mit dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette ist – neben jener nach einer Definition und den Eigenschaften von Unternehmensnetzwerken – die Frage nach dem Warum. Kapitel 1.1 thematisiert beispielhaft Treiber der Vernetzung in der Finanzindustrie. [Snow et al. 1992, 6ff; Fleisch 2001, 17ff; Ewig 2006, 51ff; Ghose 2006, 15; Köhne 2006, 28ff] beschreiben branchenunabhängige Faktoren für die Bildung von Unternehmensnetzwerken. Weitere branchenspezifische Treiber der Vernetzung zeigen die Arbeiten von [Geiger/Hürzeler 2003, 95ff; Betsch 2005, 5f; Geib 2006, 11] auf. Tabelle 2-4 fasst diese Ansätze zusammen. Allgemeine Faktoren
Branchenspezifische Faktoren
Zunehmender Kostendruck sowie Fixkostensenkung und -variabilisierung.
Verbreitung von Standardsoftware (vgl. z.B. Kapitel 3.1.3 für Bankplattformen in der Schweiz).
Veränderte Kundenbedürfnisse aufgrund der demographischen Entwicklung und gestiegener Ansprüche (z.B. Individualisierung).
Zunehmende Konkurrenz durch das Verschwimmen von Marktgrenzen und den Markteintritt von Nichtbanken.
Shareholder-Value Orientierung.
Physische Desintegration der Märkte (Internationalisierung und Globalisierung).
Fortschritte in der Finanztheorie in Form von neuen, komplexen Produkten.
Technologischer Fortschritt („IT als Enabler“).
Liberalisierung, (De-)Regulierung.
Disintermediation: Der Marktanteil der Banken gemessen am Anteil an den Aktiva der gesamten Branche nimmt kontinuierlich ab.
Veränderte Produktumwelt (z.B. kürzere Lebenszyklen, komplexere Produkte).
Ausgleich von Volumenschwankungen.
Standardisierung.
Tabelle 2-4: Wesentliche Treiber der Vernetzung Ansätze zur Netzwerkökonomie (vgl. [Fleisch 2001, 99ff]) spielen eine wesentliche Rolle bei der Erklärung des Erfolgs von Unternehmensnetzwerken. Die meisten Ansätze zur Ökonomie wissensbasierter Leistungen gründen dabei auf positiven Skaleneffekten31, bei denen die Erhöhung des Faktoreinsatzes zu einer stärkeren Steigerung des Outputs führt. Abbildung 2-4 zeigt diese positive Rückkopplung z.B. für den Zusammenhang Marktanteil – Herstellkosten und macht deutlich, dass sich die Faktoren der Marktmacht gegenseitig verstärken und so Dominanz begünstigen. Die Wirkung der Netzwerkeffekte und Standardisierungseffekte beeinflussen die Marktmacht eines Unternehmens und damit dessen langfristigen Erfolg (vgl. [Ewig 2006; Kager31
Dies steht im Gegensatz zu konventionellen Theorien, die auf negativen bzw. sinkenden Skalenerträgen aufbauen, d.h. der Abnahme des Outputs bei erhöhtem Faktoreinsatz. Als Beispiel nennt [Fleisch 2001, 100] den Wettbewerb um Marktanteile von Kohle- und Wasserkraftwerken.
20
2 Grundlagen
mann/Österle 2006, 178]). Ein Beispiel für einen Netzwerkeffekt ist der in Abbildung 2-4 dargestellte Zusammenhang von Marktanteil und Zugriff auf Kunden. Je grösser die Kundenanzahl ist, desto grösser ist der Marktanteil und je grösser der Marktanteil, desto mehr Kunden interessieren sich für das Produkt. Bekannte Beispiele für die Etablierung eines Standards32 sind das Telefonnetzwerk, die Spurweite von Eisenbahnschienen oder das Bankomatensystem. Die Angst vor Monopolen und vor der Abhängigkeit von dominanten Kooperationspartnern wirkt den Gesetzen der vernetzten Wirtschaft entgegen. In der Schweiz ist die Wirkung der Netzwerkgesetze in den letzten Jahren z.B. bei der Diffusion von Bank-Standardsoftware-Paketen zu beobachten (vgl. Kapitel 3.1.3). Produkt- und Service-Reichweite
Geographische Reichweite
Zugriff auf Anbieter
Herstellkosten
Marktmacht Marktanteil
Beschaffungskosten
Zugriff auf Kunden
Produkt- und Service-Reichweite
Geographische Reichweite
Abbildung 2-4: Gesetze der vernetzten Wirtschaft nach [Kagermann/Österle 2006, 177]
2.2.3 Sourcing und Transaktionskostentheorie Die Make-or-Buy-Entscheidung im Kontext des wirtschaftlichen Umgangs mit knappen Ressourcen ist in Wissenschaft und Praxis ein zeitloses Thema [von JouanneDietrich 2004, 125]. Eine verteilte Prozessarchitektur als Konsequenz der Neugestaltung der Wertschöpfungskette bedingt die Auslagerung von Teilen der Leistungserbringung. Der Begriff Sourcing bezeichnet genau diese Verschiebung der Unternehmensgrenzen (vgl. Abbildung 2-5). [Fuss 2007, 9] definiert Outsourcing als den Transfer von bisher intern erbrachten Funktionen und Prozessen eines Unternehmens an ein oder mehrere Drittunternehmen auf vertraglicher Basis. [Gottfredson et al. 2005, 151] bezeichnen ergänzend Strategic Sourcing als die über operative Massnahmen hinausreichende Neuausrichtung der gesamten Wertschöpfungskette, wobei jedes Unternehmen seine Kernkompetenzen wahrnimmt und für die übrigen Aktivitäten auf Partnerressourcen zurückgreift. 32
Standards mindern die Spezifität und die Unsicherheit der ausgetauschten Leistung und senken so die Transaktionskosten in der Anbahnung, im Betrieb und bei der Veränderung von Kooperationen. Ein Beispiel aus der Finanzindustrie ist die Verwendung des Kommunikationsstandards SWIFT im Auslandszahlungsverkehr.
2.2 Unternehmensnetzwerke
21
Ausgangssituation
A
B
C
D
Outsourcing
A
B
C
D
Insourcing
A
B
C
D
X … Aktivität
… Unternehmen
… Insourcer
E
E
E
… F … Unternehmensgrenze
Abbildung 2-5: Richtung des Leistungsbezugs Rund um das Wort Sourcing sind in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche Wortschöpfungen entstanden, wie z.B. totales Insourcing, Nearshore-Sourcing und Multi(Vendor-)Sourcing. [von Jouanne-Dietrich 2004; Braun/Winter 2005] nehmen jeweils eine Klassifikation von Komposita des Wortes Sourcing vor, die Dissertation greift daraus die Abgrenzungen nach der Richtung des Leistungsflusses und nach dem Gegenstand der Auslagerung heraus: Richtung / zeitliche Ordnung des Leistungsbezugs: Den Kern vieler SourcingDiskussionen bildet eine unsaubere Abgrenzung von In- und Outsourcing33. Beide bezeichnen den Prozess der Etablierung einer Kunden-Lieferanten-Beziehung. Während beim Insourcing ein Unternehmen seine Unternehmensgrenze nach aussen verschiebt und so sein Leistungsportfolio erweitert, findet beim Outsourcing eine Reduktion der Leistungstiefe statt (vgl. Kapitel 2.2.4).34 Komponente / Gegenstand der Auslagerung: Je nachdem welche Leistungen ein Unternehmen auslagert, unterscheiden [Braun/Winter 2005] die Auslagerung von Infrastruktur, von Applikationsbetrieb und -wartung, von einzelnen Aufgaben (Outtasking) sowie von Geschäftsprozessen (Business Process Outsourcing, BPO). [Zarnekow/Brenner 2004, 18ff] beschreiben in ihrem Gesamtmodell des integrierten Informationsmanagements die zunehmende Markt- und Produktorientierung bei ITDienstleistungen im Zuge der Industrialisierung in diesem Bereich aufgrund derer nicht mehr nur die interne Planung, sondern vermehrt die Vernetzung mit Spezialisten im Vordergrund steht. Die wesentlichen Aktivitäten in diesem direkt auf die zunehmende Vernetzung in der Finanzindustrie übertragbaren Modell sind die marktgerichteten Aktivitäten Source und Deliver, die interne Leistungserstellung Make sowie die Querschnittsfunktionen Plan (Führung, Governance) und Enable.
33 34
[von Jouanne-Dietrich 2004, 127ff] nennt zusätzlich den Begriff Backsourcing für die Wiedereingliederung von ausgelagerten Aktivitäten (d.h. Zurücknahme einer Verschiebung der Unternehmensgrenzen nach innen). Synonym zu den Begriffen Sourcing-Beziehung, Insourcer und Outsourcer verwendet die Arbeit Kooperation, Lieferant / Provider und Kunde / Mandant.
22
2 Grundlagen
Die Transaktionskostentheorie (Transaction Cost Economics, TCE) nach [Coase 1937; Williamson 1998] ist ein Teil der Neuen Institutionenökonomie35 und spielt eine zentrale Rolle für die Frage Make, Buy or Deliver und somit für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette. Ausgangspunkt von TCE ist die Annahme, dass der zwischenbetriebliche Leistungsaustausch generell mit zusätzlichen Kosten im Vergleich zur internen Leistungserstellung verbunden ist. Diese Kosten fallen u.a. bei der Anbahnung, Durchführung und Abwicklung von Transaktionen an. Diese als Transaktionskosten bezeichneten Kosten der Interaktion mit externen Partnern sind beim Entscheid zwischen interner Leistungserbringung und einer Auslagerung mit zu berücksichtigen. Die Höhe dieser Kosten ist nach [Jensen/Meckling 1976] abhängig vom gegenseitigen Verhalten der Akteure (u.a. Opportunismus, individuelle Nutzenmaximierung, Informationsasymmetrien), von Umweltfaktoren wie der Unsicherheit, der Spezifität und dem (Stellen-)Wert der Leistung, von der Komplexität der Tauschbeziehung, von den Rahmenbedingungen der Transaktionen (technisch, rechtlich und sozial) sowie von der Transaktionshäufigkeit. (vgl. [Alt 2004, 81ff])
Delta-Gesamtkosten (Produktions- und Transaktionskosten) Delta-Transaktionskosten Delta-Produktionskosten
Outsourcing realisiert
Zeit
Abgrenzung
n und Bewertung • Abgrenzung der auszugründenden Leistung • Kostenmäßige Bewertung (Personal-, Sach-, indirekte Kosten) • Wirtschaftlichkeitskalkulation
o
Ausschreibung und Partnerauswahl
• Definition Auswahlkriterien • Ausschreibung • Bewertung der Angebote • Due Dilligence
und q ÜbergangspVertragsverhandlung und Vorbereitung Anpassungsphase • • • • •
Verhandlungsstrategie Vertragsverhandlungen Vertragsunterschrift Risikoanalyse Vorbereitung der Unternehmung auf die Ausgründung
Betrieb / r Operativer Vendor Mgmt.
• Erfüllung vertraglicher • Kontrolle und Steuerung Anpassungspflichten des Outsourcing • Mgmt. Personal• Leistungserbringung durch /Vermögensübergang Lieferant/Dienstleister • Übernahme Leistungserbringung durch Lieferant/Dienstleister
Abbildung 2-6: Outsourcing-Phasenmodell nach [Wintergerst/Welker 2007, 947] [Wintergerst/Welker 2007, 947] haben auf Basis von TCE ein Phasenmodell für Outsourcing entwickelt, das zeigt, welche Kosten bei einem Sourcing-Vorhaben zu welchem Zeitpunkt zu berücksichtigen sind. Abbildung 2-6 zeigt zudem idealtypisch den (Delta36-)Kostenverlauf 37 für die Realisierung des Outsourcing-Vorhabens im Vergleich zum Beibehalten des Status quo über fünf Phasen von der Anbahnung einer Kooperation bis zum operativen Betrieb. In den Phasen 1 bis 4 entstehen dem Unternehmen beim Outsourcing-Projekt zeitlich befristetete Transaktionskosten. Mit dem Ressourcenbedarf für das Projekt steigen auch diese TRX-Kosten sukzessive (z.B. 35
36 37
Neben der Transaktionskostentheorie umfasst die Neue Institutionenökonomie die Property-Rights-Theorie und die Prinzipal-Agent-Theorie. Eng verwandt mit diesen Ansätzen ist die Informations- und Netzwerkökonomie. (vgl. [Alt 2004, 81f]) Die Kostenkurven zeigen jeweils das Delta zwischen Outsourcing und Status quo. Der Kostenverlauf ist fiktiv und basiert weder auf empirischen Untersuchungen noch einem konkreten Fall.
2.2 Unternehmensnetzwerke
23
Such-, Anbahnungs-, Verhandlungs- und andere Koordinationskosten der Umsetzung) bis Phase 4. Ab Phase 4 kommen die laufenden Kosten der Kontrolle und Steuerung hinzu, dementsprechend erreichen die TRX-Kosten zu diesem Zeitpunkt ihren Höhepunkt. Ab Phase 4 realisiert das Unternehmen erste Kostenvorteile im Vergleich zum Status quo und profitiert zudem von sinkenden TRX-Kosten. Eine Konsequenz der zunehmenden Vernetzung ist die Abkehr von hierarchisch geführten Unternehmen. Auf Basis der Transaktionskostentheorie sind in der Literatur drei alternative Entwicklungsrichtungen entstanden (vgl. [Alt 2004, 67f]): Die These Move to the Hierarchy sieht die Ungleichheit der Kooperationspartner als Grund für die Etablierung von zentralen Unternehmen, die Austauschbeziehungen aufgrund ihrer Marktmacht dominieren. Nach der These Move to the Middle führt eine Abnahme der TRX-Kosten dazu, dass Leistungen aus Unternehmen herausgelöst und einem Partner im Rahmen einer längerfristigen Kooperation übergeben werden. Gemäss der These Move to the Market werden koordinationsintensive Leistungen mit hoher Komplexität und Spezifität bei tieferen TRX-Kosten i.d.R. über Märkte abgewickelt. [Malone et al. 1987] postulieren, dass durch Forschritte in der IT die institutionelle Form des Marktes an Bedeutung gegenüber Hierarchien gewinnt, und nennen als Grundlage dafür drei Effekte: (1) Nach dem electronic communication effect bewirkt IT, dass (über)betriebliche Kommunikation billiger und einfacher wird. Dadurch sinken z.B. die TRX-Kosten für die Beschreibung spezifischer Leistungen. (2) Gemäss dem electronic brokerage effect erlauben moderne IT-Systeme eine breitere Suche (z.B. im Internet), bessere Suchergebnisse (z.B. durch Parametrisierung) und niedrigere Suchkosten. (3) Der electronic integration effect beschreibt die engere Kopplung von Prozessen und Integrationseffekte wie die Eliminierung von Medienbrüchen durch elektronische Schnittstellen. Ein Kritikpunkt an TCE ist, dass es sich um ein theoretisches Konstrukt handelt. [Shelanski/Klein 1995] haben eine Reihe empirischer Arbeiten zu TCE untersucht und sind zum Schluss gekommen, dass die Kernaussagen von der Empirie weitgehend bestätigt wurden. In der vorliegenden Arbeit fliesst TCE v.a. in die Konzeption der Gestaltungsoptionen (Kapitel 5.1) sowie in das Bewertungsmodell (vgl. Kapitel 5.2) ein. 2.2.4 Kernkompetenz, Leistungs- und Wertschöpfungstiefe Als Folge der Diskussion über Eigen- und Fremdfertigung ist der Begriff der Fertigungstiefe entstanden, der darlegt, welchen Anteil der Leistung ein Unternehmen intern erbringt. Der Begriff stammt aus der produzierenden Industrie, wo anhand von Stücklisten messbar ist, welches Unternehmen welche Teile zum Endprodukt beisteuert. Das Äquivalent auf Prozessebene ist die Leistungstiefe, welche der „Spannweite der Kosten verursachenden und Wert schöpfenden Prozesse in der Unternehmung“ [Ewig 2006, 82] bezogen auf das gesamte Wertschöpfungssystem entspricht. Diese Arbeit wählt in den Folgekapiteln den Begriff der Leistungstiefe38, da er auf Prozesse 38
Vgl. Leistungstiefe in [Picot 1991].
24
2 Grundlagen
ausgerichtet und damit auf eine Dienstleistungsbranche wie die Finanzindustrie besser anwendbar ist. Der Begriff der Wertschöpfungstiefe ist davon abzugrenzen. Er bezieht sich auf die finanziell bewertbare Differenz zwischen der Gesamtleistung eines Unternehmens und den von Partnern zugekauften Vorleistungen. [Ewig 2006] unterscheidet die oben genannten Begriffe der Fertigungs- und Leistungstiefe nach ihrem Wertschöpfungsparadigma (vgl. Transformationsprozesse der Unternehmung nach [Ewig 2006, 238]): Das Paradigma der ersten Revolution der Wertschöpfung war die Gestaltung der Produktivität mit den Ansätzen von Ford und Taylor zur Arbeitsteilung und Automation. Die Leistungserbringung erfolgt auf dieser Stufe vollständig intern (vertikale Integration). Die zweite Revolution war gekennzeichnet durch Verschlankung und Bezug von Support-Aktivitäten wie Human Ressources und Buchhaltung vom Markt. Im Fokus stand nicht, die im Unternehmen verbleibenden Teile zu verbessern und Drittparteien anzubieten, sondern eine Reduktion der Fertigungs-/Leistungstiefe39 zur Kostensenkung und Erhöhung der Agilität des Unternehmens. Die dritte Revolution des Wertschöpfungsparadigmas betrifft die Gestaltung der Leistungstiefe40, bei der im Gegensatz zur Verschlankung eine Verbesserung der Marktposition im Vordergrund steht. [Ewig 2006, 192f] beschreibt das Collaborative Business als „Strategie einer unternehmens- und wertschöpfungskettenübergreifenden Prozessintegration unter Nutzung der Kernkompetenzen und des spezifischen Wissens der kooperierenden Partner“. Eine Kompetenz definieren [Amit/Schoemaker 1993] als die Fähigkeit, strategische Ressourcen einzusetzen. Diese enthalten wiederum z.B. Patente und Know-how, finanzielle und / oder physische Vermögensgegenstände sowie das Humankapital einer Organisation (vgl. [Amit/Schoemaker 1993, 35]). Die Theorie der Resource-based View (RBV) nach [Mata et al. 1995, 491ff] erklärt das Konzept der Kernkompetenzen. RBV basiert auf zwei Annahmen: (1) Die Ressourcen und Fähigkeiten von Unternehmen unterscheiden sich (resource heterogenity) und (2) diese Unterschiede sind nicht einfach nachahmbar (resource immobility). Neben den Kriterien Exklusivität, Spezifität und Dauerhaftigkeit als Konsequenz der o.a. Heterogenität und Immobilität von Ressourcen muss eine Kernkompetenz auch dem Kriterium Erfolgsrelevanz genügen. Abbildung 2-7 zeigt eine Klassifikationsmatrix von Geschäftsprozessen einer Bank mit den Kriterien Spezifität und strategische Bedeutung.
39
40
Eine Extremform dieser Reduktion der Fertigungs- / Leistungstiefe sind virtuelle Unternehmen, die theoretisch keine Leistungen selbst erbringen, sondern Leistungen der beteiligten Unternehmen koordinieren. [Bea et al. 2004, 42] definieren ein virtuelles Unternehmen als „ein zeitlich begrenztes Kooperationsnetz selbstständiger Produktionsbetriebe“. In virtuellen Unternehmen wird jeweils ein Projekt bearbeitet, wofür jeweils neue Organisationsstrukturen gebildet werden. [Picot 1991, 353ff] beschreibt ein einfaches Vorgehen zur Durchführung einer Leistungstiefenanalyse.
Kernprozesse
Strategische Bedeutung
25
„Commodity“ Kernprozesse • Zahlungsverkehr • Wertpapierabwicklung • Massenkreditgeschäft (Produktion und Abwicklung)
Kerngeschäftsprozesse • Kundenberatung • Vertrieb • Produktentwicklung • Risikomanagement
Allgemeine Prozesse
2.2 Unternehmensnetzwerke
Infrastrukturen • Rechenzentrum • Netzwerke • Telefonie • Desktop Services
Allg. Geschäftsprozesse • Gebäudemanagement • Beschaffung • Buchhaltung
Kommodisierte Prozesse
Spezifität
Spezialisierte Prozesse
Abbildung 2-7: Kerngeschäftsprozesse des Bankbetriebs nach [Lamberti 2004, 372] 2.2.5 Aufbrechen von Marktstrukturen und Entstehung neuer Märkte Gemäss einer Literaturanalyse von [Hennig 2007, 58] besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Transformation der Finanzindustrie und einer verstärkten Kooperation zwischen Finanzdienstleistern. Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette ist gekennzeichnet durch den Bezug von Leistungen, für die (noch) kein Markt besteht. Dieses Teilkapitel beleuchtet Faktoren, welche die Entstehung neuer Märkte und damit die hybride Organisationsform Netzwerk begünstigen. Aufbauend auf dem Prinzip der permanenten Entstehung, Veränderung und schöpferischen Zerstörung von Märkten nach Schumpeter41 besteht eine Vielzahl von Ansätzen zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen der Dynamik von Marktsystemen und der Entwicklung von Variablen wie Innovationsrate, Wettbewerbsintensität, Marktperformance. Empirische Analysen (vgl. [Bernet 2006, 24f]) zeigen, dass der auslösende Faktor für die Entstehung eines neuen Marktes fast immer die horizontale oder vertikale Desintegration bisher integrierter Wertschöpfungssysteme ist (z.B. das Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie). [Jacobides 2005] nennt drei Faktoren für die mehrfach angesprochene Desintegration von Wertschöpfungsstrukturen und damit für die Entstehung neuer Märkte: (1) die Erfüllung notwendiger Rahmenbedingungen (Vereinfachung der Koordination und Standardisierung), (2) eine reife Prozessarchitektur, welche die innerbetriebliche Effizienz und zwischenbetriebliche Arbeitsteilung unterstützt, sowie (3) klare Motive in Form von Spezialisierungsgewinnen sowie Austausch- und Netzwerkeffekten.42 [Jacobides/Winter 2005] präsentieren darauf aufbauend ein Modell, das auf Basis von vier Mechanismen erklärt, wie sich die Aufgabenverteilung in einer Wertschöpfungskette verändert. Grundlegende Parameter des Modells sind die Kompetenzen (als Kombination von Ressourcen und Fähigkeiten) der Marktteilnehmer (capabilitiy distribution), die Transaktionskosten zur Beschaffung von Leistungen am Markt, die jeweils aktuelle Wertschöpfungstiefe (vertical scope) und die Entwicklungspfade der be41 42
Vgl. [Schumpeter 2006]. Vgl. [Jacobides 2005, 489] für eine graphische Darstellung der Zusammenhänge der drei o.a. Faktoren.
26
2 Grundlagen
teiligten Unternehmen (capability development process). Abbildung 2-8 zeigt diese vier Parameter und die folgenden Wirkungszusammenhänge zur Transformation von Marktstrukturen: (1) Selektionsmechanismen (z.B. Wettbewerb und Nachahmung) beeinflussen die vertikale Aufgabenteilung und den Fokus der einzelnen Unternehmen. Den Ausgangspunkt dieser Marktsegmentierung bildet die Verteilung von Ressourcen und Fähigkeiten unter den Marktteilnehmern. (2) Die heterogene43 Verteilung von Kompetenzen motiviert Unternehmen, die Transaktionskosten zu deren Austausch zu senken. Tiefe TRX-Kosten begünstigen (moderate) wiederum den externen Bezug von Leistungen. (3) Die jeweilige Position in der Wertschöpfungskette bedingt Anpassungen der vorhandenen Kompetenzen (z.B. Abbau von nicht wettbewerbsfähigen Kompetenzen und Ausbau von Kernkompetenzen). (4) Die am Markt verfügbaren Kompetenzen verändern sich dynamisch (z.B. aufgrund von Anpassungen des Geschäftsmodells einzelner Unternehmen und durch Eintritt neuer Marktteilnehmer) und verschieben damit das bisherige Marktgleichgewicht. (2) Motivate change of
Transaction Costs
moderate
Capability Distribution
Vertical Scope (1) Through selection shape
(4) Dynamically determines
Capability Development Process
(3) Affect the nature of
Abbildung 2-8: Co-Evolution von Kompetenzverteilung, Transaktionskosten und Marktstruktur nach [Jacobides/Winter 2005, 400] Neue Märkte entstehen nach dem o.a. Modell, sobald die Koordination zwischen autonomen Organisationseinheiten innerhalb der bisherigen Struktur so vereinfacht wird, dass sie bzw. ihr Wertschöpfungsbeitrag gegen denjenigen anderer Marktteilnehmer ausgetauscht werden kann und damit die Transaktionskosten der einzelnen Institution und des gesamten Transaktionssystems gesenkt werden können. Ein wesentlicher Faktor ist die Standardisierung der zwischen den Netzwerkpartnern auszutauschenden Informationen, die wiederum von der Verbreitung von IT-Systemen begünstigt wird. [Ade/Moormann 2004] bezeichnen die seitens der Marktteilnehmer eingesetzte Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) bzw. die darauf aufbauenden ISArchitekturen sogar als Schlüsselfaktor44 zur Erklärung der Transformation von Wertschöpfungssystemen. (vgl. [Bernet 1997, 25ff]) 43
44
Die Theorie der (vertikalen) Desintegration berücksichtigt im Gegensatz zur Transaktionskostentheorie explizit die Heterogenität der Verteilung von Ressourcen und Fähigkeiten und ist damit kompatibel mit der Kernkompetenzargumentation gemäss Resource-based View (vgl. [Hennig 2007, 63]). Kapitel 3.1.3 skizziert die Verbreitung von Standardsoftware bei Bankplattformen in der Schweiz. Die Fallstudien erläutern auch die Rolle der IT als Wegbereiter der Vernetzung im Anlagegeschäft.
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken
27
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken Der potenzielle Nutzen einer Transformation steigt direkt proportional mit dem Grad der Veränderung (vgl. Abbildung 2-9). [Venkatraman 1994] erachtet dabei BNR als Zwischenstufe von Business Process Redesign45 (BPR) und der Neuausrichtung des Geschäftsmodells (Business Scope Redefinition, BSR). Nach einer Phase des BPR ab Anfang der 90er Jahre stehen nun zunehmend Aspekte des Value Chain bzw. Business Network Redesign im Fokus der Unternehmen (vgl. [Alt 2008]). Dies spiegeln auch bestehende Ansätze wider, die tendenziell entweder strategie- (BSR) oder effizienzorientiert (BPR) sind. [Alt 2004, 130] charakterisiert diese Kategorien als (1) Ansätze zu (institutionellen) Organisationsformen und zur Rollenverteilung zwischen Unternehmen (z.B. [Stabell/Fjeldstad 1998]46) und (2) Ansätze mit Fokus auf der Analyse und (effizienteren) Gestaltung von Aufgabenverteilung und Abläufen zwischen Unternehmen (z.B. [Schad 2000]47).
Neue Geschäftsnetzwerke (BNR) Neue Geschäftsprozesse (BPR)
Interne Integration
Funktionale Automation
Evolutionäre Stufen
= = = =
Business Process Redefinition Business Network Redesign Business Scope Redefinition Einordnung der Dissertation
Strategische Neuausrichtung (BSR)
BPR BNR BSR
gering
Revolutionäre Stufen
Legende:
Grad der Transformation durch IT-Einsatz
hoch
hoch
Potenzieller Nutzen
niedrig
Abbildung 2-9: Stufen der Unternehmenstransformation nach [Venkatraman 1994, 74] Die vorliegende Arbeit kombiniert für die Entwicklung des BNR-Vorgehens Aspekte beider Kategorien. Daher ist die Dissertation bezogen auf die Stufen der IT-gestützten Unternehmenstransformation nach [Venkatraman 1994] über die Stufen BPR, BNR und BSR einzuordnen. Die Arbeit konzentriert sich (im Gegensatz zu [Venkatraman 1994]) nicht primär auf die Rolle der IT als Wegbereiter von BNR, sondern sie verfolgt gemäss dem Forschungsrahmen einen ganzheitlichen Ansatz über die Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme.
45 46 47
Eine Analyse von [Tennant/Wu 2005] zum Status quo von BPR in UK bestätigt die vorrangig kosten- und effizienzgetriebene Perspektive des BPR. Die bedeutendsten Faktoren sind Wettbewerbs- und Kostendruck. Die Autoren nennen neben der Value Chain zwei weitere Wertschöpfungskonzepte, Value Shop (Ziel: Probleme des Kunden zu lösen) und Value Network (Ziel: durch Vernetzung Synergien zu erzielen). Die Autorin erläutert Grundlagen des zwischenbetrieblichen BPR und schafft einen Bezugsrahmen mit den Dimensionen Umwelt, Unternehmen und Reorganisationsvorgang, wobei die Dimension Umwelt überbetriebliche Gestaltungselemente (z.B. Branchenstruktur) sowie die Dimension Reorganisationsvorgang ein Vorgehensmodell zur Gestaltung überbetrieblicher Prozesse umfasst.
28
2 Grundlagen
Die Dissertation verweist für eine umfassende Gegenüberstellung bestehender BNRAnsätze auf die Arbeiten von [Alt 2004, 130ff; Alt 2008]. Dieses Kapitel greift diese Analysen auf und ergänzt sie um ausgewählte (institutionelle) Ansätze. Das folgende Teilkapitel diskutiert zwei branchenfremde und zwei branchenspezifische Ansätze. Das zweite Teilkapitel leitet aus der Gegenüberstellung dieser vier Ansätze und beispielhafter Ansätze aus [Alt 2004; Alt 2008] ein Anforderungsprofil für ein ganzheitliches Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken ab. 2.3.1 Bestehende BNR-Ansätze Frühe BNR-Ansätze beruhen primär auf Ansätzen wie Transaktionskostentheorie oder Resource-based View und abstrahieren von einer expliziten Prozessbetrachtung. Die Analysen umfassen vorrangig Akteure, Beziehungen, Rollen und Leistungen. Auch wenn spätere Ansätze die Prozessebene explizit mit berücksichtigen, steht doch die institutionelle Integration von Geschäftspartnern im Fokus (vgl. [Alt 2004, 130f]). Die folgende Aufzählung beschreibt je zwei institutionelle Ansätze mit und ohne48 Branchenfokus Finanzindustrie:49 Unbundling the Corporation: [Hagel III/Singer 1999] erachten eine Trennung der drei Kompetenzbereiche Infrastruktur und Verarbeitung, Produktentwicklung sowie Pflege der Kundenbeziehung als wesentlich für den künftigen Erfolg eines Unternehmens. Die Argumentation basiert auf der Annahme, dass sich diese drei Bereiche so stark in ihren ökonomischen Mechanismen, kulturellen Eigenheiten und Wettbewerbsfaktoren unterscheiden, dass eine Kopplung negative Folgen hat. Smart Business Networks: [Van Heck/Vervest 2007] vergleichen traditionelle mit digitalen Unternehmensnetzwerken. Die Verfügbarkeit von IS und IT zur Vernetzung von Geschäftspartnern erlaubt z.B. eine losere Kopplung, eine verteilte Erstellung komplexerer Leistungen (u.a. aufgrund tieferer Transaktionskosten), dezentrale Netzwerk-Steuerung und leichteren Informationsaustausch. Der NetzwerkAnsatz umfasst neben den traditionellen Schichten Transaktion und Logistik zusätzlich die Schicht Geschäftsprozess / -logik. Der Ansatz beschreibt nicht nur Besonderheiten dieser smart networks, sondern zeigt auch potenzielle Schattenseiten (Verlust von Kontrolle) und kritische Fragen (z.B. Welche Technologie wird sich als Unterstützung digitaler Netzwerke durchsetzen?) auf. Postuliert werden ein Abwenden von etablierten Netzwerk-Strukturen und eine flexiblere Kombination von Leistungsbausteinen durch Standardisierung und dezentrale NetzwerkKoordination.
48
49
Der erste (branchenfremde) Ansatz entspricht der in der Finanzindustrie häufig diskutierten Dreiteilung der Wertschöpfungskette. Der zweite Ansatz befasst sich mit Vernetzungsmöglichkeiten durch Digitalisierung bzw. technologischen Fortschritt, einem lt. [Jacobides 2005] bedeutenden Wegbereiter der vertikalen Disintermediation. In der Theorie besteht eine Reihe von Ansätzen zum Aufbrechen der Wertschöpfungskette. [Alt 2008] beschreibt weitere allgemeine Ansätze, [Frei/Reitbauer 2006] nennen zusätzliche Ansätze mit Fokus auf die Finanzindustrie.
2.3 Ansätze zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken
29
Deconstruction in der Bankenbranche: [Petry/Rohn 2005] diskutieren auf Basis des Ansatzes von [Heuskel 1999] vier alternative Ausgestaltungsmöglichkeiten der Wertschöpfungsarchitektur von Banken: (1) den Integrator als hierarchisch organisierten Marktteilnehmer mit hoher Leistungstiefe, (2) den Orchestrator als Konfigurator von Lieferanten und Bündler von Leistungen, (3) den Layer Player als Spezialisten und (4) den Market Maker als Innovator. Der Ansatz basiert nicht auf detaillierten Prozessbeschreibungen, sondern beschreibt primär die vier Positionierungsalternativen an Beispielen (z.B. die Commerzbank als Integrator oder ein ZV-Transaktionsinstitut als Layer Player). Der Ansatz bringt keine konkreten Aussagen zu den Tätigkeiten der Ausgestaltungsmöglichkeiten, sondern grenzt sie nach ihrer Positionierung voneinander ab. Geschäftsarchitektur für Retailbanking im Informationszeitalter: [Leist/Winter 2002] beschreiben vier Rollen, die jedes Unternehmen in einer vernetzten Finanzindustrie spielen kann und ergänzen sie um die Rolle der Konsumenten als Initiatoren des Bedarfs nach (neuen) Leistungen („vom Produkt zur Problemlösung“). Die übrigen vier Rollen sind (1) der Service Integrator als Bündler von Leistungen (z.B. MLP), (2) der Shared Service Provider als Zulieferer für andere Service Provider und Integratoren (z.B. Transaktionsbanken, Broker), (3) Exclusive Service Provider mit klar abgegrenzter Zielkundschaft (z.B. für eine spezifische SoftwarePlattform) und (4) Public Services als nicht branchenspezifische Dienstleister (z.B. ITO, ASP). Neben diesen Rollen illustriert das Konzept wesentliche Implikationen der Transformation des Retailbanking im Informationszeitalter und diskutiert die Rolle von Standards und IS/IT-Systemen als Wegbereiter der Vernetzung. 2.3.2 Vergleich bestehender Ansätze und Anforderungen an BNR-Vorgehen Tabelle 2-5 beinhaltet eine Gegenüberstellung der o.a. BNR-Ansätze anhand einer angepassten50 Version der Kriterienkataloge zur Beurteilung von BNR-Ansätzen nach [Alt 2004, 137; Alt 2008, 14]. Als Ergänzung sind beispielhaft zwei Ansätze mit grosser Kriterienabdeckung aus der Bewertung in [Alt 2004] angeführt. Der Vergleich der Ansätze bestätigt die Aussage der o.a. Untersuchungen, dass keiner der bestehenden Methoden- und Vorgehensansätze die Anforderungen zur durchgängigen und umfassenden Unterstützung eines BNR-Vorhabens erfüllt und begründet damit den Forschungsbedarf für das in dieser Arbeit erläuterte Vorgehensmodell (vgl. Kapitel 6). Das Zielbild dieses zu entwickelnden Modells ist ebenfalls in Tabelle 2-5 enthalten und zeigt, dass das BNR-Vorgehensmodell keine vollständige Abdeckung der Anforderungen erreichen soll. Dafür gibt es v.a. zwei Gründe: (1) Die Arbeit konzentriert sich auf fachlich-konzeptionelle Aspekte und behandelt daher die BE-Ebene Politik / Kultur nicht umfassend. (2) Die Entwicklung einer Methode ist nicht Gegenstand der Arbeit, weshalb z.B. die Anforderungen Rollenmodell und Techniken nicht zu erfüllen 50
Die Kriterien sind geringfügig an die Fragestellung der Arbeit angepasst. So enthält Tabelle 2-5 z.B. zusätzlich den Aspekt Branchenfokus und löst den Block Fokus der (Neu-)Gestaltung (vgl. Elemente des BE in Abbildung 2-1) aus der methodischen Unterstützung heraus.
30
2 Grundlagen
sind. Das BNR-Vorgehen in Kapitel 6 hat den Fokus auf die Finanzindustrie, wobei diese Spezialisierung über für den jeweiligen Anwendungsbereich spezifische Referenzmodelle (z.B. Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.2) erfolgt und daher nicht im Widerspruch zur Übertragbarkeit des Modells auf andere Branchen steht.
[Leist/Winter 2002]
E
;
;
Quantitative Kriterien
Qualitative Kriterien
Aktivitäten
Metamodell
Transformation
Politik
Systeme
Prozesse
Strategie
E
Branchenfokus
[Petry/Rohn 2005]
;
Weitere Zeitraumbetrachtung
[Hagel III/Singer 1999] [Van Heck/Vervest 2007]
Geschäftsprozess
Ansätze
Geschäftsnetzwerk
Kriterien
Bewertung
Techniken
Methodische Unterstützung Allg, Rollenmodell
Fokus der (Neu)Gestaltung
Ergebnisdokumente
Analyseobjekt
;
E
E
E
;
E ; ;
;
;
; ;
;
E
E ; ; ; ;
;
;
; ;
;
;
E
Beispielhafte Ansätze aus dem Vergleich von [Alt 2004] [Benz 2001]
;
E
; E ;
[Hammer 2001]
;
E
E ;
Zielbild BNR-Vorgehen
E
E
E E E ; ; ; E ;
Legende:
E = umfassende Abdeckung
; E E E E E ;
; = teilw. Abdeckung
; ;
E
E
E
= keine/geringe Abdeckung
Tabelle 2-5: Vergleichende Analyse von BNR-Ansätzen Die Auswertung der Tabelle 2-5 ergibt – als Grundlage für die Konzeption des BNRVorgehens in Kapitel 6 – folgende Anforderungen an eine methodische Unterstützung der Neugestaltung eines Unternehmensnetzwerks: (1) Integrierte Betrachtung der Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme ergänzt um Politik und Transformation (BNR-Vorhaben sind Veränderungsprojekte). (2) Aufeinander abgestimmte Aktivitäten und Ergebnisdokumente zur Gestaltung und Bewertung. (3) Einbeziehen von qualitativen und quantitativen Bewertungskriterien. (4) Berücksichtigung eines Branchen- und Prozessfokus. (5) Zeitraumbetrachtung anstelle einer Zeitpunktbetrachtung. (6) Berücksichtigung von mehreren Handlungsalternativen (Status quo, Wunschzustand, alternative Netzwerk-Konstellationen). (7) Modularer Aufbau zur flexiblen Anwendbarkeit des Modells (z.B. zur Standortbestimmung oder zur Evaluation von Provider-Offerten).
3.1 Bankenmarkt Schweiz
31
3 Vernetzung im Anlagegeschäft Dieses Kapitel beschreibt die Potenziale einer verstärkten zwischenbetrieblichen Kooperation in der Finanzindustrie beispielhaft für das Anlagegeschäft. Dieser Geschäftsbereich wurde insbesondere wegen seiner inhärenten Vernetzung (z.B. Börsen), der hohen strukturellen Komplexität sowie des hohen Kooperations- und Ertragspotenzials für die Schweiz (s. [Geiger/Hürzeler 2003; Dang/Lau 2006]) als Anwendungsbeispiel für BNR gewählt. Die Schwerpunkte der drei Teilkapitel sind: (1) Bankenmarkt Schweiz: Präsentiert einen kennzahlenbasierten Vergleich des Anlagegeschäfts in der Schweiz mit anderen Ländern, analysiert den Status quo des Aufbrechens der Wertschöpfungskette bzw. der Vernetzung bei Schweizer Banken und beschreibt die zunehmende Verbreitung von Standardsoftware bei Banken. (2) Grundlagen zum Anlagegeschäft: Erläutern Motive für die Vernetzung, wesentliche Institutionen (z.B. Börse, Zentralverwahrer), einen Referenzprozess sowie dessen Einordnung in ein Bankmodell. (3) Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft: Zeigen Vernetzungsoptionen anhand generischer Rollen auf und diskutieren deren Charakteristika und Beziehungen. Das Teilkapitel schlägt durch die Anwendung des Referenznetzwerks auf Fallbeispiele eine Brücke zwischen dem Modell und der aktuellen Marktsituation und zeigt eine Übersicht zu Datenaustausch und Standards im Anlagegeschäft. Den Abschluss bildet eine Erläuterung von aktuellen Entwicklungen in diesem Geschäftsbereich. 3.1 Bankenmarkt Schweiz Die Schweiz ist prädestiniert als geographischer Fokus der Arbeit, nicht nur aufgrund der meist Schweizer Praxispartner des CC Sourcing, sondern auch aufgrund der guten Marktposition im Private Banking51 und damit im Anlagegeschäft. Dieses Teilkapitel betrachtet den Schweizer Bankenmarkt in Relation zu ausgewählten Märkten52 weltweit mit Fokus auf Kennzahlen des Anlagegeschäfts53, stellt den Status quo der Vernetzung im Anlagegeschäft dar und gibt einen Überblick über gängige SoftwarePakete als Wegbereiter des Aufbrechens der Wertschöpfungskette.
51
52 53
Hans J. Bär definiert Schweizer Private Banking gemäss [Geiger/Hürzeler 2003, 94] als “the full range of services that a client may wish to obtain and this therefore extends way beyond wealth management. Swiss private banking starts at the three international airports at Zurich, Geneva and Basel and continues via the railway stations and luxury hotels of our country right up to the doors of Sprüngli’s cake shop. Swiss private banking encompasses our hospitals, cultural institutions, media, lawyers, shops, schools, universities and, of course, our banks and asset managers.” Die vorliegende Arbeit betrachtet primär das Anlagegeschäft und klammert die übrigen Faktoren des Private Banking aus. Vgl. auch [Bernet 2007a, 274f] zu den Eigenschaften von Finanzplätzen als geographische Cluster. Die Ausführungen des ersten Abschnitts basieren primär auf den Arbeiten von [Geiger/Hürzeler 2003; Falkenberg et al. 2006; Cocca/Geiger 2007; Regniet 2007].
32
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.1.1 Internationale Position im Anlagegeschäft „Schweizer Banken sind im Private Banking weiterhin die Champions.“ [Pfiffner 2007] Eine Ende 2007 veröffentlichte Studie von [Cocca/Geiger 2007] untersuchte die Wettbewerbsfähigkeit von 253 Banken aus 11 Ländern anhand von Kriterien wie Profitabilität, Grösse und Wachstum (vgl. Tabelle 3-1). Im Ländervergleich werden die Vermögensverwalter aus der Schweiz im Durchschnitt am besten bewertet. Die eidgenössischen Institute waren nicht zuletzt aufgrund der ausländischen Vermögenswerte im Jahr 2006 auch Marktführer hinsichtlich der Höhe des verwalteten Geldes (über CHF 5.000 Mrd.) und erwirtschafteten pro Mitarbeiter den höchsten Gewinn (TCHF 260 p.a.). Ein Problem des Schweizer Bankenmarktes sind die hohen Personalkosten, die die Gesamtkosten der Banken mit überdurchschnittlichen 64,4% belasten und wesentlich zur im schlechteren Drittel liegenden Cost/Income-Ratio von 65,7% beitragen. Switzerland
Austria
Benelux
France
Germany
Italy
Liechtenstein
UK
USA
Japan
Nordic countries
Figures for 2006
Return on equity (after taxes) in %
21.3
15.3
32.3
20.5
17.6
20.0
17.0
26.8
25.7
23.5
27.6
Adjusted gross margin on assets under mgt.
80.2
76.8
77.5
96.5
77.2
98.0
69.8
95.6
60.7
78.6
128.2
Cost/income ratio (before depreciation) in %
65.7
62.0
51.9
64.3
72.6
57.1
58.4
64.5
67.7
66.4
58.3
Total revenue per employee (in TCHF)
621
330
473
343
406
346
669
457,
582
790
376
Personnel costs per employee (in TCHF)
241
137
137
119
154
125
188
175
270
197
84
Gross profit per employee (in TCHF)
260
146
213
144
148
143
323
176
221
263
215
Caption: growth (from 2004 to 2006) of more than 10%
growth between 0-10%
decrease
Tabelle 3-1: Auszug aus Kennzahlen nach Ländern gemäss [Cocca/Geiger 2007, 7] In den Jahren 2002-2006 war die Marktentwicklung für das Private Banking aufgrund des spürbaren Aufschwungs sehr gut, und das internationale54 Anlagegeschäft ist in dieser Zeit signifikant gewachsen. Eine wirkliche Prüfung für das Geschäftsmodell steht gemäss [Cocca/Geiger 2007, 73f] bevor, sobald sich das Marktumfeld verschlechtert und die Erträge abnehmen. Bei einem Einbruch der Erträge wären viele Banken weiterhin mit hohen Kosten konfrontiert. Daher sind die Institute bestrebt, ihre Fixkostenblöcke durch Veränderungen in der Wertschöpfungskette weitgehend in variable Kosten umzuwandeln55, um in Rezessionsphasen bestehen zu können. Ein Weg einer Ertragskrise auszuweichen, ist verstärktes Wachstum in neuen Anlageformen wie 54 55
Schweizer Banken investieren aktuell verstärkt in das Offshore-Geschäft, das aber nach [Cocca/Geiger 2007, 58f] bisher unterproportional zum Onshore-Geschäft (d.h. Europa) gewachsen ist (z.B. 1,8% vs. 4% in 2006). Die UBS als weltweit grösster Vermögensverwalter (mit 4.3% Marktanteil und Assets under Management von CHF 1.609 Mrd.) beziffert die flexiblen Kostenanteile für den gesamten Konzern mit 53%. (s. [Cocca/Geiger 2007; Regniet 2007; Willmeroth 2007]).
3.1 Bankenmarkt Schweiz
33
strukturierten Produkten oder Produkten im Bereich alternative Anlagen, da hier signifikant höhere Margen zu erzielen sind. Empirische Daten weisen darauf hin, dass auch in reifen Märkten wie der Schweiz durch die Verbreitung von eben diesen neuen und margenstärkeren Produkten bisher übergreifend56 keine signifikante Margenerosion im Private Banking zu beobachten ist. (vgl. [Cocca/Geiger 2007]) [Geiger/Hürzeler 2003] nennen drei Pfeiler57 des nachhaltigen Erfolgs von Private Banking in der Schweiz: (1) Wohlbekannte, traditionelle Erfolgsfaktoren eines Zentrums für Private Banking (z.B. eine stabile Währung, die Freiheit der Kapitalmärkte, eine etablierte Bankenlandschaft im Sinne von Professionalität, der Schutz der Anleger und Kunden, die bereit / bestrebt sind, in internationale Wertpapiere zu investieren), (2) die Swiss Value Chain als durchgängige, automatisierte Marktinfrastruktur für den Handel, die Abrechnung (Clearing) und die Verbuchung (Settlement) von WertpapierGeschäften sowie (3) führendes Markt-Know-how und die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Arbeitskräfte. 3.1.2 Status quo des Aufbrechens der Wertschöpfungskette Zur Fundierung und Versachlichung der Diskussion rund um das Voranschreiten des Aufbrechens der Wertschöpfungskette im deutschsprachigen Raum hat das CC Sourcing 2005 eine Studie unter leitenden Angestellten von Finanzdienstleistern durchgeführt. [Falkenberg et al. 2006] beschreiben die Situation der befragten Banken bezüglich Kernkompetenzen, Umfang der Eigenfertigung, Fremdbezug (als Folge von Outsourcing) und Leistungsangebot für Drittbanken (Insourcing). Tabelle 3-2 vergleicht für die Jahre 2005 und 2010 die Kernkompetenzen von 54 teilnehmenden Banken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) in Prozent der Nennung für die Prozesse des Bankmodells in Kapitel 3.2.4. Diese Werte unterstreichen die Aussage, dass sich Finanzdienstleister vermehrt auf einzelne Wertschöpfungsstufen konzentrieren und sich in den nächsten Jahren auf ihre Vertriebs- und Produktkompetenzen ausrichten wollen. Ein Vergleich der Aussagen für DACH (n=54) mit jenen nur für die Schweiz (n=28) ergibt für das Jahr 2005 ein relativ homogenes Bild mit geringen Abweichungen. Für das Jahr 2010 ist das Profil der Schweiz jedoch noch ausgeprägter als jenes für DACH. Nur in den Bereichen Private Banking (83%) und dem Asset Management (69%) wollen künftig mehr als 2/3 der Banken Kernkompetenzen aufrecht erhalten und / oder aufbauen. Eine Zunahme der Kompetenz prognostizieren Schweizer Banken für alle transaktionsübergreifenden Leistungen, wie z.B. für die Finanzplanung mit einem Anstieg von 25% auf 36%.
56 57
In Teilbereichen ist durchaus eine Margenerosion zu beobachten (z.B. im Fondsbereich). Ein Grund dafür ist der durch die höhere Transparenz und Kundenbedürfnisse verstärkte Wettbewerb. [Bernet 2007b] nennt alternativ eine Reihe von Bausteinen für eine zukunftstaugliche Positionierung der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb. Dazu zählen z.B. eine kompetitive Marktplattform und Finanzmarktinfrastruktur, innovative und auf Wachstumsmärkte ausgerichtete Produkte und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
34
3 Vernetzung im Anlagegeschäft 2005 CH
DACH
CH
Private Banking
69%
75%
83%
82%
(Übriges) Retailbanking
52%
54%
52%
54%
Institut. Vermögensverwaltung
50%
50%
48%
46%
Prozessbereiche
24%
18%
28%
14%
Kundenreporting
31%
32%
35%
32%
Depotführung
24%
14%
13%
11%
Stammdaten (Kunde, Konto)
19%
18%
20%
14%
Kredite
46%
36%
46%
39%
Wertpapiere
28%
21%
24%
18%
Zahlungsverkehr
17%
14%
17%
11%
Übergreifende Leistungen
Produktentwicklung
50%
43%
59%
50%
Finanzplanung
30%
25%
44%
36%
Research
20%
11%
19%
11%
Asset-/Portfolio-Management
48%
54%
69%
57%
Rechnungswesen
13%
7%
11%
4%
Beschaffung
7%
7%
0%
0%
IT, Infrastruktur
24%
21%
19%
14%
Ausführung / Abwicklung
Investment Banking
Support
Vertrieb / Beratung
2010
DACH
Legende: fett = Zunahme von 2005 auf 2010; kursiv = Abnahme von 2005 auf 2010
Tabelle 3-2: Auswahl aus dem Kernkompetenzprofil für DACH und die Schweiz im Vergleich 2005 zu 2010 nach [Falkenberg et al. 2006, 12] Ein Vergleich des Anteils der Prozesse, die als Kernkompetenz (KK) gesehen werden, mit dem Anteil jener, die Banken heute noch grossteils selbst erbringen (Eigenfertigung, EF) zeigt für das Jahr 2005 eine deutliche Divergenz sowohl für die Schweiz als auch für DACH (vgl. Tabelle 3-3). Trotz einer Annäherung der Werte für Kernkompetenzen und Eigenfertigung in allen vier (auslagerbaren) Prozessbereichen im Vergleich zu 2005 liegt die für 2010 prognostizierte Differenz nach wie vor zwischen 12% und 50%. In Experteninterviews zur Studie von [Falkenberg et al. 2006] wurden u.a. das bisher fehlende BPO-Angebot und die guten Ergebnisse der vergangenen Geschäftsjahre bzw. der zu geringe wirtschaftliche Druck als Gründe genannt, die Eigenfertigungswerte nur marginal an die Vorstellungen bez. Kernkompetenzen anzupassen. 2005
2010
Prozessbereiche
EF
KK
EF-KK
EF
KK
EF-KK
Beratung / Vertrieb
69%
47%
22%
61%
49%
12%
Produkte & Kompetenzzentren
84%
32%
52%
71%
43%
28%
Ausführung / Abwicklung
79%
27%
52%
60%
26%
34%
Support
82%
19%
63%
67%
17%
50%
Legende: fett = Zunahme von 2005 auf 2010; kursiv = Abnahme von 2005 auf 2010
Tabelle 3-3: Vergleich von Kernkompetenz und Eigenfertigung für DACH nach [Falkenberg et al. 2006]
3.1 Bankenmarkt Schweiz
35
3.1.3 Einsatz von Standardsoftwarepaketen „Je mehr Software in Produkten und Dienstleistungen steckt, desto stärker tritt der Standardisierungseffekt zutage. Geschäftsleitungen erhalten aus der IT einen erweiterten Handlungsspielraum zur Gestaltung ihres Ecosystems.“ [Kagermann/Österle 2006, 179 bzw. 200]
Gemäss [Falkenberg et al. 2006, 74] erachten Banken die Standardisierung von IT als einen wesentlichen Wegbereiter58 des Aufbrechens der Wertschöpfungskette. Da das Standardisierungspotenzial von Leistungen wie z.B. Produktentwicklung und Kundenberatung als eher gering eingeschätzt wird, hat die Wahl der Bankplattform signifikante Auswirkungen auf die Kompatibilität einer Bank mit potenziellen NetzwerkPartnern. Die Anbieter von Standard-Software (SSW) versuchen daher, für ihr Produkt eine Plattform-Community zu schaffen (z.B. Avaloq-Bus). In den letzten Jahren ist in der Schweiz bei Bankplattformen ein signifikanter Trend zu SSW59 erkennbar. Laut einer Studie der Active Sourcing Group (vgl. [Regniet 2007]) über Zusammenhänge zwischen der eingesetzten Kernapplikation und Sourcing-Entscheidungen haben sich in den Jahren 2004-2006 42 (27%) der 15760 grössten Banken aus der Schweiz und Liechtenstein für einen Wechsel ihrer Bankplattform zu einer SSW entschieden. Die Gewinner waren v.a. Finnova mit 21 und Avaloq mit 11 neuen Mandanten. Diese beiden SSW-Anbieter nehmen nun nach Anteilen bezogen auf die betrachteten 157 Banken die Positionen zwei (Finnova) und drei (Avaloq) ein (vgl. Abbildung 3-1). Marktführer nach Anzahl Banken ist per Ende 2006 Ibis mit 37% Marktanteil. Gesamtmarkt (n=157): Kernapplikationen nach Anzahl Banken
Banken 500 MA (n=38): Kernapplikationen nach Anzahl Banken unbekannt: 11%
unbekannt 4% übrige: 16%
Finnova: 5%
Ibis: 37% Boss: 6%
übrige: 29%
Olympic: 8% Avaloq: 14%
Ibis: 16%
Finnova: 15%
Boss: 5%
Avaloq: 29% Olympic: 5%
Abbildung 3-1: Marktanteil der Bankplattformen Ende 2006 nach [Regniet 2007, 8] Im Rahmen einer Marktstudie (vgl. [Kutsch et al. 2007]) hat das CC Sourcing die drei nach Anzahl der Installationen bzw. Kundenbanken führenden Bankplattformen Ibis, 58 59
60
Für 36% der befragten Banken ist auch die Ablösung von Altsystemen ein bedeutender Faktor. [Mertens et al. 2005, 154] definieren (traditionelle) Standardsoftware als Programm, das für eine Gruppe von Kunden mit ähnlichen Problemstellungen geschrieben wurde und die Möglichkeit für nutzende Unternehmen bietet, individuelle Anpassungen vorzunehmen (Customizing) und so die Diskrepanzen zwischen betrieblichen Anforderungen und dem Funktionsumfang des Standardpakets zu begrenzen. Die Gruppe von Banken mit mehr als 500 Mitarbeitern umfasst 38 Unternehmen und jene mit weniger als 500 Mitarbeitern 119 Banken.
36
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Finnova und Avaloq untersucht. Dazu wurde jeweils ein Interview mit dem SoftwareAnbieter und einer Kundenbank, die das System bereits operativ im Einsatz hatte, geführt. Die drei Bankplattformen befinden sich in unterschiedlichen Phasen des Produktlebenszyklus: Während sich Avaloq und Finnova in der Phase Wachstum sehen, steht Ibis bereits seit einiger Zeit in der Reifephase und soll nun im Rahmen eines umfassenden Reengineering-Projektes erneuert werden. Ein wesentlicher Unterschied liegt auch im Geschäftsmodell: Während die Anwenderbanken von Ibis auch deren Eigentümer sind und RTC als Betreiber und Entwickler der Plattform als Cost Center geführt wird, positionieren sich Avaloq und Finnova als unabhängige Softwarelieferanten, deren Bankplattform von Spezialisten eingeführt und betrieben wird. Im Jahr 2007 hat sich das Marktgewicht weiter Richtung Avaloq und Finnova verschoben, die in diesem Zeitraum neben Drittinstituten (z.B. wechseln B-Source und Bank Vontobel zu Avaloq) auch bisherige Ibis-Mandanten gewinnen konnten (z.B. Migrosbank zu Finnova und Basler Kantonalbank zu Avaloq). 3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft Das Anlagegeschäft umfasst die Wertpapierabwicklung sowie deren vor- und nachgelagerten Prozesse (z.B. Beratung, Produktentwicklung, Depotführung). Die Wertpapierabwicklung beinhaltet alle Schritte, die zwischen der Auftragserteilung durch den Kunden und der Kundenabrechnung ausgeführt werden [Büschgen/Börner 2003]. An einer Wertpapiertransaktion sind in der Regel neben Käufer und Verkäufer auch folgende Finanzintermediäre beteiligt: Banken, ein Börsensystem als Marktplatz, Broker, Custodians sowie die angeschlossenen Stellen für Clearing und Settlement [Guadamillas/Keppler 2001, 6]. Das Kapitel umfasst vier Teilkapitel: (1) eine Liste von Motiven für Vernetzung im Anlagegeschäft, (2) eine Erläuterung wesentlicher Institutionen, (3) einen Referenzprozess als semantische Basis und damit eine Konstruktionshilfe61 für unternehmensspezifische Modelle und (4) die Einordnung des Referenzprozesses in ein Bankmodell. 3.2.1 Gründe für Vernetzung im Anlagegeschäft “With the exception of a handful of very large brokerage and banking institutions, Datamonitor expects the majority of the industry to gravitate towards an asset gathering model, which will cause the practice of self-clearing (i.e. in-house securities processing) to gradually diminish.” [Datamonitor 2004, 4]
Gemäss der 2005 durchgeführten Marktstudie von [Falkenberg et al. 2006] ist im Raum DACH eine starke Zunahme der Sourcing-Aktivitäten in der WertpapierAbwicklung zu erwarten. So soll z.B. der Anteil der auslagernden Banken in der Schweiz bis zum Jahr 2010 von 25% auf 61% steigen. Analog wird eine starke Reduktion der Eigenfertigung von 82% auf 56% prognostiziert. Die genannten Gründe für eine Auslagerung sind vielfältig, [Zmuda 2006, 24] führt z.B. als Ergebnis einer Literaturanalyse rund 40 allgemeine Motive für Outsourcing an. Tabelle 3-4 nennt – als 61
Vgl. [Schütte 1998, 309ff] bzw. Kapitel 2.1.2 zu den Anwendungsbereichen von Referenzmodellen.
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
37
Fazit aus Expertengesprächen und aus einer Literaturanalyse – elf wesentliche Gründe für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette im Anlagegeschäft.62 Steigende Anforderungen an Produkte
Marktzugang / Marktabdeckung
Portfoliomanagement
Kosteneinsparung
Variabilisierung von Fixkosten Synergieeffekte
Neben der Anforderung, auf Märkten weltweit präsent zu sein, führen insbesondere neue Anlageprodukte, die dem Trend von Kassainstrumenten (z.B. Aktien, Schuldverschreibungen und Währungen) zu derivativen Finanzinstrumenten folgen, zu steigenden Knowhow-Anforderungen in Research, Produktentwicklung und Vertrieb [Alt/Zerndt 2008, 7]. Für Banken, welche die Wertpapier-Abwicklung nicht als Kernkompetenz erachten, sind die globale Präsenz und eine breite Produktpalette unverhältnismässig teuer. Sowohl bei Mitgliedschaften in Gemeinschaftswerken als auch beim Unterhalt eines eigenen, umfangreichen Netzwerks stimmt das Kosten/Nutzen-Verhältnis für volumenmässig kleine Institute meist nicht überein. Diese Institute streben daher oft eine Kooperation mit Spezialisten an, um ihren Kunden einen umfangreichen Marktzugang profitabel anbieten zu können. Für Brokerage und Custody ist dieser Ansatz bereits weit verbreitet. Der Unterhalt eines professionellen Portfoliomanagements lohnt sich für Banken erst ab einem bestimmten Volumen. Speziell bei retailorientierter Stammkundschaft und hohen Anforderungen (weniger) sehr vermögender Kunden sind oft signifikante Zusatzinvestitionen in den Aufbau von Know-how und in die Anpassung der bestehenden Bankenlösung erforderlich. Eine Studie von McKinsey und Xchanging (s. [Xchanging 2004]) begründet den Auslage63 rungswillen deutscher Banken primär mit wirtschaftlichen Aspekten. Im Anlagegeschäft spielen v.a. Skaleneffekte eine wesentliche Rolle für die Realisierung von Synergieeffekten. Gemäss einer von [Zwahlen 2006] zitierten Studie von Maerki Baumann betragen die IT- und Backoffice-Kosten der Schweizer Banken per 2006 rund CHF 8 Mrd. p.a. Das Umsatzpotenzial von Transaktionsbanken beträgt ca. CHF 5,5 Mrd. p.a. Um in einem zyklischen Geschäft wie dem Anlagegeschäft nachhaltig profitabel zu sein, müssen Unternehmen ihre Kostenbasis zunehmend variabilisieren (vgl. [Datamonitor 2004, 6ff; Cocca/Geiger 2007, 74]). Voraussetzung für diese Flexibilisierung der Kostenstrukturen ist, dass die NW-Partner bereit sind, Leistungen (tw.) variabel zu verrechnen. Der Bereich Anlegen bietet grosses Synergiepotenzial. Dies beginnt beim HändlerNetzwerk, wo eine Zusammenarbeit mehrerer Banken zu niedrigeren (Einkaufs-)Preisen aufgrund der gebündelten Volumina führt. Weiters sind die Pflege des Valorenstamms und die Abwicklung von Corporate Actions prädestiniert für Skaleneffekte, da hier einmalige Aufwände auf mehrere Banken verteilt werden können. [Xchanging 2004, 29] bezeichnet die Wertpapierabwicklung nicht zuletzt aufgrund dieser Synergieeffekte als First Mover Markt: „Wer als Erster durchs Ziel läuft, kann den Markt für sich erobern“.
Volatiles Auftragsvolumen
Ein Abwicklungsspezialist für mehrere Institute kann Volumenschwankungen einzelner Kunden leichter ausgleichen und so Phasen der Unter- und Überauslastung reduzieren.
Reduktion operationeller Risiken
Auch wenn eine Bank bei einer Auslagerung die gesetzliche Verantwortung für die betroffenen Prozesselemente stets weiter trägt, kann sie sich gegen den finanziellen Schaden aus operativen Fehlern (z.B. bei der Ausführung von Corporate Actions oder der Reconciliation bzw. aus Fehlspekulationen im Eigenhandel) absichern. Die Abwicklung von komplexen Produkten und die Erstellung einer Performancerechnung stellen hohe Anforderungen an die Backoffice-Mitarbeiter und die Systemlandschaft. Die Kunden fordern höhere Qualität und wünschen tendenziell immer umfangreichere Auswertungen des Portfolios. Vor allem aus Sicht kleiner Institute sprechen die kontinuierlichen Veränderungen der gesetzlichen und marktseitigen Rahmenbedingungen für eine Auslagerung der Wertpapierabwicklung (z.B. zunehmende Reporting-Anforderungen). Besonders der Aufwand für die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben (z.B. MiFID, QI) steigt, und die Auswirkungen dieser Normen auf das Anlagegeschäft sind signifikant (vgl. [Weatherill et al. 2007]). Die Betrachtung von Finanzprodukten als Lösungen und nicht als Bündel von Einzelleistungen ist eine wesentliche Veränderung im Bankproduktdesign. Das Ziel muss sein, zunehmend individuelle Nachfragebedürfnisse mit standardisierten Produktbausteinen zu befriedigen („Legobaukasten“). Um eine umfassende Lösung anbieten zu können, kooperieren Banken verstärkt mit Spezialisten (vgl. [Bernet 1998, 28ff]).
Professionelle Abwicklung Dynamische Rahmenbedingungen Lösungen statt Produkte
Tabelle 3-4: Gründe für das Aufbrechen der Wertschöpfungskette im Anlagegeschäft 62 63
Vgl. dazu auch [Middendorf/Göttlicher 2003; Datamonitor 2004; Xchanging 2004; Dang/Lau 2006]. Wesentliche Ansatzpunkte zur Verbesserung der Cost/Income-Ratio sehen Banken gemäss [Xchanging 2004] insbesondere in den Bereichen Zahlungs- und Wertpapierabwicklung sowie IT-Infrastruktur und -Betrieb, die im Retail-Banking etwa 25% der Gesamtbetriebskosten verursachen.
38
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.2.2 Institutionen im Anlagegeschäft Dieser Abschnitt beschreibt den Ablauf eines Wertpapiergeschäfts und die daran beteiligten Institutionen. Das Wertschöpfungsnetz der Wertpapierabwicklung besteht generell zwischen Käufer, Verkäufer und Emittent. Zwischen Käufer und Verkäufer basiert die Wertschöpfung auf der schnellen und sicheren Abwicklung von Wertpapiergeschäften (Lieferung gegen Zahlung). Zwischen Emittent und Zentralverwahrer bzw. Börsenplatz besteht sie in einer sicheren Verwahrung des Bestands und einer schnellen und sicheren Abwicklung der Corporate Actions des Emittenten. (vgl. [Middendorf/Göttlicher 2003, 4]) Intermediäre Käufer I
Bank 1
Börse
Bank 2
Verkäufer I
CCP* ZB
CSD Inland Emittent
Käufer A
Intermediäre CSD Ausland
Aus Vereinfachungsgründen direkt dargestellt, wird idR indirekt über einen Intermediär „vermittelt“
Emittent
CROSS-CSD Verkäufer A * ab 2003 IdR Richtung der Kontoführung / des Vertragsverhältnisses
Abbildung 3-2: Institutionelle Beziehungen im Wertpapiergeschäft nach [Middendorf/Göttlicher 2003, 5] Ausgangspunkt für einen Kauf oder Verkauf von Wertpapieren ist i.d.R.64 der Kundenauftrag, den das Finanzinstitut des Bankkunden entgegennimmt und anschliessend im Handelssystem erfasst. Der Auftrag wird vom Händler im Auftragsbuch der Börse platziert und bleibt dort, bis ein passender Gegenauftrag auf dem Marktplatz gefunden wird oder weitere durch den Kunden erteilte Weisungen (z.B. Gültigkeitsdatum, Storno) wirksam werden. Bei einer Übereinstimmung (Matching) von Angebot und Nachfrage gibt das Börsensystem eine Handelsbestätigung65 an die beteiligten Finanzinstitute sowie die Ausführungsdaten (z.B. Käufer- und Verkäuferbank, Handelskurs) an die Clearing- und Settlement-Systeme weiter. Dadurch werden die Übertragung des Besitzes sowie die Abrechnung des Geschäfts initiiert. Daraufhin bestätigen die Kundenbanken den Kunden die Ausführung. Bei Börsen, zu denen der Händler keinen direkten (elektronischen) Zugang hat, nutzt er einen Intermediär (Broker). Die Verwahrung aller Wertpapiere eines Börsenplatzes übernimmt der Zentralverwahrer (Central Securities Depository, CSD). Der Zentralverwahrer stimmt auch die Bestände mit den jeweiligen Custodians der involvierten Banken ab, die für die 64 65
Aufträge werden auch von der Bank (Eigenhandel) und Portfolio Managern (im Auftrag des Kunden) erteilt. Bei Parkettbörsengeschäften bestätigen sich Käufer und Verkäufer zusätzlich die gehandelten Geschäfte (z. B. durch die Lieferfreigabe) und bei Over-the-Counter Geschäften i.d.R. die Abwicklungsbedingungen.
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
39
Bestandsführung auf Bankebene zuständig sind. Abbildung 3-2 zeigt die genannten Institutionen66 und deren Beziehungen. Die eingezeichnete Abwicklungsvariante67 mit einer Central Counter Party (CCP) stellt eine Besonderheit fortschrittlicher Abwicklungssysteme dar, bei der die Abrechnung (Clearing) und der Übertrag der Eigentumsverhältnisse an Geld und Titeln (Settlement) integriert sind. (vgl. [Guadamillas/Keppler 2001, 6ff; Middendorf/Göttlicher 2003; Weber et al. 2004]) Die Fallbeispiele und Fallstudien beziehen sich vorrangig auf Unternehmen mit Domizil in der Schweiz und nutzen das in Abbildung 3-3 dargestellte Netzwerk des Schweizer Markts zur Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen. Die Schweiz verfügt mit der Swiss Value Chain68 über eine Infrastruktur, die den Handel, die Abwicklung69 und die Zahlungsströme mit Nationalbankgeld voll automatisiert und in Echtzeit umsetzt. Der Zentralverwahrer SIS SegaInterSettle erhält nach jedem Handelsabschluss von der Börse (Trading) eine entsprechende Abwicklungsinstruktion, die er über das SECOMSystem verarbeitet. Die Transaktion wird dabei als simultane und unwiderrufliche Lieferung (Titelbuchung) gegen Zahlung abgewickelt. Wie in Abbildung 3-3 dargestellt, koordiniert die SIS die Abwicklung mit internationalen Zentralverwahrern und stösst im Sinne einer CCP die aus der Transaktion resultierenden Zahlungsströme via Swiss Interbank Clearing (SIC) bzw. euroSIC an. (vgl. [Bruchez et al. 2004; SWX 2007]) European Exchange
(Terminbörse für Finanzderivate)
Swiss Exchange (SWX)
virt-X
(internationale Blue Chip Börse)
x-clear
(WP-Clearing und Risk Management)
clearstream
Settlement Communicat. System SIS
euroSIC
Swiss Interbank Clearing (SIC)
(internationaler Zentralverwahrer)
(Schnittstelle der SIC in die EuroZone)
Target
(ZV-Netzwerk der Euro-Zone)
CREST
(Zentralverwahrer Londoner Börse)
London Clearing House (LCH)
Euroclear
(internationaler Zentralverwahrer)
Legende:
Continuous Link Settlement (CLS)
Abbildung 3-3: Internationale Vernetzung der Swiss Value Chain in Anlehnung an [Bruchez et al. 2004, 50] 66 67 68 69
Die Zentralbank (ZB) ist zuständig für die Geldpolitik der Handelswährung und daher im Referenznetzwerk zu berücksichtigen. Abbildung 3-7 in Kapitel 3.3.1 zeigt eine alternative Darstellung der wesentlichen Institutionen im Anlagegeschäft bei einer getrennten Ausführung von Clearing und Settlement. Die Swiss Value Chain ist eine gemeinsame Entwicklung von SWX Group (Handel), SIS Group AG (WPAbwicklung und -Verwahrung) und der Swiss Interbank Clearing AG (Zahlungsverkehr) (vgl. [SWX 2007]). Neben der Schweizer Börse (SWX) umfasst die Swiss Value Chain auch die virt-x als Handelsplatz. Die Settlement-Partner der virt-x sind CREST, Euroclear Bank und SIS SegaInterSettle AG, diejenigen der SWX sind Clearstream International, Euroclear Bank und SIS SegaInterSettle AG (vgl. [SWX 2007]).
40
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.2.3 Referenzprozess Anlegen In Anlehnung an [Alt 2004, 266f] erkennt die Arbeit den Prozess als zentrales Gestaltungselement und wesentlichen Bestandteil der Umsetzung von Vernetzungsstrategien mit Kunden, Lieferanten und Dienstleistern. Der in diesem Abschnitt vorgestellte Referenzprozess bildet daher die Grundlage für viele Ergebnisse der Arbeit. Der Prozess ist gemäss dem Ansatz der Design Science in Abstimmung mit bestehenden Ansätzen aus der Literatur und auch den Unternehmen (v.a. Partnern des CC Sourcing) entstanden. Der dabei konzipierte Ansatz wurde nachfolgend in mehreren Abstimmungen mit Praxisvertretern angepasst und verfeinert sowie in Workshops des CC Sourcing (erstmals in Workshop 3 von CC Sourcing 1) in einem Gremium von ca. 25 Fachvertretern mehrfach diskutiert und validiert. Der Referenzprozess ist ergo mehr als eine Vereinigungsmenge bestehender Ansätze, auch wenn er auf einer Generalisierung mehrerer Vorarbeiten basiert. Die in der Theorie (vgl. z.B. [Pöhler 2004; Schrauth 2004]) und Praxis (vgl. z.B. [Middendorf/Göttlicher 2003], Abbildung 4–8 aus der Fallstudie zu Bank Vontobel) verfügbaren Prozessbeschreibungen für das Anlagegeschäft erfüllen die Anforderungen einer Grundlage für die Problemstellung Analyse des Aufbrechens der Wertschöpfungskette nur teilweise, sie waren jedoch eine wesentliche Basis für die Entwicklung des in der Folge beschriebenen Referenzprozesses. Kritikpunkte an den bestehenden Ansätzen sind der zu geringe Detaillierungsgrad (z.B. Auftragsverarbeitung als ein nicht weiter detaillierter Block), fehlende Sourcing-Adäquanz (z.B. kein expliziter Prozessschritt Auftragsfreigabe70) und / oder ihr eingeschränkter Umfang (z.B. Fokus auf interne Abwicklung, Ausklammerung des Interbankengeschäfts). Eine weitere Anforderung an den Prozess ist das Aufzeigen von wechselseitigen Abhängigkeiten der Abwicklungsprozesse zu vor- und nachgelagerten Tätigkeiten (z.B. Produktentwicklung, Depotführung) sowie zu anderen Bankprozessen (z.B. Zahlungsverkehr). Der Prozessvorschlag deckt diese Verbindung zu Tätigkeiten, die der Abwicklung einer Wertpapiertransaktion vor- bzw. nachgelagert sind, über die transaktionsbezogenen71 und transaktionsübergreifenden72 Teilprozesse ab, jene zu den anderen Kernprozessen einer Bank durch die Einordnung in ein Bankmodell (vgl. Abbildung 3-6). Die Ableitung des Referenzprozesses aus bestehenden Ansätzen beschreiben [Frei et al. 2006] im Detail. Abbildung 3-4 zeigt eine vereinfachte Gegenüberstellung der Makroprozessschritte des Referenzprozesses (vgl. Abbildung 3-5) und ausgewählter Alternativansätze. Die bei der Analyse identifizierten Abweichungen und Parallelitäten sind in der Folge beispielhaft beschrieben: Der Vergleich der Prozesse zeigt, dass der erarbeitete Referenzprozess (vgl. oberste Zeile in Abbildung 3-4) sämtliche Makroprozessschritte der 70
71 72
Speziell im Private Banking haben es die Partnerunternehmen des Kompetenzzentrums als essentiell erachtet, dass der Teilprozess Auftragsfreigabe explizit einem der Netzwerkteilnehmer zugeordnet werden kann. Motive sind u.a. die Risikosteuerung (z.B. bei grossen Auftragsvolumina) und die Pflege der Kundenschnittstelle. Prozesse, die sich auf die Überwachung oder die Ergebnisse einer Einzel-Transaktion beziehen. Prozesse, die sich losgelöst von einzelnen Transaktionen auf die Aggregation aller getätigten Transaktionen beziehen (z.B. basieren die Beratung und das Kundenreporting auf der Gesamtsicht auf den Kunden).
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
41
anderen Ansätze abdeckt. Fast alle betrachteten Prozesse beginnen mit einem Teilschritt, welcher inhaltlich der Initialisierung entspricht, lediglich [Schrauth 2004] wählt Research als Ausgangspunkt. Im weiteren Prozessverlauf sind die unterschiedlichen Blickwinkel der Autoren erkennbar. [Middendorf/Göttlicher 2003] gliedern z.B. die Teilschritte mit Fokus auf die Kostentreiber und bilden daher als einzige den Teilschritt Auftragshandel detailliert ab, während alle anderen Alternativprozesse diesen Schritt ausklammern bzw. unter Order Routing subsumieren. Der Prozess der [dwpbank 2005, 23] basiert wie auch jener von [Pöhler 2004] auf einem modularen Providerkonzept, bei dem der Leistungsbezug mit einem Teilschritt zwischen Auftragserfassung und Auftragsverarbeitung beginnt und auch wieder unterbrochen werden kann. ReferenzProzess
A Auftragsinitialisierung
[Pöhler 2004]
A
FrontOffice
B Auftragserfassung
Order- B/D Routing & Ausführung
C
D
E
Auftragsprüfung
Auftragsfreigabe
Auftragshandel
Externe Abwicklung / Interbanken
Depot- Z buchhaltung / Verwahrung
Kundeninformation
C
Execution Support
F
Settlement/ Clearing
F
G
G Auftragsverarbeitung
Z
transaktionsbezogene / -übergreifende Prozesse
Z
Sonderleistungen
[dwpbank 2005]
[Pöhler 2004] analysiert die Wertschöpfungskette anhand der Kooperation der Deutschen Bank AG mit ihrer Abwicklungstochterfirma etb. Sie definieren dabei ein modulares Konzept zur Festlegung von Tiefe und Breite des Leistungsbezugs. E
A-D
Verkauf
E/F
Handelsabschluss
Ordermanagement
G
Abrechnung / Buchung
F
Clearing & Settlement
Z
Z
Backoffice
Depotservice
[Schrauth 2004]
[dwp bank 2004] gliedert das Angebotspektrum des Unternehmens anhand von drei Mandantenmodellen, welche jeweils auf dem dargestellten Prozess aufbauen. Z
A
B/C
Research
Beratung
Erfassung
D
Orderrouting
G
Ordernachbearbeitung
Z
Z
Abwicklung / Verwahrung / Lieferung Depotservice
[Middendorf/ Göttlicher 2003]
Die Plattform der TxB wird von [Schrauth 2004] exemplarisch für eine Wertpapier-Order dargestellt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Berücksichtigung aller geforderten Vertriebskanäle. A
OrderAufgabe
B/C
Kundendisposition
D/E
Orderrouting
E/F
Trade
G Pre- G Delivery Settlement Risk Mgm. Management
F/G
Settlement
Z
Z
Custody
Surveillance
[Middendorf/Göttlicher 2004] untersuchen anhand des dargestellten Prozesses Kostentreiber und Ineffizienzen im Anlagegeschäft.
Legende:
Pretrade Phase
Trade / Externe Abwicklung
Abwicklung /Post-Trade
TRX-übergreifende und -angrenzende Prozesse
Abbildung 3-4: Vergleich des Referenzprozesses mit bestehenden Ansätzen73 Der Fokus des in Abbildung 3-5 dargestellten Referenzprozesses liegt auf der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen als vorrangig auslagerbarer Leistung (vgl. [Xchanging 2004]). Da der Prozessvorschlag die angrenzenden Teilprozesse mit berücksichtigt, ist er für das gesamte Anlagegeschäft anwendbar. Der Referenzprozess ist wie folgt strukturiert: Die Makroprozesse74 für die Abwicklung einer Transaktion (TRX) reichen von A bis G, die vor- und nachgelagerten Prozesse von H bis U. 73
74
Erklärung zur Legende mit Buchstaben: Jedem Makro-Prozessschritt des Referenzprozesses wird ein Buchstabe zugewiesen (analog zu Abbildung 3-5). Diese Buchstaben werden den analysierten Prozessvorschlägen zugeordnet, um einen Vergleich der Schritte zu erleichtern. Das Element transaktionsbezogene/-übergreifende Prozesse hat den Buchstaben Z, weil es mehrere Schritte des Referenzprozesses (Schritte H bis U in Abbildung 3-5) umfasst. Die Makroprozesse des Anlagegeschäfts sind mit Buchstaben gekennzeichnet, die in weiterer Folge alternativ zur Prozessbezeichnung verwendet werden.
42
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Die Transaktionsabwicklung umfasst drei Phasen: Die Pre-Trade Phase von A bis E, die Trade Phase (vorrangig Interbankenabwicklung) im Prozessschritt F und die Post-Trade Phase im Prozessschritt G. Prozesse, die nicht im engeren Sinne zur Abwicklung einer Wertpapiertransaktion gehören, sind aufgeteilt in transaktionsbezogene (von H bis K) und transaktionsübergreifende (von L bis U) Prozesse.75
Instrumente: - Beteiligungspapiere - Zinspapiere - Fonds - Derivate - strukturierte Produkte - Edelmetalle (nicht physisch) - Geldmarkt - Devisen
Verwaltungshandlungen
Investigations / Berichtigungen
Reconciliation
Monitoring
Auftragsverarbeitung
N
O
P
Q
R
S
T
U Research
Konformkontrolle
M
PortfolioManagement
Verbuchung
L
Kundenreporting
Spesen- / Gebühren - / VSt-Ermittlung
Compliance
Platzierung
TRX-übergreifende Prozesse
ExposureManagement
Externe Abwicklung Interbanken
Auftragshandel
Kursstellung Devisen
Kanäle: - persönlich - schriftlich - elektronisch
K
Entgegennahme Ausführung
Pooling
Bestandsprüfung
J
Valorenstammpflege
Limiten / Bonitätsprüfung
TRXbezogene Prozesse
Gebührenpflege
Authentisierung
Leitweg- Ausführung bestimmung (Trade)
I
H
Produktentwicklung
AuftragsDatenHandelentgegen- übernahme barkeit nahme (elektronisch)
Auftragsfreigabe
Auftragsprüfung Reg. Prüfung
G
Vertrieb / Beratung
Datenerfassung (manuell)
F
E
Kundenführung
Teilprozesse
Auftragserteilung (Kunde)
D
C
B
Auftrags erfassung
A
Auftragsinitialisierung
Makro-Prozesse
Tabelle 3-5 beschreibt die Makroprozesse des Referenzprozesses, und Tabelle 3-6 erläutert die auf einzelne Transaktionen bezogenen und die transaktionsübergreifenden Prozesse (vgl. rechter Teil von Abbildung 3-5).
Clearing & Settlement Aufbereitung Kundenoutput Druck Kundenoutput Archivierung
Anmerkungen zum Prozess: Die Kombination von Kanal und Instrument beeinflusst den Ablauf des Prozesses. Weder das Befolgen der Ablaufreihenfolge noch ein vollständiges Durchlaufen aller Teilprozesse sind zwingend erforderlich.
Abbildung 3-5: Referenzprozess für das Anlagegeschäft (mit Fokus Abwicklung) [Frei et al. 2006, 8ff] erläutern die in Abbildung 3-5 neben den Prozessen zur Wertpapierabwicklung angeführten Instrumente (z.B. strukturierte Produkte) und Kanäle (persönlich, schriftlich, elektronisch). Kanalbedingte Unterschiede in der Verarbeitung der Instrumente bewirken auch alternative Sourcing-Modelle. So sind beispielsweise die Anforderungen bei der schriftlichen Auftragserteilung andere als beim elektronischen Kanal (z.B. keine Unterschriftenprüfung).
75
Die Unterscheidung in transaktionsbezogene und –übergreifende Prozesse basiert auf der Systematisierung in auftragsbezogene und –übergreifende Aktivitäten nach [Hess 2002].
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft Prozessschritt
43
Beschreibung
Prozesse der Transaktionsabwicklung A Auftragsinitialisierung
Ausgangspunkt des Prozesses ist die Auftragserteilung durch den Bankkunden. Im Rahmen eines Mandats zur Vermögensverwaltung kann der Bankkunde diese Aufgabe an einen Spezialisten (z.B. Kundenberater oder externen Vermögensverwalter) delegieren. Im Zuge der Auftragsentgegennahme ist die Identität des Auftraggebers zu prüfen (Authentisierung).
B Auftragserfassung
Der Ablauf ist abhängig vom Kanal, über welchen der Auftrag entgegengenommen wird. Die Auftragsdaten werden entweder manuell oder elektronisch erfasst. Im ersten Fall unterstützt ein Bankmitarbeiter den Kunden (Order Enrichment) und erfasst die Daten im System, im zweiten Fall übernimmt das System die Daten direkt (z.B. via eBanking).
C Auftragsprüfung
Die Reihenfolge der Prüfungen ist von Institut zu Institut unterschiedlich, oft finden sie parallel zur Auftragserfassung statt. Im abgebildeten Prozess erfolgen zunächst die regulatori76 schen Prüfungen und die Kontrolle der Handelbarkeit der betroffenen Titel, welche bankintern und / oder von Marktseite aus eingeschränkt sein kann (z.B. Verfall, Sperrung). Bei der Limiten- und Bonitätsprüfung prüft die Bank neben der Liquidität des Auftraggebers und der Konformität des Auftrags mit internen Limiten auch Compliance-Regeln, die den Handel bestimmter Instrumente (z.B. für ausgewählte Kundensegmente) verbieten. Zudem wird bei einem Verkauf geprüft, ob der Kunde über die Titel verfügt (Bestandsprüfung) oder die Voraussetzungen für einen Leerverkauf erfüllt.
D Auftragsfreigabe
Nach erfolgreicher Prüfung des Auftrags im vorhergehenden Prozessschritt wird er direkt an den Handel weitergeleitet. Im Falle einer nicht erfolgreichen Prüfung kann eine berechtigte Person den negativen Entscheid übersteuern (z.B. ein Kundenberater setzt das Limit des Kunden für den aktuellen Auftrag ausser Kraft) oder der Auftrag wird vom System mit einer Meldung an den Auftraggeber zurückgewiesen.
E Auftragshandel
Der Auftragshandel betrifft die Aufbereitung des Auftrags, unmittelbar bevor er an die Börse gelangt. Als erster Schritt wird anhand von vorgegebenen Regeln der Leitweg bestimmt. Dabei werden zunächst in den Auftragsdaten enthaltene Instruktionen (z.B. Handelsplatz) berücksichtigt. Daran anknüpfend greifen von der Bank definierte Regeln, die beispielsweise Transaktionen über einem festgesetzten Volumen an bestimmte Broker leiten. Das Pooling bezeichnet die Zusammenfassung von Aufträgen mit identischen Gegenparteien oder ähnlichen qualifizierenden Übereinstimmungen. Zum Abschluss platziert die Bank entsprechend der zuvor festgestellten Merkmale (Instrument, Leitweg, usw.) die Order im Orderbuch des externen Handelssystems, bei einem Broker oder an der Börse.
F
Externe Abwicklung Interbanken
Nach dem Auftragshandel erfolgt die externe Abwicklung (z.B. via SWX), bei welcher der Auftrag entweder bei einem Matching von Angebot und Nachfrage ausgeführt oder aufgrund von (weiteren) Kundenweisungen (z.B. Verfall der Auftragsgültigkeit) storniert wird. Die Ausführung veranlasst eine Abschlussmeldung an die Bank inklusive wesentlicher Informationen wie Kurs, Zeit, Voll/Teil und Kontrahent. Eine Ausführung über elektronische Handelsysteme oder ein darüber fixiertes OTC-Geschäft stösst zusätzlich automatisierte Clearing- und Settlement-Prozesse auf externer Ebene an. Vollständig ausserbörsliche Geschäfte müssen nachträglich von der Bank abgeglichen werden.
G Auftragsverarbeitung
Im letzten Prozessschritt nimmt das Backoffice die Ausführungsbestätigung entgegen und wickelt die ausgeführte Transaktion ab. Bei Geschäften, deren Titelwährung nicht mit der Kontowährung übereinstimmt, stellt die Bank den Devisenkurs gemäss festgelegten Tabellen oder über den Devisenhandel fest. Um die interne Abrechnung zu vervollständigen, müssen die für den Kunden anfallenden Spesen und Gebühren berechnet werden. Sind diese Teilprozesse abgeschlossen, erfolgt die Verbuchung der Titel im Depot und die des Geldes auf dem zugeordneten Konto. Im Zuge der Conformkontrolle prüft der Auftraggeber die Ausführungsbestätigung der Gegenpartei. Die Aufträge werden so von beiden Kontrahenten überprüft und gegebenenfalls reklamiert. Wenn durch das Handelssystem noch keine Instruktionen abgesetzt wurden (z.B. Telefongeschäft), stösst die Bank das Clearingund Settlement-Verfahren über eine zentrale Stelle oder direkt mit dem Kontrahenten an. Nach der vollständigen Abrechnung und Abwicklung des Auftrags erstellt die Bank die Ausführungsbestätigung inklusive der Depotabrechnung für den Kunden. Sie gibt diese in Druck und in den Versand – falls in der Kundenbeziehung vorgesehen. Um den Auftrag endgültig abzuschliessen, archiviert die Bank sowohl die Transaktionsdaten als auch die kundenseitigen Nachrichten.
Tabelle 3-5: Beschreibung der Makroprozesse der Transaktionsabwicklung 76
Für den Handel an amerikanischen Börsenplätzen muss der Kunde ein Formular bez. der Weitergabe von Daten (Qualified Intermediary) an eine amerikanische Depotstelle oder Steuerbehörde unterzeichnet haben.
44
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Prozessschritt
Beschreibung
Transaktionsbezogene Prozesse H Monitoring
Überwachung des Auftragsstatus.
I
Reconciliation
Abstimmung der Titelbestände mit den Depotstellen sowie der Kontostände der NostroKonten mit den Korrespondenzbanken.
J
Verwaltungshandlungen
Ausführung von Verwaltungshandlungen (Corporate Actions) wie z.B. Einladungen zur Generalversammlung, ein Aktiensplit und eine Dividenden-Auszahlung.
K Investigations / Berichtigungen
Durchführung von Nachforschungen und Richtigstellung im Falle von fehlerhaft ausgeführten Aufträgen.
Transaktionsübergreifende Prozesse L
Vertrieb / Beratung
Unterstützung der Bankkunden bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse sowie proaktiver Verkauf von Produkten und Dienstleistungen.
M Kunden-/ Konto-/ Depotführung
Dieser Prozessschritt betrifft im Anlagegeschäft v.a. das Führen der Kundendepots. Es bestehen Schnittstellen zur Kunden- und Kontoführung, die auch für die Prozessbereiche Zahlen und Finanzieren / Kredite relevant sind.
N Produktentwicklung
Entwicklung von Wertpapierprodukten aufgrund von Kundenbedürfnissen und des Marktumfeldes.
O Gebührenpflege Führung der Stammdaten zu den Spesen- und Gebührentarifen (z.B. Courtage). P Valorenstammpflege
Pflege und Führung des Valorenstammes (Stamm- und Preisinformationen).
Q ExposureManagement
Anwendung finanzieller Analysen und verschiedener Finanzierungsinstrumentarien zur Steuerung und Verkleinerung von Risiken.
R Compliance
Überwachung von bankeigenen, gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Weisungen.
S Kundenreporting Erstellung des Kundenoutputs wie z.B. Jahresabschluss für Wertpapier-Depots und Adhoc-Reporting. T PortfolioManagement
Betreuung von Mandaten resp. Verwaltung eines Bestandes an Investitionen im Sinne der mit dem Investor vereinbarten Anlagestrategie.
U Research
Analyse und Einschätzung der volkswirtschaftlichen Situation und der wirtschaftlichen Situation einzelner Branchen. Bewertung der Entwicklung an den Finanzmärkten und der Marktsituation einzelner Unternehmen.
Tabelle 3-6: Beschreibung der transaktionsbezogenen und –übergreifenden Prozesse 3.2.4 Einordnung in ein Bankmodell Das Anlagegeschäft ist nur ein Teil der klassischen Prozesslandkarte einer Bank. Im Zuge einer Vernetzung im Anlagegeschäft sind daher Auswirkungen auf andere Bankbereiche wie z.B. den Zahlungsverkehr mit zu beachten. Das CC Sourcing hat gemeinsam mit den Partnerunternehmen ein umfassendes Bankmodell entwickelt (vgl. [Alt/Zerndt 2008]). Dieses in Abbildung 3-6 dargestellte Modell unterscheidet ausgehend von den Bedürfnissen des Bankkunden die drei Prozessbereiche Zahlen, Anlegen und Finanzieren. Das Referenzmodell soll allgemein als Bezugsrahmen für die Diskussion von Sourcing-Modellen dienen und wird im Rahmen dieser Arbeit als Ordnungsrahmen für die Diskussion von Schnittstellen des Anlagegeschäfts zu anderen Prozessen sowie für die Einordnung von Fallstudien, die über das Anlagegeschäft hinausgehen, verwendet. Wie auch für andere Anwendungsbereiche (z.B. für den Einzelhandel in [Becker/Meise 2004, 106]) gibt es für Banken bereits eine Reihe von Referenzmodellen – sowohl aufbau- als auch ablauforganisatorischer (vgl. z.B. [Frei 2005, 34]) Na-
3.2 Grundlagen zum Anlagegeschäft
45
tur. Eine Analyse dieser Bankmodelle zeigt, dass eine anbieterunabhängige, generalisierte Übersicht77 zu den wesentlichen Bankprozessen noch nicht existiert. Daher hat das CC Sourcing auf Basis des Konzepts der Wertschöpfungskette nach [Porter 2001, 74f] und der vier Typen von Unternehmensprozessen nach [Alt 2004, 141ff] (Kunden-, Führungs-, Leistungs- und Unterstützungsprozesse) das in diesem Abschnitt beschriebene Modell entwickelt. Das Modell ist in Form einer Matrix aufgebaut, wobei horizontal die Prozessbereiche Zahlen, Anlegen und Finanzieren und vertikal die oben angeführten Typen von Unternehmensprozessen angeordnet sind. Ausgehend von den nicht auslagerbaren Führungsprozessen und den vereinfacht dargestellten Vertriebsprozessen liegt der Fokus des Modells auf den Leistungs- und Unterstützungsprozessen. Erstere sind analog zum Referenzprozess Anlegen gegliedert in Ausführung & Abwicklung sowie in auf Einzeltransaktionen (transaktionsbezogen) und auf der Summe der getätigten Transaktionen (transaktionsübergreifend) aufbauende Prozesse. Prozesse
Wertschöpfungskette
Zahlen
Anlegen
Planung & Steuerung Führungsprozesse Architektur-Mgt, Controlling,
Finanzieren
Kein Sourcing vorgesehen
Risikosteuerung
TRXbezogene Prozesse
Überwachung Bewirtschaftung Transaktionen Exception Handling
schriftlich
Investigations / Berichtigungen
Monitoring Reconciliation Verwaltungshandlungen Investigations / Berichtigungen
Unternehmensfinanzierung Betriebs- und Investitionskredite Verpflichtungskredite
Lombardkredite
Titeltransfer
Monitoring Reconciliation
elektron.
Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & DL
Baukredite
Devisen
Geldmarkt
Edelmetalle
Fonds (eigene & fremde) Derivate & Strukturierte Produkte
persönlich
Hypotheken
elektron.
Privatfinanzierungen & Leasing
schriftlich
Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & DL Zinspapiere
EBPP
persönlich
Beteiligungspapiere
elektron.
Check / Wechsel
Freigabe Verarbeitung
LSV
Erfassung Prüfung
schriftlich
Akquisition / Beratung / Betreuung Produkte & DL Karten (Kredit und Debit)
Initialisierung
persönlich
DTA
Ausführung und Abwicklung
Kanal Retail-/ Privat-/ Corporate Banking
Zahlungsauftrag (Bar und Giro) Dauerauftrag & Stammliste
Vertriebsprozesse
Kreditüberwachung Kommission / Zinsbelastung Rückzahlung Investigations / Berichtigungen
Eröffnung, Bewirtschaftung, Saldierung, Research (z.B.: Narilo) Kd / Kto. / Depotführung Produktentwicklung
TRX-übergreifende Prozesse
Produktstammpflege Risikomanagement Compliance
Partneradministration (Depotstellen, SIC, Telekurs, Korrespondenzbanken, Gegenparteien) ZV-Produktentwicklung ZV-Gebührenpflege
WS-Produktentwicklung
KR-Produktentwicklung
WS-Gebührenpflege
KR-Gebührenpflege
Valorenstammpflege Exposure-Management
KR-Risiken & CWO
Liquiditäts-Management (Liquiditätsplanung, Repo-Geschäft, Refinanzierung, etc.) Bankeigene, gesetzliche & aufsichtsrechtliche Weisungen
Kundenreporting
Kundenoutput (Depot-, Kontoauszüge, Performanceausweise, etc.)
Kompetenzzentrumsprozesse
Analyse und Research (Wertschriften, Branchen, Volkswirtschaften, Finanzmärkte)
Portfolio-Management
Kredit-Portfolio-Management
Finanzplanung, Steuerberatung, usw. für natürliche Personen Unternehmensbewertung, Nachfolgeregelungen, Finanzplanung, usw. für juristische Personen
Supportprozesse
Human Ressources
Personalwesen
RW & BeBu
Erstellung Bilanz, Erfolgsrechnung, Buchhaltung, Eigenhandel (Nostro, Market Maker), Taxation/Gebühren, etc.
Marketing
Auftritt nach aussen (Broschüren, Muster, Kampagnen, etc.)
Dokumenten-Mgmt.
Vorlagen, Archivierung, etc.
MIS & DW
Kennzahlen, Auswertungen, internes Reporting
Legal Reporting
Externes Reporting (SNB, SWX, EBK, QI, EU-Zinsbesteuerung, etc.)
Beschaffung
Büromaterial, Software, Hardware, etc.
Informatik
Betrieb und Entwicklung IT-Infrastruktur und Applikationen
Sicherheit
Berechtigungen, Infrastrukturüberwachung
Abbildung 3-6: Bankmodell CC Sourcing und Einordnung des Anlagegeschäfts 77
[Alt/Zerndt 2008, 12f] präzisieren die Zielsetzung des CC Sourcing bei der Konstruktion des Bankmodells.
46
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Der gestrichelte Rahmen in Abbildung 3-6 zeigt die Einordnung des Anlagegeschäfts in das Bankmodell. Die Prozessschritte entsprechen mit Ausnahme von bankprozessübergreifenden Komponenten wie z.B. dem Personalwesen und den Führungsprozessen jenen des Referenzprozesses in Abbildung 3-5. Der im Referenzprozess detaillierte Bereich der Transaktionsabwicklung ist im Bankmodell anhand der fünf Wertschöpfungsprozesse Initialisierung – Erfassung – Prüfung – Freigabe – Verarbeitung dargestellt. Anstelle einer Präzisierung der Teilschritte pro Prozessbereich führt das Modell die Kategorien von Bankinstrumenten78 (z.B. Beteiligungspapiere) an. Die folgende Aufzählung nennt beispielhaft wesentliche Schnittstellen zwischen den Teilschritten des Anlagegeschäfts und weiteren bankfachlichen Prozessen: Die Schnittstellen zur Kunden-/ Konto-/ Depotführung sind zahlreich, so werden zum Beispiel für die Plausibilitätsprüfungen bei der Transaktionsabwicklung die Kunden- und Kontostammdaten (Sperrinformationen, Kundentyp, etc.) benötigt. Von der Auftragsverbuchung besteht eine direkte Schnittstelle zum Zahlungsverkehr (Clearing) sowie von der Auftragsprüfung zur Kunden(stamm)führung (z.B. für die Prüfung von Sperrungen der Titel aufgrund von Belehnungen). Der Bestandsabgleich in den Prozessbereichen Zahlen und Anlegen baut häufig auf einem nicht überschneidungsfreien Partnernetzwerk auf. Viele Korrespondenzbanken für Auslandszahlungsverkehr treten auch als Broker und / oder Custodian auf. Schnittstellen bestehen zudem von der Transaktionsabwicklung und der Depotführung zu den übergreifenden Prozess(bereich)en Vertrieb, Gebührenpflege und Kundenreporting sowie zu sämtlichen Supportprozessen. 3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft „It is important to first articulate the larger business network that contains the critical business processes and then adopt a more holistic approach to redesign.” [Short/Venkatraman 1992, 19]
Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette führt zu neuen Rollen und zu einer Neuordnung bestehender Rollen. Dieses Teilkapitel präsentiert ein Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft und beschreibt dessen Herleitung (3.3.1), zeigt die Anwendbarkeit des Netzwerks und die Vernetzungspotenziale im Anlagegeschäft anhand von sechs kurzen Fallbeispielen auf (3.3.2), erläutert den Status quo der IS/IT-Unterstützung der Vernetzung im Anlagegeschäft anhand der Rollen des Referenznetzwerks (3.3.3) und weist auf Trends hin, welche künftig die Vernetzung beeinflussen werden (3.3.4). 3.3.1 Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft Als Grundlage für die Ableitung generischer Rollen im Anlagegeschäft berücksichtigt die Arbeit sowohl spezifische Ansätze für das Anlagegeschäft (vgl. Kapitel 3.2.2.) als auch allgemeine institutionelle Ansätze zum Aufbrechen der Wertschöpfungskette (vgl. Kapitel 2.3.1). Die Analyse dieser Ansätze dient nicht nur der Validierung der 78
Einzige Ausnahme ist der Titeltransfer. Dieser Prozessschritt ist spezifisch für das Anlagegeschäft und meint den Transfer von Depotinhalten z.B. im Rahmen einer Saldierung oder Schenkung.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
47
einzelnen Rollen, sondern zeigt auch deren Unvollständigkeit in Bezug auf die Fragestellung der Arbeit und damit den Mehrwert des entwickelten Referenzmodells. Die Relevanz und die beispielhaften Einflüsse dieser Ansätze sind nachfolgend beschrieben. Neben dem Vergleich mit bestehenden theoretischen Ansätzen basiert das Referenznetzwerk auf einer Analyse von etablierten Kooperationen in der Praxis (vgl. z.B. Kapitel 3.3.2 und 4) sowie auf zahlreichen Expertengesprächen im CC Sourcing und einer Validierung im Rahmen des 2. Workshops von CC Sourcing 2 im Januar 2007. Ausgangspunkt der Entwicklung des Referenznetzwerks ist die in Kapitel 3.2.2 dargestellte bestehende Vernetzung in der Abwicklung von Wertpapier-Aufträgen (vgl. Abbildung 3-2). Der Ansatz in Abbildung 3-7 präzisiert diese Rollen und erklärt deren Verbindungen (vgl. für Details [Guadamillas/Keppler 2001]). Als dritten domänenspezifischen Ansatz berücksichtigt der Vergleich des Referenznetzwerks mit den oben genannten Ansätzen (vgl. Tabelle 3-7) die Studie zum Potenzial der Schweiz als Outsourcing-Standort für Private Banking von [Dang/Lau 2006]. Deren Arbeit beschreibt nicht primär die Funktionsweise des Anlagegeschäfts, sondern eine grobe Marktaufteilung von BPO-Providern und bezieht dabei z.B. die Rollen Asset bzw. Portfolio Manager, externer Vermögensverwalter und (Global) Custodian mit ein. Buying Customer
1,5,8
Buying Broker
2,3
8
4,6,7,8
Custodian Bank
7
Exchange
Selling Broker
2,3
3
8 7
Settlement Agent
Paying Agent
8
Custodian Bank
8
7,8 8
Selling Customer
4,6,7,8
Clearing Agent 8
1,5,8
8 Paying Agent
9 Central Bank
1
Customers place their orders with their respective brokers.
4
Buying and selling brokers send to the Clearing Agent trade details.
7
The Cl. Agent sends securities and fund balances. In case of mistakes the flow continues until the balances are correct.
2
Brokers execute client‘s orders at the Exchange.
5
Brokers deliver confirmation to their customers (details of execution).
8
The securities are delivered in exchange of funds.
3
Exchange sends to the Clearing Agent and brokers the details of the transactions executed.
6
The Clearing Agent compares each side of the trade and provides a report to each broker.
9
The funds are finally registered in the Central Bank accounts.
Abbildung 3-7: Prozesse und Institutionen der Abwicklung von Wertpapieraufträgen in Anlehnung an [Guadamillas/Keppler 2001, 6] Der Ansatz von [Hagel III/Singer 1999] (vgl. Kapitel 2.3.1) ist auf das Referenznetzwerk übertragbar, indem jene Rollen identifiziert werden, welche die drei zu trennenden Kompetenzbereiche repräsentieren. Dies sind z.B. die Rollen externer Vermögensverwalter für die Pflege der Kundenbeziehung und Produktentwickler für die Entwicklung von innovativen Konzepten. Der Ansatz von [Van Heck/Vervest 2007] ist sehr generisch hinsichtlich der Netzwerkrollen und bietet wenig Anhalts-
48
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
punkte für die Evaluierung des Referenznetzwerks. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Betonung des Stellenwerts des Risikomanagements in verteilten Architekturen. Die Risikobetrachtung ist im Anlagegeschäft nicht zuletzt aufgrund der hohen Transaktionsvolumina (sowohl nach Anzahl als auch nach Umfang) und des Gegenparteirisikos wesentlich. Das Referenznetzwerk beinhaltet keine separate Rolle Risiko-Manager, da jeder Netzwerkteilnehmer diese Rolle in einem gewissen Ausmass ausüben muss. Die konkrete Ausgestaltung des Netzwerks hat aber durchaus Auswirkungen auf die Verteilung der Risiken (vgl. Kapitel 5.3 zur Bewertung von Risiken bei BNR-Vorhaben). Die Ausgestaltungsmöglichkeiten für eine Bank-Wertschöpfungsarchitektur nach [Petry/Rohn 2005] beziehen sich zwar nicht direkt auf das Anlagegeschäft, der Beitrag umfasst jedoch eine Bankwertschöpfungskette sowie beispielhafte Architekturen, die einzelne Rollen des Referenznetzwerks widerspiegeln. Auch die Architektur für Retailbanking im Informationszeitalter nach [Leist/Winter 2002] enthält konkrete Rollen, die mit Elementen des entwickelten Modells für das Anlagegeschäft übereinstimmen. Das Referenznetzwerk in Abbildung 3-8 soll die (Neu-)Gestaltung von zeitgemässen und / oder innovativen Geschäftsmodellen unterstützen, die auf der Kombination individuell auslagerbarer Dienstleistungspakete basieren. Folglich verteilt das Modell den Referenzprozess Anlegen (vgl. Abbildung 3-5) auf feingranulare, betriebswirtschaftlich überlebensfähige79 Rollen. Eine Prüfung, ob die (Makro-)Prozessschritte die wesentlichen Rollen des Referenznetzwerks abdecken (vgl. rechte Spalte in Tabelle 3-7), schliesst daher die konzeptionelle80 Phase der Entwicklung des Referenznetzwerks ab. Dieser Schritt ergänzt neben der Bestätigung der meisten Rollen das Referenznetzwerk um die Rolle des Archivars. Im Rahmen des Anlagegeschäfts ist die Archivierung von grosser Bedeutung, da an vielen Stellen Informationen anfallen, die langfristig aufzubewahren sind. Neben gesetzlichen und operativen Fragen muss der Archivar auch jene nach dem Schutz der Bankkundendaten beantworten. Das Modell in Abbildung 3-8 umfasst die generischen Rollen im Netzwerk sowie die wesentlichen Informations- und Finanzflüsse, welche diese verbinden. So erhält beispielsweise der Bankkunde als möglicher Initiator des Auftrags nach erfolgreicher Ausführung seiner Order eine Bestätigung. Die Finanzflüsse zwischen dem Kunden und der Vertriebsbank sind asynchron zu verstehen, da in der Regel einzelne Anlageentscheide bzw. Wertpapiertransaktionen entkoppelt von Finanzflüssen sind. Eine Einzelabrechnung ist auch zwischen Vertriebsbank und Broker oder Custodian nicht üblich. Zwecks Reduktion der Komplexität sind Gebühren als Finanzflüsse z.B. zwischen Custodian und Vertriebsbank oder Broker und Händler nicht eingetragen. Die Informationsflüsse zwischen den Rollen sind eindeutig mit Ausnahme der Auftragserteilung an den Händler oder Abwickler und der Platzierung des Auftrags an der Börse (via Broker oder direkt).
79 80
Betriebswirtschaftlich überlebensfähig meint hier, dass die Leistungen der Rolle für sich marktfähig sind. Im Sinne der Design Science (vgl. Kapitel 1.4) wurde das Referenznetzwerk iterativ mit Praxispartnern des CC Sourcing diskutiert, welche die vorliegende Version für vollständig, verständlich und konsistent erklärten.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
49
Die Rollen in Abbildung 3-8 zeigen die grundsätzlichen Möglichkeiten eines Aufbrechens der Wertschöpfungskette im Anlagegeschäft. Als Erläuterung beschreiben Tabelle 3-8 und Tabelle 3-9 die den Rollen zugeordneten Makroprozesse des Referenzprozesses (vgl. Abbildung 3-5), deren Aufgaben und Charakteristika sowie Schnittstellen zu den anderen Rollen. Die Angabe von beispielhaften Unternehmen soll der Verständlichkeit der jeweiligen Netzwerk-Rolle dienen. Dabei ist zu beachten, dass diese Unternehmen i.d.R. nicht ausschliesslich diese eine Rolle innehaben, sondern in diesem Bereich „nur“ eine besondere Kompetenz aufweisen.
Externer Vermögensverwalter Abwickler Händler (Execution) Broker Börse Clearing-Zentrale National-/Zentralbank Zentralverwahrer Custodian ValorendatenProvider Valorenzentrale Portfolio Manager Research Provider Produktentwickler Finanzplanung Software Provider Application Manager IT-Provider / RZ Archivar
E E ;
E E 82
E
; E
;
; E E
E E ;
Referenzprozess81 Referenzprozess / Bankmodell
[Van Heck/Vervest 2007]
[Hagel III/Singer 1999]
E E
[Leist/Winter 2002]
Vertriebsbank
Aufbrechen der Aufbrechen der WSK - allgemein WSK bei Banken [Petry/Rohn 2005]
Bankkunde
[Dang/Lau 2006]
Rollen im Referenznetzwerk (Abbildung 3-8)
Vernetzung im Anlagegeschäft [Guadamillas/Keppler 2001] [Middendorf/Göttlicher 2003]
Ansätze_
E E ;
E
E
E
E
E
E E E E E E
E E E ; E E E
; ; E
; ; ; ; ;
E ; ; ; ;
E ; E E ;
E ; ; ; E
;
; E E
; E ; ;
E E E E ; E E E E
Legende: E = sehr ähnliche bzw. namensgleiche Rolle
; = ähnliche Rolle
= keine ähnliche Rolle
Tabelle 3-7: Vergleich der Rollen im Referenznetzwerk mit bestehenden Ansätzen 81
82
Legende für die Spalte (Referenzprozess): E = Inhalt der Rolle im Prozess und/oder Bankmodell berücksichtigt / ; = teilweise berücksichtigt / = nicht berücksichtigt. Der Vergleich dient der Prüfung, ob sich alle Rollen des Referenznetzwerks in den Prozessgrundlagen zum Anlagegeschäft widerspiegeln. Die Abdeckung ist nicht vollständig, da es Rollen gibt, die eine Bank nicht wahrnehmen kann wie z.B. Börse, Zentralverwahrer. Die umgekehrte Prüfung, ob die Rollen alle Schritte des Referenzprozesses abdecken, ermöglicht die Zuweisung der Prozessschritte im Rahmen der Rollenbeschreibungen in Tabelle 3-8 und Tabelle 3-9. [Middendorf/Göttlicher 2003] diskutieren neben der Funktionsweise der Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen auch mögliche Kooperationsmodelle für die Abwicklung.
Statusinformation
Bestätigung / Status
Auftrag
Auftrag, Mandat
Bestätigung Research Provider
Produktentwickler
Ausführungsbestätigung
Aufträge / Block Orders Modell-Portfolio (Empfehlungen)
Report
Auftrag, Mandat
Abbildung 3-8: Referenznetzwerk Anlegen Application Management
Rohdaten
Börsenplatz Börsenplätze (Trading) (Trading)
Interbanken
Archivierung
Zentralverwahrer Zentralverwahrer (CSD) (CSD)
National-/Zentralbank (z.B. SNB, EZB)
Clearing Cash-Seite (z.B. SIC)
Valorendaten Valorendaten Provider Provider
IT-Provider / Rechenzentrum
Depotstellenabgleich
Rohdaten
Software Provider
Valorendatenaufbereitung (Valorenzentrale)
Titelfluss
(Global) (Global) Custodian Custodian
Bestätigung (Confirmation) / Statusinformation
Bestätigung (Confirmation) / Statusinformation
Rohdaten / Finanzinformationen (z.B. Bloomberg, Telekurs)
Finanzplaner
Angereicherte Daten
Depotstellenabgleich
Clearing
Platzierung des Auftrags
Broker Broker
Platzierung des Auftrags
Settlement-Instruktionen
Portfolio Manager
(Änderungs-) Auftrag Abwickler
Auftrag
Auftrag
Bestätigung (Ausgeführter Trade)
Vertriebsbank
Händler / Execution Desk
Auftrag
Bestätigung / Status
SettlementInstruktionen
Bestätigung / Status
Auftrag
Externer Vermögensverwalter
Informationsfluss
Geld- und Titelfluss
SettlementInstruktionen
BankBankkunde Kunde
Rolle im Referenznetzwerk
Legende:
50 3 Vernetzung im Anlagegeschäft Dienstleistungen & Services
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft Rol- Prozess- Beschreibung le schritte
Beispiele in CH
A, B, D, H, Externe Vermögensverwalter (EVV) konzentrieren sich ausschliesslich auf die L, M, Q, S, Kundenbeziehung und die Verwaltung des Kundenvermögens. Weil ein EVV T i.d.R. keine Banklizenz besitzt, müssen die Kunden stets auch eine Beziehung zu einer VB unterhalten, über welche die Kunden-/ Konto-/ Depotführung erfolgt.
InvestPartners, Gebser & Partner B-Source, Vontobel, RBA Service, Incore Bank, Sourcag Incore Bank, Vontobel, Credit Suisse, UBS
C, G, H, I, Der Abwickler übernimmt administrative Aufgaben, wie die Auftragsprüfung und J, K, M, R, -abwicklung von Transaktionen, die Verwaltung von Kunden- und Bankdepots S inklusive Verwaltungshandlungen sowie Investigations (soweit ohne Kundenkontakt möglich). Er ist in den meisten Fällen verantwortlich für die operative Schnittstelle zum Händler und dem / den Global Custodian(s). Wer von beiden den Vertrag mit diesen beiden Rollen hat, hängt vom Geschäftsmodell und (Bank-)Status von Abwickler und VB ab. E, F, H, I, Der Händler erhält die geprüften Aufträge von VB oder Abwickler und ist verJ, O antwortlich für deren Platzierung sowie für die Entgegennahme der ausgeführten Trades. Er repräsentiert die “central counter-party” (CCP) der VB und stellt direkt oder via Vermittler (Broker) den Zugang zu den Börsen sicher. Der Händler übernimmt für die Kundenbanken ebenfalls oft den Abgleich der Konten bei den Handelsplätzen (Reconciliation). E, F
Der Broker vermittelt den Zugang zu (nicht elektronischen) Börsen und verfügt Swissquote über Wissen von lokalen Gegebenheiten und Handelsgepflogenheiten.
F
Ein Börsenplatz ist ein organisierter Markt für fungible (vertretbare) Güter – d.h. SWX, für Waren, Devisen oder Effekten (vgl. [Albisetti et al. 1990, 219f]). Börsen ha- virt-X ben die Funktion einer Kapitalumschlagstelle, einer Kapitalbewertungsstelle und eines Indikators für die volkswirtschaftliche Entwicklung (vgl. [Eilenberger 1997, 33]). Börsen sind Informationsplattformen zur Bestimmung von Marktpreisen anhand von Angebot und Nachfrage (vgl. [Bruchez et al. 2004, 49]).
F
Das Clearing impliziert die Abwicklung der mit einer Wertpapier-Transaktion SIC verbundenen Abrechnung. Im Schweizer Markt leitet hierzu die SIS als Zentralverwahrer eine entsprechende Zahlungsanweisung an die SIC weiter, die dann die Zahlung(en) veranlasst. Je nach Reife der Marktinfrastruktur erfolgt ein integriertes Clearing und Settlement (vgl. Kapitel 3.2.2) oder die Zahlung wird alternativ über Korrespondenzbanken bzw. nationale Clearing-Institute abgewickelt, zu denen Händler oder Broker eine Beziehung unterhalten. Die National-/Zentralbank ist als Hüterin der Geldpolitik und als ein Regulator 84 der Streetside ein wesentlicher Netzwerk-Teilnehmer im Anlagegeschäft.
Clearing (National-/Zentralbank)
Börsenplatz
83
Abwickler
Bank Linth, Clientis Banken, Bank Reichmuth
Händler / Execution Desk
A, B, C, D, Die Vertriebsbank (VB) konzentriert sich auf die Kundenbeziehung und stellt H, K, L, N, daher Beratungsservices in den Vordergrund. Produkte und AbwicklungsaktiviO, Q, R, S täten bezieht sie von Spezialisten. Auch das Handling von Interbankenbeziehungen (z.B. Handelsnetz, Zahlungsverkehr) gehört nicht zu ihren selbst erbrachten Aufgaben. Einen Sonderfall stellen Aufträge des Eigenhandels dar. Der Eigenhändler ist nicht als separate Rolle berücksichtigt, da seine NetzwerkPosition analog zu jener der VB ist.
Broker
Vertriebsbank
Der Bankkunde erteilt Wertpapieraufträge entweder direkt durch eine Order an seine Vertriebsbank oder indirekt via Vermögensverwaltungsmandat (bei seiner Bank oder einem externen Vermögensverwalter). Weitere Schnittstellen sind Beratung und Nachforschungen bei nicht ordnungsgemäss abgewickelten Transaktionen. [Guadamillas/Keppler 2001, 4] unterscheiden private Bankkunden (Haushalte und Firmen) und institutionelle Kunden (vor allem Banken, Pensionsfonds und Versicherungen). Beide Kategorien sind in ihrer Rolle als Kunden im Anlagegeschäft entweder Käufer, Verkäufer oder Inhaber von Wertpapieren und nehmen nicht direkt an der (Interbanken-)Abwicklung teil.
EVV
Bankkunde
A, K, L, S
51
Tabelle 3-8: Wesentliche85 Rollen im Referenznetzwerk Anlegen (1/2) 83
84
[Middendorf/Göttlicher 2003, 3] umschreiben den Abwickler als Transaktionsbank, die alle BackofficeTätigkeiten rund um das Wertpapiergeschäft übernimmt. Die Leistungspalette reicht den Autoren zufolge von Ordermanagement, Abwicklung, Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren bis hin zur Durchführung von Kapitalmassnahmen (Corporate Actions, CA). Streetside meint sämtliche nicht bankkunden-, sondern interbankenbezogenen Aktivitäten im Anlagegeschäft.
52
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Der Zentralverwahrer (Central Securities Depository, CSD) verwaltet Wertpapie- SIS re, die an (einer) bestimmten Börse(n) gehandelt werden. Er unterhält keine Geschäftsbeziehungen zu Endkunden, sondern lediglich zu Instituten, die unter finanzmarktrechtlicher Aufsicht stehen. Im Referenznetzwerk hat der Zentralverwahrer auch die Funktion eines Settlement Agent (vgl. [Guadamillas/Keppler 2001, 5]), der die Verbuchung der gehandelten Wertpapiere und die Abrechnung ausgeführter Aufträge überwacht. (vgl. auch [Chan et al. 2007, 6ff])
F, I, J
Ein (Global) Custodian hält ein Konto bei mindestens einem Zentralverwahrer und bietet Finanzinstituten an, ihre Wertpapiere am jeweiligen Finanzmarkt zu verwahren. Das Serviceangebot reicht von der Administration der Depotbestände (z.B. CA, Aufbereitung regulatorischer Berichte) bis zu ergänzenden Services (z.B. FOREX). Der Custodian übernimmt die Reconciliation für seine Kunden und wickelt Transaktionen mit den Zentralverwahrern ab. Viele Gross87 banken positionieren sich als sogenannte Global Custodians, d.h. sie arbeiten mit Zentralverwahrern weltweit zusammen. Synergiepotenzial birgt eine Kombination mit den Rollen Broker und/oder Händler. Eine Schnittstelle zum ZV ist die oft parallel ausgeübte Rolle als Korrespondenzbank für Auslandszahlungen.
UBS, SIS, Credit Suisse, BNP Paribas, Citibank
J, P
Die Valorenzentrale übernimmt die Aufbereitung (Filtern und Anreichern um bankindividuelle Felder) der Datenströme von Providern wie Telekurs, Reuters oder WMData. Diese Finanzmarkt-Rohdaten umfassen v.a. Valorenstammdaten wie die ISIN-Nummer, Preise, Unternehmensinformationen und Informationen zu Verwaltungshandlungen. Da die Tätigkeiten und Anforderungen zur Aggregation, Pflege und Bereitstellung dieser Daten für Gruppen von Banken in der Regel gleich oder ähnlich sind, bietet die Konzentration der Aufgaben bei einem Spezialisten Synergiepotenzial. Oftmals sind die Daten (teilweise) manuell in die IT-Systeme der Banken zu übertragen. Ein einheitliches Software-System bietet weiteres Synergiepotenzial (vgl. Fallbeispiel ÖWS in Kapitel 3.3.2).
BEKB, Comit mit Fin-Log, Accenture
(Global) Custodian Valorenzentrale Portfolio Manager
B, D, H, Q, Der Portfolio Manager entscheidet gemäss den Vorgaben des Eigentümers über T die Zusammensetzung des Portfolios. Er benötigt dafür eine integrierte Sicht auf alle Positionen des Portfolios und analysiert es hinsichtlich der Gesamtrendite („Performance“), des Risikos und der Liquidität unter Beachtung der verfolgten Anlageziele. In vielen Fällen berät der Portfolio-Manager den Bankkunden nicht direkt, sondern erstellt Berichte, die der Kundenberater oder Finanzplaner dem Kunden bei der Beratung erläutert (vgl. [Spremann/Gantenbein 2005, 13ff]).
Vontobel, MBC, SGKB via Investment Center
U
Der Research Provider bietet volkswirtschaftlich orientierte Analysen zur relati- ZKB, Credit ven Attraktivität von Ländern, Finanzmärkten, Währungen und Wirtschaftssekto- Suisse, ren. Die Finanzanalyse beschäftigt sich hingegen mit einzelnen Wertpapieren, UBS stellt dazu Informationen bereit und trägt so zu einer fundierten Anlageentscheidung bei. Wesentliche Aspekte im Research sind z.B. Zinssatz, Inflation, politisches Risiko und Konjunktur. (vgl. [Spremann/Gantenbein 2005, 12f])
N
Der Produktentwickler konzipiert innovative Produkte, oftmals verbunden mit der Möglichkeit für Banken, diese unter ihrem eigenen Namen zu verkaufen (whitelabelled). Differenzierungsfaktoren sind der Innovationsgrad, die Geschwindigkeit der Umsetzung / Lancierung (Time to Market) und v.a. die Performance.
L
Der Finanzplaner bietet dem Kunden eine umfassende Analyse seiner finanziel- MLP, AWD len Gesamtsituation. Die Beratung der Kunden kann je nach Segment (z.B. Firmenkunden) andere Schwerpunkte aufweisen. Fokussierte Beratung wie z.B. Wertpapierauswahl ist denkbar. Einen Bestandteil der Analyse bildet in der Regel auch ein Vergleich unterschiedlicher Anlageformen und -strategien.
Research Provider Produktentwickler Finanzplanung
Beispiele in CH
F, I, J
86
Zentralverwahrer
Rol- Prozess- Beschreibung le schritte
Bank Wegelin, Vontobel, UBS, CS, MBC
Tabelle 3-9: Wesentliche Rollen im Referenznetzwerk Anlegen (2/2) 85 86
87
In der Tabelle nicht berücksichtigt sind die nicht-spezifischen Rollen National-/Zentralbank, Software Provider, Application Manager, IT Provider / Rechenzentrum, Archivar und Valorendaten Provider. „Custodians are entities that undertake the safekeeping of securities and other financial instruments on behalf of others. They may provide other services such as clearance and settlement, securities lending, etc. A Global Custodian provides those services in respect of securities traded and settled not only in the country where the custodian is located but also in other countries throughout the world.” [Guadamillas/Keppler 2001, 4] Ein Global Custodian ist i.d.R. nicht in allen angebotenen Finanzmärkten direkt vertreten, sondern nutzt Partnerschaften mit anderen Custodians, bei denen er selbst nur Sub-Custodian ist (vgl. [Chan et al. 2007, 15]).
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
53
3.3.2 Beispiele für Vernetzung im Anlagegeschäft Dieser Abschnitt beschreibt die Position (Ist-Zustand) ausgewählter Unternehmen im Referenznetzwerk (vgl. Kapitel 3.3.1). Die Fallbeispiele decken die Rollen geordnet nach dem Ablauf des Referenzprozesses (vgl. Kapitel 3.2.3) weitgehend ab. Tabelle 3-10 zeigt die Rollenabdeckung für die maximale Leistungspalette der Fallbeispiele. St. Galler Kantonalbank (SGKB)
Vertriebsbank, Abwickler, Händler / Execution Desk, Portfolio Manager
International Transaction Services (ITS)
Direkt: Abwickler, Valorenzentrale via HSBC TuB: Research Provider, Produktentwickler, (Global) Custodian, Broker, Händler / Execution Desk
Sourcag
Abwickler, Application Management
Credit Suisse Financial Institutions (CS-FI)
Broker, (Global Custodian), Händler / Execution Desk, Research Provider, Produktentwickler – Das Angebot anderer Bereiche der CS ist hier ausgeklammert.
Österreichische Wertpapier Service AG (ÖWS)
Valorenzentrale
SegaInterSettle (SIS)
Zentralverwahrer, Global Custodian
Tabelle 3-10: Position der Fallbeispiele im Netzwerk Anlegen Der Einstieg in das Anlagegeschäft erfolgt abgesehen vom Eigenhandel stets über den Kunden bzw. dessen EVV bzw. Vertriebsbank. Das erste Fallbeispiel, St. Galler Kantonalbank (SGKB), repräsentiert eine aktuell bei Schweizer Banken häufige Geschäftsarchitektur, bei der die Bank neben der Vertriebsrolle eine Reihe weiterer Netzwerk-Rollen innehat. Die SGKB ist als Kantonalbank traditionell stark im Retailgeschäft und mit 37 Niederlassungen bei ca. 30% Marktanteil in den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden stark verankert. Per Ende 2006 beschäftigte das Unternehmen 1091 Mitarbeiter (972 FTE). In den Jahren 2001-2006 konnte die SGKB den Betriebsertrag von CHF 350 Mio. auf CHF 555 Mio. steigern und gleichzeitig die Cost/Income-Ratio von 63% auf 48% senken. Mit einer Bilanzsumme von CHF 19,8 Mrd. ist die SGKB die neuntgrösste Schweizer Bank. Im Anlagegeschäft verwaltet die SGKB für ihre 280.000 Kunden insgesamt knapp CHF 39 Mrd. (vgl. [SGKB 2007]) Die Bank betreibt Private Banking sowohl Onshore mit speziellen Niederlassungen im Bodenseeraum als auch Offshore via ihre Privatbank-Tochter HYPOSWISS mit Sitz in Zürich für die übrige Schweiz und das Ausland (vgl.). Im Vergleich der Jahre 2001 und 2006 sind die verwalteten Kundenvermögen im Private Banking von CHF 9,7 auf 26,9 Mrd. gewachsen. Das Investment Center der HYPOSWISS ist als gruppenweites Kompetenzzentrum zuständig für die Anlagepolitik, die Führung von Vermögensverwaltungsmandaten (Portfolio Management), umfassende Finanzplanung (inklusive Steuer, Ehegüter- und Erbrechtsberatung), die Lancierung von strukturierten Produkten und Fondsmanagement. (vgl. [Ryser/Spieler 2007, 115]) Die SGKB führt in einer eigenen Handelsabteilung die Devisen- und Wertpapiergeschäfte der Bankkunden sowie den Eigenhandel durch. Im Geschäftsbericht 2006 nennt die SGKB die Positionierung als führende Anlagebank in der Ostschweiz als eine von drei künftigen Herausforderungen. Im Referenznetzwerk deckt das Unternehmen eine Reihe von Rollen selbst ab. Nur auf der Streetside (Interbankenbereich), bei
54
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
der Valorenaufbereitung und bei den Support-Leistungen Research, Produktentwicklung, Applikationsentwicklung und Rechenzentrum arbeitet die SGKB mit Spezialisten zusammen (z.B. mit der Zürcher Kantonalbank im Brokerage- und mit SIS im Custody-Geschäft). Die Valorenzentrale ist bisher bei der Luzerner Kantonalbank zentralisiert. Auf der neuen88 Bankplattform Avaloq ist geplant, dass die Comit in Koproduktion mit Fin-Log89 diese Rolle übernehmen wird.
Ein primärer Kandidat für eine Auslagerung ist gemäss Studien (z.B. [Schleuniger et al. 2004]) die Abwicklung der Backoffice-Aktivitäten. Die Sourcag90 ist im Markt Schweiz ein etablierter Spezialist in diesem Bereich. Das Unternehmen wurde im April 1998 von den Kantonalbanken Baselland (BLKB) und Baselstadt (BKB) als selbstständige Aktiengesellschaft mit Sitz in Münchenstein gegründet. Beide Eigentümer halten je 50% des Aktienkapitals in Höhe von CHF 3 Mio. Bei der Gründung übernahm die Sourcag etwa 190 Mitarbeiter aus den Backoffices von BKB und BLKB. Aktuell bedient das Unternehmen 15 Kunden stark variierender Grösse (Bilanzsumme von einigen hundert Mio. CHF bis ca. CHF 25,7 Mrd.) in den Segmenten Retail und Private Banking mit Dienstleistungen in den Geschäftsfeldern Wertpapierabwicklung, Zahlungsverkehr und Informatik. Im Anlagegeschäft bietet die Sourcag bereits seit einigen Jahren Dienstleistungen rund um die Rolle des Abwicklers an. Das Unternehmen erbringt für drei Kundenbanken sämtliche Leistungen des Backoffice im Anlagegeschäft mit Ausnahme der Streetside (d.h. Handel, Custody, Brokerage und Börsenabrechnung für die Bank). Die Leistungspalette umfasst u.a. das Settlement, das Zins- / Dividendeninkasso, die Titellieferung, Fondstransaktionen, die Abstimmung mit Aktienregistern und Depotstellen sowie sämtliche unter den Begriff Corporate Actions fallende Tätigkeiten. Als besonders attraktiv für einen Ausbau des Leistungsangebots erachtet die Sourcag die Bereiche Valorenzentrale und Börsen-Backoffice (v.a. Abwicklung und Abrechnung von Aufträgen mit den Netzwerk-Partnern im Interbankenbereich). Die Sourcag betreibt keine eigene Banksoftware, sondern arbeitet auf der Plattform ihrer Mandanten. Im Wertpapierbereich ist aktuell die Bankplattform Ibis von RTC im Einsatz, mittelfristig plant das Unternehmen, seine Leistungen auch auf der Plattform Finnova91 anzubieten. Die International Transaction Services GmbH (ITS) ist ein Gemeinschaftsunternehmen der HSBC Trinkaus & Burkhardt AG (HSBC TuB) und der Telekom-Tochter TSystems International GmbH. Die im Frühjahr 2005 gegründete Kooperation92 erbringt 88
Die SGKB wechselt per Ostern 2008 auf die Bankplattform Avaloq und verlässt die AGI-Community, eine Gruppe von acht Kantonalbanken, die ihre IT-Systeme gebündelt haben und gemeinsam betreiben (lassen). 89 Die Fin-Log ist nicht zu verwechseln mit der Finanzlogistik AG, die bisher für den RBA-Verbund Teile der Wertpapier-Abwicklung übernimmt (vgl. Kapitel 4.5). 90 [Reitbauer/Mansfeldt 2007] beschreiben das Unternehmen Sourcag und sein Leistungsangebot im Detail. 91 Im Zahlungsverkehr erbringt die Sourcag schon heute nicht nur Leistungen für ihre Ibis-Kunden, sondern auch für die 13 Finnova-Banken der Esprit-Gruppe und künftig für die Genfer Kantonalbank. 92 HSBC TuB wird rückwirkend zum 1.1.2008 die Anteile der T-Systems an ITS (49%) erwerben und ist damit künftig Alleineigentümer.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
55
Securities Services
seit August 2005 BPO-Leistungen im Anlagegeschäft und hat zum Ziel, Banken hochwertige Wertpapier-Abwicklungsservices anzubieten. HSBC TuB bringt Kompetenz in Wertpapier-Abwicklung, -verwahrung und -administration ein, T-Systems ITExpertise und mit GEOS (Global Entity Online System) das Wertpapierabwicklungssystem. Diese Zusammenarbeit einer Bank mit einem IT-Dienstleister ist nach [Datamonitor 2004, 13] eine Besonderheit des deutschen Marktes, die neben der Bündelung von Know-how auch die Unabhängigkeit des Providers stärkt. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass ITS im Auftrag der Kundenbank Wertpapier-Geschäfte abwickelt und Depotservices durchführt (vgl. Abbildung 3-9). Dazu beauftragt die Kundenbank ITS mit der Bearbeitung ihrer Wertpapier-Geschäfte (Settlement, Clearing und Buchung) und Depots (z.B. Verwaltungshandlungen), schliesst einen Depotvertrag mit HSBC TuB ab und kann den Leistungsbezug optional um Handels- und Clearing-Funktionalität ergänzen. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass ITS die Rollen Finanzdatenanbieter (Valorenzentrale) und Servicemandant (Abwickler) übernimmt und im Auftrag der auslagernden Kundenbank weitere Leistungen (Brokerage, Settlement, Custody) direkt bei HSBC TuB bezieht. Order Routing
Abwicklung
Order Entry Order Routing
Order Abwicklung Abrechnung Settlement
Depotservices
Verwahrung Verwaltungshandlungen Registrierung Namensaktien
Legal Reporting Depotübertrag Tax, Reconciliation
Support und Application Services
Wertpapierstammdatenmanagement Kundenbetreuung und spezifische Projekte IT-Entwicklung
IT-Wartung
IT-Betrieb
IT-Migration
Abbildung 3-9: Leistungen und Services gemäss [ITS 2008] Custody Services: Die HSBC-Gruppe ist ein bedeutender Anbieter im Global Custody Geschäft. Das Unternehmen deckt aktuell mehr als 83 Märkte ab und verwaltet ein Wertpapiervermögen von mehr als USD 5,4 Billionen. Das Ziel der Grossbank ist, einen Global Custody Service anzubieten, der flexibel auf die Bedürfnisse der Kundenbanken anpassbar ist. Das Global Custody Team von HSBC TuB bietet in diesem Rahmen umfangreiche Produkte und Serviceleistungen an. Durch die Einbindung in die HSBC-Gruppe kann TuB ein effizientes und kostengünstiges globales Netzwerk sowie zahlreiche Zusatzprodukte zur Verfügung stellen. „Automatisierte Abläufe und die Möglichkeit, bankinterne Order-Management- und BackendSysteme direkt mit einem globalen Broker zu verbinden, lassen das klassische Modell des hauseigenen Execution Desk vermehrt zum Auslaufmodell werden.“ [CS-FI 2007, 2]
Viele Banken denken nicht nur über eine Auslagerung des Wertpapier-Backoffice nach, sondern auch über ein Outsourcing (von Teilen) ihres Interbankennetzwerks. Die Liste der Anbieter von Brokerage- und / oder Custody-Leistungen – an einzelnen Bör-
56
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
senplätzen und auch weltweit – umfasst eine Vielzahl von Unternehmen wie Citybank, Deutsche Bank, BNP Paribas oder StateStreet. Das Fallbeispiel von Credit Suisse Financial Institutions (CS-FI) zeigt den Ansatz und die Vorteile eines zentralen Ansprechpartners für die Leistungen auf der Streetside. In den letzten Jahren hat die Credit Suisse (CS) alle drittbankbezogenen Geschäfte im Geschäftsbereich CS-FI gebündelt, um die institutionellen Kunden aus einer Hand zu bedienen. CS-FI betreute per Ende 2007 mit 70 Mitarbeitern ca. 4.000 Banken in 164 Ländern. Das bestehende Angebot93 basiert primär auf der Produkt- und Netzwerkkompetenz der CS in den Bereichen Zahlen und Anlegen und umfasst neben den Dienstleistungen im Anlagegeschäft z.B. auch Zahlungsverkehr, Cash Management und Devisenhandel. Die bedeutendsten Konkurrenten sind international tätige Grossbanken wie z.B. Merill Lynch, Lehman Brothers, UBS. Im Anlagegeschäft bietet CS-FI Straight Through Processing (STP) Leistungen in den Bereichen Execution / Brokerage, Settlement und Custody sowie SupportDienstleistungen im Order Entry (z.B. via webfähigem GUI). Dies entspricht den Rollen Händler, Broker und (Global) Custodian. Die Leistungen sind aus Sicht der Kundenbank weitgehend frei kombinierbar. Abbildung 3-10 vergleicht die heutige Situation vieler Banken mit einer Reihe von Brokern und einem davon losgelösten Custody-Netzwerk mit dem Lösungsvorschlag von CS-FI, der einem Single Solution Provider für das Interbankengeschäft im Anlagegeschäft entspricht. Nachteile der aktuellen Situation (vgl. linke Seite in Abbildung 3-10) sind der hohe Koordinationsaufwand mit Brokern und Custodians, hohe bankinterne Infrastrukturkosten für die Handels- und Schnittstellenarchitektur sowie die Settlement-Risiken durch Trennung von Brokerage und Custody. Bei der Lösung von CS-FI (vgl. rechte Seite in Abbildung 3-10) kann die Bank prinzipiell alle (Standard-)Geschäfte im Brokerage (durchgezogene Linien) sowie das gesamte Custody-Geschäft (gestrichelte Linien) via CS-FI abwickeln. Auf Wunsch der Kundenbank können Börsenverbindungen im heimischen Markt (z.B. SWX in der Schweiz) von der Kooperation mit CS-FI ausgeklammert werden. Das institutionelle Geschäft kann die Bank über Broker ihrer Wahl abwickeln, das Geschäft wird auch hier via CS-FI verbucht. Bei dieser Lösung entfallen aufgrund der Integration von Broker und Custodian Risiken und Kosten beim Settlement. Zudem wird das operationelle Risiko durch die Vermeidung von Mehrfacherfassung der Aufträge bei mehreren Partnern und weniger zwischenbetriebliche Abstimmung gesenkt. Die Fixkosten der auslagernden Kundenbank können dabei grossteils in variable Transaktionspreise umgewandelt werden. Ein Vorteil der o.a. Integration von Brokerage und Custody ist der Wegfall des Abgleichs von Settlement-Instruktionen (in der Regel SWIFT-Nachrichten) zwischen Broker und Custodian und damit die Ersparnis von signifikantem (grossteils manuellem) Aufwand. Zusätzliches Potenzial bietet die durch die Integration mögliche Verarbeitung in Echtzeit, welche im Vergleich zu den aktuell üblichen Verarbeitungszeiten 93
Der Fokus dieses Kapitels liegt auf dem Anlagegeschäft, die Ausführungen beschreiben nicht alle Dienstleistungen von CS-FI (vgl. ausführlich www.credit-suisse.com/financialinstitutions).
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
57
von t+2 oder t+3 (t bezeichnet den Zeitpunkt der Auftragserteilung) bis zur Buchung ein Differenzierungsmerkmal ist. Zudem minimiert die Integration die SettlementRisiken. Aktuelle Situation: Viele Partner
CS-FI: Ein Partner für den gesamten Prozess
Anlagegeschäft für Retailkunden und Institutionelle Kunden Custodian A Custodian … Custodian X
Lokale / einheimische Börsenanbindung (SWX) Broker 1 Broker … Broker 25
Bank
Bank
Lokale / einheimische Börsenanbindung (SWX)
Anlagegeschäft für Retailkunden Institutionelles Geschäft
Credit Suisse Broker / Custodian
Broker 1
Credit Suisse Broker … Broker 25
Abbildung 3-10: STP-Angebot von CS-FI im Anlageprozess nach [Münch 2006] Abbildung 3-11 zeigt die Einordnung des Angebots in eine vereinfachte Version des Referenznetzwerks Anlegen durch CS-FI. Die Flächen in Abbildung 3-11 symbolisieren die Aufteilung des Anlagegeschäfts in die Verantwortungsbereiche von Vertriebsbank, Backoffice Provider und Bank Service Provider. Das Angebot von CS-FI entspricht jenem des Bank Service Providers. Ein Ausbau des Angebots zum Full Service Provider (Backoffice plus Bank Service Provider) ist am Widerstand der Banken gescheitert. Gründe waren das Aufbauen einer starken Abhängigkeit von einem Partner, die Angst vor einer Konkurrenzierung durch einen Provider und die Sensibilität der Kundenstamm- und Auftragsdaten. Gemäss CS-FI bringt die Konzentration aller Gegenparteien der Streetside auf einen oder wenige Partner signifikante Kostenvorteile94, und diese Zentralisierung ist dank standardisierten Schnittstellen (Reuters, Bloomberg, SWIFT und FIX) ohne hohe Projektkosten umsetzbar. Neben den transaktionsbezogenen Services wie Execution und Custody bietet CS-FI eine breite Palette mit Finanzprodukten und Research-Dienstleistungen. Aktuell wird ein Wertpapierauftrag meist vom Kunden direkt bzw. via Kundenberater erteilt, an den Handel (Execution Desk) weitergeleitet und dort börsenseitig abgewickelt. Eine der Hauptfunktionen ist, den besten Preis im Markt zu finden, entweder direkt an der Börse oder via Broker. Mit dem Trend zur Best Execution (verstärkt durch die Finanzmarktrichtlinie MiFID im EU- und EWR-Raum) fällt diese Aufgabe zunehmend weg, da global agierende und elektronisch mit sämtlichen Börsenplätzen vernetzte Broker den besten Preis im Markt garantieren (vgl. [CS-FI 2007]).
94
Einsparungspotenziale bestehen gemäss CS-FI in der Zusammenlegung der Broker-Beziehungen, Depotstellen und Nostro-Konten sowie in den nicht differenzierenden Tätigkeiten Depotstellenabgleich, Nachforschungen und Management des Interbanken-Netzwerks. Die Kosten für ein Nostro-Konto (ohne Gebühren) schätzt CSFI auf CHF 20.000 p.a. (vgl. [Münch 2007])
58
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Mit dem Angebot Execution Desk bietet CS-FI Drittbanken an, die Schnittstelle zur Streetside für sie zu übernehmen. Der Eigenhandel der Bank läuft in diesem Modell also ebenfalls über das Netzwerk der Credit Suisse.
Abbildung 3-11: Position von CS-FI (Bank Service Provider) im Netzwerk Anlegen95 Speziell im Custody-Geschäft arbeiten die Anbieter eng mit den Zentralverwahrern der jeweiligen Börsenplätze zusammen. Die Ähnlichkeit der Tätigkeiten dieser beiden Rollen führt oft dazu, dass Zentralverwahrer auch Custody-Leistungen anbieten, wie das auch beim Schweizer Zentralverwahrer SIS SegaInterSettle der Fall ist. Die SIS Swiss Financial Services Group AG ist ein Gemeinschaftswerk der Banken in der Schweiz und ist auch in deren Besitz96. SIS SegaInterSettle (in der Praxis und in der Arbeit als SIS abgekürzt) ist eine von vier Töchtern des Unternehmens und beschäftigt 285 der 465 Mitarbeiter. Das Kerngeschäft der SIS ist die Abwicklung von Wertpapiergeschäften auf der Streetside sowie die Verwahrung von Wertpapieren im In- und Ausland. Als Zentralverwahrer bildet die SIS einen integrierten Bestandteil der Schweizer Finanzplatzinfrastruktur (vgl. Abbildung 3-3). Per Ende September 200797 verwahrte das Unternehmen Wertpapiere mit einem Wert von CHF 3.138 Mrd. (davon CHF 2.504 Mrd. für den Schweizer Markt), setzte im Zahlungsverkehr CHF 10.085 Mrd. im SIC um und pflegte über 115.000 Valoren (davon rund 34.000 für den Schweizer Markt). Die Marktstrategie der SIS als Cost-Center der Schweizer Banken ist die Kostenführerschaft, basierend auf dem Angebot standardisierter Dienstleistungen im Kapitalmarkt Schweiz als Zentralverwahrer und als Custodian sowie aktuell in 52 weiteren Kapitalmärkten als Global Custodian. Das Custody-Angebot für die Schweiz erbringt SIS bereits für über 100 internationale Kunden, was etwa 25% der 95 96 97
Die Darstellung stammt aus dem Vortrag von CS-FI im Rahmen des Finance Forums 2007 (vgl. [Münch 2007]). Die Rollen basieren auf jenen des Referenznetzwerks in Abschnitt 3.3.1. Wesentliche Shareholder: UBS 32,99%, CS 22,19%, Kantonalbanken 18,69%, Privatbanken 10,28%. Vgl. https://www.sec.sisclear.com/sec/cm/de/index/pub-about-about/pub-about-whoweare-organisation/pubabout-whoweare-organisation-facts.htm, Abruf: 17. Januar 2008.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
59
Kundenbasis ausmacht. Etwa ein Drittel der Kunden bezieht das gesamte internationale Geschäft (mehr als 20 Märkte) bei dem Unternehmen. Mandanten, die neben der Verwahrung von Wertpapieren auch an Leistungen wie dem Handel, Massenzahlungsverkehr und Geldmarktanlagen interessiert sind, empfiehlt SIS, sich an eine lokale Universalbank zu wenden. Zudem pflegt das Unternehmen nur Beziehungen mit Finanzdienstleistern und bietet keine Abwicklung und Verrechnung auf Stufe Bankkunde an. [SegaInterSettle 2006; SIS 2007] „Mit der Erkenntnis, dass die österreichischen Banken nicht mit der Qualität der Wertpapierdaten im Backoffice konkurrieren wollen, wurde mit der ÖWS ein höchst effizientes Kooperationsmodell ins Leben gerufen, welches heute eine zentrale Rolle in der österreichischen Wertpapierinfrastruktur spielt.“ [Hödl 2007]
Ein gut gepflegter Valorenstamm ist ein wesentlicher Qualitätsfaktor im Anlagegeschäft. Da alle Banken eine Reihe ähnlicher Tätigkeiten zur Aufbereitung und Veredelung der Rohdaten von Providern für Finanzinformationen wie z.B. Telekurs durchführen müssen, hat sich die Idee einer Zentralisierung dieser Leistungen etabliert. Das in der Folge beschriebene Fallbeispiel über die Österreichische Wertpapier Service AG (ÖWS) erreicht in Österreich mit ihrem Angebot als Valorenzentrale eine fast vollständige Marktabdeckung. Die ÖWS bezeichnet sich selbst als „DatenDrehscheibe in Sachen Wertpapiere für praktisch alle Bankstellen in Österreich“ [ÖWS 2008]. Das heute in Österreich marktführende System (ca. 80% Marktanteil) für die Wertpapierabwicklung GEOS wurde Anfang der 90er Jahre von einigen einheimischen Banken in Auftrag gegeben. Nach der Einführung dieses Systems entstand im Juni 1996 die ÖWS zur zentralen Pflege der Wertpapierstammdaten durch den Zusammenschluss der Datenservices einiger Banken (Bank Austria, Erste Bank AG, GiroCredit, Raiffeisen Zentralbank, Österreichische Kontrollbank und Creditanstalt). Die ÖWS wird als Cost-Center geführt und soll durch die zentrale Beschaffung, Pflege und Verteilung der Daten einen Beitrag zur Kosteneffizienz für den Bankplatz Österreich leisten. Die meisten Mandanten sind auch Gesellschafter der ÖWS. Per Ende 2007 versorgte die ÖWS mehr als 97% der in Österreich tätigen Banken auf mittlerweile drei unterschiedlichen Wertpapier-Systemen mit 25 Mitarbeitern bei einem Jahresumsatz von ca. € 3,2 Mio. Die Kernaufgabe des Unternehmens ist der zentrale Einkauf und die Erhebung von Daten98, deren Aufbereitung (Fehlerkorrektur und Anreicherung um Länder99bzw. Bankenspezifika) und die Übertragung der Daten in die Wertpapier-Systeme der Mandanten. (vgl. [Hödl 2007; ÖWS 2008]) In der Schweiz existieren bereits Beispiele für Valorenzentralen wie z.B. Entris und die Finanzlogistik AG für die Mandanten der Plattform Ibis (vgl. Kapitel 4.4) oder die 98
99
Die Erhebung der Daten der nationalen Finanzinstrumente erfolgt direkt von der Primärquelle am lokalen Markt, wie z. B. von Banken und einschlägigen, gesetzlich befugten Printmedien. Bei internationalen Finanzinstrumenten kooperiert die ÖWS mit renommierten Datenanbietern, vorrangig dem WM Datenservice. Ein Beispiel für diese „Austrifizierung“ ist die Daten-Anreicherung um österreichische KESt-Informationen.
60
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Urner Kantonalbank auf der Finnova-Plattform für sich und die Kantonalbanken von Nidwalden, Glarus, Obwalden und Appenzell (vgl. [Finnova 2005]). Ein ökonomisches Hindernis für eine Zentralisierung der Valorendatenverfeinerung ist in der Schweiz, dass Telekurs als primärer Valorendaten-Provider nur Einzelverträge mit Banken anbietet und dadurch wesentliche Synergieeffekte im Einkauf nicht realisierbar sind. 3.3.3 IS-Aspekte der Vernetzung im Anlagegeschäft “There has been a quantum shift in the importance of IT, and the drive for quality and efficiency continues apace. Wealth managers are investing heavily in this area and it is rapidly becoming a battlefield for differentiation and profitability.“ [Weatherill et al. 2007, 27]
Dieser Abschnitt betrachtet in Anlehnung an [Alt 2004, 140] Daten und Standards als zentrale Gestaltungselemente der BE-Ebene Systeme. Die Bedeutung und zunehmende Verbreitung von Standardsoftware bei Schweizer Banken wird in Kapitel 3.1.3 erläutert. Der Stellenwert von IT im Anlagegeschäft ist hoch und Privatbanken planen – gemäss der Global Private Banking/Wealth Management Survey 2007 mit 265 teilnehmenden Organisationen aus 43 Ländern – ihre Ausgaben in IT weiter zu erhöhen, um die Prozesse und Systeme an die steigenden Anforderungen anzupassen (vgl. [Weatherill et al. 2007, 23ff]): Oftmals behindern monolithische (Alt-)Systeme das Wachstum der Banken, und die bestehenden Lösungen in den Bereichen Beratungssysteme (CRM), Risikomanagement und Reporting erfüllen die Anforderungen seitens der Kunden, der zu verarbeitenden Volumina (erwartetes Wachstum von 70% im Private Banking bis 2010) und der Regulatoren nur bedingt. Die meistgenannten ITProjekte mit höchster Priorität für die Banken sind gemäss [Weatherill et al. 2007] CRM-Systeme (62%), Kundenreporting (62%) und die Erhöhung der STP-Rate in Handel und Abwicklung (43%). Für die Vernetzung im Anlagegeschäft sind besonders die ausgetauschten Daten und die zwischenbetrieblichen Schnittstellen relevant. Die folgenden Teilkapitel behandeln diese Aspekte. 3.3.3.1 Datenaustausch im Referenznetzwerk Anlegen „Die internationale Gefährdung der Vertraulichkeit der Kundendaten führt dazu, dass die Outsourcing-Partner in der Schweiz arbeiten werden. Das Bankgeheimnis bleibt damit aktuell.“ [Geiger 2006]
Ein Charakteristikum der Finanzindustrie ist die Sensibilität der Daten, wobei deren Schutz nicht nur aus Gründen der Vertraulichkeit gegenüber dem Kunden, sondern auch wettbewerbspolitisch eine grosse100 Rolle spielt. Die im Anlagegeschäft wesentlichen Datenarten werden nachfolgend nach selten zu verändernden Stammdaten und bestandsverändernden Bewegungsdaten101 unterschieden.
100 101
„Der Besitz der Stammdaten ist bereits innerhalb eines Unternehmens eine Machtposition, bedeutet überbetrieblich aber eine starke Wettbewerbsmacht.“ [Kagermann/Österle 2006, 190] Vgl. [Mertens et al. 2005, 55] zur Klassifizierung von Daten.
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
61
Wesentliche102 Stammdaten sind neben den o.a. Kundenstammdaten (z.B. Name, Adresse) Konto- und Depotstammdaten (z.B. Währung), Valorenstammdaten (z.B. Valorennummer, Valorenname) und Prüflisten (z.B. für Geldwäscherei). Die beiden letztgenannten sind i.d.R. weniger vertraulich und ähnlich für alle Banken. Typische Bewegungsdaten sind Kauf- und Verkaufaufträge, Statusmeldungen, Storni, Ausführungsbestätigungen, der Kontostand, der Depotbestand und Corporate Actions. Tabelle 3-11 nennt für jede Datenart jene Rollen des Referenznetzwerks, die sie benötigen. Datenart
Rollen aus dem Referenznetzwerk, welche die Daten benötigen
Stammdaten
Kundenstamm
Vertriebsbank, EVV, Abwickler
(Kunden-)Kontostammdaten
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Portfolio-Manager
(Kunden-)Depotstammdaten
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Portfolio-Manager
Valorenrohdaten
Valorendaten Provider, Valorenzentrale, (Global) Custodian, Zentralverwahrer, Händler
Valorenstammdaten
Vertriebsbank, Abwickler, Valorenzentrale
Prüflisten (z.B. Geldwäscherei) Abwickler, Händler, (Global) Custodian, Zentralverwahrer
Bewegungsdaten
Gebühren (kundenbezogen)
Vertriebsbank, EVV, Abwickler
Kauf- und Verkaufaufträge,
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Händler, Broker, Börse
Statusmeldungen / Storni
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Händler, Broker, Börse
Ausführungsbestätigungen
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Händler, Broker, Börse, Zentralverwahrer, Clearing-Institut, (Global) Custodian
Kontostand
Vertriebsbank, EVV, ev. Abwickler (modellabhängig)
Depotbestand Bankkunde
Vertriebsbank, EVV, Abwickler, Portfolio Manager
Depotbestand Vertriebsbank
Vertriebsbank, Abwickler, (Global) Custodian
Informationen Actions
zu
Corporate Vertriebsbank, EVV, Abwickler, (Global) Custodian, Zentralverwahrer
Tabelle 3-11: Zuordnung wesentlicher Datenarten zu den Rollen im Anlagegeschäft 3.3.3.2 (Standardisierte) IS-Schnittstellen im Referenznetzwerk Anlegen „Standards und Plattformen initiieren eine Welle des Value Chain Redesign.“ [Kagermann/Österle 2006, 23]
Kapitel 3.1.3 erläutert die zunehmende Ablösung von (proprietären) Altsystemen durch die Verbreitung von Standard-Bankplattformen, in diesem Abschnitt steht nun die Standardisierung der Schnittstellenlandschaft im Anlagegeschäft und ihre Rolle als Wegbereiter / Hemmnis des Aufbrechens der Wertschöpfungskette im Fokus103. Standardschnittstellen104 sind eine wesentliche Voraussetzung für Vernetzung (vgl. [Guadamillas/Keppler 2001, 3; Leser 2005, 31ff] zur Rolle von Standards), da sie 102 103 104
Auch interne Regeln wie z.B. Prüfvorschriften zur Auftragsfreigabe sind im weiteren Sinne Stammdaten. Allgemeine technische Standards wie TCP/IP oder MQ Series sind nicht spezifisch und daher ausgeblendet. [Kübler 2007, 44] erklärt die Bedeutung von Standards am Beispiel der Beziehung von Fondsgesellschaften und Depotbanken: „Viele … haben bilateral technische Schnittstellen realisiert … Gerade grosse Depotbanken und Fondsgesellschaften, die mit vielen Partnern kommunizieren … stossen dadurch jedoch an Grenzen, wenn es ihnen nicht gelingt, mit mehreren Partnern über einheitliche Protokolle zu kommunizieren.“ Für die angesprochene Kommunikation zwischen Fondsgesellschaft und Depotbanken ist gemäss [Kübler 2007] SWIFT der bei den Depotbanken am meisten verbreitete Standard.
62
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
den zwischenbetrieblichen Informationsaustausch (m:n-Fähigkeit) begünstigen, eine Automation von Prozessen über Unternehmensgrenzen ermöglichen, eine Migration von Teilen der Leistungserstellung zu einem neuen Partner erleichtern und damit die Abhängigkeit von Netzwerkpartnern (z.B. Wechsel eines Brokers) reduzieren. Eine Studie zum Stand der Vernetzung bei Schweizer Banken weist darauf hin, dass die heutigen IT-Standards ungenügend sind (vgl. [Schleuniger et al. 2004, 35f]). Der Grossteil der Befragten (n=44 Banken, Provider und Kooperationen) erachtet nur die Standards in der Zahlungsverkehr- und Wertpapier-Abwicklung als genügend bis gut. Die Befragten sehen v.a. Standardisierungsbedarf bei Commodity-Prozessen als Bedingung für das weitere Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Abwicklung, bei Vorgaben zu Datenfeldern (z.B. für das Geschäftsobjekt Kunde) für den zwischenbetrieblichen Datenaustausch und bei einer Harmonisierung von Produkt(beschreibung)en als Basis für eine effizientere Verarbeitung neuer / fremder Produkte (vgl. [Schleuniger et al. 2004, 36]). Als Input für die Ableitung der Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.1 zeigt Abbildung 3-12 einen Überblick zu wesentlichen in der Schweiz im Anlagegeschäft eingesetzten Standards anhand des Referenznetzwerks Anlegen. Neben offiziellen Standards (de jure oder über Gremien) enthält die Abbildung auch Quasi-Standards (de facto), die durch gängige Marktpraxis oder weit verbreitete Applikationen entstanden sind (z.B. Reuters und Bloomberg als Handelsterminals). Oftmals verfügen Banken neben dem eigentlichen Handelskanal noch über Ersatzkanäle als Backup (z.B. Telefon, Fax).
Abbildung 3-12: Etablierte (Standard-)Schnittstellen im Netzwerk Anlegen Wie Abbildung 3-12 zeigt, sind im Anlagegeschäft der Interbankenbereich und das Order Routing, v.a. über FIX105- und SWIFT106-Schnittstellen, weitgehend standardi-
105
Das FIX-Protokoll hat sich in den vergangenen Jahren als Datenaustauschformat im Wertpapier-Bereich etabliert und wird weltweit von mehreren hundert Finanzinstituten und rund 30 Börsen verwendet. Die Variante ist v.a. für kleinere Teilnehmer eine kostengünstige Variante, da sie sich schon bei geringeren Auftragsvolumen lohnt und vergleichsweise einfach zu implementieren ist (vgl. [SWX 2005, 22]).
3.3 Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft
63
siert. Für die Anbindung einer Vertriebsbank an den Handel gibt es sogar eine Reihe von Möglichkeiten. „Die technischen Möglichkeiten, die internen Systeme einer Bank … direkt mit den … Abwicklungssystemen eines globalen Brokers zu verbinden, erlauben eine STP-Lösung ohne eigenes Execution Desk. Dabei wird der … Auftrag vom Kundenberater oder direkt vom Kunden (via E-Banking) erfasst und dann ohne weitere manuelle Intervention an den Broker übermittelt. Die Ausführungsbestätigungen können mit Hilfe des FIX-Protokolls oder als SWIFT-Meldung automatisiert in das Backend-System der Bank zurückfliessen, um dort direkt dem richtigen Kunden zugeordnet und entsprechend verbucht zu werden.“ [CS-FI 2007, 2]
Standardisierungsbedarf besteht für weniger transaktionsorientierte Elemente wie die Beschreibung eines Kunden oder eines Preis-/Gebührenmodells. Die von der Valorenzentrale angereicherten Daten werden i.d.R. direkt in das Bankensystem der Vertriebsbank bzw. des Abwicklers eingepflegt (vgl. Fallbeispiel ÖWS in Kapitel 3.3.2). Abbildung 3-13 zeigt die Anbindungsmöglichkeiten im Aktienhandel für eine Vertriebsbank bei einer Kooperation mit CS-FI (vgl. Kapitel 3.3.2). Je nach Bedarf kann die Anbindung via Bloomberg, Reuters (ROR/RTEX), SWIFT, eigenem GUI (WebSolution EAMnet) oder mit einer FIX-Direct-Lösung erfolgen.107 EQUITIES
FIX FIX Engine existing? YES
(CS) GUI SWIFT
NO
YES
SWIFT Infra existing?
HTML
NO Radianz Network
FIX IN direct
FIX ROR
BB Terminal
SWIFT Network
FIX Bloomberg
SWIFT
Internet
SWIFT PSN
Web Solution
Abbildung 3-13: Anbindungsmöglichkeiten im Aktienhandel nach [CS-FI 2005, 23]
106
Das Unternehmen SWIFT betreibt ein elektronisches NW zur Rationalisierung des internationalen Wertpapiergeschäfts und Zahlungsverkehrs sowie anderer Finanztransaktionen (vgl. http://www.ubs.com/1/g/about/bterms.html). 107 Vgl. https://entry.credit-suisse.ch/csfs/p/b2b/de/banks/about/media/pdf/nl_april07_de.pdf, Abruf 20.02.2008.
64
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
3.3.4 Trends im Anlagegeschäft Die nachfolgende Aufzählung umfasst aktuelle Entwicklungen in der Finanzindustrie mit speziellem Fokus auf die Vernetzung und das Anlagegeschäft: Wandel des Stellenwerts des Handels von einem Differenzierungsfaktor zu einer Administrations- und Monitoring-Stelle. Das traditionelle Aufgabengebiet des Händlers wird verschwinden [Dence et al. 2006]. Die Konkurrenz im Interbankenbereich sowie die steigenden (regulatorischen) Anforderungen an Transparenz und Effizienz (z.B. Schlagwort Best Execution als Teil der MiFID-Richtlinie) verursachen sinkende Margen und erfordern damit eine weitreichende Automation, um den Wertpapierhandel profitabel betreiben zu können. Die Margen auf Standardprodukte (z.B. Aktienorder) sinken. Banken begegnen diesem Trend mit einem Ausbau des Geschäfts mit strukturierten Produkten, die von diesem Margendruck bisher kaum betroffen sind (vgl. [Cocca/Geiger 2007, 74]). Nicht nur die Margen108 bei den Banken gehen zurück, auch die Gebühren von Börsenplätzen (z.B. für das Listing von Produkten) und Zentralverwahrern geraten zunehmend unter Druck. So hat eine Gruppe von internationalen Grossbanken das Projekt Turquoise (vgl. [Cohen 2007]) initiiert, um einen Teil der Aufträge nicht mehr über Börsen als (kostspielige) Intermediäre, sondern direkt untereinander abzuwickeln und auf diese Art Gebühren zu sparen. Risikomanagement wird zunehmend zur Kernkompetenz der Finanzdienstleister. Ein Beispiel für die Folgen falscher Risikoeinschätzung ist die Krise am USHypothekenmarkt (vgl. [Starbatty 2008]). Eine Kooperation (in bankfachlichen Leistungsprozessen) stellt zusätzliche Anforderungen an das Risikomanagement.109 Neben dem Marktrisiko sind im Anlagegeschäft auch operationelle Risiken von signifikanter Bedeutung wie z.B. bei der Abwicklung von Corporate Actions und dem Settlement (vgl. [Chan et al. 2007, 29f]). Im Interbankenbereich ist eine stetige Konsolidierung der global110 agierenden Broker und Custodians im Gange. Das Geschäft ist stark volumenabhängig, die Kosten sind grossteils fix (v.a. stetig hohe Investitionen in die IT-Infrastruktur) und daher ist die Realisierung von Skaleneffekten entscheidend für die Rentabilität trotz tiefer Marktpreise [Chan et al. 2007, 20ff]. Die Top-15 Global Custodians verwahren fast
108
109
110
“Financial markets firms have consistently earned more than the average company over the last decade. As one CEO told us, I was lamenting to my board that my margins had decreased from 36 percent to 33 percent; one of my board members, the head of a grocery chain, stage whispered to his neighbor, ‘Yeah, times are tough for me, too: mine went from two percent to a point and a half!” [Dence et al. 2006, 1] “Risk officers are significantly upgrading their risk management frameworks and systems: The regulatory impact of expanding into new jurisdictions and introducing new products is a real challenge. Risk management is still not fully embedded in wealth managers, nor is it being monitored in outsourced operations. Regulators are no longer sympathetic, and fines or sanctions can be increasingly serious.” [Weatherill et al. 2007] Vgl. [Chan et al. 2007, 9f] zur Internationalisierung von Zentralverwahrern (z.B. Euroclear, Clearstream).
3.4 Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft
65
90% der verwalteten Wertpapier-Vermögen von insgesamt rund USD 88 Billionen (vgl. [Chan et al. 2007, 14]). Neue Geschäftspartner drängen in den Markt: von Direktbanken und Direktbrokern auf Bankkundenseite über Institutionelle Kunden (z.B. Pensionskassen als direkte Kunden von Zentralverwahrern), Börsen111 und Zentralbanken (z.B. EZB) im Custody-Geschäft bis zu Ideen wie dem Projekt Turquoise zur Substitution von Börsen durch bankenübergreifende Handelstätigkeit. Speziell bei den vertriebsorientierten Markteintritten besteht neben der Konkurrenzierung auch ein Ertragspotenzial, da z.B. Discounter wie Tchibo oder Lidl (vgl. z.B. [Becker 2008] zur Kooperation von Lidl mit der VW Bank) für ihre Angebote wie Kreditkarten oder Giro-Konten eine Bank als Kooperationspartner benötigen. Bisher findet der Wettbewerb im Anlagegeschäft v.a. beim Kunden, im Interbankenbereich und in der Produktentwicklung statt. Die zunehmende Standardisierung und die Verbreitung von Standardsoftware-Paketen (vgl. Kapitel 3.1.3) führen dazu, dass die Austauschbarkeit der Provider auch im Backoffice zunimmt. 3.4 Zwischenfazit zur Vernetzung im Anlagegeschäft Die Arbeit diskutiert die zunehmende Vernetzung in der Finanzindustrie am Beispiel des Anlagegeschäfts. Dafür schafft dieses Kapitel die bankfachlichen Grundlagen. Besonders hervorzuheben sind dabei die folgenden beiden Referenzmodelle: Der Referenzprozess als Ausgangspunkt für die Analyse des Anlagegeschäfts: Die Vorschläge in der Literatur und Praxis erfüllen die Anforderungen von BNR im Anlagegeschäft nicht vollständig, daher entwickelt die Arbeit einen Referenzprozess und erläutert dessen Aufbau und Schritte. Weil eine isolierte Betrachtung aufgrund zahlreicher Schnittstellen des Anlagegeschäfts zu anderen Bankbereichen wie z.B. Kundenführung und Zahlungsverkehr nicht sinnvoll ist, wird der Prozess in ein (Gesamt-)Bankmodell eingebettet. Das Referenznetzwerk als Bezugsrahmen für die Diskussion von Vernetzungsalternativen im Anlagegeschäft: Der Prozess bildet die Grundlage für die Beschreibung von Positionierungsmöglichkeiten (Rollen) und deren Beziehungen. Das Referenznetzwerk wird aus bestehenden (fachspezifischen und -fremden) Ansätzen konstruiert und an sechs Fallbeispielen beispielhaft angewendet (vgl. z.B. die Einordnung des Angebots von CS-FI in Abbildung 3-11). Diese beiden Ergebnisse wurden jeweils aus bestehenden Ansätzen aus der Literatur und Unternehmen abgeleitet, anhand von Praxisfällen geprüft sowie in mehreren Diskussionsrunden mit Delegierten des CC Sourcing weiterentwickelt und validiert.
111
„Banken und Börsenbetreiber sehen sich verstärkt als direkte Konkurrenten um Kundengebühren und Nachfolgegeschäfte. Etablierte Marktpositionen und ehemals dominante Rollen sind infrage gestellt.“ [Heinz/Schüller 2007, 16]
66
3 Vernetzung im Anlagegeschäft
Dieses Kapitel begründet auch die Wahl des Anwendungsbeispiels Anlagegeschäft, u.a. mit dessen Komplexität sowie dessen Stellenwert für Banken allgemein und die Schweiz im Besonderen. Wesentlichen Aussagen dazu sind: Die Schweiz hat eine exponierte Stellung in der internationalen Vermögensverwaltung, die zum Teil auf der historischen Entwicklung und zum Teil auf der aktiven und leistungsfähigen Bankenlandschaft beruht. Im internationalen Vergleich nimmt der Bankenmarkt Schweiz eine führende Position im Anlagegeschäft ein. Die Banken im deutschsprachigen Raum weisen – nicht nur im Anlagegeschäft – eine signifikante Divergenz zwischen ihren deklarierten Kernkompetenzen und der weitaus umfassenderen Eigenfertigung auf. Da die Breite des Leistungsangebots zumindest beibehalten werden soll, ist eine Zunahme der Vernetzung zu erwarten. Das Anlagegeschäft birgt eine Vielzahl von Vernetzungsoptionen. Die sechs Fallbeispiele beleuchten die Bandbreite der in diesem Geschäftsbereich tätigen Unternehmen und deren Bestrebungen, sich neu zu positionieren. Die Ausgangssituation (z.B. Kundensegment, IS-Landschaft) spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Vernetzung bedingt einen umfassenden Datenaustausch zwischen den Netzwerk-Partnern, für den im Interbankenbereich bereits eine weitreichende Abdeckung mit Standard-Schnittstellen erreicht ist. Für den Austausch von Stammdaten zu Geschäftsobjekten wie Kunde, Konto und Depot fehlen etablierte Schnittstellen. Die Banken erhoffen sich von der Verbreitung von Standardsoftware-Paketen eine Erleichterung der zwischenbetrieblichen Vernetzung aufgrund der dadurch einheitliche(re)n Datenmodelle der Netzwerk-Partner. Im Anlagegeschäft herrscht starker Wettbewerb. Die steigenden Volumina und rechtlichen112 Anforderungen sowie das dynamische Marktumfeld (z.B. neue Marktteilnehmer, veränderte Kundenbedürfnisse) zwingen auch etablierte Unternehmen, permanent in ihre Infrastruktur zu investieren und ihr Geschäftsmodell zu überdenken. Dieses Kapitel ist für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel wesentlich. Kapitel 4-6 bauen nicht nur auf den o.a. Referenzmodellen zum Prozess und Netzwerk auf, sondern referenzieren z.B. auch auf die beschriebenen Institutionen (z.B. aus der Swiss Value Chain), die Fallbeispiele und die in der Schweiz gängigen Bankplattformen.
112
Aufgrund des hohen wirtschaftlichen Stellenwerts sind staatliche Interessen in diesem Geschäftsbereich besonders ausgeprägt.
4.1 Auswahlkriterien und Analyseraster
67
4 Fallstudien Dieses Kapitel schafft mit einer Untersuchung von Lösungsansätzen in der betrieblichen Praxis eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung von Handlungsoptionen für die Vernetzung im Anlagegeschäft und einem darauf abgestimmten Bewertungsansatz in Kapitel 5. Wie schon die Fallbeispiele in Kapitel 3.3.2 zeigen, birgt das Anlagegeschäft vielfältiges Vernetzungspotenzial. Eine zentrale Bedeutung im Netzwerk hat der Abwickler, da dieser sowohl die Kundendepots der Vertriebsbank führt als auch für die Abstimmung mit dem Interbankennetzwerk („Streetside“ – v.a. Brokerage, Custody) verantwortlich ist. Der Auslagerung dieser Rolle attestieren Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz hohes Wachstumspotenzial.114 Das zentrale Unternehmen115 jeder Fallstudie hat die Abwicklung als Teil seines Dienstleistungsangebots für Drittbanken. Dies erleichtert auch die Vergleichbarkeit der Fallstudien. Das Kapitel stellt zunächst die Auswahlkriterien und den Analyseraster vor, der den Fallstudien zugrunde liegt. Darauf aufbauend beschreiben die anschliessenden Teilkapitel die vier Fallstudien. Zum Abschluss zeigt eine vergleichende Analyse die Schwerpunkte und Unterschiede der vier Vernetzungsansätze auf. Die Fallstudien haben den Stand vom 1. Januar 2008. Spätere Änderungen sind nicht berücksichtigt. 4.1 Auswahlkriterien und Analyseraster Gemäss der in Kapitel 1 beschriebenen Themenstellung der Arbeit basiert die Auswahl der Fallstudien auf folgenden Kriterien: Das zentrale Unternehmen erbringt am Markt etablierte BPO-Leistungen für Drittbanken, wobei die BPO-Dienstleistungspalette zumindest die Rolle des Abwicklers gemäss dem Referenznetzwerk Anlegen umfasst. Die Fallstudien unterscheiden sich in wesentlichen Punkten und decken somit eine grosse Bandbreite möglicher Vernetzungsszenarien ab. Massgeblich für diese Unterschiede sind u.a. die Abdeckung von Instituten mit und ohne Bankstatus, die Bedienung von Banken aus dem In- und Ausland bzw. aus den Segmenten Privatund / oder Retailbank sowie die Berücksichtigung von Unternehmen unterschiedlicher Grösse (z.B. nach Anzahl Mitarbeiter). Das Unternehmen steht in einer langjährigen Vertrauensbeziehung zum IWI-HSG und / oder dem CC Sourcing. Dies erhöht die Chancen eines umfassenden Einblicks auch bei sensiblen Themen. Zudem stützen sich alle Fallstudien auf eine mehrjährige Beobachtung des analysierten Unternehmens und seines Marktumfelds. 114
115
Gemäss einer 2005 durchgeführten Marktstudie [Falkenberg et al. 2006] wird in der Schweiz, aber auch in Deutschland, eine (weitere) starke Zunahme der Sourcingaktivitäten im Bereich Wertpapierabwicklung erwartet. Der Anteil der auslagernden Banken in der Schweiz (n=28) steigt von durchschnittlich 25% auf künftig 61%. Gleichzeitig wird mit einer Reduktion der Eigenfertigung gerechnet (heute: 82%, künftig: 56%). Jede Fallstudie betrachtet das jeweilige Netzwerk im Anlagegeschäft analog zur These von [Fleisch 2001, 260] (vgl. Kapitel 2.1.1, Netzwerk-Unternehmen als individuelle Nutzenmaximierer) aus Sicht eines Unternehmens.
68
4 Fallstudien
Die Fallstudien basieren auf einem einheitlichen Raster, um die Vergleichbarkeit der Lösungsansätze zu gewährleisten. Zudem umfassen die Fallstudien eine Beschreibung des Unternehmens und seines Umfelds, um dem Leser die Einordnung der Erkenntnisse in den jeweiligen Kontext zu ermöglichen.
1. 2. 3. 4. 5.
Unternehmen Überblick und Herausforderungen Ausgangssituation Strategie, Prozesse, Systeme Leidensdruck Projekt Projektziele Durchführung Kritische Erfolgsfaktoren Neue Lösung Strategie, Prozesse, Systeme Kosten und Nutzen Geplante Weiterentwicklungen Erkenntnisse
Struktur der Fallstudien in der Arbeit
Struktur nach PROMET BECS
Für den Ansatz des BE-HSG als Forschungsrahmen der Arbeit (vgl. Kapitel 2.1) bietet die Methode PROMET BECS [Senger 2004a] eine einheitliche Struktur für Fallstudien. Diese Struktur sieht vor, dass eine Fallstudie jeweils ein Transformationsprojekt beleuchtet und neben dem Unternehmen stets die Ausgangssituation, das Projekt und die neue Lösung beschreibt (vgl. Tabelle 4-1). 1. Unternehmen Kurzportraits Unternehmenshistorie Geschäftsfelder Kundensegmente 2. Lösung (Vernetzungsoptionen) Strategie, Prozesse, Systeme 3. Bewertung der Lösung Motivation / Notwendigkeit zur Veränderung Kosten und Nutzen 4. Fazit und Ausblick Erkenntnisse Ausblick / geplante Weiterentwicklungen
Tabelle 4-1: Vergleich der Fallstudienstruktur der Arbeit mit PROMET BECS Für die vorliegende Arbeit wurde, wie Tabelle 4-1 zeigt, die Struktur von Fallstudien nach PROMET BECS (vgl. [Senger 2004b, 52]) teilweise angepasst, um der Fragestellung „Darstellung von Vernetzungsoptionen“ gerecht zu werden.116 So beinhalten die Fallstudien z.B. kein Transformationsvorhaben. Anstelle der Ausgangssituation des Projekts und der neuen Lösung wird die vorgeschlagene Lösung inklusive der alternativen Vernetzungsoptionen117 beschrieben. Neben den Gründen für die Veränderung stellen die Fallstudien im Abschnitt Bewertung explizit den Nutzen der neuen Lösung für die Stakeholder dar. Die vier Abschnitte der Fallstudien können somit wie folgt charakterisiert werden: Die Angaben unter Unternehmen umfassen Eckdaten (z.B. Unternehmenshistorie, Geschäftsfelder, Kundensegmente) und Kurzportraits von für das Verständnis der Fallstudie wesentlichen Unternehmen.
116 117
Anhang C beinhaltet den Interviewfragebogen und weiterführende Informationen zu den Fallstudien. In Anhang B.4 sind die Interviewpartner und -termine bei den Unternehmen angeführt. Jedes der analysierten Unternehmen bietet mehrere BPO-Leistungspakete im Anlagegeschäft.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
69
Die Lösung (Vernetzungsoptionen) beschreibt die alternativen NetzwerkKonstellationen, die der befragte Provider einer Vertriebsbank bietet. Dieser Teil der Fallstudie ist nach den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme gegliedert. Der dritte Abschnitt beinhaltet eine Bewertung der Lösung. Er erläutert den Leidensdruck für einen Wechsel auf die neue Lösung und den daraus entstandenen Nutzen für die beteiligten Netzwerkpartner. Im Abschnitt Fazit und Ausblick wird zunächst im Abschnitt Erkenntnisse die Fallstudie mit ihren Eckpunkten und Besonderheiten in den Kontext der Arbeit eingeordnet. Der Ausblick behandelt die individuellen Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens sowie eine Prognose zur Marktentwicklung. Abbildung 4-1 zeigt als generische Ausgangssituation für die Fallstudien das IstNetzwerk für Schweizer Banken. Dieses soll die Einordnung der nachfolgend beschriebenen Lösungen erleichtern sowie deren Relevanz und Anknüpfungspunkte zum Status quo hervorheben. Die Grundlage der Darstellung ist eine im Rahmen des CC Sourcing durchgeführte Delphi-Studie zum Thema „Wertschöpfungsmodelle der Zukunft – Banken und Provider 2010“ (vgl. [Falkenberg et al. 2006]), gemäss der (Schweizer118) Banken heute (noch) eine weitgehend integrierte Wertschöpfungskette haben, sich künftig jedoch vorrangig auf den Vertrieb konzentrieren möchten.
Abbildung 4-1: Generisches Ist-Netzwerk auf Basis von [Falkenberg et al. 2006] 4.2 Fallstudie Bank Vontobel 4.2.1 Zum Unternehmen Das Unternehmen wurde 1924 als Börsenagentur Haeberli & Cie gegründet. Im Jahr 1936 übernahm es Jacob Vontobel, der es in die gleichnamige Bank umfirmierte. Heute ist Bank Vontobel eine international ausgerichtete Schweizer Privatbank mit Fokus 118
An der o.a. Studie haben 28 Schweizer Banken teilgenommen, 11 Privatbanken und 17 Retailbanken.
70
4 Fallstudien
auf Vermögensmanagement für private und institutionelle Kunden. Die ursprüngliche, in vielen Jahren gestärkte Expertise eines Brokerhauses bez. Handel und Abwicklung von Wertpapieren (Streetside) erachtet Bank Vontobel nach wie vor als eine Kernkompetenz, die auch künftig aufrechterhalten werden soll. Folgende Zahlen widerspiegeln den Stellenwert des Anlagegeschäfts für Vontobel: die Abwicklung von ca. 9 Mio. Transaktionen pro Jahr (davon ca. 5 Mio. an der Börse), die Führung von ca. 32.000 aktiven Valoren sowie ein Portfolio von mehr als 4.400 eigenen strukturierten Produkten. Das Produktspektrum der Bank Vontobel ist damit das grösste unter den Anlagespezialisten im Schweizer Markt. Private Banking Private Banking
Investment Banking Investment Banking
Verwaltungsrat
Vermögensverwaltung
Financial ¨Products
Gruppenleitung
Anlageberatung
Brokerage
Integrale Finanzberatung Corporate Finance
Private Banking
Investment Banking
Asset Management
Finanzplanung (CH, (CH, DE) D) Finanzplanung Partnermanagement Steuerberatung Betreuung Vorsorge unabhängiger Nachlassplanung Vermögensverwalter Immobilienberatung/ Transaction Banking Domizilwechsel Solutions Trusts / Stiftungen
Asset Management Asset Management Group Services Operations Finance & Risk
Mandate von institutionellen Anlegern Management und Distribution von Vontobel Anlagefonds Private-Label-Lösungen für Anlagefonds Nischenprodukte
Abbildung 4-2: Geschäftsfelder der Vontobel-Gruppe Die Fallstudie betrachtet das Angebot von Vontobel als Wertpapiertransaktionsbank (vgl. Transaction Banking Solutions in Abbildung 4-2). Zusätzlich zu den in Kapitel 4.2.2 beschriebenen Leistungen bietet Vontobel Drittbanken eine Reihe von Zusatzleistungen aus den Geschäftsfeldern Investment Banking und Asset Management an, wie z.B. mandantenspezifische Produkte, die unter dem jeweiligen Kundennamen verkauft werden (u.a. ist Vontobel verantwortlich für das Design und den Unterhalt des Produkts Raiffeisen Classic Portfolio). Bank Vontobel hat bisher mit Raiffeisen Schweiz einen Kunden im Geschäftsfeld Transaction Banking. Der folgende Abschnitt beschreibt die Geschäftsbeziehung dieser beiden Unternehmen, die in einigen Bereichen mehr als die Leistungen der Wertpapiertransaktionsbank umfasst und über das im Transaction Banking angestrebte Kunden-Lieferanten-Verhältnis hinausgeht. Vontobel erachtet diese Zusammenarbeit daher als strategische Kooperation. Aus technischer Sicht ist das Avaloq Banking System, das Vontobel künftig sowohl intern als auch für Mandanten der Transaktionsbank im Einsatz haben wird, ein wesentlicher Wegbereiter der Zusammenarbeit. Tabelle 4-2 beinhaltet Kurzportraits der Unternehmen Vontobel, Raiffeisen und Avaloq.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
71
Bank Vontobel Gründung
1924
Firmensitz Branche
Raiffeisen Schweiz
Avaloq
1899
1985
Zürich
St. Gallen
Zürich
Privatbank
Genossenschaftlich organisierte Retailbanken
Software Hersteller
Geschäftsfelder
Private Banking, Investment Banking, Investment Fonds & Asset Management
Zahlen, Anlegen, Finanzieren und Vorsorgen
Entwicklung und Verkauf der gleichnamigen Bankplattform
Firmenstruktur
Holding, AG
395 Raiffeisenbanken mit ca. 1200 Niederlassungen
AG
Homepage
www.vontobel.com
www.raiffeisen.ch
www.avaloq.ch
Bilanzsumme
CHF 14 952 Mio.
CHF 113 998 Mio.
keine Angabe
CHF 108 300 Mio.
keine Angabe
keine Angabe
Marktanteil
keine Angabe
18,6% bzw. 13,8%120
keine Angabe
Gewinn vor Steuern
CHF 301,5 Mio.
CHF 23,6 Mio.
keine Angabe
Shareholder
Familie Vontobel und Stiftungen (ca. 52%), Raiffeisen (12,5%), Mitarbeiter (1%), Publikum (ca. 34%)
1,4 Mio. Genossenschafter
Management und nahestehende Personen
Mitarbeiter
1 151
6 764
217
Kunden / Kundenvermögen
Kundenvermögen: CHF 71 400 Mio.
3 Mio. Bankendkunden (davon 1,4 Mio. Genossenschafter)
22 Universal- und Privatbanken
Depotvolumen
119
Tabelle 4-2: Kurzportraits121 von Bank Vontobel, Raiffeisen Schweiz und Avaloq Exkurs zur Kooperation mit Raiffeisen. Von 2004 bis 2006 haben Bank Vontobel und Raiffeisen die bestehende122 Zusammenarbeit im Bereich InvestmentfondsProdukte sukzessive erweitert. Mit der Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen, dem Handel und der Verwahrung von Wertpapieren erbringt die Privatbank heute eine breite Palette von Dienstleistungen im Anlageprozess für Raiffeisen. Der dadurch etablierte Zugang für Raiffeisen-Mitarbeiter zur Expertise von Vontobel (z.B. via Produkte und Verkaufstraining) stärkt die Marktpräsenz von Raiffeisen als kompetenten Partner im Anlagebereich. Des Weiteren fungiert Vontobel unter anderem auch als offizieller Portfoliomanager für das Raiffeisen Classic Portfolio und schafft auf diese Weise direkten Wert für die Bankkunden der Schweizer Raiffeisenbanken. Im Gegenzug profitiert Vontobel vom exklusiven Zugang zu einem bedeutenden Verkaufskanal (Raiffeisen Schweiz verfügt über das dichteste Filialnetz in der Schweiz und betreut ca. 3 Mio. Bankkunden) sowie von Skaleneffekten z.B. für die eigene Kundendepotverwaltung. Die Zusammenarbeit wird begünstigt durch die komplementäre Ausrichtung der Geschäftsmodelle: Während Raiffeisen sich vorrangig auf das Retailsegment konzentriert, ist Vontobel auf das Private Banking spezialisiert. Auf diese Weise fördert die Kooperation die Fokussierung von Raiffeisen auf Verkaufsaktivitäten und ermöglicht gleichzeitig die Weiterentwicklung des Kerngeschäfts von Vontobel.
119 120 121 122
Die Angaben zum Depotvolumen umfassen Assets under Management und Assets under Custody. Marktanteil im Sparbereich / Hypothekargeschäft (jeweils geschätzt per Ende 2006). Angaben per Ende 2006 gemäss Publikationen (v.a. Jahresberichte, Websites) der Unternehmen. Seit 1994 verwaltet Vontobel im Auftrag von Raiffeisen Anlagefonds im Wert von über CHF 8 Mrd. (Stand Anfang 2007).
72
4 Fallstudien
Abbildung 4-3: Position von Raiffeisen und Vontobel im NW Anlegen 2004 bzw. 2007 In Abbildung 4-3 ist im oberen Teil der Zustand per Ende 2004 dargestellt und im unteren Teil jener per Ende 2007. Ein Vergleich der jeweils für Raiffeisen und Vontobel markierten Rollen im den beiden Modellen zeigt, dass die Unternehmen durch die Kooperation ihre Redundanzen (vgl. mittelgraue Schattierung) im Anlagegeschäft signifikant reduziert haben: Vontobel hat nun mit Ausnahme der Vertriebsbank und der Finanzplanung alle bankfachlichen Rollen im Referenznetzwerk Anlegen von Raiffeisen Schweiz übernommen. So ist z.B. der Händler in den beiden Teilen von Abbildung 4-3 in unterschiedlichen Graustufen dargestellt, weil Vontobel als Folge der Kooperation sämtliche Transaktionen für Raiffeisen ausführt. Raiffeisen betreibt auch den Eigenhandel über das Netzwerk der Vontobel. Da Vontobel als Privatbank Erfahrung mit komplexen Wertpapier-Prozessen und -Produkten hat, waren die zusätzlichen Anforderungen der Raiffeisenbanken in der Abwicklung von Transaktionen relativ einfach zu erfüllen. Einige der an Vontobel übertragenen Rollen (dunkelgrau) werden gemeinsam mit Drittanbietern wahrgenommen (z.B. Custodian). Die Rollen, deren Symbole hellgrau hinterlegt sind, werden ausschliesslich durch Dritte wahrgenommen.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
73
Im Zuge der Transformation wurden 320.000 Kundendepots mit insgesamt 890.000 Positionen verschoben, Vontobel verarbeitet seither pro Woche durchschnittlich rund 25.000 Handelstransaktionen für Raiffeisen. Das Projekt hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und auf beiden Seiten waren je circa 100 Mitarbeiter beteiligt. Raiffeisen hat in das Projekt rund CHF 40 Mio. investiert, wobei das Unternehmen betont, dass die Einführung einer neuen Wertpapierverarbeitung wesentlich teurer gewesen wäre (vgl. [Schärli 2007, 17]). 4.2.2 Lösung – Angebot der Wertpapier-Transaktionsbank „Wir sind klein genug, um individuell und engagiert auf unsere Kunden einzugehen. Aber auch gross genug, um jederzeit über die notwendigen Ressourcen und Kompetenzen zu verfügen, die professionelle Lösungen ermöglichen.“ (Herbert J. Scheidt, CEO Bank Vontobel)
Strategie. Die Wertpapier-Transaktionsbank basiert auf der über Jahre aufgebauten Expertise von Vontobel als Anlagespezialist. Das Unternehmen bietet Banken in der Schweiz und Liechtenstein123 vollständiges Wertpapier-Sourcing an, wobei der Fokus der Privatbank dabei klar auf ihrer Kompetenz im Interbankengeschäft (Handel, Brokerage und Custody) und der Marktexpertise (manifestiert in Produktentwicklung, Research, Portfolio Management) liegt. Die Abwicklung von Transaktionen und die Depotführung für die Bankkunden ihrer Mandanten (Client Custody) ist eine Zusatzleistung, damit die Mandanten der Transaktionsbank entsprechende Synergien erzielen können. Eine Auslagerung des Wertpapiergeschäfts ohne Client Custody ist aus Sicht von Vontobel weniger effizient, da die auslagernde Bank weiterhin Kompetenz, Mitarbeiter und Applikationen für das Wertpapiergeschäft bereithalten muss, die teilweise redundante Tätigkeiten zum Global Custody ausführen. Abbildung 4-4 skizziert die beiden Module124 des Angebots. Modul 1125 kapselt die Kompetenz auf der Streetside und entspricht dem für jeden Mandanten obligatorischen Basispaket. Modul 2 ist ein optionales „Zusatz“-Paket, das der auslagernden Bank eine umfassende Auslagerung des Wertpapiergeschäfts ermöglicht. Vontobel sieht sich dezidiert nicht als reinen Backoffice Provider, sondern als Anlagespezialisten. In diesem Sinne ist das Angebot nicht darauf ausgerichtet, in einem rein kostenorientierten Wettbewerb mit einem „industrialisierten“ Abwicklungsgeschäft zu bestehen, sondern Anlagekompetenz massgeschneidert anzubieten.
123 124 125
Die Lancierung eines internationalen Angebots erachtet Vontobel aktuell als nicht zweckmässig, da das Wertpapier-Geschäft (noch) stark national geprägt ist. Abbildung 4-8 zeigt die Makroprozesse für beide Optionen und deren Verteilung zwischen Kundenbank und Vontobel. Market Access Services (MAS) betreffen die Bereitstellung der IS-Infrastruktur für den Marktzugang. Dieses Element des Leistungsangebots ist somit klar applikationsorientiert. Client Execution meint die Abwicklung von Kundenaufträgen im Markt und entspricht damit dem Bereich Handel.
74
4 Fallstudien
Abbildung 4-4: Leistungsangebot der Wertpapier-Transaktionsbank nach [Hossli/Schönberger 2007, 8] Hinsichtlich Breite, Spezialkompetenz und Flexibilität des Angebots erachtet Vontobel andere (Gross)Banken wie UBS oder Credit Suisse, die ebenfalls als Dienstleistungsprovider für Banken im Bereich Brokerage und Global Custody agieren, ebenso nicht als direkte Konkurrenten auf dem Schweizer Markt wie Backoffice Provider (z.B. BSource, RBA-Service / Entris, Sourcag, Finaclear). Die Differenzierung aus Sicht von Vontobel resultiert aus der primären Ausrichtung dieser Anbieter auf preissensitive, vorrangig kostengetriebene Commodity-Dienstleistungen im Gegensatz zum Angebot von Vontobel, das umfangreiche Wertpapier-Kompetenz bei Erhalt einer höchstmöglichen Flexibilität im Anlagegeschäft bietet. Folgende Eckpunkte umreissen die Geschäftsbeziehung von Vontobel als Transaktionsbank mit künftigen Mandanten: Eine Kapitalverflechtung, wie im Falle der 12,5%-Beteiligung von Raiffeisen Schweiz, soll ein Sonderfall bleiben. Generell strebt Vontobel mit neuen Mandanten ein reines Kunden-Lieferanten Verhältnis an, das durch detaillierte Service Level Agreements definiert ist. Änderungswünsche zum Leistungsangebot können via vordefinierte Change Requests eingebracht werden. Die Mandanten der Transaktionsbank haben kein direktes Mitspracherecht. Diese Regelung gilt auch für den Vertreter von Raiffeisen im Verwaltungsrat von Vontobel. Die Mindestlaufzeit des Sourcing-Vertrags ist abhängig vom Umfang der Projektkosten. Nach einer Initialphase, in der sich diese Startkosten amortisieren, sollen sich der Leistungsbezug und damit auch die Preise am Markt bewähren.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
75 Interbanken
Avaloq Evolution AG
Broker
Wertschriften
>1200 Points of Sales Umfassende WP-Kompetenz
Raiffeisen Schweiz
Börsenplatz
Vontobel
12.5%
WP-Transaktionsbank
Kundenbank Market Access Service Kundenbank Client & Global Custody
Zentralverwahrer
Custodians
Potenzielle Kunden
Zahlungsverkehr Projektbezogene Aktivitäten
Nationales Clearinginstitut (z.B. SIC)
IT-Partner IT-Partner
Korrespondenzbank
Lieferanten und Partner Telekurs
Reuters
Bloomberg
SWIFT
Legende: Geschäftspartner
ist beteiligt an
hat vertragliche Marktbeziehung zu
Abbildung 4-5: Geschäftsnetzwerk von Vontobel als Wertpapier-Transaktionsbank Das Geschäftsnetzwerk der Transaktionsbank sieht vor, dass Vontobel für die Mandanten möglichst alle Schnittstellen für Brokerage und Custody übernimmt (vgl. Abbildung 4-5). Für die Transformation und die IT-Unterstützung einer Kooperation arbeitet Vontobel mit IT-Partnern zusammen, die fallspezifisch von der Kundenbank ausgewählt werden können. Die Vertragskonstellation sieht vor, dass Vontobel einen Outsourcing-Vertrag für Bankprozesse mit der Kundenbank (inklusive Service Level Agreements und Service Management Vertrag) und einen Outsourcing-Vertrag für ITDienstleistungen mit dem IT-Partner eingeht. Das Auftrags- und Vertragsverhältnis zwischen Kundenbank und IT-Partner betrifft im Anlagegeschäft „nur“ eventuelle Projektaktivitäten und nicht den laufenden Betrieb. Dadurch ist gewährleistet, dass die Kundenbank für Leistungen der Wertpapier-Transaktionsbank nur Vontobel als Vertragspartner hat, was den Betrieb für beide Seiten vereinfacht. Prozesse. Mit Ausnahme einiger weniger Prozessschritte, die direkt mit der Bankkundenschnittstelle verknüpft sind (vgl. Abbildung 4-8), bietet Vontobel potenziellen Mandanten der Transaktionsbank ein vollständiges Dienstleistungsportfolio im Anlagegeschäft. Dieses breite Angebot erlaubt einer auslagernden Bank, die Ressourcen in der Abwicklung dieses Bankbereichs einzusparen bzw. diese für andere Tätigkeiten wie z.B. den Vertrieb einzusetzen. Abbildung 4-6 skizziert die Leistungsblöcke inklusive deren Verbindungen. Die folgende Aufzählung beschreibt diese.
76
4 Fallstudien
Abbildung 4-6: Übersicht zum Leistungsangebot nach [Hossli/Schönberger 2007, 12] 1. Order: Die Auftragserfassung bei der Kundenbank bildet den Ausgangspunkt. Vontobel unterstützt die Kundenbank hier optional durch spezielle Order Management Systeme (vgl. Market Access Services in Abbildung 4-4). 2. Trading: Vontobel platziert den erfassten, von der Kundenbank geprüften und freigegebenen Auftrag (Order) entweder direkt oder via Broker im Markt. 3. Deal Price: Bei erfolgreicher Ausführung des Auftrags erhält Vontobel eine Bestätigung mit den Ausführungsdetails. 4. Trade Confirmation & Booking: Als Folge der Ausführung informiert Vontobel die Kundenbank mittels Bestätigung und verbucht die Transaktion gemäss ihrer Rolle als Global Custodian in ihren Büchern. Voraussetzung für die Buchführung ist die Pflege des Valorenstamms (Security Master Data), der auch für die Kundenbank bereitgestellt wird. 5. Reconciliation: Falls die Kundenbank die bankkundenseitige Abwicklung an Vontobel ausgelagert hat (vgl. Modul 2 in Abbildung 4-4), verbucht die Transaktionsbank die Ausführung des Auftrags auch am Bankkundendepot und übernimmt dessen Abrechnung. In diesem Fall stimmt Vontobel die Depotbestände des Bankkunden und der Kundenbank (Reconciliation) intern ab. Falls die Kundenbank diesen Teil des Anlagegeschäfts selbst betreibt, ist eine separate Abstimmung zwischen ihr und Vontobel erforderlich. Gemäss dem Referenznetzwerk Anlegen übernimmt Vontobel eine Reihe von Rollen (vgl. Abbildung 4-7). Neben den obligatorischen Rollen Händler, (Global) Custodian und Valorenzentrale bietet Vontobel das Modul Abwicklung sowie eine Reihe von Zusatzleistungen mit Research Provider, Produktentwickler und Portfolio Manager an.
4.2 Fallstudie Bank Vontobel Vontobel Modul 1 (Execution & Global Custody)
Auslagernde Bank Vontobel Modul 2 (Client Custody) Dritte
77 Interbanken
Broker
Börsenplatz
Vontobel Zusatzservices
Händler / Exec. Desk
EVV
Clearing National- / Zentralbank
Bankkunde
Zusatzleistungen:
Vertriebsbank
Abwickler
(Global) Custodian
Portfolio Manager
Valorenzentrale
ValorendatenProvider
Research Provider
Produktentwickler
Finanzplanung
Software Provider
Application Manager
Zentralverwahrer (CSD)
ITOProvider
Archivar
Abbildung 4-7: Angebot der Transaktionsbank Vontobel im Netzwerk Anlegen Ergänzungen zu einzelnen Rollen: Application Manager: Nur für ausgewählte Aspekte, vor allem für Market Access Services (MAS). Vontobel setzt z.B. eine Avaloq-basierte Standardsoftware von Comit ein, welche die auslagernde Bank für das Order Management nutzen kann. Broker: Vontobel nimmt diese Rolle z.B. für in der Schweiz gehandelte Aktien wahr. Produktentwickler: Vontobel bietet eine breite Produktpalette. In der Schweiz ist die Bank mit ihrem Titeluniversum Marktführer nach Anzahl Produkten. Die Ausgestaltung des Marktzugangs (z.B. Auswahl Broker) liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich von Vontobel. In Ausnahmefällen ist Vontobel bereit, auch frühere Partner-Broker von Mandanten zu bedienen, also Kundenbankbedürfnisse in der Brokerpolitik mit zu berücksichtigen. Diese Partner-Broker werden allerdings geprüft, ob sie den Qualitätsansprüchen von Vontobel genügen. Ein Beispiel für derartige Ausnahmen ist, wenn die auslagernde Bank von einem Broker ResearchInformationen für einen bestimmten Markt als Gegengeschäft für das abgewickelte Volumen bezieht. Die bankkundenbezogene Abwicklung (Client Custody) ist für Vontobel vorerst nicht an Dritte auslagerbar, da die Handhabung komplexer Wertpapier-Produkte nicht mit der „standardisierten“ Kundendepotverwaltung und Auftragsbearbeitung von Aktien vergleichbar ist. Vontobel sieht auch im Backoffice, das in Studien eher als Commodity eingestuft wird, derzeit einen Differenzierungsfaktor. Das Unternehmen übernimmt auf Wunsch der Bank auch die Aufbereitung des Kundenoutputs, es stellt z.B. den Raiffeisenbanken täglich die notwendigen Daten für die Aufbereitung der Abrechnungs- und Depotdokumente zur Verfügung. Der eigentliche Druck und Versand finden bei der Raiffeisenbank vor Ort respektive zentral in St. Gallen statt.
78
4 Fallstudien
Abbildung 4-8 zeigt abschliessend die Prozessverteilung zwischen Vontobel als Transaktionsbank und dem Kunden bzw. dessen Bank.
Abbildung 4-8: Wertschöpfungskette für Gesamtwertpapier-Sourcing nach [Hossli/Schönberger 2007, 10] Das Preismodell der Transaktionsbank orientiert sich jeweils an der Leistungsart. So ist z.B. die Bepreisung der Ausführung von Aufträgen im Markt (Execution) vollständig variabel. Für (Global-)Custody-Leistungen werden neben einem Basispreis, dessen Volumen im Verhältnis zu den variablen Kosten gering ausfällt, spezifische CustodyFees126 in Form von Basispunkten auf das Volumen verrechnet, die von Parametern wie Volumen und Markt abhängig sind. Für die Bereitstellung der FrontendApplikationen im Rahmen der Market Access Services stellt Vontobel wiederum einen Fixpreis in Rechnung. Für die Backoffice-Abwicklung und Depotführung variiert das Pricing ebenfalls je nach Leistungsart. Lieferungen sind z.B. mit einem Stückpreis hinterlegt, was eine vollständige Variabilisierung der Kosten bedeutet. Systeme. Da das bestehende Host-System von Vontobel nicht mandantenfähig ist, hat Vontobel für die Kooperation mit Raiffeisen die Avaloq-Plattform für die Wertpapierabwicklung von Raiffeisen eingeführt. Da die Wertpapierdepots der Vontobel-Kunden weiterhin auf dem eigenen Host-System geführt werden, betreibt Vontobel die Depotführung momentan parallel auf zwei unterschiedlichen Systemen. Anfang September 2007 hat Vontobel angekündigt, das selbstentwickelte Host-System per 01.01.2009 durch das Avaloq Banking System abzulösen. Von der geplanten Konsolidierung der Plattformen erwartet Vontobel signifikante Einsparungen. Den Handel wickelt Vontobel bereits seit 2006 für beide Partner über ein weitgehend harmonisiertes Netzwerk auf der gemeinsamen Plattform OTMS ab. Bei der geplanten Ausweitung des Mandantenkreises der Transaktionsbank setzt Vontobel ebenfalls auf die Standardapplikation des Software Providers Avaloq. Dieser unterstützt das Geschäftsmodell von Vontobel als Provider durch einen speziellen Nutzungsvertrag. Der modulare Aufbau und die Mandantenfähigkeit von Avaloq sind ein Beispiel, wie ein Standardsoftware-Paket das 126
Die Abwicklung von Corporate Actions ist durch die Custody Fee gedeckt (marktüblich).
4.2 Fallstudie Bank Vontobel
79
Aufbrechen der Wertschöpfungskette und damit die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ermöglicht und unterstützt. Zudem geht Vontobel davon aus, künftig einen Wettbewerbsvorteil durch die Implementierung der Services auf dieser Plattform zu haben. Die Erfahrungswerte in der Transformation und Leistungserbringung auf dieser Plattform sollen Vontobel eine Kooperation mit weiteren Banken auf dem Avaloq-System erleichtern (vgl. Abschnitt 3.1.3 zur Verbreitung von Avaloq im Schweizer Bankenmarkt). Die IS-Landkarte (vgl. Abbildung 4-9) zeigt, dass Schnittstellen zu Netzwerkpartnern über eine EAI-Middleware realisiert sind. Neben den beiden genannten Kernbankensystemen betreibt Vontobel eine Reihe von Spezialsystemen, die den spezifischen Anforderungen (z.B. hinsichtlich Performance und Parametrisierbarkeit) gerecht werden. Die unternehmensinterne Integration der Applikationen basiert auf proprietären Schnittstellen, zu externen Partnern bestehen durchwegs Standardinterfaces.
Abbildung 4-9: IS-Architektur der Wertpapier-Transaktionsbank 4.2.3 Bewertung der Lösung Bisher haben fehlender Kostendruck, der Mangel an praxiserprobten Lösungen und nur bedingt etablierte Angebote dazu geführt, dass kleine und mittelgrosse Banken gezögert haben, Teile ihrer Wertschöpfung (im Anlagegeschäft) auszulagern. In den nächsten Jahren wird es einen Anstieg der Sourcing-Aktivitäten geben, die über die bisher häufig diskutierte Auslagerung des Backoffice hinausgehen (vgl. z.B.
80
4 Fallstudien
[Falkenberg et al. 2006, 78]). Bei diesen Kooperationen wird weniger die Kostenreduktion als der Einkauf von Kompetenz im Vordergrund stehen. Die zunehmenden Anforderungen seitens der Bankkunden und der regulatorischen Rahmenbedingungen erschweren es Banken, das Anlagegeschäft umfassend und effizient zu betreiben. Die Kooperation mit einem Spezialisten wie Vontobel ermöglicht auch kleinen Banken bzw. Instituten ohne ausgeprägte Kompetenz im Anlagegeschäft, ihren Bankkunden eine breite Produkt- und Dienstleistungspalette zu bieten, ohne dafür z.B. die Abwicklungsrisiken tragen zu müssen. Tabelle 4-3 fasst die Nutzenpotenziale für beide Stakeholder – Outsourcer und Vontobel – zusammen. Nutzen für eine auslagernde Bank
One-Stop-Shop für das Anlagegeschäft (nur ein Vertragspartner) Übertragen von Prozessrisiken Flexibilität des Providers hinsichtlich der Abbildung von Spezifika der Bank Möglichkeit Handel und Abwicklung in allen Märkten für alle Asset Klassen und Instrumente zu beziehen Höhere Kostentransparenz Teilweise Variabilisierung der Kosten Zugang zu Experten-Know-how auf Fach- und ITSeite
Nutzen für Bank Vontobel als Provider
Mehrvolumen generiert Skaleneffekte aufgrund der hohen Automation: Die Straight Through Processing (STP) Rate bezogen auf das gesamte Order-Volumen beträgt über 90%.127 Die Transaktionsbank erlaubt bestehende Fixkosten mit den Mandanten zu „teilen“. Aufrechterhaltung und Ausbau der Kernkompetenz im Anlagegeschäft Erschliessung eines neuen Geschäftsfeldes
Tabelle 4-3: Nutzen der Wertpapier-Transaktionsbank für Banken und Vontobel Die Sourcing-Diskussion birgt auch eine Reihe von Fallstricken. Im Anschluss sind zwei davon aufgeführt, die Vontobel als besondere Herausforderungen erachtet: Der Widerstand vieler Banken gegen eine umfassende Standardisierung in Form einer Anpassung eigener Prozesse an jene der Transaktionsbank vermindert das Synergiepotenzial. Andererseits ist diese Flexibilität, einzelne Kundenwünsche zu erfüllen, ein mögliches Differenzierungsmerkmal. Voraussetzung dafür ist stets die wirtschaftliche Attraktivität des Vorhabens (d.h. ein positiver Business Case). Einsparungseffekte können nicht verallgemeinert werden. Erschwerend bei der Abschätzung von Einsparungen sind die oft fehlende interne Kostentransparenz der auslagernden Banken sowie der Vergleich von inhaltlich unterschiedlichen Kostenblöcken aufgrund einer nicht exakten Vollkostenrechnung. Zudem ist wesentlich, ob die auslagernde Bank die betroffenen internen Kostenblöcke tatsächlich abbauen kann oder ob sie aufgrund einer nur partiellen Auslagerung z.B. die Infrastruktur für das Wertpapiergeschäft weiterhin betreiben und weiterentwickeln muss.
127
Gründe für manuelle Prozesseingriffe sind das Überschreiten von Auftragslimiten (zusätzliche manuelle Prüfung), spezielle unstrukturierte Abwicklungsanweisungen für den Handel und / oder die Abwicklung (der Anteil dieses Faktors soll durch zusätzliche Parametrisierungsmöglichkeiten bei der Eingabe minimiert werden) sowie fehlerhafte Angaben.
4.3 Fallstudie B-Source
81
4.2.4 Fazit und Ausblick Fazit. Bank Vontobel bietet als Wertpapier-Transaktionsbank ein breites Dienstleistungsspektrum, das relativ flexibel an die Bedürfnisse einer auslagernden Bank anpassbar ist. Fundamentaler Bestandteil des Leistungspakets ist die Abwicklung des transaktionsbezogenen Interbankengeschäfts mit den Elementen Ausführung von Kundenaufträgen (Client Execution) und Global Custody. Vontobel erachtet die Transaktionsbank als Möglichkeit, eigene Kernkompetenzen Partnern am Markt anzubieten, um in der Folge die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit durch zusätzliches Volumen zu steigern und so diese Kernkompetenzen zu erhalten. Das Unternehmen ist jedoch nicht interessiert an einem primär kostenorientierten Massengeschäft mit einem aufgrund von Standardisierung eingeschränkten Produkt- und Dienstleistungsspektrum. Vontobel will trotz des klaren Bekenntnisses zu Wachstum im Bereich der Transaktionsbank auch künftig als Wertpapier-Spezialist mit Boutique-Charakter gelten. Ausblick. Generell ist BPO von bankfachlichen Prozessen im Gegensatz zu klassischen Outsourcing-Feldern wie Betrieb und Entwicklung von IT-Infrastruktur, Personalwesen und Marketing in der Schweizer Finanzindustrie noch nicht etabliert. Banken sind hier noch wenig kompromissbereit und erachten auch Spezifika in CommodityProzessen als wesentlich. Wachsende Konkurrenz und steigende Anforderungen an die Bank-IT, auch aufgrund von gesetzlichen Vorgaben (z.B. Best Execution Policy nach MiFID), sind wesentliche Faktoren des in den nächsten Jahren zunehmenden Aufbrechens der Wertschöpfungskette. Vontobel sieht derzeit keinen akuten Bedarf, das eigene Leistungsangebot umfassend zu ändern. Der Fokus bei der Weiterentwicklung des Angebots liegt aktuell auf einer weiteren Qualitätsverbesserung und Erhöhung der STP-Rate (z.B. durch flexiblere Abwicklungsinstruktionen). Dezidiert kein Ziel von Vontobel ist es, künftig die Rolle eines reinen Backoffice Providers auszufüllen. Auch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Leistungsbündel mit dem Anlagegeschäft ist aktuell nicht vorgesehen. 4.3 Fallstudie B-Source 4.3.1 Zum Unternehmen B-Source wurde 1995 als BOSS Lab SA gegründet. Das Unternehmen entstand aus einem Merger eines Spin-Offs für IT-Entwicklung der Banca della Svizzera Italiana (BSI) mit der Firma Techselesta. Das Geschäftsmodell basierte zunächst auf dem Lizenzverkauf und dem Betrieb für die Bankenplattform BOSS. In den folgenden fünf Jahren konnte BOSS Lab einige Kunden akquirieren, das Leistungsangebot im ITOBereich ausweiten und auf eine Grösse von über 300 Mitarbeitern wachsen. Im Jahr 2001 machte BOSS Lab den Schritt zum BPO Provider durch den Zukauf des Berner Unternehmens Von Graffenried Global Services AG, das bereits BackofficeLeistungen für eine Reihe von Privatbanken erbrachte. Zu den bestehenden BPOMandanten (Beluga-Banken) dieser Firma kamen in den nächsten Jahren noch weitere Kundenbanken hinzu (z.B. Schweizer Filiale der Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV)
82
4 Fallstudien
und Dryden Bank SA im Jahr 2004). Mitte 2005 gab BOSS Lab bekannt, künftig auch BPO-Dienstleistungen für die beiden neuen Eigentümer BSI und Banca del Gottardo (BdG) zu erbringen. Gleichzeitig firmierte das Unternehmen um in B-Source SA. Im Oktober 2007 entschied das Unternehmen, die bisher selbst weiterentwickelte Bankenplattform BOSS in den kommenden Jahren durch die Standardsoftware Avaloq zu ersetzen. Anfang November 2007 gab B-Source bekannt, dass der Mehrheitseigentümer BSI den zweiten Shareholder Banca del Gottardo um CHF 1,875 Mrd. per Ende des zweiten Quartals 2008 übernehmen wird. B-Source
Banca della Svizzera Italiana (BSI)
Banca del Gottardo (BdG)
Gründung
1995
1873
1957
Firmensitz
Lugano
Lugano
Lugano
Branche
Finanzdienstleister
Privatbank
Privatbank
Geschäftsfelder
IT Operations (ITO), Application Outsourcing (AO), Banking Operations (BPO)
Vermögensverwaltung, Privatkun- Privatkunden, Institutionelle Anleden & Dienstleistungen für externe ger, Unternehmen & Fonds Vermögensverwalter
Firmenstruktur
AG
BSI Monaco SAM, BSI Overseas (BS) Ltd., BSI Bank Ltd., BSI Ifabanque SA
Homepage
www.b-source.ch
www.bsibank.com
www.gottardo.com
Umsatz / Bilanzsumme
Umsatz: CHF 160,9 Mio.
Bilanzsumme: CHF 12 255 Mio.
Bilanzsumme: CHF 12 752 Mio.
Gewinn vor Steuern
CHF 6,2 Mio.
CHF 184,9 Mio.
CHF 123 Mio.
Shareholder
63% BSI, 37% BdG
Mitglied Generali Gruppe
Bisher Swiss Life, künftig BSI
Mitarbeiter (FTE)
493
1540
1039
CHF 59 900 Mio.
CHF 35 800 Mio.
Kundeneinlagen k.A.
Tabelle 4-4: Kurzportrait von B-Source, BSI und Banca del Gottardo B-Source ist der grösste Schweizer Backoffice Provider nach verwaltetem Kundenvermögen (Assets under Management) der Kundenbanken und unterhält mit 160 Mitarbeitern eines der grössten Backoffices der Schweiz. Tabelle 4-4 beinhaltet in Form eines Kurzportraits einige Kennzahlen zu B-Source und seinen Eigentümern. B-Source definiert sich über folgende Kernkompetenzen: (1) Implementierung und Migration128 von Bank-IT, (2) Integration von Drittprodukten129 sowie (3) Betrieb von Hardware (Geschäftsfeld ITO), Software (Geschäftsfeld AO) und bankfachlichen Prozessen (Geschäftsfeld Banking Operations).130 Der Bezug von Banking Operations bzw. BPO-Leistungen basiert zwingend auf der Inanspruchnahme von ITO- und AOLeistungen (vgl. Abbildung C–1). Durch ihre Erfahrung in der Implementierung bietet 128
129
130
Ein Beispiel für die Erfahrungseffekte ist die Inbetriebnahme der Niederlassung der National Bank of Abu Dhabi in Genf. Für diese Startup-Bank hat die Transformation vom ersten Gespräch bis zum Going Life vier Monate gedauert. B-Source besteht darauf, dass Kundenbanken ihr Kernbankensystem (heute BOSS, künftig Avaloq) für das Backoffice einsetzen, an der Front hat die Bank Wahlfreiheit bezüglich der eingesetzten Applikationen. BSource pflegt aber Partnerschaften mit bevorzugten SW-Lieferanten wie z.B. Odyssey. Abbildung C–2 beinhaltet eine Einordnung der Kernkompetenzen in die Leistungspalette der B-Source.
4.3 Fallstudie B-Source
83
B-Source auch Banken auf Drittsystemen an, die Migration auf Avaloq zu übernehmen und, falls entsprechendes Know-how verfügbar ist, auch Teile der Banking Operations bereits auf dem Altsystem zu erbringen131. Wealth management 10 - 15% p.a.1)
180%
Potential in mid / far east > 34% p.a.2)
Sourcing demand > 20% p.a.3)
160%
Sourcing services in operating models of PBs
140% 120%
1) BCG Global Wealth Study, Credit Suisse analysis, 2007 2) Global Private Banking/Wealth Management Survey PWC, 2007
100% 80% 2006
3) IMG Study “Sourcing Markt Schweiz”, 2004, updated 2006 2007
2008
2009
2010
Abbildung 4-10: Marktpotenzial und Sourcing-Bedarf im Anlagegeschäft für Privatbanken weltweit nach [Spirig 2007, 2] B-Source positioniert sich als IT- und Backoffice Provider für internationale Privatbanken mit klarer Wachstumsstrategie. Abbildung 4-10 verdeutlicht das Potenzial, das dieses Marktsegment bietet. Neben Effizienzgewinnen möchte B-Source seine Mandanten dabei unterstützen, ihre Dienstleistungen in boomenden Märkten (z.B. Singapur und Dubai) von der Schweiz aus zu erbringen. Das Land ist als Standort für ein Kompetenzzentrum im Banking prädestiniert, da neben dem bankfachlichen Know-how die Faktoren Mehrsprachigkeit, Rechtssicherheit (z.B. Schutz der Kundendaten) sowie nicht zuletzt das Vertrauen und die Swissness als überzeugende Argumente für eine Auslagerung in die Schweiz sprechen. Ein Indiz für die Zugkraft der Marke Schweiz im internationalen Private Banking ist die MedBank, die in Malta mit Schweizer Portfolio Managern sowie den in die Schweiz (zu B-Source) ausgelagerten IT-Operations und Backoffice wirbt. Zielsegment der B-Source sind Schweizer Privatbanken mit internationaler Ausrichtung, internationale Privatbanken mit (geplanten) Niederlassungen in der Schweiz und internationale Privatbanken, die gewillt sind, IT- und Backoffice-Leistungen aus der Schweiz zu beziehen. Die Strategie, Privatbanken in ihrem internationalen Wachstum zu unterstützen, wirft die Frage auf, ob die Banken aus dem Zielkundensegment die Abwicklung an einem Ort zentralisieren oder dezentral in jedem Markt eine eigenständige Niederlassung aufbauen sollten. B-Source ist überzeugt, dass ein zentrales Modell (mit Ausgangspunkt Schweiz) dem dezentralen in folgenden Punkten132 überlegen ist: Time-to-market: Der Aufbau einer neuen Organisation mit Front-, Middle- und Backoffice erfordert signifikant mehr Zeit und Aufwand als das Aufsetzen einer Filiale mit Frontend.
131
132
Aktuell plant ein Interessent, der mit einem Drittsystem zu B-Source wechseln und dann direkt auf Avaloq migrieren möchte, die Reconciliation beim Tessiner Provider zu beziehen. Bei dieser Bank werden diese Leistungen noch manuell erbracht, während B-Source für diese Tätigkeiten mit dem Einsatz der Applikation Corona einen hohen Automationsgrad erreicht. Die Kombination dieser Vorteile macht eine Bündelung in der Schweiz auch aus Kostensicht attraktiver.
84
4 Fallstudien
Komplexität: Dezentralität bedeutet eine gewisse Freiheit der Niederlassungen z.B. bezüglich lokaler Geschäftspartner und der IT-Landschaft. Diese Vielfalt schafft Komplexität zugunsten wenig differenzierender Freiheitsgrade in der Abwicklung. Flexibilität: Eine vollständige Niederlassung beeinträchtigt die Agilität des Unternehmens bei der Entscheidung, aus dem Markt auszutreten (Stichwort „sunk costs“). Synergieeffekte: Das zentrale Modell weist aufgrund der Standardisierung klare Vorteile bezüglich Skaleneffekten und Kompetenzvorteilen (Teams von Spezialisten im Vergleich zu einzelnen Experten in den Niederlassungen) auf. BSI ist ein Musterbeispiel für die internationale Wachstumsstrategie einer Schweizer Privatbank. Die Bank hat mittlerweile Niederlassungen in Nassau, Paris, London, Guernsey, Monaco, Shanghai, Hongkong und Singapur sowie diverse Zweigstellen weltweit und konnte die verwalteten Kundenvermögen von 2004 bis Mitte 2007 um 43% auf CHF 63.989 Mio. steigern. B-Source betreibt für BSI sowohl die BackendSysteme für sämtliche Standorte als auch Teile des Backoffice (ZV und Wertpapier). 4.3.2 Lösung – Angebot von B-Source im Anlagegeschäft Strategie. Die Idee der Kopplung von Client- und Streetside bei einem Provider scheitert am Widerstand von (Privat-)Banken, Endkundendaten an andere Banken133 auszulagern (Institute mit ausgeprägter Streetside-Kompetenz haben in der Regel eigene Bankkunden). Die aus dieser Trennung resultierenden Ineffizienzen, wie z.B. eine redundante Pflege des Valorenstamms bei Backoffice und Streetside Provider, können beim Einsatz der gleichen Systeme auf beiden Seiten reduziert werden. Die Trennung134 (vgl. Abbildung 4-11) erhöht die Flexibilität der Kundenbank: Die Leistungen des Streetside Providers basieren auf Standardschnittstellen (vor allem FIX und SWIFT), er ist daher relativ einfach austauschbar. Der Aufwand, den Backoffice Provider zu wechseln, ist signifikant höher. Kundenbank
Backoffice Provider (Clientside)
en at nd e nd Ku
Streetside Provider
Legende: Vertragsbeziehung Operative Beziehung Abschottung der Kundendaten
Abbildung 4-11: Prinzip der Trennung von Client- und Streetside 133 134
B-Source führt keinen Bankstatus, ihre Mitarbeiter unterstehen jedoch dem Bankgeheimnis (gemäss Vereinbarung der eidgenössischen Bankenkommission) und agieren stets im Namen / Auftrag der Kundenbank. B-Source will dezidiert keine Handelsfunktionalität übernehmen, der Provider hat auch die Fonds-Execution von BSI wieder an die Bank zurückgegeben.
4.3 Fallstudie B-Source
85
Der Entscheid über die Partner auf der Streetside – also Broker, Börsenplätze, (Global) Custodians – liegt bei der Bank. B-Source ist bereit, auf Wunsch ihrer Kundenbanken mit einem Spezialisten im Interbankgeschäft als bevorzugtem Partner zusammenzuarbeiten. Diese Bündelung birgt Synergiepotenziale bei den Einkaufskonditionen und in der Abwicklung (Abstimmung der Depots und Konten mit nur einem zentralen Partner). Abbildung 4-12 zeigt den Ansatz individueller Streetside-Netzwerke im Vergleich zur Bündelung der Interbanken-Beziehungen. Wesentlich für das Erreichen signifikanter Kosteneinsparungen ist bei einer Bündelung nicht nur die Reduktion des Handels- und Custody-Netzwerkes auf einen zentralen Ansprechpartner, sondern möglichst auch die Wahl desselben Partners für beide Bereiche. Die in Abbildung 4-12 dargestellte Verbindung von zentralem Broker (Execution) und Global Custody symbolisiert diese Kopplung, die eine locked-in135-Abwicklung ermöglicht, wie sie heute im Interbankenbereich die Swiss Value Chain bietet. Dadurch entfallen die SettlementInstruktionen zwischen Broker und Custodian, was Effizienzgewinne und eine Reduktion von Fehlerquellen bedeutet. Today
Bundling the street side Provider / Bank
Bank
Bank
Execution
Brokers
B-Source
Custodians Correspondents
Brokers
B-Source
Global custody
Custodians Correspondents
Abbildung 4-12: Optionale Bündelung der Streetside via „preferred Partner“ nach [Spirig 2007, 8] Mit der BTV Schweiz und der Filiale der National Bank of Abu Dhabi in Genf nutzen bereits zwei Kundenbanken von B-Source einen zentralen Streetside Provider136, in diesen beiden Fällen das Angebot von UBS Bank for Banks. Dieses Beispiel ist auch im nachfolgend dargestellten Geschäftsnetzwerk von B-Source (vgl. Abbildung 4-13) enthalten. Ein wesentlicher Partner im Geschäftsnetzwerk ist der Software-Hersteller Avaloq, dessen IT-Plattform künftig das intern von B-Source weiterentwickelte BOSS-System ablöst. Avaloq und B-Source haben sich auf ein spezielles Preismodell geeinigt, das auch kleinen Banken ermöglichen soll, Avaloq als Mandant von BSource einzusetzen. Die Software-Lizenz gehört nicht der Bank, sondern B-Source, welche die Nutzungsrechte weitergibt. Das Governance-Modell der B-Source sieht vor, dass ein Mandant sich bei entsprechender Grösse am Unternehmen beteiligen kann, wobei dieser Entscheid von den bestehenden Shareholdern zu treffen ist. Neben dem Mitspracherecht aller Kundenbanken auf operativer und strategischer Ebene in
135 136
Locked-in Trades nutzen ein automatisches Settlement, vgl. www.swx.com/clearing/settlement_de.html. Die Banken beziehen von UBS auch weitere Dienstleistungen wie FOREX und Zahlungsverkehr.
86
4 Fallstudien
zyklischen User Group Meetings und Geschäftsleitungstreffen haben die beiden Shareholder BSI und Banca del Gottardo je zwei Sitze im Verwaltungsrat.
Abbildung 4-13: Geschäftsnetzwerk von B-Source (mit Fokus Anlagegeschäft) Prozesse. B-Source ist ein One-Stop-Shop für Privatbanken, wobei das Angebot relativ flexibel an die Kundenbedürfnisse anpassbar ist. Voraussetzung für den Bezug von BPO-Dienstleistungen im Anlagegeschäft sind aber sowohl IT als auch Application Outsourcing. Abbildung 4-14 zeigt die Position der B-Source im Referenznetzwerk Anlegen. Aus bankfachlicher Sicht übernimmt der Provider die Rollen Abwickler und Valorenzentrale. Ergänzt wird das Angebot um die Basisleistungen Application Management, Rechenzentrum und Archivierung.
Abbildung 4-14: Angebot von B-Source im Referenznetzwerk Anlegen
4.3 Fallstudie B-Source
87
Abbildung C–4 präzisiert die Leistungspalette137 der B-Source anhand des Referenzprozesses Anlegen aus Kapitel 3.1. Denkbare Varianten zur Anpassung des Leistungsbezugs an die Bedürfnisse der Bank sind der optionale Bezug der Module Kundenstamm- und Valorenstammdaten. Die manuelle Datenerfassung ist bei B-Source ein Ausnahmefall für Aufträge per Fax oder eMail. Dieser Geschäftsfall ist nicht im Interesse des Providers (aufwändig, fehleranfällig) und wird daher mit Aufpreisen (“entryfee“) belegt. Die Auftragsprüfung ist weitgehend automatisiert. Systeme. Prinzipiell versucht B-Source den Kundenbanken umfassende Flexibilität in der Wahl ihrer Frontend-Systeme zu gewähren. Das Unternehmen unterhält zwar Partnerschaften mit bevorzugten Softwarelieferanten wie z.B. Odyssey für die Produkte Triple A und Advisor, auf Wunsch des Mandanten besteht jedoch die Bereitschaft, alternative Systeme in die IS-Landschaft zu integrieren. Die von B-Source vorgeschlagene Systemlandschaft ist unterschiedlich für grosse und kleine Kundenbanken. Neben den in Abbildung 4-15 skizzierten Unterschieden bei den Frontend-Systemen unterscheidet sich die IT-Architektur künftig z.B. auch im Buchhaltungssystem, wo für grosse Mandanten SAP zum Einsatz kommt und für kleinere die Avaloq-Funktionalität ausreichend ist. Die Bedienung der Schnittstellen zu SWIFT, SECOM und SIC hat B-Source ausgelagert an den Spezialisten Biveroni, der für über 60 Banken diesen Service betreibt.
Abbildung 4-15: IS-Landkarte B-Source (Status quo) 137
Abbildung C–4 zeigt auch den Unterschied zwischen Banken, welche die Streetside-Abwicklung selbst machen und jenen, welche diese ausgelagert haben. Bei der ersten Variante übernimmt die Bank die Teilprozesse der ersten und dritten Spalte.
88
4 Fallstudien
Mit der Einführung der Bankplattform Avaloq für alle Kundenbanken ergeben sich für B-Source eine Reihe von Entscheiden, Projekten und Chancen. Zunächst einmal hat das Unternehmen folgende Szenarien für die Migration der heutigen Kundenbanken von BOSS auf Avaloq diskutiert: Harmonisierung aller Mandanten auf BOSS und dann Migration auf Avaloq. Dies bedeutet, dass Banca del Gottardo von CIPRO auf BOSS und dann auf Avaloq migrieren wird. Für diese Option spricht das umfassende Know-how von B-Source bezüglich der Migration auf BOSS, das eine rasche Konsolidierung von BSI und Banca del Gottardo ermöglichen würde. Migration der Kundenbanken von ihrem heutigen System (z.B. CIPRO bei BdG) auf Avaloq. Dafür spricht z.B. die komplexe Handelsinfrastruktur der Banca del Gottardo, für die keine Erfahrungswerte in BOSS vorhanden sind. Der Handel als Sonderfunktionalität der Banca del Gottardo wird direkt vom System CIPRO, der Rest via Zwischenschritt über BOSS auf Avaloq migriert. Der Entscheid für eine der drei Migrationsvarianten steht noch aus. Das Projekt Futuro umfasst die Aktivitäten zur Ablösung des Kernbankensystems BOSS durch Avaloq. Der aktuelle Zeitplan sieht folgende Meilensteine vor: (1) Migration der Banca del Gottardo auf BOSS per 1.1.2009, (2) Migration der BSI (inklusive Banca del Gottardo) auf Avaloq per 1.1.2011 und (3) Migration der anderen Kundenbanken auf Avaloq vor 1.1.2011. Neumandanten, die mit einem Drittsystem zu B-Source kommen, sollen direkt von diesem System auf Avaloq migriert werden. Als Vorbereitung der Migration bestehender und künftiger Mandanten auf das neue System startet B-Source per 1.1.2008 den Aufbau eines Backoffice Masters. Aufbauend auf der Modellbank von Avaloq hat dieses Teilprojekt als Ziel, einen generischen Rahmen für die Abwicklung der Volumina einer Kundenbank zu schaffen. Diese Master-Instanz wird eine der ersten MultiEntity-Installationen von Avaloq sein. 4.3.3 Bewertung der Lösung Nutzen. B-Source verfolgt das Ziel, eine Effizienzsteigerung im Backoffice von mindestens 20% p.a. zu erreichen, vorrangig durch Automation138, Standardisierung und Zentralisierung. Von Kundenseite ist eine jährliche Kosteneinsparung von 20% in Bezug auf die Kosten vor der Auslagerung fast eine Minimalanforderung. Ein Beispiel für die Effizienzsteigerung ist die Übernahme und Zusammenlegung der Backoffices von BSI und Banca del Gottardo: Am Ausgangspunkt im Juli 2005 war das Backoffice auf 180 FTE gewachsen. Durch die Zentralisierung am Standort Lugano (Schliessung des Standorts Bern) und die Zusammenlegung der Teams (trotz der Verarbeitung auf 138
Das System (aktuell BOSS) wird stetig weiterentwickelt. So hat das Backoffice-Team in 2007 über 50 mögliche Quickwins durch Systemanpassungen identifiziert. Für jeden ist nun mittels Business Case zu prüfen, ob das bis zur Ablösung des Systems durch Avaloq realisierbare Einsparpotenzial die Kosten für die Systemanpassung übersteigt.
4.3 Fallstudie B-Source
89
den beiden Systemen BOSS und CIPRO) wickelt B-Source das (gestiegene139) Volumen ihrer Kundenbanken heute mit 148 FTE ab. Die Steigerung der Produktivität von Mitte 2005 auf Ende 2007 beträgt 45% gemessen an den Transaktionen pro FTE. B-Source ist bereit, Mitarbeiter der Kundenbank zu übernehmen, falls sie weitere Mitarbeiter für die Verarbeitung des Neuvolumens benötigt. Dadurch fliesst Know-how bezüglich Bankspezifika des neuen Mandanten zu B-Source, was eine reibungslose Übernahme fördert. Der Transfer der Mitarbeiter im Zuge der Zusammenlegung des Backoffice von BSI und Banca del Gottardo ging ohne Kündigungen vonstatten. Tabelle 4-5 fasst den Nutzen einer Kooperation (im Anlagegeschäft) für die auslagernde Bank und B-Source zusammen. Nutzen für eine auslagernde Bank
One-Stop-Shop mit Varianten Enabler für Bankkundenorientierung Reduktion des Personalrisikos (Abhängigkeit von einzelnen Spezialisten) Verteilung z.B. von IT-bedingten und gesetzlich erforderlichen Investitionen auf mehrere Partner BPO Provider mit hoher IT-Kompetenz und ohne eigene Bankkunden Hohe Flexibilität für Kundenbanken bezüglich ihrer Partner auf der Streetside und bei den FrontendSystemen Starker finanzieller Background140 des Providers. Eigentümer ist künftig mit BSI eine führende Schweizer Privatbank, deren Eigentümer Generali eine global tätige Versicherung ist. Signifikante Kosteneinsparungen Rascher und kostengünstiger Markteintritt (Startup)
Nutzen für B-Source
Stärkung der Marktposition als Backoffice und System Provider für Privatbanken Bessere Auslastung von Systemen und Mitarbeitern (v.a. Spezialisten-Teams) Aufgrund der steigenden Automation in der Verarbeitung erhöht jeder Neumandant die Skaleneffekte.
Tabelle 4-5: Nutzen der Kooperation für die auslagernde Bank und B-Source Preismodell. B-Source versucht, im Preismodell die Balance zwischen der Variabilisierung von Fixkosten für die Kundenbanken und der Planungssicherheit bzw. Risikoreduktion für das eigene Unternehmen zu finden. Prinzipiell sind alle Preise variabel (mit Ausnahme weniger Module mit Fixpreis, wie z.B. der Buchhaltung), jene für ITO- und Application Outsourcing-Leistungen bezogen auf die User-Anzahl, die BPOPreise bezogen auf Transaktionen. Die variablen Preise gelten ab 60% des Vorjahresvolumens, dieser Anteil wird dem Mandanten in jedem Fall als Minimum Fee verrechnet. Die Stückpreiskurve für BPO-Leistungen ist in der Regel stufenweise degressiv, das heisst, je mehr Transaktionen eine Kundenbank via B-Source abwickelt, desto günstiger ist das Mehrvolumen. Dieser Mechanismus fördert gezielt das Wachstum der Kundenbanken und soll so eine Win-Win-Situation schaffen.
139 140
In diesem Zeitraum hat B-Source etwa 10% Mehrvolumen bei BSI und Banca del Gottardo verarbeitet. Bei geringer Kapitalisierung des Providers riskiert die auslagernde Kundenbank, dass der Abwickler die Konsequenzen gravierender Fehler (z.B. Falschverbuchung von Corporate Actions) finanziell nicht abfangen kann.
90
4 Fallstudien
4.3.4 Fazit und Ausblick Fazit. Der Ursprung des Unternehmens B-Source lag im Betrieb und der Weiterentwicklung von IT-Infrastruktur und Banken-Applikationen. Auf Basis dieses bisherigen Kerngeschäfts hat der Provider mit Banking Operations ein neues Geschäftsfeld eröffnet, das die Leistungspalette signifikant erweiterte. So ist per Ende 2007 circa die Hälfte der Mitarbeiter bankfachlich ausgebildet. Das Zielkundensegment sind internationale Privatbanken, die möglichst die gesamte Leistungstiefe der B-Source von IT Outsourcing über ASP bis BPO ausschöpfen. Der Entscheid für die Einführung der Software-Plattform Avaloq erschliesst B-Source zudem künftig einen neuen Markt, da die Anzahl der Banken mit dieser Plattform in den letzten Jahren stark gewachsen ist (vgl. [Regniet 2007]). Im Anlagegeschäft ist B-Source überzeugt, dass für Banken die ideale Lösung eine Entkopplung von Client- und Streetside ist, da so die Kundendaten nicht bei einer anderen Bank liegen müssen und die Streetside aufgrund vorhandener Standardschnittstellen leicht austauschbar ist. Zudem sieht B-Source die Betreuung und Nutzung von Handelsinfrastruktur nicht als ihr Kerngeschäft und strebt bewusst keinen Bankstatus an. Das Angebot im Backoffice ist umfangreich und je nach Anforderung der Kundenbank anpassbar (vgl. Kapitel 4.3.2). Aufgrund des Insourcing von Teilen des Backoffice der beiden grossen Privatbanken Banca del Gottardo und BSI bei gleichzeitiger Erhöhung von Automationsgrad und Mitarbeiterproduktivität erreicht B-Source signifikante Skaleneffekte. Die Abwicklung von Transaktionen von Mandanten mit stark unterschiedlichem Geschäftsmodell (z.B. Privatbankiers Reichmuth & Co. Switzerland, NZB Neue Zürcher Bank, National Bank of Abu Dhabi und BSI) ist ein Indikator für die Leistungsbandbreite und Flexibilität des Providers. Im IS-Modell haben die Kundenbanken weitgehend Gestaltungsfreiheit bei der Wahl der Frontend-Systeme, im Backend-Bereich besteht B-Source auf der Etablierung einer möglichst einheitlichen Plattform zur Abwicklung der Transaktionen. Ausblick. In den kommenden drei Jahren plant B-Source keinen umfassenden Ausbzw. Umbau des Leistungsangebots, das Unternehmen ist aber ständig auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten, wie z.B. der Weitergabe (kaskadierendes Sourcing) des übernommenen Transaktionsvolumens im Zahlungsverkehr an einen deutlich kostengünstigeren Partner. Priorität haben zunächst die Konsolidierung der ITPlattformen von BSI und Banca del Gottardo (d.h. die Migration der Banca del Gottardo auf das BOSS System), die Migration aller Mandanten auf Avaloq sowie die Akquirierung von Neumandanten (auf ihrem Altsystem oder bereits auf Avaloq). Das Unternehmen ist bei entsprechendem Business Case jedoch bereit, dem Wunsch von (potenziellen) Mandanten nach Zusatzleistungen nachzukommen. Aktuell laufen z.B. Gespräche mit Banken und einer Versicherung, die Rechenzentren der B-Source für das Desaster-Backup zu nutzen. Das Unternehmen will auch in den nächsten Jahren der führende Schweizer BPO Provider für Privatbanken bleiben und daher trotz der aktuell hohen Ressourcenbelastung aufgrund der laufenden Migrationsprojekte neue Mandanten akquirieren. Nach dem
4.4 Fallstudie Entris
91
Umsatzwachstum von CHF 102 auf 162 Mio. von 2004 bis 2007 sind für das Jahr 2008 CHF 192 Mio. budgetiert. Aufgrund der oben angeführten Projekte soll auch die Mitarbeiterzahl in 2008 von heute knapp 500 auf 550 steigen. B-Source sieht sich als Wegbereiter der Vision, die Schweiz als Service Provider von Banken weltweit zu positionieren. Diese Variante ist denkbar als Kombination eines Backoffice Providers wie B-Source und einem (Schweizer) Streetside Provider wie UBS Bank for Banks, Credit Suisse Expert to Expert Banking oder einem anderen Anbieter. 4.4 Fallstudie Entris 4.4.1 Zum Unternehmen Das Unternehmen Entris ist 2007 aus strategischen Überlegungen der RBA-Holding als Dachorganisation von ca. 50 Regionalbanken in Kooperation mit der Berner Kantonalbank (BEKB _ BCBE) entstanden. Für ein umfassendes Verständnis des Unternehmens ist ein kurzer Exkurs zum Umfeld und der Historie erforderlich. Unternehmensumfeld. RBA-Service (RBAS) wurde 1994 als Tochter der RBAHolding gegründet, um den Regionalbanken als ihren Eigentümern gebündelt ITServices zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile unterstützt RBA-Service seine Kunden zudem mit Backoffice- und umfangreichen Support-Dienstleistungen bei ihrer Konzentration auf die Vertriebskompetenz. RBA-Service bietet als Dienstleistungspartner von aktuell ca. 50 Schweizer Regionalbanken eine auf das Retailgeschäft ausgerichtete Dienstleistungspalette, die Teile der Zahlungsverkehr-, Kredit- und WertpapierAbwicklung sowie Supportleistungen von Rechnungswesen bis zu Desktop Services abdeckt. In Bereichen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, geht RBA-Service systematisch Kooperationen mit Spezialisten ein, wie z.B. mit RTC, dem Hersteller der Bankenplattform Ibis, der seit Mitte 2006 neben der Bereitstellung des Kernbankensystems auch verantwortlich ist für den Rechenzentrumsbetrieb von RBA-Service. Erfolgsmaximen der RBA-Service sind sukzessive Standardisierung, ein hoher Automatisierungsgrad und vor allem ein integriertes, umfassendes Leistungsangebot. Anfang 2005 hat die RBA-Bankengruppe das strategische Projekt Antares gestartet, mit dem den Herausforderungen des Aufbrechens der WSK begegnet werden sollte. Eine wesentliche Grundlage dieser Initiative war z.B. die Studie von [Hamprecht et al. 2004]. Die grundlegende Prämisse von Antares ist, dass sich die Banken künftig auf die Vertriebstätigkeit konzentrieren und sämtliche Unterstützungsprozesse wie ITBetrieb und Backoffice-Verarbeitung an Spezialisten auslagern werden (vgl. Abbildung 4-16). Das Ziel des vom Verwaltungsrat der RBA-Service initiierten Projektes war, die Grundlagen zu schaffen, um das Unternehmen als die „attraktivste Verarbeitungsplattform bezüglich Kosten, Service und Prozesse für die RBABankengruppe und weitere Banken“ [RBA-Holding 2006, 8] zu positionieren. Eine wesentliche Rolle in Antares spielt die Produktionsgesellschaft (PG), die als Generalunternehmer im Auftrag der Banken sämtliche nicht differenzierenden Leistungen
92
4 Fallstudien
bündeln bzw. Teile davon selbst erbringen soll. Eine Kooperation mit weiteren Banken ist als Voraussetzung für zusätzliche Synergieeffekte im Projektziel bereits explizit angesprochen. RBA-Service hat im Projekt Antares versucht, diese Ausweitung des Mandantenkreises über die RBA-Banken hinaus zu fördern, indem sie Banken und Provider aus dem Ibis-Umfeld frühzeitig an der Ausarbeitung der einzelnen Fachkonzepte (z.B. Zahlen, Anlegen) von Antares beteiligte. Als Folge dieser gemeinsamen Projektarbeit gab RBA-Service zu Beginn des Jahres 2007 eine strategische Partnerschaft mit der Berner Kantonalbank bekannt. Diese Zusammenarbeit soll u.a. die Attraktivität des Bankenstandorts Bern stärken.
Abbildung 4-16: Aufteilung der WSK in Antares nach [RBA-Holding 2006, 8] Entris. Die Kooperation von Berner Kantonalbank und RBA-Service sieht vor, in einem im Mai 2007 neu gegründeten Unternehmen mit dem Namen Entris offiziell ab 1. Januar 2008 zunächst die Leistungserbringung für BPO-Services im Zahlungsverkehr und im Anlagegeschäft zu bündeln. Ein Ausbau des Angebots z.B. auf die Bereiche Finanzieren141 und Partner-/Konto-Services142 ist geplant. Entris ist eine Aktiengesellschaft, wobei RBA-Holding und Berner Kantonalbank je 50% der Anteile halten. Die Dienstleistungen des Unternehmens stehen auch weiteren Banken offen. Tabelle 4-6 beinhaltet Kurzportraits143 von Entris, RBA-Service und Berner Kantonalbank.
141
Im Bereich Finanzieren erbringen die Banken beinahe alle Prozesse inhouse. Erste Konsolidierungstendenzen sind Wegbereiter einer künftigen Auslagerung an RBAS bzw. Entris. So hat z.B. die Valiant Bank die Kreditverarbeitung ihrer Regionen Mittelland bzw. Zentralschweiz im Valiant Kreditzentrum mit knapp 100 Mitarbeitern zentralisiert. Eine Migration dieser Organisationseinheit in die Produktionsgesellschaft ist aktuell aufgrund eines Plattformwechsels (von WinKredit auf KBUS) vertagt. 142 Diesen Bereich baut RBAS neu auf. Erster Kunde wird ab Mitte 2008 die Valiant Bank sein. Sobald RBAS bei dieser Leistung einen adäquaten Industrialisierungsgrad erreicht hat, ist eine Überführung in Entris geplant. Ein wesentliches Element von Partner und Konto ist die Einführung eines elektronischen Kundendossiers. Dies erhöht wiederum die Zentralisierbarkeit und damit Auslagerbarkeit des Bereichs Finanzieren. 143 Anhang A umfasst Informationen zu folgenden Unternehmen im Geschäftsnetzwerk von Entris: Valiant Holding, Finanzlogistik AG, RTC, Clientis Banken und RBA-Holding.
4.4 Fallstudie Entris
93 Entris
RBA-Service
Berner Kantonalbank
Gründung
2007
1994
1834
Firmensitz
Gümligen
Gümligen
Bern
Branche
Finanzdienstleister
Finanzdienstleister
Bank
Geschäftsfelder
Wertpapierverarbeitung, Abwicklung Zahlungsverkehr
Vorsorgen, Finanzieren, IT Services, Mgmt. Services, Business Integration
Hypothekarfinanzierung, Entgegennahme Kundengelder, Vermögensberatung
Firmenstruktur
AG
AG
AG
Homepage
www.entris.ch
www.rba-service.de
www.bekb.ch
Umsatz / Bilanzsumme
k.A.
Umsatz: CHF 125 Mio.
Bilanzsumme: CHF 21 077 Mio.
Cost Center
CHF 125,4 Mio.
Gewinn vor Steu- Cost Center ern Shareholder
50% RBA-Holding, 100% RBA-Holding 50% Berner Kantonalbank
56000 Aktionäre, Hauptaktionär Kanton Bern
Mitarbeiter
207
> 300
1201
Kunden (Mandanten)
2 (BEKB _ BCBE, RBAHolding mit 51 Banken)
51 Regionalbanken
Depotvolumen: CHF 20 100 Mio.
Tabelle 4-6: Kurzportrait von Entris, RBA-Service und Berner Kantonalbank Entris kann künftig auf dem aggregierten Volumen der Eigentümer aufbauen. Zudem verfügen diese beiden Unternehmen bereits über mehrjährige BPO-Erfahrung. RBAService erbringt seit einigen Jahren für Teile der RBA-Banken Leistungen im Zahlungsverkehr und im Anlagegeschäft (via ihre Tochter Finanzlogistik AG). Die Berner Kantonalbank bedient seit 2004 die Jurassische Kantonalbank mit umfangreichen Dienstleistungen im Anlagegeschäft. Entris ist mit einer Belegschaft von 207 Mitarbeitern gestartet (vgl. Tabelle 4-7). Die zu Beginn im Anlagegeschäft verarbeiteten Volumina entsprechen jenen der Berner Kantonalbank. Tabelle 4-7 zeigt anhand der Volumenentwicklung in den Jahren 2005-2007 das Transaktionswachstum im Anlagegeschäft. Kennzahlen Anlagegeschäft (Startvolumen BEKB)
Mitarbeiter nach Bereichen Zahlungsverkehr Wertpapier
158 47
Management Gesamt
2 207
Davon: Bisher BEKB Bisher RBA-Service
81
Betreute Valoren
2005
2006
– 09/2007
50 008
59 949
68 053
Verwaltungsmassnahmen
2 217
3 012
2 680
SettlementTransaktionen
55 634
55 732
55 501
126
Tabelle 4-7: Kennzahlen zu Entris (per Dezember 2007) Mit der Gründung von Entris bestehen nun zwei Produktionsgesellschaften gemäss dem Projekt Antares im RBA-Umfeld. Die Funktion der Produktionsgesellschaft als Verarbeitungsgesellschaft für BPO-Tätigkeiten (zunächst für Zahlen und Anlegen) obliegt primär Entris. Die Funktion der Produktionsgesellschaft als Leistungsintegrator („alles aus einer Hand“) für die RBA-Banken hat weiterhin RBA-Service inne. Sie wird künftig die Leistungen von Entris an die RBA-Banken vermitteln und ihren Man-
94
4 Fallstudien
danten umfassende Support-Services (z.B. Personalwesen) sowie einzelne BPOLeistungen wie Partner- und Kontoführung (vgl. Abbildung 4-17) anbieten. Da Entris den gesamten Bereich Zahlen und Anlegen von RBA-Service übernimmt, betreibt das Unternehmen auch das Application Management für diese Bereiche. Prinzipiell sollen diese Leistungen vom IT Provider RTC bezogen werden, der dies aktuell aus Kapazitätsgründen nicht anbieten kann. Die Berner Kantonalbank hat diese Leistungen bereits früher an RTC ausgelagert. Abbildung 4-17 skizziert die Verteilung der Geschäftsfelder auf wesentliche Teilnehmer des Geschäftsnetzwerks. Gemäss der Dreiteilung der Wertschöpfungskette im Projekt Antares (vgl. Abbildung 4-16) stehen die Graustufen für Vertrieb (hellgrau), Abwicklung (mittelgrau) und IT (dunkelgrau). RBA-Holding
Legende:
Aktionärsbindungsvertrag Informatikvereinbarung (Anhang) Girovereinbarung (Anhang)
•
Vertrieb
•
Abwicklung
•
IT
Auftrag Aktionärsbindungsvertrag Kooperationsvertrag Leistun RBA-Zentralbank g
RBA-Service
RTC Betrieb IDV Betrieb ODV
Betriebsvertrag Entwicklungsvertrag
Entwicklung
RBA-Banken
Partner / Konto
Servicevertrag
Finanzieren
SLA IDV
Vorsorgen Betrieb IDV
Service- u. Betriebsvertrag
SLA BPO (ZV, WP)
SLA BPO (ZV, WP, RW)
Entris Zahlen Leistungsfluss
Wertpapierverarb
Partner / Konto Zahlen Anlegen Finanzieren Vorsorgen Nicht RBA-Banken
Leistungsfluss
Berner Kantonalbank SLA BPO (ZV, WP)
Partner/Konto
Zahlen
Aktionärsbindungsvertrag Kooperationsvertrag Betriebsvertrag Entwicklungsvertrag
Partner/Konto Anlegen
Finanzieren
Finanzieren
Vorsorgen
Vorsorgen
Abbildung 4-17: Zielbild von Entris per 1.1.2008 (interne Darstellung RBA-Service) 4.4.2 Lösung – Angebot von Entris im Anlagegeschäft Entris bietet zum Start im Januar 2008 Dienstleistungen im Anlagegeschäft und im Zahlungsverkehr an. Künftig soll das Angebot sowohl in der Tiefe (z.B. Angebot im Wertpapier-Handel) als auch in der Breite (z.B. Finanzieren) ausgebaut werden. Dieser Abschnitt beschreibt das aktuelle und geplante Angebot im Anlagegeschäft. Strategie. Das Geschäftsnetzwerk rund um Entris ist im Umbruch und daher momentan noch geprägt von einer Vielzahl von Vertragsbeziehungen und Leistungsflüssen (vgl. Abbildung 4-18). Die Veränderungen rund um Entris haben einen Einfluss auf die Netzwerkteilnehmer, der aktuell noch nicht abschätzbar ist. So haben z.B. drei Ost-
4.4 Fallstudie Entris
95
schweizer Regionalbanken (Alpha Rheintal Bank, Bank CA St. Gallen und Swissregio Bank) entschieden, auf die Bankplattform Finnova zu wechseln und riskieren damit den Ausschluss aus der RBA-Gruppe [Maier 2007]. Die RBA-Banken verfolgen das gemeinsame Ziel einer einheitlichen Informatik und erachten dies als Grundvoraussetzung für die Realisierung von Synergieeffekten. Bisher hat die Finanzlogistik AG in St. Gallen die Wertpapieradministration für Teile der RBA-Banken (z.B. Clientis Banken, Ostschweizer Banken) via Dienstleistungsvertrag mit RBA-Service abgewickelt. Diese Kooperation wurde mit Ende 2006 auf Ende 2009 gekündigt, da diese Leistungen künftig von Entris erbracht werden sollen. Im Geschäftsnetzwerk sind zudem Veränderungen bei den Handels- und CustodyBeziehungen wahrscheinlich. Eine Harmonisierung sowohl der aktuell noch vielfältigen Handelsbeziehungen (vgl. nachfolgenden Exkurs) als auch der Depotstellen ist eine Voraussetzung für die Ausschöpfung der in Antares kalkulierten Einsparungspotenziale. In Bezug auf die Depotstellen sieht Entris eine Variante vor, in der das Unternehmen (z.B. via RBA-Zentralbank) künftig als zentrale Gegenpartei ihrer Mandanten auftritt. Ein Projekt zur Vereinfachung der Depotstellen ist gegenwärtig bei der Valiant Holding im Gange. Dies geschieht analog zu bereits abgeschlossenen Aktivitäten der Berner Kantonalbank, die den Grossteil ihrer Depotstellen (ca. 80%) bei SegaInterSettle konsolidiert hat.
Abbildung 4-18: Geschäftsnetzwerk von Entris Kunden und Kundensegmente. Zurzeit sind die beiden o.a. Mandanten von Entris gleichzeitig die Eigentümer. Im Zuge einer Marktöffnung stellt sich die Frage, ob sich weitere Mandanten ebenfalls beteiligen können/müssen. Die offizielle Sprachregelung ist, dass weitere Banken, die Leistungen in grösserem Umfang beanspruchen wollen,
96
4 Fallstudien
auch Teilhaber an Entris werden können. Generell unterscheidet Entris drei Kundensegmente, deren Reihenfolge auch die zeitliche Priorität widerspiegelt: Berner Kantonalbank und RBA-Banken: Entris ist offiziell per Anfang 2008 mit einem Leistungsangebot in den Bereichen Zahlen und Anlegen gestartet. Der volumenbezogene Ausbau der Leistungserstellung für die RBA-Banken und für die Berner Kantonalbank ist unterschiedlich sowohl in den Prozessbereichen als auch den Banken(gruppen): Im Zahlungsverkehr startet Entris mit den Volumina der Berner Kantonalbank sowie dem bisher bei RBA-Service verarbeiteten Volumen der Regionalbanken. Zweiteres entspricht dem gesamten RBA-Volumen bei strukturierten, STPfähigen Aufträgen. Weiteres Sourcing-Potenzial besteht bei den RBA-Banken im manuellen Bereich, in dem aktuell noch rund 20% nicht ausgelagert sind. Dieser Bereich ist ökonomisch besonders interessant, da hier der Grossteil der manuellen Aufwände entsteht. Im Anlagegeschäft startet Entris ebenfalls mit dem Volumen der Berner Kantonalbank im Prozessumfang nach Business Cut144 C. Ursprünglich war ein Einstieg mit Business Cut B oder sogar A geplant. Da die Berner Kantonalbank erst seit kurzem A-Mitglied der Schweizer Börse ist, hat sich die Bank für dieses eingeschränkte Startszenario entschieden – mit der Option eines sukzessiven Ausbaus. Der erste Entris-Mandant im Anlegen aus dem RBA-Verbund ist die Valiant Bank, die voraussichtlich ebenfalls mit Business Cut C starten wird. Auch die Valiant Bank strebt einen tieferen Prozessschnitt an, nicht zuletzt weil die Clientis-Gruppe als nächster Mandant plant, mit Business Cut B einzusteigen und dafür die (multiplizierbaren) Erfahrungen der Valiant vorteilhaft wären. Bis Ende 2009 beziehen die Clientis-Banken die Wertpapieradministration von der Finanzlogistik AG, mit der die RBA-Service die bisherige BPOPartnerschaft per diesen Zeitpunkt auflöst. Die Übernahme des Anlagegeschäfts weiterer RBA-Banken ist nicht vertraglich festgelegt, da diese Banken dieses Geschäft heute selbst betreiben und keine entsprechenden Verträge mit RBAService haben. Weitere Ibis-Banken: Bis Mitte 2009 soll Entris operativ bereit sein für die Übernahme einer weiteren Bank aus dem Ibis-Umfeld. Die Jurassische Kantonalbank hat die Wertpapierabwicklung inklusive Handel bereits an Berner Kantonalbank ausgelagert, die Kantonalbanken des Kantons Basel und die Privatbank Atag Asset Management beziehen umfassende Wertpapierdienstleistungen von der Sourcag. Banken auf anderen IT-Plattformen: Ab 2011/12 soll Entris dank einer auf Standard-Schnittstellen basierten Architektur in der Lage sein, ihre Leistungen plattformunabhängig für Drittbanken anzubieten. Prozesse. Entris verarbeitet als Service Provider abwicklungs- bzw. abrechnungsbereite Aufträge der Vertriebsbanken und benötigt dafür keine Bankenlizenz. Das Leis144
Die Business Cuts, die Entris im Anlagegeschäft anbietet, sind im Abschnitt Prozesse erläutert.
4.4 Fallstudie Entris
97
tungsangebot im Bereich Anlegen beruht auf den in Antares ausgearbeiteten Business Cuts. Für die Verarbeitung von Wertpapieraufträgen bietet Entris drei verschiedene Business Cuts145 an. Der Sourcing-Umfang nimmt von Business Cut A bis C schrittweise ab. Bei typischen Backoffice-Dienstleistungen wie z.B. Titellieferung, Coupons und Rückzahlungen beziehen alle Mandanten einheitliche Business Cuts. Konkret sehen die Business Cuts vor, dass Entris folgende Rollen im Netzwerk Anlegen übernimmt: (C) Abwickler, Valorenzentrale; (B) zusätzlich zu C: (Global) Custodian, Broker; (A) zusätzlich zu B: Händler. Da Entris noch kein eigenes Handels- und Depotstellennetzwerk unterhält, ist es auch denkbar, die Rollen Händler und Global Custodian über das Netzwerk eines Kunden oder Partners zu offerieren. Die Kombination mit der Rolle der Valorenzentrale, welche bisher die Berner Kantonalbank in der Ibis-Community innehatte, bedeutet für Entris ein Angebot im Anlagegeschäft, das über die Rolle des Abwicklers hinausgeht. Per Ende 2008 wird auch die Finanzlogistik AG aufbereitete Valoren bei Entris beziehen und die bis dahin zweite Valorenzentrale im Ibis-Umfeld schliessen. Abbildung 4-19 zeigt anhand des Referenznetzwerks Anlegen das maximale Angebot von Entris, das der Realisierung von Business Cut A entspricht.
Abbildung 4-19: Angebot von Entris im Netzwerk Anlegen gemäss Business Cut A Der offizielle Start von Entris Anfang 2008 erfolgte mit dem Volumen der Berner Kantonalbank auf dem Business Cut C. Die Volumina jener RBA-Banken, die das Anlagegeschäft bereits an RBA-Service ausgelagert (Clientis Banken) bzw. sich bei der Gründung von Entris dafür entschieden (Valiant Gruppe) haben, wird Entris im Jahr 2008 sukzessive übernehmen. RBA-Service bietet künftig via Entris eine modulare Leistungspalette inklusive Kundendepotverwaltung und Abwicklung sowie diversen zusätzlichen Services an.
145
Abbildung C–7 verdeutlicht, welche Prozessschritte dabei die Produktionsgesellschaft bzw. die Bank übernehmen.
98
4 Fallstudien
Business Cut A gründet auf der Idee, die RBA-Zentralbank als gemeinsamen zentralen Broker zu nutzen, der zwar den notwendigen Bankstatus, aber keine Endkundenbeziehungen hat und daher nicht in Konkurrenz zu den Mandanten von Entris steht. Die Realisierung dieses Business Cut ist für die Ausschöpfung des angestrebten Synergiepotenzials wesentlich, da bei einer Harmonisierung und vor allem Bündelung von Brokerage- bzw. Depotstellennetz signifikante Einsparungseffekte erzielt werden können. Der Entscheid, den Handel an Entris auszulagern, fällt vielen Banken schwer, weil sie den Handel entweder als Kernkompetenz und daher als nicht auslagerbar erachten oder weil sie diesen Prozessteil bereits an einen anderen BPO Provider ausgelagert haben (z.B. Valiant via Lombard Odier). Der folgende Exkurs verdeutlicht die Vielfalt von Sourcing-Modellen für den Handel im Ibis-Umfeld. Exkurs zu Handelsmodellen im Ibis-Umfeld. Der volumenmässig grösste Mandant von RBA-Service, die Valiant Bank, hat den Wertpapierhandel bereits ausgelagert. Die Bank führt den Handel über ihre Tochter Valiant Privatbank durch, welche diese und ihre Aufträge zu den Privatbanken Rahn & Bodmer oder Lombard Odier weiterleitet. Rahn & Bodmer wiederum wickelt einen Teil ihres Handels via Vontobel ab. Im Ibis-Umfeld gibt es, speziell was den Wertpapierhandel betrifft, eine Reihe alternativer Modelle. Abbildung 4-20 skizziert vier Varianten anhand von konkreten Beispielen. Neben der oben genannten Auslagerung des Handels der Valiant Bank bezieht auch die Migrosbank bereits umfassende Leistungen in Brokerage und Custody von einem externen Partner, in diesem Fall der UBS. Ein im Zusammenhang mit RBA-Service wichtiges Unternehmen ist im Wertpapierbereich die Finanzlogistik AG, die aktuell für Teile der RegionalbankCommunity die Rolle des Abwicklers (z.B. kundenseitige Abrechnung von Börsenaufträgen) im Wertpapierbereich übernimmt. Einer der Mandanten der Finanzlogistik AG ist die Clientis Gruppe, die wiederum den Handel an die Basler Kantonalbank ausgelagert hat. Für Entris wesentlich ist auch die Auslagerung des WertpapierGeschäfts der Jurassischen an die Berner Kantonalbank im Sinne von Business Cut A. Dadurch bringt die Berner Kantonalbank sowohl ihr eigenes Volumen als auch jenes der Jurassischen Kantonalbank in das neue Verarbeitungsunternehmen ein.
Sales Institutionelle & Private Kunden
Handel Abrechnung Streetside (Markt)
Legende: Berner Kantonalbank (BEKB) intern BEKB für die Jurassische Kantonalbank Basler Kantonalbank für Clientis Banken Finanzlogisitik AG für Clientis Banken
Abrechnung Kunde
Abbildung 4-20: Handelsmodelle im Ibis-Umfeld
Systeme. Alle Stakeholder im Umfeld von Entris haben das Kernbankensystem Ibis im Einsatz. Das Angebot von Entris basiert folglich auf der Systemarchitektur dieser Plattform, und die Realisierung von Synergieeffekten hängt mit davon ab, inwiefern die Software die Anforderungen aus Antares erfüllen kann. RTC hat als Entwickler und Betreiber von Ibis die strategische Entscheidung gefällt, als Komponente des Kernbankensystems das Wertpapiermodul des Softwareanbieters Legando zu implementieren. Auf Basis umfassender Parametrisierungsmöglichkeiten soll das neue System u.a. die Prozesseffizienz verbessern (z.B. gemessen an der STPRate). Diese Modernisierung der Plattform ist Voraussetzung für die umfassende Ausschöpfung der Synergiepotenziale von Entris. Für die BPO-Verarbeitung im Auftrag mehrerer Banken benötigt Entris eine spezielle IT-Unterstützung. Im Rahmen von An-
4.4 Fallstudie Entris
99
tares beschreibt ein Fachkonzept diese besonderen Anforderungen an die ITUnterstützung in Form von BPO-Baselines (Tabelle 4-8 enthält einen Auszug). Die Forderung nach bankübergreifender Verarbeitung ist ein Beispiel, das unter anderem bei der Verarbeitung von Corporate Actions (CA) hohes Einsparungspotenzial birgt. Aktuell sind in Ibis die einzelnen Mandanten noch abgeschottet, was bedingt, dass CA für jede Bank separat auszuführen sind. Ein anderes Beispiel für das Anlagegeschäft ist die bisher fehlende Automation im Lieferungswesen. Die Berner Kantonalbank ist ab 2008 Leadbank für Ibis im Anlagegeschäft. Diese Rolle als Vorreiter verbessert auch die Realisierbarkeit von Anforderungen seitens der Produktionsgesellschaft Entris. Aufbrechen der Wertschöpfungskette
Applikationen müssen ein Aufbrechen der Wertschöpfungskette erlauben. Das bedeutet, dass die Tiefe der Verarbeitung durch die einzelnen Institute oder Gruppen von Instituten selbst bestimmt werden kann.
Serviceorientier- Die IT-Architektur muss über wohl definierte, standardisierte und dokumentierte Schnittstellen verfügen. Ein Austausch von Services muss jederzeit ohne Anpassung der Schnittstellen ter Aufbau; möglich sein. Die Anzahl der Schnittstellen ist minimiert und standardisiert, was die FlexibiliSchnittstellen tät erhöht und die Abhängigkeiten reduziert. WorkflowUnterstützung
Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette soll durch eine durchgängige WorkflowArchitektur ermöglicht werden. Services sowie Drittapplikationen werden optimal integriert. Die Verwaltung von Aufgaben, deren Verfolgung und ein optimales Exception-Handling ermöglichen eine durchgängige und individualisierbare Prozess-Unterstützung mit hohem Automationsgrad (end to end).
Mandantenfähigkeit
Die Services müssen über alle Architekturschichten (Daten, Verarbeitung und Präsentation) mandantenfähig gebaut werden. Das Abbilden von Gruppenkonstrukten (Bildung von Hierarchien) muss möglich sein.
Bankübergreifende Verarbeitung
Die bankübergreifende Verarbeitung erlaubt es, in einem Prozessschritt für mehrere Institute Daten zu erfassen und zu verarbeiten (kein Wechsel von Bildschirmmasken erforderlich). Die Möglichkeit zur Massenerfassung (Ergonomie von Datenerfassungsmasken, Lastverteilung und -optimierung) ist zu gewährleisten.
Geschäftsfallprotokollierung
Um Transparenz zu gewährleisten, muss der Verlauf der Geschäftsfälle jederzeit nachvollzogen werden können. Das heisst, dass die einzelnen Verarbeitungsstadien mit allen dazu gehörenden Prozessschritten – unabhängig davon, ob ein Teilprozess in der Vertriebsbank oder bei der Produktionsgesellschaft bearbeitet wird – protokolliert werden.
Tabelle 4-8: Ausgewählte BPO-Baselines [Kohler/Fries 2005] Abbildung C–8 zeigt die geplante Einbettung von Legando und dem dazugehörigen Handelssystem OTMS von IBM in die Ibis-Plattform. OTMS soll dabei die Schnittstellen zum Frontoffice bei der Bank und zum Markt (Börsenplätze, Broker und Depotstellen) abdecken und Legando für die Backoffice-Verarbeitung eingesetzt werden. Da die Schnittstellen zwischen OTMS und Legando bereits realisiert sind, besteht vor allem Integrationsaufwand von Legando zu Ibis. Abbildung C–9 verdeutlicht diesen Schnitt via Zuordnung der drei Hauptapplikationen zu den Prozessschritten. 4.4.3 Bewertung der Lösung Nutzen. Das Ziel des Konzepts Antares ist, die RBA-Banken zu befähigen, sich auf die Vertriebstätigkeit als Differenzierungsmerkmal zu konzentrieren. Zudem soll die Produktionsgesellschaft Verbesserungen in den Kategorien Kosten, Risiken und Qualität schaffen sowie speziell dazu beitragen, die Cost/Income-Ratio der Banken zu senken, u.a. durch eine weitere Optimierung der Prozesse und Systeme (z.B. bankübergreifende Verarbeitung), durchgängige Infrastrukturkonzepte und Volumenbündelung.
100
4 Fallstudien
Die Etablierung der Produktionsgesellschaft als Schnittstelle der Vertriebsbanken zu sämtlichen Backoffice- und Support-Leistungen ist ein Meilenstein des Konzepts. Tabelle 4-9 fasst den Nutzen von Entris zusammen. Nutzen für eine auslagernde Bank
Nachhaltige Optimierung der Kosten durch Bünde- lung der Volumen sowie weitgehende Harmonisierung von Leistungserstellung und Unternehmens netzwerken Verbesserung der Effizienz durch Abbau von Redundanzen, Automatisierung, Standardisierung und Erhöhung der STP-Raten Keine Auswirkungen für Bankkunden im Zuge der Leistungsübernahme durch Entris Individualisierung trotz Automatisierung dank bankenspezifischer Parametrisierung
Nutzen für Entris Steigerung der Attraktivität für andere Banken (z.B. zusätzliche Skaleneffekte) Stärkere Position in der Zusammenarbeit mit RTC (Bündelung von Business-Anforderungen und finanziellen Mitteln) Stärkung der Position der Ibis-Gruppe innerhalb der schweizerischen Bankenlandschaft durch einen Leistungsausweis
Tabelle 4-9: Nutzen der Kooperation für Banken und Entris Nach der Gründung des Unternehmens und dem Start des operativen Betriebs im Zahlungsverker und Teilen des Anlagegeschäfts steht Entris vor der Herausforderung, den Leistungsumfang gemäss den Fachkonzepten aus Antares auszuweiten und auch zusätzliche Banken (und damit Volumen) in die Verarbeitung einzugliedern. Speziell im Bereich Anlegen hat Entris für das Jahr 2008 folgende Ziele: Der Bankkunde merkt nichts von der Umstellung. Insourcing der Volumen der Valiant Bank. Halten / Steigern der Qualität. Identifikation mit Entris (z.B. Etablieren einer Unternehmensidentität bei den vorherigen Mitarbeitern von RBA-Service und der Berner Kantonalbank). Überzeugen und Akquirieren weiterer RBA-Banken. Zusammenlegung der Valorenzentralen für RBA (Finanzlogistik AG) und RTC. Business Case und Preismodell „Beim Start gesourctes Volumen im Gegenwert von 1 CHF kostet im Jahr 2010 noch 70 Rappen.“ [RBA-Holding 2006, 21]
Im Projekt Antares wurde für jedes Fachkonzept ein detaillierter Business Case erstellt. Das obige Zitat stammt aus dem Business Case für das Anlagegeschäft. Abbildung 4-21 zeigt den Aufbau dieser Investitionskostenrechnung, welche die Kostenblöcke Infrastruktur, Applikation und Betrieb / BPO berücksichtigt. Die Blöcke für Infrastruktur und Applikation sind weitgehend volumenunabhängige Fixkosten, für die jedoch sprungfixe Kosten zu beachten sind (vgl. Jahr 2008 in Abbildung 4-21). Der Block Betrieb / BPO ist eher variabel. Hier sind Effizienzgewinne realisierbar, wie sie z.B. im Business Case von den Jahren 2009 auf 2010 berücksichtigt sind. Der in Abbildung 4-21 dargestellte, 2006 im Rahmen von Antares erstellte Business Case basiert auf teilweise nicht mehr gültigen Annahmen. So entspricht z.B. die tat-
4.4 Fallstudie Entris
101
sächliche Volumenentwicklung nicht den Annahmen: Entris startet nicht mit dem Volumen aus der RBA-Community, sondern mit jenem der Berner Kantonalbank. Zudem beruht die Kalkulation auf der Realisierung von Business Cut A, zu Beginn beziehen die ersten Mandanten Berner Kantonalbank und Valiant wahrscheinlich „nur“ Business Cut C. Eine umfassende Neukalkulation ist noch nicht erfolgt, das aktuell angestrebte Kostenziel sieht eine durchschnittliche Einsparung über alle Mandanten von 20% in den nächsten vier Jahren im Vergleich zu den Kosten per 2007 vor. Wesentliche Einflussfaktoren dieser Einsparungen sind Standardisierung, eine Modernisierung der Applikationslandschaft sowie die Zusammenlegung der Depotstellennetze. Entris ist aus Sicht der Eigentümer ohnehin nicht primär aus der Kostenperspektive zu beurteilen, sondern als strategischer Schritt zur Umsetzung künftiger Geschäftsmodelle zu verstehen.
Kosten
Betrieb / BPO
Applikation
Sensitivität vor Investition
Sensitivität nach Investition
Volumen Markt / Partner
Volumen
Sensitivität
Infrastruktur
Volumenaufbau RBA Startvolumen RBA
2006
2007
2008
2009
2010
Abbildung 4-21: Aufbau Business Case im Anlagegeschäft nach [RBA-Holding 2006, 19] Das detaillierte Preismodell für Entris ist noch nicht fixiert. Das Unternehmen ist aktuell als Cost Center organisiert. Für die Verteilung der Kosten während der Startphase sind zwei Alternativen vorgesehen: Variante A sieht vor, die extrapolierten Kosten der kommenden vier Jahre umzulegen auf die Preise der Dienstleistungen. Diese Preise würden die Transformationskosten beinhalten und müssten in der Folge sukzessive gesenkt werden, um die angepeilten Einsparpotenziale und damit auch marktfähige Preise zu erreichen.
102
4 Fallstudien
Gemäss Variante B ist geplant, bereits ab 2008 marktgerechte146 Preise zu verrechnen und den Verlust, der bei dieser Variante aufgrund der Initialkosten für den Aufbau der Produktionsgesellschaft entsteht, auf die Anteilseigner aufzuteilen. Per 1.1.2009 soll Entris in ein Profitcenter umgewandelt werden, das auf dem Prinzip SSP (Service-Strukturen mit Preis) basiert und auf Basis einer detaillierten Prozesskostenrechnung (vgl. Kapitel 5.2.2.2) jeder Leistung einen Kostenblock und damit einen Preis zuordnen kann. Ob auch der Kostenblock für von RTC bezogene IT-Leistungen bereits im Jahr 2009 im Detail auf die Dienstleistungen umgelegt werden kann, ist noch fraglich. 4.4.4 Fazit und Ausblick Fazit. Entris basiert auf dem Konzept einer „fabrikmässigen“ Verarbeitung von Backoffice-Tätigkeiten. Aus Sicht der RBA-Banken ist Entris ein spezialisierter Anbieter, der via RBA-Service Dienstleistungen erbringt, die nicht zur Kernkompetenz der Banken gehören. Aus Sicht der Berner Kantonalbank bietet die gemeinsame Gesellschaft die Chance, zusätzliche Skaleneffekte zu erzielen, die eigenen Ressourcen auf die Kundenschnittstelle auszurichten und Bern als Bankenstandort zu stärken. Die Öffnung von Entris für weitere Banken ausserhalb des RBA-Verbunds und damit die Etablierung als BPO Provider im Markt Schweiz ist eine Herausforderung für die folgenden 3-5 Jahre. Im Anlagegeschäft beruht das Angebot auf einem detaillierten Konzept, das beinahe das gesamte Anlagegeschäft mit Ausnahme der Bankkundenschnittstelle umfasst. Ein Fazit über die Leistungserstellung ist aufgrund des Starts per 1.1.2008 noch nicht möglich. Die Ausweitung der Leistungserstellung auf Business Cut A oder zumindest B inklusive einem einheitlichen Depotstellennetz ist wahrscheinlich erforderlich für die Erfüllung der angestrebten Kosteneinsparungen. Ausblick. Die Attraktivität für Dritte hängt im Anlagegeschäft von der Umsetzung der verschiedenen Business Cuts ab. Wie erwähnt kann eine Bank vorrangig mit dem Business Cut A umfangreiche Kosteneinsparungen realisieren. Synergieeffekte hängen auch von der Erneuerung der IT-Plattform ab. Von der geplanten Integration von Legando und OTMS erwartet Entris Fortschritte in der Abwicklung des Anlagegeschäfts z.B. hinsichtlich Automation, (Mehr-)Mandantenfähigkeit und bankübergreifender Verarbeitung. Auf Basis der bestehenden Mandanten kann Entris auf einem signifikanten Startvolumen aufbauen, das in der aktuell kostengetriebenen Sourcing-Diskussion ein Wettbewerbsvorteil werden kann. Um diesen Vorteil nutzen zu können, muss das Unternehmen potenzielle Kundenbanken von der Stabilität und Unabhängigkeit der NetzwerkKonstellation überzeugen.
146
Die Definition von marktgerecht entspricht zunächst den Erfahrungen der Mandanten. Mittelfristig soll die Marktfähigkeit der Preise mit Hilfe von Benchmarking-Analysen gewährleistet werden.
4.5 Fallstudie DZ BANK
103
4.5 Fallstudie DZ BANK 4.5.1 Zum Unternehmen Der deutsche Bankenmarkt umfasst folgende Sektoren: (1) den Sparkassensektor mit ca. 40% Marktanteil (gemessen an der Anzahl Bankkunden), (2) den Verbund der Genossenschaftsbanken mit ca. 21% Marktanteil sowie (3) unabhängige Banken mit Heimmarkt Deutschland mit jeweils <10% Marktanteil und (4) Auslandsbanken [Wolf 2007]. Die DZ BANK als eines von zwei147 Zentralinstituten im genossenschaftlichen Verbund wurde 1883 als Landwirtschaftliche Genossenschaftsbank der hessischen Darlehenskassenvereine gegründet und hat sich durch zahlreiche Fusionen und Übernahmen vor allem in den 1980er und 90er Jahren zu einem bedeutenden Marktteilnehmer in Deutschland entwickelt. Sie bietet als Zentralbank für über 1.000 Volksund Raiffeisenbanken ein umfassendes Dienstleistungsportfolio, das ihren Mandanten (und auch Eigentümern) ermöglicht, ihre Ressourcen auf den Vertrieb zu konzentrieren. Die DZ BANK übernimmt die Rolle eines Integrators, indem sie einzelne Dienstleistungen von spezialisierten Providern148 bezieht und an ihre Kundenbanken weitervermittelt (kaskadierendes Sourcing). Im Anschluss an die Neuausrichtung als bundesweite Zentralbank für die Genossenschaftsbanken nach der Fusion von GZ Bank und DG Bank im Jahre 2001 positioniert sich die DZ BANK nun auch als Bankdienstleister für Institute ausserhalb des Verbundes in Deutschland bzw. Europa. Genossenschaftsbanken & Koop.-Banken
Produktion
F&E
Anforderungen der (Privat-) Kunden
Genossenschaftsbanken und Kooperationsbanken
Gruppe
1
Marketing
Markt-
Informations- &
Starke Marken,
forschung,
Transaktions-
Marketing-
Produkt-
plattformen,
unterstützung,
innovation &
Abrechnung,
Consulting und
-entwicklung
Karten
Research
Verkauf & 3
Vertrieb
Anforderungen der (Privat-) Kunden
Integrierte Risikomanagementlösungen
2
Plattformen der DZ BANK Gruppe
1
Lead User-Konzept: Enge Abstimmung mit den Genossenschaftsbanken und Kooperationsbanken*
2
Durch den Plattform-Ansatz bietet die DZ BANK massgeschneiderte Lösungen für Allfinanz- und andere Institute einschliesslich F&E, Produktions- und Marketing-Support
3
Interner Marktmechanismus: die Genossenschaftsbanken verlangen „Best-in-Class“-Produkte * Kooperationsbanken sind Kundenbanken der DZ BANK ausserhalb des genossenschaftlichen Verbundes
Abbildung 4-22: Ansatz „Bank für Banken“ nach [Wolf 2007, 11]
147
Das zweite Zentralinstitut ist die WGZ BANK, die Dienstleistungen für ca. 240 genossenschaftliche Banken mit einer Bilanzsumme von rund € 141 Mrd. (Stand Ende 2005) erbringt. Der geographische Schwerpunkt der WGZ BANK liegt in Nordrhein-Westfalen. 148 Das Netzwerk der Spezialisten, mit denen die DZ BANK bei der Erbringung ihrer Leistungen kooperiert, beschreiben u.a. [Österle/Kagermann 2006, 198f].
104
4 Fallstudien
Nach der Bilanzsumme von knapp € 439 Mrd. ist die DZ BANK ein bedeutender Marktteilnehmer in Deutschland (viertgrösste Bank) und international (34-grösste Bank der Welt). Schon seit ihrer Gründung koordiniert die DZ BANK Aufgaben wie das Wertpapiergeschäft für die meisten ihrer genossenschaftlichen Institute – sowohl für kleine Institute mit Kundeneinlagen von € 1 Mio. als auch für grosse Institute mit einer Bilanzsumme von über € 10 Mrd. (Berliner Volksbank per Ende 2006). Mittlerweile erbringt die DZ BANK auch Dienstleistungen für über 40 in- und ausländische Privatbanken. Ihren Aktionären, den Genossenschaftsbanken, bietet die DZ BANK quasi einen Full-Service an, Kooperationsbanken haben die Möglichkeit, aus einem ähnlich breiten Service-Portfolio zu wählen. Dienstleistungen sind u.a. Produkte (z.B. Zertifikate, strukturierte Produkte), B2B Brokerage, Kommissions- und Institutioneller Handel, Global Custody und Abwicklung über die dwpbank. DZ BANK
dwpbank
Genossenschaftlicher Finanzverbund
Gründung
1883 / 2001
2003
Firmensitz
Frankfurt
Frankfurt
1920 Frankfurt
Branche
Allfinanzierer
Finanzdienstleister
Verband von Universalbanken
Geschäftsfelder
Allfinanzprodukte, Abwicklungsleistungen, Institutionelles Geschäft
Wertpapierabwicklung
Zahlen, Anlegen, Finanzieren und Vorsorgen
Firmenstruktur
AG, Holding
AG
Genossenschaft
Homepage
www.dzbank.de
www.dwpbank.de
www.bvr.de
Bilanzsumme
€ 438 984 Mio.
€ 720 Mio.
€ 961 000 Mio.
Gewinn vor Steuern
€ 1 358 Mio.
€ 13,5 Mio.
€ 2 400 Mio.
Shareholder
79,6% Kreditgenossenschaften 9,1% Sonstige Genossenschaften 6,7% WGZ BANK 4,6% Sonstige
40,0 % DZ BANK 10,0 % WGZ BANK 20,0 % RSGV 20,0 % WLSGV 3,75 % BayernLB 3,75 % Helaba 2,5 % HSH NordBank
Mitarbeiter
24 000
2 000
163 000
Kunden
ca. 1 000 Volks- und Raiffeisenbanken
430 Institute aus allen vier Bank-Sektoren
30 Mio. Bankkunden (davon 16 Mio. Genossen)
Tabelle 4-10: Kurzportrait149 DZ BANK, dwpbank, genossenschaftl. Finanzverbund Das Kundensegment Kooperationsbanken (d.h. alle Banken mit Bankkundenkontakt ausserhalb des genossenschaftlichen Finanzverbunds) bearbeitet die DZ BANK seit 2002 systematisch. Die Fallstudie bezieht sich (primär) auf diese Zielgruppe. 4.5.2 Lösung – Angebot der DZ BANK im Anlagegeschäft Strategie. Das Leistungsangebot der DZ BANK umfasst Allfinanzprodukte und Abwicklungsleistungen für private und institutionelle Kunden sowie Institutionelles Geschäft. Dafür nutzt die DZ BANK die Kompetenz von Spezialisten und tritt ihren Kunden gegenüber als Integrator auf. Der Grossteil dieser Partner stammt aus dem ge149
Die Angaben entsprechen dem Stand per Ende 2006.
4.5 Fallstudie DZ BANK
105
nossenschaftlichen Verbund, wobei z.B. die dwpbank Leistungen für Banken aus allen vier Segmenten erbringt. Weitere Beispiele für Spezialisten mit Kernkompetenzen in der Abwicklung sind Equens für den Zahlungsverkehr, Attrax für Fonds und das Kreditwerk für Kredite. Partner in der Produktentwicklung sind VR Leasing, R+V für Versicherungen, die Bausparkasse Schwäbisch-Hall und Union Investment für Investmentfonds. Die DZ BANK sieht im deutschen Markt aktuell keine Konkurrenz für ihr Angebot, erkennt aber die Möglichkeit, dass ausländische Institute mit einem ähnlich breiten Angebot in den Markt eintreten. Alleinstellungsmerkmale der DZ BANK sind u.a.: die starke Kundenbasis der Genossenschaftsbanken, die sowohl ein hohes Volumen mitbringen als auch selbst hohe und vor allem heterogene Anforderungen stellen, und die Tatsache, dass sie als Zentralbank keine Geschäftsbeziehungen mit Privatkunden/Endkunden hat, sondern ausschliesslich mit Banken und institutionellen Kunden zusammenarbeitet und daher nicht in Konkurrenz zu den Kundenbanken steht. Die DZ BANK verfügt über ein globales Partnernetzwerk (z.B. Broker, Custodians), über das sie Produkte und Serviceleistungen weltweit vertreibt sowie ihren Kundenbanken einen Zugang zu internationalen Finanzmärkten ermöglicht.
Abbildung 4-23: Geschäftsnetzwerk der DZ BANK (mit Fokus Anlagegeschäft) Eine Kundenbank muss neben der vertraglichen Bindung zur DZ BANK nur eine Geschäftsbeziehung für den Bereich Rechenzentrum und IT-Services unterhalten (vgl. Abbildung 4-23). Für bankfachliche Leistungen agiert die DZ BANK als Generalunternehmer und Ansprechpartner für alle Spezialisten im Hintergrund. Ein weiterer
106
4 Fallstudien
Partner im Anlagegeschäft ist z.B. die DZ BANK International in Luxemburg, die umfassende Dienstleistungen im Portfolio Management anbietet. Es ist nicht vorgesehen, dass sich Kooperationsbanken, die Leistungen von der DZ BANK beziehen, am Unternehmen beteiligen. Die Kundenbanken sind jedoch z.B. via User Group-Treffen in Weiterentwicklungen eingebunden und haben die Möglichkeit, Anforderungen zu adressieren. Zudem ist die DZ BANK gegen separate Verrechnung bereit, Spezialanforderungen einzelner Banken zu erfüllen. Eine wesentliche Rolle im Angebot der DZ BANK für das Anlagegeschäft spielt die dwpbank, welche die Aufgaben des Abwicklers übernimmt. Der folgende Exkurs beschreibt dieses Unternehmen, das nach der Anzahl der verwalteten Kundendepots (Stand Ende 2006) Marktführer in Deutschland ist. Marktposition. Die Deutsche WertpapierService Bank AG (dwpbank) gehört seit ihrer Gründung im August 2003 zu 50% den genossenschaftlichen Zentralbanken (DZ BANK 40%, WGZ BANK 10%) und zu 50% dem Sparkassenverbund. Gemeinsam mit dem Tochterunternehmen TxB Transaktionsbank GmbH betreut das Unternehmen aktuell rund 8,8 Mio. Wertpapierdepots für über 430 Finanzinstitute und wickelt über 40 Mio. Transaktionen p.a. ab. Zurzeit bündelt die dwpbank das Wertpapiergeschäft für den genossenschaftlichen FinanzVerbund, für ca. 40 Institute im Segment der Privat- & Geschäftsbanken (z.B. Dresdner Bank, Deutsche Postbank) und erbringt mehr als 80% der Dienstleistungen für Sparkassen und Landesbanken. Die dwpbank legt grossen Wert auf Neutralität und Unabhängigkeit. Die sektorenübergreifende Kundenbasis ist eine Besonderheit im deutschen Bankenmarkt. Angebot. Die dwpbank bietet im Retail- und Wholesalegeschäft die Übernahme aller Prozesse vom Orderrouting und der Abrechnung über die Lieferung bis zur Verbuchung (vgl. Abbildung 4-24). Über die detaillierte Ausgestaltung der Services, z.B. bezüglich Börsenmitgliedschaft oder Depotstellen, entscheidet die Kundenbank.
Abbildung 4-24: Leistungsangebot der dwpbank nach [dwpbank 2007] Systemlandschaft. Nach der Gründung aus einer Fusion Mitte 2003 begann die dwpbank mit vier Abwicklungssystemen. In 2004 konnte ein System für das Wholesale-Geschäft in das zentrale System WP2 integriert werden und das Wertpapiersystem für die Dresdner Bank kam neu hinzu. Die Anfang 2007 erworbene TxB brachte zwei weitere Abwicklungssysteme ein. Per Ende 2007 konnte die dwpbank ihre Systemlandschaft von sechs auf drei Abwicklungssysteme reduzieren. Mittelfristig ist geplant, alle Prozesse der dwpbank über die zentrale Plattform WP2 abzuwickeln. Von der Konsolidierung der heterogenen Systemlandschaft erwartet die dwpbank signifikante Einsparungen in Betrieb und Weiterentwicklung der Systemlandschaft sowie Skaleneffekte in der TRX-Abwicklung. Ausblick. Analog zum Weg des Spezialisten für Zahlungsverkehr TAI, der im Zuge von Kooperationen mit der belgischen Finforce und der niederländischen Interpay zu Equens umfirmierte und aktuell der führende paneuropäische ZV-Abwickler ist, sucht die dwpbank nach Wegen für eine internationale Expansion, wobei im Wertpapierbereich eine länderübergreifende Harmonisierung der Systeme aufgrund von Länderspezifika ungleich schwieriger ist als im weitgehend standardisierten ZV.
Tabelle 4-11: Exkurs – dwpbank als führender Wertpapier-Abwickler in Deutschland
4.5 Fallstudie DZ BANK
107
Prozesse. Die DZ BANK hat ein Plattformangebot (vgl. Ziffer 2 in Abbildung 4-22). Dies erlaubt jeder Kundenbank, ihren individuellen Leistungsbezug auf Basis des Minimalpakets DZ BANK Fullservice quasi frei zu kombinieren. Die Kundenbanken können ergo mit dem umfassenden Service-Angebot ihre Wertschöpfungstiefe nach Bedarf gestalten („Sicherung der Eigenständigkeit durch selektive Kooperation“ [Klostermeier 2006, 19]). Beim Aufbau des Geschäftsfeldes Kooperationsbanken im Jahr 2002 war der durchschnittliche Leistungsbezug der Kundenbanken zu Beginn der Partnerschaft mit der DZ BANK eher gering. Die Mandanten waren vorrangig an Leistungen im Brokerage, Custody, Zahlungsverkehr und/oder Produktbereich interessiert. In den letzten fünf Jahren ist dieser initiale Leistungsbezug jedoch sukzessive gestiegen. Der Anteil der zu Beginn bezogenen Prozesse in Relation zum Gesamtangebot150 betrug im Jahr 2002 ca. 20%, im Jahr 2004 ca. 46% und im Jahr 2007 ca. 89%.
Abbildung 4-25: Modulare Leistungspalette aufbauend auf dem DZ BANK Fullservice nach [Wolf 2008] Das Minimalangebot der DZ BANK (vgl. grau hinterlegter Quadrant „Brokerage Services“ in Abbildung 4-25) beinhaltet nur Dienstleistungen aus dem Anlagegeschäft. Zum Basispaket DZ BANK Fullservice gehören Handel und Brokerage, die Wertpapierabwicklung, die Depotverwaltung, ein mit umfassenden Tools und Informationsmöglichkeiten ausgestatteter Beraterarbeitsplatz sowie die Bereitstellung der zugehörigen Schnittstellen. Kundenbanken haben neben dem standardisierten und
150
Einzelne Module sind alternativ und zählen daher nur einmal zur Gesamtzahl der beziehbaren Prozesse (z.B. Systemunterstützung oder BPO für Portfolio Management).
108
4 Fallstudien
automatisierten Massenhandel auch die Möglichkeit, Individualorders151 über den Handel der DZ BANK zu tätigen, welche als stellvertretender Marktteilnehmer für die Kundenbank auftritt. Der DZ BANK Fullservice Plus bietet zudem die Möglichkeit, die Wertpapiersysteme der DZ BANK für (spezifische) Direktgeschäfte im Rahmen einer eigenständigen Marktmitgliedschaft zu nutzen. Via dwpbank kann die DZ BANK beide Arten von Aufträgen ausführen (inkl. Abstimmung der Gegenparteien), sowohl die über das eigene Handelsnetz getätigten Massen- und Individualorders als auch die über einen Börsenzugang der Kundenbank erfolgten Transaktionen. Zum Fullservice gehören neben der Abwicklung und Abstimmung von Börsengeschäften z.B. auch die komplette Depotverwaltung, die Erstellung der Kundenabrechnung als versandfähiges Kundenanschreiben, das Meldewesen, die Bereitstellung der Schnittstellen zur Börse und die Aufbereitung versandfähiger Bank- und Kundeninformationsanschreiben (z.B. für Hauptversammlungen, Kapitalveränderungen). Die optionalen Leistungen sind in drei Kategorien gegliedert (vgl. Abbildung 4-25): Value-Added Services: Hierzu zählen neben dem Research-Angebot vor allem Beratungsleistungen, Schnittstellen zu den Rechenzentralen und eventuellen Portfoliomanagementsystemen sowie Spezialanwendungen wie der Eigenhandel der Kundenbank oder Finanzplanung. Diese Services erbringt die DZ BANK selbst. Partner Services: In ihrer Rolle als Integrator fasst die DZ BANK Leistungen von spezialisierten Partnern zusammen. Im Anlagegeschäft sind dies primär die DZ BANK International für Leistungen im Portfoliomanagement152 und die DZ PRIVATBANK Schweiz, welche Vermögenswerte von Bankkunden153 im genossenschaftlichen Verbund auf Kundenwunsch in der Schweiz veranlagt. Product Services: Die DZ BANK bietet gemeinsam mit Partnern eine breite, im Markt anerkannte Produktpalette (z.B. Publikumspreis als Emissionshaus für Zertifikate in Deutschland von 2003-2006). Neben Eigenemissionen und White-Label Produkten bietet sie ihren Kundenbanken z.B. auch Schulungen und Marketing. Die Abbildung des Angebots der DZ BANK im Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft in Abbildung 4-26 zeigt, dass eine Kundenbank mit Ausnahme des Rechenzentrums und der dort angesiedelten technischen Betreuung der Systemlandschaft das gesamte Anlagegeschäft auslagern kann. Bei Inanspruchnahme des Maximalangebots kann die Kundenbank ihre Ressourcen vorrangig auf den Vertrieb und die Kunden151
152
153
Die DZ BANK bietet den Kundenbanken eine direkte Betreuung ihrer Kunden-/Vermögensberater durch Spezialisten aus den Produktbereichen Aktien/Optionsscheine/Investmentfonds sowie Zins- und Währungsprodukten. Zudem gewährleistet die Präsenz in vielen Märkten Kapitalmarktnähe, Beratungskompetenz in Märkten, Branchen und Produkten sowie kurze Reaktionszeiten. Dadurch können Kundenbanken Geschäftsfelder mit tradingorientierten Kunden sogar ausbauen. Die Leistungen werden in Luxemburg erbracht, da dort die entsprechende Kompetenz gebündelt verfügbar ist. Die Depots bleiben jedoch stets in den Büchern der Kundenbank. Das Portfoliomanagement wird auf gespiegelten Depots vorgenommen und an die Kundenbank zurückgespielt. Die für den Kunden zuständige Volks- und Raiffeisenbank erhält dafür eine Provision von der DZ PRIVATBANK. Das Bedürfnis nach einer Anlagemöglichkeit in der Schweiz ist historisch gewachsen, mittlerweile ist die Privatbank-Tochter bereits die sechstgrösste Schweizer Auslandbank.
4.5 Fallstudie DZ BANK
109
schnittstelle konzentrieren. Die Modularität des Angebots erlaubt eine weitreichende Individualisierung des Angebots. Die Minimalvariante DZ BANK Fullservice entspricht „nur“ den Rollen Broker, Custodian und Abwickler.
Abbildung 4-26: Interpretation des Maximalangebots der DZ BANK im NW Anlegen Systeme. Den Banken des genossenschaftlichen Verbunds stehen neben den bankfachlichen Services der DZ BANK auch die zwei Rechenzentren FIDUCIA oder GAD zur Verfügung. Das Anforderungsmanagement, die Verantwortlichkeit für die bankfachlichen Prozesse und die Weiterentwicklung der ausgelagerten Applikationen liegen bei der DZ BANK. Den Kooperationsbanken steht es offen, Rechenzentrumsleistungen bei FIDUCIA, GAD oder einem Drittanbieter zu beziehen. Im Anlagegeschäft übernimmt die DZ BANK die Verantwortung für die Bereitstellung und Weiterentwicklung der folgenden IT-Systeme: Beratungs- und Beratungsunterstützungssysteme (Professional Broker), Orderroutingsysteme, Handelssysteme, Abwicklungssysteme (via dwpbank, künftig WP2) sowie elektronische Vertriebswege (eBrokerage). Im Rahmen der Transformation einer Kundenbank auf ihre Leistungsplattform integriert die DZ BANK ihre Systeme in das Core Banking System der Bank. Bei Inanspruchnahme des gesamten Leistungsangebots im Anlagegeschäft sind dabei (im deutschen Markt154) vor allem folgende Schnittstellen zu beachten: Finanzumsätze: Dies betrifft sämtliche Geldströme aus dem Anlagegeschäft, die verwendeten Schnittstellen sind DTA und SWIFT. Kundenstammdaten: Zur Authentisierung und für gesetzliche Prüfungen des Auftraggebers, für die Kundenabrechnung und die Aufbereitung des Outputs. Meldewesen: z.B. für die Meldung nach § 9 Wertpapierhandelsgesetz und Steuerbescheinigungen. Die Schnittstellen sind weitgehend standardisiert. Dispo-Services: Zur Prüfung von Limiten und Bonität des Auftraggebers. 154
Banken aus dem Ausland beziehen vorrangig Brokerage- und Custody-Leistungen und werden in der Regel über die Standardschnittstellen SWIFT und FIX angebunden.
110
4 Fallstudien
Eine besondere Rolle in der IS-Landkarte der DZ BANK (vgl. Abbildung 4-15) spielen die Applikationen Professional Broker bzw. eBrokerage, welche die Schnittstelle des Providers zur Kundenbank bzw. den Bankkunden darstellen.
Beraterarbeitsplatz
- Bilanz - Meldewesen - Statistik
Rechenzentrum Bankplattform - Konto-Bestandsführung - Accounting - Tagesverarbeitung - Archivierung
ClientOutput
FXclick
Portfolio Management System
Markt & Handel Murex WP-System - Depot-Bestandsführung (§) - Depot-Disposition - Settlement & Clearing
FrontArena SAP
…
Cash via DTA
DTA - Zahlungsverkehr - Clearing
WP-Abrechnungen, Depotauszüge, HV etc.
Meldewesen (BaFin, BfF, BuBa) §9 WpHG
XIOS-Eurex
WP-System Marktfolge Ordering / Kurse / Bestände etc.
Frontends Middle-/BackOffice
ETD – Derivate Devisen
Kontodaten
Professional Broker
Bestände / Umsätze
Frontends Beratung
§24c KWG
AWV
SaDÜV
Börsen / Broker
ZIV
Zentralverwahrer
Fondsbeschaffung
LZB
Abbildung 4-27: IS-Landkarte DZ BANK (Status quo) in Anlehnung an [Wolf 2008] 4.5.3 Bewertung der Lösung Nutzen. Der Auslöser für Outsourcing-Überlegungen sind häufig operative Probleme wie die Ablösung eines IT-Altsystems, steigende Kosten durch höhere Lizenzbeiträge und sprungfixe Kosten oder neue gesetzliche Regelungen. Die Kundenbanken sehen den Nutzen jedoch zunehmend nicht nur in Kosteneinsparungen und Effizienzgewinn, sondern auch in strategischen Aspekten wie einem rascheren Markteintritt, einer kürzeren Time to Market bei neuen Produkten, etc. Tabelle 4-12 fasst Nutzenpotenziale einer Kooperation für die auslagernde Bank und die DZ BANK zusammen. Nutzen für eine auslagernde Bank
Bewahrung der Eigenständigkeit trotz umfassender Sourcing-Möglichkeiten Wählen aus einem Netzwerk von Spezialisten Ein Ansprechpartner für alle Bereiche anstelle von vielen Partnern Positive Wirkung des Volumens auf die Preise (Skaleneffekte ohne „Fusionsschmerzen“) Flexibilität, die eigene Leistungstiefe weitgehend frei zu bestimmen Rascher Markteintritt für Startup-Banken Umfassende Kosteneinsparungen Stabilität des Partners
Nutzen für die DZ BANK
Stärkung der Marktposition des eigenen Unternehmens und der Tochterfirmen (z.B. durch höhere Verkaufszahlen bei den Produkten) Erhöhung der Verkaufszahlen für bereits verfügbare Leistungen und Realisierung von Skaleneffekten Diversifikation des Kundenstamms und der Produktpalette Neue Ertragspotenziale heben: Zufluss an Neugeldern („Fresh money“) Entwicklung der Kundenbeziehung im Sinne der Verbreiterung des Leistungsbezugs (Allfinanz)
Tabelle 4-12: Nutzen der Kooperation für die auslagernde Bank und die DZ BANK
4.5 Fallstudie DZ BANK
111
Die Migration einer Kundenbank auf die Plattform der DZ BANK kann speziell bei Neugründungen rasch abgewickelt werden. So schätzt das Institut den Zeitbedarf für eine mittlere Bank mit ca. 1.500 Kundendepots und dem Leistungsumfang des Fullservice-Pakets auf circa 3 Monate. Zeitintensiv sind erfahrungsgemäss vor allem (gesetzliche) Spezialthemen (z.B. die Beantragung einer Banklizenz und nachfolgend die Registrierung einer Bankleitzahl). Analog zum steigenden Leistungsumfang der Kundenbanken ist das Vertrauen in die Beratung gestiegen, was wiederum die Transformation beschleunigt. Preismodell. In Anlehnung an eine Stückpreisphilosophie offeriert die DZ BANK für fast alle Leistungen ein Utility-Pricing-Modell („Pay as you use“), das sich direkt auf die Zahl der Transaktionen bezieht und mit dem die Kundenbanken an den Skaleneffekten der gesamten Kundenbasis partizipieren. Eine Ausnahme sind Individualgeschäfte, bei denen ein prozentualer Anteil am Umfang der Transaktion üblich ist. Ein Beispiel für die schrittweise Variabilisierung der Preise ist die Entkopplung von Transaktionspreisen und Research. Früher war es üblich Research-Leistungen pauschal in den Transaktions-/Stückpreisen mit zu verrechnen. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Qualität (Marktführer in Deutschland) hat sich die DZ BANK entschieden, diese Leistung separat zu verrechnen. Aktuell bietet das Unternehmen drei Leistungspakete mit der Hausmeinung (in Deutschland gängige Bezeichnung für ResearchLeistungen) für Servicekunden, Betreuungskunden und Individualkunden. Im Anlagegeschäft belastet die DZ BANK für die Basisleistungen des Fullservice Pakets (vgl. Abbildung 4-25) einen volumenunabhängigen Orderstückpreis und einen Depotservicepreis. Darin bereits enthalten sind folgende Leistungen: Grundversorgung Privatkundengeschäft, Multi-Kanal-Infrastruktur, Unterstützung und Beratung, Orderrouting und Ordermonitoring, Settlement, Abrechnungen und Meldewesen, Depotverwahrung und Depotverwaltung, Jahresendverarbeitung sowie gesetzliche Anforderungen und Regulatorien. Der Aufwand für Verwaltung, Wartung und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur wird nicht separat berechnet. Das bedeutet für eine Kundenbank eine dauerhafte Entlastung in dreierlei Hinsicht: deutliche Verringerung von Fixkosten-Blöcken, Abbau der damit verbundenen Risiken und Reduzierung von in der IT gebundenem Eigenkapital. Initialkosten können je nach Kundenbedürfnis via Einmalzahlung, via Ratenzahlung über mehrere Jahre oder via höhere Stückpreise verrechnet werden. Bei der Kalkulation dieser Projektkosten veranschlagt die DZ BANK keine Marge. Generell ist die DZ BANK aufgrund des hohen Verarbeitungsvolumens in der Lage, bei den einzelnen Preisen auf das Geschäftsmodell und die Bedürfnisse der Kundenbank einzugehen, solange in Summe eine attraktive Rendite erwirtschaftet wird. Diese Flexibilität erachtet die DZ BANK als Differenzierungsfaktor, da dadurch eine Kundenbank z.B. auch im Falle einer Neugründung rasch von der Kooperation profitieren kann. Einen Sockelbetrag berücksichtigt die DZ BANK nur in Ausnahmefällen bei hohem Risiko.
112
4 Fallstudien
4.5.4 Fazit und Ausblick Fazit. Die DZ BANK deckt als Integrator in Kooperation mit einer Reihe von Spezialisten das Anlagegeschäft und weitere Teile des Bankgeschäfts quasi vollständig ab. Primär bietet das Unternehmen diese Leistungen ihren Eigentümern, den deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Auf Basis eines stabil hohen Wachstums hat die DZ BANK in den vergangenen sechs Jahren ein Geschäftsfeld mit Bankdienstleistungen für Kooperationsbanken aufgebaut. Das Angebot ist aufgrund der Breite der Leistungen einzigartig im deutschen Markt. Zudem profitiert das Unternehmen durch das Aktionariat der ca. 1.000 Genossenschaftsbanken von hoher Stabilität und Unabhängigkeit. Ein Differenzierungsmerkmal ist zudem, dass die DZ BANK keine Privatkunden betreut und daher nicht in direkter Konkurrenz zu ihren Kundenbanken steht. „Die Banken wollen und müssen wettbewerbsfähig bleiben und bauen daher verstärkt auf die externe Zusammenarbeit. In Zukunft wird jede Bank ihre Rolle gemäss ihrer Alleinstellungsmerkmale finden müssen, damit das Wertschöpfungsnetzwerk optimal funktioniert.“ Jens Wolf, in [Klostermeier 2006, 20]
Ausblick. Die DZ BANK verzeichnet seit der Lancierung ihres Angebots für Kooperationsbanken ein stetiges Wachstum in diesem Geschäftsfeld. Abbildung 4-28 zeigt, dass sich pro Jahr fünf bis sechs neue Kundenbanken für das Angebot der DZ BANK entschieden haben. In den kommenden 3-5 Jahren plant die DZ BANK eine Ausweitung des Angebots auf andere Länder. Im Fokus stehen aktuell Österreich und die Schweiz. Für Banken aus Österreich ist z.B. bereits der gesamte Leistungsumfang des Professional Broker verfügbar. Zudem gibt es bereits erste Kundenbanken in Österreich, die verstärkt auf Produkte der DZ BANK setzen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben eine Leistungserbringung in Österreich von Deutschland aus. Das Wachstum von fünf bis sechs neuen Kundenbanken pro Jahr (vgl. Kurve mit Rauten in Abbildung 4-28) soll beibehalten werden. Der Anteil Auslandbanken nimmt dabei stetig zu (vgl. Kurve mit Dreiecken in Abbildung 4-28). Als günstig für ihr Angebot erachtet die DZ BANK die prognostizierten Wachstumsfelder im deutschen Bankenmarkt, nämlich Vermögensanlage, Private Banking, Altersvorsorge und Kapitalmarktlösungen für Firmenkunden. Diese Aspekte deckt das Angebot bereits ab. 40
Anzahl
30
Anzahl Banken
20
Summe Ausland
10 0 2002
2003
2004
2005
2006
2007
Abbildung 4-28: Neue Sourcing-Partner der DZ BANK nach [Wolf 2007, 13] Generell geht die DZ BANK davon aus, dass die Nachfrage nach Integratoren steigen wird, da sich viele Banken rein auf den Vertrieb fokussieren und dabei kein komplexes Provider-Netzwerk pflegen wollen. Gleichzeitig werden die Anforderungen zuneh-
4.6 Gegenüberstellung der Fallstudien
113
men, vor allem in den Bereichen Prozess Know-how (Beratung von Kundenbanken ohne Spezialkompetenz), flexibler Bereitstellung von Ressourcen und Netzwerksteuerung. Die DZ BANK ist überzeugt, dass Unternehmen mit hoher Netzwerkkompetenz die nachhaltigen Gewinner des Aufbrechens der Wertschöpfungskette sein werden. Dies gilt sowohl für Integratoren als auch für Spezialinstitute wie z.B. die dwpbank. Neben dem nachgefragten Leistungsumfang und der Komplexität der Services wird auch die Nachfrage nach grenzüberschreitenden Angeboten zunehmen. Im Zahlungsverkehr hat sich die DZ BANK Tochter Equens bereits erfolgreich international positioniert. Mit dem Angebot rund um das Fullservice-Paket sollen nun neue Märkte (in einem ersten Schritt in Mitteleuropa) bearbeitet werden. 4.6 Gegenüberstellung der Fallstudien
Entris
DZ BANK
Rolle / Makroprozesse Rollen156 im Referenznetzwerk Anlegen
B-Source
Unternehmen
Bank Vontobel
Dieses Kapitel stellt die in den Fallstudien beschriebenen Unternehmen und ihre Angebote zur Vernetzung im Anlagegeschäft auf den BE-Ebenen gegenüber155 und schafft damit eine Grundlage für die Ableitung von Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.1. Der Vergleich in Tabelle 4-13 zum Angebot der Fallstudien für ausgewählte Rollen des Referenznetzwerks und weitere Makro-Prozesse des Bankmodells zeigt, dass mit Ausnahme der als Auswahlkriterium obligatorischen Rolle des Abwicklers nur die Valorenzentrale im Angebot aller vier Fallstudien-Unternehmen enthalten ist.
Vertriebsbank (eigene Bankkunden)157
E
Abwickler
E
E
E
E
Broker
E
E
Händler
E
E
(Global) Custodian
E
E
E*
Valorenzentrale
E
E
E
E
Produktentwicklung
E
E
Portfolio Management
E
E
Weitere Makro-Prozesse gemäss Bankmodell (vgl. Kapitel 3.2.4)
E*
Weitere Zahlungsverkehr für Drittbanken (BPO) bankfachliche Pro- Kreditabwicklung für Drittbanken (BPO) zesse Partner-/Kontoführung für Drittbanken (BPO)
E
E
E
;
E
;*
E
;*
Support Prozesse
E
;
;
Application Management (Bereitstellen Bankplattform) IT-Betrieb / Rechenzentrum-Leistungen
E
Weitere Prozesse (z.B. HR, Rechnungswesen)
;
Legende: 0 umfassend abgedeckt
& teilweise abgedeckt
nicht abgedeckt
* geplant
Tabelle 4-13: Gegenüberstellung nach Abdeckung im Netzwerk Anlegen+158
155 156 157
Der Vergleich der Fallstudien entspricht einer Interpretation der analysierten Unternehmen durch den Autor. Die Rollen EVV, Börsenplatz, Clearing Cash-Seite und Zentralverwahrer sind ausgeklammert, da sie nicht von Privat-Unternehmen wahrgenommen werden können oder für die Gegenüberstellung irrelevant sind. Bank Vontobel unterhält als einziges Unternehmen selbst Bankkundenbeziehungen. Da es sich dabei um kein Angebot an Drittbanken handelt, ist diese Rolle ausgegraut.
114
4 Fallstudien
Entris
Teilprozess
DZ BANK
Makroprozess
B-Source
Unternehmen
Bank Vontobel
Tabelle 4-14 vergleicht die in den Fallstudien beschriebenen Lösungen im Detail nach ihrer Abdeckung des Referenzprozesses.
Auftragsinitialisierung (Teilprozesse ausgeklammert)
Auftragserfassung
;
;
;
E
;
Regulatorische Prüfung
E
;
;
Prüfung der Handelbarkeit
E
E
E
Limiten- / Bonitätsprüfung
E
;
E
Bestandsprüfung
E
E
E
Datenerfassung (manuell) Datenübernahme (elektronisch)
Auftragsprüfung
Auftragsfreigabe Auftragshandel
Leitwegbestimmung
;
;
E
E*
Pooling
E
E
E*
Platzierung
E
E
E*
Externe Abwicklung Interbanken
;
;
Auftragsverarbeitung
Entgegennahme (Trade)
E
E
Kursstellung Devisen
E
E
E*
Spesen- / Gebühren- / VSt-Ermittlung
E
E
E
E
Verbuchung
E
E
E
E
Konformkontrolle
E
E
E
;
Clearing & Settlement
E
;
E
;
Aufbereitung Kundenoutput
E
E
;
E
Druck Kundenoutput
E
E
Archivierung
E
;
;
Monitoring
;
;
;
;
Reconciliation
E
E
E
E
Verwaltungshandlungen (CA)
E
E
E
E
Investigations / Berichtigungen
;
;
;
;
Gebührenablieferung börsenseitig
E
E
Vertrieb / Beratung
E
Depotführung
;
;
;
;
Produktentwicklung
E
E
Valorenstammpflege
E
E
E
E ;
Transaktionsbezogene Prozesse
Transaktionsübergreifende Prozesse
Kundenführung
Kundenreporting
Legende:
E*
E
;
Portfolio-Management
E
E
Research
E
E
0 umfassend
& teilweise
keine Abdeckung
* geplant
Tabelle 4-14: Vergleich der Maximalangebote nach Abdeckung des Referenzprozesses
158
„Netzwerk Anlegen+“ bedeutet, dass Tabelle 4-13 nicht nur die Rollen des Netzwerks Anlegen, sondern auch einige Makro-Prozesse aus dem Bankmodell (vgl. Kapitel 3.2.4) beinhaltet, die zum Teil in den Fallstudien von Bedeutung sind und auch zum besseren Verständnis der Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.1 beitragen.
4.6 Gegenüberstellung der Fallstudien
115
Vergleich auf Ebene Strategie
Privatbanken Retailbanken National International (Angebot für Institute mit Sitz ausserhalb des Herkunftslandes) Beteiligung für Kundenbanken möglich 159 Trennung Corporate & Product Governance Mitspracherecht bei der Weiterentwicklung des Unternehmens und des Angebots Bankstatus 160 Ein-/Ausstiegsmöglichkeiten Einschränkung durch Auslagerung Ausweitung des Leistungsangebots (Vorteile für Kunden durch Anlagekompetenz) Kostenreduktion (bezogen auf Ist-Kosten: E >20%, ; 5-20%, <5%) Einschränkung bei Partnernetz
Geographische Ausrichtung Governance-Modell
Auswirkungen auf die Bankkunden der auslagernden Bank Auswirkungen auf die auslagernde Bank Nutzen für das beschriebene Unternehmen als Provider BPO-Community (meint die Gruppe der Kundenbanken eines BPO Providers)
Legende:
Entris
Ausprägung
Kundensegment
DZ BANK
Aspekt
E E E
E E E
E E E E
E E
; ;
; ; ;
; ;
; ;
E ; E
;
E ; E
;
Bank Vontobel
Unternehmen
B-Source
Tabelle 4-15 vergleicht die Fallstudien aus strategischer Sicht. Die untersuchten Unternehmen unterscheiden sich bereits hinsichtlich ihrer Zielkunden. Während B-Source Privatbanken mit internationaler Ausrichtung ansprechen will, fokussieren Vontobel und Entris aktuell Schweizer Banken. Die DZ BANK hat eine breite Kundenbasis in Deutschland und strebt nun an, ihre Leistungen auch in anderen europäischen Ländern anzubieten. Für Services wie Brokerage und Custody hat das Institut bereits Kunden im Ausland. In drei Fallstudien wurden die Segmente Auslandbanken und StartupBanken als besonders „vernetzungswillig“ genannt, da diese Banken oft schon bei ihrem Markteintritt in die Schweiz bestrebt sind, vorhandene Kompetenzen von Spezialisten einzukaufen (vgl. z.B. in Kapitel 4.3 das Beispiel der National Bank of Abu Dhabi als Kunde von B-Source).
k. A.
E k. A.
E
E
E
;*
Bessere Ausnutzung der bestehenden Infrastruktur Cross-Selling (im Anlagegeschäft)
E E
E
E E
;
Homogenität Signifikante Grösse nach Anzahl Partner Signifikante Grösse nach TRX-Volumen Zeitdauer des Bestands der Community (E >5 Jahre, ; 2-5 Jahre, <2 Jahre)
E
; E E E
; E E E
; ; E 161 E
0 trifft zu
& teilweise
trifft nicht zu
k.A. keine Angabe
Tabelle 4-15: Gegenüberstellung der Fallstudien auf Ebene Strategie
159 160
161
Meint die Überschneidungsfreiheit zwischen den Eigentümern und Netzwerk-Partnern des Unternehmens. Das Ziel aller Anbieter ist, dass ihre Leistungen für sich am Markt bestehen können. In der Praxis sind die Provider jedoch bestrebt, ihre Investitionen in neue Partner abzusichern und Verträge mit Mindestlaufzeiten zu vereinbaren, aus denen die Kundenbank jederzeit mit entsprechender Strafzahlung aussteigen kann. Abhängig davon, ob die Leistungserstellung bei Entris (seit 2008) oder der Bestand der RBAS-Community beurteilt wird.
116
4 Fallstudien
B-Source und Entris beziffern das Einsparungspotenzial durch die Vernetzung im Anlagegeschäft für eine Vertriebsbank mit mindestens 20% bei einem umfangreichen Leistungsbezug. Die anderen beiden Institute machen keine pauschale Aussage, u.a. aufgrund der Ungewissheit über die bisherige Effizienz der Verarbeitung bei der potenziellen Kundenbank und der Abhängigkeit vom Geschäftsmodell der auslagernden Bank. Eine grundsätzliche Aussage ist, dass die i.d.R. ambitiösen Kosteneinsparungsziele umso eher erreichbar sind, je weniger Differenzierungspotenzial die auslagernde Bank in den von der Auslagerung betroffenen Teilbereichen sieht. So verursachen z.B. das Aufrechterhalten von Beziehungen zu Brokern und Custodians sowie das Beharren auf Prozessspezialitäten im Backoffice zusätzlichen Aufwand und wirken sich nachteilig auf die Realisierung von Netzwerkeffekten aus. BPO im Anlagegeschäft ist für Schweizer Banken noch kein skalenorientiertes Outsourcing-Geschäft, da die Banken noch zu wenig kompromissbereit sind, um die Rahmenbedingungen eines Massengeschäfts (z.B. Harmonisierung bzw. Standardisierung von Produkten und Prozessen) zu akzeptieren. Im Zahlungsverkehr ist diese Entwicklung bereits weitgehend erfolgt. Gemäss aktuellen Studien (vgl. z.B. Kapitel 3.1.2) sehen Schweizer Banken eine klare Tendenz zu verstärkter zwischenbetrieblicher Vernetzung mit möglichst einfachen Konstrukten (Schlagwort „One-Stop-Shop“). Provider wie B-Source sind daher bestrebt, ihren Kunden in Zusammenarbeit mit weiteren Spezialisten (vgl. Abbildung 4-12) einen breiten Ausschnitt der Wertschöpfungskette aus einer Hand anzubieten. Der Vergleich in Tabelle 4-13 zeigt, dass drei der betrachteten Unternehmen Dienstleistungen in allen drei Bankprozessen (Zahlen, Anlegen und Finanzieren) anbieten. Vergleich auf Ebene Prozesse Tabelle 4-14 beschreibt das Maximalangebot der in den Fallstudien betrachteten Unternehmen anhand der Schritte des Referenzprozesses162 Anlegen. Der Vergleich macht Unterschiede zwischen Unternehmen mit und ohne Bankstatus deutlich, wobei Entris gemäss Business Cut A künftig (über einen Partner) auch Dienstleistungen erbringen will, für die ein Bankstatus erforderlich ist (z.B. Handel). Bezüglich der Netzwerkeffekte und der dafür erforderlichen Standardisierung liefern die Fallstudien ein weitgehend homogenes Bild (vgl. Tabelle 4-16). Skaleneffekte entstehen im Anlagegeschäft in den stark automatisierten Bereichen wie Order Routing und Abwicklung, ein weiterer Netzwerkeffekt ergibt sich aus der Bündelung von Leistungen wie z.B. Brokerage und Global Custody (Wegfall des Abgleichs von Settlement-Instruktionen). Standardisierung auf Prozessebene versuchen die Anbieter in der Regel in Form von mehreren Standardpaketen (vgl. z.B. Business Cuts bei Entris) zu erreichen. Individuelle Varianten sind bei allen Providern bei positivem Business Case denkbar.
162
Die transaktionsübergreifenden Prozesse Gebührenpflege, Exposure Management und Compliance sind ausgeblendet, da die Verantwortung für diese Prozesse stets bei der Bank verbleibt. Ergänzend berücksichtigt ist die börsenseitige Abrechnung als Zusatzleistung, die einen eigenen Marktzugang des Providers erfordert.
4.6 Gegenüberstellung der Fallstudien
117
Ausprägung
DZ BANK
Ausschöpfung von Netzwerkeffekten
Auf Basis des Volumens (Skalen)
E
E
E
Auf Basis der Breite des Angebots
;
;
E
;*
Harmonisierung / Standardisierung
Angebot gemäss Standard-Prozessen
;
;
;
;
Depotstellen vom Provider bestimmt
E
E
E
E
Depotstellen von Kundenbank bestimmt Modularität / Flexibilität des Angebots Legende:
Entris
Aspekt
B-Source
Unternehmen
Bank Vontobel
Eine wesentliche Frage für eine Vertriebsbank auf Prozessebene ist, ob eine Trennung von Handel und Custody-Geschäft sowie von Global und Client Custody aus strategischen und / oder Effizienz-Gründen sinnvoll ist. Da viele Banken aktuell nicht bereit sind, Kundendaten an andere Banken und damit an Streetside Provider mit eigenen Bankkundenbeziehungen (ein Zentral-Institut wie die DZ BANK ist hier auszunehmen) herauszugeben, ist eine Trennung von Global Custody und Abwicklung oft erforderlich.
;E*
Mehrere Standard-Angebote
E
;
E
;
Individualisierung möglich
;
E
;
;
0 trifft zu
& teilweise
trifft nicht zu
* geplant
Tabelle 4-16: Gegenüberstellung der Fallstudien auf Ebene Prozesse Vergleich auf Ebene Systeme Ausgangspunkt der Fallstudien ist zwar die Rolle des Abwicklers, die Angebote der betrachteten Unternehmen umfassen jedoch durchwegs eine breitere Abdeckung im Referenznetzwerk Anlegen. Aus Systemsicht ist folgende Struktur erkennbar: Die Abwicklungssysteme werden in der Regel vom Abwickler bestimmt, da eine Harmonisierung eine Voraussetzung für die Realisierung von Skaleneffekten und damit von Einsparungen ist. Hier ist analog zu den Banken ein Trend zu Standardsoftware zu verzeichnen, unter anderem um Synergieeffekte in der Weiterentwicklung zu erzielen sowie aufgrund der vermeintlich einfacheren Gewinnung und Migration neuer Kundenbanken. An der Bankkundenschnittstelle (z.B. Portfolio Management System, eBanking, Beraterarbeitsplatz) und beim Marktzugang (z.B. Order Management, Handel, Research) gewähren die Provider den Vertriebsbanken weitgehende Flexibilität bei der Wahl ihrer Systeme. Vontobel stellt ihren Kundenbanken z.B. auf Wunsch MAS bereit. In der Regel hat eine Kundenbank folgende Möglichkeiten die Wertpapieraufträge an Händler und/oder Abwickler zu übermitteln: SWIFT- oder FIXSchnittstelle, Reuters- oder Bloomberg-Terminal, proprietäres User Interface des Providers oder proprietäre Schnittstelle. Falls die Vertriebsbank auf demselben System wie der Abwickler arbeitet (z.B. bei Entris und B-Source, künftig auch bei Vontobel-Raiffeisen), sinken die Aufwände für Schnittstellen zur Abwicklung.
118
4 Fallstudien
Aspekt
Ausprägung
B-Source
DZ BANK
Entris
Unternehmen
Bank Vontobel
Im Interbankenbereich sind die IS-Schnittstellen soweit standardisiert, dass der Einsatz unterschiedlicher Systeme keinen signifikanten Integrationsaufwand verursacht. Die Anpassung an diese Marktstandards bedeutet aber wiederkehrenden Aufwand. Daher haben sich in diesem Bereich bereits Spezialisten etabliert, welche die Anbindung an die Interbanken gemäss dieser Standards sicherstellen. Ein Beispiel ist das Unternehmen Biveroni, das u.a. für B-Source Schnittstellen(systeme) zur SIC, zum SWIFT-Netzwerk und zu SegaInterSettle (SECOM) betreibt.
IS-Landschaft
Standard-Bankenplattform
E
E
;
E
Frontend individuell je Kundenbank
E
E
E
;
;
FIX
E
E
E
E
SWIFT
E
E
E
E
Reuters-/Bloomberg-Terminal
E
E
E
E
Eigene Systeme (GUI)
E
;
E
;
Frontend nach Providerstandard Standardschnittstellen für den Order Entry
Legende:
0 trifft zu
& teilweise
trifft nicht zu
Tabelle 4-17: Gegenüberstellung der Fallstudien auf Ebene Systeme Als kritische Erfolgsfaktoren aus Systemsicht für einen Provider im Anlagegeschäft haben die Interviewpartner u.a. folgende Aspekte besonders hervorgehoben: die Mandantenfähigkeit163 der Systeme (z.B. B-Source als eine der ersten MultiEntity-Installationen von Avaloq), die Harmonisierung der Abwicklungs- und Interbankensysteme für die Realisierung von Skaleneffekten aufgrund einer gemeinsamen Fixkostenbasis, die Parametrisierbarkeit der Systeme (z.B. Abbilden von Regeln zur Bestimmung des Handelswegs nach den Wünschen der Bank – z.B. standardisierte Aufträge bis CHF 10.000 via Broker XY) sowie den Schutz bzw. die Anonymisierung der Kundenstammdaten.
163
In Zusammenhang, aber nicht in Widerspruch zur Mandantenfähigkeit steht die Systemanforderung der Provider an bankübergreifende Verarbeitung: Aktuell sind Provider häufig damit konfrontiert, dass ihre Backoffice-Mitarbeiter sich bei der Verarbeitung der Kundenaufträge je Kundenbank separat beim System an- und abmelden müssen. Eine Abstraktion der Transaktionsverarbeitung von den Mandantengrenzen und damit bankübergreifende Verarbeitung der zu bearbeitenden Aufträge birgt signifikantes Einsparungspotenzial.
5.1 Gestaltungsoptionen
119
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell Das Kapitel beantwortet die beiden Fragen, welche konkreten Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft für eine Vertriebsbank bestehen sowie anhand welcher qualitativen und quantitativen Kriterien diese beurteilt werden können. Das erste Teilkapitel beschreibt ausgehend von den Referenzmodellen in Kapitel 3 und den Fallstudien in Kapitel 4 zunächst Gestaltungsoptionen164 für die Vernetzung im Anlagegeschäft. Die Charakteristika dieser Optionen sind jeweils auf den Ebenen des Business Engineering erläutert (vgl. linke Seite von Abbildung 5-1). Das zweite Teilkapitel präsentiert auf Basis von bestehenden Ansätzen ein Modell (vgl. rechte Seite von Abbildung 5-1) zur unternehmensspezifischen Bewertung von Unternehmensnetzwerken und deren Veränderung in BNR-Vorhaben. Teile dieses Bewertungsmodells werden in Kapitel 5.3 am Beispiel Anlagegeschäft diskutiert. Der dafür entwickelte Kriterienkatalog (vgl. Kapitel 5.3.1) ist die Grundlage für die beispielhafte Beurteilung der Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.3.2.
Abbildung 5-1: Einordnung der Ergebnisse von Kapitel 5 in das BE-Modell
5.1 Gestaltungsoptionen Ausgangspunkt der Darstellung der Gestaltungsoptionen ist stets der Status quo der Vernetzung im Anlagegeschäft (vgl. Abbildung 4-2), wonach viele Banken die meisten Rollen (noch) weitgehend selbst abdecken. Die nachfolgenden Teilkapitel zeigen 164
Eine Gestaltungsoption umfasst i.d.R. ein Bündel von Rollen aus dem Referenznetzwerk. Eine Vernetzung im Sinne der Etablierung von Partnerschaften mit unterschiedlichen Unternehmen für jede Rolle bedeutet einen zu hohen Koordinationsaufwand. Für jede Gestaltungsoption bleibt offen, ob der jeweils beschriebene Provider die Leistungen vollständig selbst erbringt oder (zum Teil) wiederum von Netzwerk-Partnern bezieht.
120
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
die Implikationen einer Umsetzung der einzelnen Gestaltungsoptionen für das Beispiel einer solchen vertikal integrierten Bank. Die möglichen Ausprägungen einer Kooperation im Anlagegeschäft sind, wie die Fallstudien zeigen, vielfältig und reichen von einer Ausgliederung der Wertpapierabwicklung über einen Single-Point-of-Access für das Anlagegeschäft bis hin zu einer Auslagerung der gesamten Back- und Middleoffices über alle drei bankfachlichen Prozesse Zahlen, Anlegen und Finanzieren. Je nach Ausprägung übernimmt und / oder orchestriert ein anderer Netzwerkpartner bestimmte Teile der Wertschöpfungskette. Dieses Kapitel erläutert sechs Gestaltungsoptionen auf den Ebenen des Business Engineering und deren Auswirkungen anhand des Referenznetzwerks Anlegen165. Option 4 – Transaktionsbank Option 1 plus WP-Abwickler Option 3 Investment Center
Option 2 Streetside Provider
Option 5 – Spezialist für das Anlagegeschäft
Option 6 – Backoffice / Fullservice Provider für Vertriebsbanken Spezialist Zahlen Spezialist Finanzieren Spezialist für übergreifende Leistungen
Abbildung 5-2: Übersicht zu den Gestaltungsoptionen Abbildung 5-2 zeigt die Gestaltungsoptionen und ihren Zusammenhang. Die Optionen 1 bis 5 umfassen Leistungen aus dem Anlagegeschäft, die sechste Option beinhaltet auch andere bankfachliche Bereiche und repräsentiert damit den Trend zu einer übergreifenden Kooperation (z.B. im Backoffice). Für Zahlen, Finanzieren und übergreifende Leistungen bestehen jeweils wieder mehrere Gestaltungsvarianten, die jedoch nicht im Fokus dieser Arbeit stehen. Die fünf Optionen für das Anlagegeschäft enthalten die Basisoptionen 1-3 und zwei Kombinationen dieser (Optionen 4 und 5). Die Prozesslandkarte in Tabelle 5-1 zeigt die Zuordnung der Schritte des Referenzprozesses Anlegen zu den Optionen 1-3, verzichtet aber auf eine Darstellung der Gestaltungsoptionen 4-6, da deren Abdeckung des Referenzprozesses aus der Prozesslandkarte via Kombination der anderen Optionen eindeutig ableitbar ist. Ein Spezialfall ist Option 6, die über das Anlagegeschäft hinausgeht. Ihre Abdeckung im Anlagegeschäft entspricht analog zu Option 5 einer Kombination der Optionen 1-3.
165
Jeder Gestaltungsoption wird ein Rollenbündel im Referenznetzwerk aus Kapitel 3.3.1 zugeordnet.
5.1 Gestaltungsoptionen
121 Option 2 – Streetside Provider
Option 3 Investment Center
Interbanken
Auftragserteilung
;
Auftragsentgegennahme
E
Authentisierung
E
Datenerfassung (manuell)
E
E
Datenübernahme (elektronisch)
E
E
E
E E E E
E E
;
E
Verbuchung
E E
; E E
E
Konformkontrolle
E
Clearing & Settlement
E E E E
;
Auftragsprüfung
Auftragsinitialisierung
Option 1 – WertpapierAbwickler
Auftragserfassung
Vetriebsbank
Regulatorische Prüfungen Handelbarkeit Limiten- & Bonitätsprüfung Bestandsprüfung
Auftragshandel
Auftragsfreigabe Leitwegbestimmung Pooling / Netting Platzierung
Externe Abwicklung – Ausführung
Auftragsverarbeitung
Entgegennahme Ausführung Kursstellung Devisen Spesen-/Gebührenermittlung
Aufbereitung Kundenoutput Druck Kundenoutput
Transaktionsübergreifende Prozesse
Transaktionsbezogene Prozesse
Archivierung Monitoring
;
;
E
Reconciliation
E
E
Gebührenablieferung
;
E
Verwaltungshandlungen
E
;
Investigations
E
E
E
Vertrieb / Beratung
E E ; E E
E E E E
; ; ; ;
; E ; E E
Kunden-/ Depotführung Produktentwicklung Gebührenpflege Valorenstammpflege Exposure Management Compliance Kundenreporting Portfolio Management Research
Legende: E = Umfassende Abdeckung
; = teilweise / optionale Abdeckung
= keine Abdeckung
Tabelle 5-1: Abbilden der Gestaltungsoptionen 1-3 auf den Referenzprozess Anlegen
122
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Sämtliche Referenzmodelle in dieser Arbeit und damit auch die nachfolgend beschriebenen Gestaltungsoptionen wurden im Einklang mit den in Kapitel 2.1.2 dargelegten Grundsätzen ordnungsmässiger Modellierung (vgl. Tabelle 2–2) konzipiert. Die folgende Aufzählung erläutert beispielhaft, inwiefern die Modelle diese Grundsätze (nachfolgend kursiv hervorgehoben) erfüllen: Die Gestaltungsoptionen basieren auf den Fallstudien und Fallbeispielen in den Kapiteln 3 und 4. Die Ausgestaltung der Modelle wurde grossteils im Rahmen der CC Sourcing Workshops thematisiert und ihre schrittweise Weiterentwicklung in Gesprächen mit Vertretern der Praxispartner mehrfach diskutiert. Nicht nur die bei der Entwicklung involvierten Praktiker, sondern auch Interviewpartner ausserhalb des CC Sourcing haben die Richtigkeit (Sprachadäquanz) und Relevanz (Konstruktionsadäquanz) der Optionen sowie der zugrunde liegenden Referenzmodelle (vgl. Kapitel 3) bestätigt. Zur Gewährleistung der Klarheit (z.B. im Sinne der Abgrenzbarkeit) und Vergleichbarkeit basieren alle Optionen auf dem Referenzprozess bzw. dem Bankmodell aus Kapitel 3.2 sowie dem Referenznetzwerk aus Kapitel 3.3. Die Verwendung des Business Engineering als Bezugsrahmen sichert den systematischen Aufbau der Modelle und damit konsistenter Inter-Modellsichtbeziehungen. Sowohl die Gestaltungsoptionen als auch das in Kapitel 5.2 vorgestellte Bewertungsmodell sind nach den BE-Ebenen gegliedert (vgl. Abbildung 5-1). Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit wird an dieser Stelle anhand der Kriterien Robustheit, Anpassbarkeit und Übertragbarkeit betrachtet. Das Kriterium Kosten/Nutzen-Relation kann an dieser Stelle aus Sicht der Referenzmodellierung nicht abschliessend beurteilt werden, da hierfür die konkreten Umsetzungsfälle in der Praxis noch fehlen. Aus Modellsicht wurde die Kosten/Nutzen-Relation aber für jene Modelle, die in den Fallstudien (als Teile der Kooperationen) vorkommen, von den Interviewpartnern durchwegs (sehr) positiv beurteilt. Die Robustheit der Modelle wird aufgrund ihrer tw. Praxiserprobtheit (z.B. Abwickler) sowie der iterativen Feedbackzyklen mit den Praxispartnern als erfüllt erachtet. Die Anpassbarkeit und Übertragbarkeit auf andere Länder (geprüft für Deutschland, Österreich und die Schweiz) und bankfachliche Bereiche sind aufgrund der Allgemeingültigkeit der zugrundeliegenden Referenzmodelle (z.B. dem Bankmodell) gegeben. 5.1.1 Option 1: Wertpapier-Abwickler Geschäftsarchitektur. Die Vertriebsbank überträgt alle Backoffice-Tätigkeiten des Anlagegeschäfts an einen darauf spezialisierten Provider. Da dieser stets im Namen der Bank agiert und die Streetside-Geschäfte weiterhin über das bisherige Netzwerk abgewickelt werden, ist für diese Option kein Bankstatus erforderlich. Der Wertpapier-Abwickler ist auch für die Ausführung von Verwaltungshandlungen verantwortlich, daher besteht ein Naheverhältnis zu den Tätigkeiten der Valorenzentrale. In der Praxis nehmen Unternehmen die Rollen Abwickler und Valorenzentrale oft
5.1 Gestaltungsoptionen
123
gemeinsam wahr. Aus Modellsicht ist möglich, dass der Wertpapier-Abwickler diese Tätigkeiten an einen weiteren Partner auslagert, wie dies z.B. bei der Sourcag bisher in Kooperation mit der Berner Kantonalbank als Valorenzentrale der Fall war und künftig mit Entris sein wird. Abbildung 5-3 zeigt die Positionierung der Handlungsoption Wertpapier-Abwickler im Referenznetzwerk Anlegen. Mögliche Zusatzleistungen sind der Betrieb von (bankfachlichen) Applikationen (Application Manager), die Bereitstellung und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur (ITO) und die Archivierung von Belegen und Datenbeständen. In der Praxis erweitern ITO- und ASP-Dienstleister für Banken ihr Angebot häufig in Richtung Backoffice-Tätigkeiten. Beispiele sind B-Source und RBA-Service.
Abbildung 5-3: Geschäftsarchitektur für Option 1 Wertpapier-Abwickler In der Schweiz existiert aktuell mit Ausnahme der Finaclear kein WertpapierAbwickler, der nicht zumindest teilweise im Besitz seiner Mandanten ist. Auch in Deutschland ist die Xchanging als unabhängiger Nachfolger der etb (Ausgründung der Deutschen Bank) die Ausnahme. Mögliche Gründe für diese häufigen Kapitalverflechtungen sind der Zugriff des Wertpapier-Abwicklers auf Teile der Kundendaten, die häufige Kombination mit dem Betrieb der Bankplattform (und damit eine starke unternehmerische Verflechtung) und die Sicherstellung von Mitspracherecht. Das Konzept, die WP-Abwicklung an einen Spezialisten auszulagern und bei diesem durch Volumenbündelung Skalenerträge zu erzielen, ist in Deutschland bereits weit verbreitet (vgl. [Kearney 2004]). In der Schweiz und in Österreich erbringen die meisten Banken diese Prozesse noch selbst (vgl. [Falkenberg et al. 2006, 25ff]). Prozessarchitektur. Die Gestaltungsoption umfasst die Auslagerung der Wertpapierabwicklung (Backoffice) an einen Provider. Dies bedeutet, dass der WertpapierAbwickler die Auftragsverarbeitung mit Ausnahme der Prozessschritte Entgegennahme Ausführung und Kursstellung Devisen übernimmt (vgl. Tabelle 5-1). Der Wertpapier-Abwickler hat selbst keine Vertragsbeziehungen mit den Rollen Händler, Broker und Custodian, sondern arbeitet mit diesen nur im Namen der Vertriebsbank zusam-
124
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
men. Die Handlungsoption hat somit keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Streetside-Netzwerk der Vertriebsbank. Als einen Teil der Backoffice-Tätigkeiten erledigt der Wertpapier-Abwickler die Abstimmung mit den Depotstellen bei dem / den jeweiligen (Global) Custodian/s. Da eine Harmonisierung oder gar eine Bündelung des Broker- und Depotstellennetzwerks signifikante Synergiepotenziale bietet, liegt es im Interesse des Wertpapier-Abwicklers, bei steigendem Kostendruck zu versuchen, „seine“ Vertriebsbanken von einem gemeinsamen Streetside-Netzwerk zu überzeugen166. Option 4 beschreibt eine Kombination des Wertpapier-Abwicklers mit dem Modell des Streetside Providers. Systemarchitektur. In der Praxis gibt es folgende Varianten für die Systemunterstützung dieser Gestaltungsoption: (1) Der Wertpapier-Abwickler arbeitet mit dem System der Vertriebsbank, wie es z.B. bei Sourcag und Entris der Fall ist. Somit entfallen für die Vertriebsbank das Risiko und der Aufwand für die Migration auf ein Drittsystem (Variante 2) bzw. das Schaffen von Schnittstellen und die Datenmigration (Variante 3). (2) Der Wertpapier-Abwickler betreibt das Wertpapiersystem bzw. die Bankplattform für die Vertriebsbanken, wie z.B. im Modell der B-Source167 (vgl. Kapitel 4.3). Diese Variante hat nicht zwingend Auswirkungen auf die Gestaltung der kundenorientierten Applikationen der Vertriebsbank. B-Source bietet z.B. bei den Frontoffice-Applikationen für die Kundenberatung, die Finanzplanung oder das Portfolio-Management eine Palette von marktüblichen Anwendungssystemen für Privatbanken (z.B. Odyssey Advisor) und ist bereit, auf Kundenwunsch weitere Drittsysteme anzubinden. Beim Abwicklungssystem setzt B-Source jedoch klar auf Standardisierung. Diese Entkopplung der transaktionsorientierten BackofficeSysteme von den beratungsorientierten Systemen birgt Differenzierungspotenzial. (3) Der Wertpapier-Abwickler arbeitet mit einer anderen Bankplattform als die Vertriebsbank. Diese Variante ist in der Schweiz noch nicht etabliert, sie wird aber in Deutschland z.B. von der dwpbank, dem Abwicklungspartner der DZ BANK, bereits erfolgreich praktiziert. Diese Variante impliziert eine relativ hohe Komplexität, da einige nicht standardisierte Schnittstellen abzudecken sind (z.B. für Kundenstammdaten). Zudem benötigt der Provider umfassende Daten über die Kunden der Vertriebsbank (Zitat aus einem Expertengespräch: „Diese Option bedeutet umfangreiche Datenherausgabe bei relativ geringem Sourcing-Umfang.“). Eine Auslagerung der Depotführung und der Verwaltung in Kombination mit ASP-Leistungen für die Kundenberatung, die Handelsinfrastruktur sowie für die übrigen transaktionsbezogenen und -übergreifenden Prozesse ermöglicht der Vertriebsbank die Abschaltung ihrer Systeme im Anlagegeschäft.
166 167
Die Vor- und Nachteile einer solchen Bündelung des Streetside-Netzwerks bei einem „preferred partner“ werden z.B. im Rahmen der Fallstudie zu B-Source in Kapitel 4.3.2 diskutiert. B-Source betreibt in ihrer Rolle als Abwickler für ihre Kundenbanken die Bankplattform und kann im Backoffice die Standardisierung der Prozesse und Schnittstellen vorantreiben.
5.1 Gestaltungsoptionen
125
Fazit. Voraussetzungen für den Erfolg des Wertpapier-Abwicklers sind tiefe Stückkosten durch Skaleneffekte und hohe Automation, da Banken diese Prozesse als nicht differenzierend und damit primär kostenorientiert betrachten (vgl. [Padevit 2006]). Der Umfang der Datenherausgabe ist verhältnismässig hoch für das Einsparungspotenzial eines reinen Wertpapier-Abwicklers. Für einen langfristigen Erfolg mit wettbewerbsfähigen Preisen sind hohe Volumina wie z.B. im Fall der dwpbank, eine breitere Leistungspalette (vgl. z.B. Option 4) und / oder differenzierende (Zusatz-)Leistungen erforderlich wie z.B. die Fokussierung auf Vertriebsbanken, die eine spezielle ITPlattform im Einsatz haben (z.B. Entris, Finaclear). Ein Vorteil der Option Wertpapier-Abwickler ist, dass der Provider keine Banklizenz für die Erbringung der Dienstleistungen benötigt und die Vertriebsbanken daher trotz der umfangreichen Datenherausgabe168 für die Prüfung und Abrechnung des Auftrags keine Konkurrenzierung befürchten müssen. 5.1.2 Option 2: Streetside Provider mit Handel Geschäftsarchitektur. Die Vertriebsbank verzichtet169 im Anlagegeschäft auf eine eigenständige Präsenz auf der Streetside und vertraut bei den Schnittstellen zu den Handelsplätzen einem Spezialisten. Dieser Streetside Provider deckt gemäss Abbildung 5-4 die Rollen Händler, Broker und Global Custodians ab. Ob er die Rolle des Brokers und des Custodians für einzelne Börsenplätze selbst übernimmt oder an Partner170 auslagert, ist aus Sicht der Vertriebsbank und für die Funktionsweise des Modells unerheblich.171 Ein häufiger Einwand gegen die Auslagerung des Handels ist die Forderung nach Unabhängigkeit des Eigenhandels der auslagernden Bank. Für den Eigenhandel der Vertriebsbank bedeutet die Kooperation mit einem Streetside Provider jedoch nicht zwingend eine Einschränkung, da die Eigenhändler via Netz des Providers bei höherer Kostentransparenz für komplexe Aufträge eventuell sogar eine grössere Palette an Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung haben. Auf Wunsch einer Kundenbank sind viele Streetside Provider auch bereit, einzelne Broker- und / oder CustodianBeziehungen der Vertriebsbank zu übernehmen (z.B. ist es üblich, dass eine Bank ihrem Broker als Gegenleistung für Research-Informationen ein bestimmtes Auftragsvolumen zusichert). Über diese zusätzlichen Netzwerk-Partner wickelt der Streetside
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[Kagermann/Österle 2006, 190] betonen, dass der Besitz von Stammdaten überbetrieblich eine starke Wettbewerbsposition bedeutet. Damit im Einklang sehen viele Banken bei der Herausgabe von Stammdaten an einen Netzwerkpartner die Gefahr einer Konkurrenzierung durch diesen Partner. Speziell hinsichtlich der Kundendaten sind Banken daher restriktiv. Besonders kleine und mittelgrosse Banken können die technologischen und gesetzlichen Anforderungen über einen eigenständigen Marktzugang kaum mehr abdecken und sind gezwungen, sich im Anlagegeschäft auf die Beratung („Advisory Only“) zu fokussieren (vgl. [Heinz/Schüller 2007, 17]). Im Custody- und Brokerage-Geschäft ist aktuell eine Konsolidierung im Gange, da aufgrund des zunehmenden Preiswettbewerbs nur mehr wenige Marktteilnehmer selbst ein umfassendes Netzwerk unterhalten. Die Fläche zum „Inhalt des Angebots“ in Abbildung 5-4 deckt die Rollen Broker und Custodian nicht vollständig ab, da aktuell kein Anbieter an allen Börsen weltweit vertreten ist und z.B. sämtliche Global Custodians mit Partnern in einzelnen Märkten zusammenarbeiten. Für die Vertriebsbank ist der Streetside Provider aber der Single Point of Contact.
126
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Provider aus Gründen der Kostenkontrolle i.d.R. einfache (automatisierte) Aufträge mit hoher Kostentransparenz ab. Da der Streetside Provider selbst auf dem Markt auftritt sowie Depots und Konten auf eigene Rechnung führt (z.B. beim Zentralverwahrer oder bei der an die jeweilige Börse angeschlossenen Clearing-Organisation), erfordert das Modell einen Bankstatus. Ein Vorteil dieser Gestaltungsoption ist geringerer Koordinationsaufwand für die Vertriebsbank. Der Provider übernimmt mit Ausnahme von Sonderwünschen die Leitwegbestimmung, d.h. die Kundenbank kann direkt von Automatisierungs- und indirekt von Skaleneffekten (u.a. Pooling von Transaktionen, bessere Einkaufsbedingungen bei Börsen) profitieren. Ein Nebeneffekt ist, dass die Bank durch die Auslagerung der Platzierung von der externen Abwicklung entbunden ist, da ausschliesslich der Streetside-Partner mit den Börsenplätzen und Partnerbanken interagiert. Die daraus resultierende Abhängigkeit wird durch die weitgehende Standardisierung der Schnittstellen und durch die dadurch einfache Substituierbarkeit von Streetside Providern relativiert.
Abbildung 5-4: Geschäftsarchitektur für Option 2 Streetside Provider mit Handel Prozessarchitektur. Diese Option umfasst die Auslagerung des Handels, also Leitwegbestimmung, Pooling und Platzierung sowie Entgegennahme ausgeführter Aufträge vom Handelsplatz (vgl. Tabelle 5-1). Die Aufträge werden von der Vertriebsbank erfasst und geprüft (u.a. Limiten- und Bonitätsprüfung). Nach der Freigabe werden sie an den Streetside Provider weitergeleitet, welcher die Abwicklung über sein Netzwerk veranlasst. Nach der Ausführung (z.B. Matching an der Börse) werden die Trades an die Vertriebsbank übermittelt. Zusätzlich zum Handel übernimmt der Streetside Provider die Rolle des Global Custodian als zentrale Depotstelle für die Vertriebsbank. Diese Integration birgt signifikante Synergien, wie z.B. den Wegfall der Abstimmung von Settlement-Instruktionen zwischen Broker und Custodian. Broker bieten i.d.R. auch Research-Leistungen (vgl. [Chan et al. 2007, 13]) für die Märkte, in denen sie präsent sind, und Custodians benötigen für die Leistungserstellung einen gepflegten Valorenstamm. Daher sind die Rollen Research Provider und Valorenzentrale als mögliche Zusatzleistungen angegeben.
5.1 Gestaltungsoptionen
127
Neben den beschriebenen Leistungen ist der Streetside Provider verantwortlich für die Überwachung von pendenten Transaktionen, Nachforschungen zu vergangenen Transaktionen, Abstimmung der Depots und Konten bei Zentralverwahrern, Subcustodians und Subbrokern, Ablieferung der angefallenen Börsen- und Clearinggebühren sowie deren Weiterverrechnung an die Vertriebsbanken und Abwicklung von Verwaltungshandlungen für alle Titel in den von ihm verwalteten Depots (eigene und jene der Kundenbanken). Systemarchitektur. Die Schnittstellen zur Streetside sind weitgehend standardisiert, der Grossteil der Daten wird bereits für die meisten Handelsplätze über Standardschnittstellen wie SWIFT, FIX oder Reuters Order Routing (vgl. Kapitel 3.3.3) ausgetauscht. Eine Entkopplung vom WP-System der Vertriebsbank ist daher möglich und wird in vielen Fällen dadurch erleichtert, dass Banken unterschiedliche Abwicklungssysteme für den Handel und die kundenseitige Wertpapieradministration einsetzen. So setzen z.B. Bank Vontobel (Bankplattform Avaloq für ihr eigenes Anlagegeschäft und das von Raiffeisen Schweiz) sowie künftig die Ibis-Banken für den Handel das Produkt OTMS von IBM ein. Die Standardschnittstellen ermöglichen nicht nur eine klare Abgrenzung in der ISArchitektur und damit das Einsparen von Entwicklungskosten durch das tatsächliche “Abschalten“ von Applikationen der Bank, sondern erleichtern auch einen Wechsel des Streetside Providers und den Vergleich der Leistungen alternativer Anbieter172. Fazit. Diese Option kann als Einsteigervariante gelten, weil die ausgelagerten Prozessschritte überschaubar sind und eher geringe Auswirkungen auf andere Bereiche (z.B. auf Korrespondenzbanken für den Zahlungsverkehr) haben. Daraus resultiert ein relativ kleines Risiko für eine Vertriebsbank. Ein Nachteil der Option ist, dass es sich um einen strategisch unbedeutenden Schritt handelt und damit die Fixkostenblöcke in der Abwicklung nicht variabilisiert werden. Stärken des Modells sind die einfache Umsetzbarkeit, die daher verhältnismässig kurze und kostengünstige Migration sowie die Realisierung von Quick Wins, wie z.B. dem Zugang zu zusätzlichen Börsenplätzen über das Netzwerk des Providers. Insbesondere kleinere Institute können bei den operativen Kosten (z.B. für Gebühren, Reconciliation und Koordination) für den Unterhalt eines (umfangreichen) Netzwerks für Handel und Verwahrung von Wertpapieren von Skaleneffekten bei einem Streetside Provider profitieren. Diese Effekte sind bei Bündelung der Volumina mehrerer Banken realisierbar, da die Kostenblöcke grossteils volumenunabhängig sind. Zudem entstehen durch die zunehmende Regulierung (z.B. best execution gemäss der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID als Vorgabe dem Bankkunden die bestmögliche Ausführung garantieren zu müssen) der Streetside signifikan172
Anbieter der Leistungen dieser Gestaltungsoption sind z.B. BNP Paribas, Société Générale, Credit Suisse, Bank Vontobel und Maerki Baumann.
128
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
te Entwicklungs- und Anpassungskosten, die via Streetside Provider zumindest auf mehrere Institute verteilt werden können. 5.1.3 Option 3: Investment Center Geschäftsarchitektur. Diese Gestaltungsoption umfasst sämtliche Leistungen im Anlagegeschäft, welche in die Kategorie „product innovation“ nach [Hagel III/Singer 1999] fallen. [Hennig 2007, 378] nennt dazu folgende Charakteristika für Leistungen von „produktlastigen“ Kooperationen: (1) Leistungen (Services, Aktivitäten, Wissen) werden in ein Produkt als Endergebnis integriert, (2) die Zusammenarbeit der Kooperationspartner ist weniger stark institutionalisiert und (3) im Vergleich zu transaktionsorientierten Kooperationen ist der Zugang zu Systemen und Infrastruktur nachrangig. Bezogen auf das Referenznetzwerk umfasst die Handlungsoption Investment Center die Rollen Portfolio Manager173, Produktentwickler und zum Teil Finanzplaner (vgl. Abbildung 5-5). Speziell die Finanzplanung ist aus Sicht vieler Banken ein sensibler Bereich für eine Auslagerung, da der Provider dafür Kontakt zum Bankendkunden benötigt und er für die Aufgabe, ein Anforderungsprofil des Kunden zu erstellen, diesen sehr gut kennen muss. In der Praxis gibt es noch keine Beispiele für die Auslagerung der Finanzplanung, die bestehenden Anbieter wie MLP und AWD akquirieren ihre Kunden direkt und arbeiten nicht mit Kunden von Kooperationsbanken zusammen. Häufig zu beobachten ist die Zentralisierung der Kompetenz für Finanzplanung wie im Beispiel der SGKB mit dem Hyposwiss Investment Center (vgl. Kapitel 3.3.2).
Abbildung 5-5: Geschäftsarchitektur für Option 3 Investment Center Für seine Aufgaben benötigt das Investment Center aktuelle Research-Daten, die es der Vertriebsbank zur Verfügung stellen bzw. weitervermitteln kann. Zudem kann das Investment Center der Vertriebsbank Anlagetipps geben, welche diese an jene Kunden weiterleitet, die ihr Portfolio selbst betreuen (vgl. Advisory Mandate in [Ryser/Spieler 173
Im Investment Center ist der Eigenhandel des Unternehmens im Sinne von Chinese Walls vom Kundenhandel zu trennen (vgl. http://www.deutsche-bank.de/lexikon/lexikon_de/content/index_89.htm, 25.04.2008).
5.1 Gestaltungsoptionen
129
2007, 124]). Je nach Ausgestaltung der einzelnen Leistungen erfordert diese Option nicht zwingend einen Bankstatus. So kann das Portfolio Management z.B. mit gespiegelten Daten arbeiten, für die das Investment Center nur Umschichtungsanweisungen an die Vertriebsbank übermittelt, welche die Bank dann selbst umsetzt.174 Aufgrund der Breite des Dienstleistungsspektrums kann ein Investment Center in der Regel nicht alle Aspekte der Produktentwicklung (z.B. Spezialthemen wie Wine Banking, Scharia-konforme Produkte für Islamic Banking oder Anlagen in Kunst) und Finanzplanung (z.B. steuerliche Themen, Stiftungen, Erbschaftsfolge) selbst abdecken, sondern arbeitet wiederum mit Spezialisten zusammen. Prozessarchitektur. Die Leistungen des Investment Centers sind weitgehend entkoppelbar vom restlichen Anlagegeschäft. Die Teilprozesse von Portfolio Management, Produktentwicklung und Finanzplanung initiieren ein Wertpapiergeschäft bzw. beruhen auf deren Ergebnissen. Die Prozessabläufe der angesprochenen Tätigkeitsbereiche sind komplex und müssen in der Regel flexibel an die Kunden anpassbar sein. So basiert z.B. professionelles Portfolio Management i.d.R. auf einem mehrstufigen Anlageentscheidungsprozess sowie umfassenden Qualitätssicherungsmassnahmen und v.a. Risikomechanismen (z.B. Vieraugenprinzip, Validierungsroutinen für Block-Orders). Systemarchitektur. Für die Tätigkeiten des Investment Centers gibt es spezielle Applikationen (z.B. Portfoliomanagementsysteme). Wesentliche Schnittstellen zu den Systemen der Vertriebsbank betreffen Informationen zum Kundenportfolio (v.a. mit Depotpositionen und Kontoinformationen) sowie für die Finanzplanung zum Kundendossier (v.a. unstrukturierte Daten). Bei der Umschichtung grosser Portfolios werden spezialisierte Applikationen eingesetzt, welche die Aufträge häppchenweise an der Börse platzieren und so eine Beeinflussung des Kurses vermeiden sollen. Fazit. Das Investment Center umfasst gegenüber dem Bankkunden differenzierende Aktivitäten mit hoher Marge175. Folglich ist eine Auslagerung vor allem für jene Banken attraktiv, die selbst über keine Kompetenz in diesem Bereich verfügen. Diese Vertriebsbanken können durch eine Kooperation mit einem Spezialisten der Gefahr entgegenwirken, dass ihre Bankkunden wegen der Nachfrage nach diesen Leistungen teilweise oder vollständig zu einem Konkurrenten wechseln. Das Modell ist relativ einfach in der Umsetzung, solange das Investment Center keinen Zugriff auf die Kundenprofile und Depotbestände benötigt, d.h. nur allgemeine Empfehlungen (z.B. Modell-Portfolio) und (massgeschneiderte) Produkte bereitstellt. Im Gegensatz dazu ist für die Leistungen eines individuellen Portfolio Managements und der Finanzplanung erforderlich, dass die Systeme und Prozesse eng mit jenen der Vertriebsbank gekoppelt sind (z.B. um One-Face-to-the-Customer zu gewährleisten).
174 175
Die DZ BANK bietet diese Dienstleistungen z.B. über die DZ BANK International in Luxemburg an. “Client demand and product innovation have led to an increase in high margin products which may have compensated the reduction of margins caused by increased competition.” [Cocca/Geiger 2007, 74]
130
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.1.4 Option 4: WP-Abwickler plus Streetside Provider (Transaktionsbank) Geschäftsarchitektur. Als Kombination der Gestaltungsoptionen 1 und 2 bringt dieses Modell eine Vereinfachung der Geschäftsarchitektur. Die Vertriebsbank hat für das transaktionsorientierte Anlagegeschäft, also den Kauf und Verkauf sowie die Administration von Wertpapieren, einen zentralen Ansprechpartner, der auch das StreetsideNetzwerk bedient und die Schnittstellen zu Brokern, Custodians, Börsen, Zentralverwahrern und Clearing-Stellen abdeckt (vgl. Abbildung 5-6). Das Konzept einer Transaktionsbank176 für das Anlagegeschäft mit einer Reihe von Mandanten ist in der Schweiz bisher u.a. an der Sorge der Banken gescheitert, dass der Provider sie konkurrenziert (vgl. z.B. [Bruchez et al. 2004, 52]). Der umfassendste Versuch war die im Jahr 2000 eingestellte Initiative, ein Gemeinschaftswerk für alle Schweizer Banken auf Basis der IT-Plattform der Credit Suisse zu lancieren (vgl. [Padevit 2006]). Mittlerweile entstehen erste Transaktionsbanken (vgl. [Wicks 2007]), wobei [Zwahlen 2006, 25] mittel- bis langfristig grosses Potenzial für die Schweiz sieht, sich im Transaction Banking als Offshore-Zentrum zu positionieren. Als einen wesentlichen volkswirtschaftlichen Vorteil nennt der Autor den gesetzlichen Datenschutz durch das Bankgeheimnis.
Abbildung 5-6: Geschäftsarchitektur für Option 4 Transaktionsbank Prozessarchitektur. Die Kombination der börsen- und bankkundenbezogenen Abwicklung und Administration von Beständen birgt Synergiepotenziale, z.B. in der Ausführung von Kapitalmassnahmen und Verwaltungshandlungen. Zudem betrifft das Modell sowohl auf der Streetside als auch im Backoffice vorrangig volumenbasierte Tätigkeiten, bei denen mit den gebündelten Volumina mehrerer Vertriebsbanken unter anderem folgende Effekte erzielbar sind:
176
Als Alternative zu Transaktionsbank ist in der Schweiz der Begriff Transaktionsinstitut für Anbieter gebräuchlich, die sich im Sinne von Option 1 auf die Abwicklung spezialisieren und keinen Bankstatus haben.
5.1 Gestaltungsoptionen
131
Verbesserte Einkaufsbedingungen im volumengetriebenen Brokerage- und Custody-Geschäft (Prinzip einer „Einkaufsgenossenschaft“). Gebühren für die Börsenmitgliedschaft fallen nur einmal an (beim Provider).177 Skaleneffekte, da die Fixkosten für die Handels- (z.B. SWIFT-Zugang) und Backoffice-Infrastruktur (z.B. Wertpapiersystem, Druckerstrasse) durch die Anzahl der Banken geteilt werden können. Niedrigere Weiterentwicklungskosten, da marktbedingte und oder gesetzlich vorgeschriebene Anpassungen von Prozessen und Systemen nur einmal anfallen. Durch die minimalen Unterbrechungen in Form zwischenbetrieblicher Schnittstellen in der Prozesskette hat diese Option im Vergleich zu einer isolierten Betrachtung der Option 1 oder 2 ein höheres Einsparungspotenzial. Die Verantwortlichkeiten sind klar abgegrenzt, was auch den Steuerungsbedarf reduziert. Systemarchitektur. Da die Systeme für die beiden Teilgestaltungsoptionen 1 und 2 oft separat geführt werden, gelten für die kombinierte Option die Ausführungen der vorhergehenden Kapitel. Wenn der Provider nicht mit dem System der Vertriebsbank arbeitet, entstehen der Bank prinzipiell keine Kosten mehr für den Betrieb und die Weiterentwicklung der Wertpapierabwicklungssysteme. Die Bank muss aber auf umfangreiche Daten aus dem Aufgabenbereich des Providers (z.B. Status von Aufträgen, Depotinformationen) für das Tagesgeschäft (Kundenberatung, Risikomanagement) sowie auf eine Spiegelung dieser Daten für die Buchhaltung (Bankenbuch) zugreifen können. Fazit. Auf den ersten Blick ist naheliegend, die beiden transaktionsintensiven Bereiche WP-Abwicklung und Streetside zu koppeln. Auf den zweiten Blick sind die Kompetenzen in diesen beiden Bereichen jedoch nicht deckungsgleich: So basiert der Wertpapier-Abwickler vor allem auf Infrastruktur- und Standardisierungskompetenz, während der Streetside Provider zudem noch Finanzmarktverständnis und einen breiten Marktzugang benötigt. Eine Kopplung verringert jedoch den Abstimmungsaufwand für Reconciliation und reduziert die Fehlerquellen in der Abwicklung durch Verringerung der beteiligten Akteure. Bei einer weitgehend standardisierten IS-Landschaft ist das Delta der Option im Vergleich zu einer Auslagerung im Sinne der Optionen 1 und 2 an zwei unterschiedliche Partner gering (vgl. z.B. Kapitel 4.3.2). Für Banken, die mit Ausnahme von Kundenberatung und Vertrieb keine eigene Kompetenz im Anlagegeschäft sehen, bietet sich eine Erweiterung im Sinne von Option 5 an.
177
Eine eigene Börsenmitgliedschaft im Heimmarkt stellt für viele Banken eine Prestige-Angelegenheit dar. Die Transaktionsbank könnte zulasten der Standardisierung und damit Effizienz (z.B. Verbundeffekte) eine Angebotsvariante anbieten, die den Banken die Erhaltung ausgewählter Börsenverbindungen ermöglicht.
132
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.1.5 Option 5: Spezialist für das Anlagegeschäft Geschäftsarchitektur. Diese Gestaltungsoption kombiniert die Optionen 1, 2 und 3. Die Vertriebsbank hat in diesem Fall für das Anlagegeschäft nur einen Partner, der ihr über sein Netzwerk sämtliche Dienstleistungen bereitstellt (vgl. Abbildung 5-7). Dabei ist unerheblich, ob dieser Provider die Leistungen weitgehend selbst erbringt, wie z.B. die Bank Vontobel für Raiffeisen Schweiz, oder ob er als Integrator auf Partnerschaften mit weiteren Spezialisten baut, wie z.B. die DZ BANK. Das Modell kann auch in Form eines Multisourcing in der Diktion von [Cohen/Young 2006] realisiert werden, bei dem die Vertriebsbank im Sinne einer sternförmigen Vernetzung Kooperationen mit mehreren Spezialisten aufbaut. Diese Variante entspräche der Realisierung von Option 1, 2 und 3 mit verschiedenen Partnern. Die Konsequenz eines solchen Best in Class-Ansatzes ist u.a. höhere Flexibilität in der Partnerwahl bei höherer Komplexität und höherem Koordinationsaufwand. Die Vertriebsbank benötigt in diesem Modell mit Ausnahme der Kundenberatung keine Kompetenz im Anlagegeschäft. Sie profitiert von Einsparungen, da weder ein Abwicklungssystem noch ein Streetside-Netzwerk zu betreiben und weiter zu entwickeln ist. Zudem gibt es auch bei dieser Option keine Auswirkungen auf Bankkunden, da der Ansprechpartner für den Kunden nach wie vor die Vertriebsbank bleibt. In dem der Gestaltungsoption ähnlichen Modell von Bank Vontobel (vgl. Kapitel 4.2) schulen Spezialisten des Providers die Kundenberater der Vertriebsbank. Inhalt der Option Mögliche Erweiterung
Spezialist für das gesamte Anlagegeschäft
Interbanken
Broker
Börsenplatz
Händler / Exec. Desk
EVV
Clearing National- / Zentralbank
Bankkunde
Zusatzleistungen:
Vertriebsbank
Abwickler
(Global) Custodian
Portfolio Manager
Valorenzentrale
ValorendatenProvider
Research Provider
Produktentwickler
Finanzplanung
Software Provider
Application Manager
Zentralverwahrer (CSD)
ITOProvider
Archivar
Abbildung 5-7: Geschäftsarchitektur für Option 5 Spezialist für das Anlagegeschäft Prozessarchitektur. Mit Ausnahme der Tätigkeiten mit direktem Kundenkontakt übernimmt der Spezialist für das Anlagegeschäft sämtliche Prozessschritte, die in Tabelle 5-1 den Optionen 1, 2 und 3 zugeordnet sind. Speziell bei komplexen Produkten ist es von Vorteil, wenn der Wertpapier-Abwickler Know-how über die Konzeption und Funktionsweise der Produkte hat. Zudem begünstigt die Integration von Produktentwicklung und Abwicklung die rasche Markteinführung innovativer Anlageformen.
5.1 Gestaltungsoptionen
133
Systemarchitektur. Die Tatsache, dass der Spezialist der einzige Ansprechpartner für das Anlagegeschäft ist, bedeutet neben der Vereinfachung im Schnittstellenmanagement und den erzielbaren Verbundeffekten (economies of scope) auch eine Abhängigkeit für die Vertriebsbank. Nicht nur systemseitig besteht eine enge Bindung an den Provider, die Bank muss auch ihr Markt- und Prozess-Know-how im Anlagegeschäft weitgehend abbauen, um signifikante Einsparungseffekte zu realisieren. Die Vertriebsbank betreibt für das Anlagegeschäft keine eigenen Applikationen mehr. Falls der Spezialist nicht mit dem Kernbankensystem der Vertriebsbank arbeitet, muss er sicherstellen, dass die erforderlichen Daten (z.B. Depotbestände, Auftragsstati) stets in diesem verfügbar sind (z.B. für das interne und externe Reporting, die Kundenberatung sowie die Anbahnung von Lombard-Krediten). Fazit. Diese Gestaltungsoption ist die umfassendste Auslagerungsvariante für eine Vertriebsbank und erlaubt ihr, sich auf das Anlagegeschäft zu fokussieren. Weil das Modell einen Bankstatus erfordert, ist ein Erfolgskriterium, dass der Provider nicht in direkter Konkurrenz zu seinen Mandanten steht. Erprobte Varianten sind hierzu komplementäre Geschäftsmodelle wie im Beispiel von Bank Vontobel und Raiffeisen Schweiz sowie der Leistungsbezug bei einer Zentralbank wie z.B. der DZ BANK, die keine (eigenen) Bankkunden betreut. 5.1.6 Option 6: Backoffice / Fullservice Provider (für reine Vertriebsbanken) Geschäftsarchitektur. Die Konzentration auf Vertriebskompetenz, die viele Banken mittelfristig anstreben (vgl. Kapitel 3.1.2), impliziert die Auslagerung weiterer Teile der Bank-Wertschöpfungskette und die Zusammenarbeit mit Spezialisten (z.B. Betrieb des Rechenzentrums, Application Management, Zahlungsverkehr- und WertpapierAbwicklung, Interbanken-Geschäft, Produktentwicklung). Eine Bank, die bereit ist, Teile des Anlagegeschäfts im Netzwerk zu beziehen, ist häufig auch gewillt, andere Bankbereiche zumindest teilweise auszulagern. Bei der Gestaltungsoption Backoffice / Fullservice Provider lagert die Vertriebsbank alle Aktivitäten ohne Kundenkontakt aus. Dazu zeigt Abbildung 5-8 das im CC Sourcing entwickelte Referenznetzwerk178 für das Bankgeschäft, das auf einer Integration der Netzwerke für die Bankbereiche Anlegen, Finanzieren und Zahlen basiert. Die Einfärbung der Rollen ist folgendermassen zu verstehen: Dunkelgrau sind jene Rollen eingezeichnet, deren Auslagerung bereits im Rahmen der Gestaltungsoptionen 1-5 für das Anlagegeschäft diskutiert wurde. Weiss eingefärbt sind jene Rollen, die eine Bank nicht selbst erbringen kann (z.B. Ratingagentur, Interbanken). Hellgrau eingefärbt sind jene Rollen, die eine potenzielle Ergänzung der Optionen für das Anlagegeschäft darstellen (z.B. Kreditbank).
178
Für Option 6 greift das Referenznetzwerk Anlegen zu kurz, da diese Variante die prozessübergreifende Sicht über mehrere Bankprozesse einnimmt. Der Anhang umfasst eine rudimentäre Beschreibung der Rollen des aggregierten Referenznetzwerks in Abbildung 5-8. [Hoffmann/Reitbauer 2008] diskutieren das Modell im Detail und zeigen seine Anwendung an einem konkreten Beispiel.
134
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Variante Backoffice Provider: Besonderes Synergiepotenzial bietet offensichtlich eine Bündelung der Abwicklung, da die hier anfallenden Tätigkeiten einen ähnlichen Charakter aufweisen. Daher ist die Rolle des Abwicklers im Modell an der Schnittstelle der drei Bereiche eingezeichnet. Weiteres Potenzial für Verbundeffekte durch eine Ergänzung von Leistungen im Anlagegeschäft durch andere Bereiche bergen zudem die Support-Rollen Application Manager, ITO Provider / Rechenzentrum, OutputManager, Digitalisierer und Archivar. Abwickler (vgl. Gestaltungsoption 1) mit einem Leistungsangebot im Anlegen, Finanzieren und Zahlen gibt es in der Schweiz bereits, wobei der Prozessumfang im Kreditbereich noch gering bzw. in Planung ist. Diese Provider, wie z.B. B-Source und Entris, bieten ihren Mandanten auch umfassende Unterstützung bei Support-Leistungen. Sie beschränken sich jedoch mangels eines Bankstatus auf diese Rollen und bieten den Vertriebsbanken in den restlichen Bereichen maximal Empfehlungen für bevorzugte Partner (z.B. für das Brokerage- und CustodyNetzwerk). Variante Fullservice Provider: Dieses Modell ergänzt die Variante Backoffice Provider um weitreichende Produkt- und Serviceleistungen. Die zugrunde liegende Idee ist ein Anbieter, bei dem die Vertriebsbank „alles aus einer Hand“ beziehen und so ihre individuelle Leistungstiefe selbst bestimmen kann. Ein Praxisbeispiel für dieses Angebot ist die DZ BANK, die als Zentralbank für die Volksbanken ein umfassendes Angebot bereitstellt, aus dem eine Kooperationsbank relativ frei wählen kann. Prozessarchitektur. Prinzipiell sind mit Ausnahme der Führungs- und Vertriebsprozesse sämtliche Prozesse aus dem Bankmodell in Kapitel 3.2.4 auslagerbar. Dies widerspiegelt auch die Darstellung in Abbildung 5-8. Für einige Rollen ist es aus fachlicher Sicht unerheblich, ob sie bei einem spezialisierten Kooperationspartner bezogen oder bei einem Fullservice Provider gebündelt werden (z.B. Kredit-Broker, Händler / Execution Desk und Refinanzierer). Die nachfolgenden Beispiele zeigen jedoch, dass eine Integration von Rollen zumindest fallweise vorteilhaft ist: Der Backoffice Provider hat eine integrale Sicht auf die Kunden-, Konto- und Depotführung. Die Harmonisierung der dort abgelegten Stammdaten kann bei ihm zentralisiert werden, und die Daten (z.B. Sperrinformationen, Kundentyp) sind etwa für Prüfungen bei der Transaktionsabwicklung jederzeit aktuell (im System) verfügbar. Von der Auftragsverbuchung im Anlagegeschäft besteht eine direkte Schnittstelle zum Zahlungsverkehr (Clearing) sowie von der Auftragsprüfung und dem Auftragshandel zur Kontoführung. Durch die Kopplung der Abwickler-Rollen über beide Bankbereiche Zahlen und Anlegen wird der Schnittstellen- und Abstimmungsaufwand reduziert. Systemarchitektur. Weil die Übernahme von Abwicklungsleistungen in allen drei Bereichen bedingt, dass der / die Netzwerkpartner über umfassende Daten der Bank verfügt / verfügen, ist eine gemeinsame Software-Plattform von Provider und Vertriebsbank sinnvoll. Wem diese Plattform gehört und wer sie betreibt, ist aus Modellsicht
5.1 Gestaltungsoptionen
135
unerheblich. Eine Kopplung der Parametrisierung der Software mit den Tätigkeiten eines Backoffice Providers hat den Vorteil, dass der Provider Anpassungen der Parameter oder des Systems zur Effizienzsteigerung direkt durchführen kann.179 Potenzielle Nachteile sind fehlendes Spezialwissen der Vertriebsbank über die Leistungsfähigkeit / Funktionsweise des Systems sowie eine erhöhte Abhängigkeit vom Provider. Aus netzwerkökonomischen Gründen ist eine Standardsoftware180 als Bankplattform sinnvoll, da erstens die heterogenen Anforderungen vieler Banken ein Treiber für die Aktualität und Mächtigkeit des Systems sind und zweitens die Weiterentwicklungskosten potenziell im Mandantenkreis geteilt werden können. Der zweite Punkt liegt im Ermessen des Providers, der diese Skaleneffekte nicht zwangsläufig an seine Mandanten weitergeben muss. Fazit. Die Koordination und Kontrolle eines Sourcing-Netzwerks verlangt neben einem gewissen Prozess-Know-how spezielle Kompetenzen in der Netzwerk-Steuerung. Speziell (nach Anzahl der Mitarbeiter) kleinere Institute tendieren dazu, die Koordination des Sourcing-Netzwerks auszulagern und wenn möglich alles aus einer Hand zu beziehen. Die Idee des Integrators basiert auf der Zentralisierung der Netzwerkkoordination, wobei ein Integrator im Unterschied zum Backoffice bzw. Fullservice Provider möglichst wenige Bank-Dienstleistungen selbst erbringt und sich auf seine Kernkompetenz in der Integration von Leistungen konzentriert. Die Umsetzung von Option 6 bedeutet für die Bank eine sehr geringe Eigenfertigung und kommt damit der Idee einer reinen Vertriebsbank nahe.
179 180
In diesem Fall übernimmt der Backoffice Provider auch die in [Kutsch et al. 2007, 5f] beschriebenen Rollen des Implementierers und Application Managers für die (Standard-)Software. Ein häufiges Argument gegen die Einführung einer Standardsoftware ist, dass Banken in der individuellen Ausgestaltung ihrer Frontend-Systeme eine Differenzierungsmöglichkeit gegenüber ihren Bankkunden sehen. Eine Entkopplung der transaktionsorientierten Backend-Systeme von den Frontend-Systemen strebt z.B. B-Source für ihre Kundenbanken an (vgl. Abbildung C–2).
Abbildung 5-8: Referenznetzwerk für das Bankgeschäft
Legende:
Legal / Regulatorien
Bankfachliche Prozessbereiche
1
SoftwareProvider
Zahlen
Vertriebskompetenzen
Marketing
(z.B. Fitch, S&P)
tät, Sicherheiten)
Human Resources
Ratingagenturen
Auskunftei (Boni-
Kreditbank
2
RZ / ITOProvider
Anlegen
3
Output Manager
KreditrisikoManager
Transaktionskompetenzen
Application Manager
Refinanzierer/ Verbriefer
Finanzieren
Kreditfabrik
Zahlungsverkehr
Wertpapierabwickler
Korrespondenzbank (ZV)
Custodian (Depotstelle)
Portfoliomanager / Finanzplaner
Abwickler
WertpapierBroker
2
Händler / Execution Desk
Marktbeziehung zu (je nach Geschäftsmodell)
Rechnungswesen
Recovery / Credit Workout
Kredit-Broker
Zahlen
Vertriebsbank
Finanzieren
Rolle
Produktentwickler
Bankkunden
EVV
Anlegen
1
Archivar
Zusatzleistungen
Digitalisierer
Zentralbank
Weitere ZV-NW (z.B. SWIFT)
International
TARGET 2
Eurogiro
SEPA
Europa
Clearing
National
Sicherheiten
Wertpapiere
Zentralverwahrer
Fonds Provider
Börsen
Marktplätze
Interbanken
ValorendatenProvicer
3
136 5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.2 Bewertungsmodell
137
5.2 Bewertungsmodell „Die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre entlässt … den der klassischen Mikroökonomie in das Reich der Fabel.“ [Heinen 1976, 395]
Dieses Teilkapitel entwickelt ein Modell zur Bewertung von BNR-Vorhaben. Dessen Nutzung konkretisiert Kapitel 5.3 im Rahmen einer beispielhaften Anwendung des Modells auf die Gestaltungsoptionen für das Anlagegeschäft aus Kapitel 5.1. Das Ziel des Bewertungsmodells ist die Unterstützung eines Unternehmens bei der Entscheidung über mehrere Handlungsalternativen für die (Neu-)Gestaltung seines Unternehmensnetzwerks. Die Grundlagen für ein solches Modell liefert die normative bzw. präskriptive181 Entscheidungstheorie, die sich mit Problemen befasst, bei denen unter bestimmten Umweltzuständen aus mindestens zwei Wahlmöglichkeiten eine abschliessende Auswahl derjenigen Alternative zu treffen ist, die am besten zur Zielerfüllung beiträgt (vgl. [Bea et al. 2004, 311]). Die Zielfunktion, die aus den zugrunde gelegten Kriterien und den Anforderungen des Unternehmens besteht, dient im Zuge der Entscheidung der gerichteten Erforschung von Handlungsalternativen und als Bewertungsmassstab für die Auswahl der bevorzugten Alternative. (vgl. [Laux 2005]) Abbildung 5-9 nennt die Komponenten eines Entscheidungsmodells und zeigt deren Zusammenhang, wobei sich die Kernelemente Zielsystem und Entscheidungsfeld wechselseitig beeinflussen. So hat das Zielsystem mit den Präferenzen des Entscheiders Auswirkungen auf die betrachtete Alternativenmenge und vice versa (vgl. [Klein/Scholl 2004, 41f]). Prinzipiell sind bei Entscheidungsmodellen Auswahl- und Optimierungsmodelle zu unterscheiden. Während Optimierungsmodelle darauf ausgelegt sind, die für die Zielfunktion optimale Lösung (exakt) zu bestimmen, unterstützen Auswahlmodelle den Entscheider bei der vergleichenden Bewertung von Handlungsalternativen. Optimierungsmodelle sind Gegenstand des Operations Research und grundsätzlich vollständig quantitativ dargestellt. Auswahlmodelle hingegen sind nicht zwangsläufig rein quantitativ. (vgl. [Klein/Scholl 2004, 37; Simschek 2006]) Das Bewertungsmodell für Business Network Redesign ist ein Auswahlmodell, da das Entscheidungsfeld nicht vollständig beschreibbar ist und daher eine Auswahl unter Unsicherheit zu treffen ist. Entscheidungen in der Betriebswirtschaftslehre sind neben der Unsicherheit, sämtliche wesentlichen Aspekte berücksichtigt zu haben, stets mit der Ungewissheit bez. der künftigen Entwicklung behaftet. Bei Unternehmensnetzwerken trägt zudem die Unklarheit über das Verhalten der Kooperationspartner und Konkurrenten zur Unsicherheit bei. Ausserdem ist zu beachten, dass die Kriterien des Zielsystems unabhängig voneinander182 sowie disjunkt sind und die Zielpräferenzen 181
182
Im Gegensatz zur deskriptiven Entscheidungstheorie, die sich mit der Beschreibung und Erklärung von Entscheidungen befasst, versucht die präskriptive bzw. normative (Synonym) Entscheidungstheorie Ratschläge für die Lösung von Entscheidungsproblemen zu erteilen (vgl. [Bea et al. 2004, 311f; Laux 2005, 13ff]). Das Teufelsquadrat nach [Sneed 1987, 42] zeigt die Wechselwirkungen bei interdependenten / voneinander abhängigen Zielgrössen beispielhaft für vier wesentliche Ziele der Software-Entwicklung (Qualität, Quantität, Entwicklungsdauer und Kosten). Eine Verbesserung in einer dieser Dimensionen führt bei stabilen Kosten zwangsläufig zu einer Verschlechterung in mindestens einer anderen Dimension.
138
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
der Netzwerkpartner in Konkurrenz zu jenen des eigenen Unternehmens stehen können. Diese Aspekte sind in der Anforderungsliste für das Bewertungsmodell in Tabelle 5-2 explizit zu berücksichtigen. [Laux 2005] Informationen über das Entscheidungsproblem
Zielsystem / Zielfunktion Zielgrössen / Kriterien
Entscheidungsfeld
Präferenzen / Anforderungen
Präferenzrelationen (Anforderungsprofil)
Handlungsalternativen
Umweltzustände
Wirkungszusammenhänge
Nutzenbestimmung
Ergebnismatrix
Entscheidungsmatrix
optimale Lösung
Abbildung 5-9: Komponenten eines Entscheidungsmodells in Anlehnung an [Klein/Scholl 2004, 40; Laux 2005, 20] 5.2.1 Anforderungen an die Bewertung von BNR-Vorhaben Transformationsprojekte zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken implizieren eine Reihe von Anforderungen an eine fundierte Bewertung, wie z.B.: (1) Das Bewertungsobjekt stellt keine isolierte Einzelmassnahme dar, sondern ein Massnahmenbündel mit zeitlich und räumlich versetzten Wirtschaftlichkeitseffekten. (2) Die Beurteilung betrifft kein isoliertes Investitionsobjekt, sondern neben den Investitionskosten sind stets auch parallele Aufwendungen (z.B. für den laufenden Betrieb) zu verzeichnen. Daher ist ein ausschliesslicher Einsatz der klassischen Wirtschaftlichkeitsrechnung für den Anwendungsbereich unzureichend. [Picot et al. 2003, 198ff] Tabelle 5-2 fasst die Anforderungen an die Bewertung von (neugestalteten) Unternehmensnetzwerken aus bestehenden Ansätzen183 und den im Rahmen der Workshops des CC Sourcing erhobenen Praxisbedürfnissen in neun Punkten zusammen, beschreibt diese und nennt jeweils konkrete Massnahmen zu deren Erfüllung im nachfolgenden Bewertungsmodell (Spalte „Berücksichtigung“). [Picot et al. 2003, 199] erläutern Problemfelder der Bewertung vernetzter Informations- und Kommunikationstechnik. Diese Punkte (vgl. unterstrichene Wörter in Tabelle 5-2) sind auf BNR-Projekte übertragbar und wurden bei der Formulierung der Anforderungen mit berücksichtigt. 183
Ergänzende / Alternative Anforderungslisten für Bewertungsmodelle zu Sourcing-Projekten in der Finanzindustrie beschreiben [Alt/Zerndt 2006, 109f; Simschek 2006, 12ff].
5.2 Bewertungsmodell Anforderung
139 Beschreibung
Berücksichtigung im Modell
Für eine möglichst vollständige Betrachtung und die Vereinbarkeit mit der Struktur der Gestaltungsoptionen (Durchgängigkeit) soll die Bewertung Kriterien auf allen Gestaltungsebenen der Unternehmensmodellierung berücksichtigen (Ganzheitlichkeitsproblem).
Das Bewertungsmodell umfasst sowohl qualitative Kriterien als auch einen quantitativen Teil mit einer dynaGanzheitliche mischen Kosten-/Erlös-Betrachtung. Betrachtung Der Kriterienkatalog zur qualitativen Bewertung ist analog zum Modell des BE-HSG gegliedert und umfasst die Eine fundierte Unterstützung der Entscheidung Blöcke Strategie, Prozesse, Systeme, erfordert eine Betrachtung von qualitativen Kri- Politik / Kultur und Transformation. terien und quantitativen Kennzahlen (vgl. auch Der quantitative Teil des Bewertungs[Bakalov/Nanji 2005, 52]). Der qualitative Teil modells basiert auf der Kosten- und Kombinierter soll Kriterien umfassen, die erlauben, den Leistungsrechnung sowie der FinanzMehrwert einer neuen Lösung greifbar zu maAnsatz planung zur Ermittlung der Liquiditätschen (Innovationsproblem). Im quantitativen belastung. Zudem berücksichtigt der Teil ist neben der Kostensicht auch die ErlösAnsatz wert- und lebenszyklusorientiersicht zu berücksichtigen, um eindimensionalem te Kostenrechnungsinstrumente. Cost Cutting vorzubeugen. Dem Umstand, dass die Entscheidung unter Der qualitative Kriterienkatalog besteht Unsicherheit zu treffen ist (Unsicherheitsprob- aus zwei Teilen, anhand derer im Rahlem), soll das Modell mit einer Risikosicht men einer Nutzwertanalyse das PotenRisikosicht Rechnung tragen. Diese ist von der Potenzial- zial und das Risiko einer Alternative sesicht zu trennen. parat beurteilt werden. Neben der Sicht des eigenen Unternehmens Der Kriterienkatalog enthält eine EinMultisoll das Bewertungsmodell z.B. auch die Perschätzung zur Meinung der Stakeholder spektive der Kunden, der (potenziellen) Netzzum BNR-Projekt (vgl. StakeholderPerspektivität werkpartner und Mitarbeiter berücksichtigen. Analyse in Kap. 5.2.2.1). Das Modell soll nicht nur den Status quo beDer Kriterienkatalog umfasst für die Potrachten, sondern auch künftige Auswirkungen tenzial- und Risikosicht Zielgrössen zur beleuchten. Es ist daher ein Zeitfenster von in Transformation und Entwicklung. Der Betrachtungsder Regel 3-5 Jahren zu berücksichtigen (ZuBusiness Case berücksichtigt prospekrechnungsproblem zeitlich verzögerter Effektiv mehrere Jahre. Das Modell unterhorizont te). Zudem ist zwischen den Phasen Betrieb scheidet zudem explizit die Phasen Run (Run) und Transformation (Change) zu unterund Change (z.B. eigene Dimension scheiden. Transformation im Kriterienkatalog). Speziell die quantitative Beurteilung soll die Das Modell sieht sowohl einen umfasAbbildung alternativer Szenarien unterstützen. senden qualitativen Kriterienkatalog als Dies soll das Situationsproblem entschärfen, auch eine detaillierte Systematik von das die Gefahr beschreibt, dass Entscheide Kosten- und Erlösblöcken vor. UnterSzenariofähigkeit von spezifischen Umweltzuständen beeinflusst schiedliche Szenarien einer Handbzw. verfälscht werden. lungsalternative können so durch gezielte Anpassung einzelner Messgrössen abgebildet werden. Das Bewertungsmodell soll Spezifika der Das in diesem Kapitel präsentierte MoBranche und des jeweiligen Fachbereichs be- dell basiert auf allgemeinen und für die rücksichtigen, um eine realitätsnahe BewerFinanzindustrie spezifischen Ansätzen. Domänenbezug tung zu gewährleisten. Das MassgrössenDer allgemeine BNR-Kriterienkatalog problem weist auf die Schwierigkeit der wird nachfolgend auf das AnlagegeIdentifikation passender Kriterien hin. schäft angepasst. Die Struktur und der Inhalt des Modells sollen Die Elemente des Modells werden defiintuitiv nachvollziehbar sein. Die Elemente des niert (und voneinander abgegrenzt). Bei Bewertungsmodells sind klar zu definieren, um der Definition der Kriterien wird darauf Einfachheit und Interpretationsspielräume weitgehend auszugeachtet, Interdependenzen zu vermeiVerständlichkeit schliessen. Zudem muss nachvollziehbar blei- den. Um die Aussagekraft zu wahren, ben, welche Effekte aus welchen Teilen der werden die Teilergebnisse (Potenzial, Bewertung stammen (Verbundproblem). Risiko, Wirtschaftlichkeit) nicht zu einer allumfassenden Kennzahl aggregiert. Für das Bewertungsmodell soll ein VorgeDas Modell hat einen modularen Aufhensmodell vorliegen, das die (einfache) Kom- bau mit weitgehend unabhängigen Vorgehen zur bination und die isolierte Anwendung einzelner Bausteinen. Dieses Kapitel erläutert die Modellbausteine beinhaltet. Anwendung dieser einzelnen Elemente, (flexiblen) Zudem ist die korrekte Anwendung der Bewer- Kapitel 6 stellt das Vorgehen zur AnAnwendung tungselemente in den verschiedenen Phasen wendung des Bewertungsmodells im eines BNR-Projekts zu erläutern. Gesamtkontext eines BNR-Projekts dar.
Tabelle 5-2: Anforderungen an ein Bewertungsmodell für Business Network Redesign
140
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.2.2 Bestehende Ansätze zur Bewertung von BNR-Vorhaben In der Literatur existiert eine Reihe von Bewertungsansätzen, die einen Beitrag für die Beurteilung eines BNR-Vorhabens leisten können. Tabelle 5-3 bringt jenen Auszug daraus, der vorrangig als Grundlage für die Konzeption des Bewertungsmodells verwendet wurde. Die nachfolgenden Teilkapitel erläutern diese Ansätze184. Nach einer Kurzbeschreibung werden dabei alle Ansätze im Kontext von Business Network Redesign beurteilt sowie beispielhaft Aspekte genannt, die auch im anschliessend beschriebenen Bewertungsmodell von Bedeutung sind. Diese Aspekte spielen im jeweiligen Ansatz eine wesentliche Rolle und fliessen als Kriterien (z.B. Wechselkosten), als Parameter (z.B. Diskontierungszinssatz) oder als konzeptionelle Rahmenbedingungen (z.B. Berücksichtung des Lebenszyklus eines BNR-Vorhabens und von Stückkostengenauigkeit für Aussagen zur Variabilisierung von Fixkosten im neugestalteten Netzwerk) in das in Kapitel 5.2.3 erläuterte Modell ein. Qualitative Ansätze (vgl. 5.2.2.1)
Kombiniert (vgl. 5.2.2.3)
Quantitative Ansätze (vgl. 5.2.2.2)
Strategisches Management: 1. Resource-based View (RBV) 2. Scorecard-Methoden Transaktionskostentheorie Stakeholderanalyse Netzwerkeffekte
Analytic Network Process Model nach [Jharkharia/Shankar 2007] Strategic Sourcing Framework nach [Lammers et al. 2004] IBI-Kubus als multikausales Entscheidungsmodell nach [Locher/Mehlau 2002] Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell nach [Bernet 1998]
Kostenrechnung 1. Prozesskostenrechnung 2. Life Cycle Costing / Target Costing 3. Total Cost of Ownership Finanzplanung Investitionsrechenverfahren
Tabelle 5-3: Qualitative, quantitative und kombinierte Bewertungsansätze 5.2.2.1 Qualitative Ansätze Für die qualitative Bewertung (der Transformation) von Unternehmensnetzwerken kommt eine breite Palette von Ansätzen in Frage. Dieser Abschnitt greift fünf grundlegende Elemente wie z.B. die Analyse der Interessensgruppen und Netzwerkgesetze heraus und diskutiert sie im Detail. Strategisches Management 1. Resource-based View (vgl. [Barney 1991; Mata et al. 1995]) Kurzbeschreibung: vgl. Kapitel 2.2.4 Beurteilung des Ansatzes: Die Grundaussagen des Resource-based View sind wesentlich für ein BNR-Vorhaben und fliessen auch in die meisten kombinierten Ansätze ein. 184
Die Ausführungen basieren teilweise auf Sekundärliteratur. Diese beinhalten jeweils Verweise auf die Primärquellen. Falls nicht anders angegeben, beruhen die Teile Kurzbeschreibung und Aspekte für das Bewertungsmodell auf den in der jeweiligen Überschrift angeführten Quellen.
5.2 Bewertungsmodell
141
Die Konformität eines neugestalteten Unternehmensnetzwerks mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens (bei diesem Ansatz definiert über die [künftigen] Kernkompetenzen) ist ein zentrales Kriterium. Die Bewertungsmassstäbe aus dem RBV sind jedoch kaum objektivierbar und bilden nur einen spezifischen Aspekt ab. Aspekte für das Bewertungsmodell: Wert, Seltenheit / Einzigartigkeit, Imitierbarkeit, Substituierbarkeit, Dauerhaftigkeit und Mobilität einer Leistung. 2. (Balanced) Scorecard (vgl. [Kaplan/Norton 1996]) Kurzbeschreibung: Scorecards wie die Balanced Scorecard oder der Skandia Navigator basieren im Gegensatz zu klassischen Kennzahlensystemen auf der Annahme, dass ein Unternehmen für langfristigen Erfolg neben der traditionellen finanziellen Perspektive auch Aspekte wie den Kunden, die internen Prozesse und das Potenzial des Unternehmens für Innovation und Wachstum beachten muss. Die Balanced Scorecard ist ein Führungsinstrument zur Ausrichtung der Organisation auf die strategischen Ziele in den unterschiedlichen Perspektiven (Finanzen, Kunden, Prozesse, Mitarbeiter) und strebt an, die Zielerreichung auch nicht-finanzieller Kriterien messbar sowie durch die Definition von Einflussfaktoren und Massnahmen steuerbar zu machen. Beurteilung des Ansatzes: Die Konzeption ist mit der stetigen Überwachung von Kennzahlen und der Definition von Massnahmen zur Steuerung eher für die operative Führung eines Unternehmens als für Transformationsprojekte ausgelegt. Die Balanced Scorecard bietet aber wertvolle Hinweise auf Messpunkte. Die Perspektiven und Kriterien erfüllen die o.a. Anforderungen an den Bewertungsumfang nur zum Teil. Aspekte für das Bewertungsmodell: Kostenbewusstsein, Kundenzufriedenheit, Innovationskraft, Prozessqualität, Durchlaufzeit, Kapitalbindung, Wachstumsperspektive. Transaktionskostentheorie (vgl. [Williamson 1998; Wintergerst/Welker 2007]) Kurzbeschreibung: vgl. Kapitel 2.2.3 Beurteilung des Ansatzes: Die Theorie beinhaltet einen umfassenden Bezugsrahmen für eine Diskussion und Analyse von Gestaltungsoptionen, sie liefert aber keine Kennzahlen zur Messung der zentralen Koordinations-/Transaktionskosten. Aspekte für das Bewertungsmodell: Spezifität der Leistung, Unsicherheit der Kooperation, Transaktionshäufigkeit, Lebenszyklus einer Kooperation(sleistung) (z.B. Anbahnung, Definition, Steuerung, Anpassung) mit Kostentreibern (z.B. Agency-Kosten). Stakeholderanalyse (vgl. [Simmons/Lovegrove 2005]) Kurzbeschreibung: Der Stakeholder-Ansatz185 beleuchtet die Beziehung des Unternehmens zu seinem externen Umfeld auf Basis von drei Prämissen: (1) Jedes Unternehmen hat eine Reihe von Stakeholdern, deren Situation bzw. Entwicklung in wechselseitigem Wirkungszusammenhang mit jener des Unternehmens steht. (2) Der Prozess und das Ergebnis der Beziehungen des Unternehmens zu seiner Umwelt be185
Vgl. ergänzend die Einflusskräfte der Umwelt in [Müller-Stewens/Lechner 2005, 171ff].
142
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
einflussen sowohl das Unternehmen als auch die Stakeholder. (3) Die Wahrnehmung der Stakeholder hat Auswirkungen auf die Realisierbarkeit strategischer Handlungsoptionen. Die Analyse umfasst die Identifikation der für den Anwendungskontext wesentlichen Stakeholder, die Betrachtung ihrer Beziehung zum Unternehmen sowie ihre Wahrnehmung des jeweiligen Projekts zur Abschätzung etwaiger Konsequenzen. Beurteilung des Ansatzes: Der Ansatz liefert keine konkreten Hinweise zur Quantifizierung der Wahrnehmung der Stakeholder zu einem Veränderungsprojekt. Die Segmentierung der externen Anspruchsgruppen eines Unternehmens sowie die Charakterisierung der Beziehung von Stakeholdern zum Unternehmen bieten jedoch wertvollen Input für die qualitative Bewertung. Aspekte für das Bewertungsmodell: Akzeptanz in der Öffentlichkeit, Auswirkungen auf Kunden, Wahrnehmung seitens der Mitarbeiter, Konformität mit Regulatorien. Netzwerk-Effekte bzw. Netzwerk-Ökonomie (vgl. [Beck 2006, 41ff]) Kurzbeschreibung: Direkte und indirekte Netzwerk-Externalitäten sind wesentliche Treiber der Marktmacht eines Unternehmens (vgl. auch Kapitel 2.2.2). Eine grosse Rolle für die Realisierung von Netzwerk-Effekten spielen Standards oder allgemein die Kompatibilität z.B. der IT-Systeme, Güter oder Dienstleistungen. NetzwerkEffekte benötigen eine kritische Masse und können Lock-In- oder Lock-Out-Sitationen erzeugen, die wiederum Wechselkosten hervorrufen. Beurteilung des Ansatzes: Netzwerk-Effekte wie Verbund- und Lerneffekte sind i.d.R. nicht eindeutig messbar und daher nicht geeignet als Zielgrössen für die quantitative Bewertung. In Form von Kriterien für die qualitative Analyse liefert die NetzwerkÖkonomie aber einen wesentlichen Beitrag zu einer umfassenden Bewertung von BNR-Projekten. Aspekte für das Bewertungsmodell: Skaleneffekte, Verbundeffekte, Lerneffekte, Ein-/ Austrittsbarrieren bzw. Wechselkosten, Standardisierungsgrad der Schnittstellen, Erreichen der kritischen Masse, Marktmacht. Ergänzende qualitative Bewertungsaspekte Für die Bewertung (von Teilaspekten) der Vernetzung von Unternehmen ist eine Reihe von spezialisierten qualitativen Ansätzen entstanden, die i.d.R. auf Basis von grundlegenden Konzepten wie z.B. der Transaktionskostentheorie zusätzliche Aspekte von Unternehmensnetzwerken und der Veränderung von Geschäftsmodellen betrachten. Tabelle 5-4 nennt für eine Auswahl dieser Ansätze mögliche Beiträge zur Bewertung von BNR-Vorhaben. Die Aspekte dieser speziell auf BNR-Fragestellungen ausgerichteten Konzepte ergänzen die Aussagen der oben angeführten Ansätze.
5.2 Bewertungsmodell Ansatz / Titel
143 Quelle
Ergänzende Aspekte als Input für die Bewertung
Outsourcing benefits and risks for banks
[Fuss 2007, 24ff]
Kosteneinsparung, Qualitätsverbesserung, Flexibilität, Steuerungsaufwand, Erneuerung von Legacy-Systemen, Ausrichtung auf Kernkompetenzen, Abhängigkeit vom Provider, Verlust von Know-how („loss of corporate memory“), Kostenkontrolle.
Sticky Factors
[Hensel 2007, 9f]
Gründe für die Langsamkeit von BNR: Ein- / Austrittsbarrieren, Organisationsträgheit, Strukturträgheit und Zeitverzögerung.
When Your Contract Manufacturer Becomes Your Competitor
[Arrunada/Vazquez 2006]
Konkurrenzierung, Veränderung der Wertschöpfungskette, Verlust von Know-how, Kundenzugang, Veränderung des Partnernetzwerks, Vertrauen.
Erfolgsfaktoren des Geschäftsmodells
[Kagermann/Österle 2006, 14f]
Leistungsangebot, Kundenzugang, Kundenbindung, Auswirkungen auf die Unternehmensumwelt (Ecosystem), Emotion, Kosten, Preis, Geschwindigkeit (Time to Market).
Taking the Measure of Outsourcing Providers
[Feeny et al. 2005]
Fachwissen, Betriebsführung, Verhaltensmanagement, Beschaffung, Technologienutzung, Prozessverbesserung, Kundenorientierung, Planung / Vertragsabschluss, Organisationsstruktur, Unternehmensleitung, Programm-Management, Führungspersönlichkeit.
Sourcing-Strategien
[Löschenkohl/Weiss 2005]
Kapitalbindung, Kostenvariabilisierung, Verringerung der technischen Komplexität, Standortfrage, Governance-Mechanismen (z.B. Kommunikationspfade, Mitspracherecht), Retained Organisation, Verfügbarkeit und Qualifikation von Mitarbeitern.
Netzwerk- und Transaktionsfähigkeit
[Alt et al. 2000, 11ff]
Ein-/Austrittsbarrieren, Transaktionshäufigkeit, Reziprozität, Kooperationskultur, Machtverteilung, Verwendung von Standards, Überwindung von IS-Heterogenität, Wiederverwendbarkeit von Leistungen, Kongruenz der Ziele der Kooperationspartner.
Tabelle 5-4: Ergänzende qualitative Bewertungsaspekte für BNR-Projekte 5.2.2.2 Quantitative Ansätze Da die Umsetzung von strategischen Entscheidungen in Form von Investitionsprojekten in der Regel die Erreichung der kurzfristigen Erfolgsziele erschwert und die verfügbaren liquiden Mittel mindert, sind im Entscheidungsprozess neben den Kosten auch Auswirkungen auf den Erfolg und die Liquidität des Unternehmens zu berücksichtigen (vgl. [Freidank 2008, 1]. Die quantitative Bewertung in Kapitel 5.2.3.2 basiert folglich neben der Investitionsrechnung auch auf Ansätzen der Kostenrechnung und Finanzplanung. Kostenrechnung (vgl. [Freidank 2008]) Der Entscheidung über ein BNR-Vorhaben sind stets die Werte aus der Kosten- und Leistungsrechnung und nicht jene aus der externen Unternehmensrechnung zugrunde zu legen. Die Kosten- und Leistungsrechnung als Kerninstrument des Controlling dient der internen Unternehmenssteuerung, ist im Gegensatz zur externen Unternehmensrechnung nicht an Normenvorgaben gebunden und stellt daher tatsächliche Werte als Grundlage für Entscheidungen bereit (Prämisse der Entscheidungsrelevanz). Kostenrechnerische Entscheidungsrechnungen schaffen die Grundlage für die quantitative Beurteilung zeitlich und sachlich begrenzter Fragestellungen. Der Fokus ist dabei auf konkrete Objekte wie Leistungen, Prozesse und Geschäftspartner gerichtet. (vgl. [Coenenberg et al. 2007, 18ff])
144
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Die Kostenrechnung bietet zur Vorbereitung einer Entscheidung und / oder zur Fundierung einer Entscheidung u.a. folgende Instrumente186: 1. Prozesskostenrechnung (vgl. [Weber 2004, 216ff; Coenenberg et al. 2007, 205ff]) Kurzbeschreibung: Die Prozesskostenrechnung187 soll Fehlern, die den Erfolg strategischer Entscheidungen gefährden, in der Produkt- und Preispolitik durch nicht verursachergerechte Kostenumlagen vorbeugen. Aufgrund veränderter Kostenstrukturen ist in den letzten Jahrzehnten der Anteil der Gemeinkosten an der Wertschöpfung sukzessive gestiegen und mittlerweile sind in Unternehmen Zuschlagssätze von mehreren hundert Prozent der Lohneinzelkosten erforderlich. Fehleinschätzungen der prozentualen Höhe der Gemeinkosten können daher gravierende Folgen haben, da wettbewerbsorientierte Strategien nur erfolgreich realisierbar sind, wenn sie auf zutreffenden Kosteninformationen basieren. Die Prozesskostenrechnung beruht auf einem dreistufigen Vorgehen: (1) Identifikation der Prozesse und der zugehörigen Prozessgrössen (z.B. Kundenaufträge im Vertrieb), (2) Kalkulation der Prozesskostensätze (= Prozesskosten / Prozessmenge) und (3) verursachergerechte Kostenzurechnung von echten Gemeinkosten. Der Ansatz, anstelle des Giesskannenprinzips mit prozentualen Aufschlägen auf Wertbasen eine verursachergerechte Kalkulation zu etablieren (Allokationseffekt), soll u.a. die Kostenverantwortung der Abteilungen und Mitarbeiter stärken. Beurteilung des Ansatzes: Die Zuordnung von Kosten zu Prozessschritten ist für die prozessgetriebene BNR-Thematik zweckmässig. Da Banken traditionell hohe Fixkosten haben, hängt die Genauigkeit der Prozesskostenrechnung von der Messbarkeit und Adäquanz der Prozessgrössen ab. Im Gegensatz zur Zuschlagskalkulation188 mit linearen Gemeinkostenzuschlägen ermöglicht die Prozesskostenrechnung z.B. die Identifikation von Degressionseffekten und der kritischen Masse. Aspekte für das Bewertungsmodell: modulare Leistungseinheiten als Basis der Kalkulation, Degressions-/Skaleneffekte, kritische Masse, Stückkostengenauigkeit. 2. Life Cycle Costing / Target Costing (vgl. [Coenenberg et al. 2007, 441ff]) Kurzbeschreibung: Life Cycle Costing zielt darauf ab, sämtliche Anschaffungs- und Folgekosten eines Produkts über den Zeitraum seiner Nutzung zu erfassen. Target Costing (vgl. auch [Seidenschwarz 2002]) stammt aus der japanischen Automobil- und Elektronikindustrie und geht von der Annahme aus, dass der Grossteil der Kosten ei186
187 188
Die Deckungsbeitragsrechnung wird ausgeklammert. Die Ermittlung eines Deckungsbeitrags ist aufgrund der Leistungsbündelung und -veredelung schwierig. Eine Leistung kann i.d.R. nicht vom Einkauf bis zum Verkauf verfolgt werden, da sich die Messgrössen und der Leistungsinhalt in vielen Fällen verändern (z.B. sind Scan-Aufträge nicht einzeln dem Bankkunden verrechenbar, sondern inhärenter Teil einer Zahlung). Synonym wird Prozesskostenrechnung als Activity-based Costing (vgl. [Kaplan/Anderson 2004]) bezeichnet. Die Zuschlagskalkulation ist gekennzeichnet durch die Unterscheidung nach Einzelkosten und Gemeinkosten. Einzelkosten können Leistungs-/Produkteinheiten direkt und verursachergerecht zugeordnet werden. Gemeinkosten werden nach Art und Herkunft getrennt und den Einzelkosten via Umlageschlüssel näherungsweise zugeschlagen. Diese Zuschlüsselung wird dem Grundsatz verursachergerechter Kostenzurechnung nicht gerecht (z.B. ist nicht plausibel, dass Verwaltungskosten von der Höhe der Herstellkosten abhängig sein oder teurere Materialen grundsätzlich höhere Gemeinkosten bedeuten sollen). (vgl. [Coenenberg et al. 2007, 77ff])
5.2 Bewertungsmodell
145
nes Produkts bereits sehr früh feststeht. Daher ist es möglich, schon in der Konzeptionsphase die Kosten für den Lebenszyklus des Produkts zu kalkulieren und daraus Kostenziele abzuleiten. Beurteilung des Ansatzes: Das Konzept des Life Cycle Costing wurde ursprünglich für die Planung von Grossprojekten entworfen. Bezogen auf BNR-Vorhaben ist eine Übertragbarkeit in Kombination mit einem Phasenmodell zur Transaktionskostentheorie (vgl. Abbildung 2–6) denkbar. Ein Ansatz aus dem Target Costing ist die Steuerung der Kostenfunktion über den permanenten Vergleich der tatsächlichen Kosten („drifting costs“) mit den gemäss Kalkulation „tolerierbaren“ Kosten („allowable costs“). Dies entspricht dem iterativen Prüfen des Einhaltens eines Kalkulationsmodells (Business Case). Ansonsten ist Target Costing ein Ansatz zur Produktkostenplanung und ungeeignet für BNR-Projekte, die keine isolierten / marktfähigen Produkte beinhalten. Aspekte für das Bewertungsmodell: iterative Kostenkontrolle, Beachtung von Kosten über den Lebenszyklus bzw. über Projektphasen. 3. Total Cost of Ownership (vgl. [Ellram/Siferd 1998]) Kurzbeschreibung: Analog zum Life Cycle Costing ist das Ziel von Total Cost of Ownership (TCO) die Erfassung der tatsächlichen Kosten einer Leistung über den Lebenszyklus (Life Cycle Costing ist ein Teil von Total Cost of Ownership). Dabei unterscheidet der Ansatz direkte (offensichtliche bzw. planbare) und indirekte (nicht offensichtlich zugehörige bzw. nicht planbare) Kosten. Total Cost of Ownership berücksichtigt u.a. auch Diskontierung, Opportunitätskosten und Steuereffekte.189 Beurteilung des Ansatzes: Viele Aspekte von Total Cost of Ownership sind für BNRFragestellungen nutzbar. Die Diskussion von Kostenarten wie indirekten Kosten und Opportunitätskosten sowie der Kalkulation von Diskontierungszinssätzen unter Berücksichtigung von Risikoabschätzungen sind Beispiele für Beiträge von Total Cost of Ownership zur Konzeption des Bewertungsmodells. Nachteilig ist nach [Hess/Müller 2005, 341] der hohe Detaillierungsgrad der Kostenarten und der resultierende Aufwand für die Datenerhebung. In diesem Punkt folgt die Arbeit ergo nicht dem TCOAnsatz (vgl. Kostenarten in Tabelle 5-8). Aspekte für das Bewertungsmodell: indirekte Kosten, Diskontierung, Opportunitätskosten, Steuereffekte (z.B. Mehrwertsteuerpflicht). Finanzplanung (vgl. [Fischer 2002]) Kurzbeschreibung: Finanzplanung ist die systematische Prognose, Steuerung und Kontrolle der aufgrund der geplanten künftigen Aktivitäten ermittelten Ein- und Auszahlungen. Zielsetzung der kurz- und mittelfristigen Finanzplanung ist, auf Basis der erwarteten Ein- und Auszahlungen die Kapitalbedarfs- und Kapitaldeckungsplanung für eine Projekt- oder Transformationsphase durchzuführen. Daraus kann eine grobe Abschätzung des voraussichtlichen Kapitalüberschusses bzw. -fehlbetrages abgeleitet 189
[Lubich/Aumer 2003] beschreiben eine Gesamtkostenbetrachtung von Outsourcing nach dem TCO-Ansatz.
146
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
werden, welche die Grundlage für etwaige Anpassungsmassnahmen hinsichtlich der verfügbaren liquiden Mittel bildet. Beurteilung des Ansatzes: Die Planung der liquiden Mittel ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für BNR-Vorhaben und daher eine wesentliche Ergänzung zu den oben genannten Ansätzen der Kostenrechnung. Aspekte für das Bewertungsmodell: Liquiditätsüberwachung, Kapitalzu-/-abflüsse. Investitionsrechenverfahren (vgl. [Laux 2002; Weber 2004, 435ff]) Kurzbeschreibung: Die Kapitalwertmethode ist ein verbreitetes Verfahren zur Beurteilung von Investitionsprojekten. Die massgeblichen Fragen bei Investitionsrechnungen sind, welche Projekte sich lohnen (Akzeptanz) und welches Projekt am vorteilhaftesten ist (Auswahl). Der Kapitalwert entspricht der Differenz der Gegenwartswerte (= Barwerte) künftiger Einzahlungsüberschüsse (d.h. der in der Finanzplanung ermittelte Cashflow) und der Investitionskosten. Beurteilung des Ansatzes: [Picot et al. 2003, 200] begründen die Verbreitung von Investitionsrechenverfahren eher mit der einfachen Anwendung als mit der Güte der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung. Die Investitionsrechnung sieht eine Reihe von Vereinfachungen vor, wie z.B. das Ausblenden von Transaktionskosten, die eine starke Simplifizierung der Entscheidungsgrundlage bedeuten. Dies ist durch die Anwendung der Kapitalwertmethode auf Kostenarten aus Ansätzen wie Total Cost of Ownership (z.B. Anbahnungskosten) zu vermeiden. Generell ist zu beachten, dass der Ansatz auf Prognosedaten als Eingangsdaten basiert und daher stark von der Prognosegenauigkeit abhängig ist. Eine wesentliche Determinante des Bewertungsergebnisses ist auch der zugrunde gelegte Zinssatz. Aspekte für das Bewertungsmodell: Diskontierung, Gegenwartswert, Kapitalwert. 5.2.2.3 Kombinierte Ansätze Die Beschreibung der kombinierten Ansätze umfasst zusätzlich eine Nennung der zugrunde liegenden Ansätze. Dies erlaubt eine teilweise Zuordnung der o.a. Ansätze. Analytic Network Process Model (vgl. [Jharkharia/Shankar 2007]) Kurzbeschreibung: Das Modell ist konzipiert für die Auswahl von Logistik-Providern und soll eine fundierte Entscheidung anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs ermöglichen. Die Kriterien sind dreistufig strukturiert; so sind für die vier Bewertungsdeterminanten Kompatibilität, Kosten, Qualität und Reputation je vier Dimensionen mit jeweils Unterkriterien definiert. Vor der Bewertung werden die Kriterien durch paarweisen Vergleich gewichtet. Beurteilung des Ansatzes: Neben dem klar strukturierten Kriterienkatalog enthält der Beitrag ein Vorgehen zur Anwendung des Modells und weist auf Besonderheiten der Branche und des Ansatzes hin. Die quantitativen Elemente Kosten und Erlöse deckt
5.2 Bewertungsmodell
147
das Modell nur über qualitative Kriterien ab, wodurch ein absoluter Vergleich nicht möglich ist. Zudem fehlen Aspekte der Transformation. Bestandteile: Kriterienkatalog für Logistik-Provider, Vorgehensmodell. Aspekte für das Bewertungsmodell: Kompatibilität der Kooperationspartner, langfristige Zusammenarbeit, operative Flexibilität, Informationsaustausch, Marktanteil, Austrittsklausel, Reputation, schrittweises Vorgehen, paarweise Gewichtung. Strategic Sourcing Framework (vgl. [Lammers et al. 2004]) Kurzbeschreibung: Das Modell190 umfasst qualitative Kriterien zur Eingrenzung des Entscheidungsfeldes für „make – share – buy“ und ein relativ einfaches mathematisches Optimierungsmodell auf Basis der Netzwerk-Ökonomie. Zudem erläutert es am Beispiel Konsumkredite das stufenweise Aufbrechen und Evaluieren der Wertschöpfungskette. Bestandteile: Koordinationsformen, Transaktionskostentheorie, Resource-based View, Netzwerkökonomie, Kostenrechnung. Beurteilung des Ansatzes: Das Modell ist theoretisch (z.B. starke Vereinfachung der betrieblichen Praxis) und kaum direkt anwendbar. Die Konzeption, die Kriterien sowie der Fokus auf die Bankindustrie bieten jedoch wertvolle Ansatzpunkte. Aspekte für das Bewertungsmodell: Spezifität der Leistung, Unsicherheit, Skaleneffekte, Lerneffekte, Verbundeffekte. Multikausales Entscheidungsmodell IBI-Kubus (vgl. [Locher/Mehlau 2002]) Kurzbeschreibung: Der Ansatz schildert ein kombiniertes bankenspezifisches Modell, das in einem dreidimensionalen Portfolio Ausprägungen aus der Transaktionskostentheorie, dem strategischen Management und der Kostenvergleichsrechnung verbindet. Die Hauptkriterien Kosten, Unternehmensspezifität und strategische Relevanz sind jeweils in weitere Unterkriterien aufgegliedert und werden mit je einer Nutzwertanalyse beurteilt. Diese drei Nutzwerte entsprechen den Koordinaten und damit der Position im Ergebniskubus, aus der eine Empfehlung gemäss vordefinierter Normstrategien (Outsourcing, Eigenerstellung, weitere Untersuchungen) abgeleitet werden kann. Zusätzlich diskutieren die Autoren die zunehmende Bedeutung rechtlicher Rahmenbedingungen für Sourcing-Vorhaben. Bestandteile: Transaktionskostentheorie, Resource-based View, Normstrategien, Kostenrechnung. Beurteilung des Ansatzes: Aufgrund des hohen Abstraktionsgrads und der simplifizierten Sicht auf Normstrategien liefert der Ansatz nur generische Empfehlungen als Entscheidungsunterstützung. Zudem vernachlässigt das Modell die Ertragssicht und die Risikobetrachtung. 190
[Simschek 2006, 61ff] beschreibt den Ansatz ausführlich und analysiert ihn im Kontext des Aufbrechens der Wertschöpfungskette in der Finanzindustrie.
148
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Aspekte für das Bewertungsmodell: Vertraulichkeit, Standardisierungsmöglichkeiten, Mitarbeiter-Know-how, Wettbewerbsvorteile, Konformität mit Regulatorien. Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell (vgl. [Bernet 1998]) Kurzbeschreibung: Das Modell behandelt eine Reihe von Entscheidungspunkten, wobei folgende Fragestellungen im Fokus der Ausgestaltung der bankbetrieblichen Produktionsfunktion stehen: (1) Die Bestimmung der Angebotstiefe und -breite, (2) die Optimierung von Entscheidungs- und Abwicklungsprozessen, (3) produktionstopologische Varianten ((De-)Zentralisierung bzw. In-/Out-Sourcing) sowie (4) kooperationsbezogene Fragestellungen (z.B. Governance). Diese vier Aspekte sind eng miteinander verbunden und bilden ein integriertes Entscheidungsproblem. Als Beurteilungskriterien von fünf generischen Modellen der Bankproduktion (z.B. Factory, Service Center und Netzwerk) schlägt der Ansatz eine mehrdimensionale Betrachtung vor, die kosten- und nutzenbezogene Aspekte einbezieht. Bestandteile: (Produktions-)Kostenrechnung, Transaktionskostentheorie, Strategische Ansätze. Beurteilung des Ansatzes: Das Modell beinhaltet viele Aspekte der Kostenbetrachtung, ohne jedoch die Messung der mit im Fokus stehenden Transaktions- und AgencyKosten zu objektivieren. Die Ertragsperspektive wird vernachlässigt. Im Rahmen der strategiebezogenen Analyse berücksichtigt der Ansatz Nutzen- und Risikoaspekte, ignoriert dabei aber die BE-Ebenen Systeme und Transformation. Aspekte für das Bewertungsmodell: [Bernet 1998, 48] listet Entscheidungskriterien für Make-or-Buy auf und fasst die wesentlichen Punkte des Ansatzes zusammen. Dies sind z.B. Transaktions- und Agency-Kosten, Qualitäts- und Risikosicht, Investitionskraft / -bereitschaft, Unabhängigkeit, Flexibilität, Opportunitätskosten. 5.2.2.4 Gegenüberstellung der Ansätze Tabelle 5-5 vergleicht die o.a. Bewertungsansätze anhand der in Tabelle 5–2 genannten Anforderungen an das Bewertungsmodell und zeigt deren unterschiedliche Schwerpunkte auf. Während z.B. viele Ansätze neben einem Bewertungsmodell auch ein mehr oder weniger detailliertes Vorgehen zu dessen Anwendung beinhalten, erfüllen nur wenige Ansätze die Anforderungen Risikosicht und Multiperspektivität.
5.2 Bewertungsmodell
Betrachtungshorizont
;
;
;
;
;
;
; ;
;
;
;
;
;
;
E
;
E
E
;
E
E
E
E
Vorgehen zur Anwendung Legende:
E
E
E
E = umfassende Abdeckung
;
E
;
;
;
;
;
;
;
;
;
;
;
;
;
;
E
E E
;
;
;
;
;
;
E
E
;
;
E
;
E
E
E
E
E
E
;
;
Domänenbezug Einfachheit und Verständlichkeit
Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell
;
IBI-Kubus
;
Strategic Sourcing Framework
;
MultiPerspektivität
Analytic Network Process Model
Risikosicht
Investitionsrechenverfahren
E
Finanzplanung
Kombinierter Ansatz
Total Cost of Ownership
;
Kombinierte Ansätze
Life-Cycle Costing
;
Quantitative Ansätze Prozesskostenrechnung
;
(vgl. Tabelle 5-2)
Netzwerkeffekte
Stakeholder-Analyse
Ganzheitliche Betrachtung
Anforderungen an das Bewertungsmodell191
Resource-based View
Transaktionskostentheorie
Qualitative Ansätze
Scorecard-Methoden
Ansätze_
149
; = teilw. Abdeckung
= keine/geringe Abdeckung
Tabelle 5-5: Bewertungsansätze im Vergleich (nach Erfüllung der Anforderungen) 5.2.3 Bewertungsmodell – Inhalt, Struktur und Vorgehen Kostenrechnerische Aussagen bilden eine gute Grundlage, sind aber als alleinige Entscheidungsgrundlage ungeeignet. [Bernet 1998, 33ff]
Die Beurteilung von BNR-Vorhaben erfordert ein multidimensionales Modell mit qualitativen (vgl. Kapitel 5.2.3.1) und quantitativen (vgl. Kapitel 5.2.3.2) Elementen. Dieses Teilkapitel zeigt den Aufbau sowie ein Vorgehen zur Anwendung dieser beiden Teile und schliesst mit einer Zusammenfassung der Kennzahlen (vgl. Kapitel 5.2.3.3), die als Ergebnis der Bewertung zur Verfügung stehen. Die Nutzung des Bewertungsmodells setzt voraus, dass als Informationen über das Entscheidungsproblem (z.B. Daten aus der Kostenrechnung und Finanzplanung) die Strategie des Unternehmens sowie der Auftrag und / oder der Kontext des BNRProjektes vorliegen.
191
Die Anforderung nach Szenariofähigkeit ist ausgeklammert, da deren Erfüllung neben der Konzeption und dem Inhalt des jeweiligen Ansatzes auch stark vom Vorgehen im Bewertungsprojekt abhängt und daher nicht isoliert beurteilbar ist. Gut anwendbar ist diese Anforderung auf Techniken zur Bewertung, die hier nicht im Fokus stehen.
150
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.2.3.1 Qualitative Elemente
(Business Engineering)
Prozesse
Politik / Kultur
Oberkriterien
Systeme
Transformation
Machbarkeit
Organisatorische Verkraftbarkeit
…
Kriterien Verfügbarkeit der Ressourcen
…
Stabilität der Planung
nach absolutem Stellenwert des Kriteriums
Strategie
Dimensionen
relative Gewichtung via paarweisen Vergleich
Der qualitative Teil basiert auf jeweils einem (Ziel-)Kriterienkatalog zur Nutzen- und Risikobeurteilung sowie einem Referenzprozess für die betrachtete Wertschöpfungskette. Der Kriterienkatalog für die Nutzenbeurteilung hat eine dreistufige192 hierarchische Gliederung (vgl. Abbildung 5-10), wobei die – nachfolgend als Dimensionen bezeichneten – Elemente auf oberster Stufe den fünf Hauptelementen193 des BE entsprechen. Die zweite Gliederungsstufe strukturiert jede dieser Dimensionen in zwei oder mehr Oberkriterien (OK), denen auf dritter Stufe die effektiv anhand von Messvorschriften zu bewertenden Kriterien zugeordnet sind. Die Dimensionen stehen zu den jeweiligen Oberkriterium ebenso in einer Zweck-Mittel-Beziehung (vgl. [Zangemeister 1976, 100ff]) wie die Oberkriterien zu den untergeordneten Kriterien.
Abbildung 5-10: Struktur des Kriterienkatalogs am Beispiel OK Machbarkeit Der erste Schritt der qualitativen Bewertung ist (nach dem Festlegen der Kriterien) die Gewichtung194 der Elemente des Kriterienkatalogs. Zur Komplexitätsreduktion ist das Vorgehen top-down, d.h. zunächst ist für das BNR-Vorhaben der relative Stellenwert der BE-Ebenen zueinander zu bestimmen. Anschliessend werden die Oberkriterien jeder Dimension analog gewichtet. Die Präferenzmatrix ist dabei ein Hilfsmittel, indem durch paarweises Vergleichen der Dimensionen bzw. Oberkriterien ein Gewichtungsvorschlag erstellt werden kann (vgl. das analoge Vorgehen in [Jharkharia/Shankar 2007, 281ff]). Eine paarweise Gegenüberstellung der Kriterien führt v.a. bei umfangreichen Katalogen zu hoher Komplexität, daher ist auf Kriterienebene eine absolute 192 193
194
Die geforderte Messbarkeit der Bewertungskriterien kann auch deren Auffächerung in zusätzliche Detaillierungsstufen bedingen (vgl. dazu [Zangemeister 1976, 90f]). Diese Elemente umfassen neben den drei eigentlichen Ebenen des BE auch die beiden Dimensionen Politik und Kultur sowie v.a. auch die Transformation (vgl. Abbildung 2–1). Durch diese Erweiterung wird das Modell der Anforderung einer ganzheitlichen Betrachtung sowie dem Anwendungskontext BNR gerecht. „Die Kombination und Gewichtung der … Entscheidungskriterien wird letztlich ausschlaggebend dafür sein, wie erfolgreich das Ergebnis des produktionstopologischen Designs … ausfällt.“ [Bernet 1998, 47]
5.2 Bewertungsmodell
151
Gewichtung (auf einer Skala von sehr unwichtig bis sehr wichtig) je Kriterium vorgesehen. Bei der Gewichtung sind in der Praxis oft Rückkopplungen zu beobachten, bei denen einzelne Kriterien durch eine Anpassung der Gewichte von Oberkriterien und Dimensionen einen entsprechend höheren oder tieferen Stellenwert erhalten. Die Nutzen- und Risikobeurteilung basiert jeweils auf einem Vergleich der Bewertung von zwei oder mehreren Handlungsalternativen. So können für jedes Kriterium die Anforderung des Unternehmens, der Status quo und / oder mehrere Varianten zur Neugestaltung gegenübergestellt werden. Die Anforderungssicht erlaubt, die Präferenz des eigenen Unternehmens zu erfassen und kann z.B. durch einen Vergleich mit der Ist-Situation zur Identifikation von Handlungsbedarf verwendet werden. Wie die Ausführungen z.B. in Kapitel 4 und 5.2.2 zeigen, können vielfältige Aspekte zur Bewertung eines BNR-Vorhabens herangezogen werden. Die in Tabelle 5-6 genannten Kriterien stammen aus den in Kapitel 5.2.2 vorgestellten Ansätzen, aus Diskussionen mit Praxispartnern, aus der Anwendung im Rahmen des CC Sourcing sowie aus Praxisprojekten (z.B. Marktstudie zum Vergleich von BPO Providern, Analyse der Kompatibilität von Netzwerk-Partnern). Tabelle 5-6 ordnet diese Kriterien den fünf Dimensionen des Kriterienkatalogs zu. Mit Ausnahme der Kriterien zur Transformation handelt es sich um Zielgrössen zur Beurteilung eines Unternehmensnetzwerks. Die Transformation beschreibt den Übergang (i.d.R. vom Status quo zu einer BNRAlternative), dessen Bewertung von der Zustandsbetrachtung für eine Alternative zu trennen ist. Die Liste der Kriterien kann dem Anwendungskontext angepasst werden. Kapitel 5.3.1.1 präzisiert wesentliche Kriterien für das Beispiel Anlagegeschäft.
Strategie
Kongruenz der Ziele, Konkurrenzierung, Fokussierung auf Kernkompetenzen, Wachstumsperspektive, Stellenwert der Leistung für das Unternehmen, Time to Market, Innovationskraft, Kundenzugang, Governance-Modell (Property Rights), Marktmacht (Erreichen kritische Masse), Verlust von Know-how, Substituierbarkeit des eigenen Unternehmens, Wettbewerbsvorteile / Differenzierung, Alternativen auf dem Markt, Stabilität des Unternehmensnetzwerks, Kundennutzen, Abhängigkeit, Auswirkungen auf bestehende Kooperationen
Prozesse
Transaktionsfähigkeit, Skaleneffekte / Skalierbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Ertragsmodell / Gewinnmaximierung, Prozessqualität, Verbundeffekte, Lerneffekte, Standardisierungseffekt, Flexibilität der Leistungserstellung, Steuerungsaufwand, Klarheit der Leistungsdefinition / Verantwortlichkeiten (Service Level Agreements)
Systeme
Standardisierungsgrad (Schnittstellen), Weiterentwicklungsfähigkeit, Flexibilität und Offenheit der IS-Architektur, (technische) Komplexität (IS-Heterogenität), Verfügbarkeit, Skalierbarkeit, Sicherheit des Leistungsbezugs, Datensicherheit
Politik / Kultur
Konformität mit Regulatorien, Akzeptanz Öffentlichkeit, Akzeptanz Kunden, Kundenzufriedenheit, Akzeptanz Mitarbeiter, Reputation der Kooperationspartner, Durchgriff im Netzwerk, Machtverteilung, Management Commitment, Vertrauen / Loyalität, Auswirkungen auf die Unternehmensumwelt (Ecosystem), Reziprozität, Kooperationskultur
Transformation
Referenzprojekte / Vorleistungen, Zeitverzögerung / Quick Wins, Organisationsträgheit, Ein- / Austrittsbarrieren, Zeitaufwand, Ressourcenverfügbarkeit, Strukturträgheit, Verkraftbarkeit (finanziell, organisatorisch), Verfügbarkeit eines Fall-Back Szenarios, Kostentransparenz, Planungssicherheit
Tabelle 5-6: Wesentliche Potenzialkriterien zur Bewertung eines BNR-Vorhabens Die Prozessabdeckung trägt der zentralen Rolle des Prozesses für Veränderungsprojekte Rechnung [Alt 2004, 138f]. Dazu werden anstelle von Kriterien die Schritte des
152
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Referenzprozesses195 anhand ihrer Güte bewertet. Da diese Beurteilung stark von den Anforderungen des jeweiligen Unternehmens abhängig ist (z.B. Portfolio-Management für Privat- und Retailbanken), enthält die Operationalisierung die jeweilige Anforderung. Die Skala196 reicht ergo von Anforderung nicht erfüllt bis Anforderung voll erfüllt. Analog zu dieser Bewertung von (ausgelagerten) Prozessen kann die Qualität der Systemunterstützung für die einzelnen Schritte geprüft werden.197 Die Risikosicht stellt die zweite qualitative Bewertungsperspektive dar. Sie betrachtet nicht den Nutzen bzw. das Potenzial einer Variante, sondern die Wahrscheinlichkeit ungeplanter (nachteiliger) Entwicklungen. Bei einem (nicht-deterministischen) Entscheidungsmodell ist die beste Variante nicht anhand einer eindeutigen Berechnung, sondern anhand einer Verteilung zufallsabhängiger Faktoren zu bestimmen. Wegen dieser Unsicherheit198 der Ergebnisse ist für die Ermittlung des subjektiven Nutzens der Alternativen die Risikobereitschaft zu erheben. Sie spiegelt die Risikoeinstellung des Entscheiders wider und wird gemeinsam mit der Anforderung für die Nutzenkriterien in der Risikonutzenfunktion abgebildet. (vgl. [Klein/Scholl 2004, 109]) In der Literatur gibt es eine Reihe alternativer Klassifikationsansätze für Risiken bei (BNR-)Projekten (vgl. z.B. [Paxmann/Fuchs 2005, 253; Affolter 2006, 24ff; Zmuda 2006]). Das Bewertungsmodell orientiert sich an der im CC Sourcing gemeinsam mit PriceWaterhouseCoopers ausgearbeiteten Systematik und unterscheidet für die Beurteilung von BNR-Vorhaben die Risikodimensionen strategisches Risiko und operationelles Risiko. Bankfachliche Risiken199 sind in beiden Kategorien zu berücksichtigen, da je nach Gestaltungsoption andere Netzwerkpartner einzelne Risiken übernehmen (z.B. Gegenparteirisiko auf der Streetside). Tabelle 5-7 nennt wesentliche Risiken bei BNR-Vorhaben, die analog zu den Nutzenkriterien nach ihrem Anwendungskontext in Zustands- und / oder Transformationsrisiken zu unterteilen sind. Kapitel 5.3.1.2 zeigt diese Kategorisierung beispielhaft im Rahmen der Beschreibung wesentlicher Risiken bei BNR im Anlagegeschäft. Strategische Risiken
Finanzielle Risiken (z.B. Liquiditätsengpässe), Konzentrationsrisiko / Klumpenrisiko, Regulatorische Risiken (Compliance), Kooperationsrisiko, Marktrisiko, Politikrisiko, Konkurrenzrisiko, Gegenparteirisiko, Reputationsrisiko, Rechtsrisiko, etc.
Operationelle Risiken
Personalrisiko, Prozessrisiko, Technologierisiko, Versorgungsrisiko, Eskalationsrisiko, Kommunikationsrisiko, Settlement Risiko, Kreditrisiko, Währungsrisiko, Kapazitätsrisiko, etc.
Tabelle 5-7: Wesentliche Risiken zur Bewertung eines BNR-Vorhabens
195 196
197 198 199
Neben bankfachlichen sind hierbei auch unterstützende Aktivitäten wie software-nahe Support-Prozesse (z.B. gemäss ITIL) oder Koordinationsprozesse (z.B. Service-Entwicklung, Incident Management) zu beurteilen. Eine (unerwünschte) Übererfüllung der Anforderung ist in der Skala nicht berücksichtigt. Da die o.a. Operationalisierung mit dem Erfüllungsgrad steigt, wäre bei Übererfüllung die Bewertung mindestens genauso hoch wie bei voller Abdeckung der Anforderung. Dies kann falsch sein (vgl. Teufelsquadrat nach [Sneed 1987]). Hierzu können anstelle des Referenzprozesses auch die in [Kohlmann et al. 2007, 146f] für das Anlagegeschäft beschriebenen Service-Cluster herangezogen werden. Optional kann für jedes Kriterium die Unsicherheit der Bewertung als Qualitätsmerkmal der Bewertungsergebnisse und als Entscheidungsgrundlage erfasst werden. Vgl. [Guadamillas/Keppler 2001, 14ff] für Risikoelemente in der Abwicklung von WP-Transaktionen.
5.2 Bewertungsmodell
153
Bei der Anwendung des Bewertungsmodells sind – neben der Trennung von Nutzenund Risikosicht – die Perspektiven Zustand und Transformation sowie die drei Bewertungsobjekte Ist-Zustand, BNR-Alternative(n) und (Mindest-)Anforderungen (Soll) zu unterscheiden (vgl. Abbildung 5-11). Dabei sind folgende Punkte zu beachten: Die Bewertung des Ist-Zustands ist nicht zeitpunktbezogen, sondern muss auch für den Betrachtungszeitraum bereits absehbare Anpassungen einbeziehen. Die Betrachtung eines Soll-Zustands als Synonym für die Mindestanforderungen des eigenen Unternehmens an das Unternehmensnetzwerk hat zwei Vorteile: (1) Klarheit über die Präferenzen des eigenen Unternehmens und (2) eine Relativierung der Stärken und Schwächen des Status quo sowie v.a. einer Handlungsalternative („besser als der Status quo bedeutet nicht zwingend gut“). Im Vorfeld eines BNR sind zunächst die beiden Fragen „Was ist der Handlungsbedarf, der für eine Veränderung des Ist-Zustands spricht?“ und „(Inwiefern) bedeuten die Handlungsalternativen eine Verbesserung dieses Status quo?“ zu beantworten. Zur Klärung dieser Fragen sind jeweils die Bewertung der Ist-Situation (vgl. Ziffer 1 in Abbildung 5-11) bzw. der Handlungsalternative (vgl. Ziffer 3 in Abbildung 5-11) sowie die Anforderung des eigenen Unternehmens an eine konkrete Netzwerk-Konstellation heranzuziehen. Das Zielsystem umfasst dabei immer die Kriterien zur Beurteilung eines Zustands. Neben der Zustandsverbesserung ist die Bewertung des Veränderungsprozesses eine wesentliche Analyseperspektive (vgl. Ziffer 4 in Abbildung 5-11). Ein Vergleich von Ist-Zustand und Handlungsalternativen ist nicht möglich, da bei einem Beibehalten des Status quo keine Transformation stattfindet. Daher basiert die Analyse auf einem Vergleich der Handlungsalternative(n) mit den Anforderungen.
IST-Zustand Vergleich IST – Alternativen
Bewertung Nutzen Zustand
3a
2
Bewertung Risiko Zustand
Handlungsbedarf
Der Vergleich der Bewertung des Status quo mit den Anfor1 derungen ergibt den Handlungsbedarf (Motivation für Business Network Redesign). Bei mehreren Handlungsalternativen können diese anhand
2 der Bewertung ordinal gereiht
1a
werden. Handlungsalternativen
1b
3b
Soll
Bewertung Nutzen Zustand
3a
Anforderung Nutzen Zustand
Bewertung Risiko Zustand
3b
Anforderung Risiko Zustand
Bewertung Nutzen Transformation Bewertung Risiko Transformation
4a
Anford. Nutzen Transformation
4b
Anford. Risiko Transformation
Vergleich Alternativen – Soll
Der modus operandi für Ist und BNR-Alternativen ist di3 rekt vergleichbar. Zudem ist ein Vergleich von Handlungsalternativen und Soll möglich. Da für den Status quo keine Transformation zu bewerten 4 ist, sind die Alternativen mit den Anforderungen zu vergleichen.
Abbildung 5-11: Anwendungsschritte der qualitativen Bewertung Aus diesen Unterscheidungen ergeben sich folgende Schritte für die Beurteilung mehrerer Handlungsalternativen: Zunächst kann durch einen Vergleich der Bewertung der
154
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Zustandskriterien des Status quo und der Anforderung an ein neugestaltetes Netzwerk der Handlungsbedarf ermittelt werden. Eine Gegenüberstellung der Ergebnisse der anschliessenden Bewertung der Handlungsalternativen200 anhand der Zustandskriterien mit jener des Status quo zeigt, welche Alternativen eine Verbesserung gegenüber dem Ist-Zustand bedeuten. Für diese wird im nächsten Schritt untersucht, inwiefern die Transformation die Anforderungen des eigenen Unternehmens erfüllt. Die vereinfachte Bewertung ausgewählter Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.3.2 veranschaulicht die Anwendung und die Ergebnisse des qualitativen Bewertungsmodells. 5.2.3.2 Quantitative Elemente “The fundamental notion in the value chain analysis is that a product gains value (and costs) as it passes through the vertical stream of production … When created value exceeds costs a profit is created.“ [Hergert/Morris 1989, 183]
Da für eine Auswahlentscheidung die gesamte Unternehmenssituation zu beachten ist, greift eine Kostenvergleichsrechnung (vgl. [Lechner et al. 2006, 309ff]) zu kurz. Die Berücksichtigung von Erlösen im Rahmen einer Kosten- und Leistungsvergleichsrechnung schafft eine solidere Grundlage für eine Gegenüberstellung von Alternativen, deren Leistungsinhalt in der Regel nicht direkt vergleichbar ist. Auf Basis der o.a. Ansätze sind in eine fundierte Entscheidungsgrundlage für ein BNR-Projekt folgende quantitative Aspekte bzw. Kennzahlen einzubeziehen: Kapitalwert und Amortisationsdauer (zu welchem Zeitpunkt ist die Handlungsalternative aus Ertragssicht attraktiver als das Beibehalten des Status quo?), Ergebnisdifferenz als Vergleich der Kosten-/Erlössituation für Ist-Zustand und Handlungsalternative (inklusive der Transformationskosten), Zahlungsmittelströme (Cashflow) zur Berechnung des Liquiditätsbedarfs, relative (bezogen auf den betrachteten Bereich) Cost/Income-Ratio sowie Kostenvariabilisierung: Diese Kennzahl ist in der Bankbranche besonders wesentlich, da die Banken durch ihre hohen IT-Kosten i.d.R. starre Kostenstrukturen haben. Ein Motiv für eine Auslagerung ist oft eine Variabilisierung dieser Fixkostenblöcke zur besseren Adaption an die Volatilität der Märkte. Tabelle 5-8 zeigt eine Aufstellung der wesentlichen Kosten- und Erlöselemente, die in die Beurteilung eines BNR-Vorhabens aus Sicht eines Unternehmens einzubeziehen sind. Sie besteht aus den Teilen Betriebskosten / -erlöse und Transformationskosten. Im ersten Teil sind neben den internen Kosten auch die Kosten für externen Leistungsbezug sowie die Erlöse durch Verkauf der Leistungen an die Endkunden bzw. im Netzwerk berücksichtigt. Die Transformationskosten umfassen sowohl direkt dem Projekt zuordenbare Kostenblöcke wie z.B. Investitionskosten und Übergangskosten
200
Ein optionaler Zwischenschritt im Falle von vielen Handlungsoptionen ist eine Vorauswahl durch eine ordinale Reihung anhand der Risikonutzenbewertung der Alternativen.
5.2 Bewertungsmodell
155
als auch indirekte Kosten wie Anbahnungs- und Verhandlungskosten als Teile der Transaktionskosten. Kostenblöcke
Art
Erläuterung
Variabel
Einzelkosten
Personalkosten und Sachmittel, die direkt und verursachergerecht dem Produkt bzw. der Leistung zuordenbar sind. Sachkosten (inkl. Abschreibungen) IT-Kosten, wie Betrieb, Hardware und Software (Lizenzen) und entsprechende Abschreibungen
201
Leistungsmengeninduzierte Gemeinkosten
Fix
Personalkosten, die nicht direkt mit der Leistung in Zusammenhang stehen, aber für die Leistungserbringung erforderlich sind (z.B. IS-Weiterentwicklung). Gebühren (transaktionsbezogen)
Leistungsmengenneutrale Gemeinkosten
Fix
Anteilsmässig angefallene Kosten für Administration, Rechnungswesen, Controlling, Unternehmensführung, Mitarbeiterschulung, … Transaktionsübergreifende Gebühren (z.B. Börsenmitgliedschaft, SWIFT-Mitgliedschaft)
Für aus dem Netzwerk bezogene / ausgelagerte Leistungen Variabel
Einkaufskosten
Transaktionskosten Leistungsbezieher
Die Höhe dieser Kosten ist abhängig vom Bezugsvolumen. Bei Sourcing-Vorhaben ist hier eine ev. zusätzliche. MWStBelastung zu beachten (vgl. [Rebouillon/Matheis 2003]).
Fix
Sockelbetrag, Fixkosten
Fix
Controlling-Aufwand, Abstimmungsaufwand, Mitarbeiterund Sachkosten für Retained Organisation, Aufwand für geringfügige Anpassungen, etc.
202
Für ins Netzwerk gelieferte Leistungen Verkaufserlöse
Variabel
Summe volumengetriebener Preiskomponenten Sockelbetrag, Fixpreise
Transaktionskosten Provider
Fix
Controlling-Aufwand, Abstimmungsaufwand, Anbahnung (Vertrieb und Beratung)
Investitions- / Projektkosten
Fix
Sachmittel, IT-Kosten, interne und externe Personalkosten, Spesen
direkt
Fix
indirekt
Transformationskosten203 (Migration und Integration)
Betriebskosten/-erlöse / Laufende Kosten / Erlöse (im Ist- und Soll-Zustand)
Für intern erbrachte Leistungen
Übergangskosten
Fix
z.B. für Parallelbetrieb
Finanzierungskosten
Fix
Zinsen
Transaktionskosten Transformation
Fix
Verhandlungskosten, Anbahnungskosten, Kundenberatung und Vertrieb
Opportunitätskosten
Fix
Bei der Entscheidungsfindung ist immer die Kostendifferenz zur nächstgünstigen Alternative oder der entgangene Ertrag aufgrund deren Nichtrealisierung zu berücksichtigen (vgl. [Coenenberg et al. 2007, 43, 294ff]).
Tabelle 5-8: Wesentliche Kosten und Erlöse zur Beurteilung von BNR-Vorhaben
201 202 203
Zu beachten sind dabei auch die bei Volumenänderungen anfallenden sprungfixen Kosten. Gemäss dem Ansatz des Life Cycle Costing und Total Cost of Ownership sind Transaktionskosten bei der Berechnung der Einkaufskosten und der Verkaufserlöse zu berücksichtigen. Ausserordentliche Erlöse als Folge der Transformation werden als betriebsfremde Erlöse in der Kostenrechnung nicht angesetzt (vgl. [Coenenberg et al. 2007, 20]).
156
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
Für die Anwendung dieses Bewertungsrasters zur quantitativen Analyse von BNRVorhaben werden in Anlehnung an die Makrologik rationaler Entscheidungsfindung nach [Zangemeister 1976, 58] folgende Schritte vorgeschlagen / empfohlen: 1. Festlegen der Bewertungsparameter wie Diskontierungszinssatz204, Betrachtungszeitraum205 und Nutzungsdauer der Investitionen in Hinblick auf die Abschreibung. 2. Formulieren der relativen quantitativen Ziele (Bezugspunkt ist der Ist-Zustand). 3. Erfassen und Planen der Erlöse und Kosten (vgl. [Rautenberg 2002]) gemäss der Prozesskostenrechnung206 für die Ist-Situation unter Berücksichtung von Potenzialen zur Kostensenkung (Effizienz) und Ertragssteigerung. 4. Schätzen der Erlöse und Kosten für die Handlungsalternative(n). 5. Vergleichen von Ist-Situation und Handlungsalternative(n) und Entscheid über weiteres Vorgehen (Beibehalten des Status quo oder Analyse der Transformation). 6. Planen und Schätzen der Kosten für die Transformation. 7. Kalkulieren der Kennzahlen. 8. Entscheiden über das weitere Vorgehen. Die in Kapitel 5.2.2.2 beschriebenen quantitativen Ansätze bilden die Grundlage für das eben beschriebene Modell. Ihre Beiträge zur Konzeption sind nachfolgend beispielhaft erläutert: Der Life Cycle Costing-Ansatz betont die Beachtung von Kosten über den gesamten Lebenszyklus einer Leistung. Dem wird die Aufstellung zu Kosten- und Erlöskategorien in Tabelle 5-8 gerecht, indem sie bei extern bezogenen bzw. verkauften Leistungen den Kostenblock Transaktionskosten explizit berücksichtigt. Durch Kombination von i.d.R. vorhandenen Kostenaufstellungen (z.B. Dauer der Vertragsverhandlungen, Allokation der Personalkosten für Account Management) wird dieser in der Literatur (vgl. [Weber 1993, 24]) als kaum messbar bezeichnete Ansatz operationalisierbarer. Ein wesentlicher Input des Target Costing ist die iterative Kostenkontrolle als Kontroll- und vor allem auch als Steuerungsinstrument. Ein anderes Instrument zur Risikovorsorge ist das aus dem TCO-Ansatz stammende Prinzip, den Diskontierungszinssatz an das Risiko und die Unsicherheit anzupassen (je unsicherer, desto grösser die Abzinsung künftiger Kosten und Erlöse). Die Prozesskostenrechnung hat ihre Vorteile v.a. bei schwankenden Volumen aufgrund der durch die höhere Allokationsqualität
204 205
206
Risikokosten können im Rahmen der Investitionskostenrechnung mittels eines risikoangepassten Zinssatzes berücksichtigt werden (siehe ausführlich [Laux 2002, 862ff]). Der Betrachtungszeitraum wird in zwei Abschnitte unterteilt, der erste Abschnitt (3-5 Jahre) wird möglichst detailliert geplant, für den zweiten Abschnitt wird bei unendlicher Lebensdauer (für BNR zutreffend) die ewige Rente auf Basis des Ertrags des 5. Jahres ermittelt und auf den Betrachtungszeitraum abgezinst (vgl. [Peemöller 2002, 37]). Die in Tabelle 5-8 dargestellte Systematik zur Erfassung von Kosten ist auch bei Verwendung von alternativen Kostenrechnungsmethoden (z.B. Zuschlagssatzkalkulation) anwendbar. Für Vorteile der Prozesskostenrechnung wie z.B. die Verursachergerechtigkeit vgl. Kapitel 5.2.2.2 und [Coenenberg et al. 2007, 222ff].
5.2 Bewertungsmodell
157
bedingten Stückkostengenauigkeit. Durch die Zuordnung der variablen Kosten zu Kostenträgern und der Fixkosten207 zu Kostenstellen werden z.B. Skaleneffekte messbar. Das fiktive Anwendungsbeispiel in Kapitel 5.3.3 veranschaulicht die Anwendung und die Ergebnisse des quantitativen Bewertungsmodells. 5.2.3.3 Ergebnistypen des Bewertungsmodells Das Ziel des Bewertungsmodells ist eine strukturierte Unterstützung der Entscheidungsfindung. Tabelle 5-9 zeigt eine Übersicht zu den Ergebniskennzahlen des Bewertungsmodells und Beispiele für deren Kombinationen (kursiv). Kennzahl Nutzwert Zustand
Qualitativ
Nutzwert 208 Transformation Risikowert Zustand Risikowert Transformation Sicherheit der Aussage Gesamtnutzen Gesamtrisiko Jährliche Kosten (JK) Jährliche Erlöse (JE) Ergebnisdifferenz (ED)
Quantitativ
Kapitalwert (KW) Amortisationsdauer (AD) Liquiditätsbedarf (LB) Veränderung der relativen Cost/IncomeRatio (CIR) Kostenvariabilisierung (KV)
Erläuterung Der durchschnittliche Nutzen des Beibehaltens des Status quo oder einer BNRAlternative. Der durchschnittliche Nutzen für den Übergang vom Status quo zu einer bestimmten BNR-Alternative. Das aggregierte Risiko des Beibehaltens des Status quo oder einer BNRAlternative. Das aggregierte Risiko für den Übergang vom Status quo zu einer bestimmten BNR-Alternative. Durch eine Einschätzung der Sicherheit der Bewertung von Kriterien, Oberkriterium und / oder Dimensionen kann die Qualität der Aussagen beurteilt werden. Der Nutzwert einer Handlungsalternative bzw. der Anforderung (Soll) als gewichtetes Mittel aus Nutzwerk Zustand und Nutzwert Transformation. Der Risikowert einer Handlungsalternative bzw. der Anforderung (Soll) als gewichtetes Mittel aus Risikowert Zustand und Risikowert Transformation. Die pro Jahr prognostizierten Kosten für eine bestimmte BNR-Alternative. Die pro Jahr prognostizierten Erträge für eine bestimmte BNR-Alternative. Vergleich der Kosten-/Erlössituation für Ist-Zustand und Handlungsalternative. Die Differenz der Gegenwartswerte künftiger Einzahlungsüberschüsse bzw. Fehlbeträge und der Investitionskosten („Barwert des BNR-Vorhabens“). Zeitraum, ab dem sich das Projekt im Vergleich zu einem Beibehalten des Status quo rechnet. Das aggregierte Kapital, das für die Durchführung des BNR-Vorhabens benötigt wird (Ausmass der Kapitalbindung). Veränderung des Kosten/Erlös-Verhältnisses vom Ist-Zustand zur jeweiligen Handlungsalternative für den betrachteten Ausschnitt aus der Kostenrechnung des eigenen Unternehmens. Anteil der volumenabhängigen Kosten an den Gesamtkosten im laufenden Betrieb.
Tabelle 5-9: Kennzahlen zur Beurteilung von BNR-Vorhaben Kombinierte Ansätze fassen häufig sämtliche erfassten Informationen zu einer Kennzahl zusammen (z.B. Overall Weighted Index in [Jharkharia/Shankar 2007]). Das vorgestellte Bewertungsmodell nimmt davon Abstand, um durch eine Verknüpfung mehrerer unterschiedlicher Arten von Zielgrössen wie Risiko, Nutzen, Kapitalwert, Amortisationsdauer und Liquidität eine Bevormundung des Entscheiders (durch Ver-
207 208
Vgl. [Lechner et al. 2006, 424ff] für Definitionen und Beispiele zu variablen, fixen und sprungfixen Kosten. Die Kennzahl zeigt auch, dass Transformation mehr ist als ein Mittel zum Zweck und ihre Ausgestaltung erfolgskritisch ist (z.B. beeinflusst die Projektdauer die Mittelbindung und damit die Opportunitätskosten).
158
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
kürzung der Entscheidungsmatrix) sowie eine Verfremdung209 der Entscheidungsgrundlage zu vermeiden. Diese Festlegung gilt nicht für die (gewichtete) Aggregation von artgleichen Kennzahlen wie z.B. den Nutzwerten für Zustand und Transformation sowie anerkannten Kennzahlen (z.B. Cost/Income-Ratio), die das Modell ergänzend zu den Basiskennzahlen vorschlägt.
5.3 Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells Nachfolgend sind zunächst für das Anwendungsbeispiel Anlagegeschäft wesentliche qualitative Kriterien für jede der fünf Potenzialdimensionen sowie für die beiden Risikodimensionen aus Kapitel 5.2.3.1 beschrieben. Diese werden im Anschluss beispielhaft210 auf ausgewählte Gestaltungsoptionen zur Vernetzung im Anlagegeschäft (vgl. Kapitel 5.1) angewendet. Abschliessend wird der quantitative Teil des Bewertungsmodells auf ein vereinfachtes Fallbeispiel angewendet. 5.3.1 Qualitative Bewertungskriterien für das Anlagegeschäft Dieser Abschnitt umfasst eine Präzisierung wesentlicher qualitativer Kriterien für die Bewertung von BNR-Vorhaben. Der Kriterienkatalog (vgl. Tabelle 5-10 bis Tabelle 5-13) umfasst eine Auswahl der in Kapitel 5.2.2 angesprochenen Kriterien, beschreibt diese mit Bewertungsfragen211 und unterlegt sie mit konkreten Beispielen, die auf den Fallstudien und der Diskussion mit den Partnerunternehmen des CC Sourcing basieren. Dieser Kriterienkatalog ist gemäss der in Tabelle 5-2 erläuterten Anforderung Domänenbezug auf das Beispiel Anlagegeschäft ausgerichtet. Die Übertragbarkeit der Kriterien sowie v.a. der Beschreibung und Beispiele auf andere Bankbereiche und Branchen ist daher eingeschränkt. Analog zum Aufbau des Bewertungsmodells unterscheidet das Teilkapitel die Potenzial- und Risikoanalyse. 5.3.1.1 Kriterien zur Bewertung des Potenzials von BNR im Anlagegeschäft Die Kriterien haben konform zu Abbildung 5-10 eine dreistufige Struktur, wobei die oberste Ebene Dimensionen gemäss dem in Kapitel 5.2 präsentierten Bewertungsmodell vorgegeben sind. Die Oberkriterien wurden im Rahmen der Workshops des CC Sourcing mit den Praxispartnern abgestimmt und als für eine BNR-Fragestellungen wesentlich bestimmt.
209
210
211
Aufgrund der unterschiedlichen Messgrundlagen, wie z.B. dem auf einer fünfstufigen Ordinalskala basierenden Nutzwert und dem auf einer Rationalskala (in CHF) berechneten Barwert, wäre eine Vermischung von qualitativen und quantitativen Kriterien formallogisch falsch. Die Unschärfe, im Rahmen der Nutzwertanalyse die Bewertung mehrerer Zielgrössen (z.B. die Nutzwerte einer BNR-Alternative an sich und jenen für die Transformation vom Ist-Zustand zu dieser Variante) auf derselben Ordinalskala zu einem Index (Gesamtnutzen) zu aggregieren, erachtet die Arbeit analog zu [Zangemeister 1976] als akzeptabel. Für die beispielhafte Bewertung der Gestaltungsoptionen werden jene Kriterien genutzt, die nicht nur in einem konkreten Unternehmenskontext anwendbar sind (vgl. Spalte Situativ? in den Tabelle 5-10 bis Tabelle 5-13). Falls die Fragestellung wie z.B. beim Oberkriterium Netzwerkeffekte auf die darunter liegenden Kriterien übertragbar ist, enthalten die Tabellen keine Fragen für die Kriterien, sondern nur Beispiele.
5.3 Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells
159
(Ober)Kriterium Beschreibung und Beispiel Situativ? Bewertungsdimension Strategie OK Strategische Unterstützt die Netzwerk-Konstellation eine Stärkung des eigenen Unternehmens Handlungsoption auf dem Markt und / oder eine Verbesserung seiner Perspektiven? Spezialisierung Welche Auswirkungen hat die Netzwerk-Konstellation auf die Konzentration des ei; (Fokussierung auf genen Unternehmens auf seine Kernkompetenzen? KernkompetenBeispiel: Die Gestaltungsoption 5 „Spezialist für das Anlagegeschäft“ erlaubt einer zen) Bank eine weitgehende Fokussierung auf ihre Vertriebskompetenzen. WachstumsperWie beeinflusst die Netzwerk-Konstellation die Umsatzpotenziale (z.B. Gewinnung ; spektive neuer Kunden) des eigenen Unternehmens in dessen Kerngeschäft? Beispiel: Entscheid eines Abwicklers über eine neue Bankplattform. Kundennutzen Inwiefern beeinflusst die Netzwerk-Konstellation die Differenzierung des Unterneh; mens gegenüber den Kunden (z.B. Leistungsangebot, Geschwindigkeit, Produktqualität)? Beispiel: Die Kooperation mit einem Portfolio Manager wie der DZ BANK International in Luxemburg ermöglicht eine Professionalisierung der Leistung für den Kunden. Differenzierungs- Erzielt das Unternehmen durch Leistungen aus dem Netzwerk eine Differenzierung ; potenzial aus dem gegenüber Konkurrenten? Netzwerk Beispiel: Durch die Kooperation mit einem Produktspezialisten kann eine Retailbank ohne Kernkompetenz im Anlagegeschäft ihren Kunden komplexe Produkte bieten. Preismodell In welchem Umfang erfüllt das Preismodell der Netzwerk-Partner die Bedürfnisse E des eigenen Unternehmens bzw. ist daran anpassbar? Beispiel: Unterstützt der Provider das Konzept einer Flatrate für Aktienaufträge? OK NW-Position Wie ist die Position des eigenen Unternehmens im betrachteten Netzwerk? Kundenzugang Inwiefern hat die Netzwerk-Konstellation Auswirkungen auf den Zugang des eige; nen Unternehmens zu Kunden (z.B. Exklusivität des Kundenzugangs)? Beispiel: Bank Vontobel erschliesst durch die Kooperation mit Raiffeisen Schweiz einen neuen, breiten und exklusiven Verkaufskanal für ihre Produkte. Substituierbarkeit Wie leicht ist das eigene Unternehmen bzw. sind die von ihm erbrachten Leistungen ; im Netzwerk ersetzbar (Einzigartigkeit, Imitierbarkeit)? Beispiel: Aufgrund der Standardisierung der Interbanken-Schnittstellen und der Anbieterdichte sind Streetside Provider relativ leicht ersetzbar. Abhängigkeiten Wie leicht sind die Netzwerk-Partner für das eigene Unternehmen ersetzbar (oder ; im Netzwerk besteht ein Lock-In)? Gibt es Alternativen auf dem Markt bzw. ist eine Wiedereingliederung („Backsourcing“) der Leistungen möglich? Beispiel: Eine Auslagerung der Rolle Händler hat i.d.R. den Verlust von spezifischem Know-how zur Folge, es gibt aber eine Vielzahl von alternativen Anbietern. Auswirkungen auf Inwiefern hat die NW-Konstellation Auswirkungen auf bestehende Kooperationen? E bestehende Beispiel: Durch eine Zusammenarbeit mit einem Streetside Provider wie CS-FI (vgl. Kooperationen Kap. 3.3.3) kann eine Vertriebsbank ihr Interbanken-NW signifikant reduzieren. Beispiel: Das BPO-Angebot der B-Source (vgl. Kap. 4.3.3) erlaubt Banken, bankfachliche NW-Partner (z.B. Streetside Provider) zu erhalten bzw. frei zu wählen. OK Governance Welche Möglichkeiten zur Kontrolle und Steuerung bestehen im Netzwerk? Wie klar sind die Rechte und Pflichten der Netzwerk-Partner definiert? Mitspracherecht Inwiefern kann das eigene Unternehmen die Netzwerk-Entwicklung beeinflussen? E Besteht z.B. die Möglichkeit zum Durchgriff im Netzwerk (Eskalation, Konsequenzen, Belangbarkeit bei Fehlern)? Beispiel: Die Provider in den Fallstudien versuchen den direkten Einfluss ihrer Mandanten auf nicht-entscheidungsbefugte Gremien zu beschränken. In welchem Ausmass bestehen optionale oder zwingende Kapitalverflechtungen? Finanzielle E Beteiligung Beispiel: Der Software Provider RTC (Bankplattform Ibis) ist als Cost Center organisiert und alle Mandanten sind zwingend am Unternehmen beteiligt. OK Community Hat die NW-Community absehbare Auswirkungen auf das eigene Unternehmen? Konkurrenzierung Bestehen mit den Kooperationspartnern Zielkonflikte bei der Marktbearbeitung? E Beispiel: B-Source (vgl. Kapitel 4.3) strebt als Abwickler bewusst keinen Bankstatus an, um nicht in Konkurrenz zu ihren Kundenbanken zu stehen. Verfolgen die Netzwerk-Partner komplementäre oder zumindest indifferente Ziele? Stabilität des E Netzwerks Beispiel: Bei Gemeinschaftswerken besteht die Gefahr, dass das Unternehmen (Zielkongruenz) nach einem Ausbau von Funktionalität und / oder Leistungsangebot strebt und die Eigentümer nach Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen.
Tabelle 5-10: Potenzialkriterien zur Bewertung von BNR im Anlagegeschäft (1/3)
160
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
(Ober)Kriterium Beschreibung und Beispiel Situativ? Bewertungsdimension Prozesse OK LeistungsWie einfach ist die NW-Konstellation an neue Anforderungen anpassbar? Welche erstelllung Rahmenbedingungen sind bei Architektur der Leistungserstellung zu beachten? Flexibilität Wie flexibel können / wollen die NW-Partner auf neue Anforderungen eingehen? E Beispiel: Wie rasch können neue Produkte lanciert und/oder verarbeitet werden? Verkraftbarkeit von In welchem Umfang kann das Netzwerk zusätzliches Volumen (z.B. aufgrund von ; VolumenschwanNeumandanten) abwickeln bzw. den Wegfall von Volumina verkraften? kungen Beispiel: Die Jahresendverarbeitung stellt für Banken nach wie vor eine Heraus(Skalierbarkeit) forderung dar (im Anlagegeschäft z.B. Druck und Versand des Depotabschlusses). Effizienz der Leis- Wie effizient ist die Arbeitsteilung im Netzwerk aus Unternehmenssicht? Gibt es ; tungserstellung Doppelgleisigkeiten? Entsprechen die Tätigkeiten den Kompetenzen der Partner? Beispiel: Nutzen die NW-Partner gemeinsame Streetside-Partner (z.B. Broker)? Klarheit der LeisWie umfassend und präzise sind die Service Level Agreements (bez. Klarheit, E tungsdefinition Vollständigkeit, Messbarkeit, etc.)? Beispiel: Für das Sanktionieren von Abweichungen vom vereinbarten Leistungsumfang sollten Kontroll- und Eskalationsmechanismen festgelegt sein. OK Kann das Unternehmen in der Netzwerk-Konstellation von Netzwerk-Effekten pro; Netzwerkeffekte fitieren bzw. die Netzwerk-Gesetze zu seinen Gunsten nutzen? Skaleneffekte Beispiel: Die Bündelung der Interbanken-Abwicklung bei einem Streetside Provider ; ermöglicht Skaleneffekte bei den Gebühren und der Netzwerk-Koordination. Verbundeffekte Beispiel: Durch die Integration von Brokerage und Custody entfällt Abstimmungs; aufwand, wie z.B. der Abgleich der Settlement-Instruktionen. Standardisierungs- Beispiel: Gemeinsame Ziel-Systeme in der Valorenpflege, wie z.B. GEOS bei der ; effekte ÖWS (vgl. Kapitel 3.3.3), ermöglichen Netzwerk-Effekte durch Standardisierung. OK Wie gut decken die Netzwerk-Partner den Referenzprozess ab (vgl. ProzessabdeE Prozessqualität ckung in Kapitel 5.2.3.2)? Kriterien zur Beurteilung der Qualität sind u.a. Verfügbarkeit, Flexibilität, Fehlerrate. Bewertungsdimension Systeme OK Applikationsar- Wie leistungs-, anpassungs- und weiterentwicklungsfähig sind die eingesetzten E chitektur Applikationen bzw. die Applikationsarchitektur? WeiterentwickIn welchem Ausmass und mit welchem Aufwand kann die Applikationsarchitektur E lungsfähigkeit / an neue fachliche Anforderungen angepasst werden (Flexibilität, Modularität)? Anpassbarkeit Beispiel: Können bei der Auslagerung eines Prozessbereichs die betroffenen Applikationen deaktivitiert werden (z.B. die Handels- und Custody-Systeme)? Mandantenfähigkeit Inwieweit ist die Applikationsarchitektur mandantenfähig (z.B. bez. AbschottbarE keit, Datenschutz)? Existieren Vorkehrungen für bankübergreifende Verarbeitung? Beispiel: Entris strebt für die Massenverarbeitung von Transaktionen eine Abstraktion von den Mandanten an, bei gleichzeitiger Abschottung der Kundendaten (vgl. BPO-Baselines in Tabelle 4 8). OK Integrationsar- Wie unterstützt die Integrationsarchitektur (z.B. Medienbrüche an den Applikati chitektur onsgrenzen)? Wie einfach sind Applikationen / Netzwerk-Partner austauschbar? Komplexität Wie komplex ist die Integrationsarchitektur? Mögliche Messpunkte sind z.B. die E Anzahl der Schnittstellen und die Heterogenität der Schnittstellentechnologien. Beispiel: CS-FI bietet BPO-Kunden im Aktienhandel eine Vielzahl von (Standard-) Schnittstellen (vgl. Abbildung 3–13) für eine rasche und einfache Anbindung. Standardisierung / In welchem Umfang basieren die Schnittstellen des eigenen Unternehmens in der ; Austauschbarkeit Netzwerk-Konstellation auf Standards? Wie austauschbar sind als Konsequenz aus System-Sicht die einzelnen Leistungen und Netzwerk-Partner? Beispiel: Die Verbreitung von FIX- und SWIFT-Schnittstellen erlaubt aus technischer Sicht einen relativ einfachen Austausch von Brokern und / oder Custodians. Umfang Datenher- Wie umfangreich ist die in der NW-Konstellation erforderliche Datenherausgabe? ; ausgabe Beispiel: Abwickler wie z.B. Bank Vontobel bieten ihren Kundenbanken an, die – aus Banksicht sensible – Identität der Bankkunden zu verschlüsseln. Bei Nachforschungen (seitens von Behörden wie z.B. der Finanzmarktaufsicht) muss diese Anonymisierung aufgehoben werden können. OK Die Funktionsqualität kann analog zur Prozessabdeckung (s. Kap. 5.2.3.1) beurE Funktionsqualität teilt werden. Mögliche Kriterien sind in Anlehnung an die Software-Qualitätskriterien nach DIN ISO 9126 (vgl. [Balzert 1998, 258ff]): Funktionalität, Zuverlässigkeit, Benutzbarkeit, Effizienz, Änderbarkeit und Übertragbarkeit.
Tabelle 5-11: Potenzialkriterien zur Bewertung von BNR im Anlagegeschäft (2/3)
5.3 Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells
161
(Ober)Kriterium Beschreibung und Beispiel Bewertungsdimension Politik / Kultur
Situativ?
OK Stakeholder
Wie stehen massgebliche Interessensgruppen der NW-Konstellation gegenüber? Ist von ihnen Widerstand bzw. Unterstützung zu erwarten?
Akzeptanz Shareholder
Ausgewählte Beispiele: Akzeptanz Bankkunden: In der Regel bevorzugt eine auslagernde Vertriebsbank, dass ihre Kunden keine Effekte einer Kooperation spüren. Darstellung in der Öffentlichkeit: Kantonalbanken sind bestrebt, Entlassungen im Zuge von Kooperationen zu vermeiden, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu wahren und den öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Bei kooperationsbedingten Entlassungen sind Widerstände wahrscheinlich.
E
Akzeptanz Bankkunden Management Commitment Akzeptanz / Darstellung in der Öffentlichkeit Akzeptanz Mitarbeiter
E E E E
OK Regulatorien
Welche Implikationen sind bei der Netzwerk-Konstellation aufgrund von (künftigen) gesetzlichen Regelungen zu beachten?
Compliance
Ist die NW-Konstellation konform mit internen / externen Regelwerken? Beispiel: Gemäss dem Schweizer Bankgeheimnis ist es untersagt, Kundenstammdaten an Provider ausserhalb der Schweiz weiterzugeben.
;
Gesetzliche Auswirkungen
Hat die Netzwerk-Konstellation direkte regulatorische Auswirkungen? Beispiel: Je nach Netzwerk-Konstellation muss die Kundenbank Mehrwertsteuer für die ausgelagerten Leistungen bezahlen.
;
OK Cultural Fit
Unterstützt / hemmt die Kooperationskultur die Netzwerk-Konstellation?
Reziprozität
Sind die Netzwerk-Beziehungen des Unternehmens ausgewogen?
E
Reputation NetzwerkPartner
Wie wirkt sich die Netzwerk-Konstellation auf die Reputation aus? Beispiel: Raiffeisen Schweiz profitiert vom guten Renommée von Bank Vontobel als Spezialist für Produktentwicklung, Research und Brokerage.
E
Bewertungsdimension Transformation OK Machbarkeit
Welche Faktoren behindern bzw. unterstützen die Transformation?
Referenzprojekte
Haben die Netzwerk-Teilnehmer bzw. hat das eigene Unternehmen bereits ähnliche Projekte durchgeführt? Beispiel: Vontobel erachtet den Fall Raiffeisen als Proof of Concept, dass sie als Provider komplexe Migrationsprojekte erfolgreich umsetzen kann.
E
Erfahrung / Vorleistungen
In welchem Umfang können die NW-Teilnehmer bei der Neugestaltung des Netzwerks auf Vorkenntnissen und / oder Vorleistungen aufbauen? Beispiel: BPO Provider wie z.B. B-Source entwickeln Frameworks für die ressourcen-schonende Transformation von Neukunden.
E
Ressourcenverfügbarkeit
Sind erfahrene Projektmitarbeiter (und Projektleiter) verfügbar? Beispiel: Im Zuge der Verbreitung von Standardbankensoftware in CH sind Fachkräfte mit Migrationserfahrung für Avaloq und Finnova sehr rar.
E
Verkraftbarkeit
Wie gut kann das eigene Unternehmen die Transformation verkraften? Beispiel: Die Zeitdauer ist ein wesentlicher Faktor für die organisatorische Verkraftbarkeit (z.B. Effekt auf Mitarbeitermotivation). Die Fallstudien BSource und DZ BANK betonen die rasche Umsetzbarkeit ihrer Lösungen.
E
Steuerbarkeit / Planungsqualität
Wie präzise sind die Ziele und der Ablauf des Projekts definiert? Existieren Kontrollpunkte zur Zielerreichung (Meilensteine) und vordefinierte Steuerungsmassnahmen für Termin- oder Zielabweichung?
E
OK Ein- / Austrittsbarrieren
Welche Barrieren sind bei der Transformation zu berücksichtigen und wie hoch sind diese? Bestehen Ausweichmöglichkeiten?
Betriebswirtschaftliche und rechtliche Barrieren
Beispiele für Eintrittsbarrieren: (Vorab-)Investitionen, Mitarbeiterabbau, Ressourcenbelastung, Fehlen von Know-how (z.B. für SW-Customizing). Beispiele für Austrittsbarrieren: Vertragslaufzeit / Strafen, Abschreibungen
E
Technische Barrieren
Beispiele für Austrittsbarrieren: Inkompatible Datenformate (z.B. alphanumerische Kontonummern), veraltete Schnittstellen-Technologie, monolithische Applikationslandschaft.
E
Legende: E = situativ
; = teilweise situativ
= nicht situativ
X = nicht zutreffend
Tabelle 5-12: Potenzialkriterien zur Bewertung von BNR im Anlagegeschäft (3/3)
162
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
5.3.1.2 Risikokriterien für BNR im Anlagegeschäft Analog zu den Kriterien der Potenzialanalyse beschreibt Tabelle 5-13 strategische und operationelle Risiken212 für einen Netzwerk-Zustand und für dessen Transformation. Die Risikokriterien sind auf andere Fachbereiche übertragbar.
Transformation
Zustand
Situativ?
(Ober)Kriterium
Beschreibung
Strategische Risiken
Besteht die Gefahr, dass aus einer strategischen Entscheidung oder aus Veränderungen im Marktumfeld ein Verlust resultiert?
Finanzielle Risiken
Besteht die Gefahr eines monetären Verlusts (z.B. Wechselkursrisiko)? Ein vielzitiertes Beispiel im Sourcing-Kontext ist das Risiko von versteckten Kosten einer Kooperation (vgl. [Affolter 2006, 26]).
E
E
Marktrisiko
Besteht die Gefahr, dass externe Veränderungen, wie z.B. neue Konkurrenten, verändertes Kundenverhalten oder Konjunkturzyklen, die Pläne des Unternehmens beeinflussen?
E
X
Klumpenrisiko
Besteht die Gefahr eines Verlustes infolge einer Konzentration grosser Volumina bei einem Partner (z.B. Abhängigkeit von einem Hauptkunden)?
E
X
Reputationsrisiken
Reputationsrisiken entstehen über konkrete Handlungen und Reaktionen der Netzwerk-Teilnehmer und führen zu Marktwertgewinnen oder -verlusten.
E
;
Kooperationsrisiko
Besteht die Gefahr, dass durch inkongruente Ziele in einer Kooperation ungeplante Ereignisse eintreten (z.B. Auflösen der Kooperation, gegenseitige Konkurrenzierung, Abhängigkeitsverhältnis bzw. Lock-In)?
E
;
Partnerrisiko
Besteht die Gefahr, dass Kooperationspartner ihren Pflichten nicht nachkommen (auch als Gegenparteirisiko bezeichnet)?
E
E
Regulatorische Risiken
Diese Kategorie umfasst die Unterelemente Compliance-Risiken (Risiko der Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben wie z.B. dem Bankgeheimnis), Rechtsrisiko (Gefahr mangelnder Durchsetzbarkeit vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche – bei BNR z.B. durch unvollständige Sourcing-Verträge – und von mit Rechtsstreitigkeiten verbundenen Kosten) und Vertragsrisiko (Gefahr z.B. durch Lücken in Verträgen, ungenügende Kompetenzregelungen).
E
;
Operationelle Risiken
„Gefahr von Verlusten, die infolge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder infolge externer Ereignisse eintreten.“ [Bankenaufsicht 2003, 140]
Prozessrisiken
Abwicklungsrisiken, die bei der Produktion von Bankleistungen entstehen. Unerwartete Verluste entstehen v.a. aus der Ineffizienz und dem Fehlschlagen von Prozessen. Prozessrisiken betreffen die fehlerfreie, fristgerechte und kostengünstige Leistungserstellung im Bankbetrieb. Dazu zählen Projektrisiken sowie Fehler bei Abwicklung oder Reporting. Zum Projektrisiko zählen unter anderem Kommunikationsrisiken (z.B. Verunsicherung der Mitarbeiter).
E
E
Personalrisiken
Resultieren Risiken aus dem unplanbaren Verhalten der Mitarbeiter oder aus ev. Know-how-Verlust? Zu verhaltensbedingten Risiken zählen kriminelle Handlungen der Mitarbeiter (u.a. Betrug), menschliches Versagen, Fluktuation und Verschleppungsrisiko (z.B. Nachreihen zugunsten des Tagesgeschäfts). Know-how-Risiko kann z.B. durch Neueinstellungen, in der Ausbildung und durch den Vorruhestand von Mitarbeitern begründet sein (z.B. Mangel an Fachkräften bei sehr neuen / alten Technologien) und das Planungsrisiko.
E
E
Versorgungsrisiken
Umschreiben Verlustgefahren, die auf Lieferungen von zugesagten Leistungen zurückführbar sind. Ein Versorgungsrisiko besteht bei einer nicht rechtzeitigen Lieferung oder bei unzureichender Qualität.
E
E
Legende: E = situativ
; = teilweise situativ
= nicht situativ
X = nicht zutreffend
Tabelle 5-13: Risikokriterien für BNR-Vorhaben im Anlagegeschäft 212
Die Beschreibungen basieren auf den Ausführungen von [Willcocks et al. 2004, 9; Anonymous 2005, 69; Paxmann/Fuchs 2005, 253ff; Affolter 2006, 25; Ebertz 2006; Zmuda 2006, 191ff; Chan et al. 2007, 29ff].
5.3 Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells
163
5.3.2 Beispielhafte Potenzial- und Risikoanalyse Dieser Abschnitt wendet jene Teile des qualitativen Kriterienkatalogs (vgl. Tabelle 5-10 bis Tabelle 5-13), die weitgehend unabhängig von konkreten Handlungsfeldern (nicht situativ) einsetzbar sind, auf ausgewählte Gestaltungsoptionen aus Kapitel 5.1 an. Dabei sind im Beispiel folgende Aspekte des Bewertungsmodells ausgeklammert: Die Anforderungsdefinition. Die Gewichtung der Kriterien. Die Prozess- und Funktionsabdeckung, da hier die Qualität der Leistungserstellung zu beurteilen ist, die vom jeweiligen Netzwerk-Partner abhängt. Die Bewertung der (situativen) Dimensionen Politik/Kultur sowie Transformation. Aufgrund der überschaubaren Menge an Kriterien im Anwendungsbeispiel wird auf die Aggregationsebene Oberkriterien verzichtet. Der Kriterienkatalog hat daher nur eine zweistufige Struktur mit Dimensionen und Kriterien. Analog zum Fokus der Fallstudien auf die transaktionsorientierten Prozesse im Anlagegeschäft werden beispielhaft die Gestaltungsoptionen 1, 2 und 5 bewertet. Die Ergebnisse sollen v.a. die Funktionsweise des Modells zeigen und stellen keine Wertung oder Reihung dar. Der Stellenwert der situativen Kriterien ist bei einer realen Bewertungssituation so hoch, dass nur modellbezogene Aussagen nicht als Handlungsempfehlung gelten können. Tabelle 5-14 beinhaltet die Bewertung der drei oben angeführten Optionen anhand von je zwei bis drei Kriterien auf den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme. Abbildung 5-12 zeigt eine beispielhafte Auswertung dieser vereinfachten Bewertung der drei Gestaltungsoptionen. Spezialisierung 4
Umfang Datenherausgabe
3
Kundennutzen
Option 1 – WP-Abwickler
2
Option 2 – Streetside
1 0
Austauschbarkeit
Abhängigkeit
Option 5 – Spezialist für das Anlagegeschäft Tendenzaussage zur Operationalisierung: 0=schlechter ; 4=besser
Verbundeffekte
Skaleneffekte
Abbildung 5-12: Darstellung der beispielhaften Bewertung als Radardiagramm
Option 2 – Streetside
Option 5 – Spezialist für das Anlagegeschäft
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell Option 1 – Wertpapier-Abwickler
164
Spezialisierung: Welche Auswirkungen hat die NW-Konstellation auf die Konzentration des Unternehmens auf seine Kernkompetenzen?
0=Defokussierung; 1=Defokussierung möglich; 2=keine Auswirkungen; 3=Spezialisierung möglich; 4=Spezialisierung
3
3
4
Kundennutzen: Inwiefern beeinflusst die Netzwerk-Konstellation die Differenzierung gegenüber den Kunden des eigenen Unternehmens?
0=Verlust bisheriger Differenzierung; 1=Verlust möglich; 2=keine Auswirkungen; 3=zusätzliche Differenzierung möglich; 4=zusätzliche Differenzierung
2
2
3-4
Abhängigkeit: Sind die NW-Partner für das eigene Unternehmen ersetzbar? (Gibt es Alternativen auf dem Markt bzw. ist eine Wiedereingliederung („Backsourcing“) möglich?)
0=starke Abhängigkeit, keine Alternativen; 1=starke Abhängigkeit, Alternativen rar bzw. aufwändig; 2=Abhängigkeit, Alternativen vorhanden; 3=geringe Abhängigkeit; 4=keine Abhängigkeit
2
3
1
Skaleneffekte: Welche Skaleneffekte (SE) können durch die NetzwerkKonstellation erzielt werden?
0=keine SE; 1=geringe SE (<5%) möglich; 2=geringe SE; 3=umfassende SE (>5%) möglich; 4=umfassende SE
3
4
2-3
Verbundeffekte: Welche Verbundeffekte (VE) können durch die Netzwerk-Konstellationen erzielt werden?
0=keine VE; 1=geringe VE (<5%) möglich; 2=geringe VE; 3=umfassende VE (>5%) möglich; 4=umfassende VE
2
3
4
Austauschbarkeit: Wie einfach kann der Provider zu einem späteren Zeitpunkt gewechselt werden?
0=Wechsel nicht möglich; 1=Wechsel bei unverhältnismässig hohem Aufwand möglich; 2=Wechsel bei verhältnismässig hohem Aufwand möglich; 3=Wechsel bei vertretbarem Aufwand möglich; 4=Wechsel bei geringem Aufwand möglich
2
4
1
Umfang Datenherausgabe: Wie gross ist der Umfang der in der Netzwerk-Konstellation notwendigen Datenherausgabe?
0=umfangreiche Herausgabe sensibler Daten; 1=Herausgabe sensibler Daten; 2=geringe Herausgabe sensibler Daten; 3=sehr geringe Herausgabe sensibler Daten; 4=keine Herausgabe sensibler Daten
1
3
0
Operationalisierung213
Systeme
Prozesse
Strategie
Kriterium
(Tendenzaussage: 0=schlechter; 4=besser)
Tabelle 5-14: Beispielhafte Anwendung der qualitativen Bewertung 5.3.3 Fiktives Beispiel zur Anwendung des quantitativen Bewertungsrasters Dieser Abschnitt veranschaulicht anhand eines vereinfachten214 Anwendungsbeispiels den Aufbau des quantitativen Teils des Bewertungsmodells und diskutiert dessen Ergebnisse. Das Beispiel basiert auf fiktiven Anwendungsfällen, die im Rahmen des CC Sourcing gemeinsam mit Partnerunternehmen erarbeitet (d.h. konkrete ProviderAngebote für eine fiktive Bank) und v.a. im dritten, fünften und achten Workshop von CC Sourcing 1 intensiv diskutiert wurden. Zudem sind die Werte für Kennzahlen, wie
213 214
Die Messvorschriften basieren auf einer Ordinalskala (vgl. [Zangemeister 1976, 151]). Im Beispiel sind u.a. keine Opportunitätskosten und Finanzierungskosten berücksichtigt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Veranschaulichung der Anwendung des Modells, die Werte sind keineswegs als idealtypisch für ein BNR-Vorhaben zu interpretieren.
5.3 Beispielhafte Anwendung des Bewertungsmodells
165
z.B. die Cost/Income-Ratio oder der Anteil von Personalkosten215 am Umsatz, mit Studienergebnissen (z.B. [Cocca/Geiger 2007]) validiert. Die vereinfachte Ausgangslage für das Fallbeispiel sieht vor, dass das Unternehmen im Ist-Zustand alle Leistungen des Analysebereichs selbst erbringt, die Anschaffungsund Transaktionskosten Leistungsbezieher sind also Null. Weiters gilt die Annahme, dass die verarbeiteten Volumina mit Ausnahme eines Anstiegs um 15% im Jahr 3 stabil sind und die Leistungen mit einem linearen variablen Preismodell verrechnet werden. Das BNR-Szenario nimmt eine Auslagerung im ersten Jahr des fünfjährigen Betrachtungszeitraums an, wobei die Grössenordnungen der Werte und die Kosten- bzw. Ertragsrelationen dieser Handlungsalternative (gemäss ähnlichen Offerten für die o.a. Modellbank) in etwa den Werten für die Gestaltungsoption Wertpapier-Abwickler entsprechen. Das betrachtete Unternehmen entwickelt sich bei der Umsetzung der Handlungsalternative von einem ausschliesslichen Lieferanten zu einem Lieferanten und Leistungsbezieher. Transformationskosten fallen in den Jahren 0 bis 3 an, davon das Gros im Jahr 1. Vorgeschoben sind Transaktionskosten Transformation in Höhe von TCHF 200. Ab dem Jahr 1 sind zudem auch Transaktionskosten Leistungsbezieher für das Management des neuen Lieferanten zu berücksichtigen. Wesentliche Parameter des Modells sind neben dem o.a. Betrachtungszeitraum v.a. der Diskontierungszinssatz (hier 12%) sowie als Input für Auswertungen der Anteil der zahlungswirksamen Kosten an den Gemeinkosten für die Kalkulation des Liquiditätsbedarfs und der Anteil variabler Kosten an den leistungsmengeninduzierten Gemeinkosten für die Berechnung der Kostenvariabilisierung. Die Ergebnisse der Bewertung zeigen, dass sich die Handlungsalternative im zweiten Jahr amortisiert und über den Betrachtungszeitraum von fünf Jahren um rund CHF 8,2 Mio. (vgl. Kapitalwert ohne ewige Rente216) mehr Ertrag bringt als ein Beibehalten des Ist-Zustands. Im Beispiel sind die Erlöse für den Ist-Zustand und die Handlungsalternative gleich, die Unterschiede ergeben sich ausschliesslich aus den Kosten. Die Gesamt-Erlöse für die Handlungsalternative sind in jedem Jahre höher als die Summe der Gesamt-Kosten für die Handlungsalternative inklusive der in den Perioden 0 bis 3 anfallenden Transformationskosten. Das Vorhaben ist daher absolut betrachtet von Beginn weg rentabel. Die tieferen internen Kosten in Folge der Umsetzung des BNRVorhabens kompensieren die Transformationskosten und die Einkaufskosten. Das BNR-Vorhaben wirkt sich auch positiv auf die Cost/Income-Ratio des Unternehmens aus, die bereits im Jahr 5 von 78% auf 69% gesunken ist. Auf die Kostenvariabilisie-
215
216
„In Switzerland, personnel costs represent 64.4% of total costs (non-personnel operational costs and personnel costs = total costs). Over the last nine years, this figure has remained between 64.4% and 68.3%.” [Cocca/Geiger 2007, 24] Der um ein Vielfaches höhere Kapitalwert mit ewiger Rente (vgl. Kapitel 5.2.3.2) ist so zu interpretieren, dass ein Mehrertrag von knapp CHF 37 Mio. durch das BNR-Vorhaben realisiert würde, wenn das Ertragsverhältnis von Ist-Situation zur Handlungsalternative im Jahr 5 für unendliche Zeit bestehen bleibt. Die Formulierung ist im Konjunktiv gehalten, da diese Entwicklung u.a. aufgrund der dynamischen Gesetzeslage und wechselnder Kundenbedürfnisse unwahrscheinlich ist. Die ewige Rente hat zudem den Nachteil, dass der Grossteil der Erträge im unsicheren Zeitraum nach Ende der Detailplanung erwirtschaftet wird.
166
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
rung hat die Handlungsalternative kaum Auswirkungen, u.a. aufgrund des vom Provider verrechneten Fixkostenblocks von CHF 1 Mio. Parameter Diskontierungszinssatz Betrachtungszeitraum Detailplanung Geschätzter Anteil zahlungswirksamer Kosten an GK Geschätzter Anteil variabler Kosten an GK
% Jahre % %
12.0% 5 90.0% 40.0%
Start
Kosten & Erlöse IST (BNR-Projekt nicht durchgeführt) TCHF Einzelkosten TCHF Leistungsmengeninduzierte Gemeinkosten TCHF Leistungsmengenneutrale Gemeinkosten TCHF 6 interne Kosten für IST
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
ewige Rente
Jahr 5
16'400 9'100 2'100 27'600
16'400 9'100 2'100 27'600
16'400 9'100 2'100 27'600
18'860 9'980 2'100 30'940
18'860 9'980 2'200 31'040
18'860 9'980 2'200 31'040
18'860 9'980 2'200 31'040
Einkaufskosten Variabel Einkaufskosten Fix Transaktionskosten Leistungsbezieher 6 Einkaufskosten für IST
TCHF TCHF TCHF TCHF
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
Verkaufserlöse Variabel Verkaufserlöse Fix Transaktionskosten Provider ' Provider-Erlöse für IST
TCHF TCHF TCHF TCHF
34'800 0 100 34'700
34'800 0 100 34'700
34'800 0 140 34'660
40'020 0 140 39'880
40'020 0 140 39'880
40'020 0 140 39'880
40'020 0 140 39'880
' Ertrag / Verlust für IST
TCHF
7'100
7'100
7'060
8'940
8'840
8'840
8'840
Kosten & Erlöse Handlungsalternative (BNR-Projekt durchgeführt) TCHF 16'400 Einzelkosten TCHF 9'100 Leistungsmengeninduzierte Gemeinkosten TCHF 2'100 Leistungsmengenneutrale Gemeinkosten TCHF 27'600 6 interne Kosten für Handlungsalternative
8'400 5'400 1'950 15'750
8'400 5'400 1'950 15'750
9'660 6'210 1'950 17'820
9'660 6'210 2'000 17'870
9'660 6'210 2'000 17'870
9'660 6'210 2'000 17'870
Einkaufskosten Variabel Einkaufskosten Fix Transaktionskosten Leistungsbezieher 6 Einkaufskosten für Handlungsalternative
TCHF TCHF TCHF TCHF
0 0 0 0
6'600 2'000 140 8'740
6'600 2'000 140 8'740
7'590 2'000 140 9'730
7'590 2'000 140 9'730
7'590 2'000 140 9'730
7'590 2'000 140 9'730
Verkaufserlöse Variabel Verkaufserlöse Fix Transaktionskosten Provider ' Provider-Erlöse für Handlungsalternative
TCHF TCHF TCHF TCHF
34'800 0 100 34'700
34'800 0 100 34'700
34'800 0 140 34'660
40'020 0 140 39'880
40'020 0 140 39'880
40'020 0 140 39'880
40'020 0 140 39'880
' Ertrag / Verlust der Handlungsalternative
TCHF
7'100
10'210
10'170
12'330
12'280
12'280
12'280
0 0 0 0
1'800 500 0 2'300
200 300 0 500
200 0 0 200
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
Transformation (Kosten für die Umsetzung des BNR-Projekts Direkte Transformationskosten TCHF Investitions-/Projektkosten TCHF Übergangskosten TCHF Finanzierungskosten TCHF 6 direkte Transformationskosten Indirekte Transformationskosten Transaktionskosten Transformation Opportunitätskosten 6 indirekte Transformationskosten
TCHF TCHF TCHF
200 0 200
600 0 600
25 0 25
0 0 0
0 0 0
0 0 0
0 0 0
6 Transformationskosten
TCHF
200
2'900
525
200
0
0
0
TCHF TCHF TCHF TCHF TCHF TCHF TCHF TCHF TCHF TCHF TCHF Jahre TCHF TCHF % % % %
27'600 27'800 34'700 34'700 0 0 8'039 36'706 -200 -200 -200 2 8'220 8'020 80% 80% 73% 73%
27'600 27'390 34'700 34'700 3'110 2'737
27'600 25'015 34'660 34'660 3'110 2'408
30'940 27'750 39'880 39'880 3'390 2'310
31'040 27'600 39'880 39'880 3'440 2'063
31'040 27'600 39'880 39'880 3'440 1'815
31'040 27'600 39'880 39'880 3'440 28'667
210 185 -15
2'585 2'002 1'987
3'190 2'174 4'161
3'440 2'063 6'223
3'440 1'815 8'039
3'440 28'667 36'706
8'220 8'045 80% 71% 73% 70%
8'180 10'380 80% 71% 73% 70%
10'148 12'946 78% 69% 74% 72%
10'058 13'101 78% 69% 74% 72%
10'058 13'101 78% 69% 74% 72%
10'058 13'101 78% 69% 74% 72%
Kennzahlen JK Jährliche Kosten - IST Jährliche Kosten - Handlungsalternative JE Jährliche Erlöse - IST Jährliche Erlöse - Handlungsalternative Differenz Handlungsalternative - IST absolut Differenz Handlungsalternative - IST diskontiert KW Kapitalwert ohne ewige Rente Kapitalwert mit ewiger Rente ED Jährliche Ergebnisdifferenz absolut Jährliche Ergebnisdifferenz diskontiert Aggregierte Ergebnisdifferenz diskontiert AD Amortisationsdauer LB Liquiditätsbedarf (-) / -überschuss (+) IST Liq.bedarf / -überschuss Handlungsalternative CI Cost/Income-Ratio IST Cost/Income-Ratio Handlungsalternative KV Kostenvariabilisierung IST Kostenvariabilisierung Handlungsalternative
Abbildung 5-13: Fiktives Beispiel zur quantitativen Bewertung
5.4 Zwischenfazit
167
5.4 Zwischenfazit Dieses Kapitel leitet aus den Überlegungen im Rahmen der Konzeption des Referenznetzwerks (vgl. Kapitel 3.3.1), aus den Fallbeispielen und v.a. auch aus den Fallstudien (vgl. Kapitel 4) sechs Gestaltungsoptionen zur Vernetzung im Anlagegeschäft ab. Aus Sicht einer Vertriebsbank decken diese Modelle (einzeln bzw. in Kombination) sämtliche Teile des Referenzprozesses ab mit Ausnahme von Vertrieb und Beratung. Die Optionen reichen von einem Backoffice-Spezialisten über eine Transaktionsbank bis hin zum Fullservice Provider. Option 6 berücksichtigt den Trend zu prozessübergreifenden Lösungen und enthält auch Leistungen aus anderen Bankprozessen wie der Kreditverarbeitung sowie Querschnittsprozesse wie die Kunden- und Kontoführung. Diese sechs Referenzmodelle sind Konstruktionshilfen für unternehmensspezifische Modelle. Im Sinne der Design Science ist ihre Qualität auch von Praxisvertretern217 nach den Grundsätzen ordnungsmässiger Modellierung (vgl. Kapitel 2.1.2, z.B. Richtigkeit, Klarheit, systematischer Aufbau) geprüft und bestätigt. Die Auswahl der bestmöglichen Handlungsalternative im jeweiligen Unternehmensbzw. Projektkontext ist ein multidimensionales Entscheidungsproblem. Auf Basis eines Anforderungskatalogs evaluiert das Kapitel eine Reihe von qualitativen, quantitativen und kombinierten Bewertungsansätzen zur Lösung dieses Auswahlproblems und kommt zum Schluss, dass die Ansätze zwar eine Vielzahl von für BNR passenden Aspekten behandeln, jedoch keiner die o.a. Anforderungen ausreichend abdeckt. Das nachfolgend entwickelte Bewertungsmodell umfasst qualitative und quantitative Kriterien, verzichtet aber bewusst auf eine Integration dieser beiden, um weder die Aussagekraft der Ergebnisse zu schwächen noch den Entscheider zu bevormunden. Eine arithmetische Verknüpfung dieser beiden wäre ausserdem nicht korrekt, da die qualitativen Kriterien auf einer Ordinalskala und die quantitativen auf einer Rationalskala basieren. Während für die qualitative Bewertung in der Literatur und in der Praxis eine Vielzahl an Kriterien verwendet wird und keine einheitliche Systematik erkennbar ist, konzentriert sich der Diskurs um die quantitative Bewertung auf einige wenige Ansätze v.a. aus der Kostenrechnung, Finanzplanung und Investitionsrechnung. Der Mehrwert des qualitativen Bewertungsansatzes liegt daher v.a. in der Strukturierung des Kriterienkatalogs: (1) für die Bewertung des Potenzials nach den fünf Dimensionen des BE-Modells (Strategie, Prozesse, Systeme, Politik / Kultur und Transformation) sowie (2) für die Risikokriterien nach strategischen und operationellen Risiken. in der methodischen Unterstützung bei der Bewertung: (1) durch die separate Bewertung von Netzwerk-Zuständen und Transformationsphasen, (2) durch die jeweils eigenständige Bewertung von Ist-Zustand, Anforderungen des Unternehmens 217
Die Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft waren v.a. Thema des zweiten Workshops von CC Sourcing 2 zum Thema „Netzwerkmodelle – Prototyp Anlegen“ im Januar 2007.
168
5 Gestaltungsoptionen und Bewertungsmodell
(Soll) und der Handlungsalternativen zur Neugestaltung sowie (3) durch die Hinweise zum Vorgehen bei der Anwendung des Kriterienkatalogs. in der beispielhaften Anwendung auf das Anlagegeschäft: (1) durch die Präzisierung wesentlicher Kriterien anhand von Fragen und Beispielen sowie (2) in der Gegenüberstellung von drei Gestaltungsoptionen anhand einer Kriterienauswahl. Im quantitativen Teil kombiniert die Arbeit etablierte Komponenten wie Kapitalwert, Amortisationsdauer und eine dynamische Wirtschaftlichkeitsrechnung mit BNRspezifischen Aspekten wie z.B. der Berücksichtigung von (einmaligen und wiederkehrenden) Transaktionskosten, Opportunitätskosten und der Kostenvariabilisierung. Über Parameter wie dem Diskontierungszinssatz erlaubt das Modell auch Sensititvitätsanalysen. Eine Aufstellung der wesentlichen Kosten- und Erlösarten, ein siebenstufiges Vorgehen zur quantitativen Bewertung und ein vereinfachtes Anwendungsbeispiel runden das Modell ab. Das im nächsten Kapitel beschriebene Vorgehensmodell für die Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken nutzt beide Ergebnisblöcke dieses Kapitels. Die Gestaltungsoptionen sind Beispiele für Vorlagen (Halbfabrikate), die im BNR-Vorgehen u.a. verwendet werden, um die Zielposition des eigenen Unternehmens zu bestimmen und darauf aufbauend die Liste möglicher Netzwerk-Partner zu konkretisieren. Diesen Charakter haben u.a. auch der Kriterienkatalog und der quantitative Bewertungsraster. Die Nutzung der qualitativen und quantitativen Komponenten des Bewertungsmodells ist im nachfolgend beschriebenen Vorgehensmodell integriert.
6.1 Bezugsrahmen und Einordnung
169
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken „Gerade komplexe Transformationsprojekte brauchen ein methodengestütztes Vorgehen, das die Projekte in kleine beherrschbare Aktivitäten mit klar definierten Ergebnissen zerlegt und diese Aktivitäten zu einer Reihenfolge mit klar definierten Ergebnissen im Projektplan verbindet.“ [Kagermann/Österle 2006, 263]
Dieses Kapitel präsentiert ein Vorgehensmodell218 für die Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken. Dieses nachfolgend als BNR-Vorgehen bezeichnete Modell beinhaltet eine Sequenz von Analyse- und Entwurfsschritten von der Projektidee bis zur Auswahl aus erarbeiteten BNR-Handlungsalternativen bzw. allgemeiner formuliert bis zur Definition nächster Schritte auf Basis der Analyseergebnisse zur Neugestaltung des Partnernetzwerks eines Unternehmens. Das Vorgehen basiert auf einem Projektauftrag, der vorgibt, welche Teile der Wertschöpfungskette im Rahmen der Neugestaltung zu betrachten sind, und der Strategie219 des Unternehmens, welche die Rahmenbedingungen für die Erarbeitung der BNR-Handlungsalternativen definiert. Das Kapitel besteht aus vier Teilkapiteln: (1) einer Erläuterung der Struktur des BNRVorgehens und einer Einordnung in bestehende Ansätze, (2) einer ausführlichen Beschreibung der Aktivitäten und ihrer Sequenz, (3) einer Zusammenfassung der Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten sowie (4) einer Beurteilung des Modells anhand der in Kapitel 2.3.2 genannten Anforderungen im Rahmen des Zwischenfazits. 6.1 Bezugsrahmen und Einordnung Dieses Teilkapitel erläutert zunächst den fachlichen und konzeptionellen Rahmen sowie die Grenzen des BNR-Vorgehens. Den Ausgangspunkt für die Konzeption des Modells bilden die Forschungsmethoden Aktionsforschung220, Fallstudienforschung und Literaturstudium. Das zweite Teilkapitel analysiert bestehende Methoden und Vorgehensmodelle zum Themenbereich BNR und erläutert beispielhaft Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum anschliessend präsentierten BNR-Vorgehen. 6.1.1 Bezugsrahmen Vorgehensmodelle und Methoden zählen zu den wesentlichen Ergebnistypen der Wirtschaftsinformatik, sie bauen auf der statischen Funktion von Architekturen als Gestaltungsrahmen auf (vgl. [Amberg 1999, 17]) und liefern ein systematisches Instrumentarium zu deren Umsetzung in Form eines idealtypischen Projektvorgehens. Die meisten Vorgehensmodelle für Veränderungsprojekte berücksichtigen die Phasen 218
219
220
Vorgehensmodelle legen fest, in welcher Abfolge welche Aktivitäten durchzuführen sind, um definierte Artefakte (Ergebnisse) zu erstellen oder zu ändern. Mehrere Aktivitäten werden in der Regel zu Phasen zusammengefasst. (vgl. [Balzert 1998, 70]) Ein Vorgehensmodell ist Teil einer Methode (vgl. [Gutzwiller 1994]). Die Arbeit behandelt weitere Methodenkomponenten wie z.B. Rollen und Techniken nicht umfassend. Nach [Müller-Stewens/Lechner 2005, 395ff] bestehen aus strategischer Sicht sechs generische Optionen zur Veränderung der Position des eigenen Unternehmens in der Wertschöpfungskette (sog. Wertschöpfungsmanöver): Fokussieren, Integrieren, Koordinieren, Komprimieren, Expandieren und Neu Konstruieren. Der Autor hatte im Rahmen des CC Sourcing sowohl in Projekten bei Unternehmen als auch im Rahmen der periodischen Workshops, in denen ausgewählte BNR-Fragestellungen auch anhand einer Modellbank bearbeitet wurden, die Möglichkeit, Teile des Vorgehens anzuwenden (vgl. Anhang B).
170
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Analyse, Entwurf, Realisierung und Einführung [Stahlknecht/Hasenkamp 2005]. Das hier vorgestellte Modell fokussiert die Phasen Analyse und Entwurf und erweitert diesen generischen Ablauf um eine vorgelagerte Phase Schaffen (bank)fachlicher Grundlagen, in der die für den Anwendungskontext spezifischen Referenzmodelle sowie die mit der Strategie des Unternehmens und mit dem Projektauftrag abgestimmten Bewertungskriterien definiert werden. Für die nicht im Detail behandelten Phasen Realisierung und Einführung sind Schnittstellen zu Ansätzen z.B. aus der Systementwicklung, dem Projektmanagement oder dem Konfigurationsmanagement (vgl. [Amberg 1999, 15]) angedacht. Zusätzlich zeigt dieses Kapitel für diese Phasen Besonderheiten von BNR und daraus abgeleitet kritische Erfolgsfaktoren auf (z.B. Mitarbeiterübernahme, Know-how-Transfer). Ein häufiger Grund für das Scheitern von Veränderungsprojekten ist eine einseitige thematische Fokussierung der Methoden auf betriebswirtschaftliche, informationstechnologische oder kulturell-emotionale Teilaspekte (vgl. [Baumöl 2006, 314]). Dem begegnet das BNR-Vorgehen durch die Verwendung des BE-Ansatzes, der Elemente aller genannten Sichten kombiniert und damit eine umfassende Modellierung sicherstellt. Diese abgestimmte Betrachtung von strategischen, prozessbezogenen und systemtechnischen Aspekten über die Vorgehensphasen ist auch ein wesentlicher Unterschied zu Ansätzen z.B. aus der strategischen Analyse (vgl. [Aeberhard 1996]) und aus der Systementwicklung (vgl. [Boehm 1988]). Das Vorgehen ist referenzmodellbasiert, d.h. im ersten Aktivitätenbündel (AB) „Analyse der WSK“ werden Referenzmodelle (vgl. Kapitel 2.1.2) definiert, die in den weiteren Phasen als Konstruktionshilfen (vgl. [Schütte 1998, 309ff]) für die unternehmensspezifischen Ergebnisse dienen. Dieser Ansatz ist für BNR besonders geeignet, da für die Entwicklung von unternehmensübergreifenden Modellen die Ansätze mehrerer Partner aufeinander abzustimmen und zu verknüpfen sind. Die Referenzmodelle können diesen Bedarf einer gemeinsamen semantischen Basis decken. Das BNR-Vorgehen legt fest, welche Ergebnisdokumente (d.h. das Was) zu gestalten sind, und erläutert die Abfolge der Schritte (d.h. das Wie) zur deren Erarbeitung. Diese Sequenz ist je nach Projektkontext eventuell anzupassen, Kapitel 6.3.2 beschreibt alternative Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens und deren Auswirkungen auf die Abfolge der Aktivitäten(bündel). Das Vorgehensmodell sieht bewusst „Abkürzungen“ in der Lösungsfindung vor und nutzt die Ansätze der Referenzmodellierung zur Erhöhung der Wiederverwendbarkeit von Ergebnissen. Dies soll sich positiv auf die Dauer und die Qualität der Veränderungsprojekte auswirken. Die Flexibilität des BNRVorgehens beruht auch auf der Argumentation von [Baumöl 2006, 314ff], dass Veränderungsprojekte u.a. wegen der Inflexibilität der Methoden in Bezug auf ihre situative Anpassbarkeit und dem Zeit- / Kostendruck scheitern. Eben weil die existierenden Methoden als zu starr angesehen werden, schlägt [Baumöl 2006] eine Dekomposition in
6.1 Bezugsrahmen und Einordnung
171
ihre Aktivitäten vor, damit diese modular und frei zu jeweils individuell angepassten Vorgehensmodellen kombinierbar sind.221 Diese Arbeit beschreibt Teile des Vorgehens und wesentliche Ergebnisdokumente am Beispiel Anlagegeschäft. Die Ausrichtung auf die Finanzindustrie und dort auf das Anlagegeschäft222 erfolgt anhand von Referenzmodellen (vgl. z.B. das Bankmodell in Kapitel 3.2.4 und das Referenznetzwerk Anlegen in Kapitel 3.3.1), die für den Anwendungsbereich entweder zu erarbeiten oder aus bestehenden Ansätzen auszuwählen sind. Das Vorgehensmodell ist daher prinzipiell auch für andere Fachbereiche und Branchen nutzbar. 6.1.2 Einordnung in bestehende Ansätze Im Vorfeld der Konzeption des Vorgehensmodells wurde eine Reihe von Ansätzen betrachtet. Die Synthese dieser Modelle zur Neugestaltung eines Unternehmens, Netzwerks oder Prozesses bzw. zur schrittweisen Entscheidungsfindung ist eine wesentliche Grundlage des nachfolgend beschriebenen BNR-Vorgehens. Tabelle 6-1 zeigt einige dieser Ansätze223 und beinhaltet für jeden genannten Ansatz die Phasen des Vorgehensmodells sowie beispielhafte Aktivitäten und / oder Ergebnisdokumente. Besonders hervorzuheben sind als allgemeine Beiträge zum BE-HSG (als Forschungsrahmen der Arbeit) die Ansätze von [Blessing 2001; Höning 2008]. Neben diesen Literaturansätzen basiert das BNR-Vorgehen auch auf wiederholten Diskussionen und Workshops mit Fachvertretern im Rahmen des CC Sourcing sowie auf Erfahrungen aus verschiedenen Veränderungsprojekten (vgl. Anhang B.2).
221 222 223
Die Aktivität als flexibler Vorgehensbaustein nimmt nach [Baumöl 2006, 317] eine zentrale Position in Veränderungsprojekten ein. Alternative Betrachtungsobjekte in der Finanzindustrie sind z.B. Zahlungsverkehr oder Fondsgeschäft. [Alt 2004, 287f] dokumentiert noch eine Reihe zusätzlicher Vorgehensmodelle mit Fokus auf eine Neugestaltung (z.B. für Supply Chain und Customer Relationship Management).
172
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Ansatz
Phasen des jeweiligen Vorgehensmodells
Core Business Engineering Methode nach [Höning 2008]
(1) Geschäftsarchitektur (Strategie entwickeln / analysieren, Zielsystem entwerfen), (2) Prozessarchitektur (Unternehmensdesign entwerfen, Prozessleistung definieren, Prozessabläufe festlegen, Aufbauorganisation ableiten), (3) Systemarchitektur, (4) Realisierung (Software parametrisieren, Software einführen).
Vorgehen zur Integrationsplanung und -bewertung in Unternehmensnetzwerken nach [Stadlbauer 2007, 126ff]
(1) Identifizierung der Integrationsbereiche (Ermittlung der Netzwerkprozessorganisation, Identifikation der Integrationsbereiche), (2) Analyse der Integrationslösung (Evaluation der Integrationsbereiche, Integrationsspezifikation), (3) Bewertung und Auswahl der Integrationslösung (Integrations-Assessment).
Business/IT Alignment für einen Finanzdienstleister nach [Baumöl 2006, 319ff]
(1) Strategieformation (Geschäftslogik, Vernetzungsgrad, Einfluss der Stakeholder, Wertschöpfung), (2) Prozessarchitektur (Analyse der Ist-Prozesse, Definition der Prozessarchitektur), (3) Unternehmenskultur (Struktur der Gruppenprozesse, Kommunikationsverhalten, Definition Kommunikationsstil), (4) Organisationsstruktur / Steuerungskonzepte (Organisationsarchitektur, Rollenmodell, Kennzahlensystem), (5) IT-Architektur (Datenmodelle, Applikationsarchitektur).
Systematik von Entscheidungsprozessen nach [Laux 2005, 8]
(1) Problemformulierung, (2) Präzisierung des Zielsystems, (3) Erforschung der möglichen Handlungsalternativen, (4) Auswahl einer Alternative, (5) Entscheidungen in der Realisationsphase.
Outsourcing Management Pro- (1) Formulieren Sourcing-Strategie, (2) Festlegen Sourcing-Anforderungen und zess nach [Löschenkohl/Weiss Sourcing-Vorgehen, (3) Wahl Service-Provider und Vertragsverhandlungen, (4) 2005, 544ff] Transition zum Service-Provider, (5) Management des Service-Providers. Vorgehen für integrierte Prozessportale nach [Alt 2004, 255]
(1) Portalstrategie (Geschäftsnetzwerkanalyse, Potenzialanalyse), (2) Portalprozesse (Kundenprozessanalyse, Kooperations- und Unterstützungsprozessanalyse, Prozessführung), (3) Portalsysteme (Portalarchitektur, Portalintegration).
Entwurf Prozess-Netzwerk: (1) Strategien, Ist-Situation und Anforderungen analysieren, (2) Grundlagen zum Prozess-Netzwerk entwerfen, (3) Geschäftseinheiten Leistungen bzw. Aufgabenketten-Teile zuordnen, (4) Geschäftseinheiten Vorgehensmodell zum Entwurf analysieren, (5) Strategien von Geschäftseinheiten modifizieren, (6) Ist-Prozesse überbetrieblicher Prozesse modifizieren und / oder neue Prozesse entwerfen, (7) Prozesskoordination und nach [Benz 2001, 133ff] prozessübergreifende Abläufe entwerfen, (8) Geschäfts-Netzwerk darstellen und beschreiben. Parallele Aktivitätsbereiche: Projektportfolio- und Projektmanagement, Change Management, IS-Analyse und -Spezifikation. Vorgehensmodell des Methodenkerns BE nach [Blessing 2001, 160ff]
(1) Analyse (Kundenprozesse analysieren, Potenziale ermitteln), (2) Fachliche Konzeption (Strategie entwickeln, Prozesse entwerfen, Fachspezifikation erstellen), (3) Systemkonzeption (IS/IT-Architekturplanung und Systemspezifikation erstellen), (4) Umsetzung (Lösung realisieren und einführen).
Four Steps to Superefficiency nach [Hammer 2001, 88]
(1) Scoping (Identify the business process to redesign, select a partner), (2) Organizing (Establish an executive steering committee, convene a design team), (3) Redesigning (Design the new, integrated process in a way that fulfills performance goals), (4) Implementing (Roll out the new process, communicate).
Outsourcing-Zyklus als Entwicklungsspirale nach [Bruch 1998, 122f]
(1) Outsourcinggeberseitige Präparationsphase (Sourcing-Vision, Grundstrategie, Zielkonkretisierung, Identifikation von Kernkompetenzen, Entwicklung eines Implementationspfads), (2) gemeinsame Feinkonzeption der Outsourcinglösung (Outsourcingnehmerwahl, Rahmenvereinbarung, Leistungsspezifikation, Implementierung, Kontrolle und Änderung), (3) Management der Austauschbeziehung.
A practical framework for a successful BPR project [Motwani et al. 1998, 968ff]
(1) Understanding (Define BPR, Commitment of top management), (2) Initiating (create a vision, select process for BPR, define objectives), (3) Programming (evaluate & document current processes, uncover bottlenecks), (4) Transforming (conduct pilot study, estimate the scope and resource requirements of change), (5) Implementing (employee education, redeployment of IT, modify reward system), (6) Evaluating (make modifications, monitor progress).
Makrologik der systemtechnischen Methode nach [Zangemeister 1976, 28ff]
(1) Zustandsanalyse (Systemstudien), (2) Problemdefinition, (3) Konzeptentwurf (Systemsynthese), (4) Konzeptanalyse (Systemanalyse i.e.S.), (5) Bewertung (Nutzwertanalyse), (6) Auswahlentscheidung, (7) Entwicklungsplanung, (8) Ausführungsplanung.
Tabelle 6-1: Phasen von bestehenden (Redesign-)Vorgehensmodellen
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
173
Die anschliessende Aufzählung nennt wesentliche Gemeinsamkeiten und Abweichungen des BNR-Vorgehens in Abbildung 6-1 zu den Ansätzen in Tabelle 6-1: Das Vorgehensmodell orientiert sich nicht primär an der BE-Struktur, sondern am Projektablauf (z.B. im Gegensatz zu [Alt 2004; Baumöl 2006; Höning 2008]). Die im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise wesentlichen Ebenen des BE sind in den Aktivitäten und Ergebnisdokumenten (mehrfach) enthalten. Das BNR-Vorgehen beinhaltet keine Phase bzw. keim Aktivitätenbündel Initialisierung für projektvorbereitende Aktivitäten wie z.B. Projektorganisation schaffen und Projektplan erstellen (z.B. im Gegensatz zu [Pohland 2000]), da für diese Aktivitäten ein phasenübergreifendes Projektmanagement (vgl. Abbildung 6-1) vorgesehen ist. Das BNR-Vorgehen betont die Bedeutung einer Ist-Analyse (Aktivitätenbündel 2.1) und die Definition einer Vision (Aktivitätenbündel 2.3) im Vorfeld der Lösungskonzeption für den Projekterfolg. Diese Schritte berücksichtigen u.a. auch [Motwani et al. 1998; Benz 2001]. Für BNR ist der Übergang von der bestehenden zur künftigen Lösung bei der Gestaltung und Bewertung von Handlungsalternativen und damit auch im Vorgehen explizit zu berücksichtigen (vgl. Transition in [Löschenkohl/Weiss 2005]). Im BNR-Vorgehen spiegeln das v.a. die beiden Aktivitäten 3.2.4 und 3.3.5 wider. 6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente 6.2.1 Aufbau und Inhalt des Vorgehensmodells Im Sinne der Verständlichkeit und Komplexitätsreduktion hat das Vorgehensmodell eine dreistufige, hierarchische Gliederung (vgl. [Kutsch 2004, 229]): (1) Phasen als gröbste Abstraktionsebene, (2) Aktivitätenbündel (AB) als Gruppe von zusammengehörigen Aktivitäten und (3) Aktivitäten als einzelne, in sich geschlossene Aufgaben. Phasen bündeln inhaltlich und v.a. im Projektablauf zusammenhängende Tätigkeiten. Sie haben gemäss [Pohland 2000] folgende Merkmale: (1) einen Start- bzw. Endpunkt, (2) das zu erreichende Abschlussergebnis ist bekannt und (3) am Ende jeder Phase ist eine Stop-or-Go Entscheidung möglich. Aktivitäten sind die elementarsten Teile des Vorgehensmodells und werden nicht weiter verfeinert. Rekursive Beziehungen im Sinne des Wasserfallmodells nach [Boehm 1988, 62ff] und das Auslassen von Elementen sind auf allen Gliederungsebenen möglich. Prinzipiell kann das Vorgehensmodell auch analog zur Funktion des Spiralmodells (vgl. [Boehm 1988]) als zyklischer Ansatz zur Lösungsfindung interpretiert werden, wobei vor allem die Aktivitätenbündel 2.2-3.2 prädestiniert sind, iterativ durchlaufen zu werden. Generell ist die Sequenz der Aktivitäten als eine Empfehlung zu verstehen. Alternative Varianten durch Überspringen, Parallelisieren und / oder Neuordnen von Aktivitäten sind je nach Anwendungskontext denkbar.
174
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Abbildung 6-1 stellt die Phasen des Vorgehensmodells dar und detailliert die Phasen 1 bis 3 anhand ihrer Aktivitätenbündel224. Dieses Kapitel beschreibt die Aktivitäten dieser Phasen im Detail. Bereits in den Kapiteln 3-5 der Arbeit sind viele der Aktivitäten und Ergebnisse des BNR-Vorgehens am Beispiel der Vernetzung im Anlagegeschäft erläutert225, im Rahmen der nachfolgenden Erläuterung der Aktivitätenbündel wird auf diese auszugsweise Anwendung des Vorgehens verwiesen. Der Projektauftrag und die Strategie des eigenen Unternehmens sind Input für viele Aktivitäten des Vorgehensmodells. Diese Elemente sind in der grafischen Darstellung nicht explizit enthalten, sollten jedoch vor dem Start des BNR-Projekts definiert sein und als Grundlage bereitstehen.
Abbildung 6-1: Vorgehensmodell zur (Neu-)Gestaltung von Unternehmensnetzwerken Der Fokus226 der Beschreibung liegt auf den Phasen 1-3, die in der folgenden Aufzählung skizziert und anschliessend in den Teilkapiteln im Detail erläutert werden:
224 225
226
Die Nummerierung der Aktivitätenbündel ist hierarchisch. So entspricht z.B. Aktivitätenbündel 2.1 dem ersten Aktivitätenbündel von Phase 2. Dabei befolgt die Arbeit die Reihenfolge des BNR-Vorgehens nicht strikt. So entwickelt z.B. Kapitel 3.2. das Referenznetzwerk bevor in den folgenden Teilkapiteln im Rahmen der Fallbeispiele auf konkrete Vernetzungsoptionen eingegangen wird. Demnach ist hier das Ergebnis von Aktivität 1.1.5 vor jenen der sie vorbereitenden Aktivitäten 1.1.2-1.1.4 beschrieben. Diese Abweichungen wurden jeweils aus Gründen der Lesbarkeit und einer kompakten Präsentation der Ergebnisdokumente in Kauf genommen. Die Phasen 4 Realisierung / Umsetzung sowie 5 Einführung und Betrieb sind nicht BNR-spezifisch und in bestehenden (vgl. z.B. Tabelle 6-1) Ansätzen ausreichend beschrieben.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
175
Die erste Phase227 schafft mit den beiden Aktivitätenbündel Analyse der Wertschöpfungskette und ihrer Vernetzungspotenziale und Definition von Bewertungskriterien die Grundlagen für ein BNR-Projekt. Das erste Aktivitätenbündel (1.1) umfasst die Ableitung bzw. Definition eines Referenzprozesses für die jeweilige Wertschöpfungskette sowie darauf aufbauend die Erhebung bereits implementierter und prinzipiell möglicher Szenarien ihres Aufbrechens (vgl. Ergebnisse von Kapitel 3 zur Vernetzung im Anlagegeschäft). Anhand des Ergebnisdokuments Referenznetzwerk, das die Teilprozesse der Wertschöpfungskette auf generische Netzwerk-Teilnehmer verteilt und deren Verbindungen aufzeigt, sind die strategischen, prozessbezogenen und systemtechnischen Charakteristika jeder Rolle zu diskutieren. Die Referenzmodelle zum Prozess und zum Unternehmensnetzwerk bilden die Basis für die nachfolgende Entwicklung und Analyse von Netzwerk-Konstellationen. Dabei werden realen Unternehmen jeweils Kombinationen dieser generischen Rollen zugeordnet. Die Definition von Bewertungskriterien im zweiten Aktivitätenbündel (1.2) umfasst die Erarbeitung und / oder Definition von Kriterien zur Beurteilung der Netzwerk-Konstellationen. Hierzu existieren eine Vielzahl von Ansätzen in Literatur (vgl. Kapitel 5.2.2) und Praxis, die je nach Anwendungskontext zu kombinieren und zu ergänzen sind (vgl. Kapitel 5.2.3). Die in Kapitel 5.2 entwickelte Kriterienliste ist eine mögliche Grundlage für die Ableitung von projektspezifischen Bewertungskriterien. Die Aktivitäten der ersten Phase sind teilweise branchenbezogen aber nicht unternehmensspezifisch, ihre Ergebnisse sind jedoch an den Prioritäten des Unternehmens auszurichten. Die Aktivitäten können bei vorhandenen gleichwertigen Vorleistungen (z.B. interne Prozessdokumentation, vorhandene Kriterienkataloge) teilweise übersprungen werden. Die zweite Phase „Analyse“ besteht aus den Aktivitätenbündeln Dokumentation des Status quo, Identifikation von Handlungsfeldern und Formulieren einer SollPosition im Netzwerk. Das erste Aktivitätenbündel (2.1) beinhaltet die Erhebung des bestehenden Netzwerks des eigenen Unternehmens auf den BE-Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme. Falls ein neues Geschäftsfeld zu erschliessen ist oder aus anderen Gründen kein Ist-Zustand vorliegt (z.B. bei einer Startup-Bank), entfällt dieses Aktivitätenbündel. Das zweite Aktivitätenbündel (2.2) beinhaltet die Analyse der eigenen Position und der Anforderungen an das (neu zu gestaltende) Unternehmensnetzwerk. In der Sourcing-Matrix sind zunächst jene Rollen im Referenznetzwerk festzuhalten, die das Unternehmen als seine Kernkompetenz bzw. als auslagerbar erachtet. Darauf aufbauend sind aus dem Kriterienkatalog aus Aktivitätenbündel 1.2 jene Elemente auszuwählen, die gemäss der Unternehmensstrategie von grosser Bedeu227
Im Vergleich zu Ansätzen aus dem Prozessmanagement (vgl. z.B. die Gegenüberstellung in [Alt 2004, 101]) sieht das Vorgehensmodell keine Phase „Initiierung“ im Sinne von Tätigkeiten wie der Definition von Projektorganisation, -plan und -zielen vor. Diese Aspekte sind, wie in Kapitel 6.1.2 ausgeführt, nicht BNRspezifisch und u.a. in Ansätzen zum Projektmanagement abgedeckt.
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6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
tung sind (K.O.-Kriterien228). Für diese Kriterien wird im nächsten Schritt eine (Minimal-)Anforderung an die zu gestaltenden Lösungen definiert. Der Vergleich dieses Anforderungsprofils mit der Bewertung der im Aktivitätenbündel 2.1 erhobenen Ist-Situation stellt die Grundlage zur Identifikation von Handlungsfeldern dar. Das dritte Aktivitätenbündel (2.3) umfasst die Ableitung einer Ziel-Position im Unternehmensnetzwerk. Dazu sind die ermittelten Handlungsfelder nach ihrer strategischen Bedeutung zu reihen. Für die vorrangigen Handlungsfelder sind Gestaltungsoptionen (vgl. Kapitel 5.1 für das Beispiel Anlagegeschäft) auszuarbeiten. Diese Optionen sind auf den BE-Ebenen (z.B. Zielkundensegmente, Prozessverteilung und -ablauf, IT-Architekturansatz) zu detaillieren und ihre Konsequenzen für die Position des eigenen Unternehmens aus Modellsicht aufzuzeigen. Aus diesen Gestaltungsoptionen wird / werden zum Abschluss jene ausgewählt, die in der Phase Entwurf im Detail gestaltet werden soll/en. Die dritte Phase „Entwurf“ umfasst die Aktivitätenbündel Erhebung potenzieller Partner und Grobauswahl, Einholen von Angeboten und Präzisieren der (BNR-)Handlungsalternative(n) sowie Analyse der Handlungsalternative(n) und Festlegen nächster Schritte. Das erste Aktivitätenbündel (3.1) beinhaltet die Erhebung einer Liste mit potenziellen Netzwerk-Partnern (Long List), welche im Zuge einer Leistungsanfrage an die genannten Unternehmen auf eine Short List zu verkürzen ist. Die Leistungsanfrage entspricht einem Fragenkatalog, der auf den K.O.-Kriterien und der Soll-Position des eigenen Unternehmens im Netzwerk basiert. Im zweiten Aktivitätenbündel (3.2) sind im Rahmen einer Ausschreibung (umfangreiche) Informationen von den verbleibenden potenziellen Partnern einzuholen. Anhand dieser Informationen werden mögliche Netzwerk-Konstellationen mit diesen Unternehmen konzipiert. Diese alternativen Netzwerk-Varianten sind im dritten Aktivitätenbündel (3.3) zu bewerten und anhand der im Aktivitätenbündel 1.2 festgelegten Bewertungskriterien zu vergleichen. Die Kriterien sind zuvor entsprechend dem Fokus des Projekts und der Unternehmensspezifika zu gewichten. Die Anwendung des Kriterienkatalogs sieht explizit einen Vergleich des Status quo mit alternativen NetzwerkKonstellationen vor, um das tatsächliche Verbesserungspotenzial abschätzbar zu machen. Neben der qualitativen Beurteilung im Sinne einer Risikonutzwertanalyse mit Potenzial- und Risikoaspekten (vgl. Kapitel 5.2.3.1) beinhaltet dieses Aktivitätenbündel die Analyse der Alternativen anhand quantitativer Kennzahlen (vgl. Kapitel 5.2.3.2) – in der Regel via Business Cases. Die Bewertung bildet die Basis für einen Entscheid über das weitere Vorgehen. Mögliche nächste Schritte sind z.B.
228
Die Knock Out (K.O.)-Kriterien sind ein Subset der im Aktivitätenbündel 1.2 definierten Kriterien und ermöglichen eine rasche Beurteilung der wichtigsten Aspekte eines Unternehmensnetzwerks. Ein K.O.Kriterium beschreibt eine unabdingbare Anforderung und führt zur Eliminierung von Handlungsalternativen, die (in der Grobauswahl) die geforderte Bewertungshöhe nicht erreichen (vgl. [Heinrich/Lehner 2005, 392]).
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
177
das Erstellen eines Feinkonzepts für eine der Varianten oder das Überarbeiten des Soll-Profils und im Anschluss daran ein erneuter Durchlauf von Phase 3. Tabelle 6-2 fasst die Ergebnisse der drei oben beschriebenen Phasen des BNRVorgehens zusammen. Den Input und die Teilergebnisse der einzelnen Aktivitäten erklären die nachfolgenden Kapitel, in denen der Aufbau und v.a. der Ablauf der Phasen und Aktivitätenbündel jeweils graphisch dargestellt werden. Für die Phasen Realisierung / Umsetzung und Einführung und Betrieb, die nicht im Fokus der Arbeit stehen, sowie für die phasenübergreifenden Massnahmen nennen die Kapitel 6.2.5 und 6.2.6 Besonderheiten und kritische Erfolgsfaktoren für die Vernetzung in der Finanzindustrie. Phase / Aktivitätenbündel
Ergebnisse
Phase 1 – Schaffen von (bankfachlichen) Grundlagen
Grundlagen zur analysierten Wertschöpfungskette (v.a. Referenzprozess und Referenznetzwerk mit den Vernetzungsmöglichkeiten) Kriterien zur Bewertung von BNR-Projekten im Fachkontext
Phase 2 – Analyse
Dokumentation der Ist-Situation Anforderungsprofil als Massstab für zu bewertenden Handlungsalternativen Handlungsbedarf für das BNR-Projekt Soll-Position des Unternehmens als Zielbild des BNR-Projektes
Phase 3 – Entwurf / Konzeption
Auswahl bevorzugter Netzwerk-Partner (Short List) Ausgestaltung von Handlungsalternativen für die Neugestaltung des Unternehmensnetzwerks mit den o.a. bevorzugten Partnern Bewertungsergebnisse zu diesen Netzwerk-Alternativen Definition nächster Schritte bzw. des weiteren Vorgehens
Tabelle 6-2: Übersicht zu den Kernergebnissen des BNR-Vorgehens 6.2.2 Phase 1 „Schaffen von (bankfachlichen) Grundlagen“ Die erste Phase des Vorgehensmodells ist der eigentlichen Neugestaltung des Unternehmensnetzwerks vorgelagert. Als Vorbereitung für die Gestaltung und Evaluierung von Handlungsalternativen werden in dieser Phase wesentliche Grundlagen in Form von (bankfachlichen) Referenzmodellen sowie an den BNR-Kontext angepasste Kriterien zur Bewertung als Grundlage der Auswahlentscheidung erarbeitet. Im Gegensatz zu den anderen Phasen sind die beiden Aktivitätenbündel Analyse der WSK (1.1) sowie Definition von Bewertungskriterien (1.2) nicht sequentiell zu durchlaufen, sondern können unabhängig voneinander auch parallel bearbeitet werden. Abbildung 6-2 zeigt die Sequenz der Aktivitäten sowie deren Input und Ergebnisdokumente für Phase 1 Schaffen von (bankfachlichen) Grundlagen.
178
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Abbildung 6-2: Detailliertes Vorgehen und Ergebnisdokumente in Phase 1 6.2.2.1 AB 1.1: Analyse der WSK und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten In diesem Aktivitätenbündel sind die (bank)fachlichen Grundlagen für die im Projekt analysierte Wertschöpfungskette zu erarbeiten. Den Ausgangspunkt bildet die Definition eines Referenzprozesses, da der Prozess gemäss dem BE das zentrale Gestaltungselement in Transformationsphasen ist. Er dient als Bezugsrahmen für die nachfolgende Analyse von geeigneten „Sollbruchstellen“ im Rahmen des Aufbrechens der Wertschöpfungskette auf den Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme. Ein wesentlicher Aspekt dieses Aktivitätenbündels ist, im Sinne der Prozessvision nach [Österle 1995, 63ff] Entwicklungsmöglichkeiten der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen sowie bewusst auch langfristige und radikale Innovationen zu thematisieren (vgl. für das Anlagegeschäft z.B. die Vision von [Middendorf/Göttlicher 2003, 24ff] bez. einer weitgehenden Integration von Wertpapier-Abwicklung und Streetside zu einer einzigen Transaktionsbank im Markt mit CSD-Funktion).
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
179
Aktivität 1.1.1: Referenzprozess für die betrachtete WSK auswählen oder erarbeiten Das Verständnis der vom Redesign betroffenen Wertschöpfungskette ist eine wesentliche Voraussetzung für den Projekterfolg. Ein Referenzprozess mit den Makroprozessschritten der Wertschöpfungskette vom Kundenbedürfnis bis zur Bedarfsdeckung bildet die semantische Basis für eine spätere unternehmensspezifische Diskussion von Netzwerk-Konstellationen (vgl. Phasen 2 und 3). Der Referenzprozess kann entweder aus bestehenden Ansätzen ausgewählt und ggf. angepasst oder mangels einer adäquaten Variante neu erarbeitet werden. Diese Arbeit entwickelt in Kapitel 3.2.3 einen Referenzprozess für das Anlagegeschäft, der gemäss dem Forschungsansatz der Design Science in Abstimmung mit Ansätzen aus Theorie und Praxis konzipiert und in mehreren Abstimmschleifen mit Experten aus dem CC Sourcing verfeinert und validiert wurde. Ein wesentliches Charakteristikum dieses Prozesses ist seine Einordnung in den Gesamtkontext des Unternehmens über das in Kapitel 3.2.4 dargestellte Bankmodell. Vorteile dieser Einordnung sind die bessere Abschätzbarkeit von Abhängigkeiten zu anderen Prozessbereichen sowie ein breiteres Verständnis des Projektkontextes (Vermeiden von Silo-Denken). Aktivität 1.1.2: Kompetenzen in der WSK definieren und dem Prozess zuordnen Auf der Ebene Strategie sind primäre Einflussfaktoren der Vernetzung die Fokussierung auf Kernkompetenzen und eine mit der Unternehmensstrategie229 konforme Positionierung. Diese Aktivität umfasst die Zuordnung von Kompetenzen zum Referenzprozess und die anschliessende Gruppierung der Prozessschritte nach den Kompetenzen (z.B. welche Prozessschritte sind Teil der Vertriebskompetenz einer Bank im Anlagegeschäft?). Diese als Matrix dargestellte Kompetenzlandkarte ist eine wesentliche Grundlage für die Ableitung des Referenznetzwerks. Die der Kompetenzlandkarte zugrunde liegende Kompetenzliste umfasst die typischen Fähigkeiten des betrachteten Fachbereichs und kann aus generischen Ansätzen übernommen werden. So analysiert z.B. [Zmuda 2006, 205ff] Ansätze zur Kategorisierung von Kernkompetenzen bei Banken und nennt dazu u.a. folgende, nicht überschneidungsfreie Klassifikationen: Informationskompetenz, Beziehungskompetenz sowie Kreditkompetenz; Vertriebskompetenz (Kontakt-, Beratungs- und Annahmekompetenz), Kundenverständnis, Infrastrukturkompetenz; Finanzmarktverständnis, Marktzugang, Standardisierungskompetenz, Risikoausgleichskompetenz sowie Erfolgs- und Finanzanalyse; Daraus sind u.a. folgende Kompetenzen im Anlagegeschäft ableitbar: Vertrieb und Beratung, Abwicklungsexzellenz (hohe Automation, Effizienz, komplexe Produkte), Interbanken-Expertise sowie Marktkenntnisse als Grundlage von Produktent229
Ansätze bieten hierzu z.B. Techniken wie die Bewertungsmatrix zur Priorisierung von Geschäftsprozessen in [Mattern 2002].
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6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
wicklung und Research. Häufig zitierte Ansätze zur Identifikation von Kernkompetenzen sind Resource-based View und Transaktionskostentheorie (vgl. Grundlagen in Kapitel 2.3). Aktivität 1.1.3: Ablauforganisatorische Schnittstellen ermitteln Auf der BE-Ebene Prozesse sind zunächst die Sollbruchstellen des Referenzprozesses zu erheben, im Sinne von mit relativ geringem Aufwand230 abtrennbaren Blöcken. Neben gegenwartsbezogenen Ansatzpunkten wie z.B. den Datenflüssen zwischen den Teilprozessen und bereits am Markt231 etablierten Kooperationsmodellen sind bei der Analyse auch Trends und innovative Geschäftsmodelle zu berücksichtigen. So beschreibt Kapitel 3.3.4 mögliche künftige Entwicklungen für das Beispiel der Vernetzung im Anlagegeschäft und skizziert deren mögliche Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette. Im Anlagegeschäft sind z.B. die drei Phasen der Abwicklung (Pre-Trade, Trade, PostTrade) sowie die nachgelagerten Prozesse Anhaltspunkte für eine Prozessaufteilung im Netzwerk. Gesetzliche Änderungen können sowohl die Sollbruchstellen als auch den bisherigen Ablauf des Prozesses wesentlich verändern. So generiert z.B. das Kundenbedürfnis nach ausländischen Steuernachweisen (z.B. für deutsche Bankkunden in der Schweiz) zusätzliche Reporting-Anforderungen. Dadurch wird ein Teil einer Commodity-Leistung wie die Aufbereitung des Kundenoutputs zu einem differenzierenden Prozess. Neben der Ablauforganisation ist gemäss BE auf Prozessebene auch die Aufbauorganisation zu berücksichtigen. Da an dieser Stelle Grundlagen der Vernetzung im jeweiligen Fachbereich erarbeitet werden sollen und die Aufbauorganisation idealtypisch nach der Ablauforganisation auszurichten ist, werden bestehende Organisationsstrukturen als „Altlasten“ bei der Konzeption ausgeklammert. Aktivität 1.1.4: Standard-Schnittstellen und Applikationsgrenzen erheben Auf der Ebene Systeme232 bieten u.a. die Applikationsgrenzen von Standardsoftware sowie etablierte inner- und überbetriebliche Schnittstellen Anhaltspunkte für eine Rollenteilung im Referenznetzwerk. Standard-Schnittstellen im Anlagegeschäft sind vorrangig die Normen von FIX und SWIFT für Order Routing und Settlement (vgl. Kapitel 3.3.3.2). Ein Beispiel für die (quasi) standardisierte IT-Unterstützung einer Rolle sind Terminals von Reuters und Bloomberg für die Platzierung von Aufträgen an elektronischen Börsen. De jure Standards existieren z.B. im Meldewesen (z.B. Steuernachweise für Bankkunden und Meldungen an die National-/Zentralbank für Banken). 230 231 232
Ein Kriterium zur Bewertung des Aufwands ist z.B. die Intensität des Informations- und Leistungsaustauschs. Die Marktanalyse als Input für die Aktivitäten 1.1.3 und 1.1.4 ist nicht als zwingende, sondern als optionale Ideenquelle für das Design des Referenznetzwerks zu verstehen. Einen Mittelweg zwischen System- und Prozess-Sicht und damit eine alternative Analyse-Aktivität bietet die Service-Orientierung. [Kohlmann et al. 2007] beschreiben Services und Service-Cluster im Anlagegeschäft und zeigen deren Verbindung zu den Rollen im Referenznetzwerk Anlegen.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
181
Aktivität 1.1.5: Rollen im Referenznetzwerk definieren und beschreiben Die Ergebnisse aus den vorhergehenden vier Aktivitäten bilden die Grundlage für die Ableitung von Rollen und deren Kombination zu einem generischen Unternehmensnetzwerk (vgl. Kapitel 3.3.1 für das Beispiel Anlagegeschäft). Jede Rolle übernimmt Teile des Ergebnisdokuments Referenzprozess (vgl. Aktivität 1.1.1). Bei der Konzeption des Referenznetzwerks ist der Optimierungsgedanke im Sinne einer isomorphen und effizienten Arbeitsteilung zu beachten. Jede Rolle (z.B. Abwickler, Händler) ist in dieser Aktivität mit den ihr zugeordneten Prozessschritten und ihren Charakteristika (z.B. Notwendigkeit einer Banklizenz) zu beschreiben. 6.2.2.2 AB 1.2: Definition von (qual. und quant.) Bewertungskriterien In diesem Aktivitätenbündel sind die Grundlagen für die nachfolgende Bewertung von alternativen Unternehmensnetzwerken und der damit verbundenen Transformation vom Status quo zur jeweiligen Handlungsalternative zu schaffen. Analog zu den Anforderungen an die Bewertung von BNR und zur Struktur des Bewertungsmodells in Kapitel 5.2 sind Aspekte der qualitativen und quantitativen Bewertung zu berücksichtigen. Die Quellen möglicher Vorleistungen bei der Bestimmung der Kriterien sind vielfältig (z.B. Kostenrechnung, Instrumente des strategischen Controlling wie die Balanced Scorecard und Erfahrungen aus vorhergehenden Evaluationsprojekten). Daher ist in Abbildung 6-2 das Element Vorleistungen / bestehende Ansätze explizit als Input für alle Aktivitäten dargestellt. Ansätze wie die in Kapitel 5 vorgestellten qualitativen, quantitativen und kombinierten Bewertungsmodelle können analog zum Vorgehen in Kapitel 5.2.3 als Grundlage für die Entwicklung eines situations- und unternehmensspezifischen Bewertungsmodells dienen. Aktivität 1.2.1: Kriterien zur Nutzen-Bewertung auswählen und / oder erarbeiten Ausgehend vom Projektauftrag sind jene Kriterien zu definieren, die für die Beurteilung eines BNR-Vorhabens aus Sicht des eigenen Unternehmens wesentlich sind. Wie in Kapitel 5.2.3.1 beschrieben, sind zustands- und transformationsbezogene Nutzenkriterien zu unterscheiden. Aus Effizienzgründen sind im Unternehmen vorhandene Kriterienlisten von Vorteil, aus denen situativ nur jene Zielgrössen auszuwählen sind, die den Präferenzen des Unternehmens und dem Projektinhalt entsprechen. Für diese Kriterien sind im Anschluss Messvorschriften festzulegen. Die Skala für das Kriterium Auswirkungen des BNR-Vorhabens auf die Bankkunden könnte z.B. von 0=direkte negative Auswirkungen auf die Bankkunden bis 4=direkte positive Auswirkungen auf die Bankkunden reichen. Spätestens im Rahmen der Operationalisierung der Kriterien ist darauf zu achten, dass die Kriterien möglichst disjunkt und independent sind. Aktivität 1.2.2: Kriterien zur Risiko-Bewertung auswählen und / oder erarbeiten Die für das Projekt wesentlichen Risikofaktoren sind analog zu den Potenzialkriterien in Aktivität 1.2.1 zu definieren. Für die Ergebnisse beider Aktivitäten gilt, dass die Kriterien als Grundlage für die nachfolgende Analyse und Konzeption von BNRAlternativen in Ausnahmefällen noch aufgrund von Erkenntnissen nachgelagerter Ak-
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6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
tivitäten, wie z.B. der Ist-Analyse im Aktivitätenbündel 2.1 oder der Ausschreibung im Aktivitätenbündel 3.2, ergänzt und / oder angepasst werden können. Wesentlich ist, im Aktivitätenbündel 3.3 alle Alternativen nach identischen Potenzial- und RisikoKriterien zu beurteilen und das Anforderungsprofil bei etwaigen Anpassungen233 nachzuziehen. Anhaltspunkte für die Auswahl der Kriterien sind u.a. die Unternehmensstrategie, der Projektkontext und ihr Potenzial, Unterschiede zwischen den Handlungsalternativen aufzuzeigen. So können z.B. die an sich bedeutenden Kriterien Kundenzufriedenheit und Kundenzugang ausgeblendet werden, wenn das BNRProjekt die Wahl einer Valorenzentrale betrifft und daher keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Kundenbeziehung zu erwarten sind. Aktivität 1.2.3: Kennzahlen zur quant. Bewertung auswählen und / oder erarbeiten Wie in Kapitel 5.2.3.2 erläutert, sind in den Ansätzen zur Kostenrechnung, Finanzplanung und Investitionsrechnung eine Vielzahl von Kennzahlen definiert, die zum Teil auch schon den Rang von de facto Standards für Transformationsprojekte haben (z.B. Kapitalwert). Einen Ausgangspunkt für die projektspezifische Auswahl dieser Kriterien bieten die in Kapitel 5.2.3.3 genannten quantitativen Kennzahlen. Die Herausforderung bei einer quantitativen Bewertung ist weniger die Definition bzw. Auswahl der Kennzahlen, sondern mehr die Messung und Schätzung der ihnen zugrunde liegenden Kosten und Erlöse. Im Idealfall kann das eigene Unternehmen für die Beurteilung der Ist-Situation direkt auf Zahlen aus der bestehenden Kosten- und Leistungsrechnung zurückgreifen. Gemäss Aussagen von Praktikern basiert die Kostenrechnung bei Banken und Providern jedoch oft auf einer eher rudimentären Umschlagskalkulation mit teilweise groben Kostenschlüsseln. In diesem Fall wird in der Praxis i.d.R. jene Zahlenbasis gewählt, für die mit vertretbarem Aufwand Aussagen mit akzeptabler Genauigkeit möglich sind (z.B. Vollkosten- statt Prozesskostenrechnung), und die Brandbreite der Ergebnisse dieser groben Kalkulation anhand einer Sensititivitätsanalyse abgesteckt. 6.2.3 Phase 2 „Analyse“ Diese Phase soll v.a. die Fragen nach der Motivation zur Veränderung (das Wieso) und nach den Vorstellungen zum Soll-Zustand (das Wohin) beantworten. Wesentliche Ergebnisse sind eine detaillierte Beschreibung des Status quo, eine gereihte Liste der identifizierten Handlungsfelder sowie eine grobe Vorstellung über die bevorzugte Gestaltungsoption in Form der Soll-Position (im Referenznetzwerk). Abbildung 6-3 zeigt die Sequenz der Aktivitäten sowie deren Input und Ergebnisdokumente für die drei Aktivitätenbündel Dokumentation des Status quo (2.1), Identifikation von Handlungsfeldern (2.2) und Definition der Soll-Position im Netzwerk (2.3).
233
Diese eventuellen Änderungen der Kriterien sind auch der Grund, dass die Gewichtung der Kriterien erst in Aktivität 3.3.1 vorgesehen ist. So soll gewährleistet werden, dass die Gewichtung nicht mehrfach vorzunehmen ist und die aktuellen Schwerpunkte des eigenen Unternehmens zum Zeitpunkt der Bewertung im Aktivitätenbündel 3.3 widerspiegelt.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
183
Phase 2 – Analyse 2.1: Dokumentation des Status Quo (Ist-Zustand)
Beschreibung Ist-Zustand
2.1.1 Bestehende Geschäfts-architektur (IST) beschreiben
Geschäftsarchitektur
Referenznetzwerk Referenzprozess
IST-Position im R-NW*
2.1.2 Bestehende Prozessarchitektur (IST) beschreiben
Prozessarchitektur
Geschäftsarchitektur Prozessarchitektur
2.2: Identifikation von Handlungsfeldern Referenznetzwerk
Bewertungskriterien
Anforderungsprofil Beschreibung des Ist-Zustands K.O.-Kriterien Anforderungsprofil IST-Profil 2.3: Definition der Soll-Position im Netzwerk
Applikations- und Integrationsarchitektur
2.1.3 Bestehende Systemarchitektur (IST) beschreiben
2.2.1 Sourcing-Matrix aus Sicht des eigenen Unternehmens erstellen
Sourcing-Matrix
2.2.2 Anforderungen gemäss Kriterienkatalog definieren
Anforderungsprofil
K.O.-Kriterien
2.2.3 K.O.-Kriterien bestimmen
2.2.4 IST-Zustand (bestehendes NW) nach K.O.-Kriterien bewerten
IST-Profil
Handlungsfelder und -bedarf
2.2.5 Handlungsfelder und -bedarf zur Neugestaltung ableiten
Primäre Handlungsfelder
2.3.1 Handlungsfelder priorisieren
Handlungsfelder und -bedarf Referenznetzwerk Sourcing-Matrix
2.3.2 Gestaltungsoptionen für primäre Handlungsfelder ausarbeiten
Gestaltungsoptionen
Marktanalyse
Anforderungsprofil
Legende:
SOLL-Position (im Referenznetzwerk)
2.3.3 Bevorzugte Gestaltungsoption(en) auswählen
wird verwendet von
Aktivitätenbündel
Aktivität
generiert
(Ergebnis-)Dokument
Ergebnisbündel
A
B ist Teil von A
B
Abbildung 6-3: Detailliertes Vorgehen und Ergebnisdokumente in Phase 2 In Aktivitätenbündel 2.1 ist das aktuelle Unternehmensnetzwerk (Ist-Situation) auf den BE-Ebenen mit den Ergebnisdokumenten Geschäfts-, Prozess- und Systemarchitektur abzubilden. Darauf aufbauend sind im Aktivitätenbündel 2.2 die Motive des eigenen Unternehmens für ein BNR-Vorhaben sowie die Ziele der Neugestaltung anhand der Ergebnisse Sourcing-Matrix, Anforderungsprofil und Handlungsbedarf zu konkretisieren. Eine Gegenüberstellung von Ist-Profil und Anforderungsprofil ergibt die Motivation bzw. den Handlungsbedarf für die Neugestaltung des Unternehmensnetzwerks. Daraus sind im Aktivitätenbündel 2.3 vorrangige Handlungsfelder abzuleiten, anhand derer aus mehreren Gestaltungsoptionen die Soll-Position im Netzwerk bestimmt wird.
184
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
6.2.3.1 AB 2.1: Dokumentation des Status quo (IST) Die Beschreibung des Status quo ist nicht als Zeitpunktbetrachtung bzw. als ausschliessliche Situationsanalyse zu verstehen, sondern sie muss auch die Entwicklungspotenziale der bestehenden Netzwerk-Konstellation beinhalten, um einen fundierten Vergleich mit den ebenfalls prospektiv (i.d.R. inklusive der Veränderungen in den nächsten 3-5 Jahre) zu betrachtenden Handlungsalternativen aus dem Aktivitätenbündel 3.2 zu ermöglichen. Aktivität 2.1.1: Bestehende Geschäftsarchitektur (IST) beschreiben Für die Geschäftsarchitektur sind die wesentlichen234 Netzwerk-Partner anhand einer Zuordnung der Rollen des Referenznetzwerks zu den dafür verantwortlichen Unternehmen zu bestimmen. Zudem sind die Beziehungen des eigenen Unternehmens zu diesen Unternehmen und deren Beziehungen zueinander zu erläutern. Ein Nebenprodukt dieser Aktivität ist die Ist-Position des eigenen Unternehmens im Referenznetzwerk, die nachfolgend z.B. für die Erstellung der Sourcing-Matrix in Aktivität 2.2.1 verwendet werden kann. Aktivität 2.1.2: Bestehende Prozessarchitektur (IST) beschreiben Anhand der in der Geschäftsarchitektur abgebildeten Geschäftspartner sind die Schritte des Referenzprozesses aus Aktivität 1.1.1 den Netzwerk-Teilnehmer zuzuordnen (vgl. Aufgabenkettendiagramm in [Höning 2008]). Im Zuge der Abbildung der Prozesse sind inner- und zwischenbetriebliche Schnittstellen zu identifizieren und zu erläutern. Zudem sind die Leistungsflüsse zwischen den Netzwerk-Partnern zu erläutern. Aktivität 2.1.3: Bestehende Systemarchitektur (IST) beschreiben In dieser Aktivität sind zwei Fragestellungen235 zu beantworten: (1) Welche Applikationen setzt das eigene Unternehmen und (soweit wesentlich und bekannt) der jeweilige Netzwerk-Partner ein? (2) Welche Schnittstellen bestehen zu den Netzwerk-Partnern, welchen Standardisierungsgrad weisen diese auf und welche Daten werden darüber ausgetauscht? Ausgangspunkt der Identifikation der relevanten Applikationen und zwischenbetrieblichen Schnittstellen ist die Prozessarchitektur aus Aktivität 2.1.2. 6.2.3.2 AB 2.2: Identifikation von Handlungsfeldern Dieses Aktivitätenbündel umfasst die Konkretisierung der Gründe für das Veränderungsprojekt und damit die Ableitung des Handlungsbedarfs aus einem Vergleich des Ist-Zustands mit dem Anforderungsprofil (Soll-Zustand). Die Definition der Anforderungen und die Bewertung des Ist-Zustands sind zwei wesentliche Bezugspunkte für den in Phase 3 vorzunehmenden Entscheid über die BNR-Alternativen. Jede Hand234 235
Einen Ansatz zur Bestimmung der wichtigsten Netzwerk-Partner bietet z.B. die Stakeholder-Analyse (mit Relevanz-Matrix) nach [Müller-Stewens/Lechner 2005, 177ff]. Eine mögliche Technik zur Erfassung der Antworten auf diese Fragen ist die Detaillierte IS-Beschreibung der Integrationsbeziehung mit Ergebnisdokumenten wie z.B. dem Applikationsverzeichnis und der Schnittstellenbeschreibung nach [Huber 2000, 148ff].
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
185
lungsalternative sollte im Vergleich zum Ist-Zustand und den Anforderungen geprüft werden. Abbildung 5-11 zeigt die Vergleichspunkte von Ist-Zustand, Anforderungen und Handlungsalternativen. Im Anforderungsprofil und bei der Bewertung des Ist-Zustands sind neben dem Status quo auch Optimierungspotenziale / -wünsche bzw. absehbare Veränderungen zu diskutieren. Beide Aspekte sind nicht zeitpunktbezogen, sondern sollen je nach Projekthorizont Entwicklungen der nächsten Jahre berücksichtigen, um zu gewährleisten, dass die ausgewählte Handlungsalternative auch kurz- bis mittelfristige Ziele des Unternehmens erfüllt. Aktivität 2.2.1: Sourcing-Matrix aus Sicht des eigenen Unternehmens erstellen Basis der Identifikation von Handlungsfeldern ist die Überlegung, welche Teile der betrachteten Wertschöpfungskette eine Kernkompetenz des Unternehmens darstellen. [Lacity/Willcocks 2003, 117f] nennen auf Basis einer solchen Kernkompetenzanalyse zwei relativ banale Handlungsempfehlungen, die viele Unternehmen bei SourcingProjekten nicht beachten: „Identify core capabilities for insourcing“ und „Best source non-core capabilities“. In Anlehnung an die auf dem Resource-based View aufbauende Klassifikation von Bankprozessen nach [Lamberti 2004] in Abbildung 2-7 sind in der Sourcing-Matrix die Rollen des Referenznetzwerks nach den Dimensionen strategische Bedeutung und Spezifität einzuordnen. Die Matrix236 unterscheidet drei Bereiche, welche die relative Attraktivität einer Eigenerstellung für jede Rolle beschreiben: einen hellgrauen (hohe strategische Bedeutung und Spezifität), einen mittelgrauen (hohe strategische Bedeutung oder hohe Spezifität) und einen dunkelgrauen Bereich (geringe strategische Bedeutung und Spezifität). Abbildung 6-4 zeigt beispielhaft eine mögliche Ausprägung der Sourcing-Matrix für eine Retailbank. hoch
Vertriebsbank Händler
Strategische Bedeutung
Portfolio Manager
Abwickler
Legende: Broker
niedrig
Rolle mit Eigenfertigung
(Global) Custodian
niedrig
Spezifität
hoch
Rolle mit Fremdbezug
Abbildung 6-4: Beispiel einer Sourcing-Matrix im Anlagegeschäft für eine Retailbank 236
Vgl. auch die Make-Or-Buy-Entscheidungsmatrix in [Löschenkohl/Weiss 2005, 561ff].
186
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
In diesem (fiktiven) Beispiel sollte die Bank bei einzelnen Rollen des Referenznetzwerks abwägen, die Leistungen künftig von einem Netzwerk-Partner zu beziehen, da z.B. die Rollen Broker und Custodian weder signifikante strategische Bedeutung noch einen hohen Grad an Spezifität haben. Eine Erweiterungsmöglichkeit der SourcingMatrix ist die Kennzeichnung der Rollen nach aktueller Eigenfertigung und Fremdbezug (vgl. Schraffur in Abbildung 6-4). Aktivität 2.2.2: Anforderungen gemäss Kriterienkatalog definieren Ein wesentliches Element des in Kapitel 5.2 vorgestellten Bewertungsmodells ist die Formulierung einer Soll-Vorstellung. Das in dieser Aktivität erstellte Anforderungsprofil umfasst die Zielvorstellung des eigenen Unternehmens für alle Bewertungskriterien aus Aktivitätenbündel 1.2. Vorteile des Anforderungsprofils sind das Formalisieren der Unternehmensziele für das BNR-Vorhaben, die Ableitbarkeit der Schwächen aber auch Stärken des Ist-Zustands durch Vergleich mit den Anforderungen sowie die Relativierung der absoluten Attraktivität der Handlungsalternativen. Das Erkennen von Stärken anhand des Anforderungsprofils ist nicht trivial, da eine Übererfüllung der Anforderung nicht zwingend eine Stärke bedeutet (z.B. bedeutet hohe Qualität in der Regel höhere Kosten237). Eine Erfüllung der Anforderung ohne Vergleich mit der Bewertung der Handlungsalternativen erlaubt ebenfalls noch keine Aussage, ob eine spezifische Stärke des Ist-Zustands vorliegt oder ob die Anforderung ohnehin von vielen Varianten erfüllt wird. Zudem ist es ein Charakteristikum von Entscheidungssituationen wie der Auswahl von BNR-Alternativen, dass die Zielfunktion und Präferenzen das Entscheidungsfeld beeinflussen und vice versa. Ein frühzeitiges Deklarieren der Anforderungen fördert daher eine zielgerichtete Gestaltung des Entscheidungsfelds. Die Qualität der Anforderungen kann ausschlaggebend sein, dass (keine) wesentliche(n) Gestaltungsoptionen irrtümlich ausgeblendet werden. Aktivität 2.2.3: K.O.-Kriterien bestimmen Auf Basis des Anforderungsprofils ist eine Auswahl jener Kriterien zu treffen, für die eine Handlungsalternative in jedem Fall die Höhe der Soll-Präferenz erreichen sollte (K.O.-Kriterien). Dieser Ausschnitt der Bewertungskriterien bildet die Grundlage für eine Eingrenzung der Handlungsalternativen, wodurch der Aufwand für den Auswahlund Entscheidungsprozess wesentlich verringert werden kann. Häufig verwendete K.O.-Kriterien bei BNR-Vorhaben im Anlagegeschäft sind z.B. der Schutz der Kundendaten, die Akzeptanz der Öffentlichkeit (Reputation) und eine Kostenreduktion von mehr als 10-20%. Ein Ansatzpunkt für die Definition von K.O.-Kriterien sind bestehende Probleme. Die Abbildung der Parameter der Notwendigkeit bzw. der Motivation für BNR in den Kriterien zur Vorauswahl erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die am Ende gewählte Lösung die ursprünglichen Projektziele erfüllt. Diese Faktoren schla-
237
Vgl. dazu die Argumentation zum Teufelsquadrat nach [Sneed 1987] in Kapitel 5.2.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
187
gen sich auch in dem in Aktivität 2.2.2 erarbeiteten Anforderungsprofil nieder, das daher auch Anhaltspunkte zur Bestimmung von K.O.-Kriterien bietet. Das BNR-Vorgehen schlägt auf Basis von Expertengesprächen im CC Sourcing vor, die K.O.-Kriterien nicht zwingend einzeln für sich als Ausschlussgründe einer Handlungsalternative bei Nichterfüllung der Anforderung zu betrachten, sondern ihre Aggregation als Basis für die Vorauswahl von Handlungsalternativen zu verwenden. Gemäss Aussagen von Praxisvertretern wird die Nichterfüllung eines K.O.-Kriteriums bei sonst insgesamt guter Bewertung der Alternative oftmals übersteuert. Aktivität 2.2.4: IST-Zustand (bestehendes Netzwerk) nach K.O.-Kriterien bewerten Der Status quo ist als Vorbereitung für die Ableitung des Handlungsbedarfs in der nachfolgenden Aktivität zu beurteilen. Anhand der K.O.-Kriterien werden dabei die Schwächen des Ist-Zustands eruiert. Als Grundlage der Bewertung dient analog zur Anforderungsdefinition für die qualitativen Kriterien (Nutzen- und Potenzialbewertung) die im Aktivitätenbündel 1.2 definierte Operationalisierung. Die Aktivität berücksichtigt keine quantitativen K.O.-Kriterien, da diese i.d.R. relativ d.h. mit Bezug zum Ist-Zustand (z.B. Einsparungspotenzial) festgelegt werden. Aktivität 2.2.5: Handlungsfelder und -bedarf zur Neugestaltung ableiten Die Identifikation von Handlungsfeldern basiert primär auf einem Vergleich des IstProfils mit dem Anforderungsprofil. Falls die im Rahmen des Ist-Profils bewerteten K.O.-Kriterien alle Anforderungen erfüllen, kann zur Bestimmung von Handlungsfeldern bzw. Ansatzpunkten für Verbesserungsmassnahmen die Bewertung der IstSituation mit allen Bewertungskriterien (vgl. Aktivität 3.2.2) vorgezogen werden. In diesem Fall sind die Handlungsfelder aus einem Vergleich des Anforderungsprofils mit der Ist-Bewertung abzuleiten. Gespräche mit den Praxispartnern des CC Sourcing und erste Projekterfahrungen zeigen, dass die Handlungsfelder bzw. der Handlungsbedarf i.d.R. bereits eine hohe Dringlichkeit haben und die wesentlichen Faktoren für BNR daher schon aus den K.O.-Kriterien ableitbar sind. 6.2.3.3 AB 2.3: Definition der Soll-Position im Netzwerk Das dritte Aktivitätenbündel umfasst die Ableitung der Ziel-Position im Unternehmensnetzwerk anhand der aktuellen Position und Strategie des Unternehmens. Dieses Ergebnis ist als eine Vision im Sinne eines Leitbildes zu verstehen, das bei der Konzeption der konkreten Netzwerk-Konstellationen eine Konzentration auf wenige, dem Anforderungsprofil entsprechende Szenarien erleichtern soll. Die primäre Analyseebene ist dabei die Geschäftsarchitektur, wobei ausgehend vom Referenznetzwerk alternative Gestaltungsoptionen betrachtet werden.238
238
Die Technik der Charakterisierung von alternativen Gestaltungsoptionen anhand von Konfigurationen eines Referenzmodells verwenden auch [Becker/Schütte 2004, 637ff] im Rahmen der Beschreibung unterschiedlicher Formen von Handelsunternehmen anhand des Referenzmodells Handels-H.
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6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Aktivität 2.3.1: Handlungsfelder priorisieren Diese Aktivität ist nur erforderlich, wenn eine breite Palette an Handlungsfeldern vorliegt und daraus sehr unterschiedliche Handlungsalternative ableitbar sind. In diesem Fall sind die Handlungsfelder nach ihrer Wichtigkeit239 und Dringlichkeit für das eigene Unternehmen zu reihen. Diese Prioritäten sind in Aktivität 2.3.3 gemeinsam mit dem Anforderungsprofil die Grundlage für die Auswahl der nachfolgend auszuarbeitenden Gestaltungsoption(en). Aktivität 2.3.2: Gestaltungsoptionen für primäre Handlungsfelder ausarbeiten Das Referenznetzwerk aus Aktivität 1.1.5 kann als Hilfsmittel für die Ableitung einer vereinfachten Geschäftsarchitektur für jedes der primären Handlungsfelder verwendet werden. Zunächst ist dazu die Position des eigenen Unternehmens im Referenznetzwerk im Falle einer Umsetzung des Handlungsfeldes zu definieren. Darauf aufbauend sind die Auswirkungen und die alternative Feinkonzeption dieser Positionierung auf den BE-Ebenen zu charakterisieren. Beispiele dazu sind die detaillierten Beschreibungen von sechs Gestaltungsoptionen für das Anwendungsbeispiel Anlagegeschäft in Kapitel 5.1. Diese basieren wie oben allgemein beschrieben auf einem Referenznetzwerk (vgl. Kapitel 3.3.1 bzw. Aktivität 1.1.5) sowie auf einer Analyse von am Markt etablierten Geschäftsmodellen in Form von Fallbeispielen und Fallstudien. Aktivität 2.3.3: Bevorzugte Gestaltungsoption(en) auswählen Die Vorselektion von Handlungsalternativen stützt sich auf das Anforderungsprofil aus dem Aktivitätenbündel 2.2. Anhand dieser Präferenzen sind die erarbeiteten Gestaltungsoptionen zu beurteilen und die weiter zu verfolgenden auszuwählen. Unternehmen können i.d.R. gewisse Optionen bereits frühzeitig ausschliessen. Ob diese Erstauswahl nur verbal begründet wird oder auf Grundlage einer Bewertung der K.O.-Kriterien in einer Gegenüberstellung mit dem Anforderungsprofil vorgenommen werden kann, ist abhängig vom Detaillierungsgrad der Gestaltungsoptionen. 6.2.4 Phase 3 „Entwurf / Konzeption“ In dieser Phase werden in einem zweistufigen Auswahlprozess mit Leistungsanfrage und Ausschreibung Informationen zu potenziellen Netzwerk-Partnern erhoben, die anschliessend gemäss den vordefinierten Kriterien bewertet und miteinander, mit der Anforderung bzw. mit der Bewertung des Ist-Zustands, verglichen werden. Als Abschluss der Phase ist das weitere Vorgehen im BNR-Projekt zu definieren. Abbildung 6-5 zeigt die Aktivitätenbündel, Aktivitäten und Ergebnisse von Phase 3.
239
Kriterien sind z.B. Tragweite und Konformität mit der strategischen Planung und dem Geschäftsmodell.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
189
Phase 3 – Entwurf / Konzeption 3.1: Auswahl potenzieller Partner (Kapitel 4, 5.1)
Leistungsanfrage (RfI)
3.1.1 Leistungsanfrage (Request for Information, RfI) erstellen
K.O.-Kriterien
Glossar 3.1.2 Potenzielle Partner für bevorzugte Gestaltungsoption(en) erheben
Leistungsanfrage
„Long List“
Marktanalyse(n) Leistungsanfrage Anforderungsprofil
3.2: Präzisieren der (BNR-)Handlungsalternative(n) (Kapitel 4, 5.1)
3.1.3 Informationen zur Leistungsanfrage (intern / extern) erheben
Leistungsauskunft
3.1.4 Liste potenzieller Netzwerk-Partner kürzen (Vorauswahl)
„Short List“
3.2.1 Ausschreibung vorbereiten und Request for Proposal (RfP) erstellen
Ausschreibung
Bewertungskriterien (Leistungs-)Angebote Leistungsanfrage
3.2.2 Ausschreibung durchführen (BNR-)Handlungsalternativen
„Short List“ Geschäftsarchitektur (Leistungs-)Angebote
3.2.3 Detailentwurf für die erhobenen Angebote durchführen
Prozessarchitektur Applikations- und Integrationsarchitektur
Anforderungsprofil Beschreibung des IstZustands Handlungsalternativen 3.3: Analyse der Handlungsalternative(n) und Festlegen nächster Schritte (Kapitel 5.3)
Transformationsplan je Handlungsalternative
3.2.4 Transformation je Handlungsalternative planen
Kriteriengewichte
3.3.1 Bewertungskriterien gewichten
Bewertungskriterien Beschreibung des IstZustands (gewichtete) Bewertungskriterien
Bewertung Zustand
3.3.2 Ist-Zustand (Status quo) qualitativ und quantitativ bewerten
Nutzen-/Risikowerte
Business Case
3.3.3 Handlungsalternativen qualitativ und quantitativ bewerten
Handlungsalternativen Handlungs-alternative(n)*
3.3.4 Ergebnisse von Ist-Zustand und Handlungsalternativen vergleichen
Bewertung Zustand
Bewertung Transformation
Transformationsplan je Handlungsalternative
Nutzen-/Risikowerte 3.3.5 Transformation je Handlungsalter-native qual. & quantitativ bewerten
(gewichtete) Bewertungskriterien
Business Case
Anforderungsprofil 3.3.6 Ergebnisse interpretieren und nächste Schritte definieren
Bewertung Zustand
Weiteres Vorgehen
Bewertung Transformation
Legende: Aktivitätenbündel
wird verwendet von Aktivität
generiert
(Ergebnis-)dokument
Ergebnisbündel
A
B ist Teil von A
Abbildung 6-5: Detailliertes Vorgehen und Ergebnisdokumente in Phase 3
B
190
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
6.2.4.1 AB 3.1: Auswahl potenzieller Partner Dieses Aktivitätenbündel umfasst die Identifikation potenzieller Netzwerk-Partner, das Einholen von Informationen zu diesen Unternehmen anhand einer Leistungsanfrage sowie darauf aufbauend eine Vorauswahl anhand von K.O.-Kriterien. Aktivität 3.1.1: Leistungsanfrage (Request for Information) erstellen Für eine Sondierung des Marktes ist zunächst als Grundlage für eine Grobauswahl potenzieller Netzwerk-Partner eine Leistungsanfrage auf Basis der K.O.-Kriterien zu gestalten. Dieser Request for Information240 (RfI) beinhaltet auch eine Leistungsbeschreibung, die das neugestaltete Unternehmensnetzwerk skizziert. Parallel zur Erstellung der Leistungsanfrage empfiehlt [Balzert 1998, 65f] ein Glossar für alle wichtigen Begriffe und Zusammenhänge anzulegen. Dieses Begriffslexikon soll eine einheitliche semantische Basis für alle Beteiligten sicherstellen und Missverständnisse aufgrund einer inkonsistenten Terminologie vermeiden. Die sukzessive Definition von Schlüsselbegriffen empfehlen z.B. auch [Gross et al. 2006, 148] in ihrem Vorgehensmodell für BPO bereits als erste Phase. Spätestens beim Versand der Leistungsanfrage sollte eine tragfähige Version des Glossars vorliegen. Aktivität 3.1.2: Potenzielle Partner für bevorzugte Gestaltungsoption(en) erheben Unter Berücksichtigung der in der Leistungsanfrage beschriebenen Soll-Position des eigenen Unternehmens im Netzwerk sind mögliche Kooperationspartner zu identifizieren. Die entsprechende Informationsbeschaffung kann intern (z.B. Desk Research) und / oder extern (z.B. Kurzfragebogen an Provider, externe Marktstudie) erfolgen. Als Unterstützung kann die für die Aktivitäten 1.1.3 und 1.1.4 optional durchgeführte Marktanalyse dienen. [Gross et al. 2006, 153] veranschlagen für BPO-Vorhaben eine Zeitdauer von 1-4 Wochen241 für das Market Screening und betonen die Möglichkeit, die Kandidatenliste (Long List) bereits in diesem Schritt anhand eines klaren Anforderungsprofils einzuschränken. Aktivität 3.1.3: Informationen zur Leistungsanfrage (intern / extern) erheben Abhängig davon wie viel Informationen das Unternehmen z.B. aus früheren Projekten über die möglichen Netzwerk-Partner zur Verfügung hat, können die Angaben für die Leistungsanfrage eventuell auch intern ausgefüllt werden. Vorteile dieser Variante sind die raschere Umsetzung, geringere Kosten und die Tatsache, dass die Mitarbeiter das eigene Unternehmen gut kennen und daher die Potenziale einer Zusammenarbeit besser abschätzen können. Etwaige Nachteile eines internen Ausfüllens der Leistungs-
240
241
„Der RfI beinhaltet eine Kurzbeschreibung des Outsourcing-Vorhabens, die Beschreibung des Auswahlverfahrens mit Terminleiste, eine Frageliste zu wichtigen Eckdaten des potenziellen Outsourcing-Nehmers und erste Fragen zu möglichen Lösungsszenarien. Aus den Rückläufen des RfI wird eine Auswahl der potenziellen Partner getroffen, die den Request for Proposal erhalten (Short List).“ [Gross et al. 2006, 153] Als Vergleichswerte nennen [Gross et al. 2006, 153f] 2-4 Wochen für die Leistungsanfrage und 3-10 Wochen für die Ausschreibung.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
191
anfrage sind Betriebsblindheit, Hang zum Beibehalten des Status quo (Angst vor Veränderung) und die Färbung der Resultate zugunsten eines persönlichen Favoriten. Im Normalfall wird die Leistungsanfrage an alle in Frage kommenden NetzwerkPartner auf der Long List versandt und deren Antworten werden als Grundlage für die Vorauswahl aufbereitet. Aktivität 3.1.4: Liste potenzieller Netzwerk-Partner kürzen (Vorauswahl) Auf Basis der K.O.-Kriterien (als Grundlage der Leistungsanfrage) sind anhand der Frage „Welche Netzwerk-Partner passen in das Anforderungsprofil?“ jene Unternehmen auszuwählen242, die bei der Ausschreibung berücksichtigt werden sollen. Neben der Leistungsauskunft zu den vom eigenen Unternehmen definierten Kriterien bieten auch Benchmarking243-Untersuchungen einen möglichen Anhaltspunkt244 für eine Auswahl der Netzwerk-Partner. In der Schweiz hat sich für die Finanzindustrie das (unabhängige) Unternehmen Swiss Benchmarking245 auf diesen Leistungsvergleich spezialisiert, dessen unternehmensspezifische Ergebnisse eine relative Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines potenziellen Partners erlauben. 6.2.4.2 AB 3.2: Präzisieren der (BNR-)Handlungsalternativen Dieses Aktivitätenbündel umfasst die Erhebung von detaillierten Informationen zu den Unternehmen auf der Short-List über den möglichen Kooperationsumfang und darauf aufbauend die Spezifikation von konkreten Netzwerk-Konstellationen, die sich aus einer Zusammenarbeit mit den Unternehmen ergeben. Aktivität 3.2.1: Ausschreibung vorbereiten und Request for Proposal (RfP) erstellen In dieser Aktivität ist die Ausschreibung zu erstellen, welche auf den Fragestellungen und dem Glossar des RfI basiert. Im Vergleich zur Leistungsanfrage sind nun alle im Aktivitätenbündel 1.2 definierten Bewertungskriterien zu berücksichtigen. Die mit dieser Ausschreibung angefragten246 Informationen sollen zusammen mit vorhandenen und / oder aus Sekundärquellen beschafften Daten eine fundierte Analyse und Bewertung der BNR-Alternativen ermöglichen. Die Ausschreibung ist durch ein systematisches Auswahlverfahren zu objektivieren,
242 243
244
245 246
Vgl. zum Thema K.O.-Kriterien im Auswahlprozess auch [Mertens et al. 2005, 165f]. „Unternehmen setzen Benchmarking ein, um eine objektive Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit zu gewinnen und gezielt Erfahrungen anderer Unternehmen für die Verbesserung der eigenen Leistung zu nutzen.“ [Legner 1999, 7f] Benchmarking-Untersuchungen umfassen i.d.R. gut messbare Kennzahlen und sind eine mögliche Informationsquelle für die Definition von Bewertungskriterien im Aktivitätenbündel 1.2. [Kipker/Veil 2003, 189ff] nennen beispielhafte Benchmarking-Kriterien im Transaction Banking (z.B. Stückkosten pro Depot in der Wertpapier-Abwicklung). Vgl. http://www.swissbenchmarking.ch. Die Daten werden anonymisiert bereitgestellt. d.h. jedes Unternehmen kennt nur die eigene Position im Vergleich, was gut positionierte Anbieter für Marketing nutzen können. Vgl. [Meffert 1998, 146ff] für mögliche Techniken zur Datenerhebung (z.B. Fragebogen, Interview) die Beschreibung von Methoden der Informationsgewinnung.
192
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
sämtliche247 Bewertungskriterien sollten daher zum Zeitpunkt der Ausschreibung fixiert sein (vgl. [Heinrich 1997, 893]). Sie bestimmen auch Art und Umfang der zu erhebenden Daten. Nach [Heinrich/Lehner 2005, 159f] beinhaltet eine Ausschreibung einen allgemeinen Teil zu den Rahmenbedingungen (z.B. Zweck der Ausschreibung, Behandlung von Rückfragen, Zeitplan, Folgen bei Nicht-Erfüllung von K.O.Kriterien) und einen fachlichen Teil mit einem Lastenheft bzw. den Zielvorstellungen des Unternehmens für das BNR-Projekt. Aktivität 3.2.2: Ausschreibung durchführen In dieser Aktivität erhalten die potenziellen Netzwerk-Partner auf der Short-List die in Aktivität 3.2.1 erstellte Ausschreibung. Empfohlen wird dabei eine Gesamtausschreibung248. So bekommen Provider die Möglichkeit, unterschiedliche Leistungsbündel anzubieten und das eigene Unternehmen hat die Flexibilität, die Anbieter erst im Nachhinein zu kombinieren. Zudem bekommt das eigene Unternehmen umfangreichere Informationen zu den Teilleistungen (z.B. auch Preisen), falls jeder Kandidat versucht via weitere Partner die in der Ausschreibung formulierte Gesamtanforderung zu erfüllen. Der Entscheid, ob das eigene Unternehmen die Leistungen aus einer Hand oder aus einem selbst orchestrierten Partnernetzwerk bezieht, muss an dieser Stelle noch nicht getroffen sein. [Lacity/Willcocks 2003, 120] schlagen vor, die Ausschreibung auch intern durchzuführen, um den eigenen Abteilungen die Möglichkeit zu geben, Optimierungspotenziale zu heben, und so das tatsächliche Einsparungspotenzial einer Auslagerung bestimmen zu können.249 Aktivität 3.2.3: Detailentwurf für die erhobenen Angebote durchführen Als Abschluss der Erhebung von Handlungsalternativen sind die eingelangten Angebote zu alternativen Netzwerk-Konstellationen zu verarbeiten, die im nächsten Aktivitätenbündel die Grundlage für den Entscheid über weitere Schritte bilden. Eine wesentliche Aufgabe ist hierbei die Kombination der Angebote einzelner NetzwerkPartner zu einem stimmigen Gesamtpaket. Dabei bedeutet der in Aktivität 3.2.2 be-
247
248
249
Die K.O.-Kriterien sind wie o.a. bereits in Aktivität 2.2.3 endgültig zu definieren, während die übrigen Kriterien zwar frühzeitig zu erarbeiten sind (vgl. Aktivitätenbündel 1.2), aber im Projektkontext z.B. auf Basis neuer Informationen noch angepasst werden können. Das eigene Unternehmen legt vor der Ausschreibung noch nicht fest, welcher Netzwerk-Partner welche Teile übernehmen soll, sondern schickt allen Anbietern dieselbe Ausschreibung. Im Anlagegeschäft könnte sich eine Bank z.B. für die Gestaltungsoption 5 „Spezialist im Anlagegeschäft“ (vgl. 5.1.5) mit einem MultiVendor Ansatz entscheiden. Potenziellen Streetside-Providern sendet die Bank bei diesem Vorgehen eine Anfrage für das Gesamtpaket und nicht nur für die Gestaltungsoption 2 (vgl. 5.1.2). “The question was: If IT managers could reduce costs, why didn’t they? In some cases, IT managers could not implement cost reduction tactics because the internal politics of user departments often resisted cost reduction tactics such as consolidating data centers, … and implementing full-cost chargeback schemes … Internal bids, however, might be infeasible in some circumstances.” [Lacity/Willcocks 2003, 119]
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
193
schriebene Ansatz, an alle potenziellen Kooperationspartner die gesamte Ausschreibung zu senden, zusätzliche Komplexität250 zugunsten umfassenderer Informationen. Das Ergebnis des Detailentwurfs beinhaltet für jede Handlungsalternative die Elemente Geschäftsarchitektur, Prozessarchitektur sowie Applikations- und Integrationsarchitektur. Aktivität 3.2.4: Transformation je Handlungsalternative planen Ein wesentlicher Teil der Bewertung einer Handlungsalternative sind die Charakteristika und Auswirkungen des Übergangs vom Ist-Zustand zu dieser neugestalteten Netzwerk-Konstellation. Die Transformationsplanung sollte ebenfalls auf allen drei Ebenen des BE erfolgen. Im Rahmen eines Projektplans ist dabei u.a. auch eine Aufwandsschätzung vorzunehmen und zu definieren, welcher Netzwerk-Partner (bis) wann für welche Aktivitäten und Ergebnisse zuständig ist. 6.2.4.3 AB 3.3: Analyse der Handlungsalternativen und Festlegen nächster Schritte
Auf Basis der Detailkonzeption sind der Ist-Zustand und die Handlungsalternativen zu bewerten. Die Ergebnisse für die einzelnen Netzwerk-Konstellationen sind anschliessend gegenüberzustellen und nächste Schritte festzulegen. Dabei reicht die Bandbreite von der Umsetzung einer Handlungsalternative über den Rücksprung an eine frühere Stelle im Vorgehen (z.B. zur Ausschreibung) bis zum Abbruch des BNR-Projekts. Aktivität 3.3.1: Bewertungskriterien gewichten Die Bewertungsaspekte von BNR-Alternativen sind vielschichtig, die verwendeten Kriterien sind daher i.d.R. zahlreich, um der Komplexität der Fragestellung gerecht zu werden. Als Entscheidungsgrundlage ist eine Vereinfachung dieser Multidimensionalität durch Aggregation von Einflussfaktoren erforderlich. Bei dieser Kombination von mehreren Kriterien ist deren relative Gewichtung251 von grosser Bedeutung. Die Kriteriengewichte als Ergebnis der Aktivität fliessen implizit in die Bewertung in den Aktivitäten 3.3.2 bis 3.3.5 ein. Aktivität 3.3.2: Ist-Zustand (Status quo) qualitativ und quantitativ bewerten Die qualitative und quantitative Beurteilung in dieser und den nachfolgenden drei Aktivitäten erfolgt stets nach den in Kapitel 5.2.3 beschriebenen Vorgehensmodellen. Da die Bewertungsgrundlage für die BNR-Alternativen i.d.R. auch eine Entwicklungsperspektive für die nächsten 3-5 Jahre beinhaltet, reicht ein Vergleich dieser Optionen mit einer Momentaufnahme des Status quo nicht aus. Die Einschätzung des IstZustands – bestehend aus Nutzenwerten, Risikowerten und Business Case – darf nicht nur die aktuelle Situation berücksichtigen bzw. sogar eine retrospektive Sicht (v.a. bei 250
251
Da jedes angeschriebene Unternehmen für die gesamte Leistungspalette anbieten kann, sind Überschneidungen des Leistungsumfangs wahrscheinlich. Eine Kombination mehrerer Netzwerk-Partner bedeutet daher zusätzlichen Koordinationsaufwand Kapitel 5.2.3.1 beinhaltet einen Vorschlag zum Vorgehen bei der Gewichtung von qualitativen Kriterien.
194
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
der quantitativen Sicht) einnehmen, sondern muss das Entwicklungspotenzial der bestehenden Lösung und absehbare Veränderungen ebenfalls berücksichtigen. Ein kritischer Erfolgsfaktor bei der Bewertung des Ist-Zustands ist die klare Trennung zwischen den für den Fachbereich Verantwortlichen und den Beurteilern, da z.B. Angst oder Aversion gegen Veränderungen zu einer zu positiv gefärbten Bewertung des Ist-Zustand führen kann. Aktivität 3.3.3: Handlungsalternativen qualitativ und quantitativ bewerten Die Bewertung der Netzwerk-Konstellationen erfolgt primär anhand der Ergebnisse aus der Ausschreibung. Da diese Dokumente i.d.R. vom Anbieter erstellt werden, sollten sie noch im Rahmen von Interviews mit den Schlüsselpersonen des Anbieters und / oder (bei Providern) wenn möglich mit bestehenden Mandanten relativiert werden. Aktivität 3.3.4: Ergebnisse von Ist-Zustand und Handlungsalternativen vergleichen Eine (Vorab-)Gegenüberstellung der Zustände mit und ohne BNR zeigt, welche Netzwerk-Konstellationen eine Verbesserung zum Ist-Zustand bedeuten und daher weiter zu verfolgen sind. Da für Konstellationen, die in dieser Aktivität als unzureichend ausgeschlossen werden, eine Beurteilung der Transformation hinfällig ist, kann die Transformation vom Ist-Zustand zur jeweiligen Netzwerk-Variante (Aktivität 3.2.4) im Sinne eines effizienteren Vorgehens auch erst im Anschluss an Aktivität 3.3.4 nur für die verbleibenden Netzwerk-Konstellationen erfolgen. In der Praxis ist jedoch üblich, dass wesentliche Informationen zum Transformationsvorhaben bereits im Zuge der Ausschreibung erhoben werden. Falls keine Netzwerk-Konstellation besser als der Ist-Zustand eingestuft wird, sind die nächsten Schritte im BNR-Projekt zu überdenken (z.B. Projektabbruch, erneute Ausschreibung, Prüfen der Soll-Position). Aktivität 3.3.5: Transformation je Handlungsalternative qual. & quant. bewerten Anhand der Bewertungskriterien für die Transformation (vgl. Tabelle 5-6) und des Transformationsplans aus Aktivität 3.2.4 ist der Übergang vom Ist-Zustand zur jeweiligen Netzwerk-Konstellation zu beurteilen, wobei neben Nutzenaspekten auch Risikofaktoren (z.B. Planungsrisiko) und quantitative Kennzahlen (z.B. Liquiditätsbelastung) heranzuziehen sind. Die quantitative Bewertung des Transformationsvorhabens ergänzt den Business Case der Handlungsalternative (vgl. Kapitel 5.2.3.2 und 5.3.3). Aktivität 3.3.6: Ergebnisse interpretieren und nächste Schritte definieren Zum Abschluss der Phase Entwurf ist anhand der aggregierten Ergebnisse aus der Gestaltung und Bewertung von Handlungsalternativen zu entscheiden, ob eine der Netzwerk-Konstellationen eine Verbesserung des Status quo darstellt,
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
195
[falls zumindest eine der konzipierten Netzwerk-Konstellationen entspricht] welche Handlungsalternative verwirklicht und wie das BNR-Vorhaben im Rahmen der Phasen Implementierung sowie Einführung und Betrieb umgesetzt werden soll, [falls keine der Netzwerk-Konstellationen die Anforderungen erfüllt] ob der Status quo beibehalten oder ob Phase 3 nach (teilweiser) Überarbeitung der Ergebnisse aus Phase 2 (z.B. Soll-Profil) wiederholt werden soll. Input dieser Aktivität sind die Bewertungsergebnisse für den Zustand (inklusive IstZustand) und für die Transformation je Netzwerk-Konstellation sowie das Anforderungsprofil des eigenen Unternehmens an das BNR-Vorhaben. 6.2.5 Kritische Erfolgsfaktoren und Besonderheiten der Phasen 4 und 5 Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Frage, wie Unternehmen in der Finanzindustrie dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette begegnen können. Das BNRVorgehen konzentriert sich daher auf die Schritte vom Schaffen der erforderlichen fachlichen Grundlagen für die betroffene Wertschöpfungskette über das Erkennen der Änderungsnotwendigkeit bzw. des Handlungsbedarfs bis zur Konzeption und Bewertung der Änderungsmöglichkeiten. Die Phasen 4 Realisierung / Umsetzung und 5 Einführung und Betrieb liegen nicht im Fokus der Arbeit und sind daher nicht im Detail beschrieben. Dieses Teilkapitel geht nur kurz auf den Inhalt dieser Phasen ein und nennt kritische Erfolgsfaktoren für den Anwendungskontext BNR. Grundlage hierfür sind die Erfahrungsberichte und Expertengespräche im CC Sourcing sowie eine Synthese bestehender Ansätze. 6.2.5.1 Phase 4 „Realisierung“ Diese Phase beinhaltet die Umsetzung der in Phase 3 ausgewählten NetzwerkKonstellation. Ausgangspunkt ist eine Detaillierung der Netzwerk-Architektur auf den drei BE-Ebenen in Form der Geschäfts-, Prozess sowie Integrations- und Applikationsarchitektur. Abgeschlossen ist die Phase sobald die Abläufe, Aufbauorganisation und Systeme des eigenen Unternehmens an die entsprechende Netzwerk-Konstellation angepasst und die zwischenbetrieblichen Schnittstellen (organisatorisch und technisch) realisiert sind. Besonderheiten von BNR im Vergleich zu innerbetrieblicher Vernetzung bestehen v.a. in der vertraglichen und organisatorischen Ausgestaltung der Kooperation. Die folgende Aufzählung nennt dazu einige kritische Erfolgsfaktoren: Vertragliche Festlegung der vereinbarten Leistungen: Gemäss einer Untersuchung von rund 100 IT-Outsourcing Vorhaben (vgl. [Lacity/Willcocks 2003, 121]) haben detaillierte Verträge252 mit einer Definition von Verantwortlichkeiten aller Netzwerk-Partner und Mechanismen für Anpassungen der Netzwerk-Konstellation die besten Erfolgsaussichten. Bedeutung und Definition der Vertragsdauer: Der vertraglich fixierte Zeitraum der Netzwerk-Beziehung ist vorrangig eine organisatorische und wirtschaftliche Rah252
Vgl. [Gross et al. 2006, 154f] zu einem Kooperationsrahmenvertrag für das Beispiel eines Call-Centers.
196
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
menbedingung. Wenn die Kooperation nicht funktioniert, wird jeweils zumindest ein Netzwerk-Partner einen Weg finden, die Zusammenarbeit trotz eventuell hohen Ausstiegskosten zu beenden. Das sture Festhalten an einer Kooperation mit einem unzufriedenen Partner liegt in der Regel z.B. aufgrund der Reputationsrisiken nicht im Interesse der beteiligten Unternehmen. Die Vertragsdauer ist vor allem als Kompromiss zwischen der Flexibilität und der Planungssicherheit der NetzwerkPartner zu verstehen. Während [Allweyer et al. 2004, 4] festhalten, dass Outsourcing-Verträge per se langfristig (grösser gleich 5 Jahre) ausgerichtet sind, betrachten [Lacity/Willcocks 2003, 122] den Sachverhalt differenzierter: “Keep contracts short enough to retain relevancy and control, but long enough for suppliers to generate a profit margin.“ Berücksichtigen von Informationsasymmetrien und Zielkonflikten: Gemäss der Principal-Agent-Problematik haben die Kooperationspartner ausgeprägte Informationsasymmetrien253 und zum Teil konkurrierende Ziele. Bei einer BPO-Beziehung verfügt z.B. der Provider über detailliertere Kenntnisse seiner Kostenstruktur und internen Abläufe, während der Kunde im Gegenzug die Abnahmemenge besser einschätzen kann. Die Ausnutzung dieser Asymmetrien sollte durch präzise Service Level Agreements weitgehend vermieden werden. Dabei besteht die Gefahr, dass die Komplexität der Leistungsvereinbarung und die daraus resultierenden Kontrollkosten die Synergieeffekte aufbrauchen oder sogar übersteigen. [Lacity/Willcocks 2003, 123] empfehlen Kooperationspartnern, die Verhaltensregeln einer Geschäftsbeziehung zu verinnerlichen („Embrace the dynamics of the relationship“), aufgrund derer es z.B. verständlich ist, dass Kunde und Lieferant sich gelegentlich über die Höhe der Rechnung uneins sind. Formulieren anwendbarer254 Service Level Agreements (SLA): Der Inhalt der Zusammenarbeit ist in Leistungsvereinbarungen zu regeln, die u.a. eine Beschreibung der Leistung, ein Preismodell, Kommunikationspfade, Berichtswesen, Eskalationsmechanismen sowie Aussagen zur Häufigkeit, Verfügbarkeit und Qualität der Leistungen umfassen (vgl. [Gross et al. 2006, 156ff] zum Inhalt und Aufbau eines Service Level Agreements für BPO-Leistungen). Retained Organizations: “All outsourcing requires continual and significant inhouse management” [Lacity/Willcocks 2003, 125]. Bei einer Auslagerung im Zuge eines BNR-Vorhabens werden die bisher intern erbrachten Leistungen zwischen Kunde und Provider verteilt, wobei die „leistenden“ Tätigkeiten tendenziell ausgelagert werden sowie die „überwachenden und steuernden“ Aktivitäten i.d.R. beim auslagernden Unternehmen verbleiben (vgl. [Löschenkohl/Weiss 2005, 566]). Dieser Brückenkopf zum Dienstleister wird als retained organization bezeichnet. Diese Schnittstellenfunktion ist essentiell für das Funktionieren der Kooperation und 253 254
[Allweyer et al. 2004, 5] nennen als Beispiel einen Gebrauchtwagenhändler, der „die versteckten Macken seiner Autos“ i.d.R. besser kennt als der potenzielle Käufer. Die Aussagen der Praxispartner im CC Sourcing zum Thema SLA können vereinfacht wie folgt zusammengefasst werden: „Wesentlich ist nicht der Umfang der SLAs, sondern deren Anwendbarkeit.“
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
197
sollte von Mitarbeitern mit hoher Fachkompetenz im ausgelagerten Bereich ausgeübt werden, die in der Lage sind, die Handlungen des Providers nachzuvollziehen und im Sinne des eigenen Unternehmens zu beeinflussen. Die durch diese Schnittstelle bedingten Transaktionskosten sind im Business Case zu berücksichtigen. Einhalten des zugesagten Preismodells: Die der Leistungsverrechnung zugrunde liegenden Mechanismen bestimmen, ob das Unternehmen seine Ziele z.B. bez. Kostenvariabilisierung und Senkung der finanziellen Risiken255 realisieren kann. Bei der Detaillierung des Preismodells256 ist darauf zu achten, dass die im entscheidungsrelevanten Angebot enthaltenen Bedingungen erfüllt sind. Weitere kritische Erfolgsfaktoren der Phase Realisierung: Auswirkungen auf das Tagesgeschäft minimieren; möglichst kurzer / überschaubarer und gleichzeitig machbarer Zeitplan (langwierige Projekte verunsichern die Mitarbeiter ebenso wie „rollierende“ Planungskorrekturen); für alle Netzwerk-Partner transparente Planung mit Betonung der Vorteile aller Beteiligten (vgl. [Feeny et al. 2005b, 46]). 6.2.5.2 Phase 5 „Einführung und Betrieb“ In der Phase Einführung wird die neue Netzwerk-Lösung entsprechend der Migrationsstrategie in den Regelbetrieb übernommen. Dies kann entweder als Big Bang in einem Schritt oder in mehreren Schritten geschehen. Entscheidend ist ein möglichst reibungsloser Übergang, für den folgende kritische Erfolgsfaktoren zu beachten sind: Schulung / Übergangsphase: Zur Vorbereitung der Mitarbeiter auf die neu gestalteten Prozesse und die eventuell veränderten Applikationen ist eine Übergangsphase zu berücksichtigen, in der die internen und zwischenbetrieblichen Abläufe aufeinander abzustimmen sind. In diesem Zeitraum sollte der Know-how-Transfer im Vordergrund stehen, wobei es sich nach Aussagen von Praktikern bewährt hat, die zuvor festgelegten SLAs flexibel anzuwenden (z.B. keine Strafzahlungen im ersten halben Jahr der Kooperation), da in dieser Phase erfahrungsgemäss beidseitig vermehrt Unstimmigkeiten / Fehler auftreten. Bei der Schulung ist darauf zu achten, dass nicht nur der Provider die Mitarbeiter des Kundenunternehmens schult, sondern auch Spezifika des Mandanten aufnimmt, um etwaige negative Auswirkungen durch Nichtberücksichtigung dieser Besonderheiten vor allem auf die Bankkunden zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist es durchaus üblich, dass Provider Mitarbeiter von neuen Mandanten übernehmen, welche die Abläufe genau kennen und auch mit ihren sozialen Kontakten die Transformation erleichtern können. Etablieren einer effektiven Governance-Struktur zur Überwachung und Weiterentwicklung der einzelnen Sourcing-Beziehungen in der Netzwerk-Konstellation: Die
255 256
So senken z.B. Sockelbeträge das finanzielle Risiko eines Providers bei Volumenschwankungen, wirken jedoch der Kostenvariabilisierung der Kunden entgegen. Zu Preismodellen bei Business Process Outsourcing vgl. [Dittrich/Braun 2004; Gross et al. 2006, 159].
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6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
gegenseitigen Einflussmöglichkeiten der Netzwerk-Partner und deren Verantwortlichkeiten sind klar abzugrenzen.257 Einbinden der Mitarbeiter und Nutzen von vorhandenem Know-how: Im Anschluss an den Entscheid für eine Netzwerk-Konstellation sind die davon betroffenen Mitarbeiter258 in die Detailkonzeption der Leistungserstellung einzubinden, da sie das Know-how zum Prozess haben und ihre Motivation und Zufriedenheit zudem Auswirkungen auf den Erfolg des BNR-Vorhabens haben können. (vgl. auch Kundenorientierung nach [Feeny et al. 2005a, 129]) Anpassungen / SLA-Pflege: Netzwerke sind auch aufgrund der Einzelinteressen der Netzwerk-Teilnehmer dynamisch und brauchen flexible Strukturen um sich kontinuierlich verändern zu können (vgl. Netzwerk-Metamorphosen in [Howaldt/Ellerkmann 2007, 43ff]). Das Unternehmen muss sich in der NetzwerkKonstellation rasch (vgl. Geschwindigkeit als Erfolgsfaktor in [Kagermann/Österle 2006]) an veränderte Rahmenbedingungen anpassen können. Diese Flexibilität muss in den Verträgen ebenso berücksichtigt sein wie Mechanismen zur Aktualisierung der Service Level Agreements. Weitere kritische Erfolgsfaktoren der Phase Einführung / Betrieb: Akzeptieren des Kompetenzabbaus; Operative Steuerung der (bereits bestehenden) NetzwerkBeziehungen (vgl. Kapitel 6.3.2); Erarbeiten eines gemeinsamen Marktauftritts (z.B. abgestimmte Kommunikation). 6.2.6 Phasenübergreifende Aufgaben Für ein erfolgreiches Veränderungsprojekt müssen ergänzend zu den o.a. Aktivitäten des BNR-Vorgehens projektphasenübergreifende Aufgaben wahrgenommen werden. Dazu zählen u.a. die in Abbildung 6-1 dargestellten Elemente Transformation mit den drei Teilelementen Projektmanagement, Programm-/Projektportfoliomanagement und Change Management sowie die übergeordneten Aspekte der Netzwerksteuerung. Diese Aufgaben sind in diesem Teilkapitel im Kontext eines BNR-Vorhabens beschrieben. Das in anderen Vorgehensmodellen häufig vorkommende Qualitäts- und Risikomanagement ist für das BNR-Vorgehen in der Transformation und für den laufenden Betrieb nach Durchführung des BNR in der Netzwerksteuerung inkludiert.
257
258
[Feeny et al. 2005b, 46f] sprechen sich z.B. gegen vermischte Aufsichtsräte im Sinne einer Einbindung von Kundenvertretern in Entscheidungsgremien von Providern aus. Diese „doppelten“ Entscheidungsträger müssten stets entscheiden, „welchen Hut sie gerade aufhaben“: Jenen des eigenen Unternehmens, das nach mehr Leistung zu tieferen Kosten verlangt, oder jenen des Providers, der z.B. nach mehr Standardisierung zugunsten höherer Profite strebt. [Feeny et al. 2005a, 130] verwenden in diesem Kontext den Begriff „Management Schizophrenie“. Banken lagern v.a. Leistungen ohne direkten Bankkundenkontakt aus, die Kunden der Leistungen der Provider sind also i.d.R. die Bankmitarbeiter.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
199
Die phasenübergreifenden Aufgaben sollen das BNR-Projekt so unterstützen, dass das angestrebte Ergebnis mit höherer Wahrscheinlichkeit, niedrigerem Aufwand und besserer Qualität erreicht wird.259 6.2.6.1 Transformation Die Transformation des Unternehmens umfasst gemäss [Kagermann/Österle 2006, 249ff] die Elemente Projektmanagement, Change Management und Programm Management. [Gross et al. 2006, 172ff] nennen zusätzlich das Qualitätsmanagement und das Risikomanagement als wesentliche Aufgaben der Projektorganisation. Projektmanagement Planung, Steuerung und Kontrolle sind die wichtigsten Aufgaben des Projektmanagements, die üblicherweise operativ von der Projektleitung und strategisch von einem Lenkungsausschuss wahrgenommen werden. Dabei sind das Verteilen der anfallenden Tätigkeiten auf Personen sowie die Festlegung von Kommunikations- und Leistungsbeziehungen im Rahmen der Projektorganisation von hoher Bedeutung. (vgl. [Mertens et al. 2005, 168ff]) Das Projektmanagement kann in drei Phasen gegliedert werden: Initialisierung, Umsetzung (je Projektphase) und Abschluss.260 Wesentliche Aspekte des Projektmanagements im Kontext des BNR-Vorgehens: Die Projektinitialisierung ist dem BNR-Vorgehen vorgelagert, der Projektplan und vor allem auch die operativen Projektziele261 sollten daher zum Projektstart vorliegen. Im o.a. BNR-Vorgehen ist der Projektplan ein wesentlicher Input der ersten Phase Schaffen von (bank)fachlichen Grundlagen. Das Vorgehensmodell ist so gestaltet, dass am Ende jeder Phase eine Entscheidungsgrundlage über das weitere Vorgehen verfügbar ist. Daher ist ein Treffen des Lenkungsausschusses zum Abschluss jeder Phase zu empfehlen. Eine Besonderheit des BNR-Vorgehens ist die verstärkte Einbindung von externen Netzwerk-Partnern ab Phase 3. Die Phasen 1 und 2 kann ein Unternehmen weitgehend intern durchführen, eine intensive Abstimmung mit potenziellen Kooperationspartnern ist erst erforderlich, wenn die Grundlagen und die Soll-Position definiert sind. Die Einhaltung des Business Case als betriebswirtschaftlicher Komponente des Projektplans ist im Sinne des Target Costing (vgl. Kapitel 5.2.2.2) iterativ zu prüfen und es sind Massnahmen zur Annäherung der effektiven Kosten (drifting costs) an die gemäss Kalkulation tolerierbaren Kosten (allowable costs) zu definieren. 259 260 261
Vgl. phasenübergreifende Massnahmen für ein Vorgehen zur Einführung eines Enterprise Content Management Systems nach [Kutsch 2004, 244]. [Kutsch 2004, 244ff] nennt die Phasen und Aktivitäten des Projektmanagements. [Kutsch 2004, 245] betont die Vorteilhaftigkeit, die Ziele frühzeitig zu definieren und nennt für deren Operationalisierung die Einhaltung der SMART-Kriterien (spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und termingerecht) als wesentliches Qualitätsmerkmal.
200
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Programm- / Projektportfoliomanagement „A BPO supplier cannot survive without highly developed project management and change management capabilities. But clients interested in service transformation and a long-term relationship should look beyond the supplier’s project-level capabilities and evaluate its program management capability.” [Feeny et al. 2005b, 47]
Wie die Fallstudien für das Beispiel Anlagegeschäft zeigen, haben BNR-Projekte (in der Finanzindustrie) i.d.R. eine relativ lange Laufzeit und betreffen meist viele Bereiche des Unternehmens von der IT-Abteilung über den Fachbereich bis zum Management. Die Dauer und die Mitwirkung vieler interner Stakeholder erfordert ein Überwachen und Planen von Abhängigkeiten von anderen Aktivitäten des Unternehmens im Rahmen des Projektportfolio-Managements. (vgl. [Benz 2001, 134f]) Das Programmmanagement koordiniert das Projektportfolio eines Unternehmens, berücksichtigt Abhängigkeiten zwischen Projekten, prüft die Einhaltung von Qualitätsstandards sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen, richtet die Projekte auf das Geschäftsmodell aus und fördert die Projektsicherheit (vgl. [Kagermann/Österle 2006, 260ff]). Change Management „If you want to make enemies, try to change something.” (Wilson nach [Kagermann/Österle 2006, 266])
Neue Lösungen können nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn menschlichen Bedürfnissen und Verhaltensweisen in Veränderungsprojekten ausreichend Beachtung geschenkt wird (vgl. [Benz 2001, 138]). [Kutsch 2004, 248f] definiert Change Management als Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Veränderungsprozessen mit dem Ziel, die Anspruchsgruppen zu betreuen und bei den projektbedingten Veränderungen einzubeziehen. Das Kommunikationskonzept ist daher ein wesentliches Element des Change Managements. [Kagermann/Österle 2006, 266ff] nennen als Einflussfaktoren für den Erfolg von Change-Projekten z.B. Management Commitment und eine klare Vision des Change-Projektes. Wesentliche Aspekte im Kontext des BNR-Vorhabens: Eine Reorganisation bzw. Umstrukturierung des Unternehmens bedeutet Verunsicherung für die Mitarbeiter (z.B. hinsichtlich Stellenabbau). Oft interpretieren Mitarbeiter die Neuorganisation eines Teilbereichs als Salami-Taktik, d.h. dass das BNR-Vorhaben den ersten Schritt einer umfassenden Neuorientierung des Unternehmens darstellt. Change Management ist mehr als die Kommunikation der Veränderungsergebnisse im Rahmen der Phase Einführung und Betrieb, es spielt bereits in den BNR-Phasen 2 und 3 eine wesentliche Rolle, da z.B. im Rahmen einer Stakeholder-Analyse ein etwaiges kulturelles No-Go erkannt werden muss. Die Kommunikationsstrategie muss neben den Vorteilen für das Unternehmen auch die Bedenken der Mitarbeiter beachten und konkrete Aussagen zu Aspekten wie Arbeitsplatzsicherheit und Karrieremöglichkeiten machen.
6.2 Vorgehensmodell und Ergebnisdokumente
201
Bei einem Veränderungsprojekt ist zu beachten, dass alle Beteiligten ein Motiv haben, aktiv an der Veränderung mitzuarbeiten. Ein häufiges Problem bei BNR im Anlagegeschäft ist die Einbindung der Frontmitarbeiter. Vor allem Anlageberater in Privatbanken haben i.d.R. stark von der Beratungszeit bzw. dem Beratungserfolg abhängige Gehaltsmodelle. Daher ist ihr Anreiz, z.B. bei der Einführung einer neuen Bankplattform Zeit für die Verbesserung der Datenqualität des Kundenportfolios zu investieren per se eher gering. 6.2.6.2 Weitere Aspekte der Netzwerksteuerung Die Steuerung des Netzwerks aus Sicht des eigenen Unternehmens ist ein wesentliches Thema im Zuge der zunehmenden Vernetzung in der Finanzindustrie und auch ein Forschungsbereich im CC Sourcing, das den Begriff wie folgt definiert: „Die Netzwerksteuerung als Führungsprozess beinhaltet die Koordination und Sicherstellung einer effizienten Leistungserstellung im Netzwerk sowie die Gestaltung bzw. Weiterentwicklung des Netzwerks.“ Netzwerk-Steuerung beinhaltet gemäss [Eckert/Kutsch 2008] das projektbezogene Transformationsmanagement262 und ergänzt es um folgende Prozesse: Architekturmanagement, Partnermanagement, Problem- und Ausnahmemanagement, Risikomanagement und Servicemanagement. Die folgende Aufzählung beschreibt diese Prozesse in der Diktion des CC Sourcing (vgl. [Eckert/Kutsch 2008]) und erläutert beispielhafte Implikationen auf ein BNR-Vorhaben. Architekturmanagement umfasst die Planung, Entwicklung, Nutzung und Pflege der Unternehmens- und Netzwerk-Architektur. Ziel ist die Schaffung und Aufrechterhaltung einer geeigneten Unternehmensarchitektur zur wirtschaftlichen Erreichung strategischer Unternehmensziele. Wesentliche Schnittstellen des BNR-Vorhabens zum Architekturmanagement sind die Beschreibung des Ist-Zustands im Aktivitätenbündel 2.1 (z.B. Bereitstellen von Informationen, Aufzeigen von geplanten bzw. absehbaren Entwicklungen), die Definition der Anforderungen an die Handlungsalternativen in Aktivität 2.2.2 sowie die Spezifikation (Aktivitätenbündel 3.2) und Bewertung (Aktivitätenbündel 3.3) alternativer Netzwerk-Konstellationen. Partnermanagement (vgl. Kooperationsmanagement in [Alt et al. 2000, 9f]) steuert die Identifikation, die Sondierung, die Spezifikation, die Vereinbarung, den Leistungsaustausch, das Beziehungsmanagement, die Führung, den Support sowie die Weiterentwicklung von Kooperationen, um langfristige und gegenseitig mehrwertorientierte Beziehungen im Netzwerk sicher zu stellen. Bei BNR-Vorhaben ist das Partnermanagement vor allem für die Abstimmung mit den im Projekt involvierten Unternehmen sowie für die Kommunikation mit (weiteren) bestehenden Netzwerk-Partnern verantwortlich. 262
Beschreibt nach [Eckert/Kutsch 2008] die gezielte Gestaltung und Veränderung eines Unternehmens und von dessen Netzwerken.
202
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Problem- und Ausnahmemanagement steuert die Identifikation und Analyse von Problemen sowie die Planung und Durchführung von (vorbeugenden) Massnahmen zu deren Behebung. Die wesentlichen Ziele sind die schnellstmögliche Wiederherstellung des Normalzustands (reaktiv) und eine nachhaltige Minimierung der Problemhäufigkeit. (vgl. auch [Heinrich/Lehner 2005, 314ff]) Risikomanagement steuert die Identifikation, Analyse und Bewertung von Risiken, die Planung und Vorbereitung von Massnahmen zu deren Minimierung und Überwachung sowie das Monitoring von Risiken. (vgl. auch [Gross et al. 2006, 178ff]) Neben der Überwachung der Transformationsrisiken spielt die Auswahl und Einschätzung der Risiken vor allem bei der Bewertung der Handlungsalternativen im Aktivitätenbündel 3.3 eine wesentliche Rolle. Servicemanagement stimmt die Services auf den Bedarf der Netzwerk-Partner ab und steuert ihre Identifikation, Spezifikation, Vereinbarung, Implementierung, Lieferung, den Support und die Weiterentwicklung der Services unter den Aspekten der Marktorientierung, Serviceorientierung, Lebenszyklusorientierung und Prozessorientierung. Bei einem BNR-Vorhaben bestehen zahlreiche Schnittstellen zum Servicemanagement wie z.B. bei der Konzeption marktgerechter Leistungen als Lieferergebnisse einer Netzwerk-Konstellation oder das Sicherstellen der Leistungserbringung im neugestalteten Unternehmensnetzwerk. 6.3 Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens Die Darstellung des BNR-Vorgehens in Abbildung 6-2, Abbildung 6-3 und Abbildung 6-5 veranschaulicht, dass die Vorbereitung, Konzeption und Analyse eines BNRVorhabens die Erstellung und Kombination einer Reihe von Ergebnisdokumenten erfordert. Der erste Teil dieses Kapitels greift daraus wesentliche heraus, zeigt deren Abhängigkeiten und schafft Querverbindungen zu den in Kapitel 3-5 erarbeiteten Ergebnissen für das Anwendungsbeispiel Anlagegeschäft. Das zweite Teilkapitel nennt alternative Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens und deren Auswirkungen auf die im vorigen Kapitel erläuterte Sequenz der Aktivitäten. 6.3.1 Übersicht zu den Ergebnisdokumenten Tabelle 6-3 gibt einen Überblick zu wesentlichen Ergebnisdokumenten des BNRVorgehens und deren Zusammenhang. Sie umfasst folgende Informationen: Von welcher Aktivität das jeweilige Ergebnisdokument erzeugt wird, von welchen Aktivitäten es verwendet wird (vgl. Spalte Aktivitäten) sowie auf welchen anderen Ergebnissen (vgl. kursive Elemente in der Spalte Beschreibung) es aufbaut. Einige Ergebnisse wurden in dieser Arbeit (vgl. Kapitel 3-5) für das Beispiel Anlagegeschäft erarbeitet. Tabelle 6-3 schafft die Querverbindung von den generischen Ergebnissen zu diesen beispielhaften Ausprägungen (vgl. Querverweis in Spalte Beschreibung).
6.3 Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens
203
Die Ergebnisdokumente basieren weitgehend auf Modellen aus bestehenden Ansätzen263, auf die im Text beispielhaft verwiesen wird (vgl. Spalte Beschreibung). Ergebnisdokument
Referenzprozess
Referenznetzwerk
Aktivitäten 1.1.1 1.1.3 1.1.5 2.1.2
Grundlage des BNR-Vorhabens ist ein Prozessvorschlag für den betrachteten Fachbereich. Der in der ersten Aktivität des Vorgehensmodells erarbeitete Referenzprozess dient nachfolgend als Grundlage für die Erstellung des Referenznetzwerks und für die Spezifikation der Prozessarchitektur. Querverweis: Kapitel 3.2 entwickelt einen Referenzprozess für das Anlagegeschäft und ordnet ihn in ein Bankmodell als übergreifende Prozesslandkarte ein.
1.1.5 2.1.1 2.2.1 2.3.2
Das Referenznetzwerk stellt die im Aktivitätenbündel 1.1 identifizierten generischen Rollen und deren Beziehungen (Informations- und Finanzflüsse264) in einem Geschäftsnetzwerk (vgl. [Alt 2004, 173f]) dar. Im Rahmen der Rollenbeschreibung bietet sich eine Verknüpfung zu den Schritten des Referenzprozesses an. Das Referenznetzwerk wird im BNR-Vorgehen für die Beschreibung des Ist-Zustands, für die Sourcing-Matrix, für die Soll-Position und für die Darstellung der Handlungsalternative(n) verwendet. Querverweis: Kapitel 3.3 entwickelt auf Basis von theoretischen Grundlagen und Fallbeispielen ein Referenznetzwerk für das Anlagegeschäft inklusive einer Rollenbeschreibung.
1.2 2.2.2 2.2.3 3.2.1 3.3.1 3.3.3 3.3.5
Die Bewertungskriterien sind Grundlage für die Bewertung der Netzwerk-Konstellationen im Aktivitätenbündel 3.3, aber auch für die K.O.-Kriterien und für das Anforderungsprofil. Kapitel 5.2 enthält neben den Anforderungen an ein Bewertungsmodell für BNR auch folgende Struktur der Bewertungskriterien: Bei der qualitativen Bewertung sind Potenzialkriterien (gemäss BE-HSG gegliedert in die Dimensionen Strategie, Prozesse, Systeme, Politik / Kultur und Transformation) sowie strategische und operationelle Risiken zu unterscheiden. Bei der quantitativen Bewertung sind Betriebskosten/-erlöse und Transformationskosten zu erfassen, wobei im Betrieb die drei Varianten „make-buy-source“ zu beachten sind sowie die damit verbundenen Transaktionskosten. Ein wesentlicher Teil der qualitativen Bewertungskriterien sind die für jedes Kriterium festzulegenden Messvorschriften, deren Grundlagen [Zangemeister 1976] umfassend darstellt. Beispiele zu Messvorschriften sind in Tabelle 5-14 enthalten. Querverweis: Die Tabellen 5-10 bis 5-13 nennen Potenzial und Nutzenkriterien und erläutern diese am Beispiel Anlagegeschäft. Eine Übersicht zu wesentlichen Kosten- und Erlösarten bei einem BNR-Vorhaben enthält Tabelle 5-8.
2.2.3 2.2.4 3.1.1
Die Vorauswahl potenzieller Netzwerk-Partner erfolgt anhand der aus den Bewertungskriterien abgeleiteten Teilmenge K.O.-Kriterien. Die K.O.-Kriterien bilden die Grundlage für die Erstellung der Leistungsanfrage.
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2.1
Die Leistungsanfrage dient dazu, von den potenziellen Partnern (Long List) die erforderlichen Informationen für eine Vorauswahl zu erheben. Die Ausgestaltung der Anfrage basiert auf den K.O.-Kriterien und der Soll-Position im Referenznetzwerk. Das Ergebnis der Leistungsanfrage ist eine Leistungsauskunft.
Bewertungskriterien
K.O.Kriterien Leistungsanfrage (Request for Information) Legende:
Beschreibung
Aktivität(enbündel) erzeugt Ergebnisdokument
Aktivität nutzt Ergebnisdokument
Tabelle 6-3: Wesentliche Ergebnisdokumente des BNR-Vorgehens (1/2)
263
264
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Beschreibung des Vorgehens und dessen beispielhafter Anwendung auf das Anlagegeschäft. Sie beinhaltet keine Vorgaben hinsichtlich der formalen Ausgestaltung der Ergebnisdokumente, teilweise sind daher bei der Beschreibung der Aktivitäten mehrere alternative Ansätze genannt. Da es in der Finanzindustrie kaum physische Leistungsflüsse gibt, sind Güterflüsse ausgeblendet.
204
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Ergebnisdokument Ausschreibung
Aktivitäten 3.2.1 3.2.2
[Heinrich/Lehner 2005, 153] definieren Ausschreibung als den „Vorgang der Einholung von Angeboten auf der Grundlage definierter Anforderungen“. Die Ausschreibung beinhaltet eine Beschreibung des BNR-Vorhabens mit Zielen, Vorgaben und Rahmenbedingungen. Das BNR-Vorgehen empfiehlt zugunsten höherer Flexibilität bei der Konzeption alternativer NW-Konstellationen eine Gesamtausschreibung.
2.2.2 2.2.3 2.2.5 2.3.3 3.1.4 3.2.3 3.3.6
Das Anforderungsprofil umfasst alle Bewertungskriterien mit ihren geforderten Ausprägungen und ist somit der Massstab (Soll-Vorstellung des eigenen Unternehmens) für die Beurteilung der Zielerreichung. Es kann nicht nur zur Gegenüberstellung mit Handlungsalternativen verwendet werden (Erreichung der Zielvorstellung“), sondern auch für eine Analyse des IstZustands. Aus dem Vergleich von Ist-Bewertung und Anforderungsprofil ergeben sich die Handlungsfelder bzw. die fachlichen Motive für die Veränderung.
IstZustand: 2.1 2.2.4 3.2.4 3.3.2
Im BNR-Vorgehen sind zwei Arten von Netzwerk-Konstellationen zu unterscheiden, jene zum Ist-Zustand und jene für die Handlungsalternative(n). Die nachfolgenden Erläuterungen gelten für beide Arten gleichermassen. Gemäss dem Untersuchungsframework (vgl. Kapitel 2.1) unterscheidet das BNRVorgehen zur Spezifikation einer Netzwerk-Konstellation die BE-Ebenen und berücksichtigt ergo die drei Architekturebenen aus dem Gestaltungsmodell zum überbetrieblichen Prozessmanagement nach [Alt 2004, 122ff], der im Zuge der Konzeption seines Gestaltungsvorschlags jeweils eine Reihe alternativer Ansätze analysiert. Die Prozessarchitektur zeigt u.a. die Zuordnung der Schritte des Referenzprozesses auf die Geschäftspartner (vgl. z.B. das Leistungsangebot der B-Source in Abbildung C-4) in Form eines Aufgabenkettendiagramms. Die Geschäftsarchitektur beinhaltet u.a. eine Darstellung des Geschäftsnetzwerk und als fachspezifische Erweiterung eine gemäss dem Geschäftsmodell des Unternehmens eingefärbte Version des Referenznetzwerks (vgl. z.B. Abbildung 4-5 und 4-7 zur Fallstudie Vontobel). Die Systemarchitektur umfasst die Applikations- und Integrationsarchitektur. Querverweis: Die Fallstudien in Kapitel 4 nutzen diese Ergebnisse, um konkrete Vernetzungsoptionen für das Anlagegeschäft aus Sicht eines Providers zu beschreiben. Die Gestaltungsoptionen in Kapitel 5.1 beruhen ebenfalls auf den BE-Ebenen.
(Request for Proposal)
Anforderungsprofil
NetzwerkKonstellation (Ist-Zustand bzw. Handlungsal265 ternativen)
Legende:
Beschreibung
Handlungsalterna tiven: 3.2.3 3.2.4 3.3.3
Aktivität(enbündel) erzeugt Ergebnisdokument
Aktivität nutzt Ergebnisdokument
Tabelle 6-4: Wesentliche Ergebnisdokumente des BNR-Vorgehens (2/2) 6.3.2 Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens Die Beschreibung des BNR-Vorgehens in Kapitel 6.2 geht von der idealtypischen Situation aus, in der das eigene Unternehmen ein bestehendes Netzwerk neu konfigurieren will und dabei aus einer Menge von Gestaltungsoptionen und NetzwerkKonstellationen wählen kann. In der Praxis existiert eine Reihe von Alternativszenarien, für die das BNR-Vorgehen ebenfalls anwendbar sein soll. Die folgende Aufzählung nennt beispielhafte Szenarien und beschreibt die dafür erforderlichen Anpassungen im BNR-Vorgehen: Eintritt in ein neues Netzwerk ohne einen Status quo als Bezugspunkt: Dieser Fall tritt z.B. bei ausländischen Banken auf, die eine unabhängige Tochter (in der Schweiz) gründen,266 und bei Finanzdienstleistern, die ihre Angebotspalette um neue Geschäftsfelder erweitern, wie z.B. die PostFinance für ihr Angebot in den Bereichen Kredite mit der UBS als Kooperationspartner und Fondsgeschäft mit der 265 266
Die beiden Ergebnisbündel umfassen dieselben Ergebnisdokumente und sind daher hier zusammengefasst. Vgl. National Bank of Abu Dhabi in der Fallstudie B-Source in Kapitel 4.3 als Beispiel einer ausländischen Startup-Bank als Kunde eines Schweizer IT- und Backoffice Providers.
6.3 Ergebnisse und Einsatzbereiche des BNR-Vorgehens
205
Banque Cantonale Vaudoise. Das BNR-Vorgehen ist in diesem Fall verkürzt, da die Dokumentation (Aktivitätenbündel 2.1) und die Bewertung des Status quo (Aktivitäten 2.2.4, 3.3.2 und 3.3.4) entfallen. Evaluation des Ist-Zustands ohne Ausschreibung: Zur Überprüfung des Geschäftsmodells und der Zukunftsfähigkeit von Prozessen und Systemen ist das BNR-Vorgehen auch für eine interne Evaluation anwendbar. In diesem Fall sind nur die Phasen 1 und 2 sowie aus dem Aktivitätenbündel 3.3 die Aktivitäten 3.3.1, 3.3.2 und 3.3.6 zu durchlaufen. Falls im Zuge des Projektes internes Optimierungspotenzial identifiziert und umgesetzt werden soll, sind alle Phasen des Vorgehensmodells relevant, wobei anstelle der Konzeption von externen Netzwerk-Konstellationen in den Aktivitätenbündeln 3.1 und 3.2 der Entwurf von Optimierungsalternativen steht. Das Vorgehen für die Gegenüberstellung der Alternativen inklusive der Betrachtung der Transformation ist auch für interne Projekte anwendbar. Teilnahme an einer Benchmarking-Untersuchung (vgl. [Legner 1999]): Dies ist eine Variante der zuvor beschriebenen Evaluation der Situation des eigenen Unternehmens mit einem gleichzeitigen Vergleich mit Mitbewerbern. In diesem Fall übernimmt ein externer Evaluationspartner (z.B. Swiss Benchmarking für Schweizer Banken und Provider) das Schaffen fachlicher Grundlagen (Aktivitätenbündel 1.1) sowie die Definition des Zielsystems im Aktivitätenbündel 1.2. Das eigene Unternehmen stellt auf Basis einer Beschreibung der Ist-Situation im Aktivitätenbündel 2.1 die Daten für die Bewertung des Status quo bereit. Auch die Bewertung und Gegenüberstellung der teilnehmenden Institute übernimmt der externe Partner und spielt dann allen Unternehmen ihre Resultate und die Position im anonymisierten Vergleich zurück. Die Phasen 4 und 5 entfallen ebenso wie die phasenübergreifenden Massnahmen. Die Aktivitäten der Aktivitätenbündel 2.2 und 2.3 kann das Unternehmen auf Basis der Ergebnisse der Benchmarking Untersuchung zum Abschluss der internen Evaluation durchführen. Austausch eines Netzwerk-Partners in einem etablierten Netzwerk: Ein aktuell in der Schweiz häufiges Beispiel ist der Austausch der Bankplattform, z.B. die Ablösung des Systems BOSS durch Avaloq bei B-Source oder von Ibis durch Finnova bei der BKB. Die Alternativen für den auszutauschenden Netzwerk-Partner bzw. dessen Leistungen sind zunächst im Aktivitätenbündel 3.1 (im Rahmen einer Leistungsanfrage) anhand des Anforderungsprofils aus Aktivitätenbündel 2.2 zu erheben, im Aktivitätenbündel 3.2 mit einer Ausschreibung zu verfeinern und dann im Aktivitätenbündel 3.3 in Relation zum Status quo zu beurteilen. Die einzige Vereinfachung im Vergleich zu dem in Kapitel 6.2 beschriebenen BNR-Vorgehen ist das optionale
206
6 Vorgehen zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken
Weglassen der Definition einer Sollposition im Netzwerk (Aktivitätenbündel 2.3) und die Identifikation von Handlungsfeldern (Aktivitätenbündel 2.2267). Unterschiede bei der Evaluation von bestehenden Netzwerk-Partnern: Falls im Zuge eines BNR-Vorhabens bestehende Kooperationspartner dazu aufgefordert werden bzw. von sich aus ankündigen, die bisherige Zusammenarbeit zu verändern, stellt sich die Frage, wie diese Handlungsalternative im BNR-Vorhaben zu berücksichtigen ist. Für die Vergleichbarkeit der Netzwerk-Konstellationen sollte eine solche Alternative auch die Aktivitätenbündel 3.1 und 3.2 durchlaufen. Zudem wird damit erreicht, dass unpassende Angebote bestehender Kooperationspartner ebenfalls in einer frühen Phase ausgeschieden und nicht im Detail analysiert werden. In diesem Fall sollte dem bestehenden Kooperationspartner i.d.R. die Möglichkeit eingeräumt werden, sein Angebot nochmals zu überarbeiten. Falls keine Veränderung der bestehenden Partnerschaft absehbar268 ist, reicht die Beurteilung des Status quo im Rahmen von Aktivitätenbündel 2.1 aus für die Berücksichtigung des / der bestehenden Netzwerk-Partner/s. 6.4 Zwischenfazit Zum Ablauf des BNR-Vorgehens. Das Abwägen von Handlungsalternativen zur Neugestaltung des Unternehmensnetzwerks bzw. die anschliessende Auswahlentscheidung ist ein vielschichtiges Entscheidungsproblem, auf das sich Unternehmen schrittweise vorbereiten sollten: Das Fehlen einer gemeinsamen semantischen Basis erschwert die Identifikation der bestmöglichen Lösung ebenso wie eine unvollständige und / oder nicht strategiekonforme Auswahl von Beurteilungskriterien. Die Erarbeitung dieser Grundlagen für ein BNR-Projekt sind Inhalt der ersten Phase des Vorgehensmodells. Bevor sich das Unternehmen im Detail mit möglichen NetzwerkPartnern auseinandersetzt269, sollte es den Status quo und dessen Verbesserungspotenziale kennen, den Bedarf bzw. die Motivation zur Veränderung formulieren sowie eine Vorstellung der künftigen Ziel-Position in der betrachteten Wertschöpfungskette haben. Diese Überlegungen aus Phase 2 fliessen in den zweistufigen Evaluationsprozess für potenzielle Netzwerk-Partner in Phase 3 ein. Als Ergebnis der Ausschreibung sind mögliche Netzwerk-Konstellationen mit den Unternehmen in der engeren Wahl auf den BE-Ebenen zu detaillieren. Bei der anschliessenden Bewertung sind analog zum Bewertungsmodell aus Kapitel 5 qualitative270 und quantitative Elemente zu berücksichtigen. Am Ende von Phase 3 muss das Projektteam über die nächsten Schritte im BNR-Projekt entscheiden (entweder Umsetzung einer Handlungsalternative, Wiederholung der Ausschreibung oder Projektabbruch).
267 268 269 270
Die Aktivitäten 2.2.2 und 2.2.3 sind in jedem Fall auszuführen, da die Ergebnisse (K.O.-Kriterien und Anforderungsprofil) für die nachfolgenden Aktivitäten erforderlich sind. Zu beachten sind auch absehbare Entwicklungen, die u.a. in Gesprächen mit dem Key Account Manager zu erfragen sind, wie z.B. eine Veränderung der Leistungspalette oder das Auftreten von sprungfixen Kosten. Die groben Vernetzungsoptionen in der betrachteten Wertschöpfungskette werden bereits im Aktivitätenbündel 1.1 analysiert, potenzielle Netzwerk-Partner werden jedoch erst in Phase 3 im Detail beleuchtet. Bewertung von Potenzial- und Risikokriterien sowie von Netzwerk-Zustand und Netzwerk-Transformation.
6.4 Zwischenfazit
207
Zum Aufbau des BNR-Vorgehens. Die Konzeption des Vorgehens ist u.a. darauf ausgerichtet, die in Kapitel 2.3.2 definierten Anforderungen an ein BNR-Vorgehen zu erfüllen. Tabelle 6-5 beinhaltet beispielhafte Massnahmen wie diese Anforderungen im Modell berücksichtigt werden. Anforderung (vgl. Kapitel 2.3.2)
Berücksichtigung der Anforderung
Integrierte Betrachtung der Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme ergänzt um Politik und Transformation
Explizite Verwendung der BE-Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme in den Aktivitätenbündeln 1.1, 2.1, 3.2 sowie in der Struktur der Bewertungskriterien (definiert im Aktivitätenbündel 1.2, verwendet in den Aktivitätenbündeln 2.2, 2.3, 3.1, 3.3).
Abgestimmte Aktivitäten und Ergebnisdokumente zur Gestaltung und Bewertung
Die Sequenz der Aktivitäten beinhaltet ein Wechselspiel von Gestaltung (z.B. Soll-Position, Gestaltungsoptionen) und Bewertung (z.B. Anforderungsprofil, K.O.-Kriterien, Vorauswahl) im Sinne einer schrittweisen Einschränkung der Handlungsalternativen für den Entscheid bzgl. weiterer Schritte in Aktivität 3.3.6.
Einbeziehen von qualitativen und quantitativen Bewertungskriterien
Vgl. die Aktivitäten im Aktivitätenbündel 1.2 und die Ausführungen zum Bewertungsmodell in Kapitel 5.2.3.
Berücksichtigung eines Branchenund Prozessfokus
Das Vorgehen basiert auf Referenzmodellen zum jeweiligen Anwendungskontext, die im Rahmen von Aktivitätenbündel 1.1 „Analyse der Wertschöpfungskette“ zu erarbeiten und in nachfolgende Aktivitäten (z.B. Referenznetzwerk in den Aktivitäten 2.1.1. und 2.3.2) einzubinden sind.
Zeitraum- anstelle von Zeitpunktbetrachtung
Sowohl der Status quo als auch die alternativen NetzwerkKonstellationen für ein BNR sind qualitativ und quantitativ mit einem prospektiven Betrachtungshorizont von i.d.R. 3-5 Jahren zu analysieren.
Berücksichtigung von mehreren Handlungsalternativen
Das Vorgehen ist explizit darauf ausgelegt, mehrere Handlungsalternativen zu berücksichtigen. Das in Kapitel 5.2 beschriebene Bewertungsmodell beinhaltet auch ein Vorgehen zur Gegenüberstellung von mehreren Alternativen. Zudem betrachtet das Modell neben den BNR-Alternativen den Status quo (auch als Bezugspunkt zur Relativierung von Bewertungsergebnissen) sowie den Soll-Zustand (via Anforderungsprofil). Für jede Handlungsalternative ist auch die Transformation zu betrachten.
Das Vorgehen ist flexibel auf unterschiedliche Fragestellungen anpassModularer Aufbau zur Gewährleistung bar. Dies zeigen die alternativen Anwendungsmöglichkeiten in Kapitel einer flexiblen Anwendbarkeit des 6.4. Vor allem Aktivitäten von Phase 1 können bei gleichwertigen VorleisModells tungen entfallen.
Tabelle 6-5: Berücksichtigung der Anforderungen an ein BNR-Vorgehen Die Praxistauglichkeit als weiteres wesentliches Ziel des BNR-Vorgehens wurde im Dialog mit den Partnerunternehmen des CC Sourcing sowie im Zuge der Diskussion des Anwendungsbeispiels Anlagegeschäft geprüft. So war das Thema des sechsten und achten Workshops von CC Sourcing 1 im November 2005 bzw. im Mai 2006 jeweils die integrierte Gestaltung und Bewertung von Sourcing-Modellen. Das Vorgehensmodell basiert auf der Nutzung von Referenzmodellen. Das Referenznetzwerk als bankfachliches Ergebnis kann z.B. nicht nur für Banken, sondern für alle Netzwerk-Teilnehmer als Basis dienen, ihre aktuelle Position im Netzwerk zu analysieren und Alternativen abzuwägen. Die vorliegende Version des Vorgehensmodells berücksichtigt nur generische Referenzmodelle in frühen Phasen, eine mögliche Weiterentwicklung ist die Erstellung von banktypspezifischen Referenzmodellen über alle drei BE-Ebenen und deren Einbindung in die Konzeption und Bewertung realer Netzwerk-Konstellation in Phase 3. Die Verwendung solcher Vorlagen könnte dazu beitragen, den Aufwand bei der Gestaltung und Bewertung weiter zu senken.
7.1 Ergebnisse der Arbeit
209
7 Fazit und Ausblick [Betsch 2005, 11] zur Zukunft der Finanzindustrie: „Ein grosser Teil der Wertschöpfung muss künftig im Wettbewerb auf Märkten stattfinden. … Die Wertschöpfung muss in hohem Masse darauf beruhen, dass hierfür die richtigen Netzwerke generiert und betrieben werden.“
7.1 Ergebnisse der Arbeit Banken senken zunehmend ihre Leistungstiefe und spezialisieren sich auf ihre individuellen Kernkompetenzen271. Dies bedingt – bei einer stabilen oder wachsenden Dienstleistungspalette – eine verstärkte zwischenbetriebliche Vernetzung, für deren Gestaltung und Umsetzung es (noch) einer entsprechenden methodischen Unterstützung, z.B. in Form von Referenzmodellen zu Vernetzungsoptionen und einem strukturierten Vorgehen bei der Neugestaltung eines Unternehmensnetzwerks (Business Netzwork Redesign, BNR), bedarf. Hier setzt die vorliegende Arbeit an: Die Hauptergebnisse sind eine Aufarbeitung des Status der Vernetzung und deren Potenziale für das Beispiel Anlagegeschäft sowie ein abgestimmtes Vorgehens- und Bewertungsmodell für BNR272. Der bankfachliche Teil erfüllt nicht nur den Zweck, Grundlagen und Referenzmodelle zur Vernetzung in einem konkreten Bankprozess zu schaffen, sondern die Resultate bzw. die Schritte zu deren Erarbeitung entsprechen auch beispielhaften Vorleistungen und Ergebnisdokumenten bzw. Aktivitäten des Vorgehensmodells. Im Sinne der Verständlichkeit, Anwendbarkeit und Validierung der Ergebnisse betrachtet die Arbeit das Anlagegeschäft als durchgängiges Anwendungsbeispiel. Die Forschungsmethodik (mit den Bausteinen Design Science, Action Research und Fallstudienforschung), der Modellierungsansatz Business Engineering als Forschungsrahmen und ausgewählte Grundlagen zur zwischenbetrieblichen Vernetzung bilden das theoretische Fundament für die Erarbeitung der Ergebnisse. Darauf aufbauend begründet die Arbeit die Wahl des Anwendungsbeispiels, erläutert für diesen Fachbereich Grundlagen (u.a. Institutionen, Marktinfrastruktur und IS/IT-Standards) sowie spezifische Motive zur Vernetzung und entwickelt einen Referenzprozess als semantische Basis. Für die Diskussion von generischen und unternehmensbezogenen Vernetzungsmodellen leitet die Arbeit aus diesem Prozess ein Referenznetzwerk ab, das die wesentlichen Rollen im Anlagegeschäft und deren Verbindungen beinhaltet. Den Stand der Vernetzung in der betrieblichen Praxis und Entwicklungsperspektiven im Anlagegeschäft beschreiben v.a. sechs kurze Fallbeispiele und vier ausführliche Fallstudien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die o.a. Referenzmodelle für das Netzwerk und den Prozess werden für diese Praxisbeispiele bereits angewendet. Anhand des Referenznetzwerks werden nachfolgend aus den Fallstudien sechs Gestaltungsoptionen für das Anlagegeschäft abgeleitet und auf den Ebenen Strategie, Prozes271
272
Viele Banken sehen ihre künftigen Kernkompetenzen v.a. im Vertrieb und der Beratung sowie in Leistungen wie Produktentwicklung und Portfolio Management (vgl. Kapitel 3.1.2). Das Backoffice und den Betrieb der Informationssysteme erachten weniger als ein Viertel der Banken als künftige Kernkompetenz. Die beiden Ergebnisse Bewertungsmodell und Vorgehensmodell werden zwar am Beispiel Anlagegeschäft entwickelt und beschrieben, sind aber ebenso für andere Bankprozesse und Fachbereiche nutzbar.
210
7 Fazit und Ausblick
se und Systeme erläutert. Diese Modelle decken die Schritte des Referenzprozesses mit Ausnahme der Vertriebstätigkeiten vollständig ab und sind als Grundlage für die Entwicklung von unternehmensspezifischen Netzwerk-Konstellationen geeignet. Zur Gegenüberstellung und Auswahl alternativer Netzwerk-Konstellationen kann das im Rahmen der Arbeit entwickelte mehrdimensionale Bewertungsmodell zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken genutzt werden. Es basiert auf einem Vergleich bestehender Ansätze anhand eines Anforderungskatalogs (vgl. Tabelle 5–2) und enthält sowohl einen qualitativen Teil für die Bewertung von Potenzial- und Risikokriterien als auch einen quantitativen Teil zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Netzwerk-Konstellationen. Das am Beispiel Anlagegeschäft entwickelte Bewertungsmodell ist allgemein für BNR-Vorhaben einsetzbar und kann sowohl für die Analyse von Netzwerk-Zuständen als auch von Transformationsvorhaben genutzt werden. Das abschliessend präsentierte referenzmodellbasierte Vorgehensmodell zur Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken bildet eine Klammer über die Ergebnisse der Arbeit. Es ist mit dem Bewertungsmodell abgestimmt und deckt die Schritte von der Idee bzw. von der Formulierung des Bedarfs zu einer Neugestaltung bis zur Evaluierung der im Zuge des Vorgehens ermittelten BNR-Handlungsalternativen und dem Entscheid über nächste Schritte ab. Das Modell gibt keine starre Schrittfolge vor, die bewusst kontextunabhängig / allgemeingültig konzipierten Aktivitäten können relativ flexibel an die jeweilige Anwendungssituation ausgerichtet werden. Die Arbeit zeigt dies anhand von Beispielen (z.B. interne Evaluation, Benchmarking, Wechsel eines Netzwerk-Partners). Das Vorgehen ist nicht per se fachspezifisch, sondern durch die situative Einbindung von Referenzmodellen an den Anwendungskontext anpassbar. 7.2 Kritische Würdigung und weiterer Forschungsbedarf Die zwischenbetriebliche Vernetzung ist kein neues Forschungsthema (vgl. [Provan et al. 2007] zur Vielzahl und Heterogenität von Netzwerk-Beiträgen), Kooperationen in der Finanzindustrie ebenso wenig. Das Bankgeschäft basiert zu einem wesentlichen Teil auf zwischenbetrieblichem Informationsaustausch, z.B. im Wertpapier-Handel oder im Zahlungsverkehr. Neben den Interbankenbeziehungen, die heute noch als Charakteristikum des Bankgeschäfts gelten (z.B. Börsenmitgliedschaft als Reputationsfaktor einer Bank), haben zwischenbetriebliche Kooperationen bis vor wenigen Jahren v.a. die Erschliessung neuer (und innovativer) Geschäftsfelder (z.B. Produktentwickler, neue Vertriebswege) und Commodity-Dienstleistungen wie IT-Betrieb, Personalwesen oder Beschaffung betroffen. Selten waren jedoch Prozesse im Fokus, welche die Banken bisher zu ihrem Kerngeschäft gezählt haben. Als Folge des Wandels der Geschäftsmodelle bei vielen Banken, ist nun u.a. die Rede von einer Revolution der Wertschöpfung (vgl. z.B. [Ewig 2006]) und einer Abnahme der Leistungstiefe bei Schweizer Banken von 15-18% (vgl. [Hamprecht et al. 2004, 16]) von 2005 bis 2010. Der aktuelle Diskurs behandelt keine isolierten / marginalen Anpassungen, sondern signifikante Veränderungen der Bank-Wertschöpfungskette, wie dies z.B. bei einer Realisierung von Gestaltungsoption 5 (vgl. Kapitel 5.1 bzw. die
7.2 Kritische Würdigung und weiterer Forschungsbedarf
211
Kooperation Vontobel – Raiffeisen) der Fall ist. Nicht zuletzt das Fehlen von langfristig erprobten Beispielen, viele versandete Konzepte und kaum vorhandene Transformationserfahrung für BNR-Projekte erzeugen Unsicherheit bei den Stakeholdern und begründen den o.a. Bedarf an methodischer Unterstützung. Die Arbeit soll Unternehmen, die ihre Unternehmensarchitektur neu gestalten wollen, v.a. bei der Beantwortung folgender Fragen eine Hilfestellung bieten: „Welche Handlungsalternativen bestehen im jeweiligen Fachbereich bzw. aus welchen Quellen sind diese in welchen Schritten ableitbar?“, „Anhand welcher Aspekte können BNR-Vorhaben beurteilt werden bzw. wie ist bei dieser Bewertung vorzugehen?“ und „Welche Aktivitäten sind bei der Vorbereitung der Transformation zur bevorzugten Handlungsalternative zu berücksichtigen?“ Ein Mehrwert der Arbeit ist, dass trotz der betonten Praxisnähe durch das durchgängige Anwendungsbeispiel wesentliche Ergebnisse (Bewertungs- und Vorgehensmodell) unabhängig vom Anwendungskontext nutzbar sind. Gleichwohl sind die fachspezifischen Ergebnisse für die Diskussion konkreter Vernetzungsoptionen im Anlagegeschäft als Bezugspunkt und Konstruktionshilfe unmittelbar einsetzbar. Die Ergebnisse der Arbeit können bei einer Anwendung für das Anlagegeschäft integriert verwendet werden, sind jedoch alle auch einzeln nutzbar.273 Der Mehrwert der Einbindung von Referenzmodellen wie dem Netzwerk aus Kapitel 3.3.1 besteht u.a. in der Qualitätssicherung durch die Verwendung von in der Literatur und Praxis abgestützten Modellen sowie in der Beschleunigung274 des Vorgehens. Die wissenschaftliche Literatur zu Sourcing ist überwiegend entweder technisch (aufgrund der bisherigen Dominanz von IT-Outsourcing Vorhaben) oder strategisch geprägt. Die vorliegende Arbeit ist darauf ausgerichtet, diese beiden Sichten über die Prozessorientierung zu verbinden. Die Vernetzung in der Finanzindustrie steht Studien zufolge erst am Anfang. Um die Unternehmen bei dieser Transformation ihrer Wertschöpfungskette umfassend unterstützen zu können, besteht noch Forschungsbedarf. Die nachfolgende Aufzählung nennt daraus ausgewählte Punkte, die direkt an die Fragestellung bzw. die Ergebnisse dieser Arbeit anschliessen: Transfer auf weitere Bankprozesse und Prozesse anderer Branchen: Das Bewertungs- und das Vorgehensmodell wurden in Abstimmung mit Unternehmen aus der Finanzindustrie jedoch mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit entwickelt. Ihre Anwendung auf andere (branchenfremde) BNR-Vorhaben hat folgenden Mehrwert: Prüfen der Übertragbarkeit der Ergebnisse. Erarbeiten von Referenzmodellen als Grundlage für BNR-Projekte. 273
274
Etwaige Ausnahme bei kritischer Betrachtung: Der logische Aufbau des Bewertungsmodells ist im Vorgehensmodell implizit integriert, bei der Wahl der qualitativen und quantitativen Kriterien steht es dem Anwender jedoch frei, auf die Vorleistungen aus dem Bewertungsmodell zu verzichten bzw. diese anzupassen. Die Ergebnisse Referenzprozess, Referenznetzwerk und Gestaltungsoptionen haben im Vorgehensmodell die Funktion von Entwurfsmustern („Design Patterns“, vgl. [Fowler 1999]) oder sogar Halbfabrikaten.
212
7 Fazit und Ausblick
Detaillierung der Phasen Umsetzung, Einführung und Betrieb: Das Vorgehensmodell in Kapitel 6 detailliert die BNR-Aktivitäten bis zum Entscheid über die entwickelten Handlungsalternativen im Netzwerk am Ende von Phase 3. Die nachgelagerten Phasen sind nicht im Fokus, die Arbeit umfasst dazu nur wesentliche kritische Erfolgsfaktoren. Eine Detaillierung dieser Phasen und der damit verbundenen Aspekte wie z.B. Know-how-Transfer, Governance-Struktur und SLAErstellung bietet Ansatzpunkte für weitere Forschung. Eine mögliche Grundlage für die Realisierung und Einführung von BNR-Vorhaben sind Implementierungsmethoden für Bankenplattformen. Steuerung von Netzwerken in der Finanzindustrie: Die Arbeit behandelt vorrangig die effektive Neugestaltung von Unternehmensnetzwerken und die damit verbundene Konzeption und Bewertung von Handlungsalternativen zur Vernetzung. Sie blendet den Betrieb und die Steuerung der dabei entstehenden NetzwerkKonstellationen weitgehend aus. Aspekte der Netzwerk-Steuerung beschreiben u.a. [Hess 2002; Laupper 2005; Sydow 2006]. Neben Steuerungsprozessen sind hierbei auch Fragen zu geeigneten Organisationsformen (z.B. Steuerungsgremien, organisatorische Einbindung von Schnittstellen-/Koordinationsfunktionen) wesentlich. Diskussion geeigneter Gestaltungsinstrumente für BNR: Die Arbeit konzentriert sich auf das Vorgehen bei und die Bewertung von BNR-Vorhaben und verwendet für die Netzwerk-Darstellung (z.B. Geschäfts- und Referenznetzwerk) die im CC Sourcing adaptierten und bewährten Instrumente aus dem BE-HSG (z.B. Gestaltungsmodell für überbetriebliche Prozesse in [Alt 2004, 122]). Sie gibt weder Empfehlungen für einen Gestaltungsansatz noch formuliert sie – mit Ausnahme der Multiperspektivität der Modellierung gemäss BE (vgl. Kapitel 2.1.1) – Anforderungen an BNR-gerechte Gestaltungsinstrumente. Forschungspotenzial besteht folglich in einer Analyse bestehender Ansätze und einem Vorschlag zu Gestaltungsinstrumenten und Techniken für BNR. Dieses Gestaltungsmodell und die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wären auch voneinander unabhängig275 nutzbar. Serviceorientierte Architekturen und Standards als ein Wegbereiter von BNR: Analog zu anderen Branchen stehen serviceorientierte Architekturen (SoA, vgl. [Heutschi 2006]) auf der Agenda vieler Banken weit oben, da sie sich von diesem Konzept u.a. höhere Agilität und Flexibilität der Systemarchitektur erhoffen. Im Zusammenhang mit BNR ist als eine Erweiterung der bankfachlichen Ergebnisse der Arbeit interessant, die Möglichkeiten zur systemtechnischen Unterstützung der o.a. Gestaltungsoptionen zu untersuchen und dabei als eine Variante die Umsetzung als SoA zu berücksichtigen. Dies sollte Informationen zu Gestaltung, Komplexität und Aufwand der Realisierung der Netzwerk-Konstellationen ergeben und gleichzeitig die Potenziale einer SoA im Vergleich zu Alternativansätzen aufzeigen. Für zwischenbetriebliche Vernetzung spielen Standards eine zentrale Rolle. Im Interbankenbereich sind die wesentlichen Schnittstellen bereits standardisiert 275
Die Abstraktion von spezifischen Darstellungsformen im Rahmen des Vorgehens- und Bewertungsmodell erlaubt deren Einsatz unabhängig von im jeweiligen Unternehmen etablierten Gestaltungswerkzeugen.
7.3 Ausblick - Vernetzung in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft
213
(vgl. Abbildung 3–12). Eine Untersuchung bzw. ein Vorschlag zu (möglichen) Standards an der Schnittstelle von Vertriebsbank und Abwickler (z.B. Kundendaten, Gebührenmodelle) könnte die Vernetzung in diesem Bereich erleichtern. 7.3 Ausblick - Vernetzung in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft Das letzte Teilkapitel trägt bewusst denselben Titel wie die Arbeit. Auch wenn viele Ergebnisse den Anspruch haben auf andere Bankprozesse und Branchen übertragbar zu sein, behandelt der Ausblick die Sicht des Autors auf die Vernetzung aus Sicht des Beispiels Anlagegeschäft, das der Arbeit als roter Faden zugrunde liegt. Die Aspekte sind grossteils nicht spezifisch für diesen Fachbereich, ihre Erklärung anhand von Verweisen auf die zahlreichen Beispiele in den vorigen Kapiteln soll aber zur Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Überlegungen beitragen. Aufbrechen der Wertschöpfungskette Der Trend zur Spezialisierung auf einzelne Bereiche der Wertschöpfungskette wird anhalten. Dazu beitragen werden nicht nur volkswirtschaftliche Entwicklungen wie z.B. die Einbussen als Folge der schlechten Markt- und Konjunkturentwicklung im Winter und Frühjahr 2008, sondern auch die verstärkte Konkurrenzsituation276 und die steigenden Aufwände zur Erfüllung gesetzlicher Auflagen, die für kleinere und mittlere Banken finanziell und organisatorisch nur schwer ohne Netzwerk-Partner abzudecken sind.277 Bezogen auf die Gestaltungsoptionen für das Anlagegeschäft (vgl. Kapitel 5.1) ist in den nächsten Jahren v.a. eine verstärkte Umsetzung von Option 1 WertpapierAbwickler und Option 2 Streetside Provider wahrscheinlich. Die Kopplung dieser beiden Optionen im Sinne einer Transaktionsbank (vgl. Option 4) ist davon abhängig, ob die Anbieter den Interessenten die Bedenken vor einer Konkurrenzierung nehmen können. Während auf der Streetside die Transaktionskosten als Wegbereiter für die Veränderung von Marktstrukturen (vgl. Kapitel 2.2.5) aufgrund standardisierter Schnittstellen und hoher Automationsraten bereits relativ tief sind, könnte im Backoffice die Verbreitung von Standardsoftware bei Bankenplattformen (vgl. Kapitel 3.1.3) ein Wegbereiter für eine stärkere Vernetzung sein. Ein Beispiel für die erfolgreiche Konsolidierung von Software-Plattformen zur Nutzung von Synergien ist die dwpbank (vgl. Kapitel 4.5.2). Für den Backoffice und Handelsbereich besteht nach [Zwahlen 2006] ein potenzieller Markt von CHF 1,2 bis 5,5 Mrd. für bis zu fünf 278 Transaktionsbanken. Ein Hemmnis der Vernetzung sind die geringe Auswahl an möglichen Partnern, deren schwere Vergleichbarkeit aufgrund des oft unterschiedlichen Begriffsverständnisses sowie deren teilweise fehlende Unabhängigkeit. Die Zurückhaltung der Banken bez. einer Auslagerung von Backoffice- und Handelstätigkeiten ist ohnehin gross, die Vergabe an eine (partielle) Tochter eines Konkurrenten verstärkt sie noch.
276 277 278
Die Wettbewerbssituation verschärft sich nicht nur im Interbankenbereich (vgl. Kapitel 3.3.4), sondern auch bei der Kundenberatung (vgl. [Koye 2005]). Neben der Spezialisierung wird nach [Geiger 2006] auch die Konsolidierung in der Finanzindustrie anhalten. Diese Zahl nennt auch der Studienbericht zum Thema Banken im Jahr 2010 von [Hamprecht et al. 2004, 18].
214
7 Fazit und Ausblick
Ein wesentlicher Aspekt im Anlagegeschäft wird künftig auch die Anbindung von grossen institutionellen Kunden an die Streetside. So hält es z.B. [Geiger 2006] für möglich, dass sich bis 2016 in der Schweiz sechs Transaktionsbanken etablieren, von denen vier vorwiegend für grosse Bankkunden und zwei für Banken arbeiten. Emanzipation der Lieferanten und Industrialisierung der Bankennetzwerke Viele der heute in der Schweiz tätigen BPO-Provider sind in Folge einer Ausgründung von Unternehmensbereichen von einer oder mehreren Banken entstanden und sind heute (noch) mehrheitlich im Besitz einzelner Mandanten. Dem Vorteil eines dadurch in der Regel starken finanziellen Hintergrunds steht der Nachteil der Abhängigkeit in der Entscheidungsfindung (vgl. „Management Schizophrenie“ in Kapitel 6.2.5.1) aufgrund komplexer Governance-Strukturen entgegen. Eine Loslösung der Provider aus der Abhängigkeit einzelner Kunden könnte zudem dazu beitragen, dass die Zahl der vom Provider abgebildeten Prozessspezifika einzelner Mandanten abnimmt und der Standardisierungsgrad der Leistungen zunimmt. Die Emanzipation der Provider könnte somit ein Schritt zur oft zitierten279 Industrialisierung des Bankgeschäfts sein. Trotz Parallelen auf den ersten Blick280ist der Bankbetrieb als vorrangig informationsbasierter Dienstleister und Risikomanager nicht unmittelbar mit einer industriellen Produktion vergleichbar (z.B. Erstellung physischer Produkte, Lagerhaltung, Serienfertigung). Das Schlagwort der Industrialisierung der Finanzindustrie ist eher als Transfer von erprobten Konzepten zu verstehen. Im Zusammenhang mit BNR sind mögliche Ansätze die Einführung von Workflow-Systemen und Konzepten wie Six Sigma in der Backoffice-Verarbeitung sowie die Konzeption und Verwendung von Standard-SLAs. Im Anlagegeschäft besteht z.B. Potenzial in der Zentralisierung der Valorenpflege sowie in der Harmonisierung und Standardisierung der Depotstellen (Custody-Netzwerk). Diese Massnahmen tragen zur Kosteneffizienz als oberstem Ziel der Banken bei. Als Konsequenz der weitgehenden Standardisierung der Backoffice Prozesse, der Auslagerung der Streetside sowie der Verbreitung weniger Standardsoftware-Bankenplattformen müssen sich Banken künftig die Frage stellen, worin ihr effektives Differenzierungspotenzial gegenüber Mitbewerbern liegt. Globalisierung – Attraktivität von Offshoring und Nearshoring Im Zusammenhang mit Vernetzung fallen oft die Begriffe Globalisierung und Offshoring als Synonyme für die Auslagerung von i.d.R. weitgehend standardisierten Leistungen in Länder auf einem anderen Kontinent mit meist tieferem Lohnkosten- und / oder Produktionskostenniveau. Offshoring ist kein neues Phänomen, [O'Connell/Benson 1963] haben sich bereits vor 45 Jahren Gedanken zum Thema ’Sourcing’ Abroad for Domestic Profit gemacht. Ihre grundlegenden Überlegungen gelten nach wie vor, nur die Offshoring-Destinationen der USA waren damals mit der 279 280
Häufig verwendet wird z.B. der Vergleich, dass Banken (aufgrund ihrer hohen Leistungstiefe), wenn sie Autos bauen würden, noch die Rinder für die Sitze selbst züchten müssten. Vgl. [Beitel et al. 2005, 814] für eine Gegenüberstellung der Produktionslogik von produzierender Industrie und Banken. Analog zu Montagebändern in der Automobilindustrie verfügen Banken mit Bankensoftware über Produktionssysteme, die indirekt zur Wertschöpfung beitragen und stetig weiterzuentwickeln sind.
7.3 Ausblick - Vernetzung in der Finanzindustrie am Beispiel Anlagegeschäft
215
Schweiz, Deutschland oder Japan andere als heute und die Ziele haben sich noch stärker Richtung Kosteneffizienz281 verschoben. Auch wenn europäische Banken im Allgemeinen und Schweizer Banken im Speziellen bei Geschäftsprozessen bisher kaum Gebrauch von einer Auslagerung ins Ausland gemacht haben, zeichnet sich weltweit eine Verstärkung dieses Trends ab. Das bestätigt auch das folgende Zitat: „The unique nature of wealth management, and the importance of banking secrecy and client confidentiality limits, it is claimed by many, limit the use of ‘offshoring’ and Shared Service Centres (SSCs), particularly in the front office. Only one-third of wealth managers have organised parts of their back offices in this way. Where they have, cost savings and concentration on core competencies are the main drivers with, interestingly, only client administration being consolidated in SSCs to improve service quality. We expect this to be a growing trend, particularly in larger organisations. This is supported by the fact that, with service quality paramount, 21% plan to ‘offshore’ back- or middle-office functions during the next three years, with the preferred locations cited as India, Eastern Europe and Singapore.“ [Weatherill et al. 2007, 27]
Der gemeinsame kulturelle und vor allem sprachliche Hintergrund begünstigt eine Kooperation mit Onshore- bzw. Nearshore-Partnern in Osteuropa. Die Lohnkostenarbitrage zu Westeuropa ist im Vergleich zu etablierten Offshoring Standorten wie Indien und China zwar geringer, dafür sprechen z.B. die deutlich tieferen Vertragsdurchsetzungskosten und das höhere Ausbildungsniveau für diese Standorte (vgl. [Meyer 2006]). Beispiele für Nearshoring sind die Kooperation von Julius Bär mit einem lettischen Software-Entwicklungsunternehmen, das tschechische Tochterunternehmen der Commerzbank für Teile der Zahlungsverkehr-Verarbeitung (Prüfen und Bearbeiten von beleghaften Zahlungsaufträgen) oder das 2007 gegründete Center of Excellence der Credit Suisse in Breslau, Polen. Bisher lagern Unternehmen v.a. einfache und / oder weitgehend standardisierte Prozesse ins Ausland aus. Mittelfristig werden diese Länder nicht zufrieden sein, als verlängerte Werkbank zu fungieren, sondern versuchen Teile der Wertschöpfung eigenverantwortlich zu erbringen (vgl. auch den o.a. Aspekt zur Emanzipation von Lieferanten). Im Anlagegeschäft gibt es mit Ausnahme der per se internationalen Interbanken-Geschäfte noch keine grenzüberschreitenden Kooperationen. Ein Hemmnis ist die stark länderspezifische Gesetzgebung. Schweiz als internationaler Standort für Transaction Banking Die Vision der B-Source, dass sich die Schweiz als Standort von Backoffice bzw. Fullservice Provider für internationale Privatbanken positionieren könnte, stellt eine Gegenströmung zur Offshoring/Nearshoring-Strömung dar. Dafür spricht das vorhandene Know-how, das Bankgeheimnis („Die internationale Gefährdung der Vertraulichkeit der Kundendaten führt dazu, dass die Outsourcing-Partner in der Schweiz arbeiten werden. Das Bankgeheimnis bleibt damit aktuell.“ [Geiger 2006]), die politische und wirtschaftliche Stabilität sowie die geringere Kostensensitivität von Privatbanken. Eine Umsetzung dieser Vision könnte auch das Problem der Provider lindern, in einem skalenbasierten Geschäft nur ein begrenztes Marktpotenzials innerhalb der Schweiz vorzufinden. 281
Nach einer Umfrage von [PriceWaterhouseCoopers 2005] unter rund 150 Entscheidungsträgern bei grossen Finanzdienstleistern ist das bei den Top-3 Zielen meistgenannte mit 79% die Kosteneffizienz, gefolgt von der Fokussierung auf Kernkompetenzen und Qualitätssteigerung mit je 34%.
Anhang A.1: Prinzipbild der Design Science im Kontext der Arbeit
Anhang A
217
Erläuterungen zu Konzepten
Anhang A.1 Prinzipbild der Design Science im Kontext der Arbeit Umgebung
Forschung
Partnerunternehmen im CC Sourcing
Entwickeln von Artefakten
Weitere Unternehmen aus der Finanzindustrie
• • • •
Anforderungen
Grundlagen
Fallstudienanalyse Literaturstudium Projektarbeit Desk Research
Überprüfen / Verfeinern
Marktstudien und Marktanalysen
Wissensbasis
Wissen und Erfahrungen
Beurteilen der Artefakte • • • •
Wissenschaftlicher Austausch (z.B. am IWI mit CC BN3)
Bezugsrahmen / Methodik
Workshops Experteninterviews Projektarbeit Related Work
Anwendung
• Unternehmensarchitekturen • Unternehmensnetzwerke (z.B. TCE, RBV) • Business Networking / Business Network Redesign • Sourcing in der Finanzindustrie
• Business Engineering • Fallstudienforschung • Design Science
Beitrag
Abkürzungen: BN – Business Network(ing) IWI – Institut für Wirtschaftsinformatik TCE – Transactions Cost Economics
CC – Competence Center NIÖ – Neue Institutionen Ökonomie RBV – Resource-based View
kein Anspruch auf Vollständigkeit
Abbildung A-1: Prinzipbild der Design Science im Kontext der Dissertation (in Anlehnung an [Hevner et al. 2004])
Anhang A.2 Elemente einer Methode Element
Beschreibung
Aktivität / Vorgehensmodell
Erzeugt definierte Ergebnis(dokument)e und kann in Sub-Aktivitäten zerlegt werden. Aktivitäten werden von Menschen oder Gremien in bestimmten Rollen wahrgenommen. Ein Vorgehensmodell besteht aus einer geordneten Reihe von Aktivitäten.
Rolle / Rollenmodell
Rollen spezifizieren die zur Zielerreichung einer Aktivität notwendigen Akteure. Ausschlaggebend sind beispielsweise die zu treffenden Entscheidungen und das zur Erstellung der Ergebnisdokumente nötige Fachwissen. Rollen verwenden Ergebnisse als Input und erzeugen oder modifizieren diese im Rahmen von Aktivitäten. Das Rollenmodell zeigt Zusammenhänge und Abhängigkeiten der Rollen sowie die von der jeweiligen Rolle wahrgenommenen Aktivitäten auf.
Ergebnisdokument
Ergebnisdokumente sind mit einer Modellierungstechnik erstellte Architekturelemente. Ein Ergebnisdokument zur Analyse einer Wertschöpfungskette ist beispielsweise das Referenznetzwerk.
Technik
Techniken sind Anleitungen dafür, wie ein Ergebnis(dokument) oder eine Gruppe logisch zusammenhängender Ergebnisse erzeugt werden. Es handelt sich demnach um konkrete operationalisierte Schritte zur Erarbeitung von Ergebnissen. Sie bedienen sich der dazu notwendigen Ergebnisdokumente.
Metamodell
Macht das Begriffssystem transparent, indem es die wesentlichen Gestaltungsobjekte im Methodenkontext aufzeigt und ihre Beziehungen zueinander erläutert.
Tabelle A-1: Bestandteile einer Methode nach [Gutzwiller 1994]
218
Anhang A: Erläuterungen zu Konzepten
Anhang A.3 Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung Grundsatz
Erläuterung
Richtigkeit
Dieser Grundsatz hat eine syntaktische und eine semantische Ausprägung. Syntaktisch richtig ist ein Modell, wenn es vollständig und konsistent gegenüber dem zugrundeliegenden Bezugsrahmen / Metamodell ist. Die semantische Richtigkeit betrifft die Strukturund Verhaltenstreue des Modells gegenüber dem abgebildeten Objektsystem. Ein Aspekt ist hier auch die Widerspruchsfreiheit.
Relevanz
Beurteilt die Zielsetzung, die ein Subjekt mit der Abbildung des Objektsystems in einem Modellsystem verfolgt.
Wirtschaftlichkeit
Dieser Grundsatz setzt der Modellierungsintensität eine obere Grenze, indem es die Modellierung der betriebswirtschaftlichen Maxime unterwirft. Fehlende Ansätze zur Messung von Modellierungskosten und -leistung erschweren die Anwendung dieses Grundsatzes.
Klarheit
Darunter wird die Strukturiertheit, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit eines Modells subsumiert. Dieser Grundsatz steht bei komplexen Objektsystemen in latentem Widerspruch zum Grundsatz der Richtigkeit, da eine vollständige Abbildung der Einfachheit des Modells entgegenwirkt.
Vergleichbarkeit
Syntaktische Vergleichbarkeit meint die formale Kompatibilität mit anderen Modellen, die semantische Vergleichbarkeit hingegen die inhaltliche Kompatibilität.
Systematischer Aufbau
Falls bei der Modellierung mehrere Sichten eingenommen werden, sind diese über ein sichtenübergreifendes Metamodell zu integrieren und die Teile der Sichten müssen stets auch im Kontext der anderen Sichten gesehen werden.
Tabelle A-2: Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung nach [Becker et al. 1995; Schütte 1998, 111 ff]
Anhang A.4: Elemente des Metamodells
219
Anhang A.4 Elemente des Metamodells Kapitel 2.2 präsentiert ein auf dem BE-HSG basierendes Metamodell als begrifflichen Rahmen der Arbeit. Die nachfolgenden Tabellen erläutern die Elemente des Modells auf den Ebenen Strategie (vgl. Tabelle A-3), Prozesse (vgl. Tabelle A-4) und Systeme (vgl. Tabelle A-5). Die Definitionen basieren auf der Arbeit von [Höning 2008] zur Core Business Engineering Methode. Element
Beschreibung
Geschäftsfeld
Geschäftsfelder unterteilen und konkretisieren die Marktbearbeitung des Unternehmens. Es handelt sich dabei um Produkt-Markt-Kombinationen, für die gezielte und überschneidungsfreie Strategien entwickelt werden [Müller-Stewens/Lechner 2005, 159f]. Im Business Engineering wird ein Geschäftsfeld anhand der Dimensionen (Eigen-)Marktleistung, Kundensegment und Kooperationskanal beschrieben [Österle/Blessing 2003, 72]. Geschäftspartner beschreibt jene Anspruchsgruppen, mit denen das Unternehmen im Zuge der Marktbearbeitung interagiert. Unternehmen tauschen mit den Geschäftspartnern Leistungen aus [Kagermann/Österle 2006, 171]. Der Kooperationskanal beschreibt die Art und Weise, in der das Unternehmen mit dem Kunden in Kontakt tritt und der Austausch der (Eigen-)Marktleistungen stattfindet. Ein Kunde bezeichnet eine Person oder Organisation, die Marktleistungen eines Unternehmens bezieht [Braun 2007, 104]. Der Kundenprozess ist der Ausgangspunkt der Unternehmensstrategie. Er umfasst die Aufgaben, die der Kunde bei seiner Problemlösung zu erledigen hat [Kagermann/Österle 2006, 20ff]. Ein Kundensegment ist die Aufteilung einer heterogenen Gesamtmenge von Kunden in disjunkte, homogene Mengen [Braun 2007, 105]. Lieferanten sind diejenige Anspruchsgruppe einer Unternehmung, welche die Inputs für die Geschäftsprozesse bereitstellen. Sie beeinflussen die Profitabilität einer Unternehmung massgeblich [Müller-Stewens/Lechner 2005, 89]. Im Business Engineering werden sämtliche Unternehmen als Lieferanten bezeichnet, die Leistungen zur Kundenprozessunterstützung beisteuern (also auch „nachgelagerte“ Unternehmen wie bspw. Logistiker, die den Transport der Ware zum Kunden organisieren). Der Markt beschreibt im Business Engineering die Unternehmensumwelt, zu welcher sich die Unternehmung in einem interdependenten Verhältnis befindet. Das Verständnis ist damit weitreichender als die oftmals rein transaktionsorientierte Interpretation, die den Markt als Ort des Zusammentreffens zwischen Angebot und Nachfrage definiert (vgl. u.a. [Samuelson 1961]). Die Gestaltbarkeit der Objekte aus dem Bereich „Markt“ durch das Unternehmen variiert in Abhängigkeit der Machtposition; sie ist jedenfalls gewissen Restriktionen unterworfen. Marktleistungen sind die von einem Geschäftsfeld angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Möglichkeiten zu einer Leistungsdifferenzierung liegen in den Zusatz- und Nebenleistungen einer (Eigen-)Marktleistung [Brenner 1995, 187]. Unter Fremd-Marktleistung versteht man sämtliche Leistungen, die Geschäftspartner (Lieferanten und Mitbewerber) erzeugen und welche für den Markt bestimmt sind. Fremd-Marktleistungen können als Input in die Leistungserstellung des betrachteten Unternehmens einfliessen [Kagermann/Österle 2006, 92]. Unter Mitbewerber ist die Gesamtheit der Unternehmen subsumiert, die sich mit ihrer Leistung um die Befriedigung homogener oder zumindest sehr ähnlicher Kundenbedürfnisse bewerben. Organisation ist nach [Schmidt 2002, 5] die „dauerhaft gültige Ordnung (Regelung) von zielorientierten sozio-technischen Systemen. Die Elemente Aufgaben, Aufgabenträger, Sachmittel und Informationen werden durch statische (aufbauorganisatorische) und dynamische (ablauforganisatorische) Beziehungen miteinander verbunden. Dabei werden auch die Dimensionen Zeit, Raum und Menge festgelegt. Als Standards werden im deutschen Sprachgebrauch häufig Spezifikationen bezeichnet, die sich bewährt und eine breite Anwendung auf dem Markt gefunden haben (vgl. [Wende 1997, 907]). Ein Unternehmen ist ein wirtschaftliches, zweckorientiertes, multifunktionales sowie soziotechnisches System [Dubs et al. 2004, 68f]. „In einem (strategischen) Unternehmensnetzwerk arbeiten mindestens drei rechtlich unabhängige und wirtschaftlich teils abhängige Netzwerkpartner unternehmensübergreifend auf gewissen Gebieten langfristig kooperativ in Wertschöpfungspartnerschaften zusammen und bringen dabei ihre jeweiligen Kernkompetenzen ergänzend ein.“ [Köhne 2006, 37]
Geschäftspartner Kooperationskanal Kunde Kundenprozess Kundensegment Lieferant / Provider
Markt
Marktleistung
Mitbewerber / Konkurrent Organisation
Standards Unternehmen Unternehmensnetzwerk
Tabelle A-3: Begriffsdefinitionen zum Metamodell auf Ebene Strategie
220
Anhang A: Erläuterungen zu Konzepten
Element
Beschreibung
Erfolgsfaktor
Das Konzept der Erfolgsfaktoren besagt, dass im Wesentlichen wenige Faktoren den Erfolg eines Unternehmens oder eines Prozesses ausmachen (vgl. [Rockart 1979, 85]). [Mende 1995, 37f] definiert sie als „few key areas where things must go right for the business to flourish“. Führung / Unter Führung / Zielsystem ist eine geordnete Gesamtheit von Kennzahlen zu verstehen, die Zielsystem in Beziehung zueinander stehen und so ganzheitlich über einen Sachverhalt informiert. Kennzahl / Eine Kennzahl / Führungsgrösse beschreibt in komprimierter Form einen messbaren, für die FührungsFührung eines Prozesses wichtigen Sachverhalt (vgl. [Weber 2004, 200f]). Sie grösse operationalisiert einen oder mehrere kritische Erfolgsfaktoren eines Prozesses und erlaubt so die Festlegung und Überprüfung von Zielen. Massnahme Eine Massnahme bezeichnet eine Tätigkeit zur Realisierung eines bestimmten Zieles (vgl. [Braun 2007, 105]). Für Massnahmen sind das Ergebnis, der oder die Verantwortliche(n) und der Endtermin zu bestimmen [Österle 1995, 58]. Ziel Das Ziel definiert ein bestimmtes Ergebnis, welches zukünftig erreicht werden soll (s. [Braun 2007, 108]). Zielwert Der Zielwert beschreibt die Soll-Grösse für eine Kennzahl / Führungsgrösse. AblaufDie Ablauforganisation unterteilt die Prozessaufgaben in einzelne Aktivitäten und legt fest, organisation „WANN“ (wann ist etwas zu tun?), „WER“ (wer ist für etwas verantwortlich?), „WIE“ (wie sieht der Ablauf der betrieblichen Aktivitäten aus?), „WO“ (wo ist etwas zu tun?) etwas durchzuführen ist und operationalisiert somit das in der Strategie definierte „WAS“ der Leistungserbringung (vgl. [Dubs et al. 2004, 94; Suter 2004, 33]). Aktivität Aktivitäten sind in sich geschlossene Verrichtungseinheiten im Arbeitsablauf. Sie fassen Arbeitsschritte zusammen, die der Benutzer im gleichen fachlichen und zeitlichen Zusammenhang anwendet und in einem Zug ausführt (vgl. [Morschheuser et al. 1996]). Aufgabe Eine Aufgabe formuliert ein klar definiertes Handlungsziel einer betrieblichen Tätigkeit, das von einem Aufgabenträger zu realisieren ist (vgl. [Bleicher 1991, 35]). Aufgabenträger kann ein Mensch und/oder eine Maschine sein (vgl. [Österle 1995, 50]). GeschäftsEin Geschäfts-(Informations-)objekt ist ein realer oder gedachter Gegenstand der (Informations-) Leistungserstellung, z.B. Geschäftspartner, Anlage, Material, Auftrag, Vertrag (vgl. [Österle objekt 1995, 87]). GeschäftsEin Geschäftsprozess ist eine zeitlich und sachlogisch zusammenhängende Folge von prozess Aufgaben, welche in einer vorgegebenen Ablauffolge durchzuführen sind, um eine bestimmte Prozessleistung zu erzeugen. Während die Leistungsspezifikation die Effektivität eines Prozesses definiert, wird die Effizienz eines Prozesses durch die Zielvorgaben definiert. Geschäftsprozesse besitzen eine eigene Führung, die den Prozess im Sinne der Geschäftsstrategie anhand der daraus abgeleiteten Führungsgrössen lenkt und gestaltet [Österle 1995, 63]. Geschäftsprozesse lassen sich in die Kategorien Leistungsprozesse, Unterstützungsprozesse und Führungsprozesse unterteilen. Leistungsprozesse erzeugen Prozessleistungen für Kunden, Unterstützungsprozesse erzeugen Vorleistungen für Leistungsprozesse und Führungsprozesse koordinieren andere Prozesse auf Grundlage des Zielsystems. (Prozess-) Eine (Prozess-)Leistung ist das Ergebnis (Output) eines Geschäftsprozesses und dient als Leistung Input für weitere interne oder externe Geschäftsprozesse. Leistungen können (Eigen-) Marktleistungen sein, d.h. materiell als Produkte oder immateriell als Dienstleistungen am Markt angeboten werden (s. [Österle 1995, 52]). AufbauDie Aufbauorganisation sorgt für die Regelung und Abgrenzung von Aufgaben, Kompetenzen organisation und Unterstellungsverhältnissen [Krüger 1994, 13]. KernNach [Prahalad/Hamel 1990] sind Kernkompetenzen diejenigen Fähigkeiten eines kompetenzen Unternehmens, welche wesentlichen Kundennutzen stiften. Kernkompetenzen zeichnen sich nach [Kotler/Bliemel 2001, 102] durch drei Merkmale aus: (1) Eine Kernkompetenz ist die Quelle eines Wettbewerbsvorteils und leistet einen signifikanten Beitrag zum Kundennutzen, (2) sie birgt ein Potenzial für vielfältige Anwendungen in verschiedenen Märkten sowie (3) sie ist von Wettbewerbern nicht leicht nachzuahmen. Mitarbeiter Mitarbeiter sind Träger der Aufgabenausführung. Sie werden von einer Organisationseinheit beschäftigt und besetzen bestimmte Stellen im Unternehmen. Die Stellenprofile umfassen meist mehrere Rolle, die der Mitarbeiter einnimmt. Organisations- Eine Organisationseinheit ist eine Zusammenfassung von einer oder mehreren Stellen zu einheit einem selbstständigen Teil der Aufbauorganisation (vgl. [Österle 1995, 51]). (Mitarbeiter-) Rollen sind Klassifikationen von Mitarbeitern, die sich aus den Fähigkeiten, den Aufgaben und Rolle dem Verantwortungsbereich ableiten lassen (vgl. [Puschmann 2004, 53]).
Tabelle A-4: Begriffsdefinitionen zum Metamodell auf Ebene Prozesse
Anhang A.4: Elemente des Metamodells
221
Element
Beschreibung
Applikation
Eine Applikation bzw. eine Anwendung ist Software, die Funktionen und Daten zur Unterstützung betrieblicher Aufgaben zur Verfügung stellt (vgl. [Vogler 2006, 41]).
ApplikationsPlattform (-Komponente)
Applikations-Plattform(-Komponenten) fassen anwendungsneutrale Technische (SW-) Komponenten und Systemsoftware(-Komponenten) zu einer Laufzeitumgebung für eine Applikation zusammen.
Applikations(Software-) Komponente
Eine Applikations-(Software-)Komponente ist ein abgeschlossener Softwarebaustein, der eine bestimmte Menge an Applikationsfunktionen einer Applikation anbietet (vgl. [Schwinn 2005, 142]). Applikations-(Software-)Komponenten operieren auf Datenelementen.
Datenelement
Unter einem Datenelement ist jener Teil der Datenstruktur zu verstehen, der sich in einem gegebenen oder unterstellten Zusammenhang logisch nicht mehr sinnvoll unterteilen lässt (s. [Gassner 1996, 43]). Im relationalen Datenmodell entspricht das Datenelement einem Attribut.
Hardware
Unter Hardware werden alle physischen Komponenten eines Informationssystems zusammengefasst. Dazu zählen beispielsweise Server, Desktop-Computer, Notebooks, Drucker, Monitore, Netzwerkkomponenten, etc.
Informationssystem
Im Business Engineering bezeichnen Informationssysteme die Gesamtheit der (computerisierten) Informationsverarbeitung zur Unterstützung der Aufgabenausführung (vgl. [Österle 1995, 16]).
InformationstechnikKomponente
Die einzelnen Applikationen benötigen Informationstechnik-Komponenten als Betriebsinfrastruktur, d.h. die zur Realisierung der betrieblichen Informationsstruktur benötigten Plattformen (Hardware, Applikationsplattform(-Komponenten), ITNetzwerkkomponenten) (vgl. [Stahlknecht/Hasenkamp 2005]).
IT-Netzwerk
Ein IT-Netzwerk ist ein System mehrerer miteinander verbundener Geräte (Computer, Drucker, etc.), die miteinander kommunizieren (auf Basis von Protokollen, wie z.B. TCP/ IP) und Daten austauschen können.
Systemsoftware (-Komponente)
Systemsoftware(-Komponenten) sind nicht anwendungsbezogene, sondern für den Betrieb grundsätzlich erforderliche Systemprogramme (Betriebssystem) (vgl. [Richter 2004, 18]).
Technische (Software-) Komponente
Die technische (Software-)Komponente bildet eine Softwareschicht zwischen den Applikations-(Software-)Komponenten und der Systemsoftware (Betriebssysteme, Datenbankmanagementsysteme und Netzwerksoftware). Auf Basis standardisierter Schnittstellen und Protokolle stellt sie Dienste für die transparente Kommunikation verteilter Anwendungen bereit und bildet somit die Infrastruktur für die Integration von Anwendungen in einem heterogenen und verteilten Umfeld (vgl. [Vogler 2006, 96]).
Tabelle A-5: Begriffsdefinitionen zum Metamodell auf Ebene Systeme
222
Anhang B: Erläuterungen zur Forschungsmethodik
Anhang B
Erläuterungen zur Forschungsmethodik
Anhang B.1 Informationen zum CC Sourcing Das Kompetenzzentrum Sourcing in der Finanzindustrie (CC Sourcing) bildet das Forschungsumfeld, in dem die vorliegende Arbeit entstanden ist. Dieser Abschnitt umfasst eine Liste sowohl der Unternehmen und Praxisvertreter (vgl. Tabelle B-2), die am CC Sourcing während der Mitarbeit des Autors teilgenommen haben, als auch der jeweils mehrtägigen Arbeitstreffen (vgl. Tabelle B-3). Kompetenzzentrum Sourcing in der Finanzindustrie 1 (01.07.2004 – 30.06.2006) Unternehmen
Praxisvertreter (Workshop-Teilnehmer WS, Mitglied im Steuerungsausschuss SCM)
AIG Privatbank (CH)
Stefan Demuth (WS), Fabian Zeier (WS), Werner Vontobel (SCM)
Basellandschaftliche Kantonalbank (CH)
Daniel Sturm (WS), Beat Gass (WS), Kaspar Schweizer (SCM), Patrick Sulzer (SCM)
BossLab / B-Source (CH)
Joseph Kaister (WS, SCM), Giovanni Moggi (WS), Hendrik van Gammeren (WS, SCM), Eros Fregonas (SCM)
Credit Suisse (CH)
Andrea Kuttner (WS), Peter Kunz (WS), Patrick Münch (WS), Martin Kobler (WS, SCM), Markus Moll (SCM), Stephan Murer (SCM)
CSC Switzerland (CH)
Thomas Hilgendorff (WS, SCM), Peter Weber (WS), Christoph Binkert (WS)
DZ BANK (D)
Monika Bihler (WS), Achim Hahn (WS), Jens Wolf (SCM)
Migrosbank (CH)
Lukas Weibel (WS),
PostFinance (CH)
Urs Knecht (WS, SCM), Markus Schawalder (WS), Urs Hufschmidt (WS), Thierry Kneissler
RBA-Service (CH)
Beat Flück (WS, SCM), Stefan Freiburghaus (WS), Reto Hämmig (WS)
SAP (CH und D)
Klaus Friedrich (WS), Markus Kleiner (WS, SCM)
St. Galler Kantonalbank (CH)
Joseph Steiger (WS), Gottlieb Zwicki (WS), Marcel Zoller (SCM)
Sourcag (CH)
Beat Lehmann (WS, SCM)
Swisscom IT Services (CH)
Martin Lauener (WS), Patrick Zwyssig (WS)
UBS (CH)
Ales Kupsky (WS, SCM), Rolf Olmesdahl (SCM)
Tabelle B-1: Partnerunternehmen des Kompetenzzentrums CC Sourcing 1
Anhang B.1: Informationen zum CC Sourcing
223
Kompetenzzentrum Sourcing in der Finanzindustrie 2 (01.07.2006 – 30.06.2008) Unternehmen
Praxisvertreter (Workshop-Teilnehmer WS, Mitglied im Steuerungsausschuss SCM)
Avaloq Evolution (CH)
Christoph Bieri (WS), Uwe Krakau (WS, SCM), Martin Niederöst (WS)
B-Source (CH)
Joseph Kaister (WS, SCM), Hendrik van Gammeren (WS, SCM), Kurt Spirig (SCM), Stefan Frei (WS), Giovanni Manzoni (WS), Claudio Binda (WS)
COMIT (CH)
Alexander Scheuer (WS, SCM), Roland Gysin (WS)
Credit Suisse Financial Institutions (CH)
Patrick Münch (WS), Martin Kobler (WS, SCM), Raphael Widmer (WS)
DZ BANK (D)
Jörg Schmiedehausen (WS), Thomas Vögele (WS), Jens Wolf (WS, SCM)
Finnova (CH)
Oswald Föhn (WS, SCM)
Julius Bär (CH)
Adrian Berchten (WS), Mario Crameri (WS, SCM)
PostFinance (CH)
Patrick Bürki (WS), Urs Hufschmidt (WS), Urs Knecht (WS, SCM), David Schneeberger (WS)
RBA-Service (CH)
Reto Hämmig (WS), Paul Lenoir (WS), Thomas Spahr (WS, SCM), Bernhard Ziörjen Maarsen (WS)
Realtime Center RTC (CH)
Roberto Longoni (WS), Rolf Moser (WS), Herbert Stadler (WS, SCM), Jürg Habegger (WS)
SAP (CH und D)
Klaus Friedrich (WS), Markus Kleiner (WS, SCM), Christian Raab (WS)
SegaInterSettle SIS (CH)
Werner Merki (WS, SCM), Lionel Rosenfeld (WS), Stefan Truffner (WS)
St. Galler Kantonalbank (CH)
Joseph Steiger (WS), Gottlieb Zwicki (WS), Marcel Zoller (SCM)
Sourcag (CH)
Beat Lehmann (WS, SCM), Erich Schorro (WS)
Thurgauer Kantonalbank (CH)
Erich Meier (WS, SCM)
T-Systems (CH und D)
Berthold Kaib (WS), Thomas Keel (WS, SCM), Siegfried Laub (WS),
Verband der Schweizer Kantonalbanken VSKB (CH)
Daniel Sturm (WS, SCM)
Zürcher Kantonalbank (CH)
Robert Lange (WS, SCM), Aurelio Vassali (WS)
Tabelle B-2: Partnerunternehmen des Kompetenzzentrums CC Sourcing 2
224
Anhang B: Erläuterungen zur Forschungsmethodik
Multilaterale Arbeitstreffen (Workshops) der Kompetenzzentren Sourcing 1 und 2 Kompetenzzentrum Sourcing in der Finanzindustrie 1 Nr.
Schwerpunktthemen
W1
Vorbereitung und Fokussierung des Prototyps Gestaltung und Bewertung von Sourcing-Modellen
23./24. September 2004, St. Gallen (CH)
Datum / Ort
W2
Detaillierung des Prototyps zur Gestaltung und Bewertung von SourcingModellen am Beispiel des Zahlungsverkehrs
9./10. Dezember 2004, Stein am Rhein (CH)
W3
Konsolidierung des Prototyps zur Gestaltung und Bewertung von SourcingModellen – Übertragung der Konzepte auf die Bereiche Anlegen und Finanzieren
3./4. März 2005, Wolfsberg (CH)
W4
Bankmodell CC Sourcing
16./17. Juni 2005, Steckborn (CH)
W5
Anwendung des Bewertungsmodells auf die Bereiche Zahlen , Anlegen und Finanzieren
1./2. September 2005, Reichenau (D)
W6
Erste Version des Gesamtmodells zur Gestaltung und Bewertung von Sourcing-Modellen
17./18. November 2005, Gottlieben (CH)
W7
Sourcing-Modelle aus Gesamtsicht für heute und die Bank der Zukunft
23./24. Februar 2006, Bad Bubendorf (CH)
W8
Konsolidierung der Instrumente zur Gestaltung und Bewertung von SourcingModellen
18./19. Mai 2006, Lugano (CH)
Kompetenzzentrum Sourcing in der Finanzindustrie 2 Nr.
Schwerpunktthemen
Datum, Ort
W1
Grundlagen zum Management serviceorientierter Bankennetzwerke
20.-22. September 2006, Rohrschach (CH)
W2
Netzwerkmodelle – Prototyp Anlegen
17.-19. Januar 2007, Donaueschingen (D)
W3
Übertragung der Konzepte auf den Bereich Zahlen
23.-25. Mai 2007, Vitznau (CH)
W4
Übertragung der Konzepte auf den Bereich Finanzieren
19.-21. September 2007, Leipzig (D)
Tabelle B-3: Multilaterale Arbeitstreffen der Kompetenzzentren CC Sourcing 1 und 2
Anhang B.2 Projekte Ausgewählte Projekte im Rahmen der Tätigkeit für die Kompetenzzentren Sourcing 1 und 2 Nr.
Projektinhalt
Unternehmen
Zeitraum
P1
Business Plan Transaction Banking Zahlungsverkehr
PostFinance
11/2004 – 01/2006
P2
Partner-based BPO Pricing as Unique Selling Proposition – Market Survey and company-specific concept
B-Source
01/2005 – 10/2005
P3
Businessplan zu einem BPO-Geschäftsmodell
Credit Suisse
11/2006 – 06/2007
P4
Market View 2007 – Analyse ausgewählter BPO-Provider und Bankplattform-Anbieter in der Schweiz
RBA-Service
12/2007 – 08/2007
P5
Schulung zu den Ergebnissen von CC Sourcing 1 zur Gestaltung und Bewertung von Sourcing-Modellen
Sourcag
07/2007 – 08/2007
Tabelle B-4: Ausgewählte Projekte des Autors im Rahmen von CC Sourcing 1 und 2
Anhang B.3: Dokumente und Interviews zu den Fallbeispielen
225
Anhang B.3 Dokumente und Interviews zu den Fallbeispielen Autor(en)
Dokumententyp
Dokument / Titel
Datum, Ort
Credit Suisse Financial Institutions (CS-FI) Münch Patrick
Unternehmensinformation
Straight Through Processing – Electronic Order Execution & Custody
Zürich 2006
Münch Patrick
Präsentation
Financial Institutions – Globale Finanzdienstleister als zentrale Gegenpartei
6. November 2007, Kongresshaus Zürich
International Transaction Services (ITS) Hernichel Jürgen
Unternehmensinformation
BPO – ein Zukunftsweg für Europas Banken
03/2005, Düsseldorf
Fleischmann Thomas
Präsentation
International Transaction Services Geschäftsmodell und Produktspektrum
17. November 2005, Gottlieben
Trinkaus & Burkhardt
Geschäftsbericht
Das beste beider Welten
Düsseldorf 2007
SegaInterSettle (SIS) SegaInterSettle
Unternehmensinformation
Für Ihr globales Wertschriftengeschäft sind wir die Spezialisten
Juni 2006, Zürich
Merki Werner
Präsentation
Entwicklung Börsenplätze, Verwahrer – Internationale Aspekte
23. Mai 2007, Vitznau
St. Galler Kantonalbank (SGKB) Steiger Joseph, Zwicki Gottlieb
Präsentation
Vorstellung SGKB
19. Mai 2006, Lugano
SGKB
Geschäftsbericht
Geschäftsbericht 2006
St. Gallen 2007
Österreichische Wertpapier Service GmbH (ÖWS) Hödl Martin
Artikel
Zentrale Datenversorgung in Österreich
November 2007, Frankfurt
Tabelle B-5: Analysierte Dokumente zu den Fallbeispielen
Name
Funktion im Unternehmen
Datum, Ort
Credit Suisse Financial Institutions Münch Patrick
Director, Insourcing Services
9. Juli 2007, Zürich
Schorro Erich
Leiter Wertschriften
17. Juli 2007, Münchenstein
Schorro Erich
Leiter Wertschriften
17. August 2007, Münchenstein
Leiter Handel
11. Oktober 2006, St. Gallen
Sourcag
St. Galler Kantonalbank Boari Mario
Österreichische Wertpapier Service GmbH (ÖWS) Zinner Georg, Leitgeb Norbert (beide ÖKB)
Leiter Abteilung Wertpapierservices Leiter des Referates Finanzdatenservices
11. September 2006, Wien
Tabelle B-6: Übersicht Experteninterviews zu den Fallbeispielen
226
Anhang B: Erläuterungen zur Forschungsmethodik
Anhang B.4 Dokumente und Interviews zu den Fallstudien Autor(en)
Dokumententyp
Dokument / Titel
Datum, Ort
Bank Vontobel n.a., Praxis Special, 18-21, Ernst & Young AG
Artikel / Interview
Sich Kompetenzen effizient erschliessen – Interview mit Dr. Pierin Vincenz, Raiffeisen Schweiz
Sommer 2004, Zürich
Gubler Peter
Präsentation
Bank Vontobel – Die WertschriftenTransaktionsbank für die Raiffeisengruppe
10. Mai 2005, Zürich
Vontobel / Raiffeisen
Pressemitteilung
Weiterer Meilenstein in der Wertschriften-Kooperation zwischen Raiffeisen und Vontobel erfolgreich gemeistert
9. Oktober 2006, Zürich / St. Gallen
Schärli Pius, Panorama Raiffeisen
Artikel / Interview
Zügelaktion fürs Rekordbuch – Interview mit Barend Fruithof
01 / 2007
Gubler Peter
Präsentation
Vontobel – Ihre WertschriftenTransaktionsbank
6. November 2007, Zürich
B-Source Kaister Joseph
Präsentation
B-Source @ Value Chain Forum
2. Juni 2005, Ittingen
Kaister Joseph
Präsentation
Company profile and evolution
2. September 2006, Rohrschach
Van Gammeren Hendrik
Artikel
Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse ist eine Vertrauenssache
Schweizer Bank, Juli 2007
Van Gammeren Hendrik
Artikel
Gesamtlösungs-Provider: Ergänzende Dienstleistungen zum Angebot der Banken
Banking in Switzerland and Liechtenstein, 2007
Spirig Kurt
Präsentation
Sourcing models to enable international growth strategies
6. November 2007, Zürich
Bihler Monika, Hahn Achim
Präsentation
Sourcingmodelle bei der DZ BANK (Partnerpräsentation CC Sourcing)
3. März 2005, Wolfsberg
Klostermeier Johannes
Artikel
Alles aus einer Hand, in CIO-Sonderheft, Oktober 2006, S. 18-20
Oktober 2006, München
DZ BANK
Broschüre
Das Wertpapiergeschäft optimieren, DZ BANK – Ihr Partner für den gesamten Wertpapierprozess
August 2006, Frankfurt am Main
DZ BANK
Präsentation
Präsentation der DZ BANK: Zusammen geht mehr
September 2007
Wolf Jens
Präsentation
Der Integrator als Drehscheibe im Sourcing-Netzwerk
6. November 2007, Zürich
dwpbank
Presse-Information
Systemkonsolidierung erfolgreich: dwpbank-Gruppe schaltet zum Jahresende drei Systeme für die Wertpapierabwicklung ab
26. November 2007
DZ BANK
Musterpräsentation
Partnerschaft mit der DZ BANK – Modulare Lösungen für Ihre Geschäftsstrategie
Dezember 2007
DZ BANK
Tabelle B-7: Analysierte Dokumente zu den Fallstudien (1/2)
Anhang B.4: Dokumente und Interviews zu den Fallstudien Autor(en)
Dokumententyp
227
Dokument / Titel
Datum, Ort
RBA-Service Kohler R., Fries S.
Internes Arbeitspapier
BPO Baselines
23. Dezember 2005, Gümligen (Vers. 2.1)
Perego Philipp
Präsentation
Gastvortrag CC Sourcing – Erste Erkenntnisse aus Antares
23. Februar 2006, Bad Bubendorf
Confortis
Präsentationsbericht
Anforderung BPO an IT
16. Oktober 2006 (Version 1.0)
Kernteam des Antares-Teilprojekts Anlegen
Internes Arbeitspapier
Projekt Antares Fachkonzept TFP2 TP3 «Anlegen»
26. Oktober 2006, Gümligen (Vers. 1.02)
Hämmig Reto
Präsentation
Antares – Das Businessmodell der Produktionsgesellschaft
19. Januar 2007, Donaueschingen
Kernteam Teilprojekt (TP) Anlegen
Internes Arbeitspapier
GoEntris - Bankfachliches Konzept zum TP1 Anlegen (Summary)
2. September 2007, Gümligen (Vers. 1.0)
Perego Philipp
Präsentation
Steuerung & Gestaltung zukünftiger Sourcing-Netzwerke – Entris: Potenziale & Hürden der Standardisierung
6. November 2007, Zürich
Hämmig Reto
Präsentation
Kurzpräsentation zu Entris (Zusatzinformationen)
28. November 2007
Tabelle B-8: Analysierte Dokumente zu den Fallstudien (2/2)
Name
Funktion im Unternehmen
Datum, Ort
Vontobel Schönberger Argyro
Leiterin Vertrieb Transaction Banking Solutions, Stellvertretende Direktorin, Vontobel Investment Banking
5. Dezember 2007, Zürich
Fischbacher Marco
Projektleiter Cooperation Management, Vontobel Investment Banking
5. Dezember 2007, Zürich
Kaister Joseph
Head Banking Operations
5. Mai 2007, Adliswil
Kaister Joseph
Head Banking Operations
14. Dezember 2007, Adliswil
Wolf Jens
Abteilungsdirektor Consultancy Banking Solutions
Bihler Monika
Mitarbeiterin, Consultancy Banking Solutions
16. August 2005, Frankfurt am Main
Wolf Jens
Abteilungsdirektor Consultancy Banking Solutions
9. Januar 2008, München
Interviewtag zum Projekt Antares
Gespräche mit: – Perego Philipp (Leiter Business Development RBA-Service) – Hämmig Reto (Business Development, RBA-Service) – Übersax Sascha (Spezialist Wertschriften, RBA-Service)
28. Oktober 2006, Gümligen
Übersax Sascha
Spezialist Wertschriften, RBA-Service
10. Juli 2007, Gümligen
Hämmig Reto
Business Development, RBA-Service
28. November 2007, telefonisch
Burkhalter Beat
Leiter Wertschriften, Entris
7. Dezember 2007, Gümligen
B-Source
DZ BANK
RBA-Service
Tabelle B-9: Übersicht Interviews zu den Fallstudien
228
Anhang C: Zusatzinformationen zu den Fallstudien
Anhang C
Zusatzinformationen zu den Fallstudien
Anhang C.1 Interviewleitfaden für die Fallstudien Dieser Abschnitt ist beschränkt auf die inhaltlichen Fragen. Die weiteren Elemente des Interviewleitfadens Rahmenbedingungen zur Fallstudie, allgemeine Fragen zum Interviewpartner und Unternehmen sowie der Anhang sind hier nicht angeführt. 1. Lösung / BPO-Angebot 1.1 Strategie / Geschäftsmodell x x
Was sind die Kernkompetenzen des eigenen Unternehmens? Motivation für das Sourcing-Angebot / Historie: Was waren die Motive des eigenen Unternehmens zur Lancierung eines BPO-Angebots im Anlagebereich?
Was sind erfahrungsgemäss die Motive einer Bank für BPO im Anlagebereich?
Welchen spezifischen Nutzen / welche Vorteile bringt eine Auslagerung (an das eigene Unternehmen)?
x
Welche Kundensegmente soll das BPO-Angebot ansprechen (z.B. national / international bzw. Privat- / Retailbanken)?
x
Governance-Modell
Besteht die Möglichkeit / der Zwang für die auslagernde Bank als BPO-Kunde sich am Unternehmen zu beteiligen?
x
Welche Möglichkeiten zur Mitsprache bestehen für die auslagernde Bank?
Was sind die wesentlichen Partner des eigenen Unternehmens bei der Realisierung des BPO-Angebots im Anlagegeschäft (z.B. Softwareprovider, Brokerage- / CustodySpezialisten)?
x
Wie ist das Preismodell ausgestaltet (z.B. Sockelbetrag, Variabilisierung von Fixkosten)? Mit welchen Herausforderungen im Wettbewerb sieht sich das eigene Unternehmen mit dem BPO-Angebot konfrontiert (z.B. Konkurrenz, Regulatorien)?
1.2 Prozess x
Welche Lösungsvarianten bietet das Unternehmen einer Bank, die das Wertschriftengeschäft auslagern will?
Anhang C.1: Interviewleitfaden für die Fallstudien
x
229
Welche Konsequenzen haben diese Varianten jeweils auf das Anlagenetzwerk der auslagernden Bank? Welche Rollen übernimmt das eigene Unternehmen selbst und bei welchen arbeitet es (teilweise) mit Partnern zusammen?
Vgl. Abbildung 3-8 auf Seite 50 Abbildung 1: Referenznetzwerk Anlegen
x
Im Detail: Welches Unternehmen übernimmt je nach Variante welche Teile des unten abgebildeten Prozesses?
Vgl. Abbildung 3-5 auf Seite 42 Abbildung 2: Referenzprozess Anlegen
1.3 System x x
Wie ist die Applikationslandschaft ausgestaltet (Applikationen, Schnittstellen)? Welche Schnittstellen bestehen zu Umsystemen, der Systemlandschaft der auslagernden Bank und Partnern (auch Interbanken)?
x
Inwieweit sind diese Schnittstellen standardisiert?
2. Erfahrungen aus bestehenden Kooperationen Anmerkung: Fragen beziehen sich teilweise auf eine beispielhafte Transformation 2.1 Kosten- und Nutzenbetrachtung x
Welcher Nutzen konnte / kann für eine auslagernde Bank festgestellt werden (z.B. Verkürzung von Prozessdurchlaufzeiten, Kostensenkungen)?
x
Welche Aussagen können zum Return on Investment gemacht werden?
x
Wie ist das Feedback der auslagernden Bank(en) (z.B. Kundenberater)?
x
Wie hoch ist das Einsparpotenzial bzw. welche Faktoren beeinflussen dessen Höhe?
2.2 Transformation x
Wie lange dauerte die Transformation (ev. mehrere Phasen)?
x
Zur Abschätzung der Komplexität: Wie viele Personentage wurden ca. benötigt?
x
Welche Parameter beeinflussen die Dauer der Transformation?
x
Was sind kritische Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Transformation?
230
Anhang C: Zusatzinformationen zu den Fallstudien
3. Fazit und Ausblick 3.1 Unternehmensspezifisch x x
Was sind die Besonderheiten der Lösung? Welche Ziele hat das Unternehmen für die nächsten 3-5 Jahre in Bezug auf die Kundenzahl bzw. den Marktanteil?
x
Weiterentwicklung des Angebots: Ist das aktuelle Angebot des eigenen Unternehmens auch mittelfristig Erfolg versprechend oder ist Anpassungsbedarf absehbar bzw. sind Anpassungen geplant?
3.2 Allgemein (optional) x
Regulatorische Entwicklung als Chance oder Herausforderung: Welche Entwicklungen zeichnen sich ab und inwiefern werden diese das eigene Geschäftsmodell bzw. die Marktarchitektur in den nächsten 3-5 Jahren beeinflussen?
x
x
Ausblick Markt Schweiz – Einschätzung und Marktentwicklung:
Wer wird sich durchsetzen und wieso?
Erwarten Sie für die nächsten 3-5 Jahre eine Zunahme der Sourcing-Aktivitäten?
Sehen Sie Lernpotenzial in anderen Märkten (z.B. Wertschriftenabwickler in D)?
Ist eine Internationalisierung des BPO-Angebots im Anlagegeschäft absehbar (vgl. erste Beispiele im Zahlungsverkehr wie z.B. Equens)?
Anhang C.2: Unterlagen zur Fallstudie B-Source
231
Anhang C.2 Unterlagen zur Fallstudie B-Source Abbildung C-1 stellt die Leistungspalette von B-Source dar und macht deutlich, dass das BPO-Angebot auf den beiden ursprünglichen Kernkompetenzen in den Bereichen Integration und Migration sowie IT und Application Outsourcing basiert.
Service Governance & Reporting Application Hosting Services
Data Center Services
Managed Network Services
Back-Office Core
Front-Office
Business Bus Business Continuity Services
Managed Desktop Services
Consolidated Service Desk
Analytical Platform
Money Trx Securities Trx Master Files Credit Administration Accounting Legal Reporting Interbank Systems
Client Bank
Management Information
Banking Solution
Integration & Migration
Abbildung C-1: Leistungspalette von B-Source Abbildung C-2 zeigt die Leistungspalette anhand der Trennung von Front- und BackOffice sowie der daraus resultierenden Kernkompetenzen Integration, Migration sowie ITO und BPO. tional excell ence &
efficie
ncy
Business Process “Manufactory” BO TRX
-
Structured products Securities Credits, Payments STP with WF engine
Back Office TRX Sec.masterNon C/A trx
Mgt. services
-
BPO for multi banks / entities Central Data Mgt. Environment Mgt.
Accounting HQ HQ
-
Accounting
Controlling Consolidation Intl. standards
sform th tran Smoo
ation
v Effecti
Private Banking
BPO
Front Office Integration / BPO Layer
Opera
CRM Client Reporting
in eness
rket the ma
f RM & Acquisition -
More time for clients Targeting & mobility
-
Integrated with added value reporting Customized to client profiles
f Client Reporting
f Investment Management PMS Enterprise mgt.
Expert Systems
ITO
Integration & Migration
-
Standardize & centralize Control
-
Efficiency & effectiveness Risks & control
f Management Cockpit Time to
Marke t as pri ority
Kernkompetenzen
Abbildung C-2: Architektur der Leistungserstellung von B-Source
232
Anhang C: Zusatzinformationen zu den Fallstudien
Abbildung C-3 zeigt die Aufteilung der Mitarbeiter auf die verschiedenen Abteilungen und spiegelt dabei den Fokus von B-Source auf IT Operations & Application Management Services sowie Banking Operations wider.
Abbildung C-3: Verteilung der 493 FTE auf die Abteilungen per 31.12.2006
Anhang C.2: Unterlagen zur Fallstudie B-Source
233
Abbildung C-4: Leistungsangebot der B-Source gemäss Referenzprozess Anlegen
234
Anhang C: Zusatzinformationen zu den Fallstudien
Anhang C.3 Unterlagen zur Fallstudie Entris / RBA-Service Valiant Holding
Finanzlogistik AG
Realtime Center (RTC)
Gründung
1997
1996
Firmensitz
Luzern
St. Gallen
Bern
Branche
Bank, Privatbank
Finanzdienstleister
IT Dienstleister
Geschäftsfelder Bilanzgeschäft, Kommissions- & Dienstleistungsgeschäft, Handelsgeschäfte
1973
Wertschriftenverwaltung, Betrieb einer SoftwareRechnungswesen, Organisa- Plattform für Banken (Ibis), tion / Dienste, ZahlungsverIT-Outsourcing kehr
Firmenstruktur
Valiant Bank & Valiant Privatbank
k.A.
Aktiengesellschaft im Besitz der Mandanten
Homepage
www.valiant.ch
www.finanzlogistik.ch
www.rtc.ch
Umsatz
Bilanzsumme
CHF >10 Mio.
Liberiertes Aktienkapital:
CHF 17 185 Mio.
CHF 30 Mio.
Gewinn vor Steuern
CHF 177 Mio.
k.A.
Als Cost Center organisiert
Shareholder
Insgesamt > 46 000 hauptsächlich Kleinaktionäre, kein Aktionär besitzt 5% der Aktien oder mehr
RBA-Service 33.75% Bank CA St. Gallen AG 26.25% Alpha RHEINTAL Bank 20% swissregiobank 20%
12.6% Basel Stadt Kantonalbank
Mitarbeiter
925
> 60
550
Kunden
Depotwert
k.A.
> 60 Banken, Dienstleistungsunternehmen und Verwaltungen
CHF 17 771 Mio. / 400 000 Kunden
Tabelle C-1: Kurzportrait von Valiant Holding, Finanzlogistik AG und RTC Clientis Banken Anzahl Banken
30
Anzahl Geschäfts- 112 stellen
RBA-Holding (RBAH) 51 1
Gemeinschaftswerke
Clientis AG, gemeinsamer Outsourcing Partner, Sicherheitsnetz
RBA-Service, RBA-Zentralbank AG, RBAFinanz AG, RBA Holding AG
Gruppenstruktur
„Clientis Banken“ halten Anteile an der Clientis AG, der Kompetenz- und Dienstleistungsorganisation, die für die Oberleitung sowie die strategische und finanzielle Führung des Konzerns verantwortlich ist.
RBA Holding AG, RBA-Service, RBAZentralbank AG & RBA-Finanz AG. Diese sind für das operative Geschäft verantwortlich.
Homepage
http://www.clientis.ch
www.rba-holding.ch
Bilanzsumme
CHF 16 105 Mio.
CHF 44 200 Mio.
Gewinn vor Steuern
CHF 117,4 Mio.
Als Cost Center organisiert
Shareholder
Clientis Sparkasse Zürcher Oberland 10.9%, Clientis Bank Jura Laufen 9.5%, Clientis Bernerland Bank 9.0%, Übrige Clientis Banken 67.2%, RBA Holding 3.4%
RBA-Banken
Mitarbeiter
744
k.A.
Tabelle C-2: Kurzportrait der Bankengruppen Clientis und RBA
Anhang C.3: Unterlagen zur Fallstudie Entris / RBA-Service
235
Stammdaten, Partner, Konto, Valoren Handel Börsenauftrag erfassen & freigeben
Börsenauftrag prüfen
Börsenauftrag ausführen
Broker / Börse
Abrechnung Börsenauftrag ausführen
Ausführung prüfen
Kunden- & GP-Auftrag abrechnen
Kunden- & GP-Auftrag abrechnen
Abrechnung prüfen
Lieferungen LGZ
Ermitteln finanzielle Konsequenzen
Verarbeitung
Nachbearbeitung Settlement Auftragsprüfung/ -plausibilisierung
Kundenberater Vertriebsbank
Die externen LagerStellen werden von der PG bestimmt. Die Vertriebsbanken haben eine Lagerstelle: Die PG
Aktienregister
Buchen
Betreuung Aktienregister
Ermitteln Buchungssätze
Archivierung, Druck, Versand
Handel Vertriebsbank
Lagerstelle
Verarbeiten CH-Namenaktien
Externes Aktienregister
Erstellen Buchungsfile
Produktionsgesellschaft
Accounting
Drittparteien
Abbildung C-5: Ablauf eines Handelsauftrags für Aktien bei Business Cut A nach [Antares 2006, 25]
Service Management Digitalisierung
Zahlen
Anlegen Druck und Versand
Accounting
Plausibilisierung
Human Ressources
Value Added Services
Bewirtschaftung Verwalten Bankprodukte
Kundendossier
Beleghandlung / Archivierung
Abbildung C-6: Operating Model der Produktionsgesellschaft
236
Anhang C: Zusatzinformationen zu den Fallstudien
Abbildung C-7: Business Cuts der Produktionsgesellschaft in der WP-Abwicklung Abbildung C-8 zeigt die geplante Einbettung von Legando und dem dazugehörigen Handelssystem OTMS von IBM in die Ibis-Plattform. OTMS soll dabei die Schnittstellen zum Frontoffice bei der Bank und zum Markt (Börsenplätze, Broker und Depotstellen) abdecken und Legando für die Backoffice Verarbeitung eingesetzt werden.
Xigt
Sourcing Partner
Instrumente Ereignisse
Partnerinfo Service
Bankprodukt Service
237
Positions Service
IBIS Plattform
Konto Service
Dispo Service
Anhang C.3: Unterlagen zur Fallstudie Entris / RBA-Service
ALM Focus
OTMS Asset Management
Legando
Handel
Abwicklung & Positionsführung
Stamm- und Referenzdaten
Börsen & Partner
DWH Output Service Spirit
Benutzerverwaltung und Berechtigungen
RENO
Konfiguration (Workflow, User Interface, Scheduler)
OPCON
Protokollierung und Journalisierung
P/J Prof.
Abbildung C-8: Schnittstellen und Umsysteme von OTMS Da die Schnittstellen zwischen OTMS und Legando bereits vorhanden sind, besteht vor allem Integrationsaufwand von Legando zu Ibis. Abbildung C-9 verdeutlicht diesen Schnitt via Zuordnung der drei Hauptapplikationen zu den Prozessschritten. Aufträge Handel
Frontoffice
OTMS
Benutzerverwaltung
Börsen, Gateways Positionen Abwicklung Backoffice
Reporting
LEGANDO
Stamm- & Referenzdaten Output Service DWH und FDB Partnerinfo & Bankprodukt Dispo Service Bankprodukt Design
Banking Services
IBIS
Positions Service
Abbildung C-9: Geplante Zuordnung der Prozessschritte zu den Applikationen
238
Anhang C: Zusatzinformationen zu den Fallstudien
Anhang C.4 Unterlagen zur Fallstudie DZ BANK
Abbildung C-10: Leistungsumfang Depotservice
Literaturverzeichnis
239
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