Maren Borkert Integration von Zuwanderern in Italien
Maren Borkert
Integration von Zuwanderern in Italien Gesetzlich...
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Maren Borkert Integration von Zuwanderern in Italien
Maren Borkert
Integration von Zuwanderern in Italien Gesetzliche Grundlagen, politische Akteure und die Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen am Beispiel der Emilia Romagna
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Finanziell unterstützt wurde meine Forschung im Rahmen einer Pre-Doctoral Marie Curie Trainingsite, die ich an der Universität von Padua (Italien) unter der Betreuung von Professor Vincenzo Pace verbringen durfte, sowie mithilfe des Promotionsstipendiums „Exzellente Köpfe“ der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, das mir für den Zeitraum von Dezember 2003 bis März 2005 zuteil wurde.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Katrin Emmerich / Marianne Schultheis VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Mepppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16178-5
Danksagung
Der Dank der Verfasserin gilt den vielen Menschen, die zum Gelingen dieser Studie beigetragen haben. In erster Linie möchte ich meinen Interviewpartnern und der Landesregierung der Emilia-Romagna, den Provinz- und Kommunalverwaltungen in der Region, den Mitarbeitern des Nationalen Statistikinstituts (ISTAT) und der Caritas danken, die mich von ihren Erfahrungen und Archiven profitieren ließen. Ein besonderer Dank gilt des weiteren Professor Friedrich Heckmann sowie dem europäischen forum für migrationsstudien (efms) und dem Forum Internazionale ed Europeo di Ricerche sull’Immigrazione (FIERI) unter der Leitung von Professorin Giovanna Zincone, welche einen institutionellen Bezugsrahmen bildeten. In diesem Kontext möchte ich mich ebenfalls bei Professor Richard Münch für seine freundliche Unterstützung bedanken. Kein (forschender) Mensch lebt losgelöst von seiner Umwelt. In diesem Sinne waren mir die fachlichen Auseinandersetzungen mit meinen Kollegen der Internationalen Non-Profit-Organisation HERMES und des Europäischen Exzellenznetzwerkes ‚Immigration, Integration, Social Cohesion’ (IMISCOE) wertvolle Anregung und Hilfe zugleich. Mein Dank gilt ebenso ihnen wie den Professoren Ralf Bohnsack, H.-U. Derlien, Martin Heidenreich, Renate Nagel und Dietrich Thränhardt für fachlichen Beistand. Finanziell unterstützt wurde meine Forschung im Rahmen einer PreDoctoral-Marie-Curie-Trainigsite, die ich an der Universität von Padua (Italien) unter der Betreuung von Professor Vincenzo Pace verbringen durfte, sowie mithilfe des Promotionsstipendiums „Exzellente Köpfe“ der Otto-FriedrichUniversität Bamberg, das mir für den Zeitraum von Dezember 2003 bis März 2005 zuteil wurde. Im Laufe der Zeit habe ich von vielen Menschen Zuspruch erhalten und ich möchte mich bei allen von ihnen bedanken. Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang Jens Kram, meinen Eltern, Kristian und Günter Borkert sowie Laura Bettelli für Unterstützung und Inspiration. Bei Bärbel Kramer möchte ich mich insbesondere für das sorgsame Korrekturlesen bedanken. Zudem erinnere ich mich an einen besonders schönen Spaziergang im Bamberger Theresien-Hain und seine positiven Auswirkungen auf die Fertigstellung meiner Dissertationsschrift.
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Inhaltsverzeichnis
Danksagung...........................................................................................................5 1
Einleitung ...................................................................................................10
2 Zuwanderung in Italien und der Emilia-Romagna ...............................17 2.1 Die Probleme der Datenerhebung zur Migration in Italien ........................17 2.2 Die Präsenz der Zuwanderer in der Region Emilia-Romagna....................21 3 Die Integrationspolitik und ihre gesetzlichen Grundlagen ...................26 3.1 Grundlagen der Integrationsforschung........................................................26 3.2 Gesetzliche Grundlagen der Migrations- und Integrationspolitik in Italien.. ....................................................................................................29 3.2.1 3.2.2 3.2.2a 3.2.2b
Das Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 und seine Modifizierung im Jahr 2002 ............................................................................................. 31 Zentrale Einrichtungen der italienischen Integrationspolitik ................... 35 Consigli Territoriali per l’immigrazione (Gebieträte für Zuwanderung)........................................................................................... 35 Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie (Nationaler Fond für Migrationspolitiken) ................................................................................. 36
3.3 Gesetzliche Grundlagen der Integrationspolitik der Emilia-Romagna ...... 40 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.3a
Regionale Gesetzgebung im Bereich Zuwanderung ................................ 39 Das protocollo d’intesa in materia di immigrazione (Verständigungsprotokoll im Bereich Zuwanderung).............................. 42 Der Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie (Nationaler Fond für Migrationspolitiken) auf regionaler Ebene ......................................... 45 Die Darstellung des ‚Integrationsprogramms’ 2002 der Emilia-Romagna....................................................................................... 53
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Die Implementierung integrationspolitischer Maßnahmen in der Emilia-Romagna........................................................................................65 4.1 Grundlagen der Implementationsforschung................................................65 4.2 Die eigene Implementationsanalyse............................................................70 4.2.1 4.2.1a 4.2.1b
Die Konzeption des Experteninterviews .................................................. 71 Die Befragung der Akteure integrationspolitischer Maßnahmen............. 74 Die Befragung der Adressaten integrationspolitischer Maßnahmen........ 76
7
4.2.2
Die Interviewauswertung.......................................................................... 78
4.3 Integrationspolitik im sozialpolitischen Bereich: der Nationale Fond für Migrationspolitiken ......................................................................81 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.1.3a 4.3.1.3b 4.3.1.3c 4.3.1.4 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.1a 4.3.2.1b 4.3.2.1c 4.3.2.2 4.3.2.2a 4.3.2.2b 4.3.2.2c 4.3.3 4.3.3a 4.3.3b 4.3.3c 4.3.4 4.3.4a 4.3.4b
Inhalte regionaler Integrationspolitik ....................................................... 82 Allgemeine Strategie und Organisation regionaler Integrationspolitik..................................................................................... 85 Die Integrationspolitik im Bereich Soziales............................................. 87 Die „Transversalität“ des Migrationsphänomens..................................... 89 Die Integrationspolitik im Bereich Berufsausbildung.............................. 90 Die Integrationspolitik für den Arbeitsmarkt ........................................... 91 Die Überschneidung von Politik- und Tätigkeitsfeldern.......................... 92 Indizierte Stärken und Schwächen der verfolgten Integrationsmaßnahmen ........................................................................... 95 Inhalte kommunaler Integrationspolitik ................................................... 99 Die Integrationspolitik der Gemeinde Luzzara (RE).............................. 101 Die Umsetzung des Nationalen Fond für Migrationspolitiken............... 101 Die allgemeine Integrationspolitik der Gemeinde.................................. 107 Indizierte Stärken und Schwächen der Integrationspolitik..................... 112 Die Integrationspolitik in der Gemeinde Rimini (RN)........................... 113 Die Umsetzung des Nationalen Fond für Migrationspolitiken............... 114 Die allgemeine Integrationspolitik in der Gemeinde.............................. 118 Indizierte Stärken und Schwächen der Integrationspolitik..................... 121 Das Zusammenspiel der Akteure (bei FNPM-Maßnahmen).................. 127 Das Zusammenspiel der Akteure in der Darstellung der Landespolitiker ....................................................................................... 127 Das Zusammenspiel lokaler Akteure in Luzzara und deren Beziehung zur Landesregierung ............................................................. 133 Das Zusammenspiel der lokalen Akteure in Rimini und ihre Beziehung zur Landesregierung ............................................................. 139 Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in den Gemeinden............... 143 Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in Luzzara (RE) .................. 143 Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in Rimini (RN) ................... 145
4.4 Integration im Schulwesen: das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ .....................................................................150 4.4.1 4.4.2 4.4.2a 4.4.2b 4.4.3
Regionale Integrationspolitik ................................................................. 151 Kommunale Integrationspolitik.............................................................. 156 Die Integrationspolitik in der Grundschule von Luzzara (RE) .............. 156 Die Integrationspolitik in der Grundschule von Rimini (RN)................ 169 Der faktische Status „interkultureller Erziehung“ in der Schule............ 176
4.5 Die Ergebnisse der Implementationsanalyse und ihre Grenzen ...............179 4.5.1 4.5.1.1 4.5.1.2
8
Der Nationale Fond für Migrationspolitiken (FNPM) ........................... 179 Die „Leitlinien“ der Landesregierung .................................................... 179 Der berufliche Werdegang der befragten Landespolitiker und die institutionelle Entwicklung des Migrationsmanagements................ 181
4.5.1.3 4.5.1.4 4.5.1.5 4.5.1.6 4.5.1.6a
Inkorporierte Evaluierungsmechanismen............................................... 183 Das Mehrebenen-Interaktionsmodell involvierter Akteure.................... 186 Der europäische Bezug regionaler Politikgestaltung ............................. 189 Der faktische Status der FNPM-Maßnahmen......................................... 191 Die FNPM-Maßnahmen zur Sprachförderung für erwachsene Zuwanderer ......................................................................... 192 4.5.1.6b Die FNPM-Maßnahmen zur Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in die Grundschule ............................................ 193 4.5.1.7 Reflexionen zum Nationalen Fond für Migrationspolitiken .................. 193 4.5.2 Das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“......................................... 197 4.5.2a Identifizierte Implementationsbarrieren ................................................. 197 4.5.2b Reflexionen zur „interkulturellen Erziehung“ in der Schule.................. 197 4.5.3 Sozio-kulturelle Aspekte der Integrationspolitik.................................... 198
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Auf dem Weg zur akteursorientierten Implementationsforschung: Situationsdefinitionen und kollektive Orientierungen zu Zuwanderern und Zuwanderung ..........................................................204 5.1 Theoretische Grundlagen zu handlungsleitenden Situationsdefinitionen und kollektiven Orientierungsmustern.............................................................204 5.2 Die Wahrnehmung der Zuwanderer und Zuwanderung in der Landesregierung........................................................................................214 5.3 Das faktische Zusammenleben von Immigranten und Autochthonen in Luzzara ..........................................................................220 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4
Die Bewertung der Zuwanderung(spolitik)............................................ 220 Die Lebenssituation der Immigranten in der Gemeinde......................... 224 Die Situation von Schülern mit Migrationshintergrund ......................... 227 Die Beziehung von Immigranten und Autochthonen in Luzzara........... 228
5.4 Das faktische Zusammenleben von Immigranten und Autochthonen in Rimini............................................................................242 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4
Die Bewertung der Zuwanderung(spolitik)............................................ 242 Die Lebenssituation der Immigranten in der Gemeinde......................... 244 Die Situation von Schülern mit Migrationshintergrund ......................... 247 Die Beziehung von Immigranten und Autochthonen in Rimini............. 250
5.5 Bestehende Situationsdefinitionen und Orientierungsmuster...................259 6
Schlussfolgerungen..................................................................................265
Literaturverzeichnis........................................................................................282 Anhang .............................................................................................................298
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1 Einleitung
Das Migrationsphänomen ist einer der bedeutsamsten Faktoren für gesellschaftliche Entwicklungen weltweit. Gleichzeitig erscheinen Migrationsbewegungen ihrerseits abhängig von einer Vielzahl unterschiedlicher Ereignisse des Weltgeschehens. Neben Krieg und Naturkatastrophen sind insbesondere wirtschaftliche Veränderungen als Ursachen für Wanderungsprozesse zu nennen. Derartige Transformationserscheinungen bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Migrationsforschung: Mit seinem Vortrag über die „Gesetze der Wanderung“ in den 1880er Jahren begründete sie Ernest George Ravenstein in der Hochphase britischer Industrialisierung und Verstädterung. In der Gegenwart haben weder die Migration noch die Erforschung ihrer Ursachen und Wirkungen an Aktualität und Relevanz verloren. Im Gegenteil: Ist die Zuwanderung von jeher Bestandteil der Menschheitsgeschichte gewesen, hat sie seit dem zweiten Weltkrieg und insbesondere seit Mitte der 1980er Jahre weltweit an Umfang und Bedeutung zugenommen (Castles/Miller 1998: 4). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts leben wir in einer Zeit sich wandelnder Grenzen. Globale Märkte und der Prozess der Europäisierung lassen die Souveränität von europäischen Nationalstaaten in einem neuen Licht erscheinen. Reflexionen und Diskussionen um das Thema der Zuwanderung und den damit verbundenen Folgen begannen in Italien, das den Kontext der vorliegenden Untersuchung bildet, erst relativ spät, d.h. Anfang der 1990er Jahre. Ein kurzer Blick auf die italienische Geschichte bietet eine mögliche Erklärung hierzu: Jahrzehntelang war Italien ein Land, aus dem die Menschen – teilweise in Massen – ausgewandert sind. Diese Erfahrung Italiens als Auswanderungsland prägte lange Zeit das Selbstverständnis der italienischen Gesellschaft. Obwohl es bereits Ende der 1970er Jahre Anzeichen dafür gegeben hatte, dass die italienische Emigrationsphase ihrem Ende zuging, verbreitete sich diese Erkenntnis nur langsam. Erst die Ermordung des jungen Südafrikaners Jerry Essan Masslo in Villa Literno (Kampanien) im Herbst 1989 bewirkte eine Veränderung: Die italienische Öffentlichkeit nahm an diesem Vorfall rege Anteil. Die Beerdigung wurde live in italienischen Medien übertragen, und die Zuwanderungsfrage trat zum ersten Mal als „emergenza“ (Notfall) auf die politische Agenda (Bonifazi 1998: 98; Macioti/Pugliese 1991: 97f; Zincone 1995: 140).
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Seitdem begegnen die italienische Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft den Migrationsbewegungen im Land mit wachsender Aufmerksamkeit. Zeitgenössische Studien italienischer Wissenschaftler zur Integration von Zuwanderern wenden sich insbesondere der qualitativen Erforschung einzelner Aspekte des Gesellschaftslebens zu: So wird etwa das Sozialverhalten albanischer Immigranten, der Medienkonsum bengalischer Zuwanderer oder die sozio-ökonomische Integration chinesischer Immigranten erforscht sowie die gesellschaftliche Teilnahme muslimischer Jugendlicher untersucht.1 Ihre Forschungsfragen konzentrieren sich oftmals auf das Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit oder der Konfession, des Geschlechts oder des Alters und scheinen die Relevanz derartiger Merkmale im Integrationsprozess indirekt zu unterstellen, ohne sie einer systematischen Kontrolle zu unterziehen. Untersuchungen zum Prozess der Politikformulierung und Politikimplementierung sind allgemein weniger verbreitet. Eine Ausnahme bildet das Turiner Forschungsinstitut FIERI um Giovanna Zincone.2 Grundsätzlich stellen in der Gegenwart sehr wenige Forschungsarbeiten in Italien das „Design“ und die Umsetzung migrations- und vor allem integrationspolitischer Maßnahmen in das Zentrum wissenschaftlicher Analyse und Reflexion. Dieser Forschungsrückstand betrifft keineswegs Italien allein. Zum Verfassungszeitpunkt des vorliegenden Promotionsvorhabens (2006) formuliert die niederländische Sozialwissenschaftlerin Joanne Van der Leun, dass die Analyse der Umsetzung migrationspolitischer Maßnahmen in der Migrationsforschung allgemein stark vernachlässigt wird (Van der Leun 2006): Little attention in the field of migration studies has gone to the relationship between formal policies and practices of implementation. (Van der Leun 2006: 310)
1 Hinsichtlich des Sozialverhaltens albanischer Immigranten siehe: Romania, Vincenzo: Farsi passare per italiani. Strategie del mimetismo sociale, Roma (Carocci editore), 2004. Bezüglich des Medienkonsums bengalesischer Zuwanderer und der sozio-ökonomische Integration chinesischer Immigranten siehe Riva und Berti: Riva, Claudio: Spazi di comunicazione e identità immigrata, Milano (Franco Angeli), 2005; Berti, 2000. Zur gesellschaftlichen Teilnahme von Jugendlichen muslimischer Konfession siehe: Frisina, Annalisa (2006): “Back-talk Focus Group as a Follow-up Tool in Qualitative Migration Research: The missing link?”, Forum Qualitative Sozialforschung [On-line Journal], 7(3), http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/3-06/06-3-5-e.htm, [Stand: 17.10.2006]. 2 Siehe dazu insbesondere die Erhebung zum Stand der diesbezüglichen Forschungslandschaft im Rahmen des europäischen Exzellenznetzwerkes „International Migration, Integration, Social Cohesion“ (IMISCOE). Näheres dazu: Zincone, Giovanna/Caponio, Tiziana/Di Gregorio, Luigi: The multilevel governance of migration. State of the art, http://xs05.fmg.uva.nl/imiscoe/extranet/ State%20of%20the% 20Art%20Reports/SOAR%20C9.pdf, [Stand: 17.10.2006], (unveröffentliches imiscoe working paper).
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Der diagnostizierte Forschungsrückstand erweist sich in zweifacher Hinsicht als relevant: Neben unzureichenden Kenntnissen der Umsetzung migrationspolitischer Vorgaben (Aufenthaltsrecht etc.) erscheint auch die Implementierung integrationspolitischer Maßnahmen derzeit wenig erforscht. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht darin, zur wissenschaftlichen Erarbeitung dieses Feldes beizutragen. Als Grundlage dienen ihr Italien als eines der ‚neuen’ Zuwanderungsländer Europas und insbesondere die italienische Region EmiliaRomagna, um Inhalt und Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen vor dem Hintergrund der faktischen Migrationssituation zu erläutern. Die Auswahl der Region begründet sich aus deren besonderen Charakteristika: Seit Jahren weist die Emilia-Romagna in ganz Italien die höchsten Anteile an Zuwandererkindern in staatlichen Schulen auf und zeigt damit deutliche Stabilisierungstendenzen des Migrationsphänomens, an dessen Anfang oftmals die Zuwanderung einer allein stehenden Person im arbeitsfähigen Alter steht. Darüber hinaus wird seitens der italienischen Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit auf die EmiliaRomagna als positives Beispiel für sozialen Zusammenhalt und erfolgreiche Integrationsaktivitäten hingewiesen.3 Dabei handelt es sich um ein Image, das von den befragten Politikakteuren auf Landesebene bewusst aufgegriffen und strategisch verwendet wird, wie im Weiteren dargelegt. Als zentrale Fragestellung rückt die vorliegende Untersuchung die Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen in den Mittelpunkt. Implementierung jedoch verlangt ein zu implementierendes Programm. Mit dem „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ (FNPM) wurde im Jahr 1998 erstmals ein Instrumentarium für die Umsetzung eines Zuwanderungsgesetzes in Italien geschaffen. Im weiteren Verlauf der Studie werden zwei Arten von Maßnahmen, die mittels FNPM gefördert werden, in ihrer konkreten Umsetzung untersucht: die Integrationsförderung von Kindern mit Migrationshintergrund in die staatliche Grundschule sowie Italienischkurse für erwachsene Zuwanderer. Beide Maßnahmen sind Bestandteil des FNPM-Programms und insofern als „spezielle Politik“ zur Integration von Zuwanderern zu klassifizieren. Im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff der „generellen Integrationsweise“ die Öffnung zentraler Institutionen der aufnehmenden Gesellschaft gegenüber Migranten. Diese Unterteilung bestehender Politiktypen zur Integrationsförderung beruht auf einem Schema Friedrich Heckmanns, der den komplexen Vorgang der Integration in eine strukturelle, kulturelle, soziale und identifikative Ebene gliedert (Heck-
3
Näheres dazu: Borkert, Maren/De Tona, Carla (2006): “Stories of HERMES: a Qualitative Analysis of (Qualitative) Questions of Young Researchers in Migration and Ethnic Studies in Europe”, Forum Qualitative Sozialforschung [On-line Journal], 7(3), http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/306/3-06-9-e.htm, [Stand: 17.10.2006].
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mann 2000: 4f und 23ff). Heckmanns Darstellung des Integrationsprozesses und damit verbundener politischer Strategien lässt sich wie folgt veranschaulichen: Tabelle 1: Integrationsebenen und politische Strategien nach Heckmann Integrationsebene
Generelle nationalstaatliche Integrationsweisen
Integrationspolitik Spezielle Politiken Bildung neuer Institutionen
Stärkung bestehender genereller Institutionen
Strukturell 1 5 9 Kulturell 2 6 10 Sozial 3 7 11 Identifikativ 4 8 12 (Quelle: Heckmann 1998: 9; leicht veränderte, eigene Darstellung)
Politiken zur Förderung der Gleichheit
13 14 15 16
Neben der „speziellen Politik“ des italienischen ‚Integrationsfonds’ (FNPM), dargestellt an der Umsetzung der beiden Maßnahmen, wurden ebenfalls Daten zur allgemeinen Situation von Zuwanderern in der italienischen Grundschule erhoben. Als „generelle Integrationsweise“ für das Schulwesen sei auf Artikel 36, Komma 3 des nationalen Zuwanderungsgesetzes Nr.40/98 verwiesen, der die Anwendung des Prinzips der „interkulturellen Erziehung“ im italienischen Schulsystem vorsieht. Er besagt: La comunità scolastica accoglie le differenze linguistiche e culturali come valore da porre a fondamento del rispetto reciproco, dello scambio tra le culture e della tolleranza; a tale fine promuove e favorisce iniziative volte alla accoglienza, alla tutela della cultura e della lingua d’origine e alla realizzazione di attività interculturali comuni. (De Vincentiis 1998: 59)
In der Übersetzung heißt das: Die Schulgemeinschaft greift die sprachlichen und kulturellen Unterschiede auf, erachtet sie als Wert und macht diesen zur Grundlage des gegenseitigen Respekts, des Austausches der Kulturen und der Toleranz; Zu diesem Zweck regt sie Initiativen hinsichtlich der Aufnahme (der Zuwanderer – Anm.d.Verf.), des Schutzes der Herkunftskultur und –sprache sowie der Durchführung gemeinsamer interkultureller Aktivitäten an und fördert diese. (De Vincentiis 1998: 59, eigene Übersetzung)
Als Adressaten des Prinzips der „interkulturellen Erziehung“ werden Zuwanderer wie Autochthone gleichermaßen angesprochen. Sein Ziel ist die Etablierung der respektvollen Koexistenz prinzipiell gleichberechtigter Kulturen. Inwieweit
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die gesetzliche Vorgabe im Schulalltag zur Umsetzung gelangt, wird Gegenstand der Untersuchungen zum institutionellen Umgang mit Herkunftssprachen, Herkunftsländern und -kulturen etc. der Schüler mit Migrationshintergrund sein. Zunächst jedoch wird in Kapitel 2 der vorliegenden Untersuchung der Frage nachgegangen, wer faktisch die Adressatengruppe konstituiert, auf die politische Maßnahmen der Integration in Italien abzielen. Im Falle Italiens gibt es zwei Hauptquellen, auf deren Grundlage die Zahl der Zuwanderer erfasst werden können. Beide Quellen und ihre Verwendung werden im Rahmen der vorliegenden Studie kritisch reflektiert. Dabei werden verschiedene quantitativen Angaben zur Anzahl der Immigranten verglichen, um ein zentrales Merkmal der Immigration nach Italien zu verdeutlichen: der hohe Anteil irregulärer Zuwanderer im Land. Ein hohes Maß an Irregularität aber stellt die Politik, insbesondere die Integrationspolitik, vor besondere Herausforderungen, wie im Folgenden herausgearbeitet wird. In Kapitel 3 wird die Entwicklung der nationalen wie regionalen Integrationspolitik aus historischer Sicht rekonstruiert. In Italien besitzen die Regionen (etwa: Bundesländer) ein Zwei-Kammer-System und sind in der Lage, für einige Teilbereiche eigene, regionale Gesetze zu erlassen. Die Emilia-Romagna ist seit den 1990er Jahren dahingehend tätig und hat nicht zuletzt durch den Erlass politischer Dokumente zu Integrationsfragen Bekanntheit erlangt. Auf der regionalen Ebene werden zudem wichtige Voraussetzungen für die Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen geschaffen: Der nationalen Gesetzesgrundlage des FNPM wird hier Gestalt gegeben. Aus dem Gesetz entsteht ein Programm, das die Interaktion der beteiligten Akteure ebenso bestimmt wie ihre Aufgabenbereiche festlegt, Kontrollinstanzen einrichtet etc. Vor diesem Hintergrund werden die wichtigsten Instrumente der nationalen und regionalen Integrationsförderung erläutert und die vielfachen Änderungen in der Handhabung des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ nachvollzogen. Einen ersten Einblick in die inhaltliche Ausgestaltung des FNPM gewährleistet die statistische Analyse der von der emilia-romagnolischen Landesregierung bewilligten Integrationsmaßnahmen für den Untersuchungszeitraum 2002/2003. Die statistische Erhebung belegt die besondere Relevanz der schulischen Integrationsförderung von Kindern mit Migrationshintergrund und im Weiteren des Italienischunterrichts für erwachsene Zuwanderer, deren Umsetzung zum zentralen Gegenstand der folgenden qualitativen Untersuchung gemacht wird. Kapitel 4 führt zunächst in theoretische Grundlagen der Implementationsforschung ein, diskutiert methodische Aspekte der qualitativen Expertenbefragung und gibt den Inhalt der durchgeführten Interviews wider. Neben Vertretern der Landesregierung der Emilia-Romagna wurden ebenfalls Akteure und Adressaten integrationspolitischer Maßnahmen in ausgewählten Gemeinden der Regi-
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on befragt. Dabei wurden Aspekte der allgemein verfolgten Strategie und der konkreten Gestaltung einzelner Maßnahmen, des Zusammenspiels der beteiligten Akteure, des bestehenden Integrationsstandes sowie der Einschätzung zukünftiger Entwicklungen erforscht. Die ausgewählten Gesprächspartner waren entweder an der schulischen Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund beteiligt oder in Italienischkursen für erwachsene Zuwanderer involviert. Die untersuchten Gemeinden wurden danach ausgewählt, dass ihnen Finanzmittel des FNPM zur Umsetzung beider Maßnahmen zugewiesen worden waren. Sie unterschieden sich in Bezug auf die Quantität der Zuwanderung. Neben der Umsetzung besagter FNPM-„Projekte“4 wurde den Gesprächspartnern wurde bewusst Raum zur Darstellung anderer lokaler Integrationsmaßnahmen gegeben, um einer inhaltlich verkürzten oder verzerrten Darstellung integrationspolitischer Aktivitäten in den kommunalen Realitäten entgegen zu wirken. Zudem konnten signifikante Unterschiede z.B. in der Evaluierung von FNPM-Maßnahmen im Bereich Soziales gegenüber Interventionen im Gesundheitswesen oder der Berufsausbildung festgestellt werden, die auf anderen Finanzmitteln beruhen. Im Rahmen dieses Kapitels werden die Aussagen der Gesprächspartner zur Umsetzung der untersuchten FNPM-Maßnahmen vor dem Hintergrund anderer integrationspolitischer Aktivitäten einer detaillierten Analyse unterzogen. Die herkömmliche Untersuchungsweise der Implementationsforschung stößt jedoch dort an ihre Grenzen, wo die individuelle Ausgestaltung der Akteursrolle und das Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit der Interviewten an Relevanz gewinnen, wie für die vorliegende Studie verdeutlicht. Insofern wird in Kapitel 5 die politikwissenschaftliche Implementationsanalyse um eine soziologische Untersuchung von Akteursorientierungen erweitert. In diesem Sinn werden die individuellen und kollektiven Situationsdefinitionen und Deutungsmuster analysiert, die dem kommunikativen und sozialen Umgang mit dem Phänomen der Zuwanderung und den Zuwanderern zugrunde liegen. In verstärktem Maße, so wird verdeutlicht, nehmen die befragten Italiener Migration in organisatorischer, sozialer und kultureller Hinsicht als problematisch wahr. Ihre Akzeptanz dagegen folgt wirtschaftlichen Notwendigkeiten und demographischen Prämissen. Diese Muster werden auf der Grundlage des systematischen Vergleichs der verschiedenen Interviewgruppen herausgearbeitet und ihre Gültigkeit diskutiert. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zusammengefasst und ihre Relevanz über Italiens Grenzen hinaus diskutiert. Es wird ein Schema der verschiedenen Phasen der Entstehung von Integrationspolitik (Politikformulierung, Politikoperationalisierung, Politikimplementierung) 4
Der Gebrauch der Begriffe Projekte und Maßnahmen orientiert sich an der synonymen Verwendung des italienischen Originaltexts. Näheres siehe Kapitel 3.
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entwickelt und in seiner Abhängigkeit von beeinflussenden Faktoren auf unterschiedlichen Ebene des Politikprozesses dargestellt. Die gewonnenen Erkenntnisse der entwickelten ‚akteursorientierten Implementationsanalyse’ werden kritisch gewürdigt. Ein signifikanter Anteil der verwendeten Fachliteratur sowie sämtliche legislative und (verwaltungs)politische Dokumente lagen in italienischer Sprache vor. Sie wurden von der Verfasserin übersetzt und für die vorliegende Untersuchung zugänglich gemacht. Sämtliche Interviews wurden auf Italienisch geführt und transkribiert. An Stellen, an denen es notwendig und sinnvoll erschien, wurden sie in der Originalsprache (per Doppelspalttabelle) in den Fließtext eingearbeitet und ins Deutsche übersetzt, um einerseits Authentizität und andererseits ungehinderten Lesefluss zu gewährleisten. Gängige fremdsprachliche Termini, Titel etc. erscheinen kursiv. Originalzitate werden mit doppelten Anführungszeichen („“), von der Verfasserin gesetzte Anführungszeichen mit (‚’) gekennzeichnet. Die Verwendung des Begriffes „Zuwanderer“ und „mit Migrationshintergrund“ erfolgt synonym und zielt auf die Identifizierung von Personen ab, die nicht von Geburt an Italiener waren. Eine Unterscheidung der ersten, zweiten und dritten Zuwanderergeneration in Italien erschien überflüssig: alle Befragten der zweiten Generation befanden sich im Grundschulalter. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung liegt ausdrücklich in der Generierung von Hypothesen. Wie bereits betont, ist der Kenntnisstand der internationalen wie europäischen Migrationsforschung zur Umsetzung von Integrationspolitiken begrenzt. In besondere Weise kombiniert die Studie die (inhaltliche) Entwicklung gesetzlicher Grundlagen der Integrationspolitik Italiens und der Emilia-Romagna mit der Erläuterung ihrer Mehrebenen-Struktur und der Erforschung der Implementierung diesbezüglicher Maßnahmen. Neben der Analyse relevanter politischer und gesetzlicher Dokumente und der statistischen Analyse bewilligter Integrationsmaßnahmen werden in Italien durchgeführte qualitative Interviews der deutschen Soziologie zugänglich gemacht und in implementationswissenschaftlicher Hinsicht sowie vor der Fragestellung kollektiver Orientierungsmuster erforscht.
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2 Zuwanderung in Italien und der Emilia-Romagna
In Italien ist nichts beständig, außer dem Vorläufigen. Giuseppe Prezzolini, Die Regeln des italienischen Lebens, 1917
Bevor in der vorliegenden Studie auf die gesetzlichen Grundlagen der Integrationspolitik sowie ihre Umsetzung eingegangen werden kann, erscheint die Beschäftigung mit der Relevanz des Zuwanderungsphänomens in Italien und der Region Emilia-Romagna, d.h. mit seinen numerischen Ausmaßen, zentral. Insbesondere die statistische Erfassung des Migrationsphänomens sowie die Frage nach der Kongruenz des offiziellen Bildes der Zuwanderung und der tatsächlichen Präsenz an Immigranten verlangen in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeit. Eine konstant hohe Komponente an Irregularität in der Zuwanderung, wie im Falle Italiens, kann sich nachhaltig auf die Grundlagen der Politikformulierung und -implementierung auswirken (siehe Kapitel 3 und 4). Zunächst soll jedoch der Frage nachgegangen werden, wie viele Zuwanderer es in Italien bzw. der Region Emilia-Romagna tatsächlich gibt.
2.1 Die Probleme der Datenerhebung zur Migration in Italien Grundsätzlich erscheint die Qualität der statistischen Darstellung des Migrationsphänomens dadurch beeinträchtigt, dass auf Daten staatlicher Behörden zurückgegriffen wird, deren Erfassungssysteme oft strukturelle Mängel aufweisen. Darüber hinaus bergen die engen Beziehungen zwischen dem zu untersuchenden Gegenstand und der im Land verfolgten Migrationspolitik weitere Schwierigkeiten in sich: Die Ziele, die ein Land mit seiner jeweiligen Migrationspolitik verfolgt, heben fast ‚naturgemäß’ bestimmte Komponenten der Zuwanderung hervor, während sie andere vernachlässigen, und geben damit ein einseitiges oder nur fragmentarisches Bild der Migration wieder. So werden Zahlen zum Anteil minderjährigen Zuwanderer, die in italienischen Gefängnissen und Auffanglagern einsitzen, kaum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die statistische Erfassung oder die staatliche Kenntnis der Immigration spielt darüber hinaus eine wichtige Rolle im politischen Entscheidungsprozess und wird oft selbst zum Gegenstand der Politik (Bonifazi 1998: 105).
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Die beiden Hauptquellen zur statistischen Erfassung der Migration in Italien stellen die vom Innenministerium erlassenen Aufenthaltsgenehmigungen sowie das vom nationalen Statistikinstitut (ISTAT) überarbeitete Einwohnermelderegister der kommunalen Behörden, die so genannten Anagrafi Comunali, dar. Beide Quellen bergen jedoch strukturelle Mängel und tendieren dazu, die tatsächliche Präsenz an Zuwanderern in Italien zu unterschätzen. Darüber hinaus publizieren ISTAT und die italienische Caritas eigene Erarbeitungen der erlassenen Aufenthaltsgenehmigungen des Innenministeriums. Zuwanderer werden seitens des italienischen Innenministeriums in einem zentralen Ausländerregister erfasst, in dem die Angaben der einzelnen Polizeipräsidien (Questure) zusammengeführt werden. Es informiert über die Anzahl der zugewanderten Personen im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung zum Jahresende. Immigrierte Minderjährige werden jedoch aus der Erhebung ausgeschlossen, da sie allein auf den Aufenthaltsgenehmigungen ihrer Eltern vermerkt werden. Zudem weisen italienische Wissenschaftler darauf hin, dass das Archiv des Innenministeriums eine hohe Anzahl an doppelt ausgestellten sowie an nicht getilgten abgelaufenen Aufenthaltsgenehmigungen enthält (Bonifazi 1998: 109; Currle 2004: 291; Macioti/Pugliese 1991: 14f; Natale/Strozza 1997: 89f; Regione Emilia-Romagna 2003a: 11). Im Vorfeld der ersten nationalen Immigrationskonferenz von 1990 ordnete der italienische Innenminister eine Überprüfung des Archivs an. Nach dieser Revision lag die Anzahl der Aufenthaltsgenehmigungen um fast 30% niedriger als zuvor berechnet. Im Gegensatz dazu ließen die in Italien durchgeführten Legalisierungskampagnen, die so genannten sanatorie5, die Statistik ansteigen (Bonifazi 1998: 109; Currle 2004: 292; Natale/Strozza 1997: 90ff). In Erweiterung der Daten des Innenministeriums veröffentlicht die italienische Caritas jährlich ein statistisches Dossier, welches eine Schätzung der vom Ministerium nicht erfassten Minderjährigen und in Italien geborenen Kinder zugewanderter Eltern beinhaltet. Die Zahlen der Caritas weisen somit auf eine z.T. deutlich höhere Präsenz an Zuwanderern hin als andere Quellen (Caritas 2003: 99; Regione Emilia-Romagna 2003a: 11).6 Die zweite Quelle der Erfassung des Migrationsphänomens sind die Melderegister der italienischen Gemeinden, auf die sich das Nationale Statistikinstitut (ISTAT) stützt. Bei der Verwendung der Statistiken gilt es jedoch zu bedenken, dass sie die Anzahl der wohnhaften Zuwanderer mit einer gewissen Verspätung wiedergeben, da diese in der Anfangsphase ihres Aufenthalts nicht unüblicher5 Der Begriff der sanatoria bezieht sich auf ein besonderes Charakteristikum der italienischen Migrations- und Integrationspolitik, einem Verfahren zur Legalisierung irregulärer Zuwanderer. Es wurde bereits im Jahr 1982 in kleinem Umfang durchgeführt und wird seit den 1990er Jahren (mit Legalisierungen 1990, 1995, 1998 und 2002) regelmäßig wiederholt (Caritas 2003: 129ff). 6 Siehe Grafik und Tabelle 2.1.
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weise bei Verwandten oder Freunden wohnen, bzw. aufgrund der in Italien bestehenden Arbeitsbedingungen eine große territoriale Mobilität zeigen (Bonifazi 1998: 161f; Regione Emilia-Romagna 2003a: 11).7 Ein Vergleich der bestehenden Datenquellen in Italien verdeutlicht die Schwierigkeiten, verlässliche Aussagen zum Migrationsphänomen auf der Halbinsel zu treffen (siehe Abbildung 1). Abbildung 1:
Vergleich vorhandener Statistiken zur Zuwanderung in Italien Aufenthaltsgenehmigungen (Innenministerium) Aufenthaltsgenehmigungen (ISTAT) Melderegister (ISTAT) Aufenthaltsgenehmigungen (Caritas)
4.000.000 3.500.000 3.000.000 2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
(Quelle: Caritas 1999: 105-112, 2003: 99f, 2004°,2004e: 6, 2005: 6, 2006: 12 und 105, 2007: 11; Currle 2004: 310; ISTAT 2000a, 2000b, 2001, 2004A, 2004 a-c, 2005, 2006 und 2007; Ministero dell’Interno 1998, 2004a und 2004b; eigene Erarbeitung) 7 Detaillierte Informationen zu den Erhebungsgrundlagen der beiden Quellen wurden von der Verfasserin im Rahmen einer Tagung der DGD präsentiert. (Siehe dazu: Borkert, Maren: “Zuwanderung in Italien – Politikhistorie und die Erfassung des Migrationsphänomens” in: Haug, Sonja/Swiaczny, Frank: „Migration in Europa – Vorträge der 6. Tagung des Arbeitskreises Migration – Integration – Minderheiten der Deutschen Gesellschaft für Demographie (DGD) in Wiesbaden am 5. November 2004“, Heft 115/2005.
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Tabelle 2: Vergleich vorhandener Statistiken zur Zuwanderung in Italien8 Jahre
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Aufenthaltsgenehmigungen (Innenministerium) 991.419 1.095.602 1.240.721 1.033.235 1.251.994 1.388.153 1.360.049 1.512.324 2.193.999 2.325.000 2.271.680
Aufenthaltsgenehmigungen (ISTAT) 729.159 986.020 1.022.896 1.090.820 1.340.655 1.379.749 1.448.392 1.503.286 2.227.567 2.245.548 2.286.024 2.414.972
Melderegister (ISTAT) 737.793 884.555 991.678 1.116.394 1.270.553 1.464.589 1.356.590 1.549.373 1.990.159 2.402.157 2.670.514 2.938.922
Aufenthaltsgenehmigungen (Caritas)
1.250.214 1.490.000 1.686.000 1.600.000 1.850.000 2.598.223 2.786.340 3.035.144 3.690.052
(Quelle: Caritas 1999: 105-112, 2003: 99f, 2004°, 2004e: 6, 2005: 6, 2006: 12 und 105, 2007: 11; Currle 2004: 310; ISTAT 2000a, 2000b, 2001, 2004A, 2004 a-c, 2005, 2006 und 2007; Ministero dell’Interno 1998, 2004a und 2004b; eigene Erarbeitung) Deutlich treten in dem Vergleich vorhandener Statistiken zur Zuwanderung in Italien die Unterschiede zwischen den einzelnen Angaben hervor. Insbesondere die zum Teil großen Differenzen zwischen den Daten des Innenministeriums und denen des ISTAT fallen in diesem Zusammenhang ins Auge, die jedoch ab 1998 insgesamt geringer ausfallen. Die Schätzungen der Caritas nehmen jeweils Höchstwerte in den Abbildungen ein. Neben den Angaben der kommunalen Melderegister stehen dem ISTAT zur Erforschung des Migrationsphänomens die Daten der Volkszählungen in Italien zur Verfügung. Nach der letzten italienischen Volkszählung im Herbst 2001 gibt das Nationale Statistikinstitut die Zahl der in Italien lebenden Immigranten mit 1.334.889 Personen an. Bei rund 58 Millionen gezählten Einwohnern entspricht dies einem Prozentsatz von ca. 2,3% (ISTAT 2004d). Die Angaben der Caritas hingegen verweisen auf eine weitaus größere Präsenz an Zuwanderern in Italien. Ihre Schätzungen werden unterstützt durch die im Zuge des so genannten Bossi-Fini-Gesetzes9 2002 eingebrachten Anträge auf 8 Da sich die Angaben des Innenministeriums jeweils auf den 31.12., die des ISTAT auf den 01.01. des jeweiligen Jahres beziehen, wurden die Datensätze angeglichen und einheitlich auf das Ende des Jahres bezogen, um eine bessere Vergleichbarkeit zu gewährleisten. In diesem Sinne wurde in den Abbildungen die Angaben des Innenministeriums zum z.B. 31.12.2002 mit denen des ISTAT zum 01.01.2003 verglichen. 9 Näheres siehe Kapitel 3.
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Legalisierung des Aufenthaltsstatus seitens der Immigranten. Das italienische Innenministerium und die Caritas beziffern die Zahl der Anträge auf ca. 704.000, von denen rund 650.000 genehmigt wurden, welches auf eine kontinuierliche Unterschätzung der faktischen Präsenz von Immigranten in Italien durch offizielle Quellen hinweist. Nach der Einführung des „Bossi-Fini-Gesetzes“ und der damit verbundenen Legalisierungskampagne beziffert die Caritas die Zahl der in Italien lebenden Zuwanderer im Jahr 2003 auf über 2,6 Mio. Menschen. Der daraus resultierende Prozentsatz von 4,5% übersteigt deutlich die Angaben der Volkszählung (2,3%). Auch hinsichtlich der Herkunft der Immigranten korrigiert die Legalisierungskampagne das bestehende Bild der Zuwanderung in Italien: Während die Mehrzahl der gemäß Melderegister am 1. Januar 2000 wohnhaften Immigranten marokkanischer Nationalität waren, gefolgt von Albanern und Philippinen, sind es nach der Legalisierungskampagne Zuwanderer rumänischer Staatsbürgerschaft, welche die Caritas als größte nationale Gruppe identifiziert. Ihnen folgen Marokkaner, Albaner und Ukrainer. Laut Angaben der Caritas entfielen über 60% der eingebrachten Legalisierungsanträge auf Immigranten aus Osteuropa und modifizieren damit deutlich das bis dahin geltende Bild der Zuwanderung in Italien (Caritas 2004a, 2004b, 2004c und 2004d; Ministero dell’Interno 2004c; Stranieri in Italia 2004a). Generell kann demnach in Italien von einer starken Komponente an Illegalität in der Zuwanderung ausgegangen werden. 2.2 Die Präsenz der Zuwanderer in der Region Emilia-Romagna10 Ein grundlegendes Kennzeichen der Zuwanderung nach Italien – im Vergleich mit anderen EU-Mitgliedstaaten – liegt in der enormen Vielfalt an untereinander sehr verschiedenen Zuwanderergruppen und den großen Differenzen zwischen den einzelnen italienischen Regionen (etwa: Bundesländer): Während sich die süditalienischen Regionen und die Inseln erstens durch eine geringere Rate an regulär residierenden Zuwanderern und einem geringeren Prozentsatz an immigrierten Familien auszeichnen, zeigen sich in den nord- und mittelitalienischen Regionen deutliche Stabilisierungstendenzen des Migrationsphänomens (Bonifazi 1998: 135f und S.163; Regione Emilia-Romagna 2004a: 11-19 und 22-24; Zincone 2001: 163 und 249ff). 10
Zur Lage der Region Emilia-Romagna: Sie grenzt im Norden an die Lombardei, im Nordosten an Venetien, im Osten an die Adria, im Süden an San Marino, die Marken und die Toskana und im Westen an Ligurien und das Piemont. Sie wird teils als norditalienische, teils als mittelitalienische Region bezeichnet. (Siehe dazu: http://www.golbalgeografia.com/italia/emilia-romagna.htm, [Stand: 12.08.2004]; http://www.verdi100.de/presse.html, [Stand: 12.08.2004]).
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Die norditalienische Region Emilia-Romagna rangiert bereits das dritte Jahr in Folge mit rund 180.000 aufhältigen Migranten zum 31.12.200211 nach der Lombardei (ca. 420.000), dem Latium (ca. 300.000) und Venetien (ca. 185.000) an vierter Stelle in der Reihenfolge der italienischen Regionen hinsichtlich der Anwesenheit von Zuwanderern.12 Bezogen auf die Präsenz von Kindern mit Migrationshintergrund in italienischen Schulen nimmt sie (wie bereits im Vorjahr) mit 5,93% im Schuljahr 2002/2003 den ersten Platz unter den italienischen Regionen ein (Regione Emilia-Romagna 2002a: 10, 2003a: 12 und 22, 2004a: 12 und 23).13 Die Zugewanderten verteilen sich dabei nicht gleichmäßig auf dem Gebiet der Region14: Während sich mit 35.661 absolut die höchste Anzahl von Immigranten in der Provinz Bologna befindet, nimmt diese, mit einer Ausländerrate von 3,8% prozentual gesehen, nur den 5. Rang der insgesamt neun Provinzen (etwa: Landkreise) der Emilia-Romagna ein. Höhere Werte weisen diesbezüglich die Provinzen Reggio Emilia (4,4%), Ravenna (4,1%), Modena (4%) und Parma (3,9%) auf. Unter dem regionalen Mittel von 3,7%15 am 31.12.2002 liegen demnach Forlì-Cesena (3,5%), Piacenza (3,4%), Rimini (3,3%) und Ferrara (2,%). Obwohl die neun Provinzhauptstädte in absoluten Zahlen eine besondere Attraktivität auf die Immigranten auszuüben scheinen, weisen sie nur geringe Prozentsätze aus. Wesentlich bedeutsamer erscheinen in dieser Hinsicht die mittleren und kleinen Gemeinden des Hügellandes und des Apennins – ein Umstand, den die Landesregierung der Emilia-Romagna auf die geringeren Wohnkosten außerhalb der städtischen Ballungszentren sowie auf die Nähe zum Arbeitsplatz zurückführt (Regione Emilia-Romagna 2002a: 43, 2003a: 15 und 2004a: 15). Nur ein geringer Prozentsatz der sich 2002 in der Emilia-Romagna aufhaltenden Immigranten stammt aus so genannten entwickelten Ländern (9%), zu denen die 11
Das entspricht nach Angaben der Landesregierung einer Quote von 4% bis zu über 5% (Regione Emilia-Romagna 2004a: 7, 12 und 15). 12 Nicht inbegriffen sind hierbei die Anträge bzw. Bescheide auf Legalisierung der sanatoria 2002. 13 Da sich das vorliegende Promotionsvorhaben auf die Umsetzung integrativer Maßnahmen im Zeitraum 2002/2003 konzentriert, ist die folgende statistische Darstellung ebenfalls an diesen Jahren orientiert. Hinsichtlich der aktuellen Datenlage zeigt sich ein allgemeiner Anstieg der Zuwanderung, deren grundlegende Charakteristika in der Region erscheinen jedoch unverändert: mit 284.000 geschätzten aufhältigen Migranten zum 31.12.2004 rangiert die Emilia-Romagna weiterhin auf Platz vier der nationalen Statistik und nimmt mit über 43.000 eingeschriebenen Kindern mit Migrationshintergrund in staatliche Schulen (8,4%) den ersten Platz ein (Regione Emilia-Romagna 2006: 10-17). 14 Die folgenden Daten beziehen sich auf den 31.12.2002. 15 Missverständlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Landesregierung Emilia-Romagna einerseits das Verhältnis von Zuwanderern zur Gesamtbevölkerung der Region 2002 mit 4% bzw. 5% angibt, andererseits das regionale Mittel der Ausländerrate in den einzelnen Provinzen 2002 mit 3,7% angegeben wird. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass im ersten Fall auf die Daten des Innenministeriums, im zweiten Fall auf die Daten der Melderegister zurückgegriffen wurde.
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Regionalregierung die Mitgliedstaaten der EU, die Schweiz, Norwegen und Nordamerika rechnet. Bei dem Großteil der Zuwanderer in der Region (91%) handelt es sich hingegen um Menschen aus „Entwicklungsländern“, die nach fünf Herkunftsgebieten unterschieden werden. Erstmalig in der Migrationsgeschichte der Region kommt die Mehrheit der Immigranten zum 31.12.2002 nicht aus Nordafrika, sondern mit 45.491 Personen (30,3%) aus Osteuropa.16 Ihnen folgen 39.575 (26,4%) Zuwanderer aus Nordafrika, 26.482 (17,6%) Immigranten aus Asien, 17.236 (11,5%) Staatsbürger aus Afrika südlich der Sahara und 7.729 (5,15%) Migranten aus Lateinamerika. Die am stärksten vertretene Nationalität im Jahr 2002 war die marokkanische (17,7%), der die albanische (12,7%), die tunesische (6,8%), die rumänische (5,2%), die chinesische (4,3%), die senegalesische (3,3%) und die philippinische (3,1%) folgten. Den Angaben der Regionalregierung zufolge ist in den letzten Jahren insbesondere die Anzahl der Zuwanderer vom indischen Subkontinent (Pakistaner und Inder) sowie aus Ost-Europa gestiegen. Nach wie vor sei jedoch in sechs der neun Provinzen die Gruppe marokkanischer Immigranten zahlenmäßig am stärksten vertreten, während in den Provinzen Piacenza, Rimini und Forlì-Cesena die albanische Nationalität am häufigsten aufgetreten sei. Als regionaler Sonderfall repräsentierten indische Zuwanderer in der Provinz Reggio Emilia die drittstärkste nationale Gruppe. Wie schon im Jahr zuvor hielten sich Zuwanderer auch im Jahr 2002 überwiegend aus Arbeitsgründen in der Emilia-Romagna auf. Während in der Region 60,2% der Aufenthaltsgenehmigungen aus Arbeitsgründen erlassen wurden, erreichte ihr Anteil in Gesamtitalien nur einen Wert von 55,2%. Die hohe Konzentration des Aufenthalts zu Arbeitszwecken in der Emilia-Romagna spiegelt sich in der Arbeitslosenquote wider: Mit Ausnahme der Provinz Ravenna verhält sich die Ausländerrate umgekehrt proportional zur Arbeitslosigkeit in den Provinzen, d.h. je geringer die Arbeitslosigkeit in den Provinzen, desto größer die Präsenz an Zuwanderern.
16
Auf die im Zuge des „Bossi-Fini-Gesetzes“ durchgeführte Legalisierungskampagne sei hier nur verwiesen. Näheres siehe Kapitel 2.1. Die Daten entsprechen dem Untersuchungszeitraum.
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Tabelle 3: Arbeitslosigkeit und Zuwanderung in der Emilia-Romagna Provinz17 RER RE MO PR BO FC RA PC RN Prozentsatz auf- 3,7 4,4 4,0 3,9 3,8 3,5 4,1 3,4 3,3 hältiger Zuwanderer Arbeitslosenquote 3,3 2,2 2,3 2,7 2,8 3,6 3,9 4,1 4,3 (Quelle: Regione Emilia-Romagna, 2004a, S.21; eigene Übersetzung)
FE 2,0
6,4
Im Vergleich zum Vorjahr sind darüber hinaus die in der Emilia-Romagna erlassenen Aufenthaltsgenehmigungen aus familiären Gründen um 1,5% auf 31,8% gestiegen (Regione Emilia-Romagna 2003a: 16 und 39, 2004a: 16f und 20f). Das Phänomen der gestiegenen Familienzusammenführungen, das sich in verstärktem Maße seit Mitte der 1990er Jahre in der Region zeigt, wird von der Landesregierung ebenso als Indiz eines Stabilisierungsprozesses der Zuwanderung in der Emilia-Romagna gewertet wie die signifikante Anwesenheit von Schulkindern nicht-italienischer Staatsbürgerschaft. Während im Schuljahr 2001/2002 ca. 23.000 Kinder mit Migrationshintergrund (4,8%) in den Schulen der Region eingeschrieben waren, womit sie landesweit den Spitzenplatz einnahm,18 stieg ihre Anzahl im Schuljahr 2002/2003 auf fast 30.000 eingeschriebene Schüler (5,93%) an. Sie verteilten sich wie folgt auf die verschiedenen Einrichtungen: 2002/2003 waren ca. 20% der registrierten Kinder vor allem in staatlichen Kindergärten eingeschrieben (Gesamtanteil 6,31%)19, wohingegen knapp 39% die Grundschule besuchten. Hinsichtlich der Präsenz von Schülern mit Migrationshintergrund in der Grundschule zeigt sich ein grundsätzlicher Anstieg von 2,57% im Schuljahr 1997/1998 auf 7,34% im Schuljahr 2002/2003, der in den Provinzen Reggio Emilia und Modena sogar die 9%-Marke überstieg. Der Landesregierung zufolge sind die immigrierten Kinder in diesem Zusammenhang am häufigsten marokkanischer (ca. 22%) und albanischer (15,3%) Staatsbürgerschaft, gefolgt von Schülern chinesischer und tunesischer Her-
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Abkürzungen der Zeile von links nach rechts: Region Emilia-Romagna, Reggio Emilia, Modena, Parma, Bologna, Forlì-Cesena, Ravenna, Piacenza, Rimini, Ferrara. 18 Ihr folgten die Lombardei mit Mailand (3,8%), Venetien (3,66%) und das Latium mit Rom (2,34%). 19 3.712 Kinder nicht-italienischer Staatsbürgerschaft waren dabei in staatlichen und 2.311 in nichtstaatlichen Kindergärten angemeldet. Im Gegensatz dazu war die Mehrheit der italienischen Kinder in nicht-staatlichen Institutionen untergebracht. Ein Grund hierfür mögen die höheren Kosten von nicht-staatlichen Kindergärten sein.
24
kunft.20 Ein Großteil der Kinder mit Migrationshintergrund besuchte zudem die höheren Schulen, wobei mit ca. 21% 6.325 Schüler für den 1. Grad (die italienische Mittelschule) und mit ca. 17,8% 5.352 Kinder immigrierter Eltern für den 2. Grad (die italienische Oberschule) angemeldet waren. Gemessen an der Gesamtanzahl eingeschriebener Schülern entspricht dies einem Prozentsatz von 6,48% bzw. 3,73% (Regione Emilia-Romagna 2003a: 22ff, 2004a: 22ff). Die Zuwanderung in die Region Emilia-Romagna findet hauptsächlich aus Arbeitsgründen statt, wobei die gesamtitalienisch höchste Anzahl an Kindern nicht-italienischer Staatsbürgerschaft in den Schulen auf eine deutliche Stabilisierung des Migrationsphänomens in der Region hinzuweisen scheint. Die Landesregierung hält in diesem Zusammenhang fest, dass – ohne Zuwanderung – die Jugendlichen der Emilia-Romagna in den nächsten 15 Jahren nur 50% der Generation einnehmen würden, die sie ersetzen sollten. Gemäß realistischen Szenarien der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung der Region21, würden Immigranten und ihre Nachkommen bei stabiler wirtschaftlicher Aktivität in den nächsten 25 Jahren rund 25% der regionalen Bevölkerung ausmachen, wobei der Begriff der Zuwanderung sowohl die italienische Binnenmigration als auch die aus Fremdstaaten mit einschließt (Regione Emilia-Romagna 2004a: 13). Nach Einblicken in die statistische Darstellung des Migrationsphänomens in Italien und der Emilia-Romagna wird im Folgenden die Entwicklung der Integrationspolitik dargestellt und die bestehende Gesetzeslage erläutert. Dazu werden Grundlagen der Migrationsforschung vermittelt, und ihre Grundbegriffe eingeführt.
20
Obwohl die tunesische Staatsbürgerschaft gemäß der allgemeinen Präsenz von Zuwanderern an dritter Stelle liegen müsste (s.o.), nimmt sie hier nur den vierten Rang ein, da v.a. Single-Männer aus Tunesien zuwandern. Ähnliches gilt für den Senegal. 21 Diese sechs für die Emilia-Romagna geschaffenen Szenarien beruhen auf der Arbeit der Wissenschaftler Lamberto Solani und Matteo Manfredini und wurden unter dem Titel Sviluppo, occupazione e immigrazione necessaria: dibattito con i dati demografici dell’Emilia-Romagna im August 1997 in der Zeitschrift „Polis“ XI, Nr.2 veröffentlicht.
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3 Die Integrationspolitik und ihre gesetzlichen Grundlagen
Nach der Darstellung von Problemlagen im Bereich der statistischen Erfassung des Migrationsphänomens in Italien wird nun auf die Grundlagen der Politikformulierung eingegangen. Dazu werden wissenschaftliche Erkenntnisse ebenso dargestellt, wie gesetzliche Vorgaben berücksichtigt werden. Bevor die Auslegung des Integrationsbegriffes in der italienischen Politik nachvollzogen wird, soll sein wissenschaftlicher Gebrauch erläutert werden.
3.1 Grundlagen der Integrationsforschung Der Begriff der Integration, in einer Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen gebräuchlich, ist durch eine diffuse Definitionsvielfalt gekennzeichnet. Sein Alltagsgebrauch evoziert Assoziationen politischer und emotionaler Art und erschwert insofern eine wissenschaftlich-analytische Verwendung. Hartmut Esser beschreibt Integration grundsätzlich als Verhältnisbeschreibung zweier Gruppen, einer Majorität und einer Minorität. In Anlehnung an u.a. Talcott Parsons, Shmuel Eisenstadt und Milton Gordon ermittelt er drei Aspekte des Integrationsbegriffes, die man in den Dimensionen persönlich, sozial und strukturell-systemisch umschreiben kann. Esser definiert Integration erstens als „Gleichgewicht der personalen Orientierungen einer Person“, zweitens als Gleichgewicht der sozialen Beziehungen und Kontakte einer Person zu anderen Personen und drittens als Gleichgewicht der Beziehungen von Gruppen in einer Gesellschaft (Esser, 1984: 179-181). In seinem Versuch eine allgemeine soziologische Theorie der Eingliederung von Migranten zu entwickeln, kombiniert er handlungs- und lerntheoretische Ansätze der individuellen Ebene mit Fragen nach der strukturellen Beschaffenheit von Gesellschaften. Integration erscheint ihm als „Zustand des Gleichgewichts“, an dessen Anfang individuelle Lernprozesse als Re-Orientierung des Zuwanderers im Aufnahmesystem stehen (Esser 1980: 78ff). Esser unterscheidet drei Dimensionen des Integrationsprozesses: die „personale“, die „soziale“ und die „systemische Integration“ (Esser 1980: 23). Im Sinne ausbleibender Desor-
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ganisation der Migrantenpersönlichkeit und der Abwesenheit von Anomien verweist die „personale Integration“ auf einen Zustand der „Zufriedenheit“ und „Spannungsfreiheit“ bei Zuwanderern. Diese Form der Eingliederung, so hält Esser fest, „kann somit als Gleichgewicht empfundener Bedürfnisse und Ansprüche und der vorhandenen Möglichkeiten der Problemlösung interpretiert werden“ (Esser 1980: 75). Eine derartige Integration auf der Persönlichkeitsebene des Migranten kann entsprechend seinen individuellen Vorstellungen und Aspirationen auf einem hohen, aber auch auf einem nur wenig entwickelten Orientierungsniveau stattfinden (Esser 1980: 74f). Die „soziale Integration“ äußert sich in einem Gleichgewicht der sozialen Beziehungen und Kontakte einer Person zu anderen Personen. Essers Definition impliziert die Vorstellung einer quantitativen und einer qualitativen Dimension der „sozialen Integration“: zum einen erscheint die Verflechtung des Einzelnen in regelhafte Interaktionsbeziehungen relevant, zum anderen müsse die Person zur Etablierung und zum Erhalt eines derartigen Gleichgewichts zur Stabilität in der Rollenperformanz befähigt sein, d.h. ihre sozialen Rollen gemäß den Normen und Vorstellungen des Gesellschaftskontexts spielen (Esser 1980: 23f). Die „systemische Integration“ versteht Esser als „Gleichgewicht eines Makrosystems als spannungsarmes, funktionales Verhältnis der Subeinheiten untereinander“ (Esser 1980: 23). Sämtliche „begriffliche Dimensionen“ seiner allgemeinen Theorie der Eingliederung von Wanderern skizziert Esser wie folgt: Tabelle 4: Begriffsdimensionen der Eingliederungstheorie nach Esser Begriff
Dimension individuell-absolut
Akkulturation
Prozess
Integration
Zustand
Assimilation
Zustand
Prozess des Erwerbs kulturell üblicher Eigenschaften (kognitiv, identifikativ) Gleichgewicht und Spannungsfreiheit des personalen Systems Ähnlichkeit in Fertigkeiten, Orientierungen, Bewertungen, kognitive und identifikative Assimilation
Bezug individuellrelational Prozess der Aufnahme interethnischer Beziehungen; Statuseinnahme Gleichgewicht und Spannungsfreiheit relationaler Bezüge Ausübung interethnischer Rollenausübung; Statuseinnahme; soziale und strukturelle Assimilation
Kollektiv Prozess der kulturellen Homogenisierung von Kollektiven Latente Gleichgewichtigkeit eines Makrosystems Kulturelle Einheitlichkeit eines Kollektivs bei Geltung institutionalisierter Differenzierungen
(Quelle: Esser 1980: 25; leicht veränderte, eigene Darstellung)
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Hinsichtlich der zeitlichen Beziehungen der einzelnen Phasen des Eingliederungsprozesses hält Esser fest, dass die Integration von Migranten „als gelungene Veränderung des gesamten Wahrnehmungs- und Beurteilungssystems“ (Esser 1980: 72) im Sinne einer stabilen Orientierung angesehen werden kann, die aus erfolgreichen Lernprozessen resultiert (Esser 1980: 72). Insofern stellt er die Akkulturation der Integration voran, welche wiederum der Assimilation vorausgehe: „Da Integration einerseits als Folge von Lernvorgängen als Zustand der Orientierung gefasst worden war, wird sie andererseits zur (notwendigen, keineswegs hinreichenden) Voraussetzung aller langfristig abgesicherten, situationsgerechten und aktiven weiteren Assimilationsbemühung“ (Esser 1980: 80). Integration bewirke jedoch nicht zwangsläufig Assimilierung. Vielmehr müsse der Zuwanderer weitergehende Ansprüche entwickeln, um in die Assimilationsphase überzugehen. Ob es nach der Integration zur Assimilation kommt, definiert Esser als abhängig „von der Motivation, den Fertigkeiten, und den Kognitionen der Person, sowie den Opportunitäten, Barrieren und Handlungsalternativen in der neuen Umgebung des Wanderers“ (Esser 1980: 83). Bereits zuvor war darauf hingewiesen worden, dass auf der Ebene der Assimilierung die „kognitive“, der „strukturellen“ und der „sozialen Assimilation“ vorausgeht, während die „identifikative Assimilation“ ihren Endpunkt bildet (Esser 1980: 231f). Dem theoretischen Ansatz Essers ist mit seinen Vorgängern Eisenstadt und Gordon gemeinsam, dass der Prozess der Eingliederung von Zuwanderern als Kontinuum dargestellt wird, welcher sich phasenhaft und stufenweise in den verschiedenen Teilbereichen der Aufnahmegesellschaft vollzieht.22 Das anfängliche Paradigma imperativer Finalität der vollständigen „Absorption“ oder „Assimilation“ von Migranten wurde angesichts der empirischen Realität im Laufe der Theorieentwicklung zugunsten der Vorstellung einer ungleichmäßigen Eingliederung in die Aufnahmegesellschaft aufgegeben. Allgemein geht die Akkulturation der Integration voraus, die auf der individuell-subjektiven Ebene als persönlicher Lernprozess und auf der institutionellen Ebene als systemische Öffnung von Handlungsräumen und Bereitstellung von Handlungsalternativen definiert wird. Eine grundsätzliche Folge der Eingliederung von Migranten ist die faktische strukturelle Pluralisierung der Aufnahmegesellschaft (Esser 1980: 23-25, 72-75, 78-83 und 231f, 1984: 179-181; Gordon 1978: 85, 106, 110-114, 246f, 251-253 und 264f; Han 2000: 303-308). In Kapitel 2 war gezeigt worden, dass tendenziell von einem hohen Anteil an illegaler Zuwanderung in Italien ausgegangen werden kann. Wie im Folgenden zu sehen sein wird, wird diese Eigenart der italienischen Immigration in migrations- wie integrationspolitischer Hinsicht ‚mitgedacht’ und entsprechend 22
Aufgrund der schweren Zugänglichkeit des Originaltextes folgt die Darstellung der Aussagen Eisenstadts zur Integration den Angaben von Han. Gordon und Esser lagen im Original vor.
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berücksichtigt. Grundsätzlich erweisen sich Migrations- und Integrationspolitik in Italien als untrennbar miteinander verbunden.
3.2 Gesetzliche Grundlagen der Migrations- und Integrationspolitik in Italien Jahrzehntelang war Italien durch eine besonders starke Auswanderungsdynamik gekennzeichnet: Im Zeitraum von 1876 bis 1988 verließen ca. 20 Mio. Italiener auf der Suche nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen oder zur Familienzusammenführung ihre Heimat, und man nimmt an, dass etwa 6 Mio. von ihnen definitiv im Ausland geblieben sind. Erst mit der Ölkrise 1973 und der damit beginnenden Umsetzung restriktiverer Aufnahmebestimmungen in den traditionellen Einwanderungsländern Europas (wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien) wurde der Migrationsaldo Italiens positiv. Handelte es sich bei dieser Migrationsbewegung zunächst noch um zurückkehrende Migranten italienischer Abstammung, so nahm langsam aber stetig auch die Anzahl der Zuwanderer aus Drittstaaten zu (Bonifazi 1998: 88 und 90f; Macioti/Pugliese 1991: 5f und 12f; Natale/Strozza 1997: 28ff; Zincone 1995: 137). Die Zuwanderung dieser Zeit traf dabei in Italien auf eine Art juristische Leere, auf eine praktisch nicht existente italienische Gesetzgebung im Bereich der Einwanderungsbestimmungen und auf ein Fehlen diesbezüglicher effizienter Kontrollen, oder anders: auf eine „Politik der offenen Türen“ (Zincone 1995: 137). Die damalige rechtliche Mangelsituation Italiens wurde mit ministeriellen Rundschreiben zu gesonderten Aspekten der Immigration zu mindern versucht. Die so genannte prassi a legiferare per circolari (Praktik der Gesetzeserlassung per Rundschreiben) war jedoch unter den verschiedenen Ministerien nicht ausreichend koordiniert und wurde von juristischer und verfassungsrechtlicher Seite her stark kritisiert (Bonifazi 1998: 90f; Zincone 1995: 137). Dieser rechtlich prekäre Zustand endete mit der Erlassung des ersten Immigrationsgesetzes im Jahr 1986 (Nr.943), das die damalige Fokussierung der italienischen Migrationspolitik auf die reine Arbeitsplatzfrage widerspiegelte. Die Ermordung des jungen Südafrikaners Jerry Essan Masslo im August 1989 jedoch führte zu einer veränderten Wahrnehmung der Migration nach Italien. Das unter diesem Eindruck entstandene Zuwanderungsgesetz Nr.39/90 („Martelli-Gesetz“)23 zielte darauf ab, den Immigranten in Italien ein „würdigeres Leben“ (zitiert nach Zincone 1995: 140) zu ermöglichen. Gleichzeitig sollte jedoch die Anzahl der Neuankömmlinge radikal reduziert werden. 23
In Italien ist es üblich, Gesetze(svorlagen) nach den Politikern zu bezeichnen, auf deren Initiative sie zurückgehen.
29
Modifiziert wurde das „Martelli-Gesetz“ vor allem im Bereich der Aufenthaltsbestimmungen im Jahr 1995 durch das „Dini-Dekret“, der Verordnung mit Gesetzeskraft Nr.489. Das im Jahr 1998 eingeführte Immigrationsgesetz Nr.40 („Turco-Napolitano“), das bis heute maßgeblich den Umgang mit den Zuwanderern in Italien bestimmt, basiert auf den drei Säulen der staatlichen Steuerung der Immigration (Quotenregelung), der Bekämpfung illegaler Migration und der Förderung der Integration bereits ansässiger Zuwanderer.24 Als neuste Entwicklung im Bereich der italienischen Migrationsgesetze ist das Gesetz Nr.189 („Bossi-Fini-Gesetz“) zu nennen, das am 11. Juli 2002 verabschiedet wurde (Bonifazi 1998: 95ff; Cestim 2002 und 2004; De Vincentiis 1998; Natale/Strozza 1997: 87f; Zincone 1995: 138-143). Begleitet wurden die genannten zuwanderungsrechtlichen Bestimmungen jeweils von einem charakteristischen Element der italienischen Migrationsgesetzgebung, den so genannten sanatorie, einem Verfahren zur Legalisierung von Immigranten. Während die sanatoria von 1986 trotz Ausdehnung der Einreichungsfrist von vier auf achtzehn Monate aufgrund niedriger Beteiligung nicht als Erfolg gewertet werden konnte, erhielten in den Legalisierungskampagnen der 1990er Jahre (1990, 1995, 1998) ca. 645.000 Menschen eine regulären Aufenthaltsstatus. Allein in der sanatoria des Jahres 2002 belief sich diese Zahl auf rund 650.000 Zuwanderer. Die regelmäßige Wiederholung und offensichtliche Konsolidierung der Kampagnen gemessen an den Regularisierungszahlen legen nahe, dass sich die sanatorie als fester Bestandteil der italienischen Migrationspolitik etabliert zu haben scheinen (vgl. Bonfazi, 1998, S.95; Caritas, 2003, S.129-138).25 Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die migrationspolitischen Bestimmungen des Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 und dessen Modifikationen durch das Gesetz Nr.189/2002 gegeben werden, um danach auf zentrale Einrichtungen der italienischen Integrationspolitik einzugehen.26 24
In diesem Zusammenhang scheint es sinnvoll kurz auf einige Besonderheiten der italienischen Gesetzgebung hinzuweisen. Artikel 47 des Zuwanderungsgesetzes Nr.40/98 sieht den Erlass eines Gesetzesdekrets (decreto legge - DL) durch die italienische Regierung vor, um das Immigrationsgesetz in Einklang mit bestehendem Recht zu bringen. Dieses DL Nr.286/98, der so genannte Testo Unico (TU), ‚adaptiert’ das Zuwanderungsgesetz an die bestehende Rechtslage. Die generellen Linien der Migrationspolitik Italiens werden demnach im Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 fixiert und im TU, dem DL Nr.286/98, konsolidiert. Das ebenfalls im Bereich der italienischen Migrationsbestimmungen oft genannte Dekret des Präsidenten der Republik D.P.R. Nr.394/99 enthält wiederum detaillierte Bestimmungen für die Durchführung des DL Nr.286/99 (Camera dei Deputati 2003: 1; De Vincentiis 1998: 72; Presidente della Repubblica 1999). 25 Siehe dazu auch Kapitel 2.1. 26 Die folgende Verwendung der Begriffe „Maßnahme“, „Aktivität“, „Intervention“ etc. ist dem italienischen Originaltext entlehnt. Ebenso sind die wiedergegebenen Bezeichnungen für Ministerien, Abteilungen etc. am italienischen Original orientiert.
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3.2.1 Das Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 und seine Modifizierung im Jahr 2002 Seit 1998 wird die reguläre Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen nach Italien durch Quoten geregelt.27 Jedes Jahr setzt die italienische Regierung auf der Basis des gemeldeten Bedarfs an Arbeitskräften im Land die Anzahl der Menschen fest, denen die Einreise zur Verstärkung des nationalen Arbeitsmarktes gestattet wird.28 Die Steuerung der Zuwanderung soll durch drei politische Instrumentarien gewährleistet werden, das documento programmatico (Programm), das decreto sui flussi (Zuwanderungsdekret) und das decreto sugli ingressi degli studenti universitari (Dekret zur Zuwanderung von Universitätsstudenten). Das documento programmatico wird alle drei Jahre von der Regierung verfasst und dem Parlament zur Begutachtung durch seine zuständigen Kommissionen vorgelegt.29 Es enthält eine Analyse des Migrationsphänomens und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen sowie generelle Linien für die Definition zulässiger Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen. Es beschreibt neue Interventionen des Staates im Bereich der Migrationssteuerung (internationale Abkommen etc.) und stellt soziale und ökonomische Maßnahmen zur Förderung der Integration regulärer Zuwanderer vor. Mit dem decreto sui flussi (Zuwanderungsdekret), hingegen, wird jährlich auf der Grundlage des oben beschriebenen Programms die Maximalquote an Drittstaatsangehörigen festgesetzt, die zu Arbeitszwecken nach Italien einreisen dürfen.30 Die darin enthaltenen Quoten sind unterteilt nach Saisonarbeitern, Selbständigen und Nicht-Selbständigen. Spezielle Berufe wie Informatiker und Krankenschwestern werden bevorzugt behandelt. Darüber hinaus ist eine bestimmte Anzahl an Aufenthaltsgenehmigungen Einreisewilligen aus Ländern mit „hohem Migrationsdruck“ vorbehalten, mit denen Italien spezielle Abkommen zur Zuwanderung unterhält.31 27
Zwar bestand schon seit 1990 die Vorgabe, Quoten für zuwanderungsbereite Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu bestimmen, faktisch wurde jedoch von der Quotenregelung nicht Gebrauch gemacht (Currle 2004: 286f). 28 Seit Einführung der Quotenregelung wird von Seiten der italienischen Regionalverwaltungen und Arbeitgeberverbände konstant auf deren Unangemessenheit hingewiesen. (Siehe dazu: Immagine Immigrati Italia: Rassegna Stampa dal 9 al 12 Settembre, http://www.immagineimmigratiitalia.it/ rassegna/rassegna41.html, [Stand: 18.11.2004], Quotidiano Nazionale: Clandestini/Le polemiche. Attacco alla ‚Bossi-Fini’, Giovanardi: „È da rifare”, http://qn.quotidiano.net/art/2004/08/24/ 5356189, [Stand: 18.11.2004], Stranieri in Italia: Immigrazione. La Cia: “È cambiata la Bossi-Fini ma la situazione è peggiorata”, http://www.stranieriinitalia.it/news/cia16nov2004.htm, [Stand: 21.11.2004]). 29 Der Erlass des documento programmatico basiert auf Art. 3, Komma 1 des Gesetzes Nr.40/98. 30 Das decreto sui flussi wird gemäß Art. 3, Komma 4 des Gesetzes Nr.40/98 erlassen. 31 In ihrem ersten Jahr (1998) wurde die Quote auf 27.000 Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten festgelegt. Im Jahr 1999 betrug sie 58.000, danach 63.000 im Jahr 2000 und 83.000 im Jahr 2001. In
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Das Dekret zur Zuwanderung von Universitätsstudenten bestimmt die maximale Anzahl von Studenten aus Nicht-EU-Ländern, die mittels einer Aufenthaltsgenehmigung Zugang zu italienischen Hochschulen erhalten.32 Gemäß dem Zuwanderungsgesetz referiert die italienische Regierung jährlich über die mit dem documento programmatico erreichten Ziele (Camera dei Deputati 2003: 2f; Consiglio dei Ministri 2000 und 2001; Currle 2004: 286f; De Vincentiis 1998: 19ff; Ministero del Lavoro e delle Politiche Sociali 2005 und 2006; Stranieri in Italia 2004b). Die Präsentation des documento programmatico für die Jahre 2004-2006 im November 2004 durch die Regierung Berlusconi führte zu vehementen Reaktionen seitens der Regionen, Provinzen und Gemeinden sowie der Arbeitnehmerverbände, welche die mangelnde Bereitschaft zur Integration von Zuwanderern und die fehlende Mittelausstattung des Programms kritisierten (Stranieri in Italia 2004c und 2004d). Unmittelbar nach ihrem Wahlsieg im April 2006 hat die neu gewählte Regierung Prodi von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die vorgesehene Quote von 170.000 um weitere 350.000 Personen auf insgesamt 520.000 Zuwanderer für das Jahr 2006 zu erhöhen (Ministero dell’Interno 2006). Neben der Steuerung der Zuwanderung bezieht sich die zweite Säule des Immigrationsgesetzes Nr.40/98 explizit auf die Bekämpfung der illegalen Migration und umfasst damit sowohl Menschen, die irregulär, d.h. ohne Visum nach Italien einreisen, als auch solche, die über die Gültigkeit ihres Visums hinaus im Land verbleiben. Nach zitiertem Recht müssen derartige Personen an den Grenzen zurück- oder aber aus dem Staatsgebiet ausgewiesen werden. Für den Fall, dass die betroffenen Personen notärztlicher Hilfe bedürfen, ihre Identität oder Nationalität festgestellt werden muss, Reisedokumente ausgestellt werden müssen oder kein geeignetes Transportmittel zur Verfügung steht, werden sie auf Anordnung des Polizeichefs und nach richterlicher Bestätigung in sogenannten centri di permanenza temporanea (Zentren des zeitweiligen Aufenthalts) untergebracht. Die rechtlichen Bestimmungen zur Bekämpfung illegaler Zuwanderung beziehen sich auf eine Reihe von Maßnahmen, unter denen die Abweisung an der Grenze (Art.10), die Ausweisung als Sicherheitsmaßnahme für rechtskräftig verurteilte Schwerverbrecher ausländischer Staatsbürgerschaft (Art. 15), die Ausweisung als Substitutiv-Strafe für Haft (Art. 16) und die „espulsione ammi-
den Jahren 2002 und 2003 sank sie auf jeweils 79.5000 ab. 2004 wurde die Quote auf 79.000 festgesetzt. Im Jahr 2005 belief sie sich auf 79.500 und im Jahr 2006 auf 80.000. 32 Der Erlass des Dekrets zur Zuwanderung von Universitätsstudenten basiert auf Art. 39, Komma 4 des DL Nr.286/98.
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nistrativa“ (verwaltungsmäßige Ausweisung) (Art.13) fallen.33 Letztere wird vom Präfekten angeordnet und besteht in der Begleitung der fraglichen Person an die Staatsgrenze durch die italienischen Ordnungskräfte oder in Ausnahmefällen in der Aufforderung, Italien innerhalb von 15 Tagen zu verlassen. Der italienische Ausweisungsbescheid besitzt eine Gültigkeit von 10 Jahren. Ein Wiedereintritt vor Ablauf dieser Frist wird (im Falle des Aufgreifens durch die Ordnungskräfte) strafrechtlich verfolgt (Camera dei Deputati 2003: 3; De Vincentiis 1998: 21f). Zur Förderung der Integration regulärer Zuwanderer besitzt das Immigrationsgesetz Nr.40/98 sowie der TU Nr.286/98 eine Reihe von Anordnungen, die ihnen die Wahrung grundlegender Rechte garantieren. Zu diesen fundamentalen Rechten gehören das Recht auf Verteidigung im Gerichtsverfahren (Art.17), auf Familienzusammenführung (Art.28), auf Gesundheit (Art.38) sowie das Recht auf Bildung (Art.39) und das Recht auf Unterkunft (Art.40). Zu den auf dieser Grundlage entwickelten Instrumentarien gehörte die Einrichtung einer „Kommission für Integrationspolitiken“ (Art.46), die einen jährlichen Bericht zum Stand der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen zu verfassen und der Regierung Interventionsvorschläge zu unterbreiten hatte sowie in beratender Funktion zur Seite stehen sollte.34 Darüber hinaus wurde mit dem Immigrationsgesetz Nr.40/98 eine unbefristet geltende Aufenthaltskarte (carta di soggiorno) eingeführt, die jeder Zuwanderer für sich, seinen Ehepartner und seine minderjährigen Kinder beantragen konnte, der sich mindestens fünf Jahre regulär in Italien aufhielt (Art.9). Gleichzeitig wurde der Kampf gegen Diskriminierungen rechtlich verankert (Art. 44) und ein nationaler Fond für die Umsetzung der migrationspolitischen Bestimmungen eingerichtet (Art.45)35 (Camera dei Deputati 2003: 3f; De Vincentiis 1998: 48ff, 54ff und 59-70).36 Eine Änderung der bestehenden italienischen Rechtslage im Bereich Zuwanderung brachte der Wahlsieg des Mitte-Rechts-Bündnisses Casa delle Libertà unter dem Vorsitz von Silvio Berlusconi im Mai 2001 mit sich. 33
Sämtliche bisherige und folgende Artikelangaben, die einer Publikation der Abgeordnetenkammer entstammen, beziehen sich auf den Testo Unico, das DL Nr.286/98, lassen sich jedoch auch an anderer Stelle im Immigrationsgesetz Nr.40/98 wieder finden. (Siehe dazu: De Vincentiis 1998). 34 Besagte Kommission, die offiziell als Commissione per le politiche di integrazione degli immigrati bezeichnet wurde, hat unter dem Vorsitz von Giovanna Zincone in den Jahren 2000 und 2001 den ersten bzw. den zweiten rapporto sull’integrazione degli immigrati in Italia (Bericht zur Integration der Zuwanderer in Italien) veröffentlicht, danach jedoch ihre Aktivitäten eingestellt. 35 Auf den Fondo per le Politiche Migratorie wird im folgenden Kapitel detaillierter eingegangen. 36 Eine ausführliche Darstellung der informellen Entscheidungsprozesse, die im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes Nr.40/98 stattgefunden haben, findet sich bei Zincone, Giovanna/Di Gregorio, Luigi: The immigration policy process in Italy: an integrated scheme of interpretation, FIERI, 2002, http://www.mronca.it/Fieri/papers/DG_ing_24.09.doc, [Stand: 13.08.2004].
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Die hauptsächliche Neuerung des unter der Regierung Berlusconi verabschiedeten Gesetzes Nr.189/2002, das im September 2002 in Kraft trat, bestand in einer Verschärfung der Einreisebestimmungen: Allein solchen Drittstaatsangehörigen, die über einen Arbeitsvertrag verfügen, ist seitdem die Einreise nach Italien gestattet. In diesem Sinne wird die Aufenthaltserlaubnis zum contratto di soggiorno, zum Aufenthaltsvertrag, der auf maximal zwei Jahre befristet ist und in dem sich der italienische oder regulär residierende zugewanderte Arbeitgeber verpflichtet, dem einreisewilligen Drittstaatsangehörigen eine „angemessene Unterkunft“ zur Verfügung zu stellen und die Reisekosten für die Rückkehr des unselbständig Erwerbstätigen in sein Herkunftsland zu übernehmen. Verliert der ausländische Arbeitnehmer seine Beschäftigung in Italien, hat er nicht wie noch gemäß Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 und TU Nr.286/98 ein Jahr Zeit, sich eine neue Arbeitstelle zu suchen, sondern muss bereits nach einem halben Jahr in sein Herkunftsland zurückkehren. Die Mindestaufenthaltsdauer für den Erhalt der carta di soogiorno (unbefristete Aufenthaltskarte) wurde von fünf auf sechs Jahre angehoben. Darüber hinaus wurde mit dem Gesetz Nr.189/2002 die italienische Abschiebungs- und Ausweisungspraxis restriktiviert: Zur Bekämpfung und Erschwerung der illegalen Migration wurde das Berufungsverfahren gegen den Ausweisungsbescheid grundlegend geändert, die Strafen für einen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot wurden verschärft und irregulär aufhältige Zuwanderer sollten bei Aufgriff unmittelbar an die italienische Staatsgrenze begleitet werden (Camera dei Deputati 2003: 5f; Currle 2004: 285ff und 290; Pasca 2004). Das italienische Verfassungsgericht hat jedoch im Juli 2004 die Bestimmungen zur sofortigen Ausweisung – ohne vorherige Anhörung und richterlichen Bescheid – sowie die obligatorische Haft für in Italien aufgegriffene Zuwanderer mit Ausweisungsbescheid für verfassungswidrig erklärt (Corte Costituzionale 2004a und 2004b). Daraufhin wurde ein Gesetzesvorschlag zur Modifizierung des „BossiFini-Gesetzes“ erarbeitet und im November 2004 von der Abgeordnetenkammer mit den Stimmen der Mitte-Rechts-Regierung gebilligt. Der Gesetzesvorschlag beinhaltet u.a. neue Bestimmungen zur Ausweisung und die Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmigung in italienischen Banken oder der Post erneuern zu lassen. Darüber hinaus sieht er die Bestätigung des Ausweisungsbescheids durch einen Friedensrichter vor. Gerade der Umstand des Rekurses auf einen Friedensrichter wurde in diesem Zusammenhang jedoch von der Opposition als Kriminalisierung der Immigranten kritisiert (Stranieri in Italia 2004e und 2004f). Derzeit arbeitet die Regierung Prodi an einem neuen Zuwanderungsgesetz. Im März 2007 wurde dazu der Gesetzesentwurf „DDL Amato-Ferrero“ veröf-
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fentlicht, dessen explizites Ziel darin besteht, reguläre Immigration zum Zwecke wirtschaftlicher Rentabilität zur erleichtern. Derzeit gehen Schätzungen davon aus, dass das Gesetz jedoch nicht vor zwei bis drei Jahren in Kraft tritt (Stranieri in Italia 2007a und 2007b). Grundsätzlich lässt sich eine starke Ausrichtung auf und konstante Beschäftigung mit dem Thema der illegalen Zuwanderung in der italienischen Migrationsgesetzgebung konstatieren. Der versuchten Steuerung der Immigration wird in diesem Zusammenhang ebenso Relevanz beigemessen wie der Bekämpfung illegaler Migration. Zudem scheinen sich die beschriebenen Legalisierungskampagnen als fester Bestandteil der italienischen Gesetzgebung etabliert zu haben, aber auch in integrationspolitischer Weise versucht man, der Anwesenheit irregulärer Zuwanderer Rechnung zu tragen. In diesem Sinne erhalten Kindern mit Migrationshintergrund unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus Zugang zu den italienischen Bildungsinstitutionen, und erwachsenen Immigranten wird das Recht auf medizinische Grundversorgung zuerkannt. Die Eingliederung der Zuwanderer versucht man über folgende Instrumentarien zu fördern. 3.2.2 Zentrale Einrichtungen der italienischen Integrationspolitik37 3.2.2a Consigli Territoriali per l’immigrazione (Gebietsräte für Zuwanderung) Diese mittels Dekret des Ministerpräsidenten vom 18.12.1999 geschaffenen Räte sind über das gesamte Staatsgebiet verteilt. Sie unterstehen dem Vorsitz des jeweiligen Präfekten und setzen sich aus Vertretern der zuständigen lokalen Verwaltungen des Staates, aus Repräsentanten der Region, der lokalen Ämter, der Handelskammer und aus örtlichen Vereinigungen, die im Bereich der Zuwanderung aktiv sind, sowie aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zusammen. Die von den Gebietsräten angestrengten Initiativen werden vom Dipartimento per le libertà civili e l’immigrazione (Departement für zivile Freiheiten und Zuwanderung) des Innenministeriums beobachtet und verfolgt. Deren Angaben zufolge finden Maßnahmen zur interinstitutionellen Zusammenarbeit, zur Konzertierung vorhandener Akteure bei der Analyse von Bedürfnissen und Problemen der Zuwanderer, zur Adaption von Integrationspolitiken an die verschiedenen lokalen Kontexte sowie zur Verwirklichung von effizienten Hilfs- und Integrationsmaßnahmen für Immigranten immer stärkere Verbrei37
Die hier dargestellten Instrumentarien der italienischen Integrationspolitik erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Vielmehr erfolgte ihre Auswahl gemäß der Schwerpunktsetzung der vorliegenden Studie.
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tung.38 Die „Kommission für Politiken zur Integration von Immigranten“39 bezeichnet die Consigli Territoriali per l’immigrazione als fundamentale Stütze der Regierung bei der Steuerung der Migrationspolitik und sieht in ihrer Einrichtung eine große Chance zur Entwicklung einer organischen Politik im Bereich der Förderung der Integration von Drittstaatsangehörigen in Italien (Ministero dell’Interno 2004d; Zincone 2001: 800f).
3.2.2b Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie (Nationaler Fond für Migrationspolitiken) Unter den im Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 verankerten integrationspolitischen Instrumentarien ist der so genannte Nationale Fond für Migrationspolitiken (FNPM) von besonderer Bedeutung. Bis zu seinem Ende im Jahr 2004 wurden mit ihm jährlich die staatlichen Finanzressourcen festgelegt, die explizit der Integration der Zuwanderer – im speziellen ihrer Aufnahme, ihrer sozialen Integration, der interkulturellen Erziehung sowie dem Erwerb der italienischen Sprache – dienen sollten. Allein der Einsatz von 20% der Fondgelder oblag der Zentralverwaltung. Die Direzione generale per l’immigrazione (Zuwanderungsgeneraldirektion) des Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitiken40 investierte diesbezügliche Mittel insbesondere in Pilotprojekte und experimentelle Initiativen mit Vorbildcharakter. Neben der nationalen Reichweite bestand ihr Ziel darin, die Verbreitung und Realisierung von Integrationspolitiken auf lokaler Ebene zu fördern (Ministero del Lavoro e delle Politiche Sociali 2004a und 2004b). Die verbleibenden 80% hingegen wurden nach einem sozio-demographischen Schlüssel auf die italienischen Regionen und die beiden autonomen Provinzen Trento und Bozen aufgeteilt. 38
Eine detaillierte Darstellung der einzelnen Initiativen sowie eine diesbezügliche Analyse finden sich auf den Internetseiten des Innenministeriums. (Siehe dazu: Le iniziative, http://www.mininterno.it/ news/pages/nodate/news_000016968.htm, [Stand: 14.09.2004] sowie Monitoraggio delle iniziative, http://www.mininterno.it/news/pages/2001/200104/ news_000014866.htm, [Stand: 14.09.2004].) 39 Näheres siehe Kapitel 3.2.1. 40 Dieses Ministerium wurde im Zuge der Neustrukturierung der Regierung gemäß DL Nr.300/1999: „Riforma dell’organizzazione del Governo, a norma dell’articolo 11, della legge 15 marzo 1997, n.59“ und dessen Modifikationen durch DL Nr.217/01 sowie Gesetz Nr.317/01 geschaffen. In ihm wurden das bis dato bestehende Ministero del Lavoro e della Previdenza Sociale (Ministerium für Arbeit und Sozialfürsorge) mit dem Department für soziale Angelegenheiten, das dem Präsidium des Ministerrates unterstand und bei der Umsetzung der Migrationspolitik eine zentrale Rolle spielte, zusammengelegt (Zincone 2001: 769ff). (Siehe dazu auch: Ministero del Lavoro e delle Politiche Sociali: Direttiva Generale Annuale sull’azione amministrativa e sulla gestione, anno 2002, http://www.minwelfare.it/minlavoro/Ministro/DirettivaUfficiale2002.pdf, [Stand: 15.05.2002]).
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Im Jahr 1998 betrug die zur Disposition stehende Summe des FNPM 70,5 Mrd. Lire (ca. €36,4 Mio.), von denen per Dekret des Ministerpräsidenten (vom 28.09.1998 und 17.12.1998) 56,4 Mrd. (ca. €29,1 Mio.) auf die Regionen und autonomen Provinzen Italiens aufgeteilt wurden. In den Folgejahren sank diese Zahl auf insgesamt 68 Mrd. Lire (ca. €35,1 Mio.), von denen gemäß Dekret des Ministerpräsidenten (vom 06.08.1999 und 23.06.2000) in den Jahren 1999 und 2000 jeweils 54,4 Mrd. Lire (ca. €28,1 Mio.) den Regionen und autonomen Provinzen zur Förderung der Integration von Zuwanderern zur Verfügung standen. Seit dem 01.01.2001 wird der „Nationale Fond für Migrationspolitiken“ formal als Teil des Nationalen Fonds für Sozialpolitiken ausgewiesen, wie er mit Gesetz Nr.388 im Jahr 2000 geschaffen wurde.41 Im Jahr 2001 betrug die Summe der zur Verfügung stehenden Gelder 81 Mrd. Lire (ca. €41,8 Mio.), von denen per Dekret des Ministeriums für Soziale Solidarität (vom 20.03.2001) 16,2 Mrd. (ca. €8,3 Mio.) an die italienischen Verwaltungen und 64,8 Mrd. (ca. €33,5 Mio.) an die italienischen Regionen und autonomen Provinzen gingen. Diese Zahl belief sich im Jahr 2002 hingegen gemäß Dekret des Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitiken (vom 08.02.2002) auf €41,9 Mio. insgesamt, wovon 8,4 Mio. auf die Verwaltung und 33,5 Mio. auf die Regionen entfielen42 (Dipartimento per le Riforme Istituzionali e la Devoluzione 2004; Zincone 2001: 769ff). Seine grundlegendste Änderung erfuhr der „Nationale Fond für Migrationspolitiken“ jedoch im Jahr 2003. Im Zuge der Restrukturierung der Staatsbilanzen (gemäß Art.46 des Gesetzes Nr.289 vom 27.12.200243) verlor er nicht nur seine finanzielle Eigenständigkeit und wurde im Nationalen Fond für Sozialpolitiken aufgelöst, entsprechende Staatsgelder müssen seitdem auch nicht mehr zwangsläufig in Migrationspolitiken investiert werden. Vielmehr entscheiden die einzelnen Regionen selbständig über die Prioritäten der Verwendung ihrer Ressourcen für Soziales (ASGI 2003; Bonetti 2003; Conferenza dei Presidenti delle Regioni e delle Province autonome 2003; Dipartimento per le Riforme Istituzionali e la Devoluzione 2004). 41
Zwar war die Ausweisung des Nationalen Fonds für Migrationspolitiken als Teil des Nationalen Fond für Sozialpolitiken bereits gemäß Art.133 des Gesetzesdekrets TU Nr.286/98 vorgesehen, jedoch sahen Art.58 und Art.59 des DPR Nr.394/99 andere Verteilungsmodalitäten vor. 42 Gemäß des Dekrets des Ministerpräsidenten DPCM vom 23.07.2002 zum Thema „Ordinamento delle strutture generali della Presidenza del Consiglio” wurde das Ministerium für soziale Solidarität aufgelöst. Mit dem Gesetz Nr.317 aus dem Jahr 2001 wurde hingegen im Sinne der Neustrukturierung der Regierung das Ministerium für Arbeit und Sozialfürsorge geschaffen. (Näheres siehe Fußnote 40). 43 Es handelt sich hierbei um das so genannte Finanzgesetz 2003, wörtlich: Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato, das am 30.12.2002 in der Gazetta Ufficiale (dem Amtsblatt), Supplemento Ordinario (Normaler Anhang) n.240 veröffentlicht wurde.
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Mittels des nationalen Sozialfonds werden die so genannten Piani Sociali Regionali (Regionale Sozialpläne) und die Piani Sociali di Zona (Zonensozialpläne)44 finanziert, in denen sämtliche Dienste und Leistungen für bedürftige Personen zusammengezogen werden. Die Verantwortung für die Realisierung der sozialen Dienste obliegt dabei in gesetzgeberischer Hinsicht den italienischen Regionen45 und bezüglich der konkreten Realisierung den lokalen Ämtern (Ministero del Lavoro e delle Politiche Sociali, 2004c und 2004d). In den Jahren seiner Existenz war der „Nationale Fond für Migrationspolitiken“ demzufolge sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in seiner Handhabung Änderungen unterworfen. Während die insgesamt zur Verfügung gestellten Gelder des Jahres 1998 um rund €1,3 Mio. in den Folgejahren zurückgingen, stiegen sie zum Jahr 2001 um 6,7 Mio. an und hielten sich auch im Jahr 2002 auf einem Niveau von rund €41,9 Mio. Seit 2003 obliegt es allein der Kompetenz der einzelnen Regionen Italiens, Mittel zur Förderung der Integration von Zuwanderern bereitzustellen. Sie sind jedoch nicht dazu verpflichtet. Darüber hinaus verlagerte sich die Verteilung der Fondgelder seit seinem Bestehen vom italienischen Ministerpräsidenten zum Ministerium für Soziale Solidarität. Im Zuge der Umstrukturierung der Regierung unter Berlusconi wurde das Ministerium für Arbeit und Sozialfürsorge für seine Handhabung verantwortlich gezeichnet. Zur Situation der Integrationsförderung nach Auflösung des FNPM gewähren die Aussagen von Provinz- und Gemeindeverwaltungen Einblick, die im Rahmen der Kritik des neuen documento programmatico (Programms) der Regierung Berlusconi für die Jahre 2004-200646 zusätzliche Mittel für die Integration der Zuwanderer fordern (Stranieri in Italia 2004d).
3.3 Gesetzliche Grundlagen der Integrationspolitik der Emilia-Romagna Gemäß der italienischen Verfassung sind die Regionen des Landes autonome Einrichtungen, denen im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung der Republik und ihren Regeln des Zusammenlebens eine selbständige Verwaltung zugestanden wird: Zwar sind die Aktivitäten der Regionen in jedem Aspekt den fundamentalen Prinzipien der Verfassung verpflichtet, doch genießen sie die Freiheit, 44
Diese Pläne verdanken ihren Namen den Einheiten des nationalen Gesundheitsdienstes, auf die sie sich beziehen. 45 In Italien besitzen auch die Regionen ein Zweikammersystem, die Giunta Regionale (Regionalausschuss) und den Consiglio Regionale (Landesrat), der auf Landesebene Gesetze erlässt. (Siehe dazu: Edizioni Giuridiche Simone: Manuale di Diritto Amministrativo e di Diritto Pubblico, http://www.ff-bz.com/forum/read.php?f=6&i=4654&t=4654, [Stand: 18.08.2004]). 46 Siehe auch Kapitel 3.2.1.
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das jeweilige Territorium nach eigenen Vorstellungen zu verwalten und in einigen Bereichen gesetzgeberisch tätig zu werden, wie in der Organisation der Sozialdienste, der Gesundheitsfürsorge, der Bildungs- und Unweltpolitik etc.. Jeder Region liegt ein Statut zugrunde und sie basiert auf einem Zwei-KammernSystem, dem Consiglio (Rat) und der Giunta (Ausschuss), mittels derer sie ihre Aufgaben wahrnimmt.47 Während der Rat dabei hauptsächlich gesetzgeberisch tätig wird und Kontrollfunktionen erfüllt, ist die Giunta vorwiegend für die Umsetzung der Beschlüsse verantwortlich. Jedes von der Region verabschiedete Gesetz wird der nationalen Regierung zur Kontrolle vorgelegt. Die Region Emilia-Romagna stützt sich (dem Subsidaritätsprinzip folgend) zum Zwecke eines effizienten Systems der Selbstverwaltung explizit auf die Mitarbeit der Province (Provinzen) und Comuni (Gemeinden) (Regione EmiliaRomagna: 2001a). 3.3.1 Regionale Gesetzgebung im Bereich Zuwanderung Die erste gesetzgeberische Maßnahme der Region Emilia-Romagna in Hinblick auf das Migrationsphänomen datiert auf das Jahr 1990. In Anlehnung an die nationalen Immigrationsgesetze Nr.943/86 und Nr.39/90 wurde das Landesgesetz L.R. Nr.14 mit dem Titel „Iniziative regionali a favore dell’emigrazione e dell’immigrazione“ („Regionale Initiativen zugunsten der Aus- und Zuwanderung“) erlassen, welches die damaligen Prinzipien nationaler Gesetzgebung auf die regionale Ebene übertragen sollte. Zu seinen zentralen Punkten gehörte, die Gemeinden zur Entwicklung von Maßnahmen im Integrationsbereich anzuregen und Sprachkurse sowohl in der italienischen als auch in der Muttersprache der Zuwanderer anzubieten. Des Weiteren sollte die Gründung von Firmen mit mehr als 50% immigrierten Arbeitskräften aus Drittstaaten unterstützt sowie Non-Profit-Organisationen in der Region gefördert werden, die seit mehr als fünf Jahren in der Region im Migrationsbereich aktiv waren. Zusätzlich wurde die Consulta regionale per l’emigrazione e l’immigrazione, ein regionaler Rat für Zu- und Abwanderung geschaffen.48 47
Für die Region Emilia-Romagna wurde am 14. September 2004 ein neues Statut erlassen, in dem der Begriff des Consiglio regionale in die Bezeichnung Assemblea legislativa (gesetzgebende Versammlung) geändert wurde. (Siehe dazu: Regione Emilia-Romagna: Nuovo statuto per l’EmiliaRomagna, http://www.regione.emilia-romagna.it/wcm/NotizieUfficioStampa/2004/set/statuto.htm, [Stand: 17.09.2004] bzw. http://www.regione.emilia-romagna.it/wcm/NotizieUfficoStampa/ 2004/ set/statuto/Statuto.pdf, [Stand: 17.09.2004]). 48 In der Folgezeit war der zitierte Rat mehrfach Änderungen unterworfen. Zum Verfassenszeitpunkt widmen sich die zweimal im Jahr stattfindenden Versammlungen v.a. dem Thema emiliaromagnolischer Bürger (2. Generation) im Ausland. (Siehe dazu: Consulta per l’Emigrazione: Presentazione,
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Bereits fünf Jahre später, 1995, wurde die bestehende regionale Gesetzgebung durch das Landesgesetz Nr.35 dahingehend modifiziert, dass ein „Forum“ aus Zuwandererorganisationen eingerichtet wurde, welches als Mittler zwischen der Region und den Immigranten selbst agieren sollte. Zudem wurde die Zusammensetzung des regionalen Rates für Zu- und Abwanderung geändert und die Anzahl der Migrantenvertreter, die nunmehr vom Forum der Zuwandererorganisationen bestimmt wurden, von acht auf zwanzig erhöht. Grundsätzlich erwies sich die Umsetzung der Migrationsgesetzgebung in der Emilia-Romagna in ihren Anfängen jedoch als prekär: Nach einer ersten Öffnung und des Beginns von Maßnahmen Anfang der 1990er Jahre erlebte die Region bald eine Phase der Inaktivität und der geringen Aufmerksamkeit gegenüber der Zuwanderungsthematik. Als deren Folge fiel die Finanzierung der beschlossenen Maßnahmen nur sehr gering aus, und Gesetzesvorgaben wurden nur unzureichend umgesetzt.49 Als Hauptursache hierfür identifiziert eine Publikation der Region selbst interne Organisationsprobleme: in den 1990er Jahren seien insgesamt drei verschiedene Abteilungen für die Zuwanderungspolitik der Emilia-Romagna verantwortlich gewesen, so dass es ihnen neben der geringen Erfahrung auch an Zeit gemangelt habe, die Umsetzung der Gesetzesvorgaben voranzutreiben. Dieser Zustand endete erst 1997/1998, als die Migrationspolitik der Region im Wesentlichen dem Assessorat für Sozialpolitiken50 überantwortet wurde. Die migrationsrechtlichen Neuerungen auf nationaler Ebene wurden als regionaler Gesetzesvorschlag Nr.4693/98 „Norme per l’inserimento sociale dei cittadini stranieri immigrati“ („Bestimmungen zur sozialen Integration zugewanderter Bürger“) umformuliert, um die Prinzipien des Zuwanderungsgesetzes Nr.40/98 mit den Vorschriften und Vorhaben des regionalen Gesetzes Nr.14/90 in Einklang zu bringen. Auf dieser Grundlage wurden im Folgenden Einrichtungen für die Beratung von Zuwanderern und die Planung von Projekten geschaffen sowie der Bereich der Aufnahme und Unterkunft der Migranten in der Region verstärkt (Regione Emilia-Romagna 2001b: 117-122). Allgemein wird von Experten der Regionalregierung festgehalten, dass ein Vergleich der migrationspolitischen Maßnahmen der Emilia-Romagna mit dehttp://www.emilianoromagnolinelmondo.it/wcm/emilianoromagnolinelmondo/consulta_emigrazione /presentazione.htm, [Stand: 21.09.2004] bzw. http://www.regione.emilia-romagna.it/Consulta/storia consulta.doc, [Stand: 21.09.2004]. 49 Nach Angaben der Region wurden von 1990-1995 schätzungsweise nur 1,5-2 Mrd. Lire (etwa €775.000 bis €1 Mio.) für Migrationsbelange ausgegeben. 50 Der damalige Titel des Assessorats wird mit Assessorato alle Politiche Sociali e Familiari, Scuola, Qualità urbana, Immigrazione e Aiuti Internazionali (Assessorat für Sozial- und Familienpolitiken, Schule, Stadtqualität, Zuwanderung und Internationale Hilfen) angegeben (Regione EmiliaRomagna 1999a: 4).
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nen anderer Regionen wie der Toskana, Venetien oder der Lombardei schwer fällt, (…) da die Unterschiede zu den anderen Regionen nicht so sehr in den gesetzgeberischen Maßnahmen der Intervention bestehen, als vielmehr in ihrer effektiven Umsetzung mit regionalen Geldern, die in den anderen Kontexten während der 1990er Jahre in Relation gehaltreicher und dauerhafter geflossen sind. (Regione Emilia-Romagna 2001b: 122; eigene Übersetzung)
Die bislang letzte gesetzgeberische Intervention der Landesregierung im Migrationsbereich datiert auf den 24. März 2004, an dem das regionale Gesetz L.R. Nr.5 „Norme per l’integrazione sociale dei cittadini stranieri immigrati. Modifiche alle leggi regionali 21 febbraio 1990, n.14 e 12 marzo 2003, n.2” („Bestimmungen für die soziale Integration zugewanderter Bürger. Modifikationen der Landesgesetze Nr.14 vom 21 Februar 1990 und Nr.2 vom 12 März 200351“) verabschiedet wurde. In erklärter Abkehr von der „Logik des Bossi-FiniGesetzes” beschäftige sich das Regionalgesetz Nr.5/2004 nicht mit Neuankömmlingen, sondern richte seine Aufmerksamkeit auf regulär in der Region residierende Zuwanderer. Dabei verfolgt es nach Darstellung der Landesregierung die Intention, den in der Emilia-Romagna ansässigen Migranten die gleichen Rechte und Pflichten zu gewähren wie allen anderen Bürgern. Im Rahmen einer „universalistischen Politik“ sollen dabei keine neuen Einrichtungen speziell für Zuwanderer geschaffen werden, vielmehr wolle man diesen den Zugang zu bereits bestehenden Diensten erleichtern. Der Landesminister für Sozialpolitik und Immigration der Region Emilia-Romagna, Gianluca Borghi, betont in diesem Zusammenhang, dass das Regionalgesetz Nr.5/2004 nicht nur lange vor dem „Bossi-Fini-Gesetz“ (Nr.189/2002) auf den Weg gebracht wurde, im Gegensatz zu Letzterem versuche es auch, Rechte und Pflichten von Autochthonen und ansässigen Allochthonen so zu definieren, dass Konfrontationen vermieden würden (Regione Emilia-Romagna 2004b und 2004c). Ein weiteres Beispiel für eine intensivierte Beschäftigung mit migrationspolitischen Themen seit den 1990er Jahren, stellt das so genannte protocollo d’intesa in materia di immigrazione (Verständigungsprotokoll im Bereich Zuwanderung) dar, das im Folgenden erläutert wird.
51 Das Gesetz Nr.2 vom 12 März 2003 mit dem Titel „Norme per la promozione della cittadinanza sociale e per la realizzazione del sistema integrato di interventi e servizi sociali“ („Bestimmungen zur Förderung des sozialen Staatsbürgertums/Einwohnerschaft und zur Realisierung eines integrierten Systems von Maßnahmen und sozialen Diensten“) ist zwar nicht den Migrationsgesetzen zuzurechnen, bezieht sich in sozialpolitischer Hinsicht jedoch auch auf die Zuwanderung im Land (Regione Emilia-Romagna 2004c).
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3.3.2 Das protocollo d’intesa in materia di immigrazione (Verständigungsprotokoll im Bereich Zuwanderung) Bereits 2001 unterzeichnete die Landesregierung der Emilia-Romagna zusammen mit lokalen Ämtern, sozialen Verbänden und dem Forum des dritten Sektors ein so genanntes Verständigungsprotokoll, dessen erklärtes Ziel es war, für reguläre Zuwanderer und ihre Familien paritätische Zugangschancen zum beruflichen und gesellschaftlichen Leben der Region zu schaffen. Mit dem Protokoll verpflichtet sich die Landesregierung, rechtlich und administrativ die Realisierung migrationsspezifischer Maßnahmen auf dem Gebiet der Zuwanderungssteuerung, der Arbeit und Berufsausbildung, der Wohnungspolitik und der sozialen Integration zu gewährleisten. Hinsichtlich der Migrationssteuerung befürwortet das Protokoll eine genauere Bedarfsanalyse und ein besseres Zusammenspiel des regionalen Arbeitskraftbedarfs und des immigrierten Arbeitskraftangebots, zu denen vermehrt Ressourcen der Landes- und Provinzverwaltung sowie von (lokalen) Sozialverbänden eingesetzt werden sollen. Zusätzlich sollen weitere Abkommen mit Staaten geschlossen werden, deren Arbeitskraftprofil mit den Erfordernissen des regionalen Arbeitsmarktes übereinstimmt, wobei grundsätzlich an der Zusammenarbeit mit dem nationalen Arbeitsministeriums festgehalten wird. Der Staatsregierung wird vorgeschlagen, die Prozeduren für die Anerkennung von ausländischen Studienleistungen zu beschleunigen und Bestimmungen für Ausländer zu erlassen, die an der Absolvierung von Praktika und anderen Arbeitserfahrungen auf italienischem Territorium sowie einem sukzessivem Arbeitseinstieg interessiert sind. Die unterzeichnenden Parteien raten dazu, bestehende aufenthaltsrechtliche Normen aufzuheben, die eine illegale Beschäftigung fördern: In besonderer Weise wird hier die Situation von Asylbewerbern hervorgehoben, denen bei nur geringfügiger staatlicher Unterstützung verboten ist, einer Arbeit nachzugehen. Zudem werden die geringen Möglichkeiten zur Umwandlung von Aufenthaltsgenehmigungen anderer Natur in solche aus Arbeitsgründen unterstrichen. Dem Thema Arbeit und Berufsausbildung räumen die unterzeichnenden Parteien eine zentrale Rolle bei der Eingliederung und sozialen Inklusion der Migranten in der Region ein. In dem zitierten Protokoll vereinbaren sie, zunächst einen Überblick über die von der Region und den Provinzen realisierten Maßnahmen zu gewinnen, die mittels regionaler Gelder und mit Hilfe des Europäischen Sozialfonds finanziert werden. Nach ihrer Ansicht sollen dabei Aktivitäten gefördert werden, die über Orientierungshilfen, persönliche Beratung und Ausbildungsinitiativen die Vermittlung von Zuwanderern in den regionalen Arbeitsmarkt erleichtern. Es wird vereinbart, Informationsschalter und -dienste
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einzurichten und Immigranten in ihrer beruflichen Selbständigkeit zu unterstützen. Eine marktorientierte Ausbildung der (jugendlichen) Zuwanderer wird angestrebt, und Sprachbarrieren sollen abgebaut werden. Die unterzeichenen Parteien bekräftigen ihren Willen, auf der Grundlage des EU-Programms Equal Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung der Immigranten zu entwickeln und zum Zwecke der Optimierung von Arbeitskraftnachfrage und angebot die Rolle der servizi per l’impiego (Beschäftigungsagenturen) zu stärken. Die bestehenden Zentren der Erwachsenenbildung im Land sollen auf das Migrationsphänomen ausgerichtet, Projekte zur Förderung der beruflichen Selbständigkeit der Zuwanderer vorangetrieben sowie Versuche von Seiten (vor allem weiblicher) Migranten, illegale Arbeitsverhältnissen zu beenden, unterstützt werden. Ein bedeutsamer Stellenwert wird ebenso der sozialen Integration der Zuwanderer beigemessen: Aufgrund der veränderten Qualität der Zuwanderung in der Region, d.h. des Zuwachses an immigrierten Familien, deren Bedürfnisse sich über das Arbeitsleben hinaus vor allem auch auf das Gemeinschaftsleben, die Freizeit und den Zugang zu wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen und Bildungsinstitutionen erstrecken, vereinbaren die unterzeichnenden Parteien die Förderung diesbezüglicher Maßnahmen. Generell stimmen sie dabei den Vorschlägen der Nationalen Kommission für Politiken zur Integration von Immigranten52 zu, die den Bedarf zur Evaluierung von Sozialpolitiken betont und anstatt spezieller Programme für Zuwanderer die Öffnung genereller Politiken für Migranten befürwortet. In diesem Sinne sollen Sprachkurse für erwachsene Immigranten angeboten werden, die aus der konstanten Zusammenarbeit der regionalen Schuldirektion mit den lokalen Ämtern zum Zwecke der besseren Bedarfsorientierung resultieren. Besondere Relevanz wird auch der Figur des „kulturellen Vermittlers“ eingeräumt, zu der ein Berufsprofil entwickelt und spezielle Trainingskurse angeboten werden sollen. Die interkulturelle Kompetenz öffentlicher und privater Ämter soll weiter ausgebaut sowie das Vereinswesen der Zuwanderer und „spontane Formen der Versammlung“ gefördert werden.53 Insbesondere sollen die Beziehungen zwischen den Zuwanderervereinen und den italienischen Institutionen verbessert, und den Migranten ein paritätischer Zugang zur Bildung, zu wohlfahrtsstaatlichen Diensten und zum Arbeitsmarkt zugesichert werden. Die Situation von Frauen und Minderjährigen soll in diesem Kontext in speziellem Maße berücksichtigt werden. Grundsätzlich wird der Vorstellung Ausdruck verliehen, dass das Schulwesen sowohl für Kinder als auch für Erwachsene die Möglichkeit zum gegenseitigen Kennenlernen biete 52
Näheres siehe Kapitel 3.2.1. Inhaltlich führt das Verständigungsprotokoll den Ausdruck der „nuove forme di aggregazione spontanea“ („neue Formen der spontanen Ansammlung“) nicht weiter aus.
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und Kenntnisse über die verschiedenen Kulturen verbreiten sowie dem Konzept der „interkulturellen Erziehung“ folgen solle.54 In dem protocollo d’intesa (Verständigungsprotokoll) verpflichten sich die Landesregierung und anderen Akteure – nationalem Recht folgend (Art.42, Komma 6 und Art.44 des TU Nr.286/98) –, die Consulta regionale per l’integrazione sociale degli immigrati (Landesrat für die soziale Integration von Zuwanderern) zu etablieren sowie Zentren zur Beobachtung des Migrationsphänomens, der Information und der rechtlichen Beratung für Migranten zu schaffen.55 Zur Verbesserung der Gesamtkoordination wird vereinbart, auf dem Gebiet der Migrationspolitik die Bildung von „technischen Gruppen“ auf Landesebene voranzutreiben und mit den Provinzen eine Ausweitung der gleichen Praxis auf lokalem Niveau abzustimmen. Die unterzeichenden Parteien betonen die Notwendigkeit, ein jährliches Monitoring der unternommenen Aktivitäten im Zuwanderungsbereich durchzuführen, und beauftragen die Landesregierung, die Möglichkeit einer Verständigung mit der Staatsregierung bezüglich der Umsetzung des Verständigungsprotokolls zu prüfen – auch vor dem Hintergrund der Mobilisierung finanzieller Ressourcen (Regione Emilia-Romagna 2001c).56 Nach der Veröffentlichung des zitierten protocollo d’intesa (Verständigungsprotokolls) wurden in allen neun Provinzen der Emilia-Romagna im Herbst 2002 Folge-Abkommen unterzeichnet. Generell schlossen sich diese inhaltlich zwar den Vorgaben der Landesregierung an, einige Provinzen nahmen jedoch auch Sonderzielsetzungen in ihre Protokolle auf. So räumten ForlìCesena, Ravenna und Rimini der Bildung und der Gesundheitsfürsorge einen besonderen Stellenwert ein, während die Provinz Ferrara ihre Prioritäten im Bereich Mobilität und Transportwesen57 und die Provinz Modena in der nicht 54
Auf den inhaltlichen Teilaspekt der regionalen Wohnungspolitik wird unter dem Hinweis des zentralen Erkenntnisinteresses des Promotionsvorhabens in der Darstellung verzichtet. 55 Obwohl das Verständigungsprotokoll bereits 2001 unterzeichnet wurde, wurde die Einrichtung besagter Consulta regionale per l’integrazione sociale degli immigrati erst mit dem regionalen Gesetz L.R. Nr.5/2004 „Norme per l’inserimento sociale dei cittadini stranieri immigrati“ (Bestimmungen für die soziale Integration zugewanderter Bürger) rechtlich verankert. Diese Institution, die v.a. in beratender Form aktiv ist und der Giunta Regionale (Landesausschuss) Vorschläge zur Anpassung der Gesetze an das Migrationsphänomen unterbreitet, untersteht dem Vorsitz des Landesassessors für Zuwanderung und setzt sich aus achtzehn Vertretern von Zuwandererorganisationen (je zwei pro Provinz), drei Arbeitgeber- und drei Gewerkschaftsvertretern zusammen sowie aus drei Repräsentanten von Gemeinden und drei Mitgliedern des dritten Sektors, aus einem Vertreter der Consigli territoriali per l’immigrazione (Gebietsräte für Zuwanderung), einem Vertreter des Landesschulbüros und einem Repräsentanten der Generaldirektion Arbeit. 56 Nähere Informationen finden sich im Kapitel 3.3.3, insbesondere in den Passagen zum 2000er Programm. 57 Leider wird dies inhaltlich nicht weiter spezifiziert.
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gesteuerten Immigration (Flüchtlinge, unbegleitete Minderjährige, Opfer sexueller Ausbeutung etc.) und der Bekämpfung von illegaler Zuwanderung und Schwarzarbeit setzten (Regione Emilia-Romagna 2003b; Regione EmiliaRomagna 2004a: 8 und 132-193). Der kurze Überblick der bisherigen Entwicklungen im Bereich der Politikformulierung verdeutlicht die Beschäftigung mit und den Erlass von Bestimmungen und Bereitschaftserklärungen zur Zuwanderung seitens der Landesregierung der Emilia-Romagna. Lässt aber die Produktion zahlreicher politischadministrativer Dokumente tatsächlich auf eine entschiedene Gestaltungsabsicht zu diesem Thema schließen? Bereits für die 1990er Jahre war festgestellt worden, dass sich die Emilia-Romagna hinsichtlich gesetzgeberischer Maßnahmen nur gering von anderen Regionen unterscheidet, dass sich jedoch Differenzen in der Mittelausstattung und effektiven Umsetzung der beschlossenen Interventionen zeigten.58 Der Frage nach dem aktuellen Stand der Umsetzung regionaler Integrationspolitik wird in den folgenden Kapiteln nachgegangen. Zunächst soll jedoch die Handhabung einer wesentlichen Ressourcenquelle der Eingliederung, der „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“, in der Emilia-Romagna beschrieben werden, um mögliche Implikationen für die Realisierung diesbezüglicher Maßnahmen zu beleuchten.
3.3.3 Der Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie (Nationaler Fond für Migrationspolitiken) auf regionaler Ebene59 Von besonderer praktischer Relevanz für die regionale Integrationspolitik ist der 1998 geschaffene „Nationale Fond für Migrationspolitiken“, dessen Ressourcen jährlich nach einem sozio-demographischen Schlüssel auf die italienischen Länder aufgeteilt werden. Die zugewiesenen Gelder müssen dabei durch Finanzmittel der Regionen aufgestockt werden, die offiziellen Dokumenten zufolge im Falle der Emilia-Romagna mindestens 20% der zugewiesenen Summe betragen. Von Seiten des Consiglio regionale (Landesrates) wurde im Jahr 2000 hingegen ein Pflichtanteil von 35% befürwortet.60
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Näheres siehe Kapitel 3.3.1. Sämtliche Angaben zu der Handhabung des FNPM und der zur Verfügung gestellten Finanzressourcen sind diesbezüglichen Dokumenten der Landesregierung entnommen und unterliegen ihrer Verantwortung. 60 Vor dem Hintergrund der aufzuwendenden Eigenbeteiligung der Region wird für die Programme der Jahre 1999 und 2000 der Beitrag der lokalen Ämter betont. Seit 2001 wird jedoch auf den regionalen Fond für Sozialpolitiken verwiesen. Näheres siehe Kapitel 3.2.2b. 59
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Für den Zeitraum seiner Existenz unterlag die Handhabung des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“61 auf regionalem Niveau signifikanten Änderungen. Die folgende Darstellung geht in detailliertem Maße auf diesbezügliche Modifikationen ein, um Einsicht in das Zusammenspiel der involvierten politischen Akteure zu gewähren und auf implementationsanalytisch relevante Problemlagen hinzuweisen. Im Jahr 1999, in dem zum ersten Mal Beschlüsse zur Verteilung der Fondgelder von 1998 gefasst wurden, identifizierte die Region Emilia-Romagna allein zwei große Felder der Integrationspolitik: zum einen Aktivitäten zur Ausbildung der Zuwanderer und zur interkulturellen Erziehung sowie zum anderen Maßnahmen zur Aufnahme von Migranten in Notfällen. In den so genannten Leitlinien, in denen die Ziele der Integrationspolitik und die Kriterien der finanziellen Verteilung schriftlich niedergelegt wurden, berief sie sich auf die im Documento programmatico62 festgesetzten Ziele der italienischen Migrationspolitik: a) positive Beziehungen zu schaffen, b) gleiche Möglichkeiten des Zugangs sowie Schutz der Unterschiede zu garantieren und c) Rechte der legalen Vertretung zu sichern. Zur Verteilung der Gelder des FNPM wurden diese direkt an die neun comuni capoluogo di provincia (Provinzhauptstädte)63 gesandt. Bei den mit rund 788 Mio. Lire (ca. €407.005)64 finanzierten 27 Maßnahmen zur Förderung der Eingliederung von Zuwanderern blieb es den Empfängern frei gestellt, Abkommen mit anderen Gemeinden oder privaten wie öffentlichen Subjekten, sozialen Kooperativen oder Freiwilligenorganisationen zu schließen (Regione Emilia-Romagna 1999a und 1999b). Nach einem eher geringen Verwaltungseinsatz bei der Zuweisung und Anwendung der Ressourcen im Jahr 1999 differenzierte sich diese Praxis in den Folgejahren aus. Die Neuerungen des Jahres 2000 werden im Weiteren deshalb detailliert dargestellt, da sie zukunftsweisend für die kommenden Jahre waren. Bereits das „Programm“65 2000, welches auf Fondgeldern des Jahres 1999 beruhte, nahm die Provinzverwaltungen stärker in die Verantwortung: Während 61
Seit der Umstrukturierung der Staatsbilanzen zum Jahr 2003 hat der Nationale Fond für Migrationspolitiken seine Autonomie verloren. Nähere siehe Kapitel 3.2.2b. 62 Das documento programmatico (Programm) wird gemäß Art.3, Komma 1 des Zuwanderungsgesetzes Nr.40/98 sowie Art. 3 des TU Nr. 286/99 erlassen. Näheres siehe Kapitel 3.2.1. 63 Die Gemeinde Cesena wurde ebenfalls adressiert, die mit Forlì zusammen eine Provinz bildet. 64 Tatsächlich wurde der Emilia-Romagna ca. 3,028 Mrd. Lire (etwa €1,56 Mio.) aus dem „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ zugewiesen, von denen aber nur besagte 788 Mio. Lire für die Finanzierung von Integrationsmaßnahmen unter den Gemeinden aufgeteilt wurden. Die verbleibenden 2,24 Mrd. Lire (ca. €1,16 Mio.) erhielten die Gemeinden zum Zwecke der realizzazione di strutture di accoglienza (Realisierung von Strukturen der (ersten) Aufnahme) von Migranten. 65 Die Bezeichnung „Programm“ folgt der Bezeichnung des italienischen Originals als Il Programma delle attività a favore degli immigrati previsto dal decreto legislativo 286/98 (Das Programm der Aktivitäten zugunsten von Zuwanderern, vorgesehen gemäß Gesetzesdekret Nr.286/98).
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die Landesregierung die Ziele und Kriterien für die Zuweisung der Gelder festlegte und die zitierten „Leitlinien“ verfasste, übernahmen die Provinzverwaltungen zum ersten Mal die Förderung und Koordinierung der lokalen Aktivitäten. In diesem Sinne waren Letztere dazu angehalten, „procedure di concertazione“ („Prozeduren der Konzertierung“) anzuwenden, d.h. im Rahmen der vorgegebenen regionalen „Leitlinien“ und in Zusammenarbeit mit den lokalen Ämtern die Interventionsfelder zu identifizieren, die Priorität genießen sollten. Ebenso wurden die Gemeinden nachdrücklich darauf hingewiesen, dass vor allem solche „Projekte“66 finanziert werden, an denen sich mehrere Gemeinden beteiligten. Zudem sollten sie die Partizipation anderer öffentlicher Ämter (lokale Gesundheitsdienste, Schulämter etc.) sowie von Wirtschaftsverbänden, Sozialverbänden und Zuwandererorganisationen fördern und zur Formalisierung der Abkommen raten, die zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren getroffen würden. Nach der Konzentrierungsphase waren die Provinzen verpflichtet, den so genannten piano territoriale (Gebietsplan) an die Region zu senden, der die Projektvorschläge der lokalen Akteure beinhaltete. Die Landesregierung ihrerseits musste diesen innerhalb von 90 Tagen billigen und die entsprechenden Gelder zuweisen. Den Provinzen oblag zudem die Verantwortung, die Umsetzung der einzelnen „Gebietspläne“ zu überwachen, wohingegen das Land diese evaluieren sollte. Wie bereits 1999 so übernahm die Landesregierung auch im Jahr 2000 die im Dreijahresprogramm der Staatsregierung (documento programmtico) festgeschriebenen Ziele der nationalen Integrationspolitik als Felder ihrer Intervention. In der Folge präzisierten acht der neun Provinzen ihre eigenen Prioritäten zur Förderung der Eingliederung von Zuwanderern. Allein die Provinz Rimini übernahm ohne weitere Spezifizierungen die vorgegebenen Makroziele. Für das Programm des Jahres 2000 erhielt die Emilia-Romagna rund 3,919 Mrd. Lire (ca. €2,024 Mio.) aus dem „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“. Die Verteilung der Gelder auf die einzelnen Provinzen erfolgte dabei (wie schon 1999) nach einem einheitlichen Zuweisungssystems des Landes, während sich auf der Ebene der Provinzen klare Unterschiede in der Handhabung der Fondgelder abzeichneten: Während Bologna, Modena und Reggio Emilia ihr zur Verfügung stehendes Budget den einzelnen distretti socio-sanitari (Bezirken des nationalen Gesundheitsdienstes) zuwiesen, um jeweils singuläre Projekte zu realisieren, förderten die Provinzen Forlì-Cesena, Parma, Piacenza, Ravenna und Rimini, die „spontane Gruppenbildung“ und Maßnahmenformulierung der Gemeinden. Ferrara hingegen regte auf Provinzniveau ein einziges Projekt an, das sämtliche Gemeinden erfasst haben soll.
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Die Verwendung des Begriffes „Projekt“ folgt dem italienischen Original „progetto“.
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In allen neun Provinzen wurden zur Koordinierung der Projekte während der Monate von März bis September Informationsveranstaltungen mit Gemeindevertretern abgehalten, wobei die Provinzen Piacenza und Ravenna ebenfalls interessierte öffentliche wie private Akteure dazu geladen hatten, und die Provinz Parma für die einzelnen Akteursgruppen jeweils eigene Treffen ausrichtete. In den Provinzen Bologna und Ferrara wurden bei dieser Gelegenheit interinstitutionelle Gruppen gebildet. Auf die offiziellen Veranstaltungen folgten zwei Monate des eher informellen Arbeitens, bis die Provinzen die „Gebietspläne“ gebilligt und bis zum 20. Oktober 2000 an die Landesregierung gesandt hatten. Nach Annahme der Pläne durch die Landesregierung lief die Umsetzung der geplanten Maßnahmen Ende 2000 an, vollzog sich jedoch vor allem im Jahr 2001.67 In jeder Phase der Zusammenstellung der „Gebietspläne“ stand – als weitere Neuerung des Jahres 2000 – auf Landesebene ein Gruppo tecnico di coordinamento regionale sulle procedure di predisposizione dei piani territoriali di intervento previsti dal II Programma per l’attuazione del D.Lgs. 286/98 (eine Fachgruppe zur regionalen Koordinierung der Anlage von „Gebietsplänen“ der Intervention gemäß dem 2. Programm zur Durchführung des Gesetzesdekrets Nr.186/98) zur Seite, um verfahrensrelevante Fragen zu beantworteten und den Stand der „Gebietspläne“ zu verifizieren.68 Ingesamt wurden mit dem 2000er „Programm“ 71 Projekte finanziert, die eine große thematische Brandbreite zeigten. Den Angaben der Region zufolge waren dabei 71,5% der Gemeinden an der Umsetzung beteiligt, jedoch traten große Unterschiede zwischen den Provinzen zu Tage: Während die Beteiligung der Gemeinden in den Provinzen Bologna, Ferrara, Ravenna und Reggio Emilia nahezu 100% erreichte, sank sie in den Provinzen Forlì-Cesena, Modena und Parma auf 60-70% ab und lag in Piacenza und Rimini nur bei Werten um 30%. Ebenso stellte man eine starke Partizipation des privaten Sozialsektors (italienische wie Zuwanderervereine, soziale Kooperativen etc.) fest, wobei unter den 144 diesbezüglichen Akteuren 27 schulische Institutionen und 18 distretti sociosanitari delle Ausl (Bezirkseinheiten des nationalen Gesundheitsdienstes) waren. Kritisch weist die Landesregierung auf die großen Unterschiede der Partizipation besagter involvierter Akteure in der Region hin: 50% deren Gesamtbetei67
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Handhabung des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ – von der Zuweisung der Fondgelder, der Erstellung der vorgeschlagenen Projekte bis hin zur Ausschüttung und Umsetzung der Maßnahmen - im allgemeinen einen Zeitraum von zwei Jahren umfasste. 68 Besagte Fachgruppe wurde vom Uffico Politiche per l’accoglienza e l’integrazione sociale della Regione Emila-Romagna (Büro für Politiken zur Aufnahme und sozialen Integration der Region Emilia-Romagna) koordiniert, bestand aus je einem Vertreter der neun Provinzen und ist nach Angaben der Region im Zeitraum März bis September 2000 vier Mal zusammengetroffen.
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ligung sei allein auf die zwei Provinzen Ravenna und Reggio Emilia entfallen, während sich die restlichen 50% in unterschiedlich starkem Maße auf die anderen sieben Provinzen verteilt hätten. Zudem seien ca. 20% der Projekte gänzlich ohne eine Beteiligung des privaten Sektors realisiert worden. Die Analyse des Programms 2000 zeigt ebenso, dass nicht alle zur Verfügung stehenden Gelder eingesetzt werden konnten: Im Falle der Provinz Parma fanden 39.198.310 Lire (€20.244,24) keine Verwendung. Nur sehr begrenzt seien darüber hinaus Maßnahmen im Bereich der Kommunikation, der Unterstützung zur Entwicklung des Vereinswesens und der Repräsentanz von Zuwanderern sowie Sprachkurse in der Herkunftssprache der Eltern für Minderjährige realisiert worden (Regione Emilia-Romagna 2000a, 2000b und 2000c). Im Jahr 2001 war die Handhabung des „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ weiteren, wenn auch weniger grundlegenden Änderungen unterworfen. Einerseits wurde das bestehende System verfestigt, indem z.B. die Rolle der Provinzverwaltungen bestätigt und vom Ministerium für soziale Solidarität ein einheitliches Modell für die Anlage der regionalen Programme etabliert wurde. Andererseits wurden zum ersten Mal die zur Verfügung stehenden Ressourcen auf drei „Unter-Programme“69 aufgeteilt: 1.) die „Gebietspläne der Provinzen“ zur gesellschaftlichen Integration von Zuwanderern, 2.) Zuschüsse für Ämter und Vereinigungen, die im Bereich Immigration tätig sind, und 3). Maßnahmen zur Unterstützung der comunicazione interculturale (interkulturellen Kommunikation). Für 2001 flossen der Region Emilia-Romagna aus dem „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ insgesamt Gelder in Höhe von 4.008.234.106 Lire (€2.070.080,16) zu, die mittels regionaler Beteiligungen auf der Grundlage der Landesgesetze L.R. Nr.2/8570 und L.R. Nr.14/90 und der nicht eingesetzten Mittel aus dem Programm 2000 auf 5.299.629.607 Lire (€2.737.025,11) aufgestockt wurden. Der Hauptteil des Geldes – 4.749.619.607 Lire (€2.452.973,81) – entfiel dabei auf Initiative 1, die „Gebietspläne der Provinzen für Aktionen zur sozialen Integration von Immigranten“, mit der Maßnahmen zur Erreichung der drei Makroziele der nationalen Integrationspolitik finanziert wurden. In Initiative 2, die gemäß des Landesgesetzes Nr.14/90 die Bezuschussung von Ämtern und Vereinigungen, die im Bereich der Zuwanderung tätig sind, vorsieht, wurden mit 250.000.000 Lire (€129.114,25) Sprachkurse und Sportaktivitäten, die gesellschaftliche Teilnahme von immigrierten Frauen und Kindern, Kommunikationsmedien zur Information von Zuwanderern sowie die Aufwertung und die Bekanntmachung der Herkunftskulturen und -sprachen der Migranten unter69
In den Folgejahren auch als „iniziative“ („Initiativen“) bezeichnet. Das regionale Gesetz Nr.2 vom 12 Januar 1985 ist nicht der Migrationsgesetzgebung zuzurechnen, bezieht sich aber mit seinen Bestimmungen zum Fondo socio assistenziale regionale (sozialen Hilfsfond des Landes) auf das Thema der Zuwanderung.
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stützt. Mit Initiative 3 „Interventi a sostegno delle iniziative di comunicazione interculturale“ („Maßnahmen zur Unterstützung der interkulturellen Kommunikation“), auf die 300.000.000 Lire (€154.937,07) entfielen, sollten Kommunikationsaktivitäten gefördert werden, welche a) fundierte Kenntnisse über die Gründe der Migration vermitteln, b) Artikulationen kultureller, freizeitmäßiger, sozialer und religiöser Art von Seiten der Zuwanderergemeinschaften wertschätzen und verbreiten, c) Immigranten gleiche Chancen im Zugang zu Informationen garantieren sowie d) intoleranten Phänomenen und Verhaltensweisen zuvorkommen (Regione Emilia-Romagna 2001d, 2001e und 2001f). Hinsichtlich Initiative 2 bleibt festzuhalten, dass sie nicht im Rahmen des 2001er Programms realisiert werden konnte, da zunächst auf Beschluss der Giunta regionale (Landesausschuss)71 eine Überprüfung der Förderungswürdigkeit der Ämter und Vereinigungen, die im Bereich Zuwanderung tätig sind, angesetzt wurde. Die dafür vorgesehenen Gelder wurden im Folgejahr ausgewiesen. Im Jahr 2002 wurden der Emilia-Romagna €2.382.651,52 aus dem „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ zugewiesen, die durch Eigenbeteiligungen der Region gemäß der Landesgesetze L.R. Nr.2/85 und Nr.14/90 um €602.279,74 aufgestockt wurden. Mit Hilfe von insgesamt €2.984.931,26 wurden zwei Initiativen finanziert, die bereits im Vorjahresprogramm gefördert worden waren: die „Gebietspläne der Provinzen für Aktionen zur sozialen Integration von Immigranten“ sowie die „Maßnahmen zur Unterstützung der interkulturellen Kommunikation“. Während den „Gebietsplänen“ (Initiative 1) Finanzmittel in Höhe von €2.649.234,28 zugesprochen wurden, die sich aus den gesamten Mitteln des „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ und aus dem „Sozialhilfefond des Landes“72 (€266.582,76) zusammensetzten,73 wurde die interkulturelle Kommunikation (Initiative 2) mit €206.582,76 subventioniert, die ebenfalls aus dem besagten „Sozialhilfefond des Landes“ stammten. Darüber hinaus entfielen €129.114,22 auf die Finanzierung der mit dem Programm 2001 beschlossenen, aber noch nicht realisierten Bezuschussung von Ämtern und Vereinigungen im Migrationsbereich. Eine Neuerung des Programms 2002 stellte die Initiative Nr.3 dar. Sie trägt den Titel Predisposizioni di piani territoriali provinciali di intervento (Anlage der Gebietspläne zur Intervention) und beruht auf einem Abkommen der Landesregierung mit dem Ministerium für Arbeit und Sozialpolitiken zur Förderung von experimentellen Projekten auf regionaler Ebene, welche die Integration von 71
Der Beschluss der Giunta regionale wurde als deliberazione n.2908 del 17 dicembre 2001 (Beschluss Nr.2908 vom 17 Dezember 2001) der Öffentlichkeit zugängig gemacht. 72 Der Sozialhilfefond des Landes fußt im zitierten Regionalgesetz Nr.2/85. 73 Die in Initiative 1 aufgeführten Maßnahmen wurden wie in den Vorjahren den drei Makrozielen der italienischen Integrationspolitik zugeordnet.
50
Drittstaatsangehörigen fördern74, sowie auf dem „regionalen Verständigungsprotokoll im Bereich Zuwanderung“75. Mit €1.721.746,59, die als zusätzliche Mittel des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ der Emilia-Romagna zugänglich gemacht wurden, sollten Aktivitäten76 des Erlernens der italienischen Sprache und Kultur, der Ausbildung, des Zugangs zu einer Unterkunft, der kulturellen Vermittlung und der Förderung der Anerkennung der Rechte von Drittstaatsangehörigen finanziert werden.77 Zu diesem Zwecke wurde analog zur Landesebene die Unterzeichnung von „Verständigungsprotokollen“ in allen neun Provinzen bis zum 30. November 2002 angestrebt78. Darüber hinaus wurden grundsätzlich die Bekämpfung des informellen Arbeitssektors, vor allem im Bereich der Haus- und Krankenpflege, sowie die Unterstützung der Berggemeinden, die einen überdurchschnittlich hohen Prozentsatz an Zuwanderern aufweisen,79 als generelle Ziele dieser Intervention genannt ( Regione EmiliaRomagna 2002b und c).80 Für das Programm des Jahres 2003 erhielt die Emilia-Romagna €2.382.652, welche sie durch eigene obligatorische Mittel um €884.000 aufstockte. Von diesen Mitteln entfielen sämtliche Gelder des „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ sowie €442.000 aus dem regionalen Sozialhilfefond (L.R. Nr.2/ 85) auf die „Gebietspläne der Provinzen“ zur sozialen Integration von Immigranten (Initiative 1).81 €207.000 aus dem Landessozialhilfefond wurden zur „Unterstützung von Maßnahmen der interkulturellen Kommunikation“ (Initiative 2) genutzt. Eine Neuheit stellt Initiative 3 mit dem Titel Interventi a sostegno dei programmi di assistenza ed integrazione sociale a favore delle vittime di sfruttamento sessuale (Interventionen zur Unterstützung von Programmen der Hilfe und sozialen Integration von Opfern sexueller Ausbeutung) dar. Die zusätzliche Finanzierung dieser Initiative aus dem regionalen Sozialhilfefond mit €413.000 kam Maßnahmen des Schutzes und der Unterstützung von Opfern 74
Näheres siehe Kapitel 3.2.2b. Näheres siehe Kapitel 3.3.2. Die Verwendung des Begriffes „Aktivitäten“ folgt dem italienischen Original „attività“. 77 Die Gewichtung der zitierten Maßnahmen vollzog sich dabei wie folgt: In der Hauptsache wurden zu 30% in Schulen Sprachkurse für Schüler nicht-italienischer Staatsbürgerschaft und Aktivitäten der interkulturellen Erziehung finanziert. Ihnen folgten mit 22% Investitionen in Sprachkurse für erwachsene Migranten. Weitere 20% der Mittel waren Wohnungspolitiken vorbehalten (vgl. Regione Emilia-Romagna, 2003b). 78 Näheres siehe Kapitel 3.3.2. 79 Näheres siehe Kapitel 2.2. 80 Auf eine detaillierte inhaltliche Darstellung der Maßnahmen des Programms 2002 soll an dieser Stelle verzichtet werden, da sie die Grundlage der vorliegenden Untersuchung bilden und ihnen ein eigenes Kapitel gewidmet ist. 81 Die in Initiative 1 aufgeführten Maßnahmen wurden wie in den Vorjahren den drei Makrozielen der italienischen Integrationspolitik zugeordnet. 75 76
51
sexueller Ausbeutung sowie einer kostenlosen Hotline und dem Ausbau des regionalen Netzes involvierter Akteure zugute. Ingesamt wurden €3.444.652 in besagte Interventionen investiert (Regione Emilia-Romagna 2003c und d). Deutlich unterlag die Implementierung des mit dem Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 geschaffenen FNPM in den Jahren seiner Existenz vielfachen Änderungen: Wurde im Programm von 1999 den comuni capoluogo di provincia (Provinzhauptstädten) direkt das zur Verfügung stehende Budget zugewiesen, so lag es in den Folgejahren in der Verantwortung der Provinzverwaltungen, eigenständig Wege der Interaktionen mit den Gemeinden zu finden und zu etablieren. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Unterschiede in der Durchführung des Programms veranlassten die Landesregierung für das Jahr 2001, die bestehenden Prozeduren zu vereinheitlichen und die so genannten „Gebietspläne der Provinzen“ ins Leben zu rufen, welche seitdem – bis zur Auflösung der Autonomie des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ – jährlich verfasst wurden.82 Für den Zeitraum der Existenz des nationalen ‚Integrationsfonds’ zeigt sich insgesamt ein kontinuierlicher Anstieg der in der Emilia-Romagna eingesetzten Ressourcen zur Förderung der Eingliederung von Migranten: von €407.005 im Jahr 1999 über €2.003.015,85 beim Programm 2000 und €2.452.973,81 beim Programm 2001 bis hin zu €2.649.234,28 im Jahr 2002 und €2.824.652 im Jahr 2003. Das entspricht einer Erhöhung der Förderungssumme um €2.417.657 (694%). Dies scheint zunächst auf eine verbesserte Mittelausstattung der Region hinzuweisen und der in Kapitel 3.3.1 für die 1990er Jahre formulierten Kritik der finanziellen Unterversorgung der Migrationspolitiken der Emilia-Romagna entgegenzulaufen. Jedoch darf nicht vernachlässigt werden, dass es sich um eine Kombination aus (beträchtlichen) Fremd- und Eigenmitteln handelt, und dass Finanzressourcen der Integrationspolitik in Italien einem immanent hohen Anteil irregulärer Zuwanderung gegenüberstehen, welcher die lokale Integrationssituation nachhaltig beeinflusst, wie in Kapitel 4 und Kapitel 5 zu sehen sein wird. Einer Analyse der Landesregierung zufolge, die sich auf die FNPMProgramme der Jahre 2000, 2001 und 2002 beschränkt, erhöhte sich die Beteiligung der regionalen Gemeinden von 71% im Jahr 2000 auf 82% im Jahr 2001 und erreichte 90% im Jahr 2002. Ebenso sei die Partizipation anderer Akteure als der Gemeindeverwaltungen von 144 im Jahr 2000 auf 285 im Jahr 2001 bzw. 407 im Jahr 2002 gestiegen. Innerhalb der Gruppe Letzterer verzeichneten der Landesregierung zufolge schulische Institutionen den zweithöchsten Anstieg
82
2001 änderte sich zudem das Zuweisungsmodell der Landesregierung: Seit diesem Jahr erfolgte die Verteilung der vorhanden Geldmittel an die Provinzen zu 50% auf der Basis der statistischen Daten des Innenministeriums (Aufenthaltsgenehmigungen) und zu 50% auf der Grundlage der Daten des nationalen Statistikinstituts (ISTAT) (Melderregister). Näheres siehe Kapitel 2.
52
in absoluten Zahlen, gefolgt von autochthonen Organisationen83 (Regione Emilia-Romagna 2003b: 3f). Darüber hinaus ist die Gesamtzahl der bezuschussten Projekte zur Integrationsförderung von Zuwanderern gemäß offiziellen Angaben gestiegen. Wurden im Jahr 1999 noch 27 Projekte finanziert, so stieg diese Zahl im Jahr 2000 auf 71 an und pendelte sich mit dem Jahr 2001 auf 106 Projekte ein. In den Folgejahren wurden mit besagten Geldern 105 Projekte (2002) bzw. 107 Projekte (2003) bezuschusst. Bezüglich der inhaltlichen Veränderungen der finanzierten Projekte hält die Analyse der Landesregierung fest, dass mit den Programmen der Jahre 2000, 2001 und 2002 im Durchschnitt zu 20% so genannte sportelli informativi (Informationszentren für Zuwanderer), zu 17,7% Aktivitäten im schulischen Bereich (Italienischkurse für Minderjährige, interkulturelle Erziehung und außerschulische Aktivitäten) sowie zu 11,9% die Ausbildung und die Interventionen von „kulturellen Vermittlern“ finanziert wurden. Die Förderung von Sprachkursen für erwachsene Zuwanderer erfolgte durchschnittlich zu rund 6%, nahm dabei jedoch von 8% im Jahr 2000 auf 4,2% im Jahr 2002 ab. Die Landesregierung bestätigt zwar ein Absinken der Fördermittel, erklärt aber, dass die Maßnahmen zur Alphabetisierung erwachsener Zuwanderer real gestiegen seien. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Initiative Nr. 3 des Programms 2002, mit der auf der Basis eines Sonderabkommens der Region Emilia-Romagna mit dem nationalen Ministerium für Arbeit und Sozialpolitiken sowie auf der Grundlage des regionalen „Verständigungsprotokolls“ in besonderem Maße das Erlernen der italienischen Sprache und Kultur von Seiten der Immigranten unterstützt worden sei (Regione Emilia-Romagna 2003b: 3-11). In Hinblick auf die Fragestellung des vorliegenden Promotionsvorhabens soll nun exemplarisch die inhaltliche Zusammensetzung des Programms 2002 zur Förderung der Integration von Zuwanderern, dessen Realisierung für den Zeitraum 2002/2003 in der Emilia-Romagna vorgesehen war, dargestellt werden. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise soll der Schwerpunktsetzung der regionalen Integrationspolitik weiter nachgespürt sowie bestehende Problemlagen von Verwaltungsprozessen identifiziert werden.
3.3.3a Die Darstellung des ‚Integrationsprogramms’ 2002 der Emilia-Romagna Grundsätzlich wurden die Integrationsprogramme der Emilia-Romagna in zwei getrennten Beschlüssen, dem des Consiglio Regionale (Landesrates) und der 83
Der Richtigkeit halber sei darauf verwiesen, dass die Kategorie Altre tipologie (andere Typen) den höchsten Anstieg in absoluten Zahlen verzeichnete, die jedoch nicht näher spezifiziert ist.
53
Giunta Regionale (Landesausschuss), verabschiedet. Während das Dokument des Rates die so genannten Leitlinien und einen tabellarischen Teil beinhaltete, der die Verteilung der Gelder an die einzelnen Provinzen auswies, erstreckte sich das Schriftstück der Giunta hauptsächlich auf die Auflistung der Gemeinde-Projekte, unterteilt u.a. nach der Zugehörigkeit zur Initiative und zur Provinz. In den „Leitlinien“ greift der Landesrat die drei Makroziele der italienischen Integrationspolitik – a) positive Beziehungen schaffen, b) gleiche Möglichkeiten des Zugangs sowie Schutz der Unterschiede garantieren und c) Rechte der legalen Vertretung sichern – auf und spezifisiert diese.84 So werden unter Punkt a) solche Aktivitäten subsumiert, die 1.) unter den Zuwanderern ein größeres Bewusstsein für die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung in Italien, des Landes und der Gemeinde schaffen und ihr Vereinswesen stärken sowie 2.) das Erschaffen von „interkulturellen Zentren“ und 3.) die Einrichtung oder Konsolidierung von Zuwanderungsobservatorien auf Provinzebene vorsehen. Es fallen darunter 4.) öffentliche Aktivitäten zu Immigrationsthemen und 5.) Informationskampagnen zu den positiven Aspekten der Zuwanderung, 6.) die Unterstützung kultureller, künstlerischer und sportlicher Aktivitäten zur Vermittlung der Herkunftsländer sowie 7.) die Unterstützung von Kommunikationsmitteln, die der multikulturellen und multilingualen Information und Bildung dienen. Ingesamt jedoch erscheinen diese Formulierungen pauschal und die Zuordnung der Maßnahmen zum jeweiligen Makroziel wenig einsichtig: Anstatt z.B. die erklärte Intention, Zuwanderern die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung in Italien näher zu bringen, als Bestandteil des Schaffens positiver Beziehungen anzusehen, wäre ihre Einordnung unter Makroziel b) ebenso plausibel. Unter Makroziel b), das sich auf die Garantie paritätischer Zugangsmöglichkeiten und den Schutz der Unterschiede bezieht, werden in den „Leitlinien“ 1.) Italienischkurse für erwachsene und 2.) für minderjährige Zuwanderer sowie 3.) die Versorgung mit „strumenti interculturali“ („interkulturellen Instrumenten“) zur gesicherten Teilnahme der Schüler und ihrer Familien an der Schullaufbahn aufgeführt.85 Darüber hinaus werden Aktivitäten, welche 4.) Kenntnisse der Herkunftskultur und -sprache bewahren und wertschätzen ebenso genannt wie solche, die 5.) die Beziehungen zur Herkunftskultur durch Sprachkurse gewährleisten. Es fallen darunter 6.) Informations-, Beratungs- und Hilfszentren zur Stärkung des Vereinswesens von Zuwanderern, zur Vermittlung geeigneter Unterkünfte, zur Integration in den Arbeitsmarkt sowie zum Schutz vor Diskri84
Die sich anschließenden Spezifizierungen der „Leitlinien“ folgen in ihrem Ausdruck dem italienischen Original, um größtmögliche Authentizität zu gewährleisten. 85 Der Begriff der strumenti interculturali (interkulturellen Instrumentarien) wird nicht näher definiert.
54
minierung gemäß Art.44 des TU Nr.286/98. Der Landesrat weist in diesem Kontext ausführlich darauf hin, dass in diesen Zentren auch die unter Punkt a.3 genannten Tätigkeiten zur Beobachtung des Migrationsgeschehens stattfinden können. Als 7.) wird die Sicherstellung von „geeigneten Kenntnissen“ für den Zugang zu Diensten, 8.) die Ausbildung „kultureller Vermittler“ und 9.) die Eingliederung von Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen aufgeführt. Zudem werden 10.) Maßnahmen zur Integration von Sprach- und Berufsausbildung, von Orientierung und Informierung zur optimalen Eingliederung in den Arbeitsmarkt sowie 11.) Aktivitäten zur Wohnungsvermittlung für Immigranten darunter subsumiert. Neben der unklaren Zuordnung einer Maßnahme zu ihrem jeweiligen Makroziel vermitteln auch die Spezifizierungen innerhalb eines Makroziels den Anschein von Willkürlichkeit: So ist der qualitative Unterschied zwischen 6.) Zentren, die sich mit dem „reperimento di soluzioni abitative adeguate“ („Auffinden geeigneter Wohnungen“) beschäftigen sollen, und 11.) Aktivitäten zum „sostegno in materia di politiche abitative a favore degli immigrati“ („zur Unterstützung von Zuwanderern im Bereich Wohnungspolitik“) nicht klar ersichtlich. Ebenso erscheint die explizite Trennung von 4.) „interventi volti a mantenere e valorizzare la conoscenza delle culture e delle lingue di origine” („Interventionen zur Bewahrung der Kenntnisse von Herkunftskultur und -sprache“) und 5.) „interventi volti a mantenere i legami culturali con le culture di origine attraverso la predisposizione di appositi corsi di lingua” (“Interventionen zur Bewahrung der Beziehung zur Herkunftskultur durch Sprachkurse”) ungewöhnlich. Nach den umfangreichen Ausführungen der Makroziele a und b wird unter Punkt c) zur Sicherung der Rechte einer legalen Vertretung inhaltlich fast ausschließlich auf die Bestimmungen des Art.44 des TU Nr.286/98 zur „Azione civile contro la discriminazione“ (Zivilklage gegen Diskriminierungen)86 verwiesen. Darüber hinaus verleiht der Landesrat allein seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Einrichtung von Beobachtungs-, Informations- und rechtlichen Beratungszentren für Diskriminierungsopfer vor allem in den Provinzhauptstädten opportun erscheint (Regione Emilia-Romagna 2002b). Vor dem Hintergrund der Implementierung integrationspolitischer Maßnahmen manifestiert sich somit ein immanenter Interpretationsbedarf in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist die Landesregierung der Emilia-Romagna nach dem bestehenden System dazu aufgefordert, die vorgegebenen nationalen Makroziele inhaltlich auszufüllen. Gleichzeitig konstituiert dieser erste Schritt der Adaption nationaler Makroziele auf der Regionalebene einen Bedarf an weiteren Interpretationen auf den unteren Verwaltungsebenen. Für die kommunalen 86
Art.44 des TU Nr.286/99 bezieht sich auf Art.42 des Zuwanderungsgesetzes Nr.40/98. Näheres siehe Kapitel 2.1.1.
55
Verwaltungsbeamten, die für die Realisierung von integrationspolitischen Maßnahmen verantwortlich gekennzeichnet werden, lassen sich einerseits ein großer Interpretationsbedarf und andererseits ein hohes Maß an Kreativität bei der Entwicklung von Integrationsprojekten identifizieren. Allgemein erscheint jedoch nicht nur die Zuweisung der geförderten Projekte zu den zitierten Makrozielen fraglich. Beim Nachvollzug der subventionierten Integrationsmaßnahmen durch die Dokumente der Landesregierung konstituiert sich eine weitere Problemlage dadurch, dass die von der Landesregierung veröffentlichten Informationen allein auf einem synthetischen Niveau vorliegen. Der Beschluss der Giunta reproduziert zwar die „Gebietspläne der Provinzen“, er enthält jedoch keine detaillierten Ausführungen und Erklärungen zu den geförderten Projekten der Gemeinden. Detaillierte Informationen zum Inhalt des 2002er ‚Integrationsprogramms’ lassen sich allein auf der Ebene der Provinzverwaltungen finden, welche die Projektvorschläge der Gemeinden bündeln und sie an das Land weiterleiten.87 Im Rahmen der folgenden Erforschung der emiliaromagnolischen Integrationspolitik mussten deshalb die „Gebietspläne“ sämtlicher Provinzen beschafft und analysiert werden. Worin besteht nun die Schwerpunktsetzung der emilia-romagnolischen Integrationspolitik für den Zeitraum 2002/2003? Eine Auflistung der bewilligten Projekte der Gemeinden wird seitens der zuständigen Abteilung der Giunta regionale fast jährlich veröffentlicht. In der Tabelle sind jedoch keine Angaben zu der darin vorgenommen Kategorisierung der Maßnahmen enthalten. Nach langwierigen Recherchen ist es der Verfasserin gelungen, seitens des zuständigen Beamten die Information zu erhalten, dass die vorgenommene Kategorisierung den „Leitlinien“ des Landesrates folgt und auf den investierten Finanzmitteln basiert. Sie veranschaulicht insofern die Verteilung der FNPM-Gelder auf die vom Land bestimmten Kategorien an Maßnahmen und ist nicht an der Darstellung der finanzierten Projekte und ihrer Häufigkeit orientiert (Facchini 2006). In den „Gebietsplänen der Provinzen“ werden zudem sehr unterschiedliche Maßnahmen unter eine Projektbezeichnung subsumiert: So beinhaltet das „Progetto Accoglienza“ (Projekt Aufnahme) der Gemeinde Imola (Provinz Bologna) unterschiedliche Maßnahmen wie die Einrichtung eines Frauenhauses für Zuwanderinnen, ein Wohnungsvermittlungsschalter für Immigranten, ein interkulturelles Zentrum, juristische Beratung sowie ein Zentrum für Dienste an Zuwanderern. In der Folge werden ihm die Makroziele a), b) und c) zugeordnet. Unter das Projekt „Gemeinsame Planung von Initiativen zur kulturellsprachlichen Vermittlung und zu interkulturellen Aktivitäten“ der Gemeinde 87
Näheres siehe Kapitel 3.3.3.
56
Carpi (Provinz Modena) werden subsumiert: Italienischkurse für immigrierte Minderjährige und erwachsene Zuwanderer, „interkulturelle Vermittlung“ für Schüler und ihre Eltern, die positive Bewertung der Kenntnisse zur Herkunftskultur, die Einrichtung des Immigrationszentrums zur Information, Beratung und Hilfe für Zuwanderer, Darlegung des italienischen Ordnungsrechts und Zivilerziehung sowie die Information der Öffentlichkeit bezüglich Zuwanderungsthemen, die Ausrichtung von künstlerischen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen zur Wertschätzung der Herkunftskultur, die Festigung der Beziehungen zwischen Vereinen und Institutionen, die Informierung und Sensibilisierung der Zuwanderer für das Amtwesen und die Förderung und Unterstützung der Zuwanderervereine.88 Diese große Bandbreite der geförderten Maßnahmen innerhalb eines Projekts lässt seine Zuordnung in eine einzige Kategorie, wie in der Veröffentlichung der Landesregierung, wenig sinnvoll erscheinen. Vor diesem Hintergrund wurden die (aufwendig) recherchierten „Gebietspläne der Provinzen“ zur Integration von Zuwanderern konsultiert und sämtliche unter den Projektnamen subsumierte Aktivitäten in einer gesonderten ExcelTabelle erfasst, um in einer eigenen Darstellung ein authentischeres Bild der bezuschussten Fördermaßnahmen in der Emilia-Romagna wiederzugeben. In diesem Sinne wurden in der folgenden Graphik Mehrfachzuordnungen der Projekte zugelassen und die verwendeten Kategorien induktiv auf der Grundlage der Projektbeschreibungen gebildet (siehe Abbildung 2).
88
Die Begrifflichkeiten entstammen dem italienischen Original.
57
Abbildung 2:
Darstellung der „Gebietspläne“ zur Integration von Zuwanderern (Initiative 1) des ‚Integrationsprogramms’ 2002 (mit Mehrfachnennungen, in Prozent, von links nach rechts)
45
Sprachkurse für erwachsene Zuwanderer Sprachkurse für Kinder
40
35
30
Ethnisch-kulturelle Aktivitäten
Sportliche Aktivitäten
Beobachtung des Migrationsphänomens Rechtliche und psychologische Betreuung von Zuwanderern
25
20
Lebenspraktische Betreuung und Hilfe für Immigranten Zur-Verfügung-Stellung von Unterkünften Ausbildung der Zuwanderer
15 Beratung, Schulung und Fortbildung von Personal
10
5
0
Teilnahme am öffentlichen und Gemeinschaftsleben Verbesserung der Beziehungen in der Schule Verbesserung der Beziehungen von Akteuren
Deutlich tritt in der Grafik die Konzentration auf die lebenspraktische Betreuung und Hilfe für Immigranten ins Auge. Unter diese Kategorie fällt die finanzielle Unterstützung von Zugewanderten ebenso wie der erleichterte Zugang zu Diensten und zu Unterkünften sowie generell der Betrieb von Informationsschaltern für Immigranten. An zweiter Stelle wurde gemäß der Eigenstudie die
58
Teilnahme am öffentlichen und am Gemeinschaftsleben gefördert. Darunter werden Maßnahmen zur Förderung der politischen Partizipation und des Vereinswesens der Zuwanderer sowie zur Verbesserung der Kontakte mit den Autochthonen subsumiert. Den dritten Platz in der Rangfolge der geförderten Projekte nimmt hingegen die Verbesserung der Beziehung zwischen Lehrern, Schülern und ihren Eltern sowie Interventionen der „interkulturellen Vermittlung“ in der Schule oder generell der Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund ein. Eine Gegenüberstellung mit der Darstellung der Landesregierung (ausgerichtet an der Verteilung von Finanzmitteln und ohne Mehrfachnennungen) verdeutlicht bestehende Unterschiede aufgrund der verschiedenen Erhebungsverfahren: Tabelle 5: Vergleich der Darstellung der Landesregierung mit der eigenen Erhebung zur Integration von Zuwanderern (Initiative 1) Landesregierung Klassifikation der Anteil Maßnahmen in Prozent Sprachkurse für Minderjährige, 20,9% interkulturelle Aktivitäten und außerschulische Aktivitäten zur Förderung der Integration
Verfasserin Klassifikation der Anteil in Maßnahme Prozent 1
Zuwanderungszentren (Informationsschalter)
19,4%
2
Ausbildung und Maßnahmen für „interkulturelle Vermittler“
12,6%
3
Direkte und indirekte soziale Unterstützung sowie Maßnahmen zugunsten von Asylbewerbern und Flüchtlingen
9,3%
4
Lebenspraktische Betreuung und Hilfe für Zuwanderer: finanzielle Unterstützung, Zugang zu Diensten und zur Unterkunft, Informationsschalter Teilnahme am öffentliche und am Gemeinschaftsleben: Förderung der politischen Partizipation und des Vereinswesens der Zuwanderer, Verbesserung der Kontakte mit der italienischen Bevölkerung Verbesserung der Beziehungen zwischen Lehrern, Schülern und ihren Eltern sowie Maßnahmen der „interkulturellen Vermittlung“ oder generell der Eingliederung in die Schule Sprachkurse für Kinder
43%
36,54%
25%
19,23%
59
Einrichtung oder Konsolidierung von interkulturellen Zentren
7,1%
5
Rechtliche und psychologische Betreuung von Zuwanderern Sprachkurse für erwachsene Zuwanderer Beratung, Schulung und Fortbildung von (Verwaltungs-) Personal Kulturelle Aktivitäten zur Pflege der ethnischen Herkunft Beobachtung des Migrationsphänomens Ausbildung der Zuwanderer
Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu Diensten Schutz und rechtliche Beratung
6,3%
6
4,7%
7
Einrichtung oder Konsolidierung lokaler Migrationsobservatorien
4,2%
8
Italienischkurse für Erwachsene
4,2%
9
Informationskampagnen sowie kulturelle, sportliche und künstlerische Aktivitäten Unterstützung des Vereinswesens und der Repräsentation Integrierte Kurse zur Sprachsausbildung, Informierung und Berufsausbildung
3,1%
10
2,8%
11 Zur-Verfügung-Stellung von
6,73%
2,2%
12
6,73%
Sprachkurse und andere Maßnahmen zur Bewahrung der Herkunftskultur Maßnahmen zur Unterstützung der Wohnungspolitiken Maßnahmen verbunden mit der Nutzung von Massenkommunikationsmittel
1,5%
13
1,5%
14
0,2%
15
Unterkünften Verbesserung des Zusammenspiels der Zuwanderer(vereine), der öffentlichen wie privaten Akteure und ihre Unterstützung Sportliche Aktivitäten
TOTAL 100% (Quelle: Regione Emilia-Romagna 2004°: 93; eigene Darstellung)
18,27% 17,31% 17,31% 16,35% 16,35% 11,54%
4,81%
237,52%
Nehmen in der Darstellung der Landesregierung die Förderung der Minderjährigen und deren Eingliederung den ersten Platz ein, so wird dieser in der eigenen Analyse von der lebenspraktischen Betreuung und Hilfe für Zuwanderer belegt. Entgegen der öffentlichen Proklamation der Landesregierung, Migration als dauerhaftes und strukturelles Phänomen zu begreifen,89 scheint dies auf eine Konzentration zu Orientierungshilfen für Immigranten (Arbeit, Unterkunft etc.) und damit auf Maßnahmen der strukturellen Integration hinzudeuten. Letztlich könnte jedoch nur eine Evaluation der Tätigkeiten der „Zuwandererschalter“ 89
In diesem Sinne äußerte sich die Landesregierung sowohl im regionalen Verständigungsprotokoll aus dem Jahr 2001 als auch im Zuwanderungsgesetz des Jahres 2004. Näheres siehe Kapitel 3.3.1 und 3.3.2.
60
diesen Sachverhalt klären, welche nach Kenntnisstand bislang nicht stattgefunden hat. Insgesamt weisen sowohl die Landesdarstellung als auch die Eigenstudie einen hohen Prozentsatz der Fördermaßnahmen für Kinder aus: würde man in Letzterer die Maßnahmen zur Integration im Schulbereich mit denen der Sprachkurse für Kinder zusammenlegen, würden sie mit einem Prozentsatz von 44,23% den ersten Platz der Rangfolge einnehmen. Eine deutliche Korrektur der Landesangaben zeigt sich hingegen hinsichtlich der Sprachkurse für erwachsene Zuwanderer. Werden diese laut Giunta regionale (des Landesausschusses) nur zu 4,2% gefördert, steigt ihr Anteil durch die Mehrfachzuordnungen auf rund 17% an und verbessert sich vom neunten auf den sechsten Platz in der Rangfolge geförderter Interventionen. Da sich die Darstellung der Landesregierung allein auf Initiative 1 des regionalen ‚Integrationsprogramms’ bezieht, soll zur Vollständigkeit und vor dem Hintergrund der Schwerpunktsetzung emilia-romagnolischer Integrationspolitik die folgende Studie sämtliche bezuschusste Integrationsmaßnahmen des 2002er Programms (Initiativen 1, 2 und 3) veranschaulichen (siehe Abbildung 3).
61
Abbildung 3:
Das gesamte Integrationsprogramm der Region90 (von links nach rechts) Sprachkurse für erwachsene Zuwanderer
70
Sprachkurse für Kinder
Ethnisch-kulturelle Aktivitäten
60
50
40
Sportliche Aktivitäten
Beobachtung des Migrationsphänomens Rechtliche und psychologische Betreuung von Zuwanderern Lebenspraktische Betreuung und Hilfe für Immigranten Zur-Verfügung-Stellung von Unterkünften
30
Ausbildung der Zuwanderer
Beratung, Schulung und Fortbildung von Personal
20
10
Teilnahme am öffentliche und am Gemeinschaftsleben Verbesserung der Beziehungen in der Schule Verbesserung der Beziehungen unter Akteuren Öffnung der Massenmedien
0
90
Dargestellt werden Initiative 1, 2 und 3. Die diesbezügliche Tabelle befindet sich im Anhang. Näheres siehe Kapitel 8.
62
Deutlich treten auch in dieser Analyse die Konzentration auf die lebenspraktische Betreuung von Zuwanderern und die Förderung ihrer Teilnahme am öffentlichen und am Gemeinschaftsleben hervor. Wie bereits bei der vorherigen Analyse würden jedoch die Maßnahmen zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund sowie Sprachkurse für diese Adressatengruppe zusammengenommen mit einem Prozentsatz von 45,45% den ersten Platz in der Rangfolge der geförderten Projekte einnehmen. Es bleibt generell festzuhalten, dass sämtliche wiedergegebene Statistiken auf der Grundlage der in den „Gebietsplänen“ genannten FNPM-Projektbeschreibungen basieren und insofern allein auf den diesbezüglichen Angaben lokaler Akteure beruhen. Inwieweit deren Aussagen der kommunalen Realität entsprechen, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Auch wenn die Implementierung von Maßnahmenbündeln generell die Politik und die Verwaltung vor große Herausforderungen stellt, so erscheint dieser Prozess insbesondere in Italien von signifikanten Diskrepanzen zwischen politisch-gesetzlichen Absichtserklärungen und realen Handlungen gekennzeichnet zu sein (Zincone 1995). Darüber hinaus gilt für die Erforschung der Integrationspolitik in Italien zu berücksichtigen, dass sie in das allgemeine System des italienischen Wohlfahrtsstaates einbettet ist. Letzterer gehört gemäß Gøsta Esping-Andersen zur Gruppe der „korporatistisch-subsidiären“ Staaten Europas. Zu deren Eigenschaften zählt, dass der Zugang zu Rechten in Verbindung zur Klassenzugehörigkeit oder zum sozialen Status gesetzt wird, und dass die Kirchen Sozialaufträge übernehmen, die seitens des Staates nicht erfüllt werden, da dieser primär auf die Familie als Instanz für die Versorgung mit sozialen Leistungen vertraut (Esping-Andersen, 1990: 26ff). Zuwanderer sind in diesem Zusammenhang potentiell zweifach negativ betroffen: Aufgrund fehlender Anerkennung von Bildungsqualifikationen sind sie oft gezwungen, niedrige oder unqualifizierte Tätigkeiten auszuüben, und sich damit am unteren Segment der Gesellschaft einzuordnen. Zusätzlich entsprechen ihre Lebensumstände nur selten dem traditionellen Familienbild, auf das sich korporatistische Wohlfahrtsstaaten stützen. Grundsätzlich muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch in diesem Sinne konservative Staaten Europas Elemente liberaler oder sozialdemokratischer Politik inkorporiert haben. Italien bildet dahingehend keine Ausnahme (Esping-Andersen 1990: 27-29). Darüber hinaus, so Esping-Andersen, weist das staatlich proklamierte Prinzip der ‚Subsidiarität’ korporatistischer Staaten darauf hin, dass „the state will only interfere when the family’s capacity to serve its members are exhausted“ (Esping-Andersen 1990: 27). In diesem Sinne ließe sich die Einrichtung des „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ als Bewusstwerdung des italieni-
63
schen Staates deuten, dass die Integration der Zuwanderer mit den Ressourcen zivilgesellschaftlicher Kräfte und in erster Linie der katholischen Kirche allein nicht (länger) zu realisieren ist. Welche Akteure in das Ablaufschema des FNPM inkorporiert wurden und wer tatsächlich an der lokalen Umsetzung diesbezüglicher Maßnahmen beteiligt ist, wird im Weiteren erforscht.
64
4 Die Implementierung integrationspolitischer Maßnahmen in der Emilia-Romagna
In Italien hat man gegen die von oben kommende Willkür keine andere Abhilfe gefunden als den von unten kommenden Ungehorsam. Giuseppe Prezzolini, Die Regeln des italienischen Lebens, 1917
4.1 Grundlagen der Implementationsforschung Entstanden aus dem reformpolitischen Kontext der USA in den 1960/1970er Jahren, fand die Implementationsforschung in der Folgezeit auch in Deutschland Eingang in wissenschaftliche Reflexionen und Veröffentlichungen (Mayntz 1980: 1; Mazmanian/Sabatier 1981: 3). Als ‚Klassiker’ der us-amerikanischen Implementationsforschung gelten insbesondere Jeffrey Pressman und Aaron Wildavsky, welche die Basiskategorien dieses Forschungszweiges wie folgt definieren: Als Ausgangspunkt setzen sie die „Politik“, die sie verstehen als Hypothese über Anfangsbedingungen und angenommene Konsequenzen oder mathematisch: „If X is done at time t1, then Y will result at t2“ (Pressman/Wildavsky 1973: xiv). Implementierung erscheint ihnen in diesem Zusammenhang als Fähigkeit, bei stabilen Anfangskonditionen antizipierte Ergebnisse zu erreichen. Von der „Politik“ unterscheiden Pressman und Wildavsky das „Programm“. Regierungshandeln sei dann „programmatisch“, wenn es darauf ausgerichtet sei, die Realisierung schwer erreichbarer Ziele sicher zu stellen. Pressman und Wildavsky zufolge manifestiert sich das „Programm“ insofern als „if“-Phase der Politikhypothese bzw. als Überführung einer Hypothese in Aktion. In Abgrenzung zum Programm beziehe sich die Implementierung auf die “then”-Phase: „A process of interaction between the setting of goals and actions geared to achieving them.“ (Pressman/Wildavsky 1973: xv). Grundsätzlich basiere Politik immer auf Theorien, d.h. dass sie explizit oder implizit immer von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Anfangsbedingungen und zu erreichenden Resultaten ausgehe - Wenn X, dann Y. Implementierung wird in diesem Kontext als Fortsetzung oder ‚Verzahnung’ von politischen Intentionen, Mitteln ihrer Erreichung und antizipierten Folgen verstanden: „Implementation, then, is the ability to forge subsequent links in the
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causal chain connecting actions to objectives. Given X, we act to obtain Y.“ (Pressman/Wildavsky 1973: xv) (Pressman/Wildavsky 1973: xi-xvii). Renate Mayntz, maßgeblich an der Etablierung der deutschen Implementationsforschung beteiligt, weist darauf hin, dass in der Realität nur im Ausnahmefall ein „Programm“ zu Beginn des Implementationsprozesses als konkrete, fassbare Einheit dem Forschenden vorliegt. Dies sei allein dann der Fall, wenn es sich mit einem Gesetz decke. Vielmehr stelle das „Programm“ ein Konstrukt des Forschenden dar, dessen Bestandteile aus einem oder mehreren Gesetzen, aus politischen Absichtserklärungen, Mittelallokationen etc. zusammengestellt und zu einem kongruenten Bild verdichtet werden. Mayntz argumentiert, dass „von Implementierung nur bei Vorliegen einer politischen Zielsetzung und eines absichtsvollen an ihrer Verwirklichung orientierten Handelns“ geredet werden kann (Mayntz 1980: 5). Darüber hinaus hebt sie hervor, dass eine rein vertikale Implementationsstruktur, d.h. die hierarchische Anordnung der beteiligten Akteure, in Wirklichkeit eher die Ausnahme darstellt. Tatsächlich sei das System der Instanzen administrativen Vollzugs durch die Abwesenheit strikter Autoritätsbeziehungen und die Dominanz horizontaler Beziehungslinien gekennzeichnet. Insbesondere im sozialpolitischen Bereich würden zudem nicht-staatliche Akteure wie zivilgesellschaftliche Vereinigungen, Berufsverbände etc. einen besonderen Stellenwert besitzen, so dass die Implementationsstruktur oftmals einen netzwerkartigen Charakter annehme (Mayntz 1980: 4-9). Grundsätzlich wird demnach die Phase der Politikformulierung von dem Vollzug politischer Vorgaben unterschieden. In wissenschaftlichen Untersuchungen wird das Verhältnis der beiden (Politikentwicklung und Implementierung) oftmals als voneinander getrennte Phasen angesehen und erforscht. Erhard Blankenburg hält dazu fest: „Policy issues which are decided by law or binding regulations usually are seen in the framework of a process of decision-making on the one hand, and another process of implementing these decisions on the other.” (Blankenburg 1975: 1). Stattdessen verweisen die zitierten Autoren Pressman/Wildavsky und Mayntz auf die Untrennbarkeit von Programmentwicklung und Implementation im Politik- wie Forschungsprozess. Ihnen zufolge wird eine „dichotome Phasenvorstellung“ von Entwicklung und Vollzug der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht gerecht (Mayntz 1977: 239 und 1980: 9f; Pressman/Wildavsky 1973: xvii). Die Untrennbarkeit von Politikentwicklung und Umsetzung wird auch von Bill Jordan, Bo Strath und Anna Triandafyllidou thematisiert. Sie bestimmen den Prozess der Implementierung als ebensolche politische Aktivität wie die Politikformulierung und definieren den Vollzug politischer Vorgaben als durch das Politikdesign vorbestimmt (Jordan/Strath/Triandafyllidou 2003: 210f):
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Furthermore, implementation is essentially a political activity just as policy making is. The definition of public issues and the design of policies to address them are the product of conflict, negotiation and compromises. Implementation is pre-determined to a certain extent by the prior stage of policy formulation and is a continuation of the social and political environment in which policy decisions were taken. (Jordan/Strath/Triandafyllidou 2003: 211)
Der Implementationsvorgang erscheint ihnen als komplexer Prozess, der ebenso mehrere Phasen wie mehrere Ebenen der Verwaltungshierarchie und Gesellschaftsstruktur umfasst: The implementation process is complex, multi-phase – it takes place at different stages of policy formulation, application, reformulation or amendment of initial provisions and updated application practices – and multi-level – it involves different echelons in the administration hierarchy and also includes social and political actors outside the administration. (Jordan/Strath/Triandafyllidou 2003: 212)
Diese Vielschichtigkeit des Implementationsvorgangs bedinge seine Abhängigkeit von einer Reihe von Faktoren, welche sich nachhaltig auf seinen Verlauf und seine Form auswirken können. Jordan, Strath und Triandafyllidou stellen in diesem Zusammenhang die Bedeutung a) des Prozesses der Politikbildung, welcher der Umsetzung vorangehe, b) der Organisationsstruktur, c) des Verhaltens kommunaler Beamter und d) des Verhaltens und der Reaktionen der Adressatengruppe sowie anderer beteiligter Sozialakteure hervor (Jordan/Strath/Triandafyllidou 2003: 212). Damit entspricht das entwickelte Interviewdesign der vorliegenden Untersuchung in prägnanter Weise ihren Vorgaben: Es beinhaltet Gespräche mit Landespolitikern der Emilia-Romagna als Vertretern der regionalen Konsolidierung integrationspolitischer Maßnahmen ebenso wie es die Kooperation zwischen den verschiedenen Politikinstanzen (Land, Provinz, Gemeinde) erfasst.91 Innerhalb ausgesuchter Kommunen werden zudem das Alltagshandeln, die Alltagsideologie und die Interaktionen der Gemeindebeamten dargestellt. Darüber hinaus werden die Reaktionen der Adressaten, italienischer wie nicht-italienischer Abstammung, und ihr faktisches Verhältnis erforscht. Im weiteren Verlauf der Untersuchung gilt es zudem drei gängige „Implementationsmythen“ zu berücksichtigen: Dazu gehört erstens die bereits beschriebene Vorstellung, dass der Prozess der Implementierung dort beginne, wo die Politikformulierung ende. In diesem Zusammenhang erscheinen Unterschiede zwischen erwarteten und faktischen Ergebnissen nicht durch den Vorgang der Politikformulierung, sondern allein durch ihren Vollzug bedingt. Zweitens 91
Näheres siehe im Folgenden.
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herrsche oftmals die Annahme vor, dass der Prozess der Implementierung auf einem schriftlichen Politikmandat basiere, das Wort für Wort umgesetzt werde. In Wirklichkeit sei aber die Ambivalenz von Gesetzestexten beabsichtigt und notwendig, um zu kompromissfähigen Gesetzesvorschlägen zu gelangen. Anstatt eines technisch-administrativen Vollzugs sehen sich Implementeure vor die Aufgabe gestellt, Gesetzesvorgaben zu interpretieren. Die dritte Vorstellung betrifft die Verwaltungsmacht von Implementeuren: Verzerrte oder unintendierte Ergebnisse des Umsetzungsvorgangs würden allein auf externe Faktoren zurückgeführt, die auf die Intention des Akteurs, die (vermeintlich) eindeutigen Gesetzesgrundlagen zu befolgen, einwirken. Diese Annahme werde insbesondere durch Untersuchungen zu so genannten Street-level bureaucrats92 in Frage gestellt, welche das oft differenzierte Verhalten von Implementationsakteuren auf unteren Verwaltungsebenen veranschaulichen (Jordan/Strath/Triandafyllidou 2003: 210f; Yanow 1990: 218-220). In der Implementationsforschung wurden in der Vergangenheit mehrfach Anstrengungen unternommen, die vielfältigen Variabeln des Umsetzungsprozesses politischer Maßnahmen zu identifizieren und in einem theoretischen Modell zu aggregieren (Mazmanian/Sabatier 1981: 4). Die Folge waren mehr oder weniger umfangreiche und mitunter unübersichtliche Erklärungsmodelle zur Umsetzung politischer Programme (Blankenburg 1975: 1ff; Hill 1983: 87ff; Pressman/Wildavsky 1973: 87ff). Für die vorliegende Untersuchung erweist sich ein solcher Ansatz als wenig sinnvoll. Unter dem Verweis auf die enorme Vielzahl bedingender Faktoren auf der Makro- und Mikroebene wird kein Versuch ihrer ganzheitlichen Erfassung unternommen, sondern die von den Implementationsakteuren identifizierten Umsetzungsbarrieren im untersuchten Feld werden erläutert. Die sich anschließende Analyse zur Implementierung integrationspolitischer Maßnahmen in der Emilia-Romagna orientiert sich dabei an einer gewichtungsfreien Übersicht Hans-Ulrich Derliens (siehe Tabelle 4.1), welche kreuztabellarisch politische Programmtypen ihren Realisierungsdefiziten und Ursachen gegenüberstellt und somit die erhobenen Fakten der vorliegenden Untersuchung sowie die Aussagen der Befragten zu schematisieren hilft.
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Der Ausdruck „Street-level bureaucrats“ wird allgemein Lipsky und seinem politikwissenschaftlichen Standardwerk zur Implementationsforschung „Street-level Bureaucracy. Dilemmas of the Individual in Public Services“ zugeordnet. (Siehe dazu: Lipsky 1980).
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- Elastizität
- Operationalität
- Zielkonflikt
Programmfehler:
- contra-intuitive Wi k - Niveauprobleme
Ineffektivität:
- Aktivitätsniveau
- Nonkonformität
- adminstrative lag
- Zielverschiebung
Lokalisierungsprobl Vollzugsdefizite:
Ursachen:
(Quelle: HU Derlien, unveröffentlichte vervielfältigte Seminarunterlage, Universität Bamberg)
Programmadressat - Verwaltung selbst - private Organisation - Individuen Programmtyp Regelungsinstrument n. Interventionsgrad Realhandlunphysische Eingriffe gen Regulative PolitikImperative programme Anreizinventives (fiprogramme nanz.) InfrastrukturBenutzungsprogramme angebote Transferzahlungen Pädagogische Propaganda, Programme Bildung Mitteilungen, InformationsBenachprogramme richtigungen Privatrechtl. Verträge
- Zielgruppe verf hlt - zeitliche Verzöge-
Realisierungsdefizite: - Kausalannahmen d i li it - symbolische P litik Mangelnde Finanzt tt Organisation:
Tabelle 6: Kreuztabelle zur Implementationsanalyse nach Derlien
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Kontroll- und St d fi it Externe Störfakto- Unklare Zuständi k it - Personaldefizite
4.2 Die eigene Implementationsanalyse Auf die Relevanz des Prozesses der Politikformulierung für die Phase der Implementierung war bereits hingewiesen worden. Blankenburg hält dazu fest, dass man bestehende Konflikte im Prozess der Politikformulierung dadurch zu vermeiden sucht, indem die Einzelheiten der Umsetzung von Gesetzesvorgaben bewusst den Implementationsakteuren überlassen werden. Zum einen würden so Konflikte an die Regierungsebene delegiert, auf der eine Interessenkoalition unter lokalen Autoritäten wahrscheinlicher ist. Zum anderen würde damit dem symbolischen Gehalt politischer Entscheidungen entsprochen (Blankenburg 1975: 1-7): Laws serve symbolic functions. They can do so much better, if the degree of fulfilment is left to implementing agencies. Under-enforcement is a way of adapting laws with high symbolic importance to changing social standards, especially if there are conflicting views in a society whether a legal prescription is obsolete or not. (Blankenburg 1975: 7)
Virginie Guiraudon und Galla Lahav identifizieren zudem im Europa der Gegenwart die Tendenz, dass nationale Regierungen ihre Verantwortung im Migrationsbereich nach „oben, außen und unten“ verlagern. Die Verlagerung von Kompetenzen nach „oben“ beziehe sich dabei auf bestehende Formen internationaler und supranationaler Kooperation (z.B. EU). Beim ‚Auslagern’ von Kontrollaktivitäten würden nicht-staatliche Subunternehmer wie Fluggesellschaften in die Verantwortung genommen, die keine Passagiere ohne die vorherige Überprüfung ihrer Dokumente transportieren dürfen. Eine Verlagerung von Kompetenzen nach „unten“ vollziehe sich als Delegierung von Kontrollaufgaben an lokale Akteure (Dezentralisierung), wie bei der Überprüfung des Aufenthaltstitels für den Zugang zum sozialen Wohnungsbau (Guiraudon/Lahav 2000: 175-188; Van der Leun 2006: 311f). Im Weiteren werden integrationspolitische Inhalte und das Politikdesign für die Realisierung des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ dargestellt und analysiert. Dabei wird den grundsätzlichen Reflexionen zum Symbolgehalt von Gesetzen und der beschriebenen Tendenz zur Kompetenzenverlagerung Rechung getragen. Neben der Analyse politisch-administrativer Dokumente und statistischer Erhebungen zum Inhalt des emilia-romagnolischen ‚Integrationsprogramms’ der Jahre 2002/2003 wird dabei auf leitfadengestützte Interviews zurückgegriffen, welche mit politischen Akteuren und Adressaten integrationspolitischer Maßnahmen gleichermaßen geführt wurden.
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Die Befragung der Integrationsakteure schloss zuständige Vertreter der Landesregierung, der so genannten Giunta regionale, ebenso mit ein wie Repräsentanten des Staates auf lokaler Ebene.93 Da der Schwerpunkt der Studie auf die Umsetzung von Fördermaßnahmen zur Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in die italienische Grundschule sowie auf Italienischkurse für erwachsene Immigranten gelegt wurde, wurden verantwortliche Kommunalbeamte als lokale Akteure ebenso interviewt wie Schuldirektoren und so genannte insegnanti di utilizo oder inseganti di riferimento (Lehrer, die in besonderer Weise für die Integration von Kinder nicht-italienischer Staatsbürgerschaft verantwortlich gezeichnet werden). Zusätzlich wurden Vertreter involvierter zivilgesellschaftlicher Organisationen befragt, die entweder Vereinen des italienischen volontariato (meist katholische Freiwilligenverbände)94 oder Zuwandererorganisationen angehörten. Als Grundlage der durchgeführten Gespräche mit den Integrationsakteuren diente das leitfadengestützte Experteninterview, das in Orientierung an Ausführungen von Michael Meuser und Ulrike Nagel aus dem Jahr 1991 entwickelt wurde.
4.2.1 Die Konzeption des Experteninterviews Als Experten bestimmen Meuser und Nagel Personen, die direkt in dem Handlungsfeld mit eingeschlossen sind, das im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht. In diesem Sinne schließen sie bewusst solche Fachleute aus ihrer Definition aus, die quasi als Gutachter Zugang und Einblicke in das Forschungsgebiet besitzen. Damit erhält der Begriff des Experten einen „relationalen Status“ (Meuser/Nagel 1991: 443):
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Eine detaillierte Darstellung der Interviewten findet sich in den weiteren Kapiteln. Zum volontariato erklärt die Landesregierung innerhalb ihres Internetauftritts, dass sie den sozialen Wert und die Aktivitäten des volontariato als „Ausdruck der Teilnahme, der Solidarität und des Pluralismus“ der Gesellschaft anerkennt und seinen sozialen, zivilen und kulturellen Beitrag innerhalb der Gesetze des Staates und des Landesstatuts befürwortet. Neben dem volontariato sind in der Emilia-Romagna zudem cooperative sociali (soziale Kooperativen) aktiv, denen die Aufgabe obliegt, im Interesse des Gemeinwohls die Förderung der einzelnen Gesellschaftsmitglieder als auch die soziale Integration der Bürger voranzutreiben. Zu diesem Zwecke etablieren und leiten sie soziosanitäre Dienste, schaffen Bildungsangebote und fördern die Eingliederung in den Arbeitsmarkt benachteiligter Personen. (Siehe dazu: Regione Emilia-Romagna: Volontariato, http://www.emiliaromagnasociale.it/wcm/emiliaromagnasociale/home/volontariato.htm, [Stand: 01.12.2004] sowie Regione Emilia-Romagna: Cooperazione sociale, http://www.emiliaromagnasociale.it/wcm/emiliaromagnasocile/jme/cooperazione_sociale/normativa/legge381_1991.htm, [Stand: 01.12.2004]). 94
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Als Experte wird angesprochen, - wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder - wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt. (Meuser/Nagel 1991: 443)
Die ausgesuchten und vor dem Hintergrund der spezifischen Forschungsfrage interviewten Fachleute werden in diesem Sinne als Repräsentanten von Institutionen und Organisationen angesprochen, wenn sie Positionen einnehmen, durch welche sie Entscheidungskompetenz besitzen und Problemlösungen vorzustellen haben. Die spezifischen Zuständigkeiten der Fachleute sind für die Befragung ebenso relevant wie die Beschreibung ihres Arbeitsalltags und die daraus gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen. Zentral für die Konzeptionierung des Experteninterviews nach Meuser und Nagel ist die Unterscheidung der Wissensbestände der Befragten in „Betriebswissen“ und „Kontextwissen“. Bei der Erfassung des „Betriebswissen“ werden organisations- oder institutionsinterne Entscheidungsstrukturen und -prozesse sowie Implementationsvorgänge identifiziert und Entscheidungsroutinen, Implementationsbarrieren sowie Umgehungsstrategien herausgearbeitet. Das „Kontextwissen“ beziehe sich zwar ebenfalls auf die Wissensbestände der interviewten Experten, jedoch allein als „komplementäre Handlungseinheit“ (Meuser/Nagel 1991: 445). Neben anderen Erhebungsinstrumenten diene es dazu, Charakteristika und Strukturen des Handlungsgefüges der eigentlichen Zielgruppe offen zulegen. Von diesem unterschiedlich gelagerten Erkenntnisinteresse bei der Befragung von Experten als direkte Referenz- bzw. als komplementäre Gruppe wird laut Meuser und Nagel unmittelbar die Auswertung der durchgeführten Interviews beeinflusst: Dort, wo sich das Forschungsinteresse auf die ExpertInnen als Zielgruppe und nicht als Kontextgröße richtet, wird es in der Auswertung darum gehen, die entsprechenden Wissens- und Handlungsstrukturen, Einstellungen und Prinzipien theoretisch zu generalisieren, Aussagen über Eigenschaften, Konzepte und Kategorien zu treffen, die den Anspruch auf Geltung auch für homologe Handlungssystem behaupten können bzw. einen solchen theoretisch behaupteten Anspruch bestätigen oder falsifizieren. (Meuser/Nagel 1991: 447)
Im Gegensatz dazu beschränke sich die Auswertung von Experteninterviews als Kontextgröße darauf, Bedingungen und Mittel zur Untersuchung der mit ihnen verbundenen (eigentlichen) Zielgruppe herauszuarbeiten. In der vorliegenden Untersuchung werden Experten als primäre Zielgruppe befragt. Hinsichtlich des Diskursverlaufs befürworten Meuser und Nagel eine Leitfaden gestützte Befragung, welche es dem Interviewer erlaube, das Gespräch
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auf die für ihn relevanten Themengebiete zu beschränken, gleichzeitig durch sein Vorwissen die nötige Fundiertheit zu gewährleisten und seinem Gesprächspartner gegenüber als kompetent aufzutreten. Darüber hinaus gestatte es dem interviewten Experten, seine Sicht des angesprochenen Sachverhalts punktgenau zu verdeutlichen und sein Erfahrungswissen darzulegen.95 Meuser und Nagel verleihen ihrer Überzeugung Ausdruck, dass einer offenen Gesprächführung dort der Vorzug zu geben ist, wo es „um handlungsleitende Regeln jenseits von Verordnungen, um ungeschriebene Gesetze des ExpertInnenhandelns, um tacit knowing und Relevanzaspekte“ geht (Meuser/Nagel 1991: 449). Dabei sei es gerade der Leitfaden, der eine solch offene Interviewführung erlaube. Durch seine Entwicklung und Präzisierung mache sich der Forscher soweit mit den von ihm angesprochenen Themen vertraut, dass die Basis für eine flexible Handhabung der Befragung – im Antwortverhalten sowie in der Reihenfolge der relevanten Inhalte – gewährleistet sei. In diesem Zusammenhang sprechen Meuser und Nagel die Empfehlung aus, sich auf den Kommunikationsstil des Experten einzulassen und ihm zu folgen, um tatsächlichen Austausch und Verständigung zu ermöglichen. Sie unterscheiden in diesem Zusammenhang drei verschiedene Arten eines gescheiterten Interviews, die von a) der Blockade des Interviews durch den (fälschlich angesprochenen) Experten über b) den Missbrauch der Befragungssituation zu persönlichen, forschungsfremden Stellungnahmen von Seiten des Experten zu c) dem Alternieren der Rollen des Experten als Fachmann und als Privatmensch reichen. Eine Befragung erscheint ihnen als gelungen, wenn durch die Neugierde des Interviewten und die Fremdheit der Gesprächspartner ein Verständigungsprozess in Gang gesetzt wird, in dessen Verlauf der Experte über den Sachverhalt berichtet, „typisiert, rekonstruiert, interpretiert, kommentiert und exemplifiziert“ (Meuser/Nagel 1991: 450). Als gelungen sei das Interview auch dann zu bezeichnen, wenn der Experte eine „Reziprozität der Perspektiven“ unterstelle, durch deren Bestätigung kommunikativer Austausch ermöglicht wird. Eine Sonderstellung hinsichtlich des Gelingens oder Scheiterns einer Befragung nehme das „rhetorische Interview“ ein, in dem der Experte sein Wissen einem Vortrag oder Referat ähnlich kundtue. Gehe er dabei auf erkenntnisrelevante Themenkomplexe ein, seien seine Äußerungen verwertbar. Verfehle er jedoch dieses Ziel, dann sei die Befragung als gescheitert zu werten. Grundsätzlich verweisen Meuser und Nagel zudem auf den Einfluss von Faktoren wie Alter, Geschlecht, Antipathie und Sympathie, die jedoch weder methodisch noch technisch kontrollierbar seien (vgl. Meuser/Nagel, 1991, S.441-451). 95
Nach eigener Erfahrung entspricht das leitfadengestützte Interview zudem dem meist eng gesetzten Terminkalender von Experten.
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4.2.1a Die Befragung der Akteure integrationspolitischer Maßnahmen Anhand der theoretisch-methodischen Vorüberlegungen von Meuser und Nagel und deren Implikationen soll nun die eigene Interviewkonzipierung erläutert werden. Die in der vorliegenden Untersuchung verwendeten Leitfäden zur Expertenbefragung96 berühren Themenfelder, die auf der Grundlage fachlicher Kenntnisse des Landes und italienischer Forschungsliteratur als relevant identifiziert wurden.97 Die dortigen Reflexionen zum Integrationskonzept Italiens und die Vorschläge zu Verbesserung der Integrationspraxis divergieren zum Teil erheblich. Eine ihrer grundsätzlichen Gemeinsamkeiten besteht jedoch darin, die Ineffizienz der bisherigen italienischen Integrationsbemühungen zu beklagen und festzustellen, dass die Eingliederung der Zuwanderer bislang weitestgehend zivilgesellschaftlichem Engagement und dem „freien Markt“ überlassen wurde. Zincone hält in diesem Zusammenhang fest, dass die Diskrepanz von Gesetzen und ihrer administrativen Umsetzung ebenso typisch für das politische Systems Italiens ist wie die große Entscheidungsfreiheit von Verwaltungen und Staatsbeamten bei der Realisierung gesetzlicher Vorgaben. Die Eingliederung und Interessenvertretung der Immigranten sei vor allem durch meist katholische Freiwilligenverbände wahrgenommen worden. Guido Bolaffi hingegen führt die Ineffizienz der Integrationsbemühungen Italiens auf eine historisch nur gering ausgeprägte Kooperation zwischen den italienischen Behörden und die mangelnde Professionalität der zuständigen Ämter zurück, deren Beamte nicht migrationsspezifisch geschult seien. Maurizio Ambrosini und Fabio Berti heben die Rolle des Marktes bei der Eingliederung der Zuwanderer hervor. So steht, laut Ambrosini, der ökonomischen Profitabilität der Immigranten ihre soziale Nicht-Akzeptanz gegenüber. Während sich die Zuwanderer an dem flexiblen, anspruchslosen Arbeitsplatzangebot der italienischen Wirtschaft orientiert haben, bewege sich die italienische Gesellschaft zwischen einer rigorosen Schließung gegenüber Migranten und einer geringen Aufmerksamkeit ihnen gegenüber. Als zentrale Elemente des von ihm diagnostizierten „impliziten italienischen Integrationsmodells“ identifiziert Ambrosini a) die „spontane“ Ankunft und Eingliederung der Immigranten, de96
Wenn im Folgenden von dem Experten oder der Fachperson die Rede sein wird, so beziehen sich diese Formulierungen sowohl auf den männlichen wie weiblichen Genus. Der Einfachheit halber wird auf die explizite graphische Ausweisung beider Geschlechter verzichtet, auch wenn sowohl männliche wie weibliche Experten befragt wurden. 97 Es muss darauf hingewiesen werden, dass besagte italienische Fachliteratur rein theoretischer Natur ist und auf diesbezügliche Beobachtungen, Reflexionen und Erfahrungen italienischer Wissenschaftler zurückgehen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung lagen keine empirischen Untersuchungen zur Umsetzung von Integrationsprogrammen in Italien bzw. der Emilia-Romagna vor. Näheres siehe Kapitel 1.
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ren Zuwanderung nicht der Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte oder effizienten Programmen der Quotierung gefolgt sei, b) eine geringe institutionelle Regelung der Migration in Italien, c) den signifikanten Einfluss lokaler Akteure (Freiwilligenvereine, kirchliche Institutionen und Gewerkschaften), die angesichts des geringen Gewichts nationaler öffentlicher Einrichtungen aus Eigeninitiative heraus ein Minimalangebot an Aktivitäten entwickelt hätten, d) die oszillierende Haltung der Aufnahmegesellschaft zwischen einer auf humanitären Einstellungen basierenden Öffnung und einer gleichzeitig wachsenden Verschlossenheit, e) die stark ausgeprägte informelle Komponente der Migration, der Regularisierungs- und Stabilisierungstendenzen gefolgt seien, f) die Fähigkeit der Zuwanderer, den Bedarf des italienischen Wirtschaftsystems zu begreifen und sich daran anzupassen, g) die sehr rasch fortschreitende Stabilisierung des Migrationsphänomens in Italien und h) die spontane Verbreitung von Hilfskanälen innerhalb einer Migrantengruppe. Auch Berti stellt hinsichtlich der Situation der Zuwanderer in Italien fest, dass diese in der Mehrzahl der Fälle nicht mit Solidarität und Hilfe rechnen konnten, sondern den „Zufälligkeiten des Marktes“ ausgesetzt gewesen seien. Allein einige NGO’s und Freiwilligenverbände hätte eine Art „Insel- oder Enklavensolidarität“ entwickelt (Ambrosini 2001: 24-29; Berti 2000: 23-43; Bolaffi 2001: 117-126; Zincone 1995: 139 und 142; Zincone 2000: 31f). Die Ausführungen der zitierten italienischen Wissenschaftler verdeutlichen die Annahme einer im Allgemeinen defizitären Umsetzung integrationsrechtlicher Vorgaben in Italien. Ihre Ausführungen legen nahe, dass eine solche fehlerhafte Implementation erstens auf eine ineffiziente formale Organisation, zweitens auf die mangelnde Interaktion der beteiligten Akteure und drittens auf die geringe fachliche Qualifikation der Migrationsbeamten zurückzuführen ist.98 Stattdessen würden die Gesetze des Marktes und zivilgesellschaftliche Organisationen die Integration der Zuwanderer bewirken. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen theoretischen Überlegungen und Aussagen zur Integrationspolitik in Italien werden in der vorliegenden Untersuchung die Planung und Umsetzung des integrationspolitischen FNPM-Programms in der italienischen Region Emilia-Romagna empirisch untersucht, wobei besagte Vorkenntnisse als Grundlage zur Entwicklung des Interviewleitfadens herangezogen wurden. Nachdem den Befragten Anonymität zugesichert wurde, wurde das Gespräch mit einer offenen Frage zu der jeweils verfolgten Politik im Integrationsbereich eröffnet, welcher weitere Konkretisierungen zu Aufgaben und Tätigkeiten der Fachperson, finanzieller Ausstattung und Organisation etc. folgten.99 In 98
In der vorliegenden Studie wurde zudem als weiterer möglicher Faktor das faktische Verhältnis von Autochthonen und Immigranten berücksichtigt. Ein Beispiel des Experten-Interviewleitfadens findet sich im Anhang. Näheres siehe Kapitel 8.
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einem zweiten Schritt wurde die Entwicklung und Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen angesprochen. Als Drittes wurden der zukünftige Interventionsbedarf und die Rolle der jeweiligen Institution bei der Wahrnehmung integrationspolitischer Aufgaben aus Sicht des Befragten erhoben. Als Viertes wurden die Auswirkungen des Migrationsphänomens auf den beruflichen Werdegang des Experten erforscht.100 Im Rahmen der vorgegebenen Themen wurde der Entwicklung des Gesprächs durch den Befragten bewusst Raum gegeben und Nachfragen wurden dort gestellt, wo es nötig erschien. Zur Gesprächsstimulation wurden die Ausführungen Smigels berücksichtigt.101 Erwin Smigel formuliert, dass der Schlüssel für eine erfolgreiche Befragung von Eliten bzw. von Experten allgemein darin liegt, ihr Interesse zu wecken und zu erhalten. Ohne eine eindringliche und interessante Fragestellung, so Smigel, werden die Interviewten wenig überlegte Äußerungen tätigen und das Gespräch schnell beenden. Um das Interesse des befragten Experten im Verlauf des Interviews aufrecht zu erhalten, identifiziert er drei mögliche Formen der Gesprächsstimulation: erstens die Konfrontation des Gesprächpartners mit entwickelten Forschungshypothesen, zweitens dessen Konfrontation mit hypothetischen Situationen sowie drittens die Provokation des Befragten. Dieser letzte Punkt umschließt dabei sowohl die Möglichkeit, den interviewten Experten auf Inkongruenzen seiner Aussagen im Gespräch aufmerksam zu machen als auch den Befragten mit Äußerungen anderer Experten etc. zu konfrontieren, die seinen Ausführungen widersprechen (Smigel 1959: 163f). In der vorliegenden Untersuchung wurde insbesondere die zuletzt genannte Form der Gesprächsstimulation mit Vorsicht verwendet.
4.2.1b Die Befragung der Adressaten integrationspolitischer Maßnahmen Die Gruppe der Adressaten integrationspolitischer Maßnahmen der vorliegenden Untersuchung lässt sich in drei Subkategorien unterteilen. Zum einen wurden im Untersuchungszeitraum 2002/2003 erwachsene Zuwanderer befragt, die im Rahmen des „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ an einem Italienischsprachkurs teilnahmen. Zum anderen wurden im Schuljahr 2002/2003 Grundschüler mit Migrationshintergrund sowie der Teil seiner bzw. ihrer Eltern befragt, der maßgeblich die schulische Laufbahn des Kindes verfolgt. Zum drit100 Diese Fragekonzipierung hat sich zur Erforschung der angesprochenen Themenkomplexe als funktional erwiesen. Von direkten Fragen wurde allein beim Werdegang des befragten Experten Gebrauch gemacht. Die Darstellung der Gesprächsinhalte ist im Folgenden weiter ausdifferenziert. 101 Bereits Meuser und Nagel beziehen sich in dem zitierten Aufsatz auf Smigel. (Siehe dazu: Meuser/Nagel 1991: 448 und 70).
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ten wurden Schüler nicht-italienischer Staatsbürgerschaft nach seinem/ihren besten Klassenkameraden autochthoner Herkunft befragt und in der Folge ein Interview mit diesem und dem Teil seiner bzw. ihrer Eltern durchgeführt, der maßgeblich den schulischen Werdegang des Kindes begleitet. Der Kontakt zu den Besuchern der Sprachkurse wurde unter Mithilfe der Sprachlehrerinnen hergestellt. Im Falle der Befragung von Grundschülern nichtitalienischer Nationalität griff man auf verschiedene Strategien zurück: Für die Gemeinde Luzzara erwies sich die Figur der „kulturellen Vermittlerin“ als äußerst hilfreich. Nach einem ersten persönlichen Kontakt und deren Anwesenheit bei der Durchführung eines Interviews erstellte sie eine Namensliste indischer und pakistanischer Familien, deren Kinder die lokale Grundschule besuchten, und holte vorab ihr Einverständnis zur Befragung ein. In der Gemeinde Rimini stellte sich der Zugang zur relevanten Personengruppe schwieriger dar: Nachdem die Kontaktaufnahme über die ‚Integrationslehrerin’102, die involvierte Migrantenorganisation und die Caritas erfolglos verlaufen war, wurden Zuwandererfamilien behutsam vor der Grundschule angesprochen, ob sie bereit wären, einem anonymen Interview zuzustimmen.103 Grundsätzlich gestaltete sich die Befragung der Adressaten inhaltlich analog zu den bereits beschriebenen Experteninterviews.104 Allgemein wurde die Situation der Zuwanderer in der Gemeinde und in Italien sowie der Migrationsund Integrationspolitik beleuchtet und das Verhalten von Autochthonen und Immigranten berücksichtigt. Darüber hinaus wurden Einblicke in die aktuelle Lebenssituation der Interviewpartner gewährt sowie deren Zukunftsentwürfe erforscht. Von den Befragten mit Migrationshintergrund wurde positiv bewertet, dass die Interviewerin ebenfalls straniera (Ausländerin) war und Italienischkurse absolviert hatte. Grundsätzlich wurde bei der Adressatenbefragung der Gesprächsentwicklung durch die Befragten, auch zwischen interviewten Schüler und Elternteil, bewusst Raum gegeben. Bei Verständnisschwierigkeiten wurde gemäß dem Kommunikationsstil der Befragten die Frage umgestellt. Die Gesprächsstimulation gemäß Smigel fand so gut wie keine Berücksichtigung.
102
Gemeint ist hier die Figur des insegnante di utlilizzo oder insegnante di riferimento, welche Lehrer bezeichnet, die in der Schule explizit mit der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund betraut sind. 103 Normalerweise fanden besagte Gespräche nicht an Ort und Stelle statt, sondern es wurde ein späterer Termin vereinbart. 104 Der verwendete Leitfaden für die befragten Sprachkursteilnehmer und die Adressaten im Schulwesen befindet sich im Anhang. Näheres siehe Kapitel 8.
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4.2.2 Die Interviewauswertung Gegenüber der Konzeptionierung des Experteninterviews wurde bei seiner Auswertung von einem zentralen Element der methodischen Grundlagen Meuser und Nagels Abstand genommen: der ausschließlichen Konzentration auf die ‚institutionalisierte Persönlichkeit’ des Experten. Meuser und Nagel betonen die Trennung des organisatorisch-institutionellen Kontextes vom sozialen Lebensumfeld des Befragten (Meuser/Nagel 1991: 442): ExpertInneninterviews beziehen sich mithin auf klar definierte Wirklichkeitsausschnitte, darüber hinausgehende Erfahrungen, vor allem solcher privater Art, bleiben ausgespart. (Meuser und Nagel 1991: 444)
In diesem Sinne werten Meuser und Nagel ein Interview als misslungen, wenn sich der Experte als inkompetent erweist oder zwischen seinen Rollen als Fachperson und Privatmensch hin und her wechselt (Meuser/Nagel 1991: 449f). Diese artifizielle Trennung von Person und Experte erscheint grundsätzlich sowie angesichts der Bedingungen des Implementationshandelns in der vorliegenden Studie als problematisch. Es wird vernachlässigt, dass auch Experten Mitglieder der Gesellschaft sind, in der sie institutionell handeln, und dass die Entwicklung ihrer Wahrnehmungen, Deutungsmuster und Relevanzstrukturen von diesen Rahmenbedingungen beeinflusst wird. Die gesellschaftliche Verwurzelung des Experten auszublenden, hieße ein verkürztes oder verzerrtes Bild der Wirklichkeit wiederzugeben.105 Darüber hinaus nehmen Meuser und Nagel keine systematische Trennung der gewonnenen fachlichen Informationen, die den befragten Experten direkt zur Verfügung stehen, von den latent vorhandenen Deutungsmustern ihres Handelns vor. Die reflexiv wie nicht-reflexiv vorhandenen Wissensbestände der Fachpersonen sollen unmittelbar in den Äußerungen der Befragten identifiziert und aus ihnen heraus gearbeitet werden, ohne jedoch die Interpretationsgrundlage des Forschers zu beachten und seinen eigenen Relevanzstrukturen und Deutungsschemata Rechnung zu tragen. Eine derartige methodische Reflexion und Kontrolle des Interpretationsrahmens des Forschenden findet sich bei Ralf Bohnsack, der seine dokumentarische Methode auf der Grundlage der Wissenssoziologie von Karl Mannheim entwickelt hat. Zentral für Mannheim wie für Bohnsack ist die Unterscheidung des „immanenten“ vom „dokumentarischen Sinngehalt“: während sich ersterer darauf bezieht, was in den einzelnen Redebeiträgen wörtlich mitgeteilt wird und somit 105 Eine ähnliche Kritik wird von Liebold und Trinczek formuliert. (Siehe dazu: Liebold, Renate/Trinczek, Rainer: Experteninterview. Möglichkeiten und Grenzen der Methode, http://www.qualitative-research.net/organizations/or-exp-m-d.htm, [Stand: 19.12.2004], 2002).
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den Interviewpartnern reflexiv zur Verfügung steht, verweist der „dokumentarische Sinngehalt“ auf die nicht-reflektierten, latent vorhandenen „Orientierungsmuster“ der Befragten sowie deren Explikation.106 Das was gesagt, berichtet, diskutiert wird, also das, was thematisch wird, gilt es, von dem zu trennen, was sich in dem Gesagten über die Gruppe dokumentiert – über deren Orientierungen oder Habitus. (Bohnsack 1997: 499)
Und weiter: Indem der Forscher stellvertretend für die Teilnehmer(innen) die Orientierungsstruktur interpretiert, leistet er das, was MANNHEIM (...) dokumentarische Interpretation genannt hat, nämlich die begrifflich-theoretische Explikation der wechselseitigen (intuitiven) Verstehensleistungen der Erforschten. (Bohnsack, 1997, S.495)
Bohnsack zufolge erschließt sich der „dokumentarische Sinngehalt“, d.h. das gemeinsam geteilte kollektive Sinnmuster der Interviewten, in dem sich ihre Äußerungen bewegen, allein durch die Rekonstruktion der Diskursentwicklung und -organisation. Bei einer solchen Analyse sei die „Dramaturgie des Diskurses“, die man durch die Identifizierung von „Fokussierungsmetaphern“ verdeutlichen könne, besonders zu berücksichtigen. Dem Verfahren der Komparation kommt in diesem Kontext eine Sonderstellung zu: der Rahmen, in dem Themen kommunikativ entfaltet und bearbeitet werden, zeige sich erst vor dem Vergleichshorizont anderer Beiträge und werde so empirisch überprüfbar. In diesem Sinne hält Bohnsack fest: Eine Explikation dieser Vergleichshorizonte und eine dadurch gewährleistete intersubjektive Überprüfbarkeit der Interpretation kann um so mehr gelingen, je mehr diese Horizonte nicht lediglich gedankenexperimentell, sondern in empirisch fundierter und überprüfbarer Weise eingeführt werden – auf dem Wege des Fallvergleichs. Auf diesem Wege vermögen die von den Interpret(innen)en zunächst naiv, d.h. vor dem Hintergrund der eigenen milieuspezifischen Alltagspraxis, unterstellten Vergleichshorizonte hinter die empirisch kontrollierten zurückzutreten. (Bohnsack 1999: 77)
106 Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Bohnsack unter Verweis auf Karl Mannheim grundsätzlich drei verschiedene Modi kommunikativer Bedeutung unterscheidet: den „immanenten Sinngehalt“, den „dokumentarischen Sinngehalt“ und den „intendierten Ausdruckssinn“ als kommunikative Absicht der Beteiligten. Grundsätzlich, so Bohnsack, ist jedoch nicht von Bedeutung, ob die Ausführungen des Interviewten und seine Darstellung faktisch richtig seien oder nicht. Vielmehr sei relevant, was sich in ihnen über die Darsteller und ihre Orientierungen dokumentiere (Bohnsack 1999: 74f und 79). Näheres siehe Kapitel 5.
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Neben der methodischen Kontrolle der Vergleichshorizonte dient das Verfahren der Komparation auch dazu, über das „Prinzip des Kontrasts in der Gemeinsamkeit“ aus den vorhandenen Fällen Typen zu generieren (Bohnsack 1997: 495f und 499f; Bohnsack 1999: 34ff, 40f, 56f, 63 und 77f). Ausgehend von diesen Überlegungen und auf der Grundlage der funktionalen Möglichkeiten zeitgenössischer Computersoftware zur Datenanalyse (MAXqda2) wurde für die eigene empirische Untersuchung folgendes Auswertungsmodell entwickelt: In einem ersten Schritt wurden sämtliche Interviews, die in der Studie Berücksichtigung finden, wortgetreu transkribiert. In einem zweiten Schritt wurden die in den Einzelbeiträgen angesprochene Themen herausgearbeitet, indem zunächst In-Vivo-Codes generiert und darauf folgend ‚Überschriften’ zu den thematischen Einheiten gebildet wurden. Diese Paraphrasierungen bildeten zugleich die Grundlage für die Entwicklung eines Codebaums. Gemäß Bohnsacks „reflektierender Interpretation“107 wurden in einem dritten Schritt die Stellung des Befragten zu seinen Äußerungen herausgestellt, in dem zu jedem codierten Textausschnitt in MAXqda2 ein Code-Memo an die entsprechende Stelle des transkribierten Einzelinterviews geheftet wurde. In besagtem CodeMemo wurden dabei neben der Stellung des Interviewpartners (er erklärt, berichtet, kommentiert, interpretiert etc.) ebenso die Inhalte der Aussagen protokollarisch wiedergeben. Nach der Erstellung sämtlicher Code-Memos wurden in einem vierten Schritt diese in ein Worddokument exportiert und tabellarisch ein Diskursverlaufsschema des Einzelbeitrags erstellt. Neben Inhalt und Stellung des Befragten zu seinen Äußerungen enthielt dieses ebenso Gesprächseingriffe des Interviewers. In den Aussagen des Befragten auftretende Fokussierungsmetaphern wurden graphisch hervorgehoben.108 Ein derartiges Auswertungsschema erhält die Sequenzialität des Interviews, während seine thematische Struktur verdeutlicht und die Interaktivität von Befragtem und Interviewer herausgestellt wird. Darauffolgend wurden über den Vergleich mit anderen Fällen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Diskursinhalte (thematischer Vergleich) und der Diskursführung herausgearbeitet und insbesondere mit der Stellung des Befragten im Integrationsprozess – Landespolitiker, Kommunalbeamter, Präsident einer involvierten Zuwanderer- oder italienischen Organisation, immigrierter oder autochthoner Adressat der untersuchten Maßnahmen – kontrastiert. Verblieb diese Art der Gegenüberstellung zunächst auf die lokale Gruppe beschränkt, wurde der Vergleichshorizont in der Folge auf sämtliche Gemeinden
107
Bei Meuser und Nagel findet sich dieser Vorgang im Schritt der Paraphrasierung inkludiert. Ein Beispiel dieser aufwendigen Rekonstruktion eines Einzelinterviews findet sich in Teilen im Anhang. Eine Gesamtdarstellung wäre zu umfangreich. Näheres siehe Kapitel 8. 108
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bzw. Redebeiträge der Landesregierung ausgeweitet.109 Die Auswertung der durchgeführten Interviews mündet schließlich in einer Typenbildung kollektiver Wahrnehmungen und handlungsleitender Wissensbestände interviewter Akteure, die mit dem Antwortverhalten von interviewten Adressaten kontrastiert werden (Kapitel 5). In diesem Auswertungsabschnitt wird das Bezugs- und Relationssystem der generierten Typen explizit gemacht und es wird untersucht, ob und inwiefern kollektive Deutungsmuster mit Akteursgruppen zusammenfallen. Die Verwendung soziologischer Termini in diesem Kontext leitet den nächsten Schritt der theoretischen Generalisierung und des Anschlusses an bestehende Integrationstheorien ein (Kapitel 6). Die jeweiligen Auswertungsschritte werden seitens der Verfasserin mit Ausschnitten der Einzelbeiträge im Fließtext belegt.110 Im Weiteren wird die sich akzentuierende Integrationspolitik der EmiliaRomagna in ihrer Gestalt und Umsetzung seitens der Befragten dargestellt und erläutert. Bevor auf die Aussagen der Interviewten eingegangen werden kann, gilt es den institutionellen Aufbau der Landesverwaltung zu berücksichtigen.
4.3 Integrationspolitik im sozialpolitischen Bereich: der Nationale Fond für Migrationspolitiken111 Der Nationale Fond für Migrationspolitiken (FNPM), der zum zentralen Untersuchungsinstrument der vorliegenden Studie gemacht wurde, um die Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen analysieren zu können (denn Implementationsanalyse verlangt ein umzusetzendes Programm), ist dem sozialpolitischen Ressort der emilia-romagnolischen Landesregierung zugeordnet und wird von ihm administriert. Da als FNPM-Projekte neben Sprachkursen für erwachsene Migranten Aktivitäten zur schulischen Integration von Zuwandererkindern aus109
Hinsichtlich der Interviewgruppe der Landesregierung bleibt festzuhalten, dass sich die Auswertung der Gespräche methodisch auf ihre Codierung beschränkte. Die Darstellung des Diskursverlaufs entfiel, da dieses zeitintensive Verfahren hinter seinen erkenntnisrelevanten Erwartungen zurückblieb: Aus den Diskursverlaufschemata der interviewten Gemeindeansässigen konnten keine validen Sequenzmodelle der kommunikativen Behandlung des Zuwanderungs- und Integrationsthemas generiert werden. 110 Im Sinne des Imperativs intersubjektiver Nachvollziehbarkeit sozialwissenschaftlicher Forschung können die verwendeten Interviews bei der Verfasserin eingesehen werden. 111 In den folgenden Kapiteln orientiert sich die Verwendung des Begriffes „Projekt“ am italienischen Original „progetto“, und der allgemeine Terminus „associazione“ wird gemäß Wörterbuch mit „Vereinigung, Verein, Gesellschaft, Organisation“ übersetzt. Werden im Folgenden längere Passagen aus den geführten Interviews zitiert, geschieht dies in Tabellenform, wobei links das italienische Original grau unterlegt wird und rechts die deutsche Übersetzung erscheint. Die Redebeiträge der Befragten sind dem italienischen Original angepasst. Die Verfasserin wird in sämtlichen folgenden Gesprächen mit „I“ gekennzeichnet.
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gewählt wurden, finden im Weiteren auch schulische Belange Erwähnung. Grundsätzlich wird die allgemeine Integration im Schulwesen jedoch in einem gesonderten Kapitel dargestellt (siehe Kapitel 4.4).
4.3.1 Inhalte regionaler Integrationspolitik Institutionell setzt sich die Region Emilia-Romagna aus der Consulta regionale (dem Regionalrat mit gesetzgeberischer Kompetenz, vergleichbar den Landtagen in Deutschland) und der Giunta regionale (der Landesregierung) zusammen (siehe Kapitel 3.3). Vor der Fragestellung der vorliegenden Studie sind insbesondere drei berufliche Positionen innerhalb der der Giunta von fachlichem Interesse: Es ist das direkte und indirekte Zusammenwirken von Assessori (Assessoren), Generaldirektoren und so genannten tecnici (Büroleitern), welches die emilia-romagnolische Integrationspolitik auf der Ebene der Landesregierung konstituiert (Emilia-Romagna 2001a). Im Zeitraum 2002/2003 wurden insofern mit Assessoren, Generaldirektoren und Büroleitern der Landesregierung Experteninterviews geführt. Dem Fokus der Untersuchung folgend wurden jeweils drei Interviewpartner aus den Bereichen Schulwesen und Sozialpolitik ausgewählt. Insgesamt wurden in diesem Sinne sechs Beschäftigte der beiden Politikressorts befragt, die den beschriebenen drei hierarchischen Ebenen der Giunta entsprechen.112 Durch ihre unterschiedliche Stellung und ihrem jeweils spezifischen Zugang zum Migrationsphänomen gewinnen und verkörpern die Befragten Wissensbestände, die der Landesregierung als Ganzes vorliegen und in Entscheidungen mit einfließen. Aufgrund der internen Beschaffenheit der Landesregierung wurden drei weibliche Interviewpartner aus dem Bereich Schulwesen und drei männliche Interviewpartner aus dem Bereich Sozialpolitik befragt.
112 Tatsächlich wurden weitere Experteninterviews mit Assessoren, Generaldirektoren und leitenden Angestellten der Bereiche Gesundheit sowie Bauwesen und Wohnungspolitik durchgeführt. Diese konnten aber aufgrund der notwendigen Fokussierung der Arbeit keine Berücksichtigung finden.
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Tabelle 7: Interviewpartner aus der Landesregierung113 SOZIALPOLITIK Assessoren
Generaldirektoren Büroleiter
b
Sozialpolitiken, Zuwanderung, Projekt Jugendliche (LR1) b Gesundheitswesen und Sozialpolitiken (LR2) b Politiken der Aufnahmen und der sozialen Integration (LR3)
SCHULE c Schule, Berufsausbildung, Universität, Arbeit, Chancengleichheit (LR4) c Kultur, Bildung und Arbeit (LR5) c Bildung und Integration der Bildungssysteme (LR6)
Bevor nun die regionale Integrationspolitik in ihrem Inhalt dargestellt wird, muss darauf hingewiesen werden, dass sich aufgrund der internen Organisationsstruktur der Giunta bei Einzelpersonen Überschneidungen von Politikfeldern manifestieren114 und dass sich die befragten Landesvertreter auch zu anderen Fachgebieten wie der Berufsausbildung und der Arbeitsmarktpolitik äußerten.
4.3.1.1 Allgemeine Strategie und Organisation regionaler Integrationspolitik In fünf der sechs durchgeführten Interviews der befragten Landesvertreter wird als generelle Strategie der Integration von Zuwanderern die Öffnung bestehender Institutionen und Dienste für Immigranten herausgestellt (LR1: Z 20-21; LR4: Z 138-141, Z 443-456 und Z 756-758; LR2: Z 3-17; LR5: Z 17-45 und Z 92-125). Während der Generaldirektor der Bereiche Gesundheitswesen und Sozialpolitiken (LR2) den landespolitischen Grundsatz der Garantierung bürgerlicher Rechte in den strategischen Interventionen der Giunta betont, von dem seinen Angaben zufolge auch die anwesenden Zuwanderer profitierten, hebt die Assessorin des Bildungswesens, der Berufsausbildung und Arbeitsmarktpolitik (LR4) die „kulturelle Vermittlung“ als wichtigen Baustein in der Errichtung eines „System der vollständigen Aufnahme“ der Immigranten hervor (LR2: Z 3-17; LR4: Z 138-141). Beispielhaft verweist die Generaldirektorin des Bildungswesens (LR5) in diesem Zusammenhang auf die Durchführung des Italienischunterrichts in der Region, der sich als Teil der Erwachsenenbildung an alle Men113 Die Ressortbezeichnungen unterhalb der Figuren entsprechen wörtlichen Übersetzungen der italienischen Originale. Generell muss darauf hingewiesen werden, dass leitenden Angestellte mit ihren jeweiligen Büros zum Teil den jeweiligen Generaldirektionen und zum Teil direkt den Assessorämtern angegliedert sind. 114 Siehe Tabelle 4.3.1a.
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schen eines bestimmten Alters richte, aber in der Gegenwart faktisch vermehrt von Immigranten genutzt werde (LR5: Z 92-125). Integration wird seitens des Assessors für Sozialpolitiken (LR1) als „patto di reciprocità di diritti e di doveri“ („wechselseitige Vereinbarung von Rechten und Pflichten“) und als „vero e proprio patto di cittadinanza“ („wirklicher und echter Bürgerschaftvertrag“) beschrieben, bei dem man die Gründe und Dynamiken des Migrationsphänomens verstehen müsse, um Chancen zur eröffnen (LR1: Z 1-16). Zentraler Bestandteil für die Integrationspolitik der Landesregierung seien zudem die Erfahrungen und Bedürfnisse der Gemeinden im Gebiet (LR1: Z 226-234; LR2: Z 825-843). Sowohl der Assessor für Sozialpolitiken (LR1) als auch die Generaldirektorin des Bildungswesens (LR5) stellen die Inklusion der Bürger (mit Migrationshintergrund) in den Arbeitsmarkt sowie in Schule und Berufsausbildung der Eingliederung in die Gesellschaft voran (LR1: Z 1-16; LR5: Z 23-24). Als Voraussetzung und de-facto Bedingung für das erfolgreiche Arbeiten der Giunta identifiziert der Generaldirektor der Bereiche Gesundheitswesen und Sozialpolitiken „una sintonia culturale, se non politica“ („eine kulturelle, wenn nicht politische Synchronität“) der Entscheidungen, die alltäglich getroffen werden müssen (LR2: Z 1268-1296). Unter Rekurs auf die offizielle Eröffnungsrede LR1s zur ersten regionalen Integrationskonferenz der Emilia-Romagna im Jahr 2003 nennt der Büroleiter LR3 als „vier Pfeiler“ der regionalen Integrationspolitik neben den Maßnahmen der Planung und „Konzertierung“ der beteiligten (Sozial-)Akteure die Beobachtung des Phänomens sowie das neue Landesgesetz zur Zuwanderung (LR3: Z 112). Der Interventionsbedarf wird laut Aussagen der befragten Landesvertreter im Sinne der „Konzertierung“ mit den Akteuren der Implementierung, den Provinz- und Gemeindeverwaltungen, entwickelt (LR1: Z 241-257; LR2: Z 692746 und Z 769-805; LR3: 541-554; LR4: Z 689-729; LR5: Z 718-733; LR6: Z 1661-1739). Die Situation der Finanzierung integrationspolitischer Maßnahmen in der Region stellt sich in diesem Kontext als differenziert dar: Für den Bereich der Schule stehen (stark) begrenzte nationale Finanzmittel, einige regionale Ressourcen (Gesetz zum Recht auf Bildung, neues Landesschulgesetzes) sowie zusätzliche Finanzhilfen der Gemeinden zur Verfügung (LR4: Z 211-245). In Hinblick auf die Felder der Berufsausbildung und Beschäftigung werden ebenfalls regionale Finanzquellen identifiziert (LR5: Z 142-149). Grundsätzlich erhalten zivilgesellschaftliche Organisationen seitens des Landes keine direkten Geldmittel. Im Rahmen des Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie (FNPM) werden die vorhandenen Gelder unmittelbar an die Gemeinden überwiesen, welche zur Implementierung integrativer Maßnahmen auf die Beteiligung anderer lokaler Akteure (wie Schulen und zivilgesellschaftliche Organisa-
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tionen) zurückgreifen. Auf Nachfragen stellt der zuständige Büroleiter für die Betreuung der FNPM-Projekte (LR3) heraus, dass es seit dem Bestehen des Fonds nur zwei Fälle gegeben hat, in denen die zur Verfügung gestellten Gelder nicht ausgegeben worden sind. Im Zeitraum 2002/2003 seien hingegen sämtliche Ressourcen investiert worden. Werden FNPM-Gelder nicht ausgegeben, sei formell vorgesehen, dass diese an die Landesregierung zurückgehen, welche sie in den Haushalt des folgenden Jahres aufnehme (LR3: Z 84-90, Z 106-117, Z 127-140 und Z 385-401): I: Beh, ritornando al discorso dei progetti: se per esempio adesso un progetto in un comune non può essere realizzato, .. perrr ragioni tecnici o.., cosa succede con i soldi assegnati a questo comune? LR3: ..Vvvanno in economia, come si dice, e si spendono dopo. Però quest’anno, per esempio, tutti i soldi sono stati spesi. Anche l’anno scorso, anche due anni prima. Al limitI: Non è mai successo? LR3: Sì, è successo 2 volte. Il primo anno a Parma, probabilmente perché non erano ancora abituati e quindi c’era una carenza di informazione o altro. Li hanno poi spesi l’anno dopo, diciamo. E quest’anno a Ravenna, ma per disguidi organizzativi. Ma parlo di 4000 euro, eh? In tutto, cioè sono 8 milioni.. I: Poi vengono restituiti? LR3: Rientrano nel bilancio della regione, si possono riutilizzare l’anno dopo.
I: Also, um zum Diskurs der Projekte zurückzukommen: wenn z.B. jetzt ein Projekt in einer Gemeinde nicht realisiert werden kann, .. ausss technischen Gründen oder.., was geschieht mit den Geldern, die der Gemeinde zugewiesen sind? LR3: ..Sssie gehen in den Haushalt ein, wie man sagt, und man gibt sie später aus. Aber, dieses Jahr z.B. sind alle Gelder ausgegeben worden. Auch letztes Jahr, auch vor zwei Jahren. ZumindesI: Das ist nie passiert? LR3: Doch, das ist zwei Mal passiert. Das erste Jahr in Parma, wahrscheinlich weil sie noch nicht daran gewöhnt waren, und es einen Mangel an Information gab oder etwas anderes. Sie haben sie dann im Jahr darauf ausgeben, sagen wir. Und dieses Jahr in Ravenna, aber aus organisatorischen Fehlern. Aber ich spreche von 4.000 Euro, eh? Alles zusammen sind es 8 Millionen.. I: Werden sie dann zurückgegeben? LR3: Sie werden wieder Teil des Haushalts der Region; Man kann sie im folgenden Jahr wieder benutzen.
(Quelle: LR3: Z 385-401) Auf sich manifestierende Schwierigkeiten finanzieller Art verweisen die befragten Landesvertreter mehrfach: Unterstreicht die Assessorin der Bereiche Schule, Berufsausbildung und Arbeitsmarktpolitik, dass allgemein die Finanzressourcen der Sozialpolitik weitaus geringer ausfallen als die der Schule und der Berufsausbildung (LR4: Z 396-414), akzentuieren sich in den Aussagen des Gene85
raldirektors LR2 und der Büroleiterin LR6 strukturelle Probleme der Finanzverteilung zwischen Staat und Land. Ihre Kritik richtet sich im Kern gegen die Zuweisung größerer Verantwortlichkeiten an die Regionen Italiens im Zuge der Verfassungsreform, der keine Umstrukturierung der Steuern gefolgt sei. Im Abkommen zwischen Staat und Land sei u.a. festgeschrieben, dass der italienische Nationalstaat allen Bürgern die Teilnahme am nationalen Gesundheitsdienst ermögliche. Im Zuge der Legalisierungskampagne des „Bossi-Fini-Gesetzes“ sei jedoch auf die rund 720.000 zusätzlichen Personen mit berechtigtem Zugang zum Gesundheitswesen in pekuniärer Hinsicht von Staatsseite bislang nicht reagiert worden. Stattdessen habe sich die Giunta regionale der Emilia-Romagna dazu entschlossen, die regularisierten Immigranten in das Gesundheitssystem aufzunehmen und im Nachhinein auf die Erstattung der Kosten durch den Nationalstaat zu hoffen (LR2: Z 145-168, Z 178-201 und Z 203-231; LR6: Z 836-900). Der für die vorliegende Untersuchung besonders interessante Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie (FNPM) wird grundsätzlich als „klein“ beschrieben, und das Engagement von Freiwilligen(verbänden) wird betont, ohne deren Hilfe die Kosten von staatlicher Seite her nicht zu tragen wären (LR4: Z 396-414). Hinsichtlich der verfolgten Personalpolitik der untersuchten Interventionsbereiche wird von den befragten Landesvertretern der Einsatz „kultureller Vermittler“ im Direktkontakt mit dem Zuwandererklientel sowie die Weiterbildung des Frontpersonals dargestellt. Die Anwesenheit von fachkompetenten Personen mit Migrationshintergrund in verantwortungsvoller Stellung (als Lehrpersonal) oder innerhalb der hinzugezogenen Politikfelder der Giunta wird verneint (LR1: Z 39-42 und Z 49-52; LR4: Z 140-174, Z 509-551, Z 553-579 und Z 591-610; LR5: Z 502-571; LR6: Z 1464-1473, Z 1527-1534 und Z 2240-2253). Kritische Reflexionen zur Qualität der realisierten Maßnahmen finden sich beim zuständigen Büroleiter für FNPM-Projekte. LR3 hebt hervor, dass es für die Gemeinden keine Schwierigkeit darstelle, die ihnen zugewiesenen Gelder auszugeben, „perché le cose da fare e le cose fatte sono abbastanza chiare, no?“ („da die zu machenden Sachen und die gemachten Sachen ziemlich klar sind, nicht?!“) (LR3: Z 421-422). Ein Problem identifiziert LR3 eher in der Qualität der realisierten FNPM-Projekte (LR3: Z 420-433): LR3: (…) Casomai c’è un problema di qualità dei progetti. Nel senso che magari i comuni proprio perché non vogliono lasciare lì delle risorse, i soldi li spendono sempre.. spesso volentieri, poi magari la qualità dei progetti non sempre è ottima, ecco, questo sì.
(Quelle: LR3: Z 426-429)
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LR3: (…) Es gibt höchstens das Problem der Qualität der Projekte. In dem Sinne, dass vielleicht die Gemeinden, gerade weil sie die Ressourcen nicht dort (brach) liegen lassen wollen, sie die Gelder immer ausgeben.. oft und gern, aber vielleicht ist dann die Qualität der Projekte nicht immer hervorragend. So. Das ja.
Zwar gebe es keine direkten Anzeichen für eine niedrige Qualität, doch betont LR3 die geringe Relevanz eines „multiethnischen Kochkurses“ für die von ihnen verfolgte Integrationspolitik (LR3: Z 435-447): LR3: (…) Quindi..ho visto all’inizio c’era Reggio (che ha) qualche progetto per diffondere i libri sulla cucina multietnica, cioè voglio dire, tutto è utile, ci mancherebbe altro, però insomma .. come si cuoce il pollo in India, come si cuoce in Africa, edede, dei librini, no?! Colorati.. Sì, voglio dire, va bene, però ci sono cose più utili, capito, di quelle lì, secondo me.
LR3: (…) Also.. ich habe gesehen, dass am Anfang Reggio irgendein Projekt zur Verteilung von Büchern zur multiethnische Küche hatte, das heißt, ich will sagen, alles ist nützlich, das würde noch fehlen, aber.. wie man ein Huhn in Indien, wie man ein Huhn in Afrika kocht, etc, Büchlein, nicht?! Illustriert.. Ja, ich will sagen, ist gut, aber es gibt nützlichere Sachen, verstanden, als die da, meiner Meinung nach.
(Quelle: LR3: Z 439-442) Ingesamt, so LR3, hat die Durchführung von Italienischkursen für die Landesregierung höchste Priorität, diese Maßnahmen sein jedoch nicht unbedingt die am häufigsten realisierte, da es Organisationsschwierigkeiten z.B. des Lehrpersonals gebe (LR3: Z 550-552).115
4.3.1.2 Die Integrationspolitik im Bereich Soziales Die drei befragten Vertreter des Ressorts Sozialpolitik der Giunta (LR1, LR2 und LR3) nennen im Gesprächsverlauf unterschiedliche Konzepte der strategischen Intervention zur Integration von Immigranten. Die genannten Inhalte umfassen die Politik der kulturellen Anerkennung von Zuwanderern und der Förderung ihrer Gruppenbildung sowie die Betonung ihrer Rechte und Garantie essentieller Sozialleistungen. Als Problem wird dabei erneut der schwierige Zugang zum teils unbekannten, teils nicht-italienischsprachigen Klientel thematisiert sowie die allgemein geringere Mittelausstattung der Sozialpolitik gegenüber dem Gesundheitsressort (LR1: Z 52-69; LR2: Z 19-45, Z 230-307, Z 965972, Z 986-1001 und Z 1016-1024). Grundsätzlich, so betont der Büroleiter LR3, werde das Phänomen der Zuwanderung im Rahmen der Maßnahmen gegen soziale Ausgrenzung behandelt, und sei, so die Assessorin LR4, auf die Stabilisierung der Immigranten in der Region ausgelegt. Einige Dienststellen der Verwaltung operieren LR4 zufolge jedoch noch immer im Bewusstsein einer „ersten Aufnahme“ der Zuwanderer (LR3: Z 537-542; LR4: Z 122-138). Die im Bereich Sozialpolitik zur Verfügung stehenden Gelder stammen grundsätzlich vom Nationalstaat, werden jedoch vom Land verwaltet (LR2: Z 180-183). 115
Nähere Informationen zu den faktisch verfolgten Integrationsmaßnahmen siehe Kapitel 3.3.3a.
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Inhaltlich werden zum Ressort Sozialpolitik Maßnahmen der „kulturellen Vermittlung“ (LR1: Z 38-42; LR2: Z 230-307; LR4: Z 140-162), eine adressatenspezifische Ausbildung der Operateure in den Servicestellen (LR1: Z 38-42), die EntStandardisierung der öffentliche Dienste (LR4: Z 140-162), spezifische Maßnahmen wie Italienischkurse und Aktivitäten zur Bewahrung der Herkunftskultur z.B. durch Arabischkurse (LR1: Z 38-42; LR2: Z 986-1001) genannt. Zudem wird auf Familienzentren und „Zeitbanken“ verwiesen, von denen insbesondere Zuwanderer profitierten. In so genannten Zeitbanken würden Dienstleistungen auf direktem Wege und ohne das Transfermedium Geld getauscht, wodurch die Selbständigkeit der Immigranten gestärkt werde (LR4: Z 348-394). Grundsätzlich habe es vor dem Jahr 2000 kaum integrationspolitische Maßnahmen zur Eingliederung der Zuwanderer in der Region Emilia-Romagna gegeben. Erst mit der Wahl der derzeitigen Landesregierung, die in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich das Recht auf Bildung und sozialer Inklusion herausstelle, seien diesbezügliche Aktivitäten realisiert worden. Im Jahr 2003 habe man die erste regionale Konferenz zum Thema der Integration von Immigranten veranstaltet, um für die Billigung des Regionalgesetzes von 2004116 zu werben (LR3: Z 245-276; LR6: Z 8-37). Der Generaldirektor der Landesregierung für Gesundheit und Sozialpolitiken (LR2) betont in diesem Zusammenhang, dass er den Sektor Sozialpolitik der Giunta als noch nicht strukturiert ansieht. Seinen Angaben zufolge handelt es sich zum Zeitpunkt des Interviews vielmehr um eine „Ansammlung von Maßnahmen“, die maßgeblich von den Gemeinden der Region voran getragen werden. So wie die Planung sozialpolitischer Maßnahmen am Anfang stehe, so wenig sei auch die Überprüfung der Aktivitäten ausgereift, formuliert LR2: LR2: Sul fronte delle politiche sociali, invece, il settore (ride lievemente) non è ancora strutturato così.
LR2: Auf der Front der Sozialpolitiken, hingegen, ist der Sektor (lacht leicht) noch nicht so strukturiert.
I: Mmh.
I: Mmh.
LR2: Quest’anno abbiamo, primi in Italia, eeeh, licenziato una legge.. sui servizi sociali che attua appunto una legge nazionale del 2000. Con quella legge noi diciamo che vogliamo costruire il sistema delle politiche sociali.
LR2: Dieses Jahr haben wir, als erste in Italien, äääh, ein Gesetz.. über die sozialen Dienste verabschiedet, welches gerade ein nationales Gesetz von 2000 ratifiziert. Mit diesem Gesetz sagen wir, dass wir ein sozialpolitisches System schaffen wollen.
I: Mmh. I: Mmh. LR2: Ma attualmente non è affatto un sistema. Attualmente è un insieme di interventi, eeh 116
Näheres siehe Kapitel 3.3.1.
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LR2: Aber derzeit ist es überhaupt kein Sys-
diciamo così, portati avanti sostanzialmente dai comuni...e molto poco dalla regione. La regione si limitava e si limita ancora a, come dire, dare dei contributi finanziari. I: Sì. LR2: Abbiamo cominciato da 2 anni a questa parte a dare delle indicazioni.. circa i piani di zona. Li chiamiamo così noi, insomma, no?! I: Mmh. LR2: Per dire ai comuni come dovr- dovrebbero fare la programmazione locale.. e questo è il secondo anno in cui cominciamo a raccogliere qualche elemento d’indirizzo.. I: Mmh. LR2: Ma, insomma, siamo veramente agli inizi come come sistema. …E se siamo agli inizi come sistema, nella fase di programmazione, ovviamente siamo molto indietro anche nella fase di verifica insomma.
tem. Derzeit ist es eine Ansammlung von Maßnahmen, ääh, sagen wir so, die substantiell von den Gemeinden voran getragen werden…und nur sehr wenig vom Land. Das Land beschränkte sich und es beschränkt sich noch darauf, wie sagt man, einen finanziellen Beitrag zu geben. I: Ja. LR2: Wir haben vor zwei Jahren in diesem Bereich angefangen, Anweisungen.. hinsichtlich der „Zonenpläne“ zu geben. Die nennen wir so, nicht?! I: Mmh. LR2: Um den Gemeinden mitzuteilen, wie sie die lokale Planung machen soll- sollten.. und dieses ist das zweite Jahr, in dem wir beginnen, einige Anhaltspunkte zu sammeln.. I: Mmh. LR2: Aber, zusammen genommen, sind wir wirklich am Anfang als als System. …Und wenn wir uns als System am Anfang, in der Phase der Planung befinden, hinken wir natürlich auch in der Phase der Verifizierung hinterher.
(Quelle: LR2: Z 438-467) Als Resultat der defizitären Systematik der Sozialpolitik gebe es große Differenzen zwischen den einzelnen Gemeinden der Emilia-Romagna (LR2: Z 438498). Inwieweit die diagnostizierte Fragmentierung sozialpolitischer Maßnahmen der regionalen Realität entspricht, wird anhand ausgewählter Gemeinden im weiteren Verlauf der Studie untersucht. Zunächst erscheint es jedoch sinnvoll, der politikwissenschaftlich-immanenten Frage nach der Überschneidung von Tätigkeitsfeldern in der Giunta bzw. innerhalb der Gruppe der befragten Landesvertreter weiter nachzugehen. 4.3.1.3 Die „Transversalität“ des Migrationsphänomens Neben den forschungszentralen Interventionsfeldern Sozialpolitik und Schulwesen äußeren sich die befragten Landesvertreter insbesondere zu den Fachgebie-
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ten der Berufsausbildung und der Arbeitsmarktpolitik der Emilia-Romagna, für welche sie einen starken Einfluss des Migrationsphänomens thematisieren. Inwieweit dessen proklamierte „totale Transversalität“ (LR6: Z 2163-2167) seinen Widerhall in der Integration der Politikbereiche der Landesregierung findet, wird zu untersuchen sein.
4.3.1.3a Die Integrationspolitik im Bereich Berufsausbildung Auf die Anwesenheit von Immigranten in der staatlichen Berufsausbildung wird gemäß den Befragten mit der Einrichtung von Informationsschaltern für Zuwanderer oder einem 120-stündigen Ausbildungskurs reagiert, der sich nach der Legalisierungskampagne des „Bossi-Fini-Gesetzes“ insbesondere an die 28.000 ehemals irregulären Pflegekräfte in der Region richte (LR2: Z 93-125; LR4: Z 414-441).117 Als weitere Aktivitäten nennen die Interviewten die Informierung der Immigranten über ihre gesetzlichen Rechte (wie Arbeitsrechte) sowie die Aus- und Weiterbildung von Personal innerhalb der Verwaltung, um den schwierigen Zugang zum Zuwandererklientel aufgrund fehlender Italienischkenntnisse zu verbessern (LR5: Z 510-552). Zudem habe das Land Ausbildungskurse für mediatori culturali abgehalten, die in der Etablierung einheitlicher Standards dieses Berufsbildes für die Region Emilia-Romagna mündeten, da es einer nationalen Weisung diesbezüglich fehle (LR4: Z 521-551). Grundsätzlich richteten sich berufsbildende Maßnahmen an alle Jungendlichen des entsprechenden Alters, während auf die Anwesenheit von Zuwanderern explizit mit der Durchführung von Italienischkursen oder der „educazione civile“ („zivilen Erziehung“, d.h. Staatsbürgerkunde) reagiert werde (LR4: Z 455-465). Laut Aussagen der interviewten Landesvertreter ist die Realisierung von Italienischkursen in der Berufsausbildung nicht nur verbreitet, bestehende Kurspläne werden auch dem Arbeitsrhythmus der Immigranten angepasst (LR4: Z 455-465; LR5: Z 49-71; LR6: Z 617-761). Als strukturelles Problem wird beschrieben, dass Zuwanderer, die sich im Legalisierungsverfahren befinden, weder von Schulen noch von berufsbildenden Stätten zur Weiterqualifizierung aufgenommen werden (LR6: Z 503-578). Die enge kommunikative wie politisch-administrative Verknüpfung der Bereiche Schulwesen und Berufsausbildung zeigt sich exemplarisch in der Beschreibung des neuen Landesschulgesetzes der Region Emilia-Romagna, mit dem ein libretto formativo personale (persönliches Ausbildungsbuch) eingeführt werden soll, welches man nach Beendigung der Pflichtschule ab einem Alter 117
Näheres siehe Kapitel 2 und Kapitel 3.
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von 14 Jahren auf Nachfrage ausgestellt bekommt. Die befragte Landesvertreterin LR6 betont in diesem Zusammenhang den positiven Nutzen des „Ausbildungsbuchs“ insbesondere für Immigranten durch den Umstand, den langwierigen Prozess der Anerkennung von Berufstiteln zwischen Nationalstaaten zu umgehen (LR6: Z 617-761). Sie beschreibt seinen Inhalt wie folgt: LR6: (…) Nel quale sono iscritti i titoli, le qualifiche, le certificazioni conseguite. Naturalmente poi ci sono anche eehmm nel libretto ci possono essere scritti anche gli attestati di frequenza, percorso di educazione non formale..
LR6: (…) In dem die Titel hineingeschrieben sind, die Qualifikationen, die erhaltenen Zertifikate. Natürlich gab es dann auch äähmm in dem Buch können auch Teilnahmebescheinigungen eingetragen werden, nicht formale Ausbildungsverläufe.. I: Mmh.
I: Mmh. LR6: Competenze eccetera eccetera ..Ripeto, questo diventa uno strumento a mo a mh mio avviso molto importante anche per gli immigrati..
LR6: Kompetenzen etc. etc. ..Ich wiederhole, dass wird ein me- mh meines Erachtens ein ganz wichtiges Instrument auch für Zuwanderer.
(Quelle: LR6: Z 708-715) Und weiter: LR6: (…) Il raccoglitore con tutti le certificazioni, i titoli..iii..crediti comunque acquisiti..come portafoglio personale che poi, ..appunto, la persona si spende…in percorsi formativi successivi, per l’inserimento nel mercato del lavoro e quant’altro..
LR6: (…) Der Schnellhefter mit allen Zertifikaten, den Titeln..deeen..auf jeden Fall erworbenen (Ausbildungs-)Punkten..wie ein persönliches Portemonnaie, das dann, ..genau, die Person …in weitere Bildungsverläufe investiert, zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt oder was auch immer..
(Quelle: LR6: Z 650-652) Der sich manifestierenden Verbindung der Bereiche Bildung, Berufsausbildung und Arbeitsmarkt seitens der Politikvertreter wird im Folgenden weiter nachgegangen.
4.3.1.3b Die Integrationspolitik für den Arbeitsmarkt Von zentralem Stellenwert für die Integrationspolitik der Emilia-Romagna beschreibt der Assessor der Sozialpolitik die Eingliederung der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt (LR1: Z 68-71). Auch die Assessorin des Bereiches Bildungswesen und Schule beschreibt als „Arbeitslinie“ ihres Ressorts die (berufliche) Stabilität der Immigranten als Vorbedingung für ihren „vollen Beitritt zu unserer Gemeinschaft“ (LR4: Z 122-126). 91
Inhaltlich wird von den Befragten auf Maßnahmen wie die Ausrichtung öffentlicher Informationsschalter zur Arbeitssuche auf die Bedürfnisse von Zuwanderern und deren Informierung über Arbeitnehmerrechte in Italien hingewiesen. Zu diesem Zwecke würden „kulturelle Vermittler“ eingesetzt bzw. vorhandenes Personal weiter qualifiziert, um dem bestehenden Problem des Zugangs zu dieser Adressatengruppe zu begegnen. Beispielhaft wird in diesem Zusammenhang auf in der Schattenwirtschaft beschäftigte chinesische Zuwanderer Bezug genommen, die, obschon seit geraumer Zeit im „Gebiet verwurzelt“, aufgrund mangelnder Italienischkenntnisse um ihre (arbeitsmäßigen) Rechte nicht wissen (LR5: Z 122-126 und Z 510-552). Unter dem Aspekt der Schwarzarbeit spricht der Generaldirektor für Gesundheit und Sozialpolitiken (LR2) das in der Region weit verbreitete Phänomen der so genannten badanti (meist irreguläre Pflegekräfte, die in Familien beschäftigt sind) an. LR2 hebt hervor, dass die Personen nur sehr schwer zugänglich und den öffentlichen Ämtern nur selten bekannt seien – ein Problem, das in den Zuständigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung zur Arbeitsmarktpolitik und nicht in das Ressort Sozialpolitik falle (LR2: Z 26-48): LR2: Tante volte esse stesse non chiedono di essere regolarizzate perché..questo rappresenterebbe un costo maggiore sulle famiglie le quali potrebbero anche, come dire, essere un po’..restie..
LR2: Oft fragen sie selbst nicht danach, regularisiert zu werden, weil..das gehobene Kosten für die Familien bedeuten würde, die auch, wie sagt man, ein bisschen..abgeneigt sein könnten..
I: Mmh.
I: Mmh.
LR2: A procedere. …E quindi nei confronti di questa popolazione in particolare evidentemente è difficile, come dire, ..arrivare a garantire dei diritti. Perché non conosciamo neanche le persone! Allora il primo punto, è quello, appunto, di muoversi verso.. l’emersione del lavoro nero. In questo caso la parte, come dire, della pubblica amministrazione coinvolta non è tanto quella delle politiche sociali, ma è quella per esempio del lavoro!
LR2: Damit vorzufahren. …Und deshalb ist es gegenüber dieser Bevölkerung im Besonderen schwierig, wie sagt man, ..dahin zu kommen, Rechte zu garantieren. Denn wir kennen nicht einmal die Leute! Deshalb wäre der erste Punkt, wirklich, sich in Richtung.. des Erhellens der Schattenwirtschaft zu bewegen. In diesem Fall stammt der Anteil, wie sagt man, der involvierten öffentlichen Verwaltung nicht aus dem Bereich Sozialpolitiken, sondern aus dem der Arbeit, zum Beispiel!
(Quelle: LR2: Z 39-48)
4.3.1.3c Die Überschneidung von Politik- und Tätigkeitsfeldern Im Vergleich mit anderen Gesprächsverläufen der Landespolitiker zeigen sich die deutlichsten kommunikativen Überschneidungen politischer Arbeitsbereiche
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im Interview mit Generaldirektor LR2. Einen von der Landesregierung finanzierten Ausbildungskurs für so genannte badanti (meist irreguläre Pflegekräfte mit Migrationshintergrund in italienischen Familien) subsumiert er unter das Ressort ‚Soziales’ und identifiziert damit indirekt die Berufsausbildung als Teil der Sozialpolitik (LR2: Z 93-125). Deutlicher zeigt sich diese Form des ‚policy field overlapping’ an der folgenden Stelle, an der LR2, gefragt nach konkreten sozialpolitischen Maßnahmen, zunächst auf die Berufsausbildung zurückgreift, um dann auf den Einsatz „interkultureller Vermittler“ in lokalen Einheiten des nationalen Gesundheitsdienstes (unità sanitaria locale - USL) zu sprechen zu kommen: I: E nel settore delle politiche sociali cioè..potrebbe anche là..concretizzare qualche intervento?
I: Und innerhalb des Sektors der Sozialpolitiken, d.h…könnten sie auch dort..einige konkrete Maßnahmen benennen?
LR2: A parte la formazione di cui le parlavo prima, ..
LR2: Neben der Berufsausbildung, von der ich Ihnen vorher erzählt habe, ..
I: Sì.
I: Ja.
LR2: Un altro intervento che stiamo eeeh studiando di potenziare riguarda la figura del mediatore culturale.
LR2: Eine andere Intervention, bei der wir dabei sind, äääh diese auszubauen, betrifft die Figur des kulturellen Vermittlers.
I: Mmh.
I: Mmh.
LR2: Noi abbiamo già eeeh presso le nostre aziende..un po’ questa figura che serve..ovviamente in occasione di alcuni servizi sanitari di svolgere un ruolo importante (…)
LR2: Wir haben schon äääh innerhalb unserer Betriebe..ein bisschen diese Figur, die ..natürlich bei Gelegenheit in einigen Sanitätsdiensten dazu nützlich ist, eine wichtige Rolle zu spielen (…)
(Quelle: LR2: Z 243-260) Auf die Überlappung der Politikfelder angesprochen, bestätigt LR2, dass dieses Phänomen in der derzeitigen Organisationsstruktur der Landesregierung keine Seltenheit darstellt: I: Sì, ma l’impegno per la mediazione culturale fa più parte del settore della sanità o più della della politica sociale?
I: Ja, aber ist der Einsatz zur kulturellen Vermittlung mehr Teil des Gesundheitswesens oder mehr der der Sozialpolitik?
LR2: (ride)
LR2: (lacht)
I: Cioè no, veramente..non eeh..
I: Das heißt, nein, wirklich..nicht ääh..
LR2: No, no. È una domanda giusta assolu-
LR2: Nein, nein. Das ist eine absolut richtige
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tamente. Diciamo che..eeh la proposta parte dal settore delle politiche sociali..
Frage. Sagen wir, dass..ääh der Vorschlag vom Sektor Sozialpolitiken ausgeht..
I: Mmh.
I: Mmh.
LR2: Però queste signore operano non soltanto in quel campo, ma anche nel campo dei servizi sanitari.
LR2: Aber diese Damen arbeiten nicht nur in dem Feld, sondern auch im Bereich der Gesundheitsdienste.
I: Sì.
I: Ja.
LR2: Quindi entrambi i settori sono interessati. Io, come lei sa ho il doppio cappello, insomma..
LR2: Deshalb sind beide Sektoren betroffen. Ich, wie Sie wissen, habe zwei Hüte auf, also.. I: Ja, ja, ja.
I: Sì, sì, sì. LR2: (ride) Quindi. E questi problemi qui sono abbastanza frequenti devo dire insomma. Nel senso che..c’è una distinzione burocratica tra..
LR2: (lacht) Von daher. Und diese Probleme hier sind recht häufig, muss ich sagen. In dem Sinn, dass..es eine bürokratische Trennung gibt, zwischen.. I: Mmh.
I: Mmh. LR2: Sanità e politica sociale. Ma nella realtà dei fatti i problemi molto spesso s’intrecciano, insomma.
LR2: Gesundheit und Sozialpolitik. Aber in der Wirklichkeit der Fakten, verflechten sie sich, alles zusammen genommen.
(Quelle: LR2: Z 290-317) Die Generaldirektorin des Bildungswesens sieht gar die Integration der Bereiche als zentrale Aufgabe zukünftiger Handlungen der Landesregierung: LR5: (…) Cioè, da soli, da sole le politiche fanno poco. Noi ormai l’abbiamo capito per l’istruzione e la formazione del lavoro, perché ci competono in questa direzione generale, ma anche a livello politico. Eeeh però non è- da sole, anche se integrate, non sono sufficienti. Bisogna che ci integriamo con le politiche sociali, con le politiche culturali, con le politiche del tempo libero, con tutte quelle politiche che ce- che insieme prendono davvero in carico i bisogni delle persone, ecco. Perché sono semp- bisogni sempre più complessi, comunque sempre più eeeh difficili da cogliere con uno strumento solo, ecco. Per cui, grande potenzialità, ma nell’ottica della integrazione degli strumenti.
(Quelle: LR5: Z 765-772)
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LR5: (…) Das heißt, allein, allein erreichen Politiken wenig. Wir haben das für das Schulwesen und die Berufsausbildung mittlerweile verstanden, weil sie Kompetenz dieser Generaldirektion sind, aber auch auf politischer Ebene. Ääh aber es ist nich- allein, auch integriert, sind sie nicht ausreichend. Wir müssen uns mit den Sozialpolitiken, mit den Kulturpolitiken, mit den Freizeitpolitiken, mit all den Politiken integrieren, die d- die sich zusammen wirklich der Bedürfnisse der Personen annehmen, so. Denn das sind imme- immer komplexere Bedürfnisse, auf jeden Fall äääh immer schwieriger mit einem einzigen Instrument zu erfassen, so. Deshalb, große Möglichkeiten, aber in der Perspektive der Integration der Mittel.
Insgesamt stellt sich die unklare bzw. ungenaue Definition von Zuständigkeiten unter den zuständigen Ressorts der Giunta regionale für einen Außenstehenden als verwirrend dar. Gleichzeitig verweist sie auf spezifische Wahrnehmungen des Zuwanderungsphänomens und der Zuwanderer, die es im Einzelnen zu analysieren gilt. Zunächst soll jedoch der zentrale Aspekt der (effektiven?) Umsetzung regionaler Eingliederungspolitik erörtert werden.
4.3.1.4 Indizierte Stärken und Schwächen der verfolgten Integrationsmaßnahmen Die befragten Landespolitiker äußern sich umfangreich zu sich manifestierenden Schwächen verfolgter Integrationsmaßnahmen. Neben der vernachlässigten Evaluierung integrationspolitischer Aktivitäten in der Region (LR1: Z 133-135; LR3: Z 226-235), werden allgemeine organisatorische Probleme wie der Mangel an qualifiziertem Personal oder die geringe Flexibilität der staatlichen Dienste (LR3: Z 550-552; LR4: Z 190-199 und Z 591-633; LR5: Z 341-375; LR6: Z 1474-1505) sowie die unzureichende Mittelausstattung der FNPMProjekte bzw. der Integrationspolitik allgemein als Schwachpunkte genannt (LR2: Z 230-246; LR3: Z 29-41 und Z 470-485; LR4: Z 181-183, Z 396-399 und Z 644-655; LR6: Z 894-896 und Z 913-934). Speziell zu FNPM-Projekten wird festgehalten, dass es in der Vergangenheit keine Qualitätssicherung gegeben hat, sondern dass die so genannten Zonenpläne der Provinz weitestgehend wie eingereicht gebilligt wurden. Zusätzlich erscheinen die der Landesregierung vorliegenden Informationen zur faktischen Finanzsituation der FNPMMaßnahmen in den Gemeinden sowie ihrer Umsetzung in die lokalen Realitäten als begrenzt (LR3: Z 385-397, Z 409-411, Z 426-429 und Z 435-437). Generell wird betont, dass der schnelle Zuwachs an Zuwanderern die italienische Verwaltung überfordert hat (LR6: Z 1340-1408), und der „experimentelle Charakter“ der emilia-romagnolischen Integrationspolitik wird herausgestellt: Da das Ressort Sozialpolitik erst im Jahr 2000 offiziell in die italienischen Staatspolitik integriert worden sei, habe sich der Sektor zum einen noch nicht als System etabliert und zum anderen führe dessen geringe Strukturiertheit und der Rekurs auf (Einzel-)Projekte zu mangelnder Konstanz und einer starken Diversifikation des faktischen Angebots integrationspolitischer Maßnahmen zwischen den Gemeinden (LR2: Z 438-439, Z 449-451, Z 508-538, Z 563-593, Z 597-598 und Z 640-651; LR3: Z 598-624):
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LR3: (…) l’immigrazione è un fenomeno molto più recente, quindi le politiche dell’immigrazione hanno ancora pochi anni di vita. Allora per adesso sono dei progetti, diciamo. Il progetto ha dei pro e dei contro. Il progetto è flessibile, veloce edede..però poi.. chi ti garantisce che ci sia anche l’anno dopo quel progetto lì, se non ci sono delle risorse?!
LR3: (…) die Zuwanderung ist ein viel jüngeres Phänomen, daher bestehen Immigrationspolitiken erst seit kurzem. Deshalb gibt es heute Projekte, sagen wir. Ein Projekt hat Vor- und Nachteile. Ein Projekt ist flexibel, schnell etc…, aber dann.. wer garantiert dir, dass es das Projekt im darauf folgenden Jahr auch gibt, wenn es keine Gelder mehr gibt?!
I: E già.
I: Sicher.
LR3: Allora, se noi riusciamo, questo è l’importanza della legge regionale, a consolidare le risorse negli anni, allora possiamo dire che il progetto prima diventa stabile nel tempo, diventa un progetto-obiettivo vero e proprio. Quindi, non so, l’obiettivo è quello di costruire centri interculturali in ogni provincia, costruire centri servizi in ogni zona, eccetera. E poi da lì si arriva al servizio, cioè a qualcosa che è stabile..
LR3: Deshalb, wenn wir es schaffen, das ist die Relevanz des Landesgesetzes, in den Jahren die Ressourcen zu konsolidieren, dann können wir sagen, dass das Projekt zuerst zeitlich stabil wird, zu einem echten und wirklichen ZielProjekt wird. Deshalb, ich weiß nicht, ist das Ziel, interkulturelle Zentren in jeder Provinz zu schaffen, Dienstzentren in jeder Zone zu schaffen, etc.. Und dann von dort aus erreicht man den Dienst, d.h. es wird zu etwas Stabilem..
I: Stabile, strutturato..
I: Stabil, strukturiert..
LR3: E che c’è certezza di diritti e doveri, di dare e avere. Si dice “In questo comune, in questa zona forniamo questi servizi agli immigrati, cioè sta aperto il centro servizi dalle ore tot alle ore tot“, una cosa che non mancherà mai nel tempo, mentre oggi i progetti.. oggi ci sono, domani possono non esserci, diciamo. Quindi è un settore molto giovane in cui gradualmente bisognerà, come dire, trasformare i progetti in servizi. Ci vorranno ancora degli anni, però la strada sarebbe quella.
LR3: Und es gibt die Gewissheit von Rechten und Pflichten, vom Geben und Nehmen. Man sagt: „In dieser Gemeinde, in dieser Zone bieten wir diese Dienste für Zuwanderer an, d.h. das Dienstzentrum ist von dann bis dann geöffnet.“, eine Sache, die nie im Laufe der Zeit fehlen wird, während heute die Projekte.. sie sind heute da, während sie morgen nicht mehr da sein können, sagen wir. Daher ist es ein sehr junger Sektor, in dem man nach und nach, wie sagt man, die Projekte in Dienste umwandeln muss. Dazu braucht es noch Jahre, aber das wäre der Weg.
(Quelle: LR3: Z 604-624) Hinsichtlich der starken Fragmentierung des Angebots an Integrationsmaßnahmen im Gebiet hält der Generaldirektor für Gesundheits- und Sozialpolitiken fest:
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LR2: (…) diciamo che eeh l’autonomia di cui i comuni hanno goduto finora..
LR2: (…) sagen wir, dass ääh die Autonomie, die die Gemeinden bis heute genossen haben..
I: Mmh.
I: Mmh.
LR2: Associata alla mancanza di una eeh di una legge nazionale che..
LR2: Vereint mit dem Mangel einer ääh eines nationalen Gesetzes, das..
I: Sì.
I: Ja.
LR2: Istituisse un sistema dei servizi sociali ha..alimentato e generato una situazione, come dire, moltoooo diversificata. Non solo tra regione e regione, ma anche tra comune e comune.
LR2: Ein System der Sozialpolitiken etablieren würde, ..eine, wie sage ich es, staaaaark diversifizierte Situation genährt und generiert hat. Nicht nur zwischen den Regionen, aber auch zwischen den Gemeinden.
(Quelle: LR2: Z 567-576) Als Stärke der verfolgten Maßnahmen zur Eingliederung von Immigranten werden allgemein der Reichtum der Region, ihre wirtschaftliche Prosperität und der positive Effekt der Zuwanderung auf die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Branchen und regionalen Betriebe angeführt (LR1: Z 158-198; LR5: Z 319-341; LR6: Z 1275-1339). Dabei sei es gerade die ökonomische Profitabilität der Immigranten, welche die Bereitschaft der lokalen Ämter, in ihre Aufnahme zu investieren, erhöhe (LR1: Z 158-198): LR1: (…) Eeeh, c’è dal mio punto di vista unaaaa.. unaaa disponibilità maggiore, anche da parte degli enti locali, ad investire eeeh politicamente e dal punto di vista amministrativo, ed anche economicamente, laddove è più forte l’impatto anche con il sistema produttivo, con l’impresa. (…)
(Quelle: LR1: Z 179-182)
LR1: (…) Äääh, es gibt meines Erachtens nach eineeee.. eineee größere Bereitschaft, auch seitens der lokalen Ämter, dort äääh politisch und unter verwaltungsmäßigen Gesichtspunkten und auch ökonomisch zu investieren, wo das Zusammentreffen auch mit dem Produktionssystem, mit der Firma am stärksten ist. (…)
Die positive Bewertung ausbleibender gesellschaftlicher Konflikte (LR4: Z 118) erscheint in diesem Zusammenhang als Ergebnis des ‚unbedingten Willens’ zur Integration und des harmonischen Zusammenspiels aller diesbezüglicher Akteure in der Region (LR1: Z 210-239; LR2: Z 814-821; LR3: Z 453-462; LR4: Z 399-401; LR6: Z 1275-1339): So betont der Landesassessor für Sozialpolitik, dass das regionale ‚Integrationsabkommen’118 im „Konsens mit dem ganzen System“ erreicht wurde (LR1: Z 210-239), und die interviewte Büroleiterin des Bildungsressorts identifiziert eine „große soziale“ und „große politische Kohä-
118
Näheres siehe Kapitel 3.3.2.
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sion“ in der Region, der eine „gemeinsame Vision“ zur Integration von Zuwanderern in der Emilia-Romagna entspreche: LR6: (…) Eehmm il primo punto forte è che per ragioni di coesione sociale e per ragioni ..anche di capacità, credo, ..da un punto di vista ..eehmm ..eeeh ..delle del d- d- della.. delle condizioni economiche..
LR6: (…) Äähmm der erste Pluspunkt ist der, dass aus Gründen der sozialen Kohäsion und aus Gründen ..auch der Fähigkeit, denke ich, ..von einem Gesichtspunkt..äähmm ..äääh .. die das d- d- der.. der wirtschaftlichen Bedingungen heraus..
I: Mmh. I: Mmh. LR6: (…) Eeeaaah. Certamente anche per condizioni di.., come si dice, buon governo.. I: Mmh. LR6: O comunque, insomma, di una amministrazione che esse- parlo anche in questo caso di Regione, Province e Comuni che.. hannooo tenga conto anche che c’ è sempre stata una forte coesione politica tra il livel-.., (sottolinea le sue parole bussando la mano sulla scrivania) tra la Regione, le Province e i Comuni..
LR6: (…) Uuundeee. Sicherlich auch wegen den Umständen einer.., wie sagt man, guten Regierung.. I: Mmh.
I: Mmh.
LR6: Oder jedenfalls, also, einer Verwaltung, die, ich spreche auch in diesem Fall vom Land, den Provinzen und Gemeinden, habennn, beachten Sie, dass es auch immer eine große politische Kohäsion zwischen den Eben-.., (unterstreicht ihre Worte, indem sie mit der Hand auf den Schreibtisch klopft) zwischen dem Land, der Provinzen und Gemeinden..
LR6: Sul nostro territorio.
I: Mmh.
I: Mmh.
LR6: In unserem Gebiet gegeben hat.
LR6: Quindi questo.., come dire, il condividere ..al di là del partito politico, ma insomma, ..il il condividere (sottolinea le sue parole bussando la mano sulla scrivania) ai tre livelli istituzionali ..più rrresponsabili della vita dei cittadini..
I: Mmh.
I: Mmh. LR6: Una visione…eh eh ehm.. aiuta! ..Aiuta! Sostanzialmente.
LR6: Also das.., wie sagt man, das Teilen ..jenseits der Parteizugehörigkeit, aber auf jeden Fall, ..das das Teilen (unterstreicht ihre Worte, indem sie mit der Hand auf den Schreibtisch klopft) auf den drei institutionellen Ebenen, ..die am ssstärksten für das Leben der Bürger verantwortlich sind.. I: Mmh. LR6: (Das Teilen) Einer Vision…äh äh ähm.. hilft! ..Hilft! Erheblich.
(Quelle: LR6: Z 1283-1315)
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Wie den bisher zugänglich gemachten Interviews mit Vertretern der Landesregierung zu entnehmen ist, wurde die Integration von Zuwanderern in der Vergangenheit weitestgehend zivilgesellschaftlichen Kräften und Einrichtungen überlassen. Erst mit der Einrichtung des Nationalen Fond für Migrationspolitiken (FNPM) im Rahmen des Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 und seiner Administrierung durch die italienischen Regionen bzw. der Wahl der ‚neuen’ Landesregierung im Jahr 2000 wurden Aktivitäten in dieser Hinsicht in den Verwaltungsablauf des Staates überführt.
4.3.2 Inhalte kommunaler Integrationspolitik Die Auswahl der untersuchten Gemeinden erfolgte gezielt. Das ausschlaggebende Kriterium war hierbei die Teilnahme an den im Zentrum der Untersuchung stehenden FNPM-Projekten, Italienischkursen für erwachsene Zuwanderer sowie die schulische Integrationsförderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Laut den „Gebietsplänen“ war in jeder der drei gewählten Gemeinden die Realisierung beider Maßnahmen für den Zeitraum 2002/2003 vorgesehen. Sie unterschieden sich hingegen nach ihrem offiziellen Anteil an Zuwanderern. Um das Angebot integrationspolitischer Maßnahmen und ihre Umsetzung vor dem Hintergrund deren faktischer Anwesenheit vergleichen zu können, wurden qualitative Interviews in den Gemeinden Luzzara, Rimini und Ferrara durchgeführt, welche einen hohen (12,7%), mittleren (3,88%) und geringen (1,84%) Prozentsatz an Migranten aufwiesen.119 Dem Fokus der vorliegenden Untersuchung folgend wurden gleichermaßen Akteure und Adressaten von Integrationsaktivitäten befragt, die mit den beschriebenen FNPM-Projekten unmittelbar vor Ort in Verbindung standen. Dabei wurde ein ausgeglichenes Verhältnis von Zuwanderern und Autochthonen (fünf zu fünf) berücksichtigt, und es wurden staatliche wie zivilgesellschaftliche Akteure interviewt.
119 Der regionale Durchschnitt wurde mit 3,7% angegeben (Regione Emilia-Romagna 2004a: 15). Näheres zur statistischen Erfassung der Zuwanderung in Italien siehe Kapitel II.
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Tabelle 8: Übersicht zu den kommunalen Interviewpartnern120 Staat (Gemeinde)
Staat (Schule)
Zivilgesellschaft
b
b
(Kommunalbeamter)
(Schuldirektor)
(autochthone Organisation)
b
AKTEURE
b (Lehrerin) Italienischkurs
Schule
(teilnehmender Zuwanderer)
(Zuwandererfamilie)
(autochthone Familie)
b
b
(teilnehmender Zuwanderer)
(Zuwandererfamilie)
b
ADRESSATEN
b
(Zuwandererorganisation) Schule
b
b
Aufgrund der geringen Kooperationsbereitschaft der Grundschuldirektorin von Ferrara konnten die in dieser Gemeinde durchgeführten Interviews jedoch nicht berücksichtigt werden, da die recherchierten Daten zur schulischen Eingliederung in dieser Gemeinde Mängel aufwiesen.121 Es bleibt darauf hinzuweisen, dass sich die Befragten der Gemeinde Ferrara grundsätzlich vergleichbar zu den Interviewpartnern der Gemeinden Luzzara und Rimini äußerten. Wie bereits für die Landespolitik dargestellt, manifestiert sich auch auf der kommunalen Ebene eine Überschneidung von Politikfeldern. Zusätzlich scheinen auf den ersten Blick zwischen den hier dargestellten Gemeinden Wahrnehmungsunterschiede gegenüber dem Phänomen der Zuwanderung zu bestehen: Wurde das Integrationsthema in Luzzara dem Assessoramt für Kultur zugewiesen, wurde es im Falle Riminis dem Assessoramt für Sozialpolitik zugeteilt. Ob dies Auswirkungen auf den Umgang mit integrationspolitischen Maßnahmen hat, wird im Weiteren zu sehen sein. Neben den Ausführungen der verantwortlichen Kommunalbeamten wurden in den Kommunen auch Aussagen von Akteu120
Die Figur repräsentiert sowohl männliche wie weibliche Gesprächspartner. Die ausgewählten Schulinstitutionen sollten grundsätzlich den Charakteristika der jeweiligen Kommune entsprechen, d.h. im Falle Luzzaras einen hohen, im Falle Riminis einen mittleren und im Falle Ferraras einen niedrigen Anteil an Zuwandererschülern aufweisen. Die auf Provinzniveau aggregierten Zahlen veranschlagten für den betreffenden Grundschulzirkel in Ferrara einen Prozentsatz von 1,84%, beinhalteten jedoch keine präzisen Angaben für die einzelnen Schulen, die Bestandteil des jeweiligen Schulzirkels sind. Diese Statistiken, die dem leitenden Rektor generell vorliegen, wurden zwar frühzeitig und mehrfach im Rahmen der vorliegenden Arbeit bei der betreffenden Schuldirektorin angefragt, Letztere hat die Daten jedoch erst nach Ablauf des zentralen Schuljahres 2002/2003 weitergegeben. In der Folge zeigte sich, dass Zuwandererschüler einer Schule mit einem mittleren Prozentsatz interviewt worden waren. 121
100
ren und Adressaten außerhalb der Gemeindeverwaltung hinzugezogen. Allgemein gilt es für die lokale Situation der Gemeinden zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Vorgaben des Nationalstaates und der Landesregierung mit der faktischen Zuwanderungssituation im Land, d.h. mit einer faktisch hohen Quote an Irregularität, zusammenfallen. Welche Auswirkungen dies für das Verhalten der lokalen Akteure und die Umsetzung der Integrationspolitik hat, wird im Weiteren dargelegt. 4.3.2.1 Die Integrationspolitik der Gemeinde Luzzara (RE)122 Die Gemeinde Luzzara liegt in der Provinz Reggio Emilia, die sich zum 31.12.2002 durch einen überdurchschnittlichen Prozentsatz an wohnhaften Zuwanderern (über 3,3%) auszeichnet (vgl. Regione Emilia-Romagna, 2004a, S.15f). Gemäß Einwohnermelderegister lebten zum 31.12.2002 8.785 Menschen in Luzzara, von denen 1.116 nicht-italienischer Staatsbürgerschaft waren. Entgegen der Dominanz von Zuwanderern marokkanischer (17,7%), albanischer (12,7%) und tunesischer (6,8%) Nationalität in der gesamten Emilia-Romagna, stammten die luzzaresischen Immigranten zum überwiegenden Teil aus Indien (52,42%), Pakistan (16,76%) und Mazedonien (4,75%). Die Mehrzahl der Immigranten ist männlichen Geschlechts: 60,6% gegenüber 39,4% bei den indischen und 75,4% gegenüber 24,6% bei den pakistanischen Zuwanderern (Comune di Luzzara 2003; Regione Emilia-Romagna 2004a: 16f).
4.3.2.1a Die Umsetzung des Nationalen Fond für Migrationspolitiken Zur Förderung der Integration von Zuwanderern hatte die Gemeinde Luzzara 2002/2003 die beiden Maßnahmen „Terre di Aronne“ und „Terre di incontro“ vorgesehen. Das erklärte Ziel von „Terre di Aronne“ („Arons-Länder“) bestand darin, die schulische Integration von Zuwandererschülern durch das Lehren der italienischen Sprache und durch außerschulische Aktivitäten interkultureller Art zu unterstützen. Das Projekt „Terre di incontro“ („Boden der Begegnung“) beschreibt eine „Intervention“ zur Eingliederung von erwachsenen Immigranten in 122 Die vorliegenden statistischen Daten zur Präsenz von Zuwanderern beziehen sich dem Durchführungszeitraum der Interviews entsprechend auf die Jahre 2002/2003. Die folgenden Angaben zu FNPM-Projekten sind den thematischen Plänen der Provinzen entnommen. Eine detaillierte Erläuterung der besagten Provinzpläne zur Integration von Immigranten findet sich in Kapitel 3.3.3 und 3.3.3a. Das Abkürzungsverzeichnis der Befragten findet sich im Anhang. Die Verfasserin wird im Folgenden als „I“, Väter als „P“, Mütter als „M“ und interviewte Kinder als „B“ bezeichnet.
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das „soziale Geflecht“ mittels der Organisation von Italienischkursen, Aktivitäten der kulturellen Interaktion auf verschiedenen Ebenen sowie der Sensibilisierung von Thematiken zur Gesundheitsvorsorge in Zusammenarbeit mit dem USL123. Gemäß den Angaben der zuständigen Kommunalbeamtin (LUG) wurde das Projekt „Terra“ 2001 ins Leben gerufen und besteht seitdem unter anderen Namen und mit wechselnden Teilmaßnahmen fort („Terra di incontro“, „Terre di Aronne“ etc.). Generell hält sie fest, dass neben dem „Terra“-Projekt und einer zusätzlichen Lehrerin in der Grundschule keine weiteren Ressourcen zur Eingliederung der Zuwanderer in der Gemeinde aufgewandt werden124 (LUG: Z 619-625). Die FNPM-Maßnahme „Terra di incontro“ beschreibt LUG als einen Kochkurs, in dem auch über Empfängnisverhütung gesprochen wird. Nach der schwierigen Phase der Anwerbung von Teilnehmern, während der Gemeindebeamte direkt zu Immigranten nach Hause gegangen seien, um ihr Interesse zu wecken, würden nun abwechselnd Speisen verschiedener Nationen (Indien, Pakistan, Italien) zubereitet. Bei dieser Gelegenheit, sei auch über Fragen der Empfängnisverhütung gesprochen worden, so dass man schließlich eine Hebamme des USL eingeladen habe (LUG: Z 625-633 und Z 659-676). Auf die direkte Nachfrage der Interviewerin nach dem im Provinzplan beschriebenen Italienischkurs für erwachsene Immigranten führt LUG zunächst aus, dass auch eine Lehrerin anwesend sei, die Sätze vorbereite. Dann jedoch ruft sie aus, dass es in Luzzara einen „echten Sprachkurs“ gebe, der vom Staat bzw. vom ehemaligen Provinzschulrat finanziert und realisiert werde: „Il corso vero e proprio ce l'abbiamo!“ („Einen wirklichen, echten Kurs haben wir!“) (LUG: Z 741). Als sie nochmals mit den Angaben des Provinzplans konfrontiert wird, hebt die Kommunalbeamtin hervor, dass die Gemeinde alleine für die Realisierung des Projektes verantwortlich ist: „Il progetto è fatto da noi!“ („Das Projekt wird von uns gemacht!“) (LUG: Z 764) und dass sie den Teilnehmern einen Italienischkurs nicht aufzwingen konnten: „Non poteva essere certo un’impostazione!“ („Wir konnten sie natürlich nicht zwingen!“) (LUG: Z 769-770). LUG erklärt, dass die Teilnehmer selbst das Erlernen der italienischen Sprache zugunsten des kulinarischen Aspekts vernachlässigt haben, und betont, dass die beteiligten Gemeinden Novellara und Reggiolo einen Sprachkurs realisieren. Sie fasst zusammen, dass jede der im Projekt „Terra“ beteiligten Kommunen autonom bestimme, welche Art von Maßnahmen sie in die Wirklichkeit umsetze, und dass sie bei der Wahl des Projekt–Titels gerade dieser Freiheit Raum bieten wollten:
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USL bedeutet wörtlich „unità sanitaria locale“ und bezeichnet die lokale Einheit des staatlichen Gesundheitsdienstes. 124 Besagte Lehrerin ist eine Vollzeitkraft, die seit dem Schuljahr 2000/2001 direkt mit Geldern der Gemeinde bezahlt wird ( LUG: Z 518-529).
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LUG: (…) Cioè ogni Comune in “Terra d'incontro” ..fa ciò.. che realizza: o la cucina o il corso di italiano o altre cose. Per esempio Guastalla adesso..ha realizzato..una festa..multietnica.
LUG: (…) Das heißt jede Gemeinde in „Terra d’incontro“ ..macht das.. was sie realisiert: entweder Kochen oder Sprachkurs oder andere Dinge. Guastalla, zum Beispiel, ..hat jetzt..ein multiethnisches Fest realisiert.
I: Mhm.
I: Mhm.
LUG: In piazza. E ha speso questi soldi di “Terra d'incontro e di sapori” in questa maniera. L'abbiam chiamata “Terra d'incontro” proprio per avere più più.. spazio, più libertà di movimento per fare..cose che eeeh gradite… o comunque, come dire, oltre che gradite.. di cui loro sentano l'esigenza! Quindi..
LUG: Auf dem Marktplatz. Und sie haben diese Gelder von „Terra d’incontro“ und „Terra di sapori“ auf diese Weise ausgegeben. Wir haben das Projekt gerade „Terra di incontro“ genannt, um mehr..mehr..Platz zu haben, mehr Bewegungsfreiheit, um ..Sachen zu machen, die äääh…gern gesehen werden… oder auf jeden Fall, wie sagt man, über das GerneGesehen-Werden hinausgehend.. für die sie (die Zuwanderer - Anm.d.Verf.) einen Bedarf sehen! Von daher..
(Quelle: LUG: Z 787-796) Auf den erneuten Hinweis, dass dem Provinzplan nicht zu entnehmen war, dass die realisierte Maßnahme je nach Gemeinde variiere, unterstreicht LUG, dass der anfallende Rechenschaftsbericht für die Landesregierung bei der Projektbezeichnung und -beschreibung im Vordergrund stand: LUG: (…) L'abbiam fatto ad arte per avere più spazio di..di manovra.. Perché siccome questi sono soldi regionali, vanno rendicontati. Allora, se noi scriviamo che facciamo solo corso di italiano, alla fine dobbiamo fare un corso di italiano. E se i miei cittadini non lo vogliono?
LUG: (…) Das haben wir mit Geschick/vorsätzlich125 gemacht, um mehr Raum zum..zum Manövrieren zu haben.. Denn da es sich dabei um regionale Gelder handelt, gibt es einen Rechenschaftsbericht. Also, wenn wir schreiben, dass wir nur Italienischkurse anbieten, müssen wir am Ende auch Italienischkurse anbieten. Und wenn meine Bürger den nicht wollen?
(Quelle: LUG: Z 829-831) Ausdrücklich spricht die Gemeindebeamtin in diesem Zusammenhang von einer „Strategie“, um den involvierten Kommunen die freie Handhabung der Integrationsmaßnahmen auf lokaler Ebene zu ermöglichen. Es bleibt festzuhalten, dass die unter dem Projekt „Terra di incontro“ („Boden der Begegnung“) beschriebene Organisation von Italienischkursen in Luzzara nicht stattfindet.
125 Der italienische Ausdruck „ad arte“ kann sowohl „mit Geschick“ als auch „vorsätzlich“ bedeuten (Dizionari Sansoni 1994).
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Zur Integrationsförderung von Schülern mit Migrationshintergrund wurde für die Gemeinde hingegen das Projekt „Terre di Aronne“ („Arons Länder“) bewilligt, das – gemäß Provinzplan – das Lehren der italienischen Sprache sowie außerschulische Aktivitäten für Zuwandererkindern vorsieht. Demgegenüber verweisen der Rektor der Grundschule von Luzzara (LUR) und seine mit Integrationsbelangen beauftragte Lehrerin (LUL) auf den Einsatz „interkultureller Vermittler“, die der Schule auf der Grundlage des „Terra“-Projektes zugewiesen werden. Ihren Angaben zufolge treten die Vermittler insbesondere als Dolmetscher in der Klasse sowie beim Italienisch-Förderunterricht auf, werden jedoch auch als Bindeglied zwischen der Familie des Zuwandererschülers und der Schule z.B. bei Elternversammlungen aktiv (LUL: Z 147-157 und Z 239252; LUR: Z 147-175). Insgesamt scheinen beide Befragte nur bedingt über weiterführende Kenntnisse zum „Terra-Projekt“ zu verfügen. Die integrationsbeauftragte Lehrerin LUL zeigt sich davon überzeugt, dass besagte Vermittler mittels kommunaler (und nicht nationaler bzw. regionaler) Ressourcen finanziert werden (LUL: Z 123-139).126 Sie formuliert tautologisch, dass die Arbeit der „interkulturellen Vermittlerinnen“ in den Klassen darin besteht, „interkulturelle Projekte zu realisieren“: „Ad esempio con le mediatrici che entravano anche nelle classi per fare..progetti di intercultura!” (LUL: Z 177-178). Als weiteren Bestandteil der Maßnahme weist sie auf eine nachmittägliche Nachhilfe für Schüler mit Migrationshintergrund hin (LUL: Z 177-181). Ein Hinweis, der weder von der zuständigen Gemeindebeamtin (LUG) noch von den befragten Zuwanderern als Adressaten diesbezüglicher Maßnahmen bestätigt wird.127 Den Aussagen Letzterer ist ebenso wenig ein systematischer Einsatz „interkultureller Vermittler“ in der Schule zu entnehmen: Obwohl die befragten Söhne und Väter der Zuwandererfamilien LUIS1 und LUIS2 nur bedingt Italienisch sprechen und verstehen und insofern als Adressaten einer Vermittlung anzusprechen wären, findet sich in ihren Aussagen kein Hinweis auf eine derartige Begegnung. Mutter und Tochter der Autochthonenfamilie LUAu verneinen unmittelbar den Einsatz von Vermittlern zur Integration von indischen und pakistanischen Zuwandererkinder in der Grundschule, meinen aber, sich an eine albanische Vermittlerin erinnern zu können (LUAu: Z 266-272 und Z 606-641). Von außerschulischen Aktivitäten für Schüler mit Migrationshintergrund haben sie keine Kenntnisse (LUAu: Z 643-678). Das Projekt assoziieren sie alleine mit 126
Möglicherweise bezieht sich LUL hier auf die Eigenbeteiligung der Gemeinden bei FNPMMaßnahmen in der Emilia-Romagna. Näheres siehe Kapitel 3.3.3. 127 Die Leiterin der örtlichen Caritas hingegen gibt an, bereits vor über 30 Jahren eine derartige Nachhilfeeinrichtung geschaffen zu haben, betont jedoch, dass bislang keine Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung stattgefunden habe. LUZ bestätigt zwar deren Interesse, betont aber gleichzeitig, dass sie zu keiner Zeit von der Kommune finanziell unterstützt worden seien (LUZ: Z 562-648).
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z.B. T-Shirts, die mit seinem Logo bedruckt sind (LUAu: Z 678-708). Auch bei den Zuwandererfamilien LUIS1 und LUIS2 finden sich keine Hinweise auf außerschulische Aktivitäten interkultureller Art: Während Sohn B von LUIS2 betont, dass er gleich nach der Schule nach Hause geht und keinen seiner Schulkameraden nachmittags sieht (LUIS2: Z 492-498), gibt Vater P von LUIS1 an, dass sie außer an einem Sprachkurs für erwachsene Immigranten an keiner anderen Integrationsmaßnahmen teilnehmen (LUIS1: Z 449-482). Während demnach die Aussagen der Befragten keinen Hinweis auf die Realisierung außerschulischer Aktivitäten interkultureller Art enthalten, berichten sie hingegen von einem „Sprachlabor“, das für Zuwandererkinder in der Grundschule eingerichtet worden ist und von LUL geleitet wird.128 Die Projektbeschreibung der Initiative „Terre di Aronne“ führt demnach in der Wirklichkeit in die Irre: Italienischunterricht findet in einem „Sprachlabor“ der Grundschule statt, dessen Leiterin aus Mitteln der Gemeinde finanziert wird, und nicht im Rahmen der FNPM-Maßnahme (LUG: Z 518-529, Z 568-576 und Z 619-625). Zudem wurde das Angebot einer nachmittäglichen Nachhilfe vor über 30 Jahren von der Leiterin der örtlichen Caritas in der Gemeinde institutionalisiert, das jedoch keine Verbindungen (finanzieller Art) zur kommunalen Verwaltung unterhält (LUZ: Z 562-648). Stattdessen legen die Aussagen der involvierten Akteure LUR und LUL sowie der Autochthonenfamilie LUAu nahe, dass auf der Grundlage des Terra-Projektes „interkulturelle Vermittler“ in der Grundschule tätig werden. Im Gespräch mit der zuständigen Kommunalbeamtin von Luzzara (LUG) wird deutlich, dass nicht alle laut Provinzplan beteiligte Gemeinden ihren Verpflichtungen nachgekommen sind. Während Luzzara und Novellara die finanzierten Maßnahmen (auf ihre autonome Weise) in dem dafür vorgesehenem Zeitraum realisierten haben, seien andere Gemeinden untätig gewesen: LUG: (…) (sospira profondamente) Eeh, a a..supporto di quello che sto dicendo..cosa succede? Che il comune di Luzzara e il Comune di Novellara, dove si è trovata altrettanta sensibilità..per mandare avanti queste cose, ha speso tutto le risorse..
LUG: (…) (seufzt tief) Uund… zum zum..Beweis dessen, was ich sage, ..was passiert? Dass die Gemeinde Luzzara und die Gemeinde Novellara, in denen man gleichviel Sensibilität findet.., um diese Dinge voran zu bringen, all ihre Gelder ausgegeben haben..
I: Mmh.
I: Mmh.
LUG: In altri sei comuni..alcune risorse sono ferme dal 2001. Tant’è che la Regione mi tira qualcosa per.. me le toglierà! Se non provvederemo..a spenderle. Perché…è un dato di fatto: se non li spendi, vuol dire..
LUG: In den anderen sechs Gemeinden..liegen einige Ressourcen seit 2001 still. So dass mir das Land etwas abzieht..sie nehmen sie mir weg! Wenn wir nicht dafür sorgen, ..sie auszugeben. Denn..das ist ein Fakt: wenn du sie nicht aus-
128
Siehe dazu auch Kapitel 4.4.2a.
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Cioè.., vuol dire tante cose! Perché bisogna andare a vedere, esattamente il perché non si sono fatte, manca il personale, manca questo, manca l’altro eccetera.
gibst, bedeutet das..Das heißt.., das bedeutet viele Dinge! Denn man muss hingehen und schauen, warum genau diese Dinge nicht gemacht wurden, Personalmangel, dieser Mangel, jener Mangel etc.
I: Mmh. I: Mmh. LUG: Sta di fatto comunque, che una risorsa…è stanziata..nel 2001 e c’è ancora da spendere a..a tutto luglio 2003.
LUG: Es ist jedoch ein Fakt, dass eine Ressource…2001..bereit gestellt wurde und mitten..mitten im Juli 2003 noch immer ausgegeben werden muss.
(Quelle: LUG: Z 1469-1478) Obwohl das “Terra”-Gesamtprojekt bereits seit 2001 besteht, fand zudem noch nie eine Evaluierung der durchgeführten Aktivitäten statt. Die zuständige Gemeindebeamtin begründet dies mit dem “Notfall”, der Dringlichkeit ihres Handels: “Cioè l'emergenza…ci ci coinvolge..eeh..molto.. che resta poco tempo per quello.” („Das heißt der Notstand…beschäftigt beschäftigt uns..ääh..sehr.., so dass wenig Zeit dafür bleibt.“) (LUG: Z 956-957). Nur sehr wenige Gemeinden würden die Zeit haben, über ihre Handlungen zu reflektieren: LUG: Bisogna ri- mettersi lì a riflettere. Fare meno cose...ma per le quali si abbia una valutazione, sia del processo che del risultato che ti consenta di dire ho fatto giusto o sbagliato, cambio direzione, ..eccetera. Pochissimi comuni, nessuno direi.. I: Mh,.
LUG: Man muss sich wieder- hinsetzen und reflektieren. Weniger Sachen machen…, aber für die man eine Evaluierung hat, sowohl des Prozesses als auch des Ergebnisses, die dir erlaubt, zu sagen, ich habe das richtig oder falsch gemacht, ich ändere die Richtung, …etc.. Ganz wenige Gemeinden, ich würde sagen keine..
LUG: È attivato su questa cosa qua.
I: Mh.. LUG: Ist dahingehend aktiv.
(Quelle: LUG: Z 958-964) Ihren Angaben zufolge sind im Projekt “Terra” zum ersten Mal 2003 Schritte in Richtung einer Evaluierung unternommen worden (LUG: Z 947-990). Zu diesem Zwecke, so LUG, werde eine neue Fachkraft eingestellt, da ihre eigene Arbeitszeit (Überstunden inklusive) für die Vielfalt an Aufgaben nicht ausreiche. Deutlich stellt LUG hier Personalmangel als substantielles Problem für die reibungslose Umsetzung des Integrationsprojektes heraus (LUG: Z 990-1029). Entgegen den Angaben auf Provinz- und Landesniveau wird in der Gemeinde Luzzara demnach weder die sprachliche Ausbildung von erwachsenen Immigranten noch die schulische Integration von Kindern mit Migrationshintergrund
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gefördert. Stattdessen zeigt sich ein äußerst freier Umgang mit Finanzmitteln des FNPM auf kommunaler Ebene. Insofern stellt sich die Frage nach anderen Formen der Integrationsförderung in der Gemeinde.
4.3.2.1b Die allgemeine Integrationspolitik der Gemeinde Als eine zentrale Einrichtung der Gemeinde Luzzara zur Integration von Immigranten erscheint der mit staatlichen Mitteln geförderte Italienischsprachkurs für erwachsene Zuwanderer. In den Aussagen aller vier untersuchten Migrantenfamilien lassen sich Hinweise auf dessen Kenntnis bzw. in drei Fällen auf eine aktive Teilnahme finden. Die fundamentale Stellung des Sprachkurses hebt Vater P von LUIS1 wie folgt heraus: „Anzi tutti i ragazzi, quelli lavorano o non lavorano.., chi bisogna imparare lingua italiana, vanno là.” (“Im Gegenteil, alle Menschen, diese arbeiten oder nicht arbeiten.., wer die italienische Sprache lernen muss, gehen dorthin.”) (LUIS1: Z 468-469). Er selbst, so fährt er fort, hat im ersten Jahr seines Aufenthaltes in Luzzara, 1996, den Kurs besucht. Jetzt könne er jedoch nicht mehr daran teilnehmen, weil er arbeite (LUIS1: Z 444529). Seine zuvor getätigte Aussage, dass all diejenigen, die Italienisch lernen müssen, am Sprachkurs teilnehmen, schränkt er zum Ende der Redesequenz ein: „Quando trovano tempo, sì, là vanno tutti.” (“Wenn sie Zeit finden, ja, dann gehen sie alle dorthin”) (LUIS1: Z 525). Im Falle der Zuwandererfamilie LUIS2 ist es ebenfalls die Arbeit, die den Besuch des Sprachkurses verhindert: Vater P sagt in diesem Kontext aus, dass seine Frau zwar nur wenige Worte Italienisch spricht, jedoch nicht am Italienischkurs teilnehmen kann, weil er arbeitet und sie nicht in den räumlich entfernten Kurs bringen kann (LUIS2: Z 804-817). Detaillierte Informationen zur Organisation und Umsetzung des staatlich finanzierten Italienischkurses für erwachsene Immigranten in Luzzara finden sich bei den dazu befragten Zuwanderern LUIL1 und LUIL2. Gemäß den Angaben der Befragten ist der Sprachkurs als ganzjährige Veranstaltung geplant. Parallel zum italienischen Schuljahr habe er für sie im Oktober 2002 begonnen. Der Kurs sei in drei Sprachniveaus unterteilt, die unterschiedlich oft in der Woche stattfinden, deren Kurseinheit aber jeweils 1½ Stunden betrage (LUIL1: Z 85-141; LUIL2: Z 161-169, Z 328-337 und Z 652-673). Laut Aussage der befragten Immigranten variiert die Teilnehmerzahl der jeweiligen Gruppe stark: nach anfänglich zwischen 30 und 40 teilnehmenden Zuwanderern hätte nur drei bis zehn den Kurs zu Ende besucht. Als Grund für ihr Fernbleiben gibt LUIS1 Müdigkeit nach der Arbeit129, Ferien in Indien und winterliche Kälte als Motiv 129 Gemäß der Kommunalbeamtin LUG und Zuwandererfamilie LUIS1 findet der Kurs in den Abendstunden zwischen 17/17:30 und 20/20:30 Uhr statt (LUG: Z 741-747; LUIS1: Z 444-529).
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an, während LUIS2 den Kursabbruch allein mit dem Beginn einer Beschäftigung in Verbindung setzt (LUIL1: Z 200-232 und Z 236-254; LUIS2: Z 548570 und Z 572-595): LUIL 2: Perché noi stranieri vieni in Italia per lavorare. Io capito prima cosa lingua, altri prima cosa lavoro.
LUIS 2: Denn wir Ausländer kommst nach Italien, um zu arbeiten. Ich habe verstanden, dass Sprache erste Sache, andere erste Sache Arbeit.
I: Sì, sì, il lavoro. I: Ja, ja, die Arbeit. LUIL 2: Devono mangiare. LUIS 2: Sie müssen essen. I: È.. I: Ist.. LUIL 2: Sì. LUIL 2: Ja. I: Quando trovano lavoro.. I: Wenn sie Arbeit finden.. LUIL 2: Dopo va via. LUIL 2: Danach geht er.
(Quelle: LUIL2: Z 582-592) Damit er seiner Prioritätssetzung, dem Erwerb der italienischen Sprache, folgen konnte, hat LUIS2 selbst ein Jahr lang nur in Nachtschicht gearbeitet und jeweils vorher, von 17:30-19:00 Uhr, am Sprachkurs teilgenommen. Dennoch habe ihn sein Chef während des Kurses angerufen und auf den Arbeitsplatz bestellt, wenn akuter Mitarbeitermangel geherrscht habe (LUIS2: Z 234-245). Allgemein sei die Mehrzahl der Teilnehmer indischer oder pakistanischer Herkunft, eher jung als alt, d.h. in einem Alter zwischen 20-30 Jahren, und überwiegend männlichen Geschlechts gewesen (LUIS1: Z 256-276, Z 278-315 und Z 368-378; LUIS2: Z 597-645). LUIS1 hebt hervor, dass in dem Kurs ein Klima der Hilfsbereitschaft geherrscht, und sie sich untereinander erklärt haben, was die Lehrerin gesagt hat (LUIS1: Z 427-440). Innerhalb des Sprachkurses sei der Zusammenhalt sehr groß gewesen, und es habe keine Grüppchen gegeben. Nach dem Unterricht sei aber jeder seiner Wege gegangen (LUIS1: Z 692-734). Zur Vermittlung des Lernstoffes seien Fotokopien und Kassetten benutzt worden. Der Sprachkurs habe in den Räumen der staatlichen Mittelschule stattgefunden und sei vollkommen kostenfrei gewesen (LUIS1: Z 532-582 und Z 623-641; LUIS2: Z 507-538). Negativ, im Sinne von chaotisch, bewertet LUIS1 die hohe Fluktuationsrate innerhalb der Sprachstufen: das ganze Jahr über seien neuen Teilnehmer dazu gekommen und andere gegangen, weil sie das Nötige gelernt hatten und ihnen alles andere „ganz egal“ sei (LUIS1: Z 1002-1023, Z 10581100 und Z 1125): „Questo: ognuno ha il suo minimo che.. dice..: ‘questo ab-
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bastanza.’ (…) ‘E poi non mi frega più niente’..” (“Dieses: Jeder hat sein Minimum, von dem ..er sagt..: ‘Das ist genug.’ (…) ‘Und alles weitere ist mir egal’..” (LUIS1: Z 1120-1125). LUIS1 gibt an, dass er nicht über die Gemeindeverwaltung, sondern von seiner Nachbarin, die in der Schule arbeitet, von dem Sprachkurs erfahren hat (LUIS1: Z 165-172). Er zeigt sich zufrieden mit dem, was er in dem Sprachkurs, bei dem er parallel das zweite und dritte Sprachniveau besucht hat, gelernt hat (LUIS1: Z 99-141, Z 935-953 und Z 986-989). Der Unterricht habe dabei regelmäßig stattgefunden, und beide Teilnehmer geben an, fast immer daran teilgenommen zu haben. Ingesamt erscheinen beide sehr motiviert, Italienisch zu lernen (LUIS1: Z 991-1000; LUIS2: Z 492-501). LUIS2 formuliert das wie folgt: „In Italia lavoro non c'è problema, però meglio lingua, prima voglio lingua.“ („In Italien mit Arbeit gibt es kein Problem, aber besser ist Sprache, zuerst will ich die Sprache.“) (LUIS2: Z 282).130 Das organisatorische Problem der hohen jährlichen Fluktuationsrate wird auch von der Lehrerin des Kurses bestätigt, mit der im Rahmen der empirischen Arbeit ein Gespräch vereinbart wurde.131 Dem eingesehenen Kursverzeichnis zufolge waren insgesamt ca. 140 Teilnehmer zu Beginn eingeschrieben, von denen jedoch nur ca. zehn den Sprachkurs bis zu seinem Ende besuchten. Im Frühling des Jahres seien hingegen ca. 30 neue Teilnehmer dazu gekommen. Diesen Umstand kommentierte die zuständige Lehrerin mit den Worten: „Ogni tre, quattro mesi ricomincio con l’ABC.“ („Alle drei, vier Monate beginne ich wieder mit dem ABC.“). Ihren Angaben zufolge erfahren die Zuwanderer über das „Tam Tam“ (die Signaltrommel), d.h. über Mundpropaganda, vom Angebot des Sprachkurses und besuchen ihn nicht aus speziellen Gründen, um z.B. eine Beschäftigung zu finden, sondern um ein bisschen „reinzuhören“: „Il lavoro c’è l’hanno già e non devono saper parlare l’italiano per lavorare.“ („Arbeit haben sie schon und sie müssen nicht Italienisch sprechen können, um zu arbeiten.“). Sie erklärt, dass zum Ende des Sprachkurses grundsätzlich eine Prüfung auf dem Niveau der fünften Grundschulklasse vorgesehen ist. Sie habe aber seit 2000 keine derartige Prüfung mehr durchgeführt. In diesem Zusammenhang hält die Lehrerin fest: „Che parlino male o pochissimo a noi non interessa.“ („Ob sie schlecht oder wenig sprechen, interessiert uns nicht.“). Bereits seit 1987 werden Italienischkurse in der Gemeinde Luzzara angeboten. Die befragte Lehrerin 130 Es sei darauf hingewiesen, dass beide Sprachschüler entgegen ihrer ausdrücklichen Motivation, Italienisch zu lernen, die Sprache nur bedingt beherrschen. Insbesondere LUIS2 verfügt über einen eher geringen Wortschatz, macht grammatikalische Grundfehler und versteht im Verlauf des Interviews gestellte Fragen mehrfach falsch oder gar nicht. Der Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt jedoch auf der Darstellung und Analyse der policy outputs und nicht der policy outcomes, d.h. auf der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen und nicht auf ihren Effekten bzw. Resultaten. Insofern entfällt die Erforschung des Sprachstandes der Befragten. 131 Die im Folgenden wiedergegebenen Informationen entstammen den Feldnotizen der Verfasserin.
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leitet diese seit 1995 als alleinige Lehrkraft. In den Aussagen der befragten Teilnehmer LUIL1 und LUIL2 wird zudem deutlich, dass Zuwanderer nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels sein müssen, um den Sprachkurs zu besuchen. LUIL1 selbst ist in der Gemeinde Luzzara nicht wohnhaft gemeldet (LUIL1: Z 1507-1538, Z 1571-1639 und Z 1734-1844; LUIL2: Z 14-37, Z 107112 und Z 161-185). Gemäß den Angaben der Sprachlehrerin sind die meisten ihrer Schüler im Besitz einer Duldung. Als allgemeine Strategie der kommunalen Integrationspolitik verweist die zuständige Gemeindebeamtin LUG auf die Öffnung der kommunalen Dienste gegenüber Migranten (LUG: Z 139-163 und Z 272-273). Sie betont die Begrenztheit der bestehenden Ressourcen: „Credo che sia demagogico..fare delle cosa specifiche solo per loro, per aiutare loro, quando noi non sappiamo come.“ („Ich glaube es ist demagogisch, ..speziell für sie Sachen zu machen, um ihnen zu helfen, wenn wir nicht wissen wie.“) (LUG: Z 1128-1129). Sie sagt aus, dass es generelle Politiken zur Unterstützung sozialschwacher Bürger in Luzzara gibt, von denen auch Zuwanderer profitieren (LUG: Z 194-219, Z 546-548 und Z 1128-1173). Alles andere, so hebt LUG hervor, wird mit dem Projekt „Terra“ „gelöst“ (LUG: Z 619-625). Als konkrete Teilmaßnahme des „Terra“-Projektes nennt LUG (neben den beiden beschriebenen) eine Informationsbroschüre über die lokalen Gemeindedienste, die in sechs Sprachen (Urdu, Punjabi, Französisch, Englisch, Arabisch und Chinesisch) übersetzt und an die anderen beteiligten Gemeinden verteilt worden ist (LUG: Z 163-194). Darüber hinaus berichtet sie, dass im Rahmen des Teil-Projektes „Terra di incontro“ ab September 2003 ein Theaterkurs von der Gemeinde veranstaltet werden wird, bei dem vor dem Hintergrund der Irrfahrten des Odysseus das Reisen als reale und geistige Mobilität thematisiert werden soll (LUG: Z 806-823). Sie verweist des Weiteren auf einen allgemeinen Fond zur Bezuschussung der Miete, der zu 70% von Zuwanderern genutzt wird, sowie auf die Finanzierung von Lernmitteln, von der insbesondere Schüler mit Migrationshintergrund profitieren (LUG: Z 428-440 und Z 474-495). Im Bewusstsein befragter Autochthoner ist hinsichtlich kommunaler Integrationspolitik insbesondere die Erinnerung an ein multikulturelles Fest lebendig. Die Caritas-Vertreterin LUZ betont diesbezüglich, dass es auf dem Marktplatz von Indern nur so gewimmelt hat, die von überall her gekommen waren, um jugendliche Männer tanzen zu sehen. LUAu hält dazu fest, dass es wie die Kirchweih eines anderen Dorfes/Landes angemutet hat (LUAu: Z 751-760; LUZ: Z 1143-1145). Neben den besagten staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Integration von Zuwanderern und den diesbezüglichen Aktivitäten der Gemeinde betreibt die ansässige Caritas seit 1992/1993 ein Magazin für Kleidung, Möbel und Le-
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bensmittel, die sie Immigranten zur Verfügung stellt. Es sei vom damaligen Pfarrer eingerichtet worden, weil er beständig von Zuwanderern darauf angesprochen worden sei. LUZ zufolge haben vom Magazin zuerst Nordafrikaner, dann Osteuropäer und schließlich Inder und Pakistani profitiert. Zum Schluss seien es Pflegekräfte aus Rumänien, der Ukraine und Moldawien gewesen (LUZ: Z 126-156, Z 226-248, Z 250-264, Z 661-677 und Z 703-740). Seit mehr als 30 Jahren bestehe zudem die von der Caritas betriebene Nachhilfe („doposcuola“). Ursprünglich eingerichtet als Hilfe für berufstätige autochthone Familien, würden Kinder mit Migrationshintergrund zum Zeitpunkt der Befragung 50% der Teilnehmer stellen (LUZ: Z 483-500 und Z 542-560). Möbelmagazin und Nachhilfeunterricht würden dabei mit Hilfe von Freiwilligen bzw. Spenden der Gläubigen finanziert (LUZ: Z 893-922 und Z 942). Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch die Vermittlung von Wohnungen und Beschäftigungen durch die ansässige Caritas: Über die sonntägliche Predigt und ein „schwarzes Brett“ informiere die Kirche über Unterkunfts- und Arbeitsgesuche von Zuwanderern und nehme Angebote und Informationen von Seiten der Gläubigen entgegen. Im Falle von Pflegepersonal mit Migrationshintergrund, das nach dem Tod der betreuten Person in Italien verbleiben wolle, fungiere die Caritas in einem Nachbarort als Schlüsselkontakt zur Beschaffung von notwendigen Dokumenten und zur weiteren Vermittlung an italienische Familien unter Mithilfe anderer Caritasstellen (LUZ: Z 746-801). Bei den Adressaten von integrationspolitischen Maßnahmen fällt insbesondere die Relevanz des Italienischsprachkurses für Zuwanderer ins Auge. Alle Befragten mit Migrationshintergrund besitzen Kenntnis von seiner Existenz (LUIL1: Z 85-97 und Z 122-141; LUIL2: Z 456-465; LUIS1: Z 444-482 und Z 492-529; LUIS2: Z 804-817). Vater P von LUIS2 berichtet zudem von indischen Festen, die zweimal im Jahr in der Gemeinde stattfinden: Während letztes Jahr (2002) auf der piazza gefeiert worden sei, habe man es dieses Jahr auf den Sportplatz verlegt. Pakistanische Feste in Luzzara fänden hingegen im familiären Kreis statt und seien eher nicht-öffentlicher Natur (LUIS2: Z 384-396). Neben dem Italienischsprachkurs, dessen Besuch oft aus Arbeitsgründen eingestellt wurde, nimmt keiner der befragten Zuwanderer (oft aus denselben Gründen) an anderen Integrationsaktivitäten der Gemeinde teil (LUIL1: Z 1127-1189; LUIL2: Z 678-694; LUIS1: Z 444-482 und Z 492-529; LUIS2: 804-817). Für die Konzipierung integrationspolitischer Maßnahmen erweist sich grundsätzlich die zuständige Kommunalbeamtin (LUG) als Ideengeberin (LUG: Z 1427-1459). Im Sinne der Bedarfsermittlung schicke die Gemeinde zwar Vorschläge zu den Zuwanderern nach Hause oder hänge sie in Geschäften aus, die von Immigranten besucht würden, allgemein zeige sich jedoch ein sehr geringes Interesse an diesen Angeboten (LUG: Z 839-853 und Z 873-919).
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4.3.2.1c Indizierte Stärken und Schwächen der Integrationspolitik Als positives Charakteristikum und als Beweis des Erfolges verfolgter Integrationsmaßnahmen werten die verantwortliche Gemeindebeamtin (LUG) sowie der Schulleiter der Grundschule von Luzzara (LUR) das Ausbleiben von sozialen Konflikten. Der Direktor der Schule hebt in diesem Kontext hervor, dass er weder negative Reaktionen von Seiten des Schulpersonals oder italienischer Eltern erlebt hat, noch Beschwerden von Zuwandererfamilien (LUG: Z 12021216, Z 1398-1400; LUR: Z 84-97, Z 172-175 und Z 251-253). Die befragte Kommunalbeamtin (LUG) zieht ihr positives Fazit der Integrationsbemühungen wie folgt: „I risultati, insomma, credo che ci siano! Dico..dico soprattutto non c'è scontro, ecco.“ („Die Resultate, also ich glaube, die gibt es! Ich meine..ich meine, vor allem gibt es keinen Zusammenstoß, so.“) (LUG: Z 1399-1400). Im Einzelnen verweist sie auf eine „gewisse Sensibilität“ des Gemeindebüros für das Schulwesen, das sie seit 1992 leitet, sowie des ganzen Gebietes in Bezug auf Migrationsfragen: „Nel nostro territorio c'è una.. una certa sensibilità! ..Verso qverso ques- su questo versante..“ („In unserem Gebiet gibt es eine.. eine gewisse Sensibilität! ..Gegenüber d- gegenüber dies- diesem Zweig gegenüber..“) (LUG: Z 1370-1371). Hinsichtlich indizierter Schwächen verfolgter integrationspolitischer Maßnahmen sticht in dem Antwortverhalten der befragten Akteure insbesondere die oft genannte defizitäre Mittelausstattung hervor. Mangelnde Ressourcen werden in diesem Zusammenhang sowohl als finanzieller Natur als auch als personeller Art beschrieben (LUG: Z 133-138, Z 985-1029, Z 1116-1123 und Z 1504-1515; LUL: Z 89-110 und Z 362-378; LUR: Z 447-485 und Z 487-502; LUZ: Z 575). Für die Zukunft prognostiziert die Lehrerin LUL „inserimenti selvaggi“ („wilde Eingliederungen“) von Zuwandererschülern, welche sich weder in den Lehrplan noch in die Gemeinschaft einfügen werden, wenn Finanzmittel ausbleiben (LUL: Z 362-378). Mangelnde Personalressourcen beschreibt die zuständige Kommunalbeamtin (LUG) als strukturelles Problem: „Dunque, punti deboli, ..mi verrebbe da dire: ..siamo in pochi, anche nei servizi. La scuola..continua a dire queste cose.“ („Also, Schwachpunkte, ..ich könnte sagen: ..wir sind wenige, auch in den Diensten. Die Schule..sagt diese Sachen wiederholt.“) (LUG: Z 1116-1117). Neben mangelnden Ressourcen identifiziert LUG auch ein Ausbildungsdefizit der beteiligten Integrationsakteure. In der Grundschule fehle es den Lehrern an der nötigen Ausbildung sowie generell an Zeit, sich um Zuwandererschüler zu kümmern (LUG: Z 385-391). Auch diagnostiziert sie einen Mangel an theoretischer Bildung der Gemeindebeamten allgemein sowie an theoretischer Fundiertheit der unternommenen Integrationsmaßnahmen im Besonderen (LUG: Z 1382-1398). Sie konkretisiert ihre Kritik in den folgenden Worten:
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„Non siamo (accentando la prossima parola) noi pronti! Perché ci vogliono delle persone, cioè ci vuole..conoscenza eh per fare queste cose.“ („(das folgende Wort betonend) Wir sind nicht bereit! Denn man braucht dazu Leute, das heißt man braucht..Kenntnisse, äh um diese Dinge zu tun.“) (LUG: Z 10271029). Die Kommunalbeamtin berichtet, dass die Aktivitäten der Gemeinde sich sehr auf ihre Person konzentrieren, weswegen sie sich bereits an den Assessor gewandt hat. Jedoch bestehe das Problem, Personal dafür zu finden (LUG: Z 1520-1573 und Z 1579-1594). Zudem verweist sie auf das Fehlen einer etablierten Evaluationsprozedur als Defizit der Integrationspolitik von Luzzara (LUG: Z 854-871 und Z 984-990). Eine ähnliche Form der Abhängigkeit integrationspolitischer Maßnahmen von einzelnen Personen bzw. der Massierung diesbezüglicher Verpflichtungen und Erwartungen akzentuiert sich auch im Bereich der Schule und der Zivilgesellschaft: Während der Schulleiter LUR im Gespräch stetig auf die Vorsitzende der „interkulturellen Kommission“ als Verantwortliche verweist, betont die Gemeindebeamtin, dass die Aktivitäten der Caritas ohne LUZ nicht existieren würden (LUG: Z 1720-1724; LUR: Z 238-245, Z 261, Z 331-333 und Z 377-420). 4.3.2.2 Die Integrationspolitik in der Gemeinde Rimini (RN)132 Die Provinz Rimini, zu der die Gemeinde Rimini gehört, lag gemäß den Angaben der Landesregierung mit einer Ausländerrate von 3,3% zum 31.12.2002 etwas unter dem regionalen Durchschnitt von 3,7%. Während in den anderen neun Provinzen der Emilia-Romagna die Gruppe marokkanischer Immigranten zahlenmäßig am stärksten vertreten war, nahm in den Provinzen Piacenza, Rimini und Forlì-Cesena die albanische Nationalität diesen Stellenwert ein (Regione Emilia-Romagna 2004a: 15f).133 In der Gemeinde Rimini lebten laut Einwohnermelderegister zum 01.01.2002 132.118 Personen, von denen 5.128 (3,88%) nicht-italienischer Staatsbürgerschaft waren. Zum 01.01.2004 hingegen, nach Abschluss der Legalisierungskampagne im Rahmen des „Bossi-FiniGesetzes“134, wird die Zahl der wohnhaften Personen mit 133.388, darunter 132 Die vorliegenden statistischen Daten zur Präsenz von Zuwanderern beziehen sich dem Durchführungszeitraum der Interviews entsprechend auf die Jahre 2002/2003. Die folgenden Angaben zu FNPM-Projekten sind den thematischen Plänen der Provinzen entnommen. Eine detaillierte Erläuterung der besagten Provinzpläne zur Integration von Immigranten findet sich in Kapitel 3.3.3 und 3.3.3a. Das Abkürzungsverzeichnis der Befragten findet sich im Anhang. Die Darstellung von Redebeiträgen innerhalb von Kapiteln bzw. thematischen Abschnitten folgt den inhaltlichen Aussagen der Befragten und kann insofern Unterschiede zum vorherigen Kapitel aufweisen. 133 Näheres siehe Kapitel 2.2. 134 Näheres siehe Kapitel 2.1.
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6.525 (4,9%) Fremdstaatsbürger, angegeben. Zuwanderer albanischer Nationalität stellten mit 1.586 (24,31%) registrierten Personen darunter die stärkste nationale Immigrantengruppe (Provincia di Rimini 2003a und 2003b; Provincia di Rimini 2004a und 2004b). Die korrekte Darstellung des Migrationsphänomens in Rimini erscheint jedoch beinahe ebenso schwierig wie die der Gesamtsituation Italiens135: Während das Statistikbüro der Provinzverwaltung Riminis, auf dessen Erarbeitung die oben genannten Zahlen zurückgehen, von insgesamt 12.917 in der Provinz wohnhaften Zuwanderern zum 01.01.2004 ausgeht, wird unter Rückgriff auf Angaben der Questura (Polizeibehörde)136 die Zahl der legal anwesenden Zuwanderer für das erste Trimester 2004 mit 22.353 angegeben (Provincia di Rimini 2004a und 2004c). In der Gemeinde Rimini haben damit fast zweimal so viele Immigranten eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, wie dort wohnhaft gemeldet waren. Als weiteres Charakteristikum der Provinz Rimini ist zudem der Consiglio provinciale dei rappresentanti degli immigrati (Provinzrat der Zuwanderervertreter) zu nennen, der am 19. Mai 2002 erstmals gewählt wurde und sich aus elf Immigrantenvertretern zusammensetzt. Gemäß dem Statut des Provinzrates, der jedoch von nur 1.531 der sich regulär aufhaltenden Zuwanderer gewählt wurde, besteht seine Aufgabe darin, in der Provinz Rimini legal wohnhafte Drittstaatsangehörige und Staatenlose zu repräsentieren und deren aktive Teilnahme am öffentlichen Leben zu gewährleisten (Consiglio provinciale dei rappresentanti degli immigrati 2002; Provincia di Rimini 2002a und 2002b).
4.3.2.2a Die Umsetzung des Nationalen Fond für Migrationspolitiken Dem Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung folgend, lassen sich in dem Provinzplan der Landesregierung zur Integration von Zuwanderern für das Jahr 2002/2003 zwei Maßnahmen benennen, die für die Gemeinde Rimini veranschlagt werden. Dabei handelt es sich zum einen um das Projekt „Inserimento sociale per donne nigeriane“, einem 200-stündigen Italienischsprachkurs für nigerianische Frauen, und zum anderen um „Associazioni Insieme“, in dessen Rahmen fünf vierstündige Kurse in italienischer Sprache und der Herkunftssprache von Zuwandererkindern im Grundschulalter realisiert werden sollen.
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Die Probleme im Bereich der Datenerhebung und die Differenzen zwischen offiziellen Migrationsstatistiken waren bereits unter Kapitel 2 detailliert dargestellt worden. 136 Aufenthaltsgenehmigungen werden in Italien nicht durch die Gemeinde, sondern durch die Questura (Polizeibehörde) erlassen.
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Laut Aussagen des zuständigen Kommunalbeamten (RNG) konnte der 200stündige Sprachkurs für nigerianische Frauen deshalb nicht realisiert werden, da sich die damit beauftragte Zuwandererorganisation in der Zwischenzeit aufgelöst hat. Auf die Frage der Interviewerin, wie die zu fördernden Projekte und Organisationen ausgewählt werden, schildert RNG die Prozedur wie folgt: Das Assessorat für Sozialpolitik der Gemeinde Rimini veranstaltet zwei oder drei Treffen mit den interessierten Organisationen der Gemeinde, auf denen es über die Fondgelder, d.h. die Intention ihrer Zuweisung und das Ziel ihres Einsatzes, informiert. Der Kommunalbeamte räumt jedoch ein, dass in der Vergangenheit fast alle Projektvorschläge ihrerseits akzeptiert worden sind, auch wenn ihm persönlich diese Verfahrensweise nicht richtig erscheint. Auf die Nachfrage, wie der Kontakt mit dem Zuwandererverein zustande gekommen sei, führt RNG aus, dass sich dieser mit dem Projekt-Vorschlag an das Assessorat gewandt hat. Er fährt fort, dass sich dessen ehemalige Mitglieder zwar noch in Rimini aufhalten, dass der Verein jedoch nicht mehr existiert. Insofern habe das bewilligte Projekt nicht stattfinden können und die Gelder seien an die Landesregierung zurück überwiesen worden. Auf Nachfrage der Interviewerin betont RNG ausdrücklich, dass die zugewiesenen Gelder allein für das Projekt sowie speziell der genannten Zuwandererorganisation zur Verfügung standen und nicht umverteilt werden dürfen (RNG: Z 275-306, Z 308-316, Z 318-332 und Z 341-348). Der zuständige Beamte der Landesregierung LR3 hatte jedoch weder Kenntnis von der ausgebliebenen Realisierung des Projektes, noch lagen ihm Informationen über die Rückerstattung von Fondgeldern vor (LR3: Z 389-405). Grundsätzlich lässt sich in diesem Kontext festhalten, dass in der Gemeindeverwaltung von Rimini offensichtlich keine Überprüfung der eingegangenen Projektvorschläge bzw. der kooperationsbereiten Organisationen stattfand. Stattdessen wurden fast alle vorgeschlagenen Maßnahmen von der Verwaltung akzeptiert. Darüber hinaus erscheint der Verbleib nicht eingesetzter Fondgeldern ungeklärt.137 Die zweite Integrationsmaßnahme, das Projekt „Associazioni Insieme“, schildert der Vorsitzende des involvierten Zuwanderervereins (RNI) als Zusammenschluss von Organisationen, die gemeinsam die Ausweitung der Dienste des Zuwandererzentrums („centro servizi immigrati“)138 und die institutionali137 Da zum Befragungszeitpunkt keine Informationen hinsichtlich eines mit anderen Finanzmitteln geförderten Sprachkurses für erwachsene Zuwanderer vorlagen, konnten für die Gemeinde Rimini keine immigrierten Sprachkursteilnehmer interviewt werden. 138 Präzise sind hierbei die Ausdehnung der Öffnungszeiten und die Anwesenheit von „interkulturellen Vermittlern“ für das Zuwandererzentrum vorgesehen, das im Auftrag der Gemeindeverwaltung von der riminesischen Caritas in ihren Räumen geleitet wird, sowie die Neueröffnung eines Schalters für Immigranten im Familienzentrum der Gemeinde Rimini (Centro per le Famiglie del Comune di Rimini).
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sierte Vermittlung lateinamerikanischer Folklore anstreben sowie außerschulischen Unterricht für Grundschulkinder mit Migrationshintergrund anbieten wollen (RNI: Z 551-595). Während er angibt, dass seine Organisation keine Erfahrung und keine kundigen Mitarbeiter bezüglich der nationalen Integrationsförderung besitzt und das erste Mal an einer Migrationsfond finanzierten Maßnahme teilnimmt, berichtet der zuständige Kommunalbeamte RNG, dass sich bei dem Projekt eine albanische und eine lateinamerikanische Zuwandererorganisation direkt an die Caritas von Rimini gewandt haben, „per poter esser sovvenzionati in un progetto“ („um in einem Projekt finanziert werden zu können“) (RNG: Z 453-456) (RNG: Z 453-459; RNI: Z 490-506). Der ebenfalls an der Maßnahme beteiligte Caritas-Vertreter (RNZ) gibt hingegen an, dass sie Maßnahmen für Grundschüler mit Migrationshintergrund angeboten haben, weil die Schulen nicht im ausreichenden Maße über Fördermittel verfügen und deshalb externe Einrichtungen um Hilfe bitten müssen (RNZ: Z 102-110). Während also der Kommunalbeamte von Rimini die beteiligten Zuwandererorganisationen als Motor für die Realisierung des Projektes ansieht, identifiziert die Caritas den grundsätzlichen Bedarf in den Schulen und ihre unzureichende Mittelausstattung als Grund dafür, dass sie die Caritas um Hilfe gebeten haben. Interessante Unterschiede im Antwortverhalten der befragten RNG, RNI und RNZ zeigen sich auch bezüglich des Beginns und des Verlaufs des Projektes „Associazioni Insieme“ sowie in der Identifizierung von Implementierungsbarrieren. Während die Gemeindeverwaltung und die befragte Zuwandererorganisation, RNG und RNI, den ursprünglichen Start des Projektes mit dem (Schul)Jahr 2002/2003 angeben, terminiert der Vertreter der Caritas (RNZ) seinen Beginn kurzerhand auf das Schuljahr 2003/2004 (RNG: Z 453-454; RNI: Z 551600; RNZ: Z 119-135). Auf die Frage nach dem Stand besagter Integrationsmaßnahmen berichtet RNZ, dass man sich noch auf die Bedingungen ihrer Umsetzung einigen muss. Der Caritas-Vertreter betont, dass sie sich noch mit den Schulrektoren und Lehrern abstimmen müssen (RNZ: Z 151-174). Obwohl besagtes Projekt bereits zum Schuljahr 2002/2003 umgesetzt werden sollte, erscheint seine Planung im Juli 2003 für das kommende Schuljahr als noch nicht abgeschlossen. Der zuständige Gemeindevertreter (RNG) unterstreicht, dass es ihrem Assessorat egal ist, wann die Sprachkurse für Grundschüler mit Migrationshintergrund veranstaltet werden, solange sie nur realisiert werden. Zum Stand der Umsetzung des Unterrichts in lateinamerikanischer Folklore könne er aufgrund der mangelnden Konsistenz der Interaktion mit dem Präsidenten der Organisation keine Angaben machen: „Opera non opera, questo presidente si fa sentire, non si fa sentire… Un’altra incognita.“ („Manchmal arbeitet sie und manchmal nicht, dieser Präsident meldet sich manchmal und manchmal nicht... Eine weitere Unbekannte.“) (RNG: Z 486-487) (RNG: Z 459-487). Hinsichtlich der ausstehenden Realisierung der Fördermaßnahmen identifiziert der zuständi116
ge Kommunalbeamte (RNG) damit die mangelnde Zuverlässigkeit der Immigrantenvereinigungen als Implementationsbarriere, während der Vertreter der beteiligten Zuwandererorganisation (RNI) diese auf den Umstand zurückführt, dass nicht alle Beteiligten gleichermaßen einsatzbereit sind (RNI: Z 600-603). Als allgemeine Barriere für die Umsetzung von FNPM-Maßnahmen identifiziert der zuständige Kommunalbeamte (RNG) den Umstand, dass sich die involvierten Integrationsakteure einer Kontrolle unterziehen müssen, und berichtet, dass nicht nur Zuwanderervereine, sondern auch die involvierten Schulen Schwierigkeiten damit haben. RNG führt dies auf die „alte Mentalität“ zurück, als die „Zuschüsse wie Regen fielen“ und man allein kurze Rechenschaftsberichte vorlegen musste: I: Come vengono, cioè com’è organizzato il il il (schiocca le dite) sistema, processo di valutazione dei progetti? Visto che, cioè è proprio lei che si occupa di queste cose, no?! Nel suo ambito di lavoro. RNG: ..Finora non è stato affrontato. Secondo me. ..Non è stato organizzato. Ripeto, fin quando si è cercato di mettere..eehmm i progetti in rete,..no?! Come nel “tra due mondi”..
I: Wie werden, d.h. wie ist das das das (schnipst mit den Fingern) System, der Prozess der Evaluierung dieser Projekte organisiert? Angesicht des Umstandes, dass sie gerade derjenige sind, der sich damit beschäftigt, nicht?! In ihrem Arbeitsfeld. RN: ..Bis jetzt wurde dem nicht begegnet. Meiner Meinung nach. ..Das wurde nicht organisiert. Ich wiederhole, bis jetzt hat man versucht, ..äähmm die Projekte untereinander zu vernetzen, ..nicht?! Wie bei „Zwischen zwei Welten“..
I: Sì. I: Ja. RNG: Ci sono stati grossi problemi! Proprio perché.. lavorare in rete significa comunque essere sottoposti ad un controllo. …E la cosa che mi ha colpito è che..comunque problemi non ci sono stati, ..opinione mia, eh?! I: Sì, sì, sì. RNG: Non ci sono stati solo dal punto di vista delle associazioni di extracomunitari, (ride lievemente) ma anche da parte delle scuole! ..Cioè le scuole questo controllo proprio… han fatto una gran fatica ad accettarlo, ad apprezzarlo, sì. ..Sì. ..Cioè, c’è un pochettino la mentalità..vecchia, no?! Dei contributi..dati così, a pioggia.. io alla fine del progetto ti do una rendicontazione e pace.
RNG: Da gab es große Probleme! Gerade weil.. im Netz zusammenzuarbeiten, heißt auf jeden Fall einer Kontrolle unterzogen zu werden. …Und die Sache, die mich getroffen hat, ist, dass..es auf jeden Fall keine Probleme, ..meiner Meinung nach, eh?! I: Ja, ja, ja. RNG: Dass es Probleme nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Zuwandererorganisationen gegeben hat (lacht leicht), sondern auch von Seiten der Schulen! ..Das heißt, die Schulen haben diese Kontrolle wirklich… nur mit großer Mühe angenommen, ja. ..Ja. ..Das heißt, es gibt da ein bisschen die..alte Mentalität, nicht?! Der Beiträge.., die man so gibt, wie Regen.. Ich gebe dir am Ende des Projektes einen Rechenschaftsbericht und Frieden.
(Quelle: RNG: Z 489-508)
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Der Gemeindebeamte führt aus, dass im Allgemeinen viele mit dem Provinzplan von 2002/2003 geförderte Maßnahmen aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten unter den Akteuren noch gar nicht angelaufen sind, und stellt das Projekt „Associazioni Insieme“ (s.o.) als positives Gegenbeispiel dar (RNG: Z 493-508 und Z 695-715). Eine derart positive Darstellung des Projektes im Hinblick auf die Erweiterung der Dienste des Zuwandererzentrums der Caritas findet sich ebenso bei dem Vertreter des beteiligten Zuwanderervereins (RNI) und dem Caritas-Leiter (RNZ): Während RNI berichtet, dass zuerst nur ein Italiener und ein Anwalt dort gearbeitet haben, welche nun von „interkulturellen Vermittlern“ aus aller Welt unterstützt werden, hebt RNZ insbesondere die Vielzahl von Integrationshilfen durch das Zentrum hervor (RNI: Z 556-588 und 851-864; RNZ: Z 53-72, Z 594-609 und Z 689-692). Grundsätzlich bleibt jedoch festzuhalten, dass im Rahmen des Projektes „Associazioni Insieme“ bis Sommer/Herbst 2003 allein die Ausdehnung der Dienste des Zuwandererzentrums umgesetzt wurde. Der Unterricht in lateinamerikanischer Folklore und die unter dem Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung besonders interessanten Sprachkurse für Grundschüler mit Migrationshintergrund wurden innerhalb der vorgesehenen Laufzeit 2002/2003 nicht realisiert. Der Sprachkurs für erwachsene Zuwanderer kam aufgrund der Auflösung des zuständigen Zuwanderervereins ebenfalls nicht zustande. Allgemein zeigt sich eine ähnlich defizitäre Umsetzung wie schon für die Gemeinde Luzzara. Insofern stellt sich auch für die Gemeinde Rimini die Frage nach weiteren Integrationsangeboten. 4.3.2.2b Die allgemeine Integrationspolitik in der Gemeinde Vier der fünf befragten Integrationsakteure der Gemeinde Rimini beziehen sich in ihren Äußerungen zur Integrationspolitik auf das FNPM-Projekt „Tra due mondi“. Der Inhalt der Maßnahme wird seitens der interviewten Lehrerin (RNL) als Eingliederung von ausländischen Schülern in die Mittelstufe sowie durch den Caritas-Vertreter (RNZ) als Bildung eines Netzwerks zu diesem Zweck dargestellt, während der zuständige Kommunalbeamte (RNG) detailliert a) den Einsatz von „interkulturellen Vermittlern“ in Schulen, b) Italienischkurse für Eltern von Zuwandererschülern, c) Italienischkurse für Schüler mit Migrationshintergrund, d) Sprachkurse in der Herkunftssprache für Zuwandererschüler, e) Informationsschalter an Schulen und f) juristische Beratung darunter auflistet (RNG: Z 67-111; RNL: Z 597; RNZ: Z 290-297).139 Laut Angaben von RNG 139 Gemäß den Angaben des Provinzplans werden in der Gemeinde Rimini a) ein Informationsschalter (€5.000), b) Orientierungshilfen für Kinder aus Drittstaatsländern bis zum Ende der dritten Mit-
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lief das Projekt in den Jahren 2002/2003, und auch für 2003/2004 sei seine Fortsetzung geplant (RNG: Z 113-134). Als Schwachpunkt des Projektes identifiziert der Caritas-Vertreter (RNZ) das Auffinden von geeigneten „interkulturellen Vermittlern“ und entwickelt in diesem Zusammenhang eine allgemeine Kritik am Fehlen eines diesbezüglichen Berufsbildes. RNZ kritisiert, dass die Zuwanderer mittels der Mediation Geld verdienen wollen, und dass in der Vergangenheit entsprechende Personen nicht nach ihrer Kompetenz, sondern nach deren finanziellen Bedürfnissen ausgewählt worden sind. Des Weiteren bemängelt RNZ, dass die Zuwandererorganisationen in Rimini ihre Beteiligung an FNPM-Maßnahmen als Möglichkeit sehen, auf ihre Rechte aufmerksam zu machen, und er diagnostiziert einen massiven Interessenkonflikt bei Immigranten, die an der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen beteiligt und gleichzeitig Mitglieder des Provinzrates für Zuwanderer sind (RNZ: Z 317-350 und Z 449-495): RNZ: (…) ..Poi magari, son persone che, non so, hanno bisogno un po’ di ..tirar su.. anche dei soldi e allora mandiamo lui anziché d- quel altro, perché lui magari è un po’ in difficoltà, magari.. Quindi, non si ..esalta il discorso della qualità, della qualità, della competenza eccetera, ma magari..si tende più a dare una mano. Cioè anche questa, ecco, questo coinvolgimento nei progetti..vedo che gli immigrati lo sentono come possibilità di lavoro! Come possibilità di poter (aspira) ..dare una mano, però darsi una mano nello stesso momento, hai capito? Questa cosa è un po’..eeh..
RNZ: (…) ..Dann sind es vielleicht Personen, die, ich weiß nicht, ein bisschen einen Bedarf haben, ..auch Geld damit ..zu machen und deshalb schicken wir ihn anstatt d- jenen anderen, denn er ist vielleicht in Schwierigkeiten, vielleicht.. Insofern, ..hebt man nicht den Diskurs der Qualität, der Qualität, der Kompetenz etc. hervor, aber vielleicht.. neigt man mehr dazu, jemanden die Hand zu reichen. Das heißt, auch diese, also, diese Involvierung in Projekte..ich sehe, dass die Zuwanderer das als Verdienstmöglichkeit ansehen! Als Möglichkeit, (atmet) zu helfen, während sie sich selbst auch helfen, verstanden? Diese Sache ist ein bisschen..ääh..
I: Ho capito. ..Sono questi i problemi che sono emersi..?
I: Ich habe verstanden. ..Sind das die Probleme, die aufgetaucht sind?
RNZ: Sì. Poii, è chiaro che.. qui a Rimini è successo anche che alcune di queste persone che erano in qualche modo.. eeh coinvolte in questi progetti fossero ancheee.. mmmembri del consiglio provinciale dei rappresentanti degli immigrati, per cui c’è un conflitto di interessi incredibile, perché
RNZ: Ja. Dannn, es ist klar, dass..es hier in Rimini geschehen ist, dass einige dieser Personen, die in einer Weise.. in diese Projekte involviert waren, (gleichzeitig) auchhhh.. Mmmitglieder des Provinzrates der Zuwanderervertreter gewesen sind, so dass es einen unglaublichen Interessenkonflikt gibt, denn das ist ein rein politisches
telstufe (€10.000), c) ad hoc Sprachunterricht für Schüler, die kein Italienisch sprechen (€30.000), d) Freizeit- und Entspannungsaktivitäten (€5.000) und e) Italienischunterricht für erwachsene Zuwanderer (€5.000) damit finanziert. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass der interviewte Schulleiter (RNR) und der Vertreter der Immigrantenorganisation (RNI) das Projekt nur dem Namen nach bzw. gar nicht kennen.
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quello è un luogo prettamente politico. È (quasi urlando) lì.. il portare avanti, la rivendicazione dei diritti, eeeh si fa luce su alcune problematiche, si fa delle proposte.. Quello è un tavolo politico. Quest’altro è un- è un tavolo operativo. Eh?! L- le persone erano le stesse! Tu puoi capire..
Forum. (fast schreiend) Dort.. findet das Vorantragen der Rechte, die Einforderung von Rechten statt, äääh man erhellt einige Problematiken, man macht Vorschläge.. Das ist eine politische Runde. Die andere ist ein- ist eine operative Runde. Nicht?! D- Die Personen waren dieselben! Du wirst verstehen..
(Quelle: RNZ: Z 479-495) Auch der befragte zuständige Gemeindebeamte (RNG) kritisiert allgemein das Fehlen des Berufsbildes eines „interkulturellen Vermittlers“. Die Umsetzung des Projektes schätzt RNG grundsätzlich als gut ein, stellt aber die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure aufgrund ihrer Eigenarten als problematisch dar: Obwohl sich keiner der beteiligten Akteure an den Kollaborationsvertrag gehalten habe, habe das Projekt an sich „funktioniert“ (RNG: Z 59-61, Z 134-136 und Z 531-542). Als weitere Integrationsmaßnahme in der Gemeinde Rimini berichtet der Caritas-Vertreter (RNZ) als Einziger von dem Projekt „I colori della musica“, einem Radioprogramm zu Zuwanderungsthemen, welches im Rahmen des Migrationsfonds (Initiative 2 zur interkulturellen Kommunikation)140 finanziert wird (RNZ: Z 226-286). Auf der Seite der Adressaten lassen sich nur wenig detaillierte Äußerungen zu den Integrationsaktivitäten in Rimini finden. Die Zuwandererfamilie RNIS1 sagt in diesem Zusammenhang aus, dass eine Teilnahme an integrationspolitischen Maßnahmen allgemein für sie schwierig ist: Die Mutter, die kaum Italienisch spreche, könne wegen der Betreuung ihrer drei Kinder nicht an einem Sprachkurs teilnehmen. Ebenso wenig könnten die Kinder den erhaltenen Einladungen zu Sportkursen nachkommen, da der Vater arbeite und der Mutter die Möglichkeit fehle, sie zu begleiten. Die älteste Tochter, die sich sehr um den Kontakt zu italienischen Gleichaltrigen bemüht zeigt, nimmt jedoch an dem außerschulischen Katechismusunterricht teil, den viele ihrer Klassenkameraden besuchen; Die Familie ist eigentlich muslimischen Glaubens (RNIS1: Z 206-221 und Z 1092-1152). Der gehobene Stellenwert des Katechismusunterrichts in der Gemeinde Rimini wird auch von der autochthonen Familie RNAu bestätigt. Der Sohn der Familie berichtet dazu, dass er nach dem Umzug in das Viertel Viserba, in dem die im Zentrum der Untersuchung stehende Grundschule liegt, vor allem über den außerschulischen Katechismusunterricht neue Freunde gefunden hat. Sein Vater verleiht in diesem Kontext seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Aktivitäten zur Eingliederung von Zuwanderern in Rimini weniger von der
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Näheres siehe Kapitel 3.3.3.
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Gemeinde(-verwaltung) als vielmehr von Seiten der Kirche organisiert werden (RNAu: Z 336-347 und Z 714-744). In der Zuwandererfamilie RNIS2 nehmen die beiden ältesten Kinder nicht am Katechismus-Unterricht teil, sondern spielen in ihrer Freizeit Basketball. Ihr Vater verneint zunächst die Frage nach Integrationsaktivitäten, sagt dann jedoch aus, manchmal an „religiösen Festen“ teilzunehmen (RNIS2: Z 857-882 und Z 890-904).141
4.3.2.2c Indizierte Stärken und Schwächen der Integrationspolitik Hinsichtlich der Einschätzung der Stärken der verfolgten integrationspolitischen Maßnahmen in der Gemeinde Rimini divergieren die Aussagen der Befragten beträchtlich. Die Vertreter der Zivilgesellschaft (RNI und RNZ) heben in diesem Kontext insbesondere die Stärken ihrer eigenen Beteiligung hervor: Während der Caritas-Vertreter (RNZ) auf die breit gefächerte Versorgung ihres bestehenden Angebots verweist, betont der Repräsentant des Zuwanderervereins (RNI) ihr großes Engagement bei der Realisierung von Maßnahmen, deren Antrieb aus der „Wut“ über die alltägliche Behandlung durch die Italiener stammt (RNI: Z 725-743; RNZ: Z 606-609). Darüber hinaus hebt RNI die Kombination aus großer fachlicher Kompetenz, Kostenfreiheit und der persönlichen Kenntnis der Situation bei Zuwandererorganisationen hervor, aus der ein besseres Verständnis für die Belange von Immigranten resultiert (vgl. RNI: Z 1078-1091). Die Äußerung des kompetenten Kommunalbeamten (RNG) hingegen ist allgemein auf die Situation in der Gemeinde konzentriert: RNG betont in diesem Sinne das signifikante Interesse aller involvierten Akteure an einer guten Zusammenarbeit (RNG: Z 615-622). Im Bereich des Schulwesens wertet die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (RNL) das Ausbleiben von größeren sozialen Spannungen in ihrem Schulzirkel als Zeichen der Integration (RNL: Z 731-736), während der Schulleiter (RNR) die Rolle der Schule bei der Integrationspolitik positiv hervorhebt: Als deren Aufgabe versteht er, Zuwanderern Respekt vor den Regeln der Gesellschaft zu lehren, und er beurteilt gerade diese Möglichkeit deren frühen Anpassung als positiv. Die Eingliederung im Grundschulalter erscheint RNR insofern als vorzeitige Korrektur eines möglichen sozialen Konflikts (RNR: Z 375-390 und Z 442-453):
141 Diese „religiösen Feste“ scheinen jedoch insbesondere mit seiner marokkanischen Herkunft in Verbindung zu stehen. Näheres siehe Kapitel 5.4.2.
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RNR: (…) Mi piace l’integrazione.., (veloce) perché vedendo quello che succede nel mondo, ..specialmente gli extracomunitari che vengono dal sud, in genere.. di religione.. islamica.. Se non integriamo i bambini, gli adulti non si integrano più! Gli adulti sono rigidi, ..estremamente rigidi. (…)
RNR: (…) Mir gefällt die Integration… (schnell) denn wenn man sieht, was in der Welt geschieht, ..besonders die Nicht-Europäer, die aus dem Süden kommen, allgemein.. islamischer.. Religion.. Wenn wir nicht die Kinder integrieren, die Erwachsenen integrieren sich nicht mehr! Die Erwachsenen sind rigide, ..extrem rigide. (…)
(Quelle: RNR: Z 375-378) Und weiter: RNR: (…) Io posso.. studiarli, posso cercercare di capirli, però dopo tu..(batte una dita sulla scrivania sottolineando le sue parole) vivi nella mia società, rispetta le mie regole. Quindi.., nella scuola noi cerchiamo di perseguire queste cose qui. (…)
RNR: (…) Ich kann.. sie studieren, kann verversuchen, sie zu verstehen, aber danach du…(klopft mit einem Finger auf den Tisch, um seine Worte zu unterstreichen) lebst in meiner Gesellschaft, respektier’ meine Regeln. Von daher… in der Schule versuchen wir, diese Sachen hier zu verfolgen. (…)
(Quelle: RNR: Z 442-444) Die interviewten Adressaten integrationspolitischer Maßnahmen äußerten sich bezüglich der Stärken verfolgter Maßnahmen nicht. Ähnlich vielseitig stellen sich die Aussagen der Befragten zu den Schwächen der Integrationspolitik dar, die zudem in einem größeren Rahmen getätigt wurden. Der Vertreter der Zuwandererorganisation (RNI) nennt in diesem Zusammenhang die mangelnde Erfahrung seiner Organisation in der Durchführung von Integrationsmaßnahmen sowie mangelnden Raum. Das erste von ihnen veranstaltete Konzert sei zudem wegen schlechter Werbung nicht gut gelaufen (RNI: Z 747-777, Z 948-955 und Z 1029-1070). Sowohl der interviewte Repräsentant der Caritas (RNZ) als auch der zuständige Gemeindebeamte (RNG) verweisen hingegen auf das Fehlen eines Berufsbildes des „interkulturellen Vermittlers“ als Missstand der Integrationspolitik (RNG: Z 163-214; RNZ: Z 325-350). Beide äußern sich zudem negativ zu der Beteiligung von Zuwandererorganisationen an FNPM-Maßnahmen: Während RNZ kritisiert, dass Immigrantenorganisationen ihre Vereine als Instrument zur Einforderung von Rechten ansehen und vor allem ihr Eigeninteresse verfolgen, identifiziert RNG die Uneinigkeit, die geringe Stabilität und hohe Fluktuationsrate von Zuwanderervereinen als Schwachpunkt der Integrationspolitik. In seiner Kritik an der geringen Nachprüfbarkeit der Qualifikationen von „interkulturellen Vermittlern“ artikuliert sich sein generelles Misstrauen dieser Akteursgruppe gegenüber (RNG: Z 223-263; RNZ: Z 408-457):
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RNG: ..Semplicemente da un’analisi.., così, pratica dei fatti.., eh?! Le varie associa- ..il forum degli immigrati, poi, ha avuto un sacco di vicissitudini all’interno: si son divisi, han discusso, han litigato, son cres- son nate associazioni che poi sono morte..nel giro di pochissimo.. (fa schioccare la lingua facendo “ts”) ..Allora eh, ogni associazione.. presentava i ..propri mediatori culturali, eh?! Che non facevano un lavoro di mediazione culturale. Semplicemente facevano un lavoro..ppper l’associazione! Se non addirittura ..per la persona stessa, insomma!
RNG: ..Einfach durch eine Analyse.., so, eine praktische Analyse der Fakten.., nicht?! Die verschiedenen Vere- ..das Forum der Zuwanderer, dann, hat eine Menge interne Wechselfälle erlebt: sie haben sich getrennt, haben diskutiert, haben gestritten, sind gewa- es sind Vereine entstanden, die ..innerhalb kürzester Zeit.. vergangen sind.. (er lässt die Zunge schnalzen, um damit Ablehnung auszudrücken) ..Also, äh, jede Vereinigung.. hat ihre ..eigenen kulturellen Vermittler vorgestellt, nicht?! Die nicht die Arbeit der kulturellen Vermittlung gemacht haben. Sie haben einfach eine Arbeit...fffür den Verein gemacht! Wenn nicht sogar ..für sich selbst!
(Quelle: RNG: Z 223-228) Darüber hinaus diagnostiziert der verantwortliche Kommunalbeamte (RNG) bei den Zuwanderern ein kulturelles Defizit und mangelndes Demokratiebewusstsein, deren ‚charismatisch herrschende’ Präsidenten sich um ihres persönlichen Vorteils willen politisch engagieren: RNG: (…) ..Mmh, quello che è andato male è che purtroppo.. mmh, quello che secondo me manca..spesso..eh nel nei migranti è una certa idea di democrazia, insomma.
RNG: (…) ..Mmh, das, was schlecht gelaufen ist, ist, dass leider.. mmh, das, was meines Erachtens ..oft..äh im in den Migrierenden fehlt, ist ein gewisser Sinn für Demokratie, auf jeden Fall.
I: Che significa questo? I: Was bedeutet das? RNG: Che vengono da paesi con notevoli problemi, ..hanno un retaggio culturale..alle spalle.. che spesso li porta eh.. ad essere, non so, il presidente dell’associazione..queste cose qui, un pochettino dittatoriale all’interno delle proprie associazioni. I: Ah, che non è stato..eletto in modo democratico all’intRNG: Sssì, probabilmente è stato eletto anche in maniera democratica all’interno dell’associazione.. Dopo resta a vedere suuulla spinta di quale, quali istanze, no?!.. I: …Che è più una gestione carismatica che..? RNG: Sì, sì, sì. Fondamentalmente, sì! È una gestione carismatica. Esattamente. È una gesti-
RNG: Dass sie aus Ländern mit beachtlichen Problemen kommen, ..dass sie ein kulturelles Erbe..auf den Schultern tragen.., das sie oft dazu bringt äh.., ich weiß nicht, der Präsident der Organisation..diese Dinge hier zu sein, indem sie (sich) ein bisschen diktatorisch innerhalb der eigenen Vereine (Anm.d.Verf.: verhalten). I: Ah, dass er nicht..auf demokratische Weise gewählt wurde inneRNG: Jjja, wahrscheinlich wurde er auch innerhalb der Organisation auf demokratische Weise gewählt.. Danach bleibt, zu sehen, miiit der Unterstützung welche, welchen Gesuches, nicht?!..
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one carismatica dell’associazione.
I: …Dass es eher eine charismatische Leitung ist als..?
I: Mh.. RNG: Infatti spesso quando finisce il presidente, finisce l’associazione.
I: Ja, ja, ja. Grundsätzlich, ja! Es ist eine charismatische Leitung. Genau. Es ist eine charismatische Leitung des Vereins. I: Mh.. RNG: Tatsächlich verschwindet die Organisation oft, wenn der Präsident aufhört.
(Quelle: RNG: Z 623-645) Zusätzlich bemängelt RNG Schwierigkeiten im Zusammenspiel der Akteure während des Projektes „Tra due mondi“, die defizitäre Vorbereitung und Informierung der zivilgesellschaftlichen Organisationen durch die Gemeindeverwaltung Riminis sowie das falsche Auswahlkriterium Zeit(druck), dem die Qualitätssicherung der Projekte gewichen ist. Auf Seiten der zivilgesellschaftlichen Akteure identifiziert er falsche Einstellungen und Verhaltensweisen („Postkutschen-Metapher“)142. Auch das Fehlen einer etablierten Evaluationsprozedur und Probleme bei der Akzeptanz der Kontrollfunktion durch die Gemeinde bei Zuwandererorganisationen und Schulen werden kritisiert sowie die Gesamtorganisation des Migrationsfonds bemängelt, die aufgrund ihrer langwierigen Bewilligungsprozedur und der Koordinationsrolle der Provinzverwaltung zu zeitlichen Umsetzungsdefiziten geführt habe (RNG: Z 336-371, Z 489-521, Z 623-680, Z 717-769): I: Come mai ci sono, si sono verificati questi ritardi nella…partenza?
I: Also wieso sind, haben sich diese Verzögerungen zu…Beginn engestellt?
RNG: Perché dal momento in cui.. Questi qui e per come è organizzata la cosa. ..Cioè… In eh, ..diciamo così, maggio, giugno si sa..mmh del nuovo bando, no?!
RNG: Weil von dem Moment, in dem.. Die gibt es durch die Organisation der Sache. ..das heißt… In äh, ..sagen wir so, im Mai/Juni weiß man..mmh von der neuen Bekanntmachung (hier: Ausschreibung), nicht?!
I: Sì. I: Ja. RNG: ..Ehm in luglio, in agosto si sa esattamente l’ammontare dai fondi. Se non si sa l’ammontare dei fondi, non si sa neanche..quali progetti…ammettere. I: Mh.
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Näheres siehe Kapitel 4.3.3c.
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RNG: Ähm im Juli/August kennt man genau die Höhe der Gelder. Wenn man die Höhe der Gelder nicht weiß, weiß man nicht einmal..welche Projekte…man annehmen kann.
I: Mh. RNG: Ora che noi sappiamo in maniera ufficiale (si schiarisce la voce) che il tutto può partire.. Noi possiamo sapere solo dalla Provincia. Che non si sa, perché s’è…tenuta questo ruolo di coordinamento.. I: Mh.. RNG: Mh.. che poi è un coordinamento.. così che rallenta il tutto. I: Mh. RNG: Rallenta il tutto. Comunque noi lo sappiamo ufficialmente da loro. A quel punto noi ci.. (…) (noi lo noi lo) com- comunichiamo ufficialmente.. I: Mh.. RNG: Poi dopo mmh per poter partire.. comunque.. occorre.. che eh noi facciamo tutti i nostri atti, no?! Cioè.. recepiamo i progetti, li approviamo come delibera. I: Mh, mh. RNG: Mandiamo in Regione.. Che ci mette un bel po’ di temp- Mandiamo in Provincia.. che delibera, manda in Regione. Ci mette un bel po’ di tempo, no?! Ad approvare il progetto. I: Sì. RNG: ..Nel momento in cui.. dalla Regione ci viene detto: ok, i fondi ci sono. Stati approvati questi progetti, (ride lievemente) ..noi poi dopo dobbiamo fare degli altri atti, ..no?! Dobbiamo accert- dobbiamo accertare l’entrate dei fondi e impegnarli per i progetti. ..Solo a quel punto, ..noi possiamo mmh comunicare alle associazioni: partiamo!
RNG: Jetzt, wo wir offiziell wissen, (er räuspert sich) dass alles losgehen kann.. Wir können das nur von der Provinzverwaltung erfahren. Von der man nicht weiß, warum ..man diese Rolle der Koordinierung beibehalten hat. I: Mh.. RNG: Mh.. Das eine Koordinierung darstellt, ..so, die alles verlangsamt. I: Mh. RNG: Sie verlangsamt alles. Jedenfalls, können wir das offiziell nur von ihnen erfahren. An diesem Punkt wir (…) (wir es wir es) komkommunizieren wird es offiziell. I: Mh.. RNG: Danach mmh muss man, um starten zu können.., auf jeden Fall.. das äh wir setzen alle unsere Dokumente auf, nicht?! Das heißt.. wir nehmen die Projekte auf, wir billigen sie mit einem Beschluss. I: Mh, mh. RNG: Wir schicken sie zur Landesregierung.. was uns einige Zeit koste- Wir schicken sie zur Provinz.., die beschließt und sie an die Landesregierung schickt. Das kostet ganz schön Zeit, nicht?! Ein Projekt zu billigen. I: Ja. RNG: In dem Moment, in dem.. uns vom Land gesagt wir: ok, die Gelder sind da. Diese Projekte wurden gebilligt, (lacht leicht) ..dann müssen wir nachher andere Verträge aufsetzen, ..nicht?! Wir müssen bestä- wir müssen den Eingang der Gelder feststellen und sie an die Projekte binden. ..Erst an dem Punkt, ..können wir mmh der Organisationen kommunizieren: wir fangen an!
(Quelle: RNG: Z 717-759)
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Grundsätzlich betont er die „politisch mutige Entscheidung“ von Kommunalpolitikern, die zur Verfügung stehenden Gelder allen wohnhaften Zuwanderern zugänglich zu machen, räumt aber gleichzeitig ein, dass auch deshalb die bestehenden Finanzmittel den realen Ausgaben nicht gerecht werden (RNG: Z 412-448): RNG: (…) Anche perché poi..eh l’assessorato.., questo assessorato, quindi l’assessore e dirigente, a mio avviso, hanno fatto una scelta…poi politica molto coraggiosa… Ehm, per quello che riguarda..gli aiuti, no?! I contributi o eeh.. dati extracomunitari, la legge..dice che andrebbero dati agli extracomunitari residenti.
RNG: (…) Auch weil dann..äh das Assessorat.., dieses Assessorat, also der Assessor und der (General)Direktor haben, meines Erachtens, eine …politisch sehr mutige Entscheidung getroffen… Ähm. Was ..die Hilfen angeht, nicht?! Die Beiträge oder ääh.., die an NichtEuropäer gehen, das Gesetz..schreibt vor, dass sie den wohnhaften Nicht-Europäern zugänglich gemacht werden sollten.
I: Mmh. I: Mmh. RNG: Invece loro hanno fatto una scelta..di darli anche agli extracomunitari che abbiano anche solo il domicilio.
RNG: Stattdessen haben sie entschieden.., sie allen Nicht-Europäern, die hier leben, zugänglich zu machen.
I: Mh. I: Mh. RNG: Il che…non è illegale, ..no?! Perché non c’è nessuna proibizione.
RNG: Was…nicht illegal ist, ..nicht?! Weil es kein Verbot dafür gibt.
I: Sì.. I: Ja. RNG: Però non è neanche una scelta supportata legalmente. Quindi…si sono esposti per fare questo!
RNG: Aber es ist auch keine Entscheidung, die legal unterstützt wird. Insofern…sie haben sich exponiert, um das zu machen!
I: Mmh. I: Mmh. RNG: Eeeh…comunque l- la situazione proprio per questo non è semplice, insomma.
RNG: Äääh…jedenfalls ist d- die Situation auch gerade deshalb nicht einfach, alles zusammen genommen.
(Quelle: RNG: Z 479-495) Als Defizit der Integrationspolitik im Schulwesen nennt die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (RNL) neben der geringen Mittelausstattung den begrenzten Raum und die geringe Anzahl an Fachpersonal, um die Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund strategisch zu fördern. RNL kritisiert zudem die defizitäre Organisation seitens des Sekretariats des Schulzirkels, die sich u.a. in ausbleibender Kommunikation manifestiert (RNL: Z 606-631, Z 707-731 und Z 752-800):
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RNL: [...] È successo quest’anno che magari..il RNL: [...] Dieses Jahr ist es passiert, dass das bambino viene inserito e le maestre non sanno Kind in die Klasse eingegliedert wurde, und die neanche come si chiama. Lehrerinnen noch nicht einmal wussten, wie es heißt.
(Quelle: RNL: Z 760-761) Insbesondere im Falle Riminis manifestieren sich Formen des Misstrauens und der sozialen Distanz gegenüber beteiligten Zuwandererorganisationen. In der Gemeinde Luzzara fallen diese weniger ins Gewicht, da keine Zuwanderervereine in die Umsetzung von FNPM-Maßnahmen inkorporiert wurden, wie im Weiteren zu sehen. Grundsätzlich erscheint die Interaktion unter den Akteuren ein entscheidendes Merkmal für die Umsetzung von integrationspolitischen Maßnahmen zu sein.
4.3.3 Das Zusammenspiel der Akteure (bei FNPM-Maßnahmen) 4.3.3a Das Zusammenspiel der Akteure in der Darstellung der Landespolitiker In besonderer Weise beziehen sich die befragten Landesvertreter in ihren Äußerungen auf die damals aktuelle Staatsregierung Italiens unter Berlusconi. Inhaltlich reicht diese Bezugnahme von der Kritik am Umgang mit Gesetzen über reine Negativattribuierungen gegenüber der Regierung Berlusconi bis hin zur Schilderung von Gegenmaßnahmen und Gegenpositionen der emilia-romagnolischen Giunta regionale. In der vieldimensionalen Ablehnung der Regierung Berlusconi heben die befragten Landespolitiker insbesondere die Kürzung von Finanzmitteln (LR1: Z 424-429; LR2: Z 145-168, Z 180-193 und Z 217-230; LR3: Z 29-41; LR4: Z 644-655 und Z 810-815; LR6: Z 836-900, Z 913-934 und Z 938-973), die Schwächen des „Bossi-Fini-Gesetzes“ (LR1: Z 84-117; LR4: Z 820-822; LR5: Z 182-256; LR6: Z 498-550, Z 558-598 und Z 1882-1894) sowie einen Mangel an Regierungskraft und -willen (LR1: Z 399-409; LR2: Z 571-575 und Z 10851113; LR3: 13-16; LR4: Z 530-539; LR5: Z 795-821) hervor: LR2: (…) Allora, in questo contesto eeh c’è si aggiunge poi, secondo me, la confusione tipica che è quella nazionale.
LR2: (…) Also, in diesem Zusammenhang ääh kommt dann noch, meiner Meinung nach, das typische nationale Durcheinander hinzu.
I: Mmh.
I: Mmh.
LR2: Perché questo paese ha fatto una scelta, due anni fa, con unaaa costituzione nuova che è molto, eeeh come dire, decisa verso un
LR2: Denn dieses Land hat eine Wahl getroffen, vor zwei Jahren, mit einerrr neuen Verfassung, die sehr, äääh wie sagt man, entschieden in
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decentramento, sul federalismo..e quindi verso l’attribuzione di un maggior potere eeeh nei confronti delle regioni piuttosto che nelle comunità locali, diciamo regioni, comuni, province eccetera eccetera.
Richtung einer Dezentralisierung geht, zum Föderalismus..und daher in Richtung der Zuteilung größerer Macht äääh an die Regionen gegenüber den lokalen Gemeinschaften, sagen wir, Regionen, Gemeinden, Provinzen etc. etc.
I: Mmh.
I: Mmh.
LR2: Questa scelta, attualmente, sta per essere messa in discussione dall’attuale governo..ma eeh da due punti di vista contraddittori! ..Da un lato c’è la devoluzione di Bossi che dice: “Quel potere lì (della posizione), è troppo poco, bisogna accentuare ulteriormente il potere di ogni regione almeno per quanto riguarda ..due o tre settori importanti.” Dall’altro lato invece questo governo centrale a parole dice che vuole fare la devoluzione, nei fatti accentra tutto quello che può accentrare. …E quindi la confusione è massima! Eh, ..l’unico eeh punto di di di ..l’unica bussola, insomma, che mi pare stabile..è quella che si può leggere all’interno di alcune scelte di politiche regionali.
LR2: Diese Wahl ist gerade dabei, in Frage gestellt zu werden von der gegenwärtigen Regierung..aber ääh von zwei gegensätzlichen Ansätzen heraus! ..Einerseits gibt es die Dezentralisierung von Bossi, der sagt: „Die Macht der Position dort ist zu gering; Man muss die Macht jeder Region verstärken, wenigstens was ..zwei oder drei wichtige Sektoren betrifft.“ Andererseits, also diese Zentralregierung sagt, dass sie die Dezentralisierung wollen, aber faktisch konzentrieren sie all das, was sie konzentrieren können. …Und deshalb ist die Verwirrung enorm! Äh, ..der einzige ääh Punkt der der der ..einzige Kompass, der mir dauerhaft erscheint..ist der, den man aus einigen Entscheidungen regionaler Politiken herauslesen kann.
(Quelle: LR2: Z 1087-1106) Neben dieser „totalen Verwirrung“ durch die neue Föderalismusreform Italiens weist auch die Generaldirektorin des Bildungswesens auf Widersprüchlichkeiten der aktuellen Regierungspolitik hin, welche die Legalisierung von Immigranten billige, aber keine Gelder zur Verfügung stelle: LR6: Allora le risorse sono…regionali..
LR6: Also, die Gelder sind…regional..
I: Mmh.
I: Mmh.
LR6: Mh?! Eeehhhmmm poche (ride un po’ sarcasticamente) nazionali, ..pppoche nazionali, però ce qualche..
LR6: Mh?! Ääähhhmmm wenige (lacht ein bisschen sarkastisch) national, ..wwwenige national, aber es gibt ein..
I: Ma forse (per il) cambiamento del..
I: Vielleicht (wegen des) Wechsels des..
LR6: Eeehmm d- del camb-.. direi proprio del cambiamento di ottica politica del governo!
LR6: Ääähmm d- des Wech-.. ich würde sagen wegen des Wechsels der Perspektive der Regierungspolitik!
I: Mmh.. I: Mmh.. LR6: Che da un lato sostiene questa ”regionalizzazione”…sss- spaventosa ..attraverso anche
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LR6: Die einerseits diese sss- schreckliche
il progetto di legge sulla “devolution”.. I: Mmh. LR6: Eccetera eccetera.. Dall’altro..eeh taglia..taglia i finanziamenti! I: Ah sì?! LR6: Taglia i finanziamenti! L’ultima finanziaria..ha tagliato finanziamenti agli enti locali.. alle regioni, agli enti locali (…)
„Regularisierung“ unterstützt ..auch durch das Gesetzesvorhaben zur „devolution“ (Dezentralisierung – Anm.d.Verf.).. I: Mmh. LR6: Etc. etc.. Und andererseits..ääh die Gelder kürzt..kürzt! I: Ach ja?! LR6: Sie kürzt die Finanzierung! Das letzte Haushaltsgesetz..hat den lokalen Ämtern.. den Regionen, den lokalen Ämtern, die Finanzierungen gekürzt (…)
(Quelle: LR6: Z 839-862) Hinsichtlich Gegenmaßnahmen der Landesregierung zur aktuellen Politik der Berlusconi-Regierung wird seitens des Assessors für Sozialpolitiken (LR1) auf das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige verwiesen, dessen Einrichtung von der Region Emilia-Romagna wiederholt angeregt worden sei (LR1: Z 318-324). Des Weiteren hebt der Generaldirektor des Gesundheitswesens und der Sozialpolitiken (LR2) hervor, dass die Emilia-Romagna die einzige Region sei, die Zuwanderern im Regularisierungsverfahren den vollen Zugang zu sämtlichen Gesundheitsdiensten gewähre (LR2: Z 64-75). Die Beispiele der Negativbeschreibung der nationalen Regierung reichen von Ablehnung ihres Propagandismus, ihres Befehlsgehabes (LR1: Z 9-11 und Z 241-257) und ihrer politisch rechten Gesinnung (LR2: Z 1150-1166; LR3: Z 352-364) bis hin zur Kritik ihres Programms und des Versuchs, die Zuwanderung nach Italien aufhalten zu wollen, als kulturell und sozial falsch, diskriminierend und im Ganzen abzulehnen sowie als gegenproduktiv für das Wirtschaftssystem der Region (LR4: Z 787-799; LR5: Z 795-821): LR4: Io vedo la legislazione nazionale..del tutto sbagliata!
LR4: Ich sehe die nationale Gesetzgebung als..komplett falsch an!
I: Mmh.
I: Mmh.
LR4: Sbagliata dal punto di vista culturale, eehmm profondamente ingiusta dal punto di vista sociale ehmmm discriminatoria, punitiva e quindi da respingere totalmente. Tra l’altro non capace di affrontare i problemi reali! Come ha assolutamente dimostrato. Quindi è ingiusta, punitiva e anche inefficace. Credo che
LR4: Falsch unter kulturellen Gesichtspunkten, äähmm grundsätzlich ungerecht aus sozialen Gesichtspunkten heraus ähmmm diskriminierend, strafend und deshalb komplett abzulehnen. Unter anderem unfähig, den wirklichen Problemen zu begegnen! Wie sie vollkommen gezeigt hat. Sie ist deshalb ungerecht, strafend
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il mix peggio di così, non possa essere, no?!
und auch ineffizient. Ich denke, einen schlechteren Mix als das, kann es nicht geben, nicht wahr?!
(Quelle: LR4: Z 787-794) Das Zusammenspiel innerhalb der Emilia-Romagna, verstanden als Interaktion der institutionellen Ebenen des Landes, der Provinzen und der Gemeinden, wird wie folgt dargestellt: Allgemein wird von den Befragten die Rolle des Landes als Planungsinstanz betont, welche die Prioritäten der Politikfelder Soziapolitik und Bildungswesen festlegt (LR1: Z 291-298; LR2: Z 769-809; LR3: Z 110117; LR4: Z 240-245; LR6: Z 181-227). Zudem wird ihre Geld gebende Funktion insbesondere für die Realisierung von FNPM-Maßnahmen herausgestellt (LR2: Z 443-465; LR3: Z 54-62 und Z 110-117; LR4: Z 662-671, Z 679-683 und Z 706-708). Die Rolle der Provinzen wird allgemein als „institutionell schwach“ beschrieben, gleichzeitig jedoch wird ihre Relevanz für die Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen betont (LR1: Z 127-129; LR3: Z 562-596). Hinsichtlich der Umsetzung des ‚Integrationsfonds’ entscheide die Provinz welche Projektvorschläge der Gemeinden Eingang in die so genannten Zonenpläne finden und leite nach Billigung der Pläne durch die Landesregierung die zugewiesenen Gelder an die Gemeinden weiter (LR3: Z 54-62, Z 110-117 und Z 142-152; LR6: Z 181-227). Bei der Etablierung so genannter interkultureller Zentren in der Emilia-Romagna habe sich jedoch die mangelnde Vernetzung der Provinzen untereinander gezeigt (LR3: Z 207-211). Die tatsächliche Leitung der FNPM-Maßnahmen, d.h. ihre Realisierung, werde von den Gemeinden autonom durchgeführt (LR1: Z 291-298; LR2: Z 443-465 und Z 476-498; LR3: Z 54-62 und Z 110-117; LR4: Z 662-671, Z 679683 und Z 706-708; LR6: Z 133-152, Z 181-227 und Z 1606-1628). In den 1990er Jahren haben die lokalen Akteure, so der Büroleiter der Sozialpolitiken (LR3), in der Emilia-Romagna eine Vorreiterrolle in der Integrationspolitik übernommen, während die Landesregierung bis zum Jahr 1998 (Einführung des FNPM) wenig unternommen hat (LR3: Z 630-640). Grundsätzlich wird das Zusammenspiel der drei institutionellen Ebenen Land, Provinzen und Gemeinden bei der Realisierung von FNPM-Maßnahmen wie folgt beschrieben:
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LR3: (…) Quindi la regione programma e finanzia, le province organizzano e ripartiscono i fondi a loro disposizione tra i comuni e poi i comuni, per lo più aggregati a livello di zone, che sono 40 zone, gestiscono i progetti in collaborazione, appunto, con tutti i settori privati.
LR3: (…) Also, das Land plant und finanziert, die Provinzen organisieren und verteilen die zur Verfügung stehenden Gelder unter den Gemeinden und die Gemeinden leiten, in Zonen (der lokalen Gesundheitsvorsorge – Anm.d.Verf.) zusammengefasst, in den 40 Zonen, die Projekte in Zusammenarbeit mit dem gesamten privaten Sektor.
(Quelle: LR3: Z 114-117) Gleichsam als Fokussierungsmetapher wird in den Gesprächen der Landesvertreter die politische Überstimmung aller Akteure zur Integration von Zuwanderern und ihr diesbezüglicher Austausch in Kommunikationsforen betont. Insbesondere verweist der Landesassessor für Sozialpolitiken (LR1) in diesem Zusammenhang auf den unterzeichneten „accordo sull’immigrazione“, das Verständigungsprotokoll aller beteiligter Akteure der Region,143 öffentlich und privat, zu Migrationsfragen (LR1: Z 214-239). Zudem finden in regelmäßigen Abständen Konferenzen und Treffen des jeweils zuständigen Bereichs der Landesregierung mit Repräsentanten der neun Provinzen und einer gemeinsamen Vertretung der Gemeinden statt, um über die „Leitlinien“ der Landesregierung und ihre Planung im Bereich Integrationspolitik zu diskutieren (LR1: Z 431455; LR2: Z 769-809; LR3: Z 524-549; LR6: Z 1137-1165 und Z 1714-1735). In diesem Kontext betont LR6 die gemeinsame Vision aller beteiligter Akteure zur Migrationspolitik (LR6: Z 1294-1315). Der Generaldirektor des Gesundheitswesens und der Sozialpolitiken (LR2) hingegen hält fest, dass es kein System der Sozialpolitiken gebe, sondern dass die Kompetenzen und Pflichten der beteiligten Institutionen seitens des Landes noch festgelegt werden müssen (LR2: Z 443-465 und Z 476-498). Er unterstreicht, dass aufgrund fehlender nationaler und regionalen Gesetzvorgaben die Gemeinden die Verantwortung für die Realisierung von Aktivitäten die Gemeinden allein zu tragen haben (LR2: Z 587-589). Die Beziehung des Landes zur Zivilgesellschaft der Emilia-Romagna wird von den befragten Landespolitikern als durchweg positiv beschrieben. So werde die Integrationspolitik des Landes grundsätzlich zusammen mit den ansässigen Gewerkschaften und sozialen Vereinen in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes entwickelt (LR1: Z 68-71). Es finden sich zahlreiche Formen eines institutionalisierten Austausches durch Konferenzen und Kommissionen (LR1: Z 455-493; LR6: Z 1189-1214 und Z 1951-2003), und bei der Realisierung von FNPM-Projekten sei formal die Beteiligung des dritten Sek143 Vermutlicht ist hiermit das „Verständigungsprotokoll im Bereich Zuwanderung“ gemeint. Näheres siehe Kapitel 3.3.2.
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tors, d.h. zivilgesellschaftlicher Einrichtungen, nötig (LR3: Z 62-71). Zudem betont die Assessorin für Bildungsfragen (LR4), dass die Kosten für die angebotenen Dienste zur Integration von Immigranten unbezahlbar wären, wenn sich diese nicht auf den Beitrag des italienischen volontariato, der italienischen Freiwilligenverbände, stützen könnten (LR4: Z 396-410). Positiv erscheinen auch die Darstellungen des Zusammenspiels der Akteure in einer Gemeinde durch die befragten Landesvertreter. Der Landesassessor für Sozialpolitiken hebt in diesem Kontext die zunehmende Vermittlerrolle lokaler Akteure zwischen den Institutionen und immigrierten Arbeitnehmern hervor sowie die verstärkte Involvierung von Arbeitgebern durch die Gemeinden (LR1: Z 179-187). Die Assessorin für Bildungsfragen betont hingegen die effektive Zusammenarbeit von Freiwilligenverbänden, Gemeindebeamten und Lehrern in so genannten Familienzentren (LR4: Z 290-294). Die Büroleiterin LR6 berichtet, dass Lehrer in Schulen der Region selbständig zu Zuwandererorganisationen gegangen sind, um sich zum Thema der interkulturellen Erziehung weiterzubilden (LR6: Z 1509-1516). Wie bereits bezüglich des generellen Verhältnisses der Landesregierung zum Nationalstaat zeigen die befragten Landesvertreter auch hinsichtlich der verfolgten Integrationspolitik der Emilia-Romagna deutliche Tendenzen der Abgrenzung zur gegenwärtigen Staatspolitik (LR2: Z 172-176 und Z 11391160; LR6: Z 836-900 und Z 1894-1951). Allgemein weist der befragte Büroleiter für FNPM-Projekte (LR3) darauf hin, dass die Integrationspolitik erst mit der Diskussion um das Wahlrecht für Zuwanderer in den Köpfen der Politiker an Relevanz gewinnt sowie durch das Bewusstsein, dass Politikbereiche wie das Gesundheitswesen im Rahmen der Zuweisung nationaler Gelder durch die Anwesenheit von Immigranten finanziell profitieren (LR3: Z 626-657). Grundsätzlich bescheinigt er allen beteiligten Akteuren der Integrationspolitik eine jeweils ideologische Sicht auf das Zuwanderungsphänomen (LR3: Z 462-470): LR3: (…) È chiaro che ognuno vede poi l’immigrazione come vorrebbe che fosse, più che come è in realtà, no?! Si sentiva anche stamattina. C’è qualche accenno ideologico, si sente. Per cui, non so, per il sindacato..adesso io banalizzo molto, però, per dire: per il sindacato chi è l’immigrato? È il nuovo proletario, cioè il lavoratore.. eccetera. Per il datore di lavoro chi è? È uno che si accontenta di una paga più bassa, quindi, tra virgolette, un lavoratore da sfruttare. Per, non so, la Caritas o i cattolici chi è? Sono le pecorelle da evangelizzare
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LR3: (…) Es ist klar, dass jeder die Zuwanderung als das sieht, wie er sie gerne hätte, anstatt wie sie in Wirklichkeit ist, nicht?! Das hörte man auch heute Morgen. Es gibt ideologische Hinweise, das hört man. Deswegen, ich weiß nicht, für die Gewerkschaft..jetzt banalisiere ich sehr, aber um es zu verdeutlichen: für die Gewerkschaft wer ist der Immigrant? Er ist der neue Proletarier, d.h. der Arbeiter.. etc. Für den Arbeitgeber wer ist er? Er ist einer, der sich mit einem niedrigeren Lohn zufrieden gibt, deshalb, in Anführungszeichen, ein Arbeiter zum Ausbeuten. Für, was weiß ich, die Caritas oder die Ka-
eccetera. Per i laici anticlericali cos’è? ‘Oh, finalmente della gente che è islamica e non è cattolica’ eccetera e così via, all’infinito, capito?! Ognuno vede più nell’immigrato quello che vorrebbe che fosse.
tholiken wer ist er? Sie sind die Schäfchen, die es zu bekehren gilt etc. Für die antiklerikalen Laien wer ist er? ‚Oh, endlich Leute, die Muslime sind und nicht katholisch’ etc. und so weiter, bis ins Unendliche, verstanden? Jeder sieht mehr im Zuwanderer, was er sicht wünscht, das er wäre.
(Quelle: LR3: Z 462-470) Der Aspekt der generellen Ausrichtung von integrationspolitischen Strategien verweist dabei auf die Frage nach der Wahrnehmung der Integrationspolitik seitens der Landesvertreter, der später nachgegangen wird (siehe Kapitel 5).
4.3.3b Das Zusammenspiel lokaler Akteure in Luzzara und deren Beziehung zur Landesregierung Die Antworten der Befragten sind im Folgenden den zwei administrativen Ebenen Gemeinde und Land zugeordnet und spiegeln deren individuelle Erfahrungen und Einschätzungen im Hinblick auf das Zusammenspiel beteiligter Akteure wieder. Auf der Gemeindeebene wird zusätzlich nach intrakommunaler (zwischen Gemeinde und beteiligten lokalen Akteuren) und interkommunaler (zwischen den Gemeinden) unterschieden. Hinsichtlich der Landesebene wird allein die interadministrative Interaktion (zwischen Gemeinde, Provinz und Land) dargestellt. Die intrakommunale Interaktion verstanden als die Zusammenarbeit zwischen der Gemeindeverwaltung von Luzzara und der Zivilgesellschaft wird insgesamt als positiv beschrieben. Die Leiterin der örtlichen Caritas (LUZ) bezeichnet die Kommunalverwaltung in diesem Kontext als „sensibel“ gegenüber „Problemen“ mit dem Migrationsphänomen und attestiert ihr einen „gewissen Stil der Aufnahme“ (LUZ: Z 169-184). Bereits ein Jahr nachdem die Caritas ein Kleidungs- und Lebensmittelmagazin für Zuwanderer eröffnet habe, d.h. im Jahr 1994, habe man begonnen, mit der Gemeindeverwaltung zusammenzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit bestand laut LUZ vor allem im „Signalisieren“ von Möglichkeiten und Bedürfnissen: So hätten sie während der sonntäglichen Predigt in der Kirche die Gläubigen darüber informiert, wenn Zuwanderer eine Unterkunft oder eine Arbeit suchten. Bei einer positiven Antwort von Seiten der Gläubigen hätten sie dann die Kommunalverwaltung verständigt, damit diese ihre Suche einstellen konnte (LUZ: Z 311-332). In diesem Sinne erscheint die Zusammenarbeit von Verwaltung und Caritas eher im kommunikativen Austausch primär selbständiger Aktivitäten gelegen zu haben. Eine direkte Kollabo-
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ration wurde hingegen für die lokale Nachhilfeeinrichtung angestrebt144: In der Absicht einer „Ausweitung“ bzw. ‚Laisierung’ der Schüler-Nachhilfe hat die Gemeindeverwaltung überlegt, mehr Gelder für Personal und Räume zur Verfügung zu stellen, so LUZ, jedoch hat sie dieses bisher nicht in die Wirklichkeit umgesetzt (LUZ: Z 562-581 und Z 632-644). LUZ betont in diesem Zusammenhang auch, dass sie ihrerseits die Gemeindeverwaltung nie um finanzielle Unterstützung gebeten haben, um frei darüber bestimmen zu können, wie sie den Nachhilfeunterricht leiten: „Ma noi non l’abbiamo neanche mai chiesto per essere..liberi di di svolgerlo come a noi piace.“ („Aber wir haben auch nie danach gefragt, um..frei sein können, ihn so zu zu betreiben, wie es uns gefällt.“) (LUZ: Z 656-657). Die geschilderte positive Einstellung von LUZ gegenüber der Gemeindeverwaltung zeigt sich umgekehrt auch bei der zuständigen Kommunalbeamtin LUG. Zum einen realisiere LUZ viele Aktivitäten, zum andere gebe es ohne ihr persönliches Engagement wahrscheinlich keine Caritas in Luzzara (LUG: Z 1712-1728). Deutlich negativer bewertet die Gemeindebeamtin andere Zuwanderervertretungen in Luzzara: Zwar gebe es einen Lokalpolitiker der linksgerichteten Partei Rifondazione Comunista, dieser würde jedoch die Zuwanderungsfrage politisch instrumentalisieren und die Immigranten selbst mit „gefährlichen Informationen“ versorgen, woraufhin Letztere unrealistische Erwartungen gegenüber der Gemeinde, z.B. zur Bereitstellung einer Wohnung, entwickelten (LUG: Z 1218-1262). Als derzeit stärkster Kollaborationspartner der Gemeindeverwaltung stellt sich die Grundschule von Luzzara dar: sowohl in den Aussagen der zuständigen Kommunalbeamtin (LUG) als auch in den Antworten der beiden Schulvertreter (LUL und LUR) lassen sich Hinweise auf eine konstante Zusammenarbeit finden: Diese Kollaboration betrifft vor allem die Bezahlung einer zusätzlichen Lehrkraft für Zuwandererschüler durch die Gemeinde (LUR: Z 469-470; LUZ: Z 511-542 und Z 568-581), als auch „interkulturelle Vermittlerinnen“, welche der Schule über das Projekt „Terre di Aronne“ zur Verfügung gestellt werden (LUL: Z 147-157 und Z 239-252; LUR: Z 147175). Zudem biete die Gemeindeverwaltung Lernmittelfreiheit für finanziell schlechter gestellte Schüler an, von denen auch solche mit Migrationshintergrund profitieren (LUG: Z 421-433). Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Zusammenarbeit von Schule und Gemeindeverwaltung zwar als dringend notwendig, aber prinzipiell falsch erachtet wird: Während der Schulrektor LUR auf die unzureichende Mittelausstattung durch das Bildungsministerium hinweist und die vom Land angewiesenen FNPM-Gelder 144 LUZ hebt in diesem Kontext hervor, dass die lokale Nachhilfeeinrichtung im strengen Sinne nicht Teil der Aktivitäten der Caritas ist, auch wenn sie diese leitet, sondern vielmehr ein Angebot der Pfarrgemeinde selbst (LUZ: Z 585-606).
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als projektgebunden kritisiert, wodurch die Unterstützung durch die Gemeinde Luzzara an zusätzlicher Bedeutung gewinnt (LUR: Z 469-485), bemängelt die zuständige Kommunalbeamtin die Finanzierung der zusätzlichen Lehrerin als logisch falsch. Ihrer Ansicht nach darf die Gemeinde ihren Bürgern nicht die Steuern erhöhen, um einen Service zu leisten, für den der Staat verantwortlich ist (LUG: Z 568-581). Hinsichtlich der Interaktion zwischen den Gemeinden sagt die zuständige Kommunalbeamtin LUG indirekt aus, dass diese kaum stattfindet: LUG: Eeh, bisogna avere chiaro..i concetti di..
LUG: Ääh, man muss ..das Konzept der..
I: Mh, mh, mh..
I: Mh, mh, mh..
LUG: Di integrazione in una realtà, in cui non siamo integrati. Perché loro..essendo così tanti..fanno gruppo a sé.. molto spesso oggi.
LUG: Der Integration in eine Wirklichkeit klar haben, in die wir nicht integriert sind. Denn sie.., dadurch dass sie so viele sind, ..bilden sie ..heute sehr oft ihr eigenes Grüppchen.
I: Mh, mh.. I: Mh, mh.. LUG: ..Eeeeh.. LUG: ..Ääääh.. I: Cioè, dice in generale o proprio qua al coriferito al comune di Luzzara? LUG: ..Mmbeh, quasi in generale possiamo dire questa cosa. C- comunque, tutti i dati e tutte le cose che io ti darò sono..più..riferI: Legate..
I: Das heißt, meinen Sie das allgemein oder hier be- gerade in Bezug auf die Gemeinde Luzzara? LUG: ..Nun ja, diese Sache kann man allgemein festhalten. A- auf jeden Fall sind alle Daten und Dinge, über die ich dir berichten werde, ..stärker..bez-
LUG: Più legate alla mia esperienza.. I: Bezogen.. I: Sì, sì, sì, sì, sì, certo.. LUG: Stärker auf meine Erfahrung bezogen.. LUG: ..Diretta.. I: Ja, ja, ja, ja, ja, sicher. I: Sì, sì, certo. LUG: ..Direkte Erfahrung.. LUG:..Perché.. Perché con gli altri comuni non sempre riusciamo a..a condividere.. tra di noi tutte.. e ad approfondire tutta questa cosa.
I: Ja, ja, sicher. LUG: ..Weil..weil wir es nicht immer schaffen, diese Sache mit den anderen Gemeinden zu..zu teilen.. unter uns allen.. und diese Sache zu vertiefen.
(Quelle: LUG: Z 97-124)
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Im weiteren Verlauf des Gespräches schildert LUG die Prozedur der „Konzertierung“, der Absprache zwischen den verschiedenen sozialen Akteuren, der für den Erhalt der Finanzmittel aus dem ‚Integrationsfond’ (FNPM) obligatorisch ist. In diesem Kontext hebt sie hervor, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, ein System der Kooperation zu etablieren, denn nicht alle Akteure seien gleichermaßen dafür „bereit“. Die Kommunalbeamtin beeilt sich zu erklären, dass es nicht an „Sensibilität“ gegenüber dem Thema fehle, sondern an „menschlichen Ressourcen“. Sie beziehe sich dabei auf den Umstand, dass Personal nicht für die Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen eingesetzt werde, weil eine andere Prioritätssetzung bestehe: LUG: (…) Perché creare il sistema è la cosa più difficile.
LUG: (…) Denn ein System zu begründen ist das schwierigste.
I: Sì.
I: Ja.
LUG: Che ci sia, eh! Tutt- tutta la, come si dice? L’aspettare che arrivi..eeh il coinvolgimento delle associazioni..e tutte questo.. Eravamo già attivati, però….eeh…mmh, voglio dire,..è una buona metodologia questa, eh?! Però.
LUG: Was es gibt, wirklich! All- die Ganze, wie sagt man? Das Warten auf das Eintreffen..ääh die Einbindung der Organisationen..und all das.. Wir waren schon aktiv, aber..ääh…mmh, ich meine, ..das ist eine gute Methode, nicht wahr?! Aber.
I: Mh.
I: Mh.
LUG: Non siamo effettivamente tutti pronti alla stessa maniera! (batte penna sulla scrivania per sottolineare le sua parole) ..Nel territorio, distrettuale. …Sia in..in questione di… Di sensibilità direi che c’è. Ma di..di risorse umane. Di risorse umane.. [del pic- nel piccolo..]
LUG: In Wirklichkeit sind wir nicht alle auf die gleiche Weise bereit! (sie schlägt mit dem Stift auf den Tisch um ihre Worte zu unterstreichen) ..Im Gebiet, im Bezirk. …Sei es in..in Hinsicht auf… die Sensibilität ist da, denke ich. Aber in..in Hinsicht auf menschliche Ressourcen. Auf menschliche Ressourcen.. [des Kl- im Kleinen..]
I: […Di conoscenze?] Di capacità? Di.. LUG: Ma di capacità..direi che non è questa laaaa.. (…) Non è questa. È prop- proprio la risorsa umana che non può essere destinata lì, perché la priorità risulta un’altra!
I: […Von Kenntnissen?] Von Fähigkeiten? Von.. LUG: Aber von Fähigkeiten..ich würde sagen, dass das nicht die.. (…) Das ist es nicht. Es ist vielm- vielmehr (eine Frage - Anm.d.Verf.) menschliche(r) Ressourcen, die dort nicht eingesetzt werden können, weil es andere Prioritäten gibt!
(Quelle: LUG: Z 1603-1621) Als eine Barriere für die Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ identifiziert LUG damit einerseits die 136
fehlende Zusammenarbeit zwischen beteiligten Gemeinden und andererseits fehlendes Personal aufgrund anderer Prioritätssetzungen innerhalb der Kommunen. Hinsichtlich der interadministrativen Interaktion kennzeichnet das Thema der mangelnden Präsenz des Staates, des Landes und der Provinz bei der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen die Aussagen der zuständigen Gemeindebeamtin: Kritisiert sie hinsichtlich der Bezahlung einer zusätzlichen Lehrkraft für Zuwandererschüler, dass die Gemeinde die Funktion und den Bildungsauftrag des Staates übernimmt (LUG: Z 568-581), so berichtet sie auch von der defizitären Kommunikation zur Bereitstellung von Finanzmitteln durch die Landesregierung: Ihr sagte man zunächst, so LUG, dass Ressourcen des FNPM für das Jahr 2004 nicht mehr zur Verfügung stehen. Erst durch einen direkten Anruf beim Leiter der zuständigen Landesabteilung habe sie erfahren, dass sie wie zuvor Projektvorschläge für Integrationsmaßnahmen einreichen können (LUG: Z 1041-1091). Allgemein stellt sie die Rolle des Landes bei Aktivitäten für Zuwanderer eher als passiv und punktuell dar (LUG: Z 1555-1560 und Z 1598-1600). Die Landesregierung weist ihrer Darstellung zufolge allein die Gelder an, während sie persönlich „wirtschaftlich“, „bürokratisch“ für ihren Einsatz verantwortlich ist: „La Regione stanzia così ed è..ed è veh.. Sono io che sono il responsabile, insomma. (…) Nel… Economicamente, proprio, voglio dire, ..burocraticamente.“ („Das Land stellt (die Gelder) so bereit und ist..und ist ach.. Ich bin diejenige, die verantwortlich ist, alles zusammengenommen. (…) Im… Gerade ökonomisch gesehen, ich meine, ..in bürokratischer Hinsicht.“) (LUG: Z 1555-1560). Gemäß LUG definiert die Landesregierung „Leitlinien” und überlässt alles Weitere den Gemeinden: „La Regione manda a dire: ‘o 100 Lire, 100 Euro..per ottenerli dovete associarvi, queste sono le priorità che noi stabiliamo, voi avete questo spazio.’“ („Das Land lässt ausrichten: ’Da sind 100 Lire, 100 Euro..um sie zu bekommen, müsst ihr euch zusammentun, das sind die Prioritäten, die wir festsetzten, das ist euer Raum.’“) (LUG: Z 1598-1600). Zwar sei LUG der Landesregierung über besagte Gelder Rechenschaft schuldig (LUG: Z 829-830), de facto liegen jedoch seit 2001 Gelder für Integrationsmaßnahmen brach. Bis zum Zeitpunkt des Interviews, Mitte des Jahres 2003, seien diese Ressourcen noch nicht ausgegeben worden (LUG: Z 1470-1498). Hinsichtlich der Rolle der Provinz bei der Realisierung von FNPM-Maßnahmen werden ihrerseits keine Angaben gemacht. Das Thema der mangelnden Präsenz des Staates, im Sinne von finanzieller Unterstützung, bei der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen kennzeichnet auch die Aussagen des Rektors der Grundschule (LUR). Er betont, dass sie die Integration von Schülern mit Migrationshintergrund aus ihren eigenen Kräften heraus nicht schaffen werden und dass sie nationale Bildungseinrichtungen darum bitten müssen (LUR: Z 447-453). Der Schulleiter erklärt, dass sie
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vom Ministerium für öffentliche Bildung nur sehr begrenzte Mittel zur Integrationsförderung erhalten, welche sie jedoch im Gegensatz zu den FNPMRessourcen frei nutzen können (LUR: Z 443-485). Grundsätzlich begrüßt er die Verlagerung staatlicher Macht von einem als sehr distanziert empfundenen Zentralstaat zu einer bürgernahen Verwaltung, wie sie das Land, die Provinz und Gemeinde bieten. Dadurch werden sich die Probleme der Finanzierung jedoch nicht lösen lassen, so diagnostiziert er (LUR: Z 564-599). In diesem Kontext verleiht der Schulrektor von Luzzara seiner Überzeugung Ausdruck, dass der hohe Prozentsatz an Immigranten(schülern) die Grundschule ohne die Unterstützung der Gemeinde längst in eine Krise gestürzt hätte: LUR: Però io credo che il comune di Luzzara come sta dimostrando, ..come sta dimostrando, eeeh gestisce bene la situazione, grazie anche ormai all’autonomia che ha il comune di Luzzara! Eh, se dovesse attendere tutto dal potere centrale, saremo già entrati in crisi.
LUR: Aber ich glaube, dass die Gemeinde von Luzzara, wie sie zeigt, ..wie sie zeigt, äääh gut mit der Situation umgeht, dankenswerterweise auch wegen der Autonomie, welche die Gemeinde von Luzzara mittlerweile besitzt! Äh, wenn sie für alles auf den Zentralstaat warten müsste, wären wir längst in der Krise.
(Quelle: LUR: Z 597-599) Die mit Integrationsfragen beauftragte Lehrerin der Grundschule (LUL) hebt hingegen den Bedarf zur Verbesserung der Verwaltung hervor und betont, dass Letztere auf immer höhere Anforderungen im Bereich Integrationspolitik reagieren müsse. Zu diesem Zwecke müsse die Kommune ihre Dienstleistungen unter Qualitätsgesichtspunkten neu bewerten. Ebenso sei eine Vernetzung mit anderen Gemeinden unerlässlich. Nur wenn die Gemeinde, die Provinz und das Land es verstünden, den Bürgern „wertvolle institutionelle Antworten“ auf das Zuwanderungsphänomen zu geben, sei ihr Fortbestehen gesichert: LUL: (…) ..si riesce in questo modo, dicevo, il Comune riesce, ..anche le Province, le Regioni, a dare una risposta amministrativa.. istituzionale valida! Altrimenti avremo un declino delle istituzioni! Perché se, diciamo, il cittadino..e l’imprenditore, diciamo così, la popolazione non riceve risposte abbastanza veloci, immediate, da parte della..funzione amministrativa, si rivolge da alte parti. E quando, diciamo, è il momento delle elezioni (con enfasi) non vota più! C’è l’astensione, perché non si ricevono risposte.
(Quelle: LUL: Z 676-681) 138
LUL: (…) in dieser Hinsicht schafft man es, ich meinte, die Gemeinde schafft es, ..auch die Provinzen, die Regionen, eine ..institutionell wirkungsvolle behördliche Antwort zu geben! Ansonsten erleben wir den Niedergang der Institutionen! Denn wenn, sagen wir, der Bürger..und der Unternehmer, sagen wir so, die Bevölkerung nicht ziemlich schnelle, direkte Antworten bekommt, von Seiten der…Behörden, wendet sie an sich an anderen Seiten. Und wenn, sagen wir, der Moment der Wahlen gekommen ist, (mit Nachdruck) geht sie nicht mehr wählen! Dann gibt es Enthaltungen, weil sie keine Antworten bekommen.
Mit Bezug auf die zukünftige Entwicklung der Migrationspolitik in der Gemeinde diagnostiziert die Leiterin der örtlichen Caritas (LUZ) eine immer geringere Trennung von öffentlichen und privaten Sektor bzw. eine Synergie der Kräfte, wobei sie die zukünftige Aufgabe der Caritas als Initiatorin von Aktivitäten kultureller Art und als Versorgerin der Immigranten mit Grundmitteln beschreibt (LUZ: Z 1048-1052 und Z 1080-1092). Die zuständige Gemeindebeamtin hingegen sieht einen inhaltlichen Bedarf in der besseren Einbindung ansässiger Sportvereine, denn dort finde eine „echte Integration“ von immigrierten und autochthonen Kindern statt. Grundsätzlich sieht die Kommunalbeamtin von Luzzara die Rolle der Gemeindeverwaltung in der Koordinierung der Aktivitäten lokaler Akteure145 (LUG: Z 1688-1706). Allein der befragte Rektor der luzzaresischen Grundschule äußert in diesem Zusammenhang deutliche Bedenken: Er verleiht seiner Überzeugung Ausdruck, dass die zentrale Rolle der Schule für die zukünftige Integration der Zuwanderer wegen zu geringer Mittelausstattung bedroht ist (LUR: Z 487-502). Ob diese Einschätzung von anderen Befragten außerhalb Luzzaras geteilt wird, soll im Folgenden untersucht werden.
4.3.3c Das Zusammenspiel der lokalen Akteure in Rimini und ihre Beziehung zur Landesregierung In diesem Bereich scheinen bestehende Unterschiede in den Aussagen der Befragten insbesondere durch ihre jeweilige Stellung im Integrationsprozess bedingt: So scheint die Beziehung zu anderen Integrationsakteuren im Bezugssystem der Befragten aus dem Schulwesen kaum eine Rolle zu spielen, und auch bei den Ausführungen der Adressaten der Maßnahmen wird diese nur bedingt berücksichtigt. Der Großteil diesbezüglicher Äußerungen findet sich bei den drei Vertretern der Akteursgruppen Gemeindeverwaltung (RNG), autochthone zivilgesellschaftliche Organisation (RNZ) und Zuwanderervereinigung (RNI).146 Während RNI betont, dass ihre Zuwandererorganisation eng mit anderen zivilgesellschaftlichen Vereinen zusammenarbeitet, stellt er den Kontakt zur Gemeindeverwaltung als begrenzt, aber nicht negativ dar: Zweimal hätten sie diese um finanzielle Unterstützung gebeten, und beide Male hätte sie sie ihnen gewährt (RNI: Z 275-319, Z 535-539, Z 792-800 und Z 802-849). Gegenüber europäischen Fördermitteln bewertet er die Geldzuwendungen der Kommunalverwaltung jedoch negativ, wenn er von den „briciole del Comune“ („Krümeln 145
Ähnlich äußert sich ihr Kollege in Rimini. Aufgrund der sehr begrenzten Thematisierung des Zusammenspiels der Institutionen und Organisationen durch die Befragten bzw. der Konzentration diesbezüglicher Aussagen auf RNG, RNI und RNZ muss auf eine detaillierte Darstellung wie in Kapitel 4.3.3b verzichtet werden. 146
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der Gemeinde“) spricht (RNI: Z 539). Grundsätzlich ist er davon überzeugt, dass das Sozialwesen des italienischen Staates ohne das Engagement zivilgesellschaftlicher Vereine zusammenbrechen würde. Bezogen auf die direkte Situation in Rimini berichtet RNI, persönliche Kenntnis davon zu besitzen, dass die Gemeindeverwaltung hilfsbedürftige Personen einfach an zivilgesellschaftliche Organisationen weiterdirigiert hat, und er fragt provokant: „E allora tu, Stato, dove sei?“ („Also wo bist du, Staat?“) (RNI: Z 1177-1178). Grundsätzlich räumt RNI zwar ein, dass bei den Zuwanderervereinen in der Gemeinde Konflikte entstehen können, und dass es ‚schwarze Schafe’ unter den Immigrantenorganisationen gibt, die sich für Informationen bezahlen lassen oder ihre Landsleute ausbeuten. Er zeigt sich jedoch davon überzeugt, dass die Integration von Migranten in Zukunft nur über zivilgesellschaftliche Organisationen bzw. einzelne Personen aus diesem Bereich möglich ist (RNI: Z 1135-1158, Z 11671183, Z 1205-1216 und Z 1355-1366). Eine derart positive Einschätzung der Rolle der Zivilgesellschaft im Allgemeinen und der Zuwanderervereine im Besonderen findet sich hingegen weder bei dem befragten Caritas-Vertreter (RNZ) noch beim zuständigen Kommunalbeamten (RNG). Gegenüber Immigrantenorganisationen zeigen beide ein ausgeprägtes Misstrauen, welches sich in der Diskussion um die Figur des so genannten interkulturellen Vermittlers akzentuiert. Im Rahmen der Darstellung des Projektes „Tra due mondi“ („Zwischen zwei Welten“)147 berichtet RNZ, dass die Qualität der Vermittlung und die Kompetenz des Vermittlers in den beteiligten Zuwandererorganisationen nicht reflektiert werden, sondern dass stattdessen vorrangig ist, den eigenen Leuten zu helfen. RNZ verleiht in diesem Kontext seiner Überzeugung Ausdruck, dass Zuwanderer ihre Beteiligung am ‚Integrationsprogramm’ als Verdienstmöglichkeit wahrnehmen, d.h. als Chance, sich selbst zu helfen (RNZ: Z 468-485).148 RNZ verweist darauf, dass die Landesregierung verlangt, in der Realisierung von integrativen Maßnahmen das Vereinswesen der Zuwanderer immer mehr zu berücksichtigen, und betont, dass gerade dies der effektiven Umsetzung der Projekte zuwiderläuft (RNZ: Z 408420). Stattdessen, so fährt der Caritas-Vertreter (RNZ) fort, gelingen nach seiner 147 Das Projekt „Tra due mondi“ („Zwischen zwei Welten“) ist Teil der FNPM-Maßnahmen und beinhaltet den Einsatz von „interkulturellen Vermittlern“ zur Förderung der Integration von Schülern mit Migrationshintergrund in den Mittelstufen der Schulen Riminis. 148 Zu dem Problem der Selbstfinanzierung äußert sich auch der befragte Vertreter der Zuwandererorganisation (RNI). Er bestätigt grundsätzliche Finanzierungsprobleme seines Vereins, da sie weder einen Mitgliedsbeitrag erheben, noch ein festes Budget von der Gemeindeverwaltung zugewiesen bekommen. Nach Aussagen von RNI wird die Mehrzahl ihrer Aktivitäten jedoch aus eigener Tasche bezahlt oder sie bitten Firmen um Spenden (RNI: Z 233-351). Ihre Organisation nehme zudem zum ersten Mal an einem FNPM-Projekt teil und keines ihrer Mitglieder kenne sich mit staatlichen Finanzierungsmöglichkeiten aus (RNI: Z 422-435).
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eigenen Beobachtung Projekte dann gut, wenn man, anstatt auf Organisationen abzuzielen, sich auf einzelne Personen konzentriert (RNZ: Z 414-423). Eine ähnliche Einschätzung findet sich auch bei dem zuständigen Kommunalbeamten (RNG), der Zuwanderer bzw. Zuwandererorganisationen als unredlich darstellt und sie mit kriminellen Verhaltensweisen assoziiert. Ihm zufolge beantragen diese nicht nur mehr Gelder als sie tatsächlich brauchen, sie verstünden die Gemeinde, Provinz oder das Land auch als „Postkutsche“, die es auszurauben gelte: RNG: […] Anche perchéé lavorando con le associazioni ci si accorge sempre più spesso, ..opinione personale, ci si accorge sempre più spesso che.. eehmm quando chiedono un finanziamento.., non lo chiedono per l’effettiva necessità. Lo chiedono molto più alto…e come, un pochettino, contrattare al mercato, insomma.
RNG: […] Auch weil einem in der Arbeit mit den Vereinigungen immer häufiger bewusst wird - das ist meine persönliche Meinung -, dass sie, wenn sie Gelder beantragen, diese nicht aus der tatsächlichen Notwendigkeit heraus beantragen. Sie beantragen eine viel höhere Summe...so etwa wie ein Abschluss nach Marktlage.
I: Mmh. I: Mmh. RNG: E anche questooo…così. È una cosa che andrebbe cambiata, no?! Cioè il Comune.., o la Provincia o la Regione non è una diligenza che va assaltata. ..
RNG: Und das ist auch so... Das ist eine Sache, die man ändern müsste, nicht?! D.h. die Gemeinde oder die Provinz oder das Land sind keine Postkutsche, die man ausraubt.
(Quelle: RNG: Z 357-365) Es ist Aufgabe der italienischen Verwaltungsinstitutionen der Gemeinde, der Provinz und des Landes, die Immigrantenvereinigungen diesbezüglich zu erziehen, so RNG. Nach Ansicht des Gemeindeverantwortlichen ist zudem das defizitäre Zusammenspiel der Akteure die Ursache dafür, warum einige der 2002/2003er Projekte des Migrationsfonds in der Gemeinde Rimini bis zum Zeitpunkt des Interviews (Juni 2003) noch nicht realisiert worden sind. Allgemein beschreibt RNG die Auswahlprozedur der FNPM-Maßnahmen und die Zuweisung der Gelder als zu langwierig und er kritisiert offen die Koordinationsrolle der Provinzverwaltung, die nur Zeit koste. Bei der Erstellung der letzten „Gebietspläne“ für die Gemeinde Rimini149 habe man sich durch die langwierige Prozedur der „Konzertierung“ dermaßen verspätet, dass eine Überprüfung der kooperationsbereiten zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht stattfinden konnte. Allgemein kritisiert RNG die derzeitige Machtausübung durch den italienischen Staat und hebt positiv hervor, dass sich Lokalpolitiker der Gemeinde Rimini entgegen des nationalen Zuwanderungsparadigmas dafür entschieden 149
Näheres zu den so genannten piani territoriali (Gebietsplänen) siehe Kapitel 3.3.3.
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haben, zur Verfügung gestellte Gelder allen in der Gemeinde lebenden Drittstaatsangehörigen zugänglich zu machen. Jedoch räumt RNG ein, dass die Situation in Rimini aufgrund dieser „politisch mutigen Entscheidung“, wie er es nennt, nicht ganz einfach ist. Auf die direkte Frage nach der Beziehung der Gemeindeinstitutionen zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort stellt RNG diese als per se konträr im Sinne von Kontroll- bzw. Autonomiestreben, aber als prinzipiell gut dar (RNG: Z 59-61, Z 134-136, Z 341-348, Z 366-367, Z 426-448, Z 702-715, Z 724-759, Z 999-1047 und Z 1049-1073). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in allen drei Beiträgen das individuelle Moment der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen hervorgehoben wird: Während der verantwortliche Gemeindebeamte (RNG) dieses als Ursache für die defizitäre Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure identifiziert, scheinen die beiden Repräsentanten der Zivilgesellschaft (RNI und RNZ) die Auffassung zu vertreten, dass sich die Integration von Zuwanderern vor allem über das Engagement einzelner Personen vollzieht. Als ein weiteres Beispiel faktischer Kooperation zwischen lokalen Akteuren und als Besonderheit der Gemeinde Rimini sei darauf hingewiesen, dass eine der hauptsächlichen Einrichtungen für die Betreuung der Zuwanderer, der so genannte centro servizi immigrati (das Zentrum für Zuwandererdienste), seit 1994 von der ansässigen Caritas im Auftrag der Gemeindeverwaltung geleitet wird und in ihren Räumlichkeiten angesiedelt ist (RNZ: Z 504-600 und Z 642-647).150 Grundsätzlich erweist sich die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ als defizitär: Im Falle Riminis konnten diesbezügliche Probleme insbesondere auf die Interaktion zwischen Immigranten und Autochthonen zurückgeführt werden, die Ersteren nur wenig Vertrauen entgegenzubringen scheinen. Auf der Seite der befragten Landespolitiker zeigte sich insbesondere die Tendenz, sich von der gegenparteilichen Nationalregierung differenzieren zu wollen. Ob diese Form regionalpolitischer Profilierung auf kommunaler Ebene Beachtung findet, wird im Weiteren zu sehen sein.
150 Möglicherweise ist diese Kollaboration von Caritas und Gemeinde der Grund dafür, dass RNI der Auffassung ist, die Gemeindeverwaltung Riminis leite hilfsbedürftige Personen kurzerhand an zivilgesellschaftliche Organisationen weiter (Siehe dazu: RNI: Z 1167-1183).
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4.3.4 Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in den Gemeinden 4.3.4a Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in Luzzara (RE) Die Aussagen der Befragten zur Wahrnehmung der Integrationspolitik lassen sich generell in drei Subbereiche aufteilen: sie beziehen sich a) auf das der Integrationspolitik immanente System allgemein, b) auf die unmittelbar erlebte Politik der Eingliederung in der Gemeinde sowie c) auf das Migrationsmanagements Italiens und dessen Auswirkungen auf individuelle Lebensumstände. Im Rahmen von b) wird insbesondere das Engagement Einzelner hervorgehoben. Bezüglich des Systems der Integrationspolitik hebt die zuständige Kommunalbeamtin (LUG) die Gemeinde als ultimative Instanz für die Realisierung von integrationspolitischen Maßnahmen hervor. Zwar bestehe grundsätzlich der Bedarf, gegenüber der Landesregierung über die Verwendung von FNPMGeldern „Rechenschaft abzulegen“, faktisch aber seien seit 2001 angewiesene Gelder von den beteiligten Gemeinden nicht ausgegeben worden. Die Landesregierung jedoch habe keine Sanktionen eingeleitet. Die Kenntnis und das Bewusstsein dieser Verhältnisse manifestieren sich in LUG’s Aussagen deutlich: Laut Aussage der Kommunalbeamtin hat die Gemeinde Luzzara bei der Einreichung der FNPM-Projektvorschläge ungenaue Angaben gemacht, um größeren Handlungsspielraum zu besitzen (LUG: Z 704-806, Z 825-837, Z 947-990, Z 1470-1498 und Z 1526-1541). Indirekt wird diese Aussage vom Rektor der Grundschule unterstützt, der betont, dass sie eine Abhängigkeit von nationalstaatlichen Entscheidungen längst in die Krise geführt hätte (LUR: Z 597-603): LUR: Però io credo che il comune di Luzzara come sta dimostrando, ..come sta dimostrando, eeeh gestisce bene la situazione, grazie anche ormai all’autonomia che ha il comune di Luzzara! Eh, se dovesse attendere tutto dal potere centrale, saremo già entrati in crisi.
LUR: Aber ich glaube, dass die Gemeinde von Luzzara wie sie beweist, ..wie sie beweist, äääh die Situation gut steuert, mithilfe auch der Autonomie, die die Gemeinde von Luzzara inzwischen besitzt! Und, wenn alles von der Zentralgewalt abhängen sollte, würden wir uns längst in einer Krise befinden.
(Quelle: LUR: Z 597-599) Die Vertreterin der lokalen Caritas LUZ hingegen bezieht sich allein auf die integrativen Maßnahmen ihrer Organisation und stellt diese als bedürfnisorientiert dar. Die Bedürfnisorientierung charakterisiert sich einerseits als existentielle Bedarfsbefriedigung seitens der Zuwanderer, andererseits aber auch als Nachfrage italienischer Familie z.B. an Pflegekräften (LUZ: Z 124-165 und Z 737-797). Hinsichtlich der lokalen Integrationspolitik berichtet LUZ zudem von negativen Erfahrungen mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Im Rahmen eines (kulturellen) Festes auf der piazza habe die fehlende demokratische Aus143
einandersetzung an der Basis, d.h. unter den Akteuren, die mangelnde Integration der indischen Zuwanderer in Luzzara gezeigt (LUZ: Z 1106-1161). Auch die verantwortliche Gemeindebeamtin berichtet von negativen Erfahrungen in der Integrationsarbeit: Nachdem ein Immigrant acht Monate lang die Möglichkeit des öffentlichen Wohnungsbaus genutzt habe, habe er danach ein Haus vor Ort erworben. Diesen Fall nimmt die Befragte zum Anlass ein allgemeines Misstrauen gegenüber der Herkunft von Zuwanderern zu äußern (LUG: Z 11281188): „Loro sanno, cosa abbiamo noi. (…) E conoscono tutti tutti gli accessi. (…) Noi invece non conosciamo loro.“ („Sie wissen, was wir haben. (…) Und sie kennen sämtliche Zugänge. (…) Wir hingegen kennen sie nicht.“) (LUG: Z 1164, Z 1168 und Z 1172). Insbesondere wird jedoch hinsichtlich integrativer Maßnahmen in der Gemeinde das Engagement Einzelner als Implementationsfaktor hervorgehoben (LUG: Z 1660-1682; LUIS1: Z 545-659; LUIS2: Z 691-701; LUZ: Z 13091310). Die zuständige Gemeindebeamtin hält dazu fest: “Io vedo che le cose le..vanno..riesci riesci metterle in pratica, quando trovi le persone giuste che riescono a farlo!" (“Ich sehe, dass die Dinge sie..gehen..du sie in die Praxis umzusetzen schaffst schaffst, wenn du die richtigen Personen findest, die das schaffen!”) (LUG: Z 1681-1682). Aus seiner unmittelbaren Lebenserfahrung heraus deutet Vater P der Zuwandererfamilie LUIS2 die Integrationspolitik in der Schule wie folgt: P: (…) Ho comprato bei vestiti per L... I: Ah, per la L. F., ah! P: È brava, eh?! Brava, brava maestra. Così deve essere maestre, tutte così! Invece no. Le altre sono diverse.
P: (…) Ich habe schöne Kleider gekauft, für L. (die Leiterin des „Sprachlabors“ – Anm.d.Verf.).. I: Ach, für L. F., ach so!
I: Non vogliono vedere anche a scuola dice?
P: Sie ist tüchtig, eh?! Tüchtige, tüchtige Lehrerin. So muss Lehrerinnen sein, alle so! Aber nein. Die anderen sind anders.
P: Due.. Sono uno, due chi sono da ammazzare!
I: Sie wollen auch in der Schule nicht sehen, meinen Sie? P: Zwei.. Es sind eins, zwei, die man umbringen könnte!
(Quelle: LUIS2: Z 691-701) Die beiden Teilnehmer des Sprachkurses, die beide ohne eigene Familie in Italien leben, äußern sich hingegen zu lebenspraktischen Problemen des italienischen Migrationsmanagements. Dieses erschwere nicht nur die legale Zuwanderung und die reguläre Beschäftigung, es zwinge Immigranten auch in die
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Illegalität und erniedrige sie. Beide Befragten berichten von Phasen des illegalen Aufenthalts bzw. der irregulären Beschäftigung. Nachdem LUIS2 inzwischen einen legalen Aufenthalts- und Arbeitsstatus erworben hat, kritisiert LUIS1 vehement, dass er seinen Asylbescheid nicht in eine Arbeitserlaubnis und regulären Aufenthaltstitel umwandeln kann, obwohl er eine reguläre Arbeitstelle gefunden hat. Obwohl er in Luzzara lebe, sei er offiziell in Rom gemeldet, wo er monatlich die Erneuerung seines Asylbescheids beantragen müsse, auch wenn diese jedes Mal zwei Monate dauere (LUIL1: Z 1507-1538, Z 1571-1639 und Z 1734-1844; LUIL2: 14-37, Z 107-112 und Z 161-185).
4.3.4b Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in Rimini (RN) Die z.T. sehr unterschiedlichen Redebeiträge der Befragten in Rimini lassen sich in zwei Bereiche unterteilen: Sie beziehen sich a) auf Aussagen zur Rolle der involvierten Integrationsakteure in der Gemeinde und im Allgemeinen sowie b) auf Darstellungen von kulturell-religiösen und strukturellen Aspekten aktueller Integrationspolitik. Sehr unterschiedlich wird in den Aussagen der Befragten die Rolle der Integrationsakteure dargestellt: Während der Vertreter der Zuwandererorganisation (RNI) das staatliche System als mangelhaft und wenig effizient erachtet und stattdessen die Relevanz der Zivilgesellschaft bzw. einzelner Personen für die zukünftige Integration der Immigranten herausstellt (RNI: Z 1167-1189 und Z 1355-1366), äußern sich sowohl der Repräsentant der Gemeinde (RNG) als auch der Caritas (RNZ) negativ zur Rolle der Zuwanderervereinigungen. In diesem Kontext verleiht RNG seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Immigrantenorganisationen von aggressiven Charakteren dominiert werden, die vor allem ihr Eigeninteresse verfolgen, und für das Gemeinwohl arbeitende Vereine in den Hintergrund drängen: RNG: ..Avrà letto sui giornali…eeh non so, se le è capitato di leggere, che ad esempio..i due presidenti del forum degli immigrati, ..eletti poi.. nella consulta degli immigrati provinciali, no?! Con un’altra elezione..eeh.. sono stati invitati..ad abbandonare il loro posto.., no?! Ufficialmente. Perché hanno aperto.. con l’agenzia..ehm..d’affari, dove svolgono..eh a pagamento..gli stessi servizi che dovrebbero essere svolti..ah?!! I: (espira)
RNG: ..Sie haben sicher in den Zeitungen gelesen…ääh, ich weiß nicht, ob Sie zufällig gelesen haben, das zum Beispiel..die beiden Präsidenten des Forum für Zuwanderer, ..die dann.. in den Provinzrat der Zuwanderer gewählt worden sind, nicht?! In einer anderen Wahl..ääh.. hat man sie dazu aufgefordert.. ihre Posten aufzugeben.., nicht?! Offiziell. Weil sie ..ähm..ein Geschäftsbüro eröffnet haben, in dem sie ..äh auf Bezahlung..dieselben Dienste abgewickelt haben, die andernfalls … angeboten werden sollten, nicht?!
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RNG: (ride lievemente) Ecco perché nascono e muoiono questi presidenti. ..Secondo me c’è un eeh.. interesse personale molto molto spiccato.. da parte di molti. …Non tutti, eh?! Di molti. ..Però mmh direi chi lavora per l’interesse collettivo.. viene un pochettino offuscato.. da chi lavora per l’interesse personale. Perché chi lavora per l’interesse personale è molto più aggressivo, molto più rampante.
I: (atmet aus) RNG: (lacht leicht) Deshalb entstehen und gehen diese Präsidenten unter. ..Meines Erachtens gibt es ein ääh.. sehr sehr deutliches persönliches Interesse.. von Seiten vieler. …Nicht aller, ne?! Vieler. ..Aber mmh ich würde sagen, das der, der für das Kollektivwohl arbeitet, ..ein bisschen vernebelt wird.. von dem, der für sein Eigeninteresse arbeitet. Denn der, der für sein Eigeninteresse arbeitet, ist viel aggressiver, viel hervorstechender.
(Quelle: RNG: Z 654-666) In seiner Kritik an Mitgliedern des Provinzrates der Zuwanderer stimmt RNG mit dem Leiter der örtlichen Caritas (RNZ) überein. Generell bemängelt RNZ zwar, dass Zuwanderer bei der Planung und Durchführung von Integrationsaktivitäten unterrepräsentiert sind und dass „tutto sulla loro pelle“ („alles auf ihrem Rücken“) (RNZ: Z 779) ausgetragen wird; Gleichzeitig betont er jedoch, dass der Provinzrat geschaffen wurde, um den Immigranten eine Stimme zu verleihen, dass aber gerade seine Mitglieder die zu repräsentierenden Zuwanderer verraten haben (RNZ: Z 777-784 und Z 1148-1171). Der interviewte Schulleiter (RNR) äußert seine Bedenken darüber, dass im Kontext der Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund die Integration von (sozialschwachen) autochthonen Schülern vernachlässigt wird, besitz jedoch keine direkten Kenntnisse der Situation (RNR: Z 241-253, Z 296-302 und Z 320-347): RNR: (…) Perché abbiamo il problema di integrare quelli stranieri.., ma abbiamo anche il problema di integrare i nostri. Quindi.., come risorse, mediamente.. io ho due insegnanti in più: uno per l’integrazione degli stranieri e uno per il disagio. Lo chiamiamo: disagio. ..Bene? Questo è il tipo di problematica qua. I: Ho capito. E come viene organizzato la valutazione di questo progetto per esempio? RNR: Maaooh.. (come per dire: che domanda è questa)
RNR: (…) Denn wir haben das Problem, diese Ausländer zu integrieren…, aber wir haben auch das Problem, unsere zu integrieren. Insofern…, als Ressourcen habe ich im Durchschnitt zwei Lehrer extra: einen für die Integration der Ausländer und einen für sozial Schwache. Die nennen wir: sozial Schwache. ..Gut? Das ist die Art von Problematik hier. I: Ich habe verstanden. Und wie ist die Evaluierung dieses Projektes zum Beispiel organisiert?
I: Cioè, le singole insegnanti..
RNR: Eeeooh.. (wie um zu sagen: Was für eine Frage)
RNR: Diciamo che ho l’insegnante..che si
I: Das heißt, die einzelnen Lehrer..
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occupa di queste cose.. e che si occupa anche della valutazione. I: Ah.. RNR: Si occupa. E poi alla fine mi presentano i dati..
RNR: Sagen wir, dass ich eine Lehrerin habe.., die sich um diese Sachen kümmert.. und die sich auch um die Evaluierung kümmert. I: Ah.. RNR: Sie kümmert sich. Und dann zum Schluss zeigen sie mir die Daten..
(Quelle: RNR: Z 321-337) Allgemein erachtet der Schulleiter (RNR) Integration als notwendig, da ohne sie die westliche Zivilisation zum Untergang verdammt ist. Gleichzeitig führe die Eingliederung der Immigranten jedoch unausweichlich zum Verlust der Identität der Aufnahmegesellschaft. In diesem Sinne versteht er „la ricerca del campanile“ („die Suche nach dem eigenen Kirchturm“) als notwendiges Korrektiv zur gegenwärtigen Globalisierung (RNR: Z 388-414 und Z 421-456): RNR: (…) quest’integrazione, per me, ..la ritengo (accentato) ..necessaria e indispensabile, perché altrimenti la civiltà occidentale è costretta a..soccombere di fronte a queste cose. Noi siamo finiti come civiltà. Io la vedo così. ..Però..la ricerca di questa integrazione.. ci fa comunque perdere l’identità. (…) …Però questo ci fa perdere l’identità. Va bene? Ci fa perdere l’identità. …Eeeh..è chiaro che nell’epoca della globalizzazione, viene fuori anche la ricerca del campanile che è il corrispettivo inevitabile.
RNR: (…) diese Integration, für mich, ..ich halte sie für (betont) ..notwendig und unausweichlich, weil ansonsten die westliche Zivilisation gezwungen ist, angesichts dieser Dinge ..zu unterliegen. Wir sind fertig als Zivilisation. Ich sehe das so. ..Aber..die Suche nach dieser Integration.. lässt uns auf jeden Fall die Identität verlieren. (…) …Aber das lässt uns die Identität verlieren. Okay? Es lässt uns die Identität verlieren. …Äääh..es ist klar, dass im Zeitalter der Globalisierung auch die Suche nach dem Kirchturm hervortritt, welche die unausweichliche Entsprechung ist.
I: Mh.. I: Mh.. RNR: È una logica di natura. Causa ed effetto, …eh?! Globalizzazione e campanilismo vanno.. Direi.. Mi sembra il correttivo necessario. Non ce ne dobbiamo dimenticare!
RNR: Das ist die natürliche Logik. Ursache und Wirkung, …äh?! Globalisierung und Kirchturmpolitik (Lokalpatriotismus – Anm.d.Verf.) gehen.. Ich würde sagen.. Sie scheinen mir das nötige Korrektiv. Das dürfen wir nicht vergessen!
(Quelle: RNR: Z 388-414) RNR sieht es als schweren Fehler an, dass den Zuwanderern erlaubt wird, ihre Bräuche zu pflegen. Die politischen Anstrengungen zur Eingliederung von Zuwandererschülern sieht er gerechtfertig zur Vermeidung sozialer Konflikte in der Zukunft:
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RNR: (…) Anzi, le dirò che i primi tempi ho detto: “Ma guarda un po’! …Stanziano più soldi.. i nostri governanti.. per lo straniero..rispetto a..aaah all’italiano che ha bisogno. Non so, il bambino portatore di handicap straniero ha più assistenza..del bambino portatore di handicap..eeh (accentato) nostro. E la cosa, insomma, ..m- mi irritava un po’. Eeeh, però nel tempo.. Non è che adesso.. la veda..eh così, proprio come tutto rose e fiori..
RNR: (…) Im Gegenteil, ich sage Ihnen, dass ich die erste Zeit gesagt habe: „Aber schau’ mal an! …Sie stellen mehr Gelder zur Verfügung.. unsere Regierenden.. für den Ausländer..als für..aaah den Italiener, der Hilfe benötigt. Ich weiß nicht, der behinderte ausländische Junge erhält mehr Unterstützung als..der behinderte Junge..ääh (betont) von uns. Und die Sache, also, ..hat m- mich ein bisschen irritiert. Äääh, aber im Laufe der Zeit.. Es ist nicht so, dass ich jetzt..alles..ääh so, für Rosen und Blumen halte..
I: Mh.. I: Mh.. RNR: Però nel tempo.. (ride) specialmente…con i fenomeni..eeh terroristici degli ultimi tre, quattro anni..
RNR: Aber im Laufe der Zeit.. (lacht) insbesondere…mit den..ääh terroristischen Phänomenen der letzten drei, vier Jahre..
I: (Del undici settembre..) I: (Des elften September..) RNR: Eeeh, effettivamente..ritengo..che sia fondamentale per..continuare sulla strada dell’integrazione. Io..lo vedo necessario.
RNR: Ääh, effektiv..halte ich es für fundamental, auf dem Weg der Integration..weiterzugehen. Ich..ich sehe das als notwendig an.
(Quelle: RNR: Z 490-505) Die zweite Repräsentantin der Schule (RNL) verweist hingegen auf die geringe (historische) Erfahrung Italiens bei der Aufnahme von Immigranten und die noch ausstehende kulturelle Integration von Zuwanderern und Autochthonen. Sie kritisiert (ähnlich wie der Repräsentant der Zuwandererorganisation RNI) ein Defizit an Staatlichkeit in der Integrationspolitik und betont die Entwicklung und Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen auf der lokalen Ebene (RNL: Z 375-388, Z 435-446 und Z 802-838 und Z 862-868): RNL: (…) in Italia è stato affrontato di più… che più che su un piano nazionale, su un piano, diciamo, di risorse..scuola per scuola, territorio per territorio, regione per regione, ha capito?
RNL: (...) in Italien ist es mehr... als, mehr als auf nationaler Ebene, auf der Ebene der Ressourcen, sagen wir, ..Schule für Schule, Gebiet für Gebiet, Land für Land angegangen worden, haben Sie verstanden?
(Quelle: RNL: Z 836-838) Während sich in den Aussagen des befragten Zuwanderervertreters (RNI) und den beiden Repräsentanten des Schulwesens (RNL und RNR) kulturell-religiöse Aspekte der Integrationspolitik akzentuieren, scheint sich die Wahrnehmung bei den interviewten Zuwandererfamilien vor allem auf die strukturelle Dimension
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ihrer Eingliederung zu beziehen: Sowohl RNIS1 als auch RNIS2 beziehen Fragen nach der schulischen Integration ihrer Kinder insbesondere auf deren leistungsmäßigen Erfolge (RNIS1: Z 893-914 und Z 941-947; RNIS2: Z 17221731). Hinsichtlich der Bewertung der staatlichen Instanzen der Integrationspolitik der Gemeinde fällt Vater P der Zuwandererfamilie RNIS2 ein durchweg negatives Urteil: Einerseits sagt er aus, dass die Polizeibehörde Riminis Zuwanderer bei Erneuerung etc. des Aufenthaltstitels wie Tiere behandelt: P: E invece c’è un ufficio del.. del- dalla questura, l’ufficio immigrati della questura, quando gli immigrati vanno per rinnovare il permesso…o c’è qualcosa per il permesso, te davanti alla questura come un cane! …Freddo, ..caldo. ..Poi fanno aspettare… Fanno aspettare quasi mezza giornata! ..Poi alla fine mi dicono: ..”vieni l’altro martedì.” …Una parola! Te spendi quattro, cinque ore..
P: Aber es gibt ein Büro der.. de- der Polizeibehörde, das Zuwandererbüro der Polizeibehörde, wenn die Immigranten dorthin gehen, um den Aufenthaltstitel zu erneuern... oder es ist etwas anderes mit dem Aufenthaltstitel, wartest du vor der Polizeibehörde wie ein Hund! ...Kälte, ..Hitze. ..Dann lassen sie dich warten... Lassen dich fast einen halben Tag warten! ..Dann sagen sie mir: „Komm’ nächsten Dienstag.“ ...Ein Wort! Du verbringst vier, fünf Stunden..
I: Per sentire questa frase.. I: Um diesen Satz zu hören.. P: “Vieni l’altra settimana.” ..Una parola! Poi ti torni l’altra settimana, ti dice: “vai… L’altra settimana.” Allora, …secondo me, ..se loro pensano che..non è pronto l’altra settimana, fanno un mese! Però, almeno quando viene una..persona a fare i suoi documenti.. per fare suo affare, dai, insomma.. Lo fanno aspettare..quattro cinque ore..per non fare niente! Perché: “non è pronto. Non è pronto.” Allora perché non è pronto? Perché tu hai detto: “vieni l’altra settimana” e non c’è? “Vieni fra un mese, fra quindici giorni..” per rinoooI: Mmh. P: Poi c’è il freddo! Adesso arriva il freddo. Te stare lì fuori ..e fare la fila.
P: „Komm’ nächste Woche.“ ..Ein Wort! Dann kommst du dich die darauffolgende Woche zurück und er sagt dir: „Geh... Nächste Woche.“ Also, ...meines Erachtens, ..wenn sie denken, dass.. es in der nächsten Woche nicht fertig ist, brauchen sie einen Monat! Aber, wenigstens wenn eine.. Person kommt, um ihre Dokumente zu machen.. um ihre Angelegenheiten zu regeln, komm’, also.. Sie lassen ihn warten.. vier, fünf Stunden.. und machen nichts! Weil: „Ist nicht fertig. Ist nicht fertig.“ Also warum ist es nicht fertig? Warum hast du gesagt: „Komm nächste Woche“ und dann ist es nicht da? „Komm’ in einem Monat, in 15 Tagen..“ zur ErneuuuI: Mmh. P: Dann gibt es die Kälte! Jetzt kommt die Kälte. Du bist dort draußen ..und stellst dich an.
(Quelle: RNIS2: Z 1546-1563) Andererseits beklagt er, dass es weder zivilgesellschaftliche noch staatliche Einrichtungen in Rimini gibt, die Immigranten helfen, ihre Rechte geltend zu machen (RNIS2: Z 1521-1568, Z 1589-1615 und Z 1619-1677). Der Aspekt der negativen Darstellung der Polizeibehörde findet sich auch in den Aussagen des befragten Repräsentanten des Zuwanderervereins (RNI): 149
RNI: Noi.. qualche anno fa andavamo alle RNI: Wir.. vor ein paar Jahren sind wir nachts um due, alle tre di notte in questura, a fare la zwei, um drei in die Polizeibehörde gegangen, um fila.. uns anzustellen.. I: Mh.
I: Mh.
RNI: A dormire lì..eccetera. Adesso.., è un RNI: Um dort zu schlafen.. und so weiter. Jetzt.., das problema ancora adesso, forse anche ..più ist noch jetzt ein Problem, vielleicht sogar ..noch grosso, perché ci sono più stranieri, più mehr, weil es mehr Ausländer gibt, mehr Schlangen. file.
(Quelle: RNI: Z 1322-1328) In diesem Sinne befürwortet der interviewte Vater der Autochthonenfamilie RNAu das kommunale Wahlrecht für Zuwanderer, um Politiker auf lokaler wie nationaler Ebene dazu zu zwingen, für Migranten aktiv zu werden (RNAu: Z 714-740 und Z 1445-1464). Die Integration als Teil der Sozialpolitik, so wird deutlich, ist als relativ junges Ressort in der Emilia-Romagna von signifikanten Implementationsschwierigkeiten gekennzeichnet. Aufgrund fehlender Steuerungs- und Kontrollinstanzen besitzen kommunale (autochthone) Akteure großen Gestaltungsspielraum. Für die individuelle Ausgestaltung ihrer Rolle, so scheint es, wird dabei oftmals auf ethnisch-geprägte Deutungsmuster zurückgegriffen. Auf ein geringes Vertrauen in Immigranten als Kooperationspartner bzw. als Bewohner derselben Gemeinde und Region seitens befragter Autochthoner war in diesem Zusammenhang hingewiesen worden. Inwieweit sich die allgemeine Integrationssituation von der Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in das staatliche Schulwesen unterscheidet, wird im Folgenden untersucht.
4.4 Integration im Schulwesen: das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ Wie bereits erläutert, bilden das Zuwanderungsgesetz Nr.40 von 1998 bzw. der Testo Unico Nr.286/98 die maßgeblichen Grundlagen der im Fokus stehenden italienischen Integrationspolitik.151 Für den Bereich der Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in das italienische Schulsystem wird die Befolgung des Prinzips der „interkulturellen Erziehung“ als Maßstab staatlicher Politik definiert. Gemäß Artikel 36, Komma 3, der nationalen Migrationsgesetzgebung Nr.40/98 wird „interkulturelle Erziehung“ wie folgt bestimmt:
151
Weitere Informationen dazu finden sich im Kapitel 3.1.1.
150
Die Schulgemeinschaft greift die sprachlichen und kulturellen Unterschiede auf, erachtet sie als Wert und macht diesen zur Grundlage des gegenseitigen Respekts, des Austausches der Kulturen und der Toleranz; Zu diesem Zweck regt sie Initiativen hinsichtlich der Aufnahme, des Schutzes der Herkunftskultur und –sprache (der Immigranten – Anm.d.Verf.) sowie der Durchführung gemeinsamer Aktivitäten an und fördert diese. (De Vincentiis 1998: 59; eigene Übersetzung)
Der Umsetzung des zitierten Prinzips in der italienischen Grundschule wird auf kommunaler Ebene anhand der Befragung von jeweils drei Adressatenfamilien (zwei Zuwanderern- und einer autochthonen Familie) und zwei verantwortlichen Implementeuren (dem Rektor und der für Integrationsbelange zuständig gezeichneten Lehrerin) in den beiden ausgewählten Gemeinden Luzzara und Rimini nachgegangen. Zuvor sollen jedoch die diesbezüglichen Aussagen und Kenntnisse der Politikformulierer, d.h. der interviewten Landespolitiker, dargestellt werden.
4.4.1 Regionale Integrationspolitik Entgegen offiziellen Statistiken, welche die Anwesenheit von Kindern mit Migrationshintergrund in den Schulen der Emilia-Romagna für den Zeitraum 2002/2003 mit 5,93% ausweisen152, beziffern die befragten Landesvertreter den Prozentsatz mit 20-30% (LR1: Z 26-38; LR5: Z 554-564). Die Büroleiterin des Bereichs Ausbildungspolitiken und Integration der Bildungssysteme (LR6) betont, dass es in einigen Klassen mehr Schüler mit Migrationshintergrund als solche mit autochthoner Herkunft gibt und unterstreicht die „Ernsthaftigkeit der Situation“ (LR6: Z 1521-1523). Die Assessorin der Bereiche Schule, Berufsausbildung, Universität, Arbeit und Chancengleichheit (LR4) verweist auf die erhebliche Präsenz von Zuwanderern in ländlichen Gebieten und insbesondere in den Bergen der Region Emilia-Romagna. Ihren Aussagen zufolge konstituiert die signifikante Anwesenheit von Schülern mit Migrationshintergrund vor allem für die Schulen auf dem Lande ein Problem, da diesen aufgrund fehlender Migrationserfahrung und -historie die entsprechenden Mittel (der kulturellen Vermittlung etc.) fehlen (LR4: Z 188-199). Die allgemeine Reaktion der Schulen der Emilia-Romagna auf die Präsenz von Zuwandererschülern sei nach Angaben der Landesregierung die Erklärung der Migrationsgründe und -ursachen gegenüber den Autochthonen sowie die Förderung des Austausches und der Integration zwischen Kindern und Jugendlichen (LR1: Z 26-38). Grundsätzlich werde die bestehende nationale Bildungspolitik in Hinblick auf die Qualifizierung des Angebots und der Integration der 152
Näheres siehe Kapitel 2.2.
151
Schüler den spezifischen territorialen Bedürfnissen angepasst (LR5: Z 71-79). Zwar habe die Giunta regionale bereits in ihrem Wahlprogramm aus dem Jahr 2000 die besondere Relevanz des Lernens und der sozialen Inklusion herausgestellt, doch erst die Verfassungsreform des Jahres 2001 habe die Formulierung eines Landesschulgesetzes ermöglicht, das 2003 in Kraft trete (LR6: Z 8-37 und Z 60-73). Allgemein werden die Tätigkeiten der Landesregierung in diesem Bereich als Konstituierung von Programmen und „Leitlinien“, als Transferieren von Geldern und als Beobachtung, Kontrolle und Evaluierung beschrieben (LR6: Z 303-322). Konkret erklärt Assessorin LR4, dass über das Gesetz zum Recht auf Bildung Dienste, Maßnahmen und Stipendien finanziert werden, die sich positiv auf die Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund auswirken. Des Weiteren würden die Schulinstitutionen in ihrer Projektarbeit unterstützt und Dokumentationszentren zur Erziehung, so genannte centri di documentazione educativa (cde), finanziert, welche die Schulen bei „didaktischen Innovationen“ unterstützen sollen (LR4: Z 280-285). Bevor nun im Einzelnen auf den Inhalt der Landesaktivitäten im Bereich Schule eingegangen werden soll, erscheint die Äußerung der leitenden Angestellten LR6 signifikant, die als allgemeine Strategie der Schulpolitik der Landesregierung eine Konzentration auf schulische Problemfälle feststellt: LR6: Ecco. Ehm, però è vero che ..c’è comunque questa tradizione di attenzione da parte degli enti locali alla scuola e naturalmente, come lei capisce bene …non ehm eh l l l’attenzione in questo ambito non viene attratta dai ragazzini che, come si dice in italiano, vanno bene a scuola. Per carità!
LR6: Also. Ähm, aber es ist wahr, dass ..es gibt jedenfalls diese Tradition der Aufmerksamkeit seitens der lokalen Ämter gegenüber der Schule und natürlich, wie Sie wohl verstehen, …ähm äh d- d- die Aufmerksamkeit in diesem Bereich nicht, ist nicht auf Kinder gerichtet, die, wie man auf Italienisch sagt, gut in der Schule sind. Um Gottes Willen!
I: Mmh. I: Mmh. LR6: Cioè, voglio dire gli vogliamo bene anche a loro, no?! Però chiaro che quelli van per la loro stradaa, hannooo le doti, le capacità, le famiglie..
LR6: Das heißt, ich meine, die haben wir auch gern, nicht?! Aber es ist klar, dass die ihren Weeg machen, dass sie ihre Gaben haben, die Fähigkeiten, die Familien..
I: Mmh. I: Mmh. LR6: Insomma per… Si concentra quindi tutto come dicevo prima rispetto al fenomeno della dispersione eccetera eccetera la nostra azione (respira) sui più deboli.
(Quelle: LR6: Z 236-249)
152
LR6: Auf jeden Fall um… Alles konzentriert sich also, wie ich vorhin sagte, auf das Phänomen der Schulabbrecher etc. etc. unserer Aktion (atmet) gegenüber den Schwachen.
Unter die Gruppe der „Schwachen“ subsumiert LR6 im weiteren Verlauf des Gespräches neben Behinderten auch Zuwandererschüler und betont, dass besagte „Aufmerksamkeit“ sowohl für die Landesregierung als auch für Provinzen und Gemeinden gilt (LR6: Z 236-277). Hinsichtlich des dargestellten Inhalts der Schulpolitik der Region wird insbesondere das neue Schulgesetz der Landesregierung in den Vordergrund gestellt (LR4: Z 233-238; LR6: Z 60-73, Z 303-322 und Z 1573-1608). Zwar interveniere die Landesregierung schon seit Beginn der Regionenbildung in Italien in den 1970er Jahren über das Gesetz zum Recht auf Bildung in diesem Politikfeld und unterstreiche damit ihre besondere Aufmerksamkeit gegenüber Bildungsfragen, doch erst mit der Reform der nationalen Verfassung habe sich ihr Spielraum signifikant erweitert (LR6: Z 78-101, Z 103-138, Z 399-412 und Z 476-491). Das Landesschulgesetz thematisiere die Anerkennung und Verbreitung von Titeln und Qualifikationen auf nationalem und europäischem Niveau und führe ein „libretto formativo personale“ („persönliches Ausbildungsbuch“) ein, das insbesondere Zuwanderern zugute komme (LR6: Z 617-761). Auch „Italienisch–Sprachlabore“153 sowie Kurse in der Herkunftssprache von Zuwandererschülern sollen mittels des Landesschulgesetzes finanziert werden (LR4: Z 233-238). Im Gegensatz zur Assessorin LR4 betont Büroleiterin LR6, dass gegenwärtig der Italienischunterricht sowohl im Schulwesen als auch in der Berufsausbildung zu den am weitesten verbreiteten Integrationsmaßnahmen gehört, und erklärt, dass dies eine europäische Vorgabe ist. Damit richte man sich insbesondere an erwachsene Immigranten, da Zuwandererschüler durch den Besuch der Schule Italienisch „quasi als erste Sprache“ erlernen würden (LR6: Z 617-761 und Z 777-794). Neben besagtem Landesschulgesetz werden Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrer sowie der Einsatz „interkultureller Vermittler“ als zusätzliche Maßnahmen der Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund genannt. Als problematisch wird in diesem Kontext auf die geringe Mittelausstattung sowie auf das gehobene Durchschnittsalter der Lehrer verwiesen, das didaktischen Innovationen negativ gegenüberstehe (LR4: Z 162-199 und Z 491-519; LR5: Z 554-594; LR6: Z 1464-1523): LR4: (…) Eeh sulla scuola eeh abbiamo un po’ lavorato con alcuni insegnanti un po’ specializzati, eeh..
LR4: (…) Ääh in der Schule ääh haben wir ein bisschen mit einigen Lehrern gearbeitet, die ein bisschen spezialisiert ääh..
I: In che senso un po’ specializzati?
I: In welcher Hinsicht ein bisschen spezialisiert?
LR4: Dunque, eeh lì ci sono state eh delleee, 153 Der Begriff folgt dem italienischen Original und bezeichnet Einrichtungen zum Erlernen von Sprachen, in diesem Fall der italienischen Sprache.
153
diciamo così, ..delle persone. Che sul piano volontario, diciamo la verità, ehm hanno comunque scelto di affrontare questo ehm problema che..
LR4: Also, ääh dort gab es äh Per-, sagen wir so, ..Personen. Die auf freiwilliger Basis, sagen wir die Wahrheit, ähm jedenfalls haben sie sich dazu entschieden, ähm dieses Problem anzugehen, das..
I: Queste esigenze? I: Diese Bedürfnisse? LR4: Queste, sì, di bambini che sono presenti nelle scuole. E allora hanno frequentato corsi ehm corsi che sono stati realizzati dalle amministrazioni pubbliche (…)
LR4: Diese, ja, dieser Kinder, die sich in den Schulen befinden. Und deshalb haben sie Kurse besucht, ähm Kurse, die von der öffentlichen Verwaltung durchgeführt wurden (…)
(Quelle: LR4: Z 162-174) Und weiter: LR4: (…) Certamente, certamente come sempre in Italia la scuola mmh è chiamata ad affrontare tanti problemi forse non dotandola fino in fondo di strumenti che sonooo almeno il minimo indispensabile per affrontare.
LR4: (…) Sicherlich, sicherlich wie immer in Italien ist die Schule dazu aufgerufen mmh vielen Problemen zu begegnen, vielleicht ohne sie komplett mit Instrumenten zu versorgen, die wenigstens das unabdingbare Minimum zu ihrer Begegnung darstellennn.
(Quelle: LR4: Z 181-183) In diesem Zusammenhang betont die Assessorin LR4 auch die Realisierung gemeinsamer Feiern und die Einnahme gemeinsamer Mahlzeiten in der Schule, um über die Integration der Kinder die Eingliederung der Mütter bzw. der gesamten Zuwandererfamilie zu erreichen. Darüber hinaus wertet sie als Erfolg, dass insbesondere Schüler mit Migrationshintergrund von Landesstipendien zur Lernmittelfreiheit profitieren. Während der Prozentsatz der Förderung für autochthone Schüler bei 9% liege, steige er bei Zuwandererschülern auf 16% (LR4: Z 252-285 und Z 294-317). In den Interviews der Landesvertreter zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in die örtlichen Schulen erweist sich zudem der Status lokaler Akteure als signifikant. Wird einerseits die interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen Schule, Gemeindeverwaltung und z.T. zivilgesellschaftlichen Einrichtungen hervorgehoben, so wird andererseits der relative Reichtum der Kommunen gegenüber dem Land durch eine größere Steuerautonomie betont. Letztere führe dazu, dass Gemeindeverwaltungen mittels eigener Prioritätssetzung zusätzliche Mittel für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung stellen könnten, was von der Landesregierung nicht nur begrüßt werde, sondern allgemein als regionale Strategie beschrieben wird (LR1: Z 26-38; LR6: Z 10141041):
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LR6: Ecco! Però, voglio dire, a quest- a questo pacchetto di risorse ..è possibile che ogni comune poi..aggi- se dà priorità all’istruzione, all’integrazione dei disabili, all’integrazione degli immigrati eccetera.. aggiungaaa di suo qualcosa. Ovviamente le nostre leggi non dicono mai: tu non ci mettere soldi, insomma! (ride)
LR6: So! Aber, ich will sagen, zu dies- zu diesem Ressourcenpaket ..ist es möglich, dass jede Gemeinde dann..dazu- wenn sie der Bildung, der Integration von Behinderten, der Integration von Immigranten etc. Priorität einräumt.. etwas von sich dazuuu gibt. Selbstverständlich sagen unsere Gesetze nie: du darfst kein Geld dazugeben! (lacht)
I: (ride) Giusto!
I: (lacht) Richtig!
LR6: Io ti dico quelli che posso mettere io, e qual è l’impianto complessivo..
LR6: Ich sage dir, wie viele (Gelder – Anm.d.Verf.) ich dazugeben kann, und wie das Ganze angelegt ist..
I: Eh! I: Ja! LR6: Ma ben venga se.. ci sono risorse aggiuntive, insomma..
LR6: Aber es ist uns willkommen, wenn.. es zusätzliche Ressourcen gibt..
(Quelle: LR6: Z 1030-1041) Neben der Rolle der Gemeinde wird auch die Relevanz der Aktivitäten von Einzelpersonen auf lokaler Ebene hervorgehoben. In diesem Kontext führt LR6 aus, dass Lehrer, welche sich wegen der Anwesenheit von Zuwandererschüler weiterbilden wollten, von sich aus auf Immigrantenorganisationen zugegangen sind, um sich einen „ersten kulturellen Zugang“ zu verschaffen (LR6: Z 1464-1523). Auch die Assessorin LR4 identifiziert bezüglich der Realisierung von gemeinsamen Festen und Mahlzeiten in der Schule den persönlichen Bedarf an „kultureller Aufmerksamkeit“ seitens der Lehrer und stellt ihre Autonomie in der ‚Evaluierung’ von integrativen Maßnahmen heraus (LR4: Z 326-340 und Z 491-519): LR4: (…) ..La valutazione delle fig- dei progetti di integrazione nn- io.. non è che è fatta proprio in modo preciso. Cioè, sono un po’ i docenti che…eehmm..
LR4: (…) ..Die Evaluierung der Kind- der Projekte zur Integration nn- ich.. es ist nicht so, dass sie wirklich auf eine präzise Art gemacht wird. Das heißt, es sind ein bisschen die Lehrer, die…äähmm..
I: Che? I: Die? LR4: Osservanooo, vedono un po’ le cose come vanno. Che applicano i progetti anche lì, …come posso dire, li valutano, per cui, non so, appongono via via quegli aggiustamenti, quei cambiamenti che sono necessari. È una cosa meno formale, ecco, meno formalizzata.
LR4: Beobachtennn, ein bisschen sehen, wie die Dinge laufen. So wie sie die Projekte dort auch umsetzen, …wie kann ich das sagen, sie bewerten sie, so dass, ich weiß nicht, sie fügen nach und nach die Verbesserungen hinzu, die Änderungen, die nötig sind. Die Sache ist weniger formell, also, weniger formalisiert.
(Quelle: LR4: Z 499-507)
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Die Büroleiterin LR6 formuliert die bedeutsame Rolle des einzelnen Lehrers hinsichtlich der intendierten „Personalisierung“ des Schulcurriculum durch das neue Landesschulgesetz wie folgt: LR6: (…) perché poi la didattica.. non la.. non la impone, né il Ministero nazionale dell’istruzione, né noi!
LR6: (…) denn dann die Didaktik.., die wird nicht.. die wird weder vom Staatsminister für Bildung noch von uns durchgesetzt!
(Quelle: LR6: Z 1607-1608) Wie die derart in die Verantwortung genommenen Lehrer auf lokaler Ebene tatsächlich reagieren, wird im Weiteren untersucht.
4.4.2 Kommunale Integrationspolitik 4.4.2a Die Integrationspolitik in der Grundschule von Luzzara (RE) Gemäß den Aussagen der zuständigen Gemeindebeamtin (LUG), des Schulrektors (LUR) und der ‚integrationsbeauftragten’ Lehrerin (LUL) erscheint die Grundschule von Luzzara in keiner Weise mit anderen Schulen zum Zwecke der Integrationsförderung von Kindern mit Migrationshintergrund verbunden zu sein. Vielmehr erweist sich die Gemeindeverwaltung von Luzzara als signifikanter Interaktionspartner der Schule im Bereich Zuwanderung und Integration. In den Worten des Schulleiters: LUR: (…) Noi facciamo tutto assieme in collaborazione con il comune di Luzzara. Il problema..dei bambini stranieri lo gestiamo assieme al comune di Luzzara, in sinergia d’intenti (…)
LUR: (…) Wir machen alles zusammen, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde von Luzzara. Das Problem..der ausländischen Kinder managen wir zusammen mit der Gemeinde von Luzzara, in Synergie der Absichten/Ziele (…)
(Quelle: LUR: Z 607-609) Laut LUG, LUL und LUR verfolgt die Schule allgemein die Strategie der direkten Eingliederung von Zuwandererschülern in die jeweilige Klasse auf der Grundlage ihres Alters oder der im Herkunftsland erworbenen Schulreife (LUG: Z 315-339; LUL: Z 324-326; LUR: Z 25-26 und Z 44-45). Beide Vertreter des Schuldienstes thematisieren in diesem Zusammenhang „Marginalisierungserscheinungen“ aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse der Zuwandererschüler bei ihrer Eingliederung, denen strategisch durch die Teilnahme an allgemeinen Klassenaktivitäten sowie durch den unterstützenden Besuch eines „Sprachlabors“ entgegengewirkt werden soll (LUL: Z 324-336; LUR: Z 45-84). Während der Schulleiter (LUR) sich jedoch gegen einen separaten Italienischunterricht
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ausspricht und betont, dass Schüler mit Migrationshintergrund Italienisch am besten durch die direkte Teilnahme am Klasseleben lernen, berichtet die Leiterin des „Sprachlabors“ (LUL), dass sie morgens um 8 Uhr Zuwandererschüler aus ihrer jeweiligen Klasse holt, um sie für zwei Stunden außerhalb des Klassenverbandes in Italienisch zu unterrichten: LUR: Eeeh, qui è maturata una consapevolezza che..la lingua italiana per i bambini stranieri non è che la apprendano..tirandoli fuori dalla classe facendo due ore di lingua italiana! Sappiamo che la lingua italiana..per un bambino di quest’età l’apprende vivendo in mezzo agli altri.
LUR: Äääh, hier ist die Erkenntnis herangereift, dass..die italienische Sprache von den ausländischen Kindern nicht dadurch gelernt wird, dass …sie aus der Klasse genommen und zwei Stunden lang auf Italienisch unterrichtet werden! Wir wissen, dass die italienische Sprache..von einem Kind diesen Alters gelernt wird, indem es mitten unter den anderen lebt.
(Quelle: LUR: Z 57-60) Beziehungsweise: LUL: Vengono tolti dalle classi. Al mattino alle 8 io faccio il giro, raccolgo in 3 (livelli), quindi raccolgo in tutti e 3. Li riunisco in questi.., sia nel laboratorio sia negli altri spazi..
LUL: Sie werden aus der Klasse herausgenommen. Um 8 Uhr morgens mache ich meine Runde, ich habe drei (Anm.d.Verf.: Sprach)Ebenen, daher sammle ich die Schüler aller drei Sprachniveaus ein. Ich führe sie in diesen.. sowohl im Labor als auch an anderen..Plätzen..
I: Disponibili? I: Freien? LUL: Esatto. E poi si svolge il programma sino..alla, diciamo, ..alla ricreazione, dove tornano nelle classi per socializzare.
LUL: Genau, zusammen. Und dann entwickelt sich das Programm bis..zu, sagen wir, ..bis zur Pause, in der sie in die Klassen zurückgehen, um zu sozialisieren.
(Quelle: LUL: Z 221-227) Gemäß der Beschreibung seiner Leiterin (LUL) findet das „Sprachlabor“ die ganze Woche über statt, die einzelnen Schüler werden aber gemäß ihren individuellen Bedürfnissen nur an ausgewählten Tagen der Woche (zwei bis drei Mal) zum Italienischunterricht abgeholt. Als immanentes Ziel des „Sprachlabors“ erklärt LUL die abnehmende Teilnahme jedes Schülers bis zu seiner vollständigen (Wieder-)Eingliederung in den normalen Klassenunterricht (LUL: Z 221-231). Die von LUL beschriebene Praxis der Sprachvermittlung wird auch von den interviewten Beteiligten bestätigt. Sowohl Sohn B der Zuwandererfamilie LUIS1 als auch Sohn B von LUIS2 haben das „Sprachlabor“ besucht oder besuchen es noch (LUIS1: Z 103-130 und Z 164-174; LUIS2: Z 111-119 und Z 127-
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173). Auch die Tochter der autochthonen Familie LUAu bestätigt dessen Existenz (LUAu: Z 215-268). In Bezug auf Dauer und Frequenz der Sprachförderung für Zuwandererschüler sagt Sohn B von LUIS1, der erst 2001 nach Italien gekommen ist und direkt in die Grundschule eingegliedert wurde, aus, dass er nach nur einem Jahr nicht mehr zum Sprachunterricht abgeholt wurde (LUIS1: Z 23, Z 59-71, Z 103-130 und Z 164-174): I: Quando sei arrivato, hai fatto questa classe d’italiano per stranieri della Signora L.?
I: Als du hier angekommen bist, hast du diese Italienisch-Klasse für Ausländer von Frau L. besucht?
B: Sì. Della Lorena ho fatto. B: Ja. Bei Lorena habe ich das gemacht. I: Sì, della Lorena. E come l’hai fatto, come? Mi racconti un po’ com’è questa cosa? Ci sei arrivato e sei subito andato lì oppure..come hai fatto? B: Non ho passato con la Lorena. I: Mhm. B: E poi non mi mandavano dalla Lorena, perché la sapevo gia, eeeh..più bene l’italiano.
I: Ja, bei Lorena. Und wie hast du das gemacht, wie? Erzählst du mir ein bisschen, wie diese Sache abläuft? Du bist angekommen und bist sofort dorthin gegangen oder…wie hast du das gemacht? B: Ich habe nicht vorbeigegangen mit der Lorena. I: Mhm. B: Und dann schickten sie mich nicht zu der Lorena, weil ich es schon wusste, äääh.. viel besser Italienisch wusste.
(Quelle: LUIS1: Z 103-114) Obwohl Sohn B von LUIS2 angibt, bereits im Alter von zwei Jahren nach Luzzara gekommen zu sein und zunächst den Kindergarten der Gemeinde besucht zu haben, befindet er sich erst auf dem zweiten Niveau des „Sprachlabors“ (LUIS2: Z 58-97, Z 111-119 und Z 127-173). Der Frage nach einem Sprachstandstest als Abschluss des „Sprachlabors“ weicht seine Leiterin aus und verweist stattdessen darauf, dass es normalerweise zwei Jahre dauert, bis Zuwandererschüler zu 100% in die Klasse reintegriert werden können. Manche „Aufgeweckte“ („svelti“) bräuchten hingegen nur ein Jahr (LUL: Z 232-238). Im Hinblick auf die Institution des „Sprachlabors“ berichtet Tochter B der Autochthonenfamilie LUAu, dass drei neue Schülerinnen mit Migrationshintergrund und erheblichen Sprachdefiziten aus ihrer Klasse daran teilnehmen.154 Auf die Nachfrage, ob es jemanden gebe, der den Mädchen außerhalb des „Sprachlabors“ bei ihren Verständnis- und Verständigungsschwierigkeiten hel154
Tochter B von LUAu ist die Klassenkameradin von Sohn B LUIS1.
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fe, verneint sie. Auch die direkte Nachfrage nach so genannten interkulturellen Vermittler in der Klasse wird von ihr verneint (LUAu: Z 215-272). Hinsichtlich des Einsatzes von „interkulturellen Vermittlern“ in der Grundschule von Luzzara zeichnen die beiden Schulbeamten ein anderes Bild: Gemäß den Aussagen des Schulleiters LUR werden die „vier oder fünf“ „sehr tüchtigen“ „interkulturellen Vermittler“ bei Elternversammlungen sowie direkt in den Klassen eingesetzt, wenn der Zuwandererschüler kein Wort Italienisch spricht (LUR: Z 149-172). Zusätzlich kommen die Vermittler im „Sprachlabor“ zum Einsatz, indem sie erklärend eingreifen. Die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin bezeichnet ihre Verfügbarkeit als „äußerst nützlich“ und betont, dass ihre Arbeit eine Verbindung zwischen den italienischen Lehrkräften und den Immigrantenfamilien schafft (LUL: Z 239-252): LUL: (…) E funziona non solo da interprete, ma anche come tramite per poter, diciamo, (creare) un ponte tra le diverse collettività.
LUL: (…) Und er fungiert nicht nur als Dolmetscher, sondern auch als Zwischenglied um, sagen wir, eine Brücke zwischen den verschiedenen Gemeinschaften zu bilden.
(Quelle: LUL: Z 247-248) Mit Hilfe der „interkulturellen Vermittler“, so LUL, ist es gelungen, Ressentiments autochthoner Eltern gegenüber dem traditionellen Kleidungsstil indischer und pakistanischer Zuwanderer zu begegnen sowie die Beteiligung Letzterer, insbesondere der Frauen, an Elternversammlungen der Schule signifikant zu erhöhen (LUL: Z 239-252, Z 257-289 und Z 291-307). Vater P von LUIS2 bestätigt zwar Elternversammlungen der Schule, es finden sich in seinen Aussagen jedoch keine Hinweise auf den Einsatz „kultureller Vermittler“ in diesem Zusammenhang (LUIS2: Z 642-643): P: (…) Chiamano per riunioni di genitori. Io andato una volta. Parlavano di A., fatto questo, questo, questo…via.
P: (…) Sie rufen wegen Elternversammlungen an. Ich einmal hingegangen. Sie sprachen über A. (befragter Sohn – Anm.d.Verf.), dieses gemacht, dieses, dieses…und weg.
(Quelle: LUIS2: Z 642-643) Ebenso wenig lassen sich in den Aussagen der Schüler und deren Familien Hinweise auf integrative Veranstaltungen im Schulalltag, wie z.B. durch den betont multikulturellen Charakter von Festen, finden. Den Zuwandererfamilien LUIS1 und LUIS2 sowie der Autochthonenfamilie LUAu zufolge wird z.B. das Weihnachtsfest im jeweiligen Klassenverband traditionell gefeiert, während der ethnischen Heterogenität der Schüler in Festivitäten keine Rechnung getragen wird. LUAu, LUIS1 und LUIS2 sagen in diesem Zusammenhang aus, dass keine multikulturellen Feste in der Grundschule begangen werden (LUAu: Z 412-
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453; LUIS1: Z 331-404; LUIS2: Z 398-472 und Z 634-642). LUAu und LUIS2 bestätigen jedoch die Realisierung derartiger Veranstaltungen für den Kindergarten der Gemeinde (LUAu: Z 462-469 und Z 710-737; LUIS2: Z 634-642). Mutter M von LUAu führt die Zelebrierung der Multikulturalität im Kindergarten auf die damalige „Neuheit“ des Zuwanderungsphänomens in der Gemeinde zurück. Heute, so betont sie, gibt es so viele Immigranten, dass vielmehr die Italiener integriert werden müssen (LUAu: Z 462-469). Auf das Migrationsphänomen scheint die Grundschule von Luzzara insbesondere auf der institutionellen Ebene, d.h. des Ausbaus der Verwaltung, zu reagieren. In diesem Zusammenhang berichten sowohl der Schulrektor (LUR) als auch die Leiterin des „Sprachlabors“ (LUL) von der Einrichtung eine Commissione Intercultura (einer interkulturellen Kommission). Ihren Aussagen zufolge setzt sich diese Kommission aus acht bis zehn Lehrern aus dem Kindergarten, der Grundschule und der Mittelstufe zusammen. Aus einem „internen Bedürfnis“ heraus entstanden, werde die Kommission mit Schulgeldern finanziert. Ihre Aufgabe bestehe darin, „sämtliche Probleme“ im Bereich der „ersten Aufnahme“ und der Integration von Immigrantenschülern zu „verfolgen“. In die Zuständigkeit ihrer Leiterin falle zudem, Kontakt zu anderen Integrationsakteuren in der Gemeinde zu halten (LUL: Z 67-71; LUR: Z 344-360, Z 389-407 und Z 414-437).155 Zudem sei eine zusätzliche Lehrkraft für die Grundschule eingestellt worden, um den „pax sociale“ („sozialen Frieden“) (LUG: Z 533-534) zu wahren und Probleme mit italienischen Eltern und deren Kindern zu vermeiden (LUG: Z 519-534, Z 568-576 und Z 787-796; LUR: Z 453-472): LUR: Mah, l’idea è stata la presa d’atto di una realtà diversa! Eeeh, la realtà diversa che va gestita! Che va gestita anche per non creare problemi con i nostri genitori italiani! E per non creare problemi con..gli studenti italiani.
LUR: Aberr, die Idee kam aus der Bewusstmachung einer veränderten Realität! Äääh, einer veränderten Realität, die gesteuert werden muss! Die gesteuert werden muss, auch um keine Probleme mit unseren italienischen Eltern zu bekommen! Und um..mit den italienischen Schülern keine Probleme zu bekommen.
(Quelle: LUR: Z 368-370) Darüber hinaus finden gemäß den Aussagen der beiden Schulbeamten LUL und LUR Weiterbildungsmaßnahmen des Schulpersonals, des lehrenden sowie der Verwaltung, statt. Die Leiterin des „Sprachlabors“ (LUL) schildert ihre Teil155
Trotz des mehrjährigen und intensiven Bemühens, genauere Kenntnisse über die (inhaltlichen) Aktivitäten der Commissione Intercultura zu erlangen, und den mehrfachen Zusagen ihrer Vorsitzenden, die verschiedenen Sitzungsprotokolle zur Verfügung zu stellen, liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Informationen vor.
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nahme an lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Weiterbildungsmaßnahmen, beschränkt diese aber auf sich und eine Lehrerin der Mittelstufe (LUL: Z 17-47, Z 58-63 und Z 205-206; LUR: Z 38-43 und Z 236-240). Neben der allgemeinen Integrationspolitik der Schule ist die faktische Umsetzung des gesetzlich verankerten Prinzips der „interkulturellen Erziehung“ von besonderem Interesse.156 Generell erklärt die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (LUL), dass man „einige Elemente der Interkulturalität“ in das Schulprogramm aufgenommen hat (LUL: Z 315-316). Gleichzeitig betont sie die Abhängigkeit der Umsetzung „interkultureller Erziehung“ von der Lehrkraft und meint pleonastisch: “..Più c’è la volontà, da parte dell’insegnante, di..inserire nella programmazione delle tematiche interculturali e più si ottengono dei risultati positivi.” („Je größer der Wille der Lehrer, interkulturelle Themen in den Schulplan aufzunehmen, je mehr positive Resultate erzielt man.“) (LUL: Z 316-318). Ihr direkter Vorgesetzter, der Leiter der Grundschule von Luzzara (LUR), hingegen äußert sich kritisch zur systematischen Umsetzung des Prinzips der interkulturellen Erziehung in ‚seiner’ Grundschule: LUR: (…) Però far entrare l’educazione interculturale a scuola..è una cosa..abbastanza complessa! Nel senso..nel senso che.. molti insegnanti la fanno. ..Però non me la sento di dire che (accentata) tutti gli insegnanti fanno educazione interculturale.
LUR: (…) Aber die interkulturelle Erziehung in der Schule umzusetzen ..ist eine ..ziemlich komplexe Sache! Im Sinne..im Sinne von.. viele Lehrer machen das. ..Aber ich fühle mich nicht danach, zu sagen, dass (betont) alle Lehrer interkulturelle Erziehung betreiben.
I: Mmh.
I: Mmh.
LUR: Cioè, eh a scuola la..conoscenza delle culture non italiane si fa. Però, fare educazione interculturale vuol dire..qualcosa di più! Vuol dire per esempio far entrare nei programmi argomenti (accentata) specifici della cultura dei paesi di origine e trattarli con tutti. Questo.. Non ho un dato quantitativo. So che tutti gli insegnati lo fanno.. più o meno. C’è chi però approfondisce il discorso dell’educazione interculturale più di altri.
LUR: Das heißt, in der Schule lehrt man..Kentnisse nicht-italienischer Kulturen. Aber interkulturelle Erziehung zu machen, heißt..mehr! Das heißt zum Beispiel in den Lehrplan (betont) spezifische Aspekte der Kultur der Herkunftsländer aufzunehmen und mit allen zu besprechen. Das.. Ich habe keine quantitativen Angaben dazu. Ich weiß, dass das alle Lehrer machen.. mehr oder weniger. Aber es gibt jene, die den Diskurs zur interkulturellen Erziehung mehr vertiefen als andere.
(Quelle: LUR: Z 197-207)
156
Näheres dazu siehe Kapitel 1.
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Seinen Angaben zufolge findet keine Überprüfung der Umsetzung „interkultureller Maßnahmen“ statt und er betont, keine diesbezüglichen Informationen zu besitzen: LUR: E direi che..tutti gli insegnanti fanno.. un po’ di educazione interculturale. (accentata) Quanto, non lo so dire. I: Ho capito.. Cioè comunque, non..no..non c’è [uno..] insegnamento sistematico..? LUR: [Certo!] No, c’è, c’è nel nostro piano dell’offerta formativa! I: Mh.. LUR: Eh, eh, dopo non c’è un controllo di quanto eeeh venga fatto.
LUR: Und ich würde sagen, dass..alle Lehrer.. ein bisschen interkulturelle Erziehung betreiben. (betont) Wie viel, das kann ich nicht sagen. I: Ich habe verstanden.. Das heißt auf jeden Fall, dass es kein..nicht..keinen [systematischen] Unterricht (dazu - Anm.d.Verf.) gibt..? LUR: [Sicher! ] Nein, den gibt es, den gibt es in unserem Lehrplan! I: Mh.. LUR: Äh, äh, aber es gibt keine Kontrolle, inwieweit äääh das umgesetzt wird.
(Quelle: LUR: Z 224-234) Neben diesen Direktaussagen zum Konzept der „interkulturellen Vermittlung“ und dessen Umsetzung in Luzzaras Grundschule bietet die Darstellung des Klassenalltags Einblicke in die Implementierung diesbezüglicher Maßnahmen. Im Bereich des rein katholischen Religionsunterrichts der Grundschule stellt sich die Situation wie folgt dar: Während der Schulleiters (LUR) betont, dass die Zuwandererschüler, die den Religionsunterricht nicht besuchen wollen, die Klasse verlassen, ist den Aussagen der lokalen Caritas-Vertreterin (LUZ) sowie der befragten Schüler zu entnehmen, dass Kinder mit Migrationshintergrund im Klassenzimmer verbleiben (LUAu: Z 542-559; LUIS1: Z 228-262; LUIS2: Z 192-244; LUR: Z 98-104; LUZ: Z 505-526). Der Rektor der Grundschule hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass es sich dabei um ein rein „organisatorisches Problem“ handelt, dass sie gelöst haben. Er ruft aus, dass noch nie Eltern mit Migrationshintergrund zu ihm gekommen sind, um sich wegen des Religionsunterrichts zu beschweren, und dass obwohl sie viele Moslems haben: LUR: (…) Lei consideri che il 26% di bambini stranieri che non fa la religione eeh cattolica..
LUR: (…) Beachten Sie, dass 26% der ausländischen Kinder nicht die ääh katholische.. Religion besuchen..
I: Sì..?
I: Ja..?
LUR: Quando la religione cattolica è obbliga-
LUR: Während die katholische Religion für zwei
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toria per due ore la settimana.. e in queste due ore o in questo orario loro escono dalla classe.. è un problema organizzativo che abbiamo risolto. Nessun genitore straniero è mai venuto qui a lamentarsi per la religione! E consideri che abbiamo molti musulmani! ..Eeeh, (con enfasi) sappiamo il conflitto fra religioni che c’è fra musulmani e cattolicesimo. Non è (accentata) mai emerso un problema.
Stunden in der Woche obligatorisch ist.. und in diesen zwei Stunden oder in diesem Zeitplan verlassen sie die Klasse.. Das ist ein organisatorisches Problem, das wir gelöst haben. Kein ausländisches Elternteil ist jemals hierher gekommen, um sich über die Religion zu beschweren! Und beachten Sie, dass wir viele Moslems haben! ..Äääh, (mit Betonung) wir wissen um den Konflikt zwischen den Religionen, der zwischen den Moslems und dem Katholizismus besteht. Es ist (betont) nie ein Problem aufgetaucht.
I: Non si sono ma presentati [qua.] I: Sie sind hier nie vorstellig [geworden]. LUR: [No! No.] Proprio per.. Eeh, soprattutto.. quando.. vengono i nuovi iscritti, noi chiediamo: “volete la religione cattolica, volete la non religione, volete attività alternative?” Non abbiamo (accentata) mai incontrato un problema!
LUR: [Nein! Nein]. Gerade weil.. Ääh, besonders.. wenn.. die Neueinzuschreibenden kommen, fragen wir: „Wollt ihr katholische Religion, wollt ihr die Nicht-Religion, wollt ihr alternative Aktivitäten?“ Wir haben (betont) nie einem Problem begegnen müssen!
(Quelle: LUR: Z 98-113) Während der Besuch des katholischen Religionsunterrichts demnach für zwei Stunden in der Woche obligatorisch erscheint, verlassen Schüler anderer Konfessionen den jeweiligen Klassenraum. Im Gegensatz dazu beschreiben LUAu, LUIS1, LUIS2 und LUZ, dass kein Ersatzunterricht stattfindet und die jeweiligen Schüler in der Klasse bleiben und malen, schreiben oder lesen (LUAu: Z 542-559; LUIS1: Z 228-262; LUIS2: Z 192-244; LUZ: Z 505-526): B: Sì, facciamo tutto. Solo che religione che non faccio.
B: Ja, wir machen alles. Nur Religion, das mache ich nicht.
I: Mh.
I: Mh.
B: Perché non lo so.
B: Weil ich das nicht weiß.
I: Come non lo sai? (ride)
I: Wie du weißt das nicht? (lacht)
P: (ride)
P: (lacht)
B: Non riesco a fare.
B: Ich kann sie nicht machen.
I: E cosa fai, se non fai religione cattolica?
I: Und was machst du, wenn du nicht katholische Religion machst?
B: Eh, facciamo un disegno, noi tutti indiani della nostra classe.
B: Äh, wir malen ein Bild, wir alle Inder in unserer Klasse.
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I: Aah. I: Aah. B: Quando loro fanno religione. B: Wenn sie Religion machen. I: Aah. I: Aah. B: E noi siamo in coppia e poi di- disegniamo. I: Ma rimanete in classe oppure c’è un’altra classe..?
B: Und wir sind zu zweit zusammen und dann ma- malen wir.
B: Nella classe, sì.
I: Aber bleibt ihr dazu in der Klasse oder gibt es da eine andere Klasse..?
I: Nella classe rimanete.
B: In der Klasse, ja.
B: In quel tavolo, (dove) c’è…là in fondo della classe..e ci sediamo lì.
I: Ihr bleibt in der Klasse. B: An dem Tisch, dort (wo).. dort hinten in der Klasse..und wir setzen uns dorthin.
(Quelle: LUIS1: Z 228-258) Neben der geringen Rolle anderer Konfessionen als der katholischen im Klassenalltag soll im Folgenden die Thematisierung der Herkunftskontexte und die Relevanz der Herkunftssprachen von Zuwandererschülern in der Grundschule von Luzzara untersucht werden. Dem interviewten Schulleiter (LUR) zufolge dominiert der Gebrauch der Herkunftssprache den Lebensalltag der Zuwandererschüler: „Anche perché poi questi bambini fuori dalla scuola tornano a parlare la loro..lingua madre..con i loro genitori.. (…) Fratelli, amici..“ („Auch weil dann diese Kinder außerhalb der Schule wieder ihre..Muttersprache sprechen..mit ihren Eltern.. (…) Geschwistern, Freunden..“) (LUR: Z 66-71). Im institutionellen Kontext der Schule spielt die Herkunftssprache hingegen keine Rolle: Zwar gesteht LUR Schülern mit Migrationshintergrund ein Anrecht auf Erlernen „ihrer Sprache“ zu, die Grundschule jedoch, so betont er, kann sich institutionell nicht darum kümmern (LUR: Z 256-260). Nach Angaben der beiden Söhne der Zuwandererfamilien LUIS1 und LUIS2 sprechen sie im Schulalltag nur Italienisch und nie Hindi oder Urdu, auch wenn ihre besten Klassenkameraden ebenfalls einen asiatischen Hintergrund besitzen (LUIS1: Z 278-284 und Z 299-329; LUIS2: Z 316-338). Auch den Aussagen von Tochter B der Autochthonenfamilie LUAu ist zu entnehmen, dass die Fremdsprachenkenntnisse ihrer besten Schulfreundin, deren Eltern aus Indien stammen, in der Schule kaum Einsatz finden:
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I: Ho detto: ma la J., no? Che è una ragazza indiana.
I: Ich habe gesagt: aber die J., nicht? Die Inderin ist.
B: [Sì].
B: Ja.
I: E sa anche la lingua, no?
I: Und die auch die Sprache kann, nicht?
B: [Sì, sì].
B: Ja, ja.
(…)
(…)
I: Non potrebbe aiutarli un pochino, facendo qualche traduzione?
I: Könnte sie ihnen (den Neuzugängen – Anm.d.Verf.) nicht ein bisschen helfen, indem sie ein paar Übersetzungen macht?
B: Eh non se lo ricorda. Non lo sa bene. I: Non se lo ricorda?
B: Äh, sie erinnert sich nicht an die Sprache. Sie kann sie nicht gut.
B: Non lo sa bene.
I: Sie erinnert sich nicht daran?
I: Le hai chiesto qualche parola?
B: Sie kann sie nicht gut.
B: (sospira).
I: Hast du sie mal Wörter gefragt?
I: No?
B: (seufzt).
B: Non lo sa proprio.
I: Nein?
I: Ah, non lo parla proprio?
B: Sie kann sie gar nicht.
B: Ehmm…. ha un po’ un accento strano, però non lo parla.
I: Ah, sie spricht sie gar nicht? B: Ähmm…. Sie hat ein bisschen einen komischen Akzent, aber sie spricht sie nicht.
(Quelle: LUAu: Z 283-313) Neben den Herkunftssprachen scheinen auch die Herkunftskontexte der Zuwandererschüler im Klassenalltag keine Rolle zu spielen. Die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (LUL) gibt dazu an, dass deren Behandlung im Unterricht „gelegentlich“ vorkommen kann, während die beiden Söhne der Immigrantenfamilien LUIS1 und LUIS2 aussagen, noch nie in der Schule den jeweiligen Herkunftskontext behandelt zu haben und noch nie (z.B. im Rahmen der Schilderung von Ferienerlebnissen) dazu befragt worden zu sein (LUIS1: Z 264-274; LUIS2: Z 365-367 und Z 657-680; LUL: Z 346-352). Dem Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ wird demnach im erforschten Klassenalltag von Luzzara kaum entsprochen.
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Als zentrales Problem bezüglich der Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund in die Grundschule verweisen die befragten Integrationsakteure des Staates LUG, LUL und LUR sowie die Autochthonenfamilie LUAu auf mangelnde Italienischkenntnisse, welche als Ursache für einen Leistungsabfall der gesamten Klasse sowie für aggressives Verhalten auf Seiten der Zuwandererschülern genannt wird. Die Gemeindebeamtin stellt in dieser Hinsicht fest, dass durch die Anwesenheit von Schülern mit Migrationshintergrund innerhalb der Grundschule das Leistungsprofil aller Schüler nachlässt, und dass seit 2003 italienische Eltern begonnen haben, sich zu beschweren. Gleichzeitig betont sie, dass sich die Gemeindeverwaltung um eine diesbezügliche Interventionsstrategie bemüht (LUG: Z 315-339, Z 376-391 und Z 421-423). Auf die Betonung defizitärer Italienischkenntnisse durch den Schulleiter LUR und die Lehrerin LUL war bereits zuvor hingewiesen worden (LUL: Z 324-336; LUR: Z 43-50). Die Leiterin des „Sprachlabors“ bestätigt zudem auf Nachfrage die Ängste italienischer Eltern vor einer abnehmenden Qualität der Schule durch die Anwesenheit von Zuwandererschülern: I: (…) E poi magari anche le reazioni delle famiglie..
I: (…) Und dann auch die Reaktionen der Familien..
LUL: Sì. Sì. Chiaramente sì, perché se le famiglie trovano una classe, eeh dove ha un’alta percentuale, diciamo, di problematiche di base, eeh chiaramente mostrano il loro malcontento.
LUL: Ja. Ja. Natürlich ja, denn wenn die Familien eine Klasse vorfinden, ääh die einen hohen Prozentsatz, sagen wir, an Basisproblemen hat, ääh zeigen sie sicherlich ihre Unzufriedenheit.
(Quelle: LUL: Z 380-383) Explizite Hinweise auf bestehende Verständnisschwierigkeiten von Schülern mit Migrationshintergrund finden sich auch bei Tochter B der Autochthonenfamilie LUAu (LUAu: Z 204-272). In diesem Kontext stellt sie heraus, dass die Zuwandererschüler nicht ihrem Niveau entsprechen: B: (…) Ma loro san parlare un po’ l’italiano. Capiscono, ma sanno parlare poco.
B: (…) Aber sie können ein bisschen Italienisch. Sie verstehen es, aber können nur wenig sprechen. I: Mmhh.
I: Mmhh. B: Eh.. non riescono secondo me a fare le schede che facciamo noi.
(Quelle: LUAu: Z 268-272)
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B: Uund.. sie schaffen es nicht, meiner Meinung nach, die Aufgaben zu machen, die wir machen.
Tochter B berichtet zudem von einem albanischen Jungen, der die fünfte Klasse der Grundschule besucht und gänzlich aus dem Klassenleben sowie der Vermittlung des Lehrstoffes ausgeschlossen zu sein erscheint: B: C’è un bambino albanese che però non vuole fare la lezione, però viene a scuola.
B: Es gibt da einen albanischen Jungen, der jedoch nicht am Unterricht teilnehmen will, aber in die Schule kommt.
M: È in classe con te? M: Ist er bei dir in der Klasse? B: No, è in quinta. Eeeeh proprio non vuole fare lezione.. La maestra gli ha chiesto: vuoi venire a disegnare un disegno? E lui gli ha detto: “no.. voglio stare qui.. fuori dalla porta sempre.” I: E cosa fa? B: Ma gioca con delle trottoline che si chiamano Bey (Blade).. guarda il suo mazzo di carte.. I: Ma secondo te è giusto? B: No.. cioè se tu vieni a scuola, puoi far dei giochi che però ti facciano imparare.. Però devi lavorare. I: E se lui non, non, non studia, non impara, giusto? E cosa sarà di lui?
B: Nein, der ist in der Fünften. Uuuund der will einfach nicht am Unterricht teilnehmen.. Die Lehrerin hat ihn gefragt: möchtest du kommen, um ein Bild zu malen? Und er hat geantwortet: „Nein.. Ich will hier bleiben.. draußen vor der Tür, für immer.“ I: Und was macht er da? B: Ach, er spielt mit Kreiselchen, die sich Bey (Blade) nennen.. er guckt seinen Stapel Spielkarten an.. I: Ist das deiner Meinung nach richtig? B: Nein.. das heißt, wenn du zur Schule gehst, kannst du Spiele machen, aber um zu lernen.. Du musst trotzdem arbeiten.
B: …Vita in fabbrica.
I: Und wenn er nicht, nicht, nicht studiert, nicht lernt, richtig? Was wird dann aus ihm?
(…)
B: …Leben in der Fabrik.
M: In fabbrica (ride).. speriamo.. sarebbe già una buona cosa..
(…) M: In der Fabrik (lacht).. hoffen wir es.. das wäre schon eine gute Sache..
(Quelle: LUAu: Z 1055-1077) Gerade der letzte Satz des Zitates deutet auf eine allgemeine negative Einstellung der Mutter von LUAu, die sie pauschal auf Kinder und Erwachsene mit Migrationshintergrund zu projizieren scheint. Obwohl sie nicht selbst die Grundschule besucht, berichtet sie im stärkeren Ausmaß von aggressivdevianten der Zuwandererschüler bzw. deren Faulheit als ihre Tochter (LUAu: Z 490-530 und Z 964).
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Als ein weiteres Problem der Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in die Grundschule von Luzzara identifizieren die beiden Schulbeamten LUL und LUR die prekäre Geldmittellage. Während LUL allgemein die Abhängigkeit der Schule von Gesetzen und deren Finanzierung im Integrationsbereich hervorhebt, betont der Schulleiter LUR die Begrenztheit der ihnen zur Verfügung stehenden Gelder und beschwört eine mögliche Krise in der Zukunft (LUR: Z 447-485 und Z 490-502; LUL: Z 89-110): LUR: Eh, l’unica cosa.. eeh semplifico a massimo: con le sole forze nostre non ce la facciamo! Eh, questo è il punto debole. Noi abbiamo bisogno..di un minimo di aiuto..in più, data la..l’alta percentuale.
LUR: Äh, die einzige Sache..und ich simplifiziere bis zum äußersten: mit unseren Kräften allein werden wir es nicht schaffen! Äh, das ist ein Schwachpunkt. Wir brauchen..ein Minimum ..mehr an Hilfe, angesichts der..des hohen Prozentsatzes.
(Quelle: LUR: Z 447-449) Und weiter: LUR: Mah, direi che.. se aumentasse.., eeh..diventerebbe una difficile gestione. Perché un quarto di popolazione straniera.. è un dato molto forte. Eeeh può essere gestito se aumentano le risorse. Ma il ministero difficilmente fa una regola per una scuola che è ..(accentata) oltre i parametri e (accentata) oltre gli standard. Noi abbiamo..uno standard di media regionale che è del 6% di alunni immigrati. Lo standard nazionale è ancora più basso! I: Sì. LUR: Una scuola che ha il 26% non può pretendere che il ministero faccia una legge per Luzzara! E poi.. se aumentano, ci mettono in crisi! Secondo me. A meno che.. ci diano risorse eeeh aggiuntive.
LUR: Aach, ich würde sagen..wenn sie (die Anzahl an Zuwanderern - Anm.d.Verf.) ansteigt.., ääh..dann wird es schwierig, es zu steuern. Denn ein Viertel ausländische Bevölkerung.. ist ein sehr starker Fakt. Uuund das kann gesteuert werden, wenn sie die Ressourcen erhöhen. Aber das Ministerium macht nur sehr schwer eine Regel für eine Schule, die ..(betont) außerhalb der Parameter und (betont) außerhalb des Standards liegt. Wir haben..einen regionalen Durchschnitt von 6% Zuwandererschülern. Der nationale Durchschnitt ist noch niedriger! I: Ja. LUR: Eine Schule mit 26% kann nicht verlangen, dass das Ministerium ein Gesetz für Luzzara macht! Und dann.. wenn sie zunehmen, stürzen sie uns in eine Krise! Meiner Meinung nach. Es sei denn.. sie geben uns äääh zusätzliche Ressourcen.
(Quelle: LUR: Z 490-500) Das Problem der fehlenden Mittelausstattung bzw. der unsicheren Finanzierung von Gesetzen zur Förderung der Integration erweist sich dabei als ein Thema, das weder auf den Bereich der Schule, wie bereits dargestellt, noch auf die lokale Situation von Luzzara beschränkt ist.
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4.4.2b Die Integrationspolitik in der Grundschule von Rimini (RN) Als konkrete Maßnahme verweisen die beiden Befragten aus dem Schulwesen (RNR und RNL) auf die integrationspolitische Maßnahme „Organizzarsi per accogliere“. Der Schulleiter (RNR) gibt dazu an, dass es in den Schuljahren 2001/2002 und 2002/2003 umgesetzt wurde und auch 2003/2004 fortgesetzt werden soll. Es sei jedoch die befrage Vizerektorin (RNL), welche die zur Verfügung gestellten €10.300 der Maßnahme auch für die anderen beteiligten Grundschulen verwalte und die richtige Ansprechpartnerin sei (RNR: Z 197-220 und Z 255-289). Tatsächlich finden sich bei der ‚integrationsbeauftragten’ Lehrerin (RNL) detaillierte Informationen: Sie berichtet, dass sämtliche Grundschulen Riminis an dem Projekt beteiligt sind, das mit Geldern des Ministeriums für öffentliches Unterrichtswesen finanziert wird. Inhaltlich ziele es auf die Aufnahme und Eingliederung von Zuwandererschülern ab, wobei der konkrete Einsatz der zur Verfügung gestellten Mittel und die einzelnen Aktivitäten je nach Schule variierten. Nach den Angaben von RNL reichen die diesbezüglichen Tätigkeiten von Theaterkursen und Maßnahmen der Integration in der Klasse über die Bezahlung von Italienischlehrern bis zur Anschaffung von Zeitungen, Büchern und anderen Materialien. RNL resümiert, dass sich die realisierten Maßnahmen der Schulen sehr heterogen darstellen, und betont, dass ihre Verwendung allein nach dem Kriterium der Integrationsförderung erfolgt. Der Impuls zur Entwicklung des Projektes sei dabei in erster Linie auf eine gesetzliche Änderung und die damit verbundene Bereitstellung von Finanzmitteln zurückzuführen. Darüber hinaus hätte die Verfügbarkeit einer Lehrperson ebenfalls eine Rolle gespielt: Nachdem sich kein anderer Lehrer des Schulzirkels gefunden habe, der sich mit der Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund beauftragen lassen wollte, habe RNL schließlich selbst diese Aufgabe übernommen. Während die Idee zum Projekt bereits 1998 geboren wurde, sei sie selbst seit vier Jahren daran beteiligt (RNL: Z 638-680, Z 874-909 und Z 913-924; RNR: Z 283-289). Resümierend lässt sich festhalten, dass sich die Grundschule von Rimini im Bereich integrationspolitischer Maßnahmen mit anderen Schulen vernetzt. Grundsätzlich erscheinen die inhaltlichen Kenntnisse des Schulleiters (RNR) zu „Organizzarsi per accogliere“ begrenzt. Es ist vielmehr die ‚integrationsbeauftargte’ Lehrerin (RNL), in deren faktischen Verantwortung das Projekt liegt. Die enorme Bandbreite der geförderten Aktivitäten in den beteiligten Schulen erweist sich für die zentrale Fragestellung der vorliegenden Untersuchung als signifikant. Als allgemeine Integrationsstrategie der Schule berichten sowohl die befragten Akteure des Schulwesens (RNL und RNR) als auch die Adressaten
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(RNAu, RNIS1 und RNIS2) von keiner speziellen Politik, sondern der direkten Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund in die jeweiligen Klassen (RNAu: Z 498-601; RNIS1: Z 853-856 und Z 903-943; RNIS2: Z 513-528 und Z 1017-1059; RNL: Z 29-54; RNR: Z 1-13). Bei mangelnden Sprachkenntnissen erhalten Zuwandererschüler in speziellen „Sprachlaboren“157 Italienischunterricht (RNAu: Z 508-519 und Z 540-591; RNIS1: Z 916-927; RNL: Z 29-31 und Z 41-53; RNR: Z 17-20 und Z 25-41). Nach den Angaben der Leiterin der „Sprachlabore“ (RNL) existierten diese bis zum März 2003 in drei der insgesamt vier Lehranstalten des Schulzirkels. Obwohl es prinzipiell verschiedene Sprachniveaus in den „Sprachlaboren“ gebe, werden manchmal Schüler zusammen unterrichtet (RNL: Z 51-78 und Z 99-147). Während der Schulleiter (RNR) allgemein aussagt, dass es neben dem Sprachunterricht keine spezifischen Maßnahmen zur Förderung der Integration in die Klasse gibt, betont die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (RNL), dass spezielle Aktivitäten für Kinder mit Migrationshintergrund stattfinden. Beide stimmen jedoch darin überein, dass es von der jeweiligen Lehrerin abhängt, inwieweit in der Klasse integrative Maßnahmen realisiert werden (RNL: Z 5354, Z 305-307 und Z 401-442; RNR: Z 12-13 und Z 115-136). Grundsätzlich sei für die Eingliederung in die Klasse das Alter des Schülers entscheidend und nicht seine Sprachkenntnisse. In diesem Kontext betont RNL, dass es neben den Fähigkeiten des Zuwandererschülers auch den „discorso (del limite del possibile) nell’accoglienza“ (die „Argumentation um die Grenzen des Machbaren in der Aufnahme“) (RNL: Z 199-200) zu berücksichtigen gilt. In erster Linie werde versucht, einen neuen Schüler mit Migrationshintergrund an der Schule anzumelden, an der bereits ein „Sprachlabor“ existiere. Dabei sei jedoch die Lage der Klasse zu berücksichtigen: Neben den Möglichkeiten der Eltern, ihr Kind zur Schule zu bringen, und der zahlenmäßigen Stärke der Klasse sei vor allem ihre Aufnahmebereitschaft entscheidend. Bei mangelnder Integrationsfähigkeit der Klasse haben sie Schüler auch schon mal ein Jahr unter ihrem eigentlichen Schulalter eingestuft, so RNL (RNL: Z 189-223): RNL: Nel senso che se io ho..un genitore che deve iscrivere suo figlio per forza in seconda a R., l’unico vincolo che ho..è se la seconda numericamente non può ricevere quel bambino. Se lo può ricevere e e loro dicono “non lo posso accompagnare da nessun’altra ..” ..Anche se io sapessi che la seconda magari non è una classe fortemente accogliente.. o mando via il bambino o lo iscrivo, cioè non è… Se invece posso 157
Der Terminus folgt dem italienischen Original.
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RNL: In der Hinsicht, dass, wenn ich einen Elternteil habe, der sein Kind um jeden Preis in der zweiten Klasse von R. einschreiben muss, und das einzige Hindernis, das ich habe, jenes ist, dass die zweite Klasse dieses Kind zahlenmäßig nicht aufnehmen kann. Wenn sie es aufnehmen kann und sie (die Eltern Anm.d.Verf.) sagen: „Ich kann es nirgendwo sonst hin begleiten..“ ..Auch wenn ich wüsste,
scegliere fra 2 classi, ..magari, ecco, posso in quel caso, se la situazione della seconda è particolarmente complicata e proprio diventerebbe invivibile, magari se il bambino in alcuni casi non è… non ha.. non arriva dal suo paese con una presentazione..elevatissima, non ha un rendimento elevatissimo, in alcuni casi lo abbiamo abbassato di un anno. Cioè l’abbiamo messo in prima, cioè.. Ma non.. Mai più di una cosa del genere. I: Allora a causa della sua biografia, mettiamolo così? RNL: (A parte) sua biografia, ma anche tutta una serie di.., cioè oltre alle sua capacità, ..l’età e anche il dove deve andare, cioè voglio dire, la situazione…
dass die zweite Klasse nicht sonderlich aufnahmefreundlich ist.. entweder ich schicke das Kind weg oder ich schreibe es ein, d.h. es ist nicht.. Wenn ich hingegen zwischen zwei Klassen wählen kann, ..vielleicht, bitte, in diesem Fall kann ich, wenn die Situation der zweiten Klasse besonders kompliziert ist und wirklich unerträglich würde, wenn das Kind z.B. in einigen Fällen nicht ist... nicht hat.. aus seinem Herkunftsland nicht mit einem guten Auftreten ins Land kommt, nicht gehobene schulische Leistungen zeigt, dann haben wir es in einigen Fällen um ein Jahr niedriger eingestuft, d.h... Aber nicht.. Niemals mehr als das. I: Also aufgrund seiner Biographie, nennen wir es so? RNL: (Neben) seiner Biographie, auch wegen einer ganzen Reihe von.., d.h. neben seinen Fähigkeiten, .. dem Alter und wohin er gehen soll, d.h. ich möchte sagen, die Situation..
(Quelle: RNL: Z 209-223) Spezielle Integrationsaktivitäten wie multikulturelle Feste oder der Einsatz von „interkulturellen Vermittlern“ finden an der Schule nicht statt (RNAu: Z 630663; RNIS1: Z 589-633, Z 861-891 und Z 1292-1307; RNIS2: Z 365-427; RNL: Z 448-450); Bei Sprachproblemen von Neuankömmlingen mit Migrationshintergrund würden sich die Lehrerinnen selbst helfen (RNL: Z 501-503 und Z 518-527). Bei der Schilderung der Situation eines mazedonischen Schülers mit sehr geringen Italienischkenntnissen durch Sohn B der Autochthonenfamilie RNAu wird jedoch deutlich, dass dieser weder am Unterricht teilnehmen, noch sich mit seinen Mitschülern verständigen kann. Sohn B sagt in diesem Zusammenhang aus, dass besagter Schüler manchmal einfach da sitzt, in der Gegend herumschaut und Grimassen schneidet sowie dass er von seinen Mitschülern als „Idiot“ verhöhnt wird (RNAu: Z 468-601 und Z 956-1045).158 Insgesamt zeigen sich Anzeichen für eine ablehnende Haltung gegenüber Schülern mit Migrationshintergrund bzw. eine „geringe Integrationsfähigkeit“ von Klassen, auf welche die Schule kaum bzw. mit der klassenmäßigen Herabstufung von Zuwandererkindern reagiert. 158
Vor ihrem Wechsel an die im Zentrum der Untersuchung stehende Schule wurde Tochter B von RNIS1, die damals kaum Italienisch sprach, ebenfalls gehänselt. Aufgrund der unerträglichen Situation in der Klasse, so Vater P, musste seine Tochter die Schule wechseln und die Familie in eine neue Wohnung umziehen (RNIS1: Z 125-137, Z 159-165, Z 310-397 und Z 949-1050).
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Hinsichtlich des schulinternen Umgangs mit Konfessionen wird anhand der Antworten der Befragten deutlich, dass in der Schule allein katholischer Religionsunterricht angeboten wird. Ein systematischer Ersatzunterricht findet nicht statt. Schüler anderen Glaubens nehmen entweder am katholischen Religionsunterricht teil wie Tochter B von RNIS1, bleiben in der Klasse sitzen und zeichnen wie Sohn B von RNIS2 oder werden in einer Parallelklasse untergebracht wie im Falle der Klassenkameradin Rachma von Tochter B RNIS1 (RNAu: Z 418474; RNIS1: Z 206-255; RNIS2: 1032-1059). Neben der Religion der Zuwandererkinder scheint auch ihre jeweilige Herkunftssprache im Klassenkontext nur eine geringe Rolle zu spielen. Tochter B von RNIS1 sagt in diesem Kontext aus, dass sie sich schämt, in der Schule Albanisch zu sprechen. Nach der überraschten Nachfrage ihres Vaters berichtet sie im Anschluss, dass sie bei einer schulischen Veranstaltung, einen Kinderreim auf Albanisch vorgetragen hat (RNIS1: Z 419-429 und Z 456-518). Auch Sohn B von RNIS2 berichtet von einem Beispiel, bei dem er sich während des Unterrichts durch seine Arabischkenntnisse profilieren konnte. In der Interaktion mit seinen Mitschülern scheint das Arabische jedoch eine untergeordnete Rolle zu spielen (RNIS2: Z 299-302 und Z 338-363). Bestätigt werden die Aussagen von Sohn B RNIS2 von seinem Klassenkamerad und besten Freund (Sohn B von RNAu), der dazu aussagt, „Osama“159 noch nie nach arabischen Wörtern gefragt zu haben, weil es ihm „unhöflich“ vorkommt (RNAu: Z 250-286). Abschließend lässt sich festhalten, dass das Sprechen einer anderen Sprache im alltäglichen Umgang mit Klassenkameraden von den befragten Schülern als nicht vorteilhaft eingeschätzt wird. Im Gegenteil wird deutlich, dass aktive Kenntnisse des Italienischen eine unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen in der Klasse sind160: Im Falle von RNIS2 und RNAu wird der mazedonische Neuzugang nicht nur als „Idiot“ beschimpft und gehänselt, weil er kaum Italienisch spricht; Beide sagen auch unabhängig voneinander aus, dass Sohn B von RNIS2 nicht dasselbe Schicksal erleidet, weil er sich zu wehren versteht und italienische Schimpfwörter kennt (RNAu: Z 579-601, Z 956-1045 und Z 10471053; RNIS2: Z 1756-1760). Mangelnde Italienischkenntnisse führten auch bei Tochter B von RNIS1 dazu, dass sie zu Beginn ihrer Schulkarriere verhöhnt 159 Sohn B von RNAu nennt seinen besten Klassenkamerad, der aus Marokko stammt, „Osama“. Sohn B der arabischen Zuwandererfamilie RNIS2 identifiziert hingegen Sohn B von RNAu mit seinem vollen und korrekten Namen als besten Schulfreund, und auch sonst stimmen ihre Angaben überein: Beide besuchen dieselbe Klasse und berichten von nur einem Zuwandererschüler marokkanischer Herkunft. Auch nahmen laut Grundschulstatistik im fraglichen Zeitraum allein zwei Kinder marokkanischer Herkunft am Unterricht teil; Neben Sohn B von RNIS2 besucht auch seine Schwester BA dieselbe Schule. Insofern wird angenommen, dass „Osama“ in Wirklichkeit Sohn B von RNIS2 bezeichnet, auch wenn dieses nicht sein richtiger Name ist. 160 Näheres siehe auch Kapitel 5.4.3.
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wurde. In ihrer jetzigen Schule geschehe ihr das jedoch nicht (RNIS1: Z 125137, Z 159-165, Z 310-397 und Z 949-1050). Eine ähnlich geringe Relevanz scheinen die Herkunftsländer der Zuwandererschüler im Schulalltag zu spielen: In den Interviews mit den beiden Immigrantenfamilien lassen sich keine Hinweise auf eine systematische Einbeziehung ihrer Herkunftskontexte finden (RNIS1 und RNIS2: Z 280-299 und Z 338-340). In diesem Kontext entwickelt die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (RNL) im Laufe des Interviews viele Ideen, wie man die ethnozentrische Ausrichtung des Schulsystems auflockern könnte, womit sie indirekt eben diesen Ethnozentrismus Italiens zu kritisieren scheint (RNL: Z 401-423): I: E in classe come vengono affrontate queste radici culturali diverse?
I: Und in der Klasse wie begegnet man da den unterschiedlichen kulturellen Wurzeln?
RNL: Ecco! Appunto, questo, su questo ci sarebbe, secondo me, del percorso..appena avviato, ma che andrebbe continuato, ..che èèèè una questione di ottica, di punti di vista. Voglio dire, ..se..una lettura cioè del Mediterraneo, ad esempio, ..più che un Mediterraneo, ..questa è una mi-.., diciamo, nel nel quale..storicamente è vero che ci sono stati i Romani..eccetera, ma sembra quasi che da quel centro, l’Italia vada poi come un punto di vista, ma un Mediterraneo più globale, cioè nel cui si prende anche in esame, al di là della caduta dell’Impero Romano, cos’è successo, non so, del Nordafrica, cos’è successo a..50 chilometri da noi, cioè, ..nei Balcani.., in..
RNL: Ja! Genau dazu, darüber müsste man, meines Erachtens, den Verlauf.. der gerade angefangen hat, aber fortgesetzt werden müsste, ..der eine Frage der Perspektive und Einstellung ist. Ich meine, ..wenn die Leseart des Mittelmeeres z.B. über das Mittelmeer hinaus, ..das ist eine mein-.., sagen wir, in dem historisch gesehen die Römer etc. da gewesen sind, aber es scheint fast als sei dieses Zentrum der Blickwinkel Italiens; ein globaleres Mittelmeer hingegen, in dem man neben dem Fall des Imperum Romanum untersucht, was, ich weiß nicht, in Nordafrika passiert ist, ..was 50 Kilometer von uns entfernt passiert ist, d.h. auf dem Balkan.., in..
I: Nell’Albania..
I: In Albanien..
RNL: Ecco. Non solo in Albania, ma anche le altre. Cioè un attimino anche il confronto.. fra le storie. Non dico sul piccolino, però.. Per vedere.. cioè sì, le differenze, perché, secondo me, le differenze non è cheee…devono essere negate. Ma…per puntare sulle somiglianze, che invece ci sono.
RNL: Ja. Nicht nur in Albanien, aber auch die anderen. D.h. ein Augenblick des Vergleichs der unterschiedlichen Geschichte. Ich meine nicht im Kleinen, aber.. um zu sehen.. ja, die Unterschiede, weil, meines Erachtens, die Unterschiede nicht negiert werden sollten. Aber um auf die Ähnlichkeiten hinzuweisen, die es doch gibt.
(Quelle: RNL: Z 401-416) Allgemein scheint auch die Einbindung der Eltern von Zuwandererschülern bzw. ihr Kontakt mit der Institution Schule begrenzt: Von den Immigrantenfamilien nimmt Vater P von RNIS1 aufgrund mangelnder Zeit (Arbeit) nicht an den Elternversammlungen teil, während bei RNIS2 die Mutter, diese zwar zu
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besuchen scheint, aber kaum Italienisch spricht (RNIS1: Z 912-914 und Z 12921294; RNIS2: Z 528-597). In diesem Kontext schildert auch der Schulrektor (RNR) den Kontakt mit den Eltern der Zuwandererschüler als z.T. sehr schwierig: „Perché ci sono dei genitori che..ritengono di avere più diritti degli italiani.“ („Weil es darunter Eltern gibt, die.. meinen, mehr Rechte zu haben als die Italiener.“) (RNR: Z 81-82). Darüber hinaus sei es zu negativen Reaktionen von Seiten italienischer Eltern gekommen, da sich aufgrund von wiederholten Einschreibungen und Abgängen, d.h. einer hohen Fluktuationsrate im Laufe des Schuljahres, Schüler mit Migrationshintergrund in den Halbtagsklassen der Lehranstalt konzentriert haben161 (RNR: Z 86-113 und Z 134-167). Eine Spezifizierung besagter negativer Reaktionen autochthoner Eltern findet sich bei der ‚integrationsbeauftragten’ Lehrerin RNL. Allgemein verweist sie auf die komplizierte Integrationssituation der Schule, der die nötigen Ressourcen fehlten, um ihr richtig zu begegnen. Als hauptsächliches Problem identifiziert sie dabei jedoch nicht die Interaktion unter den Schülern, sondern die Ängste der Eltern: RNL: […] Perché poi l’italiano lo imparano tutti! Se non in un anno, in due anni lo imparano. ..Però l’altro problema, il fatto che in qualche modo, non dico che ci sia integrazione di culture perché (secondo me è una parola) un po’ grossa.. ma un’interazione, cioè un rapporto tra i due a livello paritario.., eeh bisogna anche che il clima sia, cioè accettato. Ad esempio, se le.. classi.. che hanno.. una percentuale notevolissima di stranieri, ..ancora all’esterno non vengono vissute.. cioè, voglio dire, su 20 bambini.., ma se di 20 bambini 5 sono stranieri.. ecco, la cosa magari crea qualche problema, il 25 %. SfinaAncora non… anche se poi effettivamente i problemi non li crea. Magari li crea ai genitori, però.. Bisogna tener conto..
RNL: […] Denn Italienisch lernen alle! Wenn nicht in einem Jahr, dann lernen sie es in zwei Jahren. ..Aber das andere Problem, der Umstand, dass sie irgendwie, ich sage nicht, dass es eine Integration der Kulturen geben muss, weil das meines Erachtens ein großes Wort ist, aber eine Interaktion, d.h. eine Beziehung zwischen den beiden auf gleichem Niveau.., ääh dazu muss auch das Klima akzeptiert werden. Zum Beispiel, wenn die.. Klassen.., die einen sehr bemerkenswerten Prozentsatz an Ausländern haben, außerhalb noch nicht erlebt werden als.., d.h., ich meine, auf 20 Kinder.., aber wenn von diesen 20 Kindern fünf Ausländer sind.. ja, das macht Probleme, diese 25%. Noch nicht... auch wenn das effektiv keine Probleme macht. Die macht es eher den Eltern, aber.. Man muss bedenken..
I: I genitori degli..
I: Den Eltern der..
RNL:
RNL: [Der Schüler.]
[Degli alunni.]
161 Im Falle einer Lehranstalt des Schulzirkels gibt es den Angaben von RNR zufolge zehn Ganztagsund fünf Halbtagsklassen. Da die Ganztagsklassen bei Erwerbstätigkeit der Eltern besonders gefragt seien, seien diese immer zahlenmäßig ausgelastet. Komme nun im Laufe des Schuljahres ein Schüler mit Migrationshintergrund dazu, werde er normalerweise in eine Halbtagsklasse eingegliedert, da diese zahlenmäßig weniger stark sei. Diese Vorgehensweise führe jedoch dazu, dass sich die Anwesenheit von Zuwandererschülern in einigen Klassen konzentriere (Siehe dazu: RNR: Z 149-167).
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I:
[Degli alunni?]
I: [Der Schüler?]
RNL: Eh, certo.
RNL: Ja, natürlich.
I: Di quelli con cittadinanza non italiana o quelli..?
I: Die nicht italienischer Staatsbürgerschaft sind oder die..?
RNL: Di quelli di cittadinanza italiana! Eh, cioè, non quelli con.. Nel senso che c’è un po’.. c’è…la la paura quasi degli stranieri
RNL: Die italienischer Staatsbürgerschaft sind! Nicht jene mit.. In dem Sinne, dass es ein bisschen.. dass es fast eine Angst vor Ausländern gibt.
(Quelle: RNL: Z 236-256) RNL führt in diesem Kontext aus, dass die Schule mit Erwartungshaltungen für das zukünftige Leben überfrachtet wird, und dass die Angst vor der Zukunft italienische Eltern dazu treibt, die schulische Karriere ihrer Kinder sehr kritisch zu verfolgen und bei möglichen Hindernissen, wie sie sich durch Zuwandererschüler oder „lebhafte“ autochthone Kinder konstituieren, negativ zu reagieren: I: E vengono soprattutto..i genitori italiani qua vengono da lei dicendo..?
I: Und sie kommen vor allem.. die italienischen Eltern hier kommen zu ihnen, um zu sagen..?
RNL: No, i genitori italiani non s- non vengono da me. Se vengono al massimo vanno dalle maestre. Però quest- queste ansie, queste paure ci son ad esempio, ci sono anche nei confronti di altri bambini ital-, di bambini italiani, non solo di stranieri, eh?! C’è un po’ questa paura…che magari i bambini un po’ vivaci, i bambini cioè che.. che sono tra l’altro sono in aumento, possano..togliere qualcosa. C’è questa paura del futuro..
RNL: Nein, die italienischen Eltern s- nicht, sie kommen nicht zu mir. Wenn sie kommen, gehen sie höchstens zu den Lehrerinnen. Aber die- diese Ängste, diese Ängste gibt es z.B. auch gegenüber anderen ital- Kindern, gegenüber italienischen Kindern, nicht nur Ausländern, ok?! Das ist so ein bisschen die Angst, ..dass ein bisschen lebhaftere Kinder, Kinder, die.. nebenher immer mehr werden, vielleicht etwas wegnehmen könnten. Da gibt es diese Angst vor der Zukunft.
(Quelle: RNL: Z 291-297) Die für Integrationsfragen verantwortlich gezeichnete Lehrerin betont, dass nicht die Kinder die Anwesenheit von allochthonen und autochthonen Schülern als problematisch wahrnehmen, sondern dass die beschriebenen Ängste vor einem Leistungsabfall von den Erwachsenen – von den Eltern wie Lehrern – herrühren und auf die Kinder zurückfallen (RNL: Z 227-256, Z 264-297 und Z 352-380).162 Ein weiteres Problem der effektiven Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen scheint zudem dadurch konstituiert, dass die im Zentrum der Un162 Im Falle der untersuchten Gemeinde Luzzaras äußert die zuständige Gemeindebeamtin (LUG) ähnliche Umstände.
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tersuchung stehende Schule durch personelle Unterversorgung gekennzeichnet ist. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass sich diesbezügliche Aktivitäten allein auf die Person RNL konzentrieren. Im Zusammenhang mit dem möglichen, zukünftigen Einsatz „interkultureller Vermittler” sagt die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (RNL) explizit aus, dass sich in einem solchen Fall eine Person speziell um das Auffinden geeigneter Fachkräfte kümmern müsste, und dass die Arbeit überhand nehmen würde, wenn sie diese Person sein sollte. Dabei identifiziert sie den Mangel an Personal als strukturelles Problem der Integrationspolitik im Schulwesen: RNL: Già la situazione è una cosa molto complicata, perché esigerebbe un po’ più di risorse…per essere fatta..per bene. Cioè perché quando la coperta è stretta, uno.. Più risorse, nel senso che magari anche..più persone, una possibilità cioè anche di.. Quindi, le risorse sono quelle che sono, quindi molte volte lei.. È limitata!
RNL: Allein die Situation ist eine sehr diffizile Angelegenheit, weil sie ein paar mehr Ressourcen verlangen würde... um richtig und gut gemacht zu werden. D.h. weil, wenn die Decke klein ist, einer.. Mehr Ressourcen auch im Sinne von .. mehr Leuten, der Möglichkeit auch.. Also, die Ressourcen sind die, die da sind, also oftmals.. Begrenzt!
(Quelle: RNL: Z 227-230) Im Kontext der Leitung ihrer „Sprachlabore“ schildert RNL zudem, dass sie zusätzliche Italienischstunden nur für eine gewisse Zeit angeboten und dies dem Rektor mitgeteilt hat, „perchéééé… poi dopo c’è tutta una serie di cose da seguire..e cioè.. Uno va in tilt anche fisico.” (“weiiiil... es eine ganze Reihe an Dingen gibt, die verfolgt werden müssen.., und dass.. Man geht auch physisch daran kaputt.“) (RNL: Z 552-553). Diese Aussagen erhärten den Eindruck, dass sich Maßnahmen zur Integration von Schülern mit Migrationshintergrund allein auf die Person von RNL konzentrieren.
4.4.3 Der faktische Status „interkultureller Erziehung“ in der Schule Allgemein ist die am weitesten verbreitete Integrationsmaßnahme im Schulwesen laut LR6 der Italienischunterricht (LR6: Z 617-761 und Z 777-794). Zudem werden Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrer sowie der Einsatz „interkultureller Vermittler“ als Instrumente der Integrationsförderung von Schülern mit Migrationshintergrund genannt. In diesem Kontext wird die geringe Mittelausstattung der Maßnahmen sowie das gehobene durchschnittliche Alter der Lehrer, das didaktischen Innovationen negativ gegenüberstehe, als problematisch hervorgehoben (LR4: Z 162-199 und Z 491-519; LR5: Z 554-594; LR6: Z 1464-1523). In Bezug auf didaktische Unterstützung des Schulbesuchs von Zuwandererschülern betont die Landesassessorin für Erziehung (LR4) die Entstehung
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von so genannten Zentren der Bildungsdokumentation (cde) (LR4: Z 252-285 und Z 294-317). Gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass die Weiterbildung der Lehrkräfte bislang auf freiwillig-individueller Interessenbasis erfolgte (LR4: Z 162-174; LR6: Z 1464-1523). Zusätzlich wird die Eigenverantwortlichkeit der Lehrer gegenüber der ‚Evaluierung’ von integrativen Maßnahmen betont (LR4: Z 326-340 und Z 491-519): LR4: (…) ..La valutazione delle fig- dei progetti di integrazione nn- io.. non è che è fatta proprio in modo preciso. Cioè, sono un po’ i docenti che…eehmm..
LR4: (…) ..Die Evaluierung der Kind- der Projekte zur Integration nn- ich.. es ist nicht so, dass sie wirklich auf eine präzise Art gemacht wird. Das heißt, es sind ein bisschen die Lehrer, die…äähmm..
I: Che? I: Die? LR4: Osservanooo, vedono un po’ le cose come vanno. Che applicano i progetti anche lì, …come posso dire, li valutano, per cui, non so, appongono via via quegli aggiustamenti, quei cambiamenti che sono necessari. È una cosa meno formale, ecco, meno formalizzata.
LR4: Beobachtennn, ein bisschen sehen, wie die Dinge laufen. So wie sie die Projekte dort auch umsetzen, …wie kann ich das sagen, sie bewerten sie, so dass, ich weiß nicht, sie fügen nach und nach die Verbesserungen hinzu, die Änderungen, die nötig sind. Die Sache ist weniger formell, also, weniger formalisiert.
(Quelle: LR4: Z 499-507) Insofern kommt der Analyse des kommunalen Schulalltags vor der Fragestellung einer „interkulturellen Erziehung“ in der Schule besondere Bedeutung zu. Ein direkter Bezug zum gesetzlich verankerten Konzept der „interkulturellen Erziehung“ findet sich insbesondere in den Ausführungen der Implementationsakteure der staatlichen Grundschule von Luzzara (LUL und LUR). Die mit Integrationsbelangen beauftragte Lehrerin (LUL) erklärt, dass man „einige Elemente der Interkulturalität“ in das Lehrprogramm der Grundschule aufgenommen hat, dessen Umsetzung sei aber allein von der Lehrkraft abhängig (LUL: Z 315-318). Ihr direkter Vorgesetzter, der Leiter der Grundschule von Luzzara (LUR), äußert sich ebenfalls kritisch zur systematischen Umsetzung des Prinzips der interkulturellen Erziehung in seiner Grundschule (LUR: Z 197-207). Eine Überprüfung der Umsetzung des Prinzips „interkultureller Erziehung“ findet zudem nicht statt (LUR: Z 224-234). Neben diesen Direktaussagen zum Prinzip der „interkulturellen Vermittlung“ bietet die Darstellung des Klassenalltags Einblicke in die Implementierung diesbezüglicher Maßnahmen. Gemäß Artikel 36, Komma 3, wird insbesondere der Schutz der Herkunftskultur und Herkunftssprache im Zuwanderungsgesetz Nr.40 von 1998 betont. In den untersuchten Bildungsinstitutionen scheinen jedoch die Herkunftskontexte
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der Zuwandererschüler sowie die Zelebrierung eines kulturellen Pluralismus in der Schule eine äußert geringe Rolle zu spielen: Grundsätzlich besäßen Schülern mit Migrationshintergrund zwar das Recht auf das Erlernen „ihrer Sprache“, die Grundschule könne sich jedoch nicht darum kümmern (LUR: Z 66-71 und Z 256-260). Die fehlende Präsenz der Herkunftssprachen im Schulalltag wird auch von den befragten Adressatenfamilien mit autochthonen und Migrationshintergrund bestätigt: In der Grundschule wird grundsätzlich Italienisch gesprochen. Nach eigenen Angaben schämt sich Tochter B von RNIS1, ihre Muttersprache Albanisch in der Schule zu sprechen. Stattdessen wird für die Gemeinde Rimini deutlich, dass aktive Kenntnisse des Italienischen eine unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen in der Klasse darstellen: Ein mazedonischer Neuzugang wird nicht nur als „Idiot“ beschimpft und gehänselt, die Klassenkameraden RNAu und RNIS2 sagen auch unabhängig voneinander aus, dass Sohn B von RNIS2 nicht dasselbe Schicksal erleidet, weil er sich (sprachlich) zu wehren versteht (LUAu: Z 283-313; LUIS1: Z 278-284 und Z 299-329; LUIS2: Z 316-338; RNAu: Z 250-286, Z 576-601, Z 956-1045 und Z 1047-1053; RNIS1: Z 419-429 und Z 456-518; RNIS2: Z 299-302, Z 338-363 und Z 1756-1760). Neben den Herkunftssprachen sind auch die Herkunftskontexte der Zuwandererschüler im Klassenalltag von geringer Relevanz. Während die interviewten Kinder mit Migrationshintergrund angeben, noch nie zum jeweiligen kulturellen oder geographischen Herkunftskontext in der Schule (z.B. bei der Schilderung von Ferienerlebnissen etc.) befragt worden zu sein, sagt die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin der Grundschule von Luzzara (LUL) aus, dass diese Thematisierung „gelegentlich“ vorkommen könne (LUIS1: Z 264-274; LUIS2: Z 365-367 und Z 657-680; LUL: Z 346-352; RNIS2: Z 280-299 und Z 338-340). Zusätzlich lassen sich in den Aussagen der Schüler und ihrer Familien keine Hinweise auf multikulturelle Feste oder ähnliche Veranstaltungen finden (LUAu: Z 412-453; LUIS1: Z 331-404; LUIS2: Z 398-472 und Z 634-642; RNAu: Z 630-663; RNIS1: Z 589-633, Z 861-891 und Z 1292-1307; RNIS2: Z 365-427; RNL: Z 448-450).163 Über die Anwendung des Gesetzestextes zur Interkulturalität im italienischen Bildungssystem hinausgehend, soll ein kurzer Einblick auf den Umgang mit Religionsfreiheit im Klassenalltag gewährt werden: In den Grundschulen der untersuchten Gemeinden wird allein katholischer Religionsunterricht angeboten. Ein Ersatzunterricht für die Angehörigen anderer Konfessionen findet nicht statt. Zuwanderschüler nicht-katholischer Religionszugehörigkeit verbleiben meist in ihren jeweiligen Klassen und zeichnen oder lesen (LUAu: Z 542-559; LUIS1: Z 228262; LUIS2: Z 192-244; LUZ: Z 505-526; RNAu: Z 418-474; RNIS1: Z 206-255; 163
Nähere Angaben finden sich in Kapitel 5.
178
RNIS2: Z 1032-1059). Während der Besuch des katholischen Religionsunterrichts für zwei Stunden in der Woche obligatorisch erscheint, sind für Zuwandererschüler keine (Ersatz-) Aktivitäten systematisch vorgesehen.164 Die im Detail dargestellten Einzelbeiträge zu integrationspolitischen Maßnahmen der Sozialpolitik und des staatlichen Schulwesens werden im Weiteren implementationswissenschaftlich untersucht.
4.5 Die Ergebnisse der Implementationsanalyse und ihre Grenzen 4.5.1 Der Nationale Fond für Migrationspolitiken (FNPM) Im Weiteren werden Politikformulierung und Politikdesign für die Realisierung integrationspolitischer Maßnahmen des italienischen ‚Integrationsfonds’ (FNPM) analysiert. Dabei wird den grundsätzlichen Reflexionen zum Symbolgehalt von Gesetzen und zur Kompetenzenverlagerung in der europäischen Migrationspolitik Rechung getragen.165 4.5.1.1 Die „Leitlinien“ der Landesregierung In den so genannten Leitlinien greift die Giunta regionale der Emilia-Romagna die drei Makroziele der italienischen Integrationspolitik – a) positive Beziehungen zu schaffen, b) gleiche Möglichkeiten des Zugangs sowie Schutz der Unterschiede zu garantieren und c) Rechte der legalen Vertretung zu sichern – auf und spezifiziert diese.166 So definiert die Landesregierung als Aktivitäten unter Punkt a): 1.) Maßnahmen, die unter den Zuwanderern ein größeres Bewusstsein für die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung in Italien, des Landes und der Gemeinde schaffen und ihr Vereinswesen stärken, 2.) die Etablierung von „interkulturellen Zentren“, 3.) die Einrichtung oder Konsolidierung von „Zuwanderungs-Observatorien“, 4.) öffentliche Aktivitäten zu Immigrationsthemen, 5.) Informationskampagnen zu den positiven Aspekten der Zuwanderung, 6.) die Unterstützung kultureller, künstlerischer und sportlicher Aktivitäten zur Wertschätzung der Herkunftsländer sowie 7.) die Unterstützung von Kommunikationsmitteln, die der multikulturellen und multilingualen Information und Bildung dienen (Regione Emilia-Romagna, 2002b).
164
Nähere Angaben finden sich in Kapitel 5. Siehe Kapitel 4.1. 166 Die sich anschließenden Spezifizierungen der „Leitlinien“ folgen in ihrem Ausdruck dem italienischen Original, um größtmögliche Authentizität zu gewährleisten. 165
179
Bereits zuvor war darauf hingewiesen worden, dass die Formulierungen der Landesregierung allgemein pauschal gehalten sind und die Zuordnung der Aktivitäten zu ihrem jeweiligen Makroziel wenig einsichtig erscheint: So werden Maßnahmen, die Immigranten Einsichten in die Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung in Italien bieten, als Bestandteil des Schaffens positiver Beziehungen bewertet, während sie gleichermaßen unter Aktivitäten der Wahrung gleicher Zugangschancen (Makroziel b) subsumiert werden könnten. Neben der unklaren Zuordnung einer Maßnahme zu ihrem jeweiligen Makroziel vermitteln auch die thematischen Spezifizierungen innerhalb eines Makroziels den Anschein von Willkürlichkeit. Unter Makroziel b) wird z.B. als Aktivität Nr.6 die Errichtung von Zentren, die sich mit dem „reperimento di soluzioni abitative adeguate“ („Auffinden geeigneter Wohnungen“) beschäftigen, aufgeführt, während als Maßnahme Nr.11 Aktivitäten zum „sostegno in materia di politiche abitative a favore degli immigrati“ („zur Unterstützung von Zuwanderern im Bereich Wohnungspolitik“) identifiziert werden. Eine Erklärung des qualitativen Unterschieds der beschriebenen Interventionen bleibt das Landesdokument dem Leser schuldig167 (Regione Emilia-Romagna, 2002b). Die Unzulänglichkeit der Vorstellung, Implementierung sei nichts anderes als der technisch–administrative Vollzug politischer Vorgaben, wird hier deutlich. Stattdessen manifestiert sich ein immanenter Interpretationsbedarf integrationspolitischer Grundlagen in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist die Landesregierung der Emilia-Romagna nach dem bestehenden System dazu aufgefordert, die vorgegebenen nationalen Makroziele inhaltlich auszufüllen. Gleichzeitig konstituiert dieser erste Schritt der Adaption nationaler Makroziele auf der Regionalebene einen Bedarf an weiteren Interpretationen auf den unteren Verwaltungsebenen. Für die kommunalen Verwaltungsbeamten, die für die Realisierung von integrationspolitischen Maßnahmen verantwortlich gezeichnet werden, lassen sich einerseits ein großer Interpretationsbedarf und andererseits ein hohes Maß an Kreativität bei der Entwicklung von Integrationsprojekten identifizieren. Wie dargestellt, wird dieses Maß nicht immer zum Vorteil effektiver Umsetzung von Integrationsmaßnahmen ausgeschöpft. Im Rahmen der Grundbedingungen integrationspolitischen Handelns sind neben den „Leitlinien“ auch die beruflichen Qualifikationen der Politikformulierer anzusprechen.
167
Eine detaillierte Darstellung der „Leitlinien“ der Landesregierung findet sich im Kapitel 3.3.3a.
180
4.5.1.2 Der berufliche Werdegang der befragten Landespolitiker und die institutionelle Entwicklung des Migrationsmanagements Die Mehrzahl der interviewten Landesvertreter stellt sich als einfache oder mehrfache Ressortwechsler dar: Vier der insgesamt sechs Befragten haben zuvor in anderen Bereichen und Berufen als ihrem jetzigen gearbeitet. So beschreibt sich der Assessor für Sozialpolitiken (LR1) als Programmierer und Mitbegründer der ‚Grünen’ Italiens, während die Assessorin für Schule und Berufsausbildung (LR4) zuvor als Assessorin für Sozialpolitik in der Gemeinde Modena sowie als Präsidentin der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheitswesen tätig gewesen ist (LR1: Z 495-556; LR4: Z 579-584 und Z 857-893). Von den beiden interviewten Büroleitern war LR3 vor den Sozialpolitiken in der Arbeitsagentur der Region und LR6 vor dem Schulwesen im Assessorat für Industrie und Handwerk beschäftigt (LR3: Z 761-780; LR6: Z 2060-2238). Allein die beiden Generaldirektoren LR2 und LR5 waren stets, wenn auch in anderen Positionen, in ihren jeweiligen Ressorts tätig (LR2: Z 843-862; LR5: Z 881-923). Die Generaldirektorin für Schule und Berufsausbildung (LR5) kommentiert diesen Umstand dahingehend, dass ihre Karrierechancen als Frau begrenzt sind: LR5: (…) ho fatto carriera in regione, mi sono quasi sempre occupata di politiche di formazione, lavoro, istruzione, eccetera. Sono ancora le politiche dove in Italia le donne riescono a far carriera. In altri settori..
LR5: (…) ich habe die Laufbahn in der Landesregierung eingeschlagen, ich habe mich fast immer um Ausbildungspolitiken, Arbeit, Schule etc. gekümmert. Das sind noch immer die Politiken, wo die Frauen in Italien Karriere machen können. In anderen Sektoren..
I: Mh.. I: Mh.. LR5: È più difficile (…) LR5: Ist es schwieriger (…)
(Quelle: LR5: Z 886-892) Der Großteil der befragten Landespolitiker hat zudem um das Jahr 2000 herum die jeweilige Position in der Giunta regionale angetreten und ist zum Zeitpunkt der Interviews seit zwei bis vier Jahren im Amt (LR2: Z 843-862; LR3: Z 761780; LR4: Z 857-893; LR5: Z 881-923). Allein der Landesassessor für Sozialpolitiken (LR1) hält seine Stellung sei dem Jahr 1995 inne, während Büroleiterin LR6 im Jahr 1996 in das Ressort Schulwesen wechselte (LR1: Z 495-556; LR6: Z 2060-2238). Nur zwei der interviewten sechs Landespolitiker geben an, vor Antritt ihrer gegenwärtigen Position beruflich Kontakte oder fachliche Kenntnisse zum Migrationsphänomen besessen zu haben (LR1: Z 495-556; LR2: Z 1219-1281; LR5: Z 881-923; LR6: Z 2060-2238). In diesem Sinne berichtet der zuständige Büroleiter für die Umsetzung von FNPM-Maßnahmen, 181
während seiner Beschäftigung in der Arbeitsagentur der Region die zunehmende Relevanz der Zuwanderung beobachtet zu haben. Die Assesssorin für Schule und Berufsausbildung (LR4) schildert hingegen ihre negativen Eindrücke aus der Anfangszeit der ‚plötzlich’ zunehmenden Immigration nach Italien (LR3: Z 761-780; LR4: Z 857-893): LR4: Nel novantuno, nel novantuno, quando facevo l’assessore alle politiche sociali..nel comune di Modena.
LR4: Im Jahr 1991, 1991, als ich Assessor für Sozialpolitiken ..in der Gemeinde Modena war.
I: Mmh.
I: Mmh.
LR4: E lì abbiamo affrontato una faseee che di fu assolutamente sconvolgente. Dove queste persone arrivavano..e avevano occupatooo ehm tutti gli edificiii abbandonati, fatiscenti nella nostra città..e vivevano in condizioni di grande degrado..e ancheee di..disoccupazione..eccetera. E lì c’è stato il fenomeno in cui, cioè c’è stata la fase in cui abbiamo cominciato ad aprire i dormitori, le strutture di prima accoglienza, i primi centri per stranieri eehmm proprio l’emergenza. Quella che abbiamo chiamato l’emergenza. Accadde a Modena e a Bologna con grande..si andava con..la polizia proprio a sgomberare queste strutture eccetera. E lì abbiamo incominciatooo..anche ad inventare degli operatori, delle professionalità, perché noi non avevamo assolutamenteee niente e nessuno..
LR4: Und dort sahen wir uns einer absolut erschütternden Phase gegenüber. In der diese Personen ankamen..und ähm sämtliche verlassenen, baufälligen Gebäude unserer Stadt besetzt hatten..und in Konditionen starker Verwilderung lebten..und auchchch der Arbeitslosigkeit..etc. Und dort war es das Phänomen, in dem, das heißt das war die Phase, in der wir begonnen haben, Sammelschlafplätze zu eröffnen, die Strukturen der ersten Aufnahme, die ersten Zentren für Ausländer äähmm der Notfall wirklich. Das, was wir Notfall genannt haben. Es geschah in Modena und in Bologna mit großen..man ging wirklich mit der Polizei los, um diese Strukturen zu räumen etc. Und dort haben wir angefangennn..auch Operateure zu erfinden, Berufsbilder, denn wir hatten absoluuut nichts und niemanden..
(Quelle: LR4: Z 864-877) Von vorherigen Erfahrungen in der Planung oder im (institutionellen) Umgang mit Migrationspolitiken berichtet keiner der Befragten. Stattdessen finden sich in den Interviews der Landespolitiker mehrere Hinweise auf substantielle Umstrukturierungen innerhalb der Giunta regionale. So berichtet Büroleiter LR3, dass die Arbeitsagentur des Landes bis zum 01.01.2000 dem Ministerium für Arbeit anhängig gewesen, dann aber direkt der Giunta unterstellt worden sei (LR3: Z 761-780).168 Auch in den beiden Ressorts, die im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen, ist es gemäß der interviewten Büroleiterin LR6 zu 168
Aus einem Interview, dass die Verfasserin mit einem leitenden Angestellten der emiliaromagnolischen Agenzia lavoro (Arbeitsagentur) geführt hat, geht hervor, dass die Entscheidungskompetenz weiterhin dem Assessorat für Arbeit, Schule und Berufsausbildung, d.h. der befragten LR4, obliegt, und die Agentur rein verwaltungsmäßigen Aufgaben nachgeht.
182
einem Wechsel der Assessoren und einem ‚Austausch’ von Aufgabengebieten innerhalb einer Legislaturperiode gekommen: So sei der Landespolitiker R. als Assessor für Berufsausbildung, Universität, Arbeit und Zuwanderung zuständig gewesen, während sich das Assessorat für Sozialpolitiken um die Sozial- und Familienpolitik, Jugendliche und das Schulwesen gekümmert habe. Im Jahr 1998, zwei Jahre vor dem Ende der Legislaturperiode, habe man dann die Kompetenzen ausgetauscht, d.h. das Migrationsfeld sei Teil der Sozialpolitiken und das Schulwesen Aufgabe des Assessors für Berufsausbildung etc. geworden. Im Jahr 2000 sei R. hingegen Assessor für Bauwesen geworden und LR1 für die Sozialpolitiken (LR6: Z 2060-2238).169 Ingesamt erscheint die Sozialpolitik der Emilia-Romagna als relatives neues Politikfeld und als System bisher wenig etabliert. Zuwanderungs- und Integrationspolitik wurden ebenfalls erst vor geringer Zeit entwickelt und sind auf Projekte ausgerichtet, die nur bedingt Kontinuität im Angebot leisten. Stattdessen bewirkt der Projektcharakter der gegenwärtigen Integrationspolitik große Differenzen zwischen den Gemeinden der Region. Zusätzlich wiesen die befragten Landespolitiker nur sehr beschränkt Erfahrungen in der Planung und Umsetzung von Migrations- und Integrationspolitiken auf. Der Inkorporierung von effizienten Evaluierungsmechanismen kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu.
4.5.1.3 Inkorporierte Evaluierungsmechanismen Hinsichtlich der Evaluierung sozialpolitischer Interventionen (wie FNPMProjekte) in der Region Emilia-Romagna räumt der zuständige Landesassessor (LR1) ein, dass dieser Aspekt in der Vergangenheit zu wenig beachtet wurde. Grundsätzlich, so betonen sowohl Assessor LR1 als auch der verantwortliche Büroleiter für FNPM-Maßnahmen LR3, haben die Provinzverwaltungen eine Beobachtungsfunktion inne. Evaluierungsmechanismen seien jedoch derzeit wenig strukturiert und entwickelt, und es gebe einen dringenden Bedarf, mehr in dieser Richtung zu unternehmen (LR1: Z 119-153; LR3: Z 154-176): LR1: Il tema della valutazione è però un tema assolutamente eeeeh rilevante, sul quale in passato, probabilmente, troppo poco abbiamo, abbiamo investito, anche dal punto di vista degli impegni istituzionali. (…)
LR1: Das Thema der Evaluierung ist aber ein Thema, das absolut ääääh relevant ist, (und) in das wir in der Vergangenheit, wahrscheinlich, zu wenig investiert haben, auch hinsichtlich des institutionellen Einsatzes. (…)
(Quelle: LR1: Z 133-135) 169 Warum der befragte LR1 angibt, seit 1995 Assessor für Sozialpolitiken gewesen zu sein, bleibt unklar. Auch der befragte Landesassessor für Bauwesen (R.) bestätigt die Angaben von LR6.
183
Und weiter: „Quello della valutazione è sicuramente uno dei temi sui quali noi dobbiamo fare di più.” (“Das Thema der Evaluierung ist mit Sicherheit eines der Themen, zu denen wir mehr machen müssen.“) (LR1: Z 122). Positiv hebt Assessor LR1 in diesem Zusammenhang die Einführung des Landesgesetzes Nr.2/03 hervor, mit dem in Zukunft mehr Mittel zur Evaluierung zur Verfügung gestellt werden (LR1: Z 119-153). Auch der zuständige Büroleiter für FNPMMaßnahmen (LR3) betont, dass mit der Auflösung des FNPM-Fonds in den Sozialfond170 ein standardisiertes Modell der Erhebung und Kontrolle für sozialpolitische Interventionen eingerichtet werden soll, das einen Vergleich der unterschiedlichen Adressatengruppen (wie ältere Menschen, Behinderte und Zuwanderer) erlaube. Nähere Angaben zur Beschaffenheit dieses Modell macht er jedoch nicht (LR3: Z 154-176). Am Beispiel der Informationsschalter für Immigranten verdeutlicht LR3 die gegenwärtige Situation der kaum berücksichtigten und nicht formalisierten Evaluierung von sozialpolitischen Maßnahmen (LR3: Z 154-176 und 213-242): I: E fin’adesso cosa c’è stato? Cioè questi moduli sono stati, sono stati fatti? Questi dati sono stati rilevati?
I: Und bis jetzt, was ist gewesen? Das heißt, diese Formulare sind die, sind die ausgefüllt worden? Sind diese Daten erhoben worden?
LR3: No, forse sono stati…ogni comune se li è tenuti per sé. Non è mai stata fatta una disamina provinciale o regionale.
LR3: Nein, vielleicht sind sie…jede Gemeinde hat sie für sich behalten. Es ist nie eine Analyse auf Provinz oder Landesniveau gemacht worden.
I: Mmh. I: Mmh. LR3: Diciamo, di questa materia. Capito? Quindi se ci sono dei dati, ogni comune se l’è tenuto per sé. Non li ha confrontati con gli altri. La mia impressione è quella lì.
LR3: Sagen wir, in dieser Sache. Verstanden? Also, wenn es Daten gibt, hat sie jede Gemeinde für sich behalten. Sie hat sie nicht mit den anderen verglichen. Das ist mein Eindruck.
(Quelle: LR3: Z 226-235) Grundsätzlich verschieden zur ‚Kontrolle’ sozialpolitischer Interventionen erscheint die Evaluierung des staatlichen Gesundheitswesens und der Berufsausbildung: In den Interviews mit den zuständigen Landesvertretern (LR2, LR4, LR5 und LR6) wird diese als „strukturiert“ und „gereift“ beschrieben. Während die einzelnen Gesundheitsbetriebe, gruppiert nach Bezirken, zu Jahresanfang mit der Landesregierung die Konditionen für die Realisierung von Maßnahmen in dem so genannten piano sanitario regionale (regionalen Gesundheitsplan) festschreiben und über ihre Umsetzung zum Ende des Jahres Rechenschaft ab170
Näheres siehe Kapitel 3.2.2b.
184
geben müssen, setzt sich die Evaluierung der berufspolitischen Interventionen aus drei Elementen zusammen: einer „mechanischen Erhebung“ des Geldverkehrs, Teilnehmerzahlen etc. sowie einem Erfahrungsaustausch zwischen den Institutionen (Land, Provinz- und Gemeindeverwaltungen) und einem Erfahrungsaustausch mit den Sozialakteuren der Region (Arbeitgebervereinigungen, Gewerkschaftsvertretungen, sozialen Kooperativen etc.) (LR2: Z 341-360 und Z 372-472; LR4: Z 467-507 und Z 729-739; LR5: Z 258-316; LR6: Z 1043-1273). Ähnlich wie im Bereich der Sozialpolitik wird auch für das Interventionsfeld der Schule die Abwesenheit einer methodischen Evaluierung von Integrationsmaßnahmen festgestellt. In diesem Kontext verlegt die zuständige Landesassessorin LR4 die Aufgabe der Erhebung und Kontrolle, analog zum Prozess der Implementierung, auf die Ebene des einzelnen Lehrers: LR4: (…) ..La valutazione delle fig- dei progetti di integrazione nn- io.. non è che è fatta proprio in modo preciso. Cioè, sono un po’ i docenti che…eehmm…
LR4: (…) ..Die Evaluierung der Kin- der Projekte zur Integration ncht- ich.. die wird nicht wirklich auf präzise Weise gemacht. Das heißt, es sind ein bisschen die Lehrer, die…äähmm…
I: Che? I: Die? LR4: Osservanooo, vedono un po’ le cose come vanno. Che applicano i progetti anche lì, …come posso dire, li valutano, per cui, non so, appongono via via quegli aggiustamenti, quei cambiamenti che sono necessari. È una cosa meno formale, ecco, meno formalizzata.
LR4: Beobachtennn, ein bisschen sehen, wie die Dinge laufen. Die die Projekte auch dort umsetzen, …wie kann ich das sagen, sie bewerten sie, so dass, ich weiß nicht, sie nach und nach die Verbesserungen vornehmen, die Änderungen, die nötig sind. Das ist eine weniger formelle Sache, also, weniger formalisiert.
(Quelle: LR4: Z 499-507) Auch Büroleiterin LR6 hebt hervor, dass die Funktion der Evaluierung integrationspolitischer Maßnahmen bis zum Jahr 2002 nicht zur Landeskompetenz gehörte, sondern dass sich dies erst mit der Verfassungsreform formell geändert hat. Jedoch sei diese gesetzliche Änderung noch nicht in die Praxis umgesetzt worden. Vehement betont sie, dass von Seiten der Landesregierung auch keine diesbezügliche Schritte vorgesehen sind, da es Aufgabe des Staates sei, entsprechende Modalitäten festzulegen (LR6: Z 258-316). Neben der mangelnden Etablierung von systematischen Evaluierungsmechanismen seitens der Landesregierung wird die Abwesenheit von Steuerungsinstrumenten auch im ermittelten Interaktionsmodell der involvierten Akteure deutlich.
185
4.5.1.4 Das Mehrebenen-Interaktionsmodell involvierter Akteure Wie bereits hinreichend dargelegt, wurde der „Nationale Fond für Migrationspolitiken“ (FNPM) mit dem Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 begründet. Seitdem sind darin die jährlichen staatlichen Finanzressourcen konglomeriert, die explizit der Integration der Zuwanderer dienen. Generell erfolgte die Verteilung der Fondgelder per Dekret des Ministerpräsidenten nach einem sozio-demographischen Schlüssel an die italienischen Regionen (siehe Grafik 4.5.1.4a, Punkt 1). Jeder einzelnen Region wurde so ein bestimmtes Budget für Maßnahmen zur Integration zuteil, das obligatorisch durch eigene finanzielle Ressourcen aufgestockt werden musste.171 Allgemein war die Prozedur der Zuweisung von Fondgeldern durch die Staatsregierung mit einem Hinweis auf die Makroziele der italienischen Integrationspolitik verbunden. Nach Bewilligung der Finanzmittel spezifizierte die Landesregierung die genannten Makroziele in ihren jeweiligen „Leitlinien“ (Punkt 2). Die Provinz leitete die „Leitlinien“ – im Sinne der „Konzertierung“ – an die Gemeinden weiter (Punkt 3). Auf der kommunalen Ebene musste nun entschieden werden, welche Maßnahmen zur Förderung der Integration von Zuwanderern als Projektvorschlag eingereicht werden sollten. Zudem musste verbindlich festgesetzt werden, welche Gemeinden zusammenarbeiten und welche Gemeinde die Zusammenarbeit koordinieren wollte. Darüber hinaus mussten andere öffentliche Einrichtungen sowie private Akteure zur Teilnahme motiviert werden, denn es besaßen diejenigen Vorschläge die größten Aussichten auf Finanzierung, welche eine Beteiligung verschiedener (Sozial-) Akteure aufweisen konnten, d.h. welche sich aus öffentlichen Institutionen (Gemeindeverwaltung, Schulen, Gesundheitseinrichtungen) und privaten Akteuren (sozialen Kooperativen, kirchlichen Organisationen oder Zuwanderervereinen) zusammensetzten.172 Die erarbeiteten Projektvorschläge der Gemeinden wurden an die jeweilige Provinzverwaltung gesandt (Punkt 4), welche sie zu so genannten Provinzplänen bündelte und an die Landesverwaltung weiterleitete (Punkt 5). Die Landesregierung prüfte die in den „Gebietsplänen der Provinzen“ aggregierten Projektvorschläge der Gemeinden und wies nach Billigung die entsprechenden Fondgelder an die Provinzen an (Punkt 6), welche sie wiederum an die koordinierende Gemeinde weiterleiteten (Punkt 7). Die Dauer des dargestellten Kooperationsvorgangs umfasste allgemein einen Zeitraum von zwei Jahren. So wurde per Ministerdekret vom 20. März 2001 der Region Emilia–Romagna 171
Seit dem Jahr 2004 werden in dieser Form keine FNPM-Maßnahmen mehr realisiert, weil der Fond im Sozialfond aufgelöst wurde. Näheres siehe: Kapitel 3.2.2b. 172 Bei Auswahl und Finanzierung eines Projektvorschlages sollten dann unter den lokalen Akteuren Kooperationsabkommen geschlossen werden.
186
€2.382.651,52 aus dem Nationalen Migrationsfond zugewiesen, welche per Beschluss der Landesregierung um €266.582,76 aufgestockt wurden, sodass für die Realisierung der Aktivitäten im Jahr 2003 insgesamt €2.649.234,28 zur Verfügung standen. Abbildung 4:
Das Interaktionsmodell involvierter Integrationsakteure (FNPM)
1.Nationaler Fond für Migrationspolitiken STATO/ STAAT
Regione/ Land 6.Fondgelder
Öffentliche Institutionen
2.Regionale Leitlinien 3.Regionale Leitlinien Comune/ Gemeinde
Private Akteure
Gemeinde
5.Provinzpläne
7.Fondgelder
4.Projektvorschläge
Provincia/ Landkreis
Gemeinde
Grundsätzlich bedingte die Inkorporierung sämtlicher Verwaltungsebenen in Italien (Staat, Land, Provinz, Gemeinde) sowie der Kooperation zwischen öffentlichen (Kommunalverwaltung, Schulen, Gesundheitseinrichtungen etc.) und privaten Akteuren (Freiwilligenverbände meist katholischer Trägerschaft, Zuwanderervereine etc.) auf lokaler Ebene eine zweijährige Prozessdauer für die Bereitstellung der Finanzressourcen für FNPM-Maßnahmen in der EmiliaRomagna. Berücksichtigt man, wie im Folgenden, explizit die verschiedenen beteiligten Hierarchieebenen der italienischen Verwaltung sowie die bestehende Aufgabenverteilung wird die enorme Verantwortung der lokalen Akteure bei der Umsetzung von FNPM-Maßnahmen deutlich (siehe Abbildung 5).
187
Abbildung 5:
Das Mehrebenen-Interaktionsmodell involvierter Akteure (FNPM)
STATO
1.Nationaler Fond für Migrationspolitiken STAAT
Regione
6.Fondgelder
5.Provinzpläne
2.Regionale Leitlinien
LAND
Provincia
7.Fondgelder 4.Projektvorschläge LANDKREIS
Comune
GEMEINDE
188
3.Regionale Leitlinien
Comune
Kooperation zw. öffentl. Institutionen & privaten Akteuren
Comune
Angesichts der expliziten Mehrebenenpolitik Italiens und der Emilia-Romagna stellt sich die Frage nach dem europäischen Bezug regionaler Politikgestaltung, der im Folgenden nachgegangen wird.
4.5.1.5 Der europäische Bezug regionaler Politikgestaltung In sämtlichen geführten Interviews mit den befragten Landespolitikern der Emilia-Romagna lässt sich ein direkter Europa-Bezug feststellen. Zum einen verweisen die interviewten Landesvertreter dabei auf bestehende europäische Finanzressourcen wie dem Sozialfond (ESF), welcher der Region als zusätzliche Geldquelle zur Verfügung steht (LR4: Z 708-712; LR6: Z 989-1010). Zum anderen wird in diesem Kontext auf das Weisungsbefugnis Brüssels bzw. auf dessen Einfluss für die zukünftige Entwicklung der Migrationsgesetzgebung verwiesen (LR1: Z 422-424; LR2: Z 1041-1048; LR6: Z 635-652 und Z 754-777). Darüber hinaus manifestiert sich eine ausgeprägte Wahrnehmung der EmiliaRomagna als europäische Region: Wird einerseits betont, dass die EmiliaRomagna zu den zehn wirtschaftlich stärksten Regionen Europas zählt und ihr ökonomisches System international wettbewerbsfähig ist (LR1: Z 393-397), so wird andererseits ihr Bezug zu Europa und weniger ihre Zugehörigkeit zum italienischen Nationalstaat hervorgehoben (LR5: 830-834): CB: Cioè, noi ci sentiamo già una regione d’Europa, molto di più che non una regione italiana.
CB: Das heißt, wie fühlen uns bereits als eine Region Europas, viel mehr als eine italienische Region.
I: Mmh.
I: Mmh.
CB: Sia per i nostri tassi di sviluppo, che per i nostri tassiii ecco..
CB: Sei es wegen unserer Wachstumsrate oder wegen unserer Ratennn/Steuernnn so..
(Quelle: LR5: Z 830-834) Dieser Identität als europäische Region entspreche ebenfalls eine Orientierung des landespolitischen Handelns an Europa (LR5: Z 838-839): CB: Ma anche perché comunque eeeh, come posso dire? La regola- cioè quel- il modo con cui noi agiamo è fortemente orientato dall’Europa.
CB: Aber auch weil jedenfalls äääh, wie kann ich das sagen? Die regel- das heißt jen- die Art und Weise, in der wir handeln, ist stark an Europa orientiert.
(Quelle: LR5: Z 838-839)
189
Worin diese Orientierung besteht, mag im Folgenden deutlich werden: Nach einem Treffen von Landesvertretern in Brüssel zu Migrationsfragen stellt der für die Koordinierung der FNPM-Maßnahmen zuständige Büroleiter (LR3) fest, dass die Zuwanderung ein allen Staaten Europas gemeinsames „Problem“ darstellt, jedoch noch keine gemeinsame europäische Politik in diesem Bereich entwickelt worden ist (LR3: Z 318-383). Insofern sieht er (noch) den Staat als mächtigste Instanz der Migration- und Sozialpolitik, befürwortet jedoch zukünftige Ermächtigungen Brüssels, der Regionen und Gemeinden: LR3: Io prevedo ancora che lo Stato, cioè.. se dobbiamo vedere: Europa, Stato, regioni, comuni, province, di gran lunga lo Stato nazionale è ancora nettamente il più forte, sia in Italia che in altri paesi. Però dire che bisogna leggermente ridurre i poteri dello Stato, aumentare quelli di Bruxelles, delle regioni, comuni.. probabilmente va nella giusta direzione.
LR3: Ich sehe voraus, dass der Staat, das heißt.. wenn wir uns ansehen: Europa, Staat, Länder, Gemeinden, Provinzen, größtenteils ist der Nationalstaat unterm Strich immer noch der stärkste; sei es in Italien oder in anderen Ländern. Aber zu sagen, dass man die Macht des Staates leicht einschränken muss, die Macht Brüssels, der Länder, Gemeinden erhöhen muss, geht wahrscheinlich in die richtige Richtung.
(Quelle: LR3: Z 819-822) Der Assessor für Sozialpolitiken der Emilia-Romagna (LR1) sagt in dieser Hinsicht aus, dass die Zugehörigkeit zur europäischen Union einen positiven Einfluss auf die Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren sowie auf die Evaluierung von sozialpolitischen Maßnahmen hat (LR1: Z 414-421). Äußerst negativ zum Stellenwert der europäischen Union äußert sich hingegen der Generaldirektor der Bereiche Sozialpolitik und Gesundheitswesen (LR2). Er diagnostiziert auf Seiten der europäischen Union eine institutionelle Krise und äußert in diesem Zusammenhang Bedenken hinsichtlich ihrer Fähigkeit, klare migrationspolitische Bestimmungen zu erlassen (LR2: Z 1072-1084 und Z 1145-1182): LR2: (…) Lì, insomma- ..il programma nazionale italiano non offre, come dire, secondo me, ..spunti su cui ancorare una qualche previsione che sia degna di di affidabilità per i prossimi anni insomma. Appunto, se a questo si aggiunge anche l’incertezza dell’Unione Europea.. I: Mmh. LR2: Secondo me, è difficile immaginare dove si stia andando. Si può certamente immaginare che aumenterà il fenomeno dell’immigrazione.
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LR2: (…) Dort, jedenfall- ..das nationale italienische Programm bietet nicht, wie sagt man, meines Erachtens, ..Anstöße, mit denen man eine Vorhersage verbinden kann, die in den nächsten Jahren der der Zuverlässigkeit Wert wäre, jedenfalls. Wenn sich damit auch noch die Unsicherheit der europäischen Union verbindet.. I: Mmh. LR2: Meines Erachtens ist es schwierig, sich
I: Sì. LR2: Questo è facile previsione (ride). Su questo ci sono pochi dubbi!
vorzustellen, wo es hingeht. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass das Phänomen der Zuwanderung zunimmt. I: Ja. LR2: Das ist eine einfache Vorhersage (lacht). Dahingehend gibt es wenig Zweifel!
(Quelle: LR2: Z 1164-1172) Neben der Analyse der Vorbedingungen und beeinflussenden Faktoren für die Umsetzung von integrationspolitischen Maßnahmen des FNPM soll nun ihr faktischer Status unter Berücksichtigung der theoretischen Grundlagen der Implementationsforschung, wie in Kapitel 4.1 dargestellt, untersucht werden.
4.5.1.6 Der faktische Status der FNPM-Maßnahmen Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird explizit kein Versuch unternommen, die enorme Vielzahl bedingender Faktoren auf der Makro- und Mikroebene in ihrer Ganzheit zu erfassen. Vielmehr werden die von den Integrationsakteuren identifizierten Umsetzungsbarrieren im untersuchten Feld dargestellt. Die Analyse zur Implementierung der FNPM-Maßnahmen orientiert sich dabei an der Übersicht Derliens (siehe Tabelle 4.1), die kreuztabellarisch politische Programmtypen ihren Realisierungsdefiziten und Ursachen gegenüberstellt. Zu welchem Programmtyp ist nun die Integrationspolitik zu rechnen? Bislang entbehrt die Politikwissenschaft eine Klassifizierung der Integrationspolitik in programmtypischer Hinsicht. Gegenwärtige Auseinandersetzungen zur Integrationspolitik sind meist deskriptiver Natur und rekonstruieren diesbezügliche Gesetzesentwicklungen und Mediendiskurse aus historisch-komparatistischer Sicht. Die Umwandlung integrationspolitischer Vorgaben in politische Programme spielt hingegen eine untergeordnete Rolle, und eine Klassifizierung in programmpolitischer Hinsicht findet nicht statt (Bade 2006; Joppke 2006; Thränhardt 2006). Demgegenüber erweist sich eine Klassifizierung des italienischen ‚Integrationsprogramms’ (FNPM) für die hier zu leistende implementationsanalytische Untersuchung als unabdingbar. Auf der Grundlage der Kreuztabelle nach Derlien (siehe Tabelle 4.1) sind die beiden ausgewählten Interventionsbeispiele – Italienischkurse für erwachsene Zuwanderer sowie Maßnahmen zur Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in die italienische Grundschule – als „pädagogische Programme“ zu klassifizieren. Der vielfach zitierte „Nationa-
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le Fond für Migrationspolitiken“ ist in diesem Zusammenhang als „TransferProgramm“ zu bezeichnen, bei dem die jeweiligen Träger der „pädagogischen Programme“ als Adressaten des Transfers angesprochen werden. Derlien selbst weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Identifizierung politischer Programmtypen allein analytischen Zwecken dient, in der Realität jedoch ein Policy-Mix im Sinne einer Vermischung oder einer Schachtelung (bei hierarchischer Anordnung) wahrscheinlicher ist (Derlien, 2006). Nach der Bestimmung des Programmtyps werden im Folgenden die sich manifestierenden Realisierungsdefizite und deren Ursachen untersucht.
4.5.1.6a Die FNPM-Maßnahmen zur Sprachförderung für erwachsene Zuwanderer Gemäß den Provinzplänen des Zeitraums 2002/2003 war sowohl für die Gemeinde Luzzara als auch für die Gemeinde Rimini die Durchführung von Italienischkursen für erwachsene Zuwanderer vorgesehen. Anhand der durchgeführten Interviews auf lokaler Ebene konnte dazu festgestellt werden, dass in der Gemeinde Luzzara kein Italienischkurs im Rahmen der FNPM-Maßnahme realisiert wurde. Die zuständige Kommunalbeamtin sprach in diesem Zusammenhang von ihrer alleinigen Entscheidungsmacht hinsichtlich seiner Implementierung und dem geringen Interesse der teilnehmenden Zuwanderer. Darüber hinaus sei ein Italienischkurs in der Gemeinde vorhanden, der mit staatlichen Geldern finanziert werde (Erwachsenenbildung). Unter dem Hinweis auf die offensichtlich fehlleitende Beschreibung des FNPM-Projektes im „Provinzplan“ verwies sie auf eine regelrechte kommunale Strategie, „per avere più spazio di manovra..“ („um größere Manövrierfreiheit zu haben..“) (LUG: Z 829). Das untersuchte Projekt „Terra di incontro“ wurde in Luzzara als Kochkurs durchgeführt, in dem auch über Empfängnisverhütung gesprochen wurde (LUG: Z 625-633, Z 659-676 und Z 704-837). Der für die Gemeinde Rimini im Provinzplan der Landesregierung beschriebene 200-stündige Sprachkurs für nigerianische Frauen konnten ebenfalls nicht realisiert werden, da sich die mit seiner Umsetzung beauftragte Zuwandererorganisation aufgelöst hatte (RNZ: Z 275-306, Z 308-316, Z 318-332 und Z 341-348).
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4.5.1.6b Die FNPM-Maßnahmen zur Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in die Grundschule Während für das Schuljahr 2002/2003 die Integration von Zuwandererkindern in die staatliche Grundschule von Luzzara durch das Lehren der italienischen Sprache und durch außerschulische Aktivitäten interkultureller Art unterstützt werden sollte („Terra di Aronne“), war in der Gemeinde Rimini im Rahmen des Projektes „Associazioni Insieme“ die Realisierung von fünf vierstündigen Kursen in italienischer Sprache sowie in der Herkunftssprache von Schülern mit Migrationshintergrund vorgesehen („Associazioni Insieme“). Für die Gemeinde Luzzara zeigte sich, dass weder Italienischunterricht noch interkulturelle Aktivitäten in der Grundschule durchgeführt wurden. Stattdessen nannten der Rektor der Grundschule (LUR) und seine für Integrationsbelange ausgewiesene Lehrerin (LUL) den Einsatz „interkultureller Vermittler“ als Bestandteil des Projektes (LUL: Z 147-157 und Z 239-252; LUR: Z 147-175). Zwar besteht die Möglichkeit des Erlernens der italienischen Sprache in einem „Sprachlabor“ der Schule (LUAu: Z 215-268; LUIS1: Z 103-130 und Z 164174; LUIS2: Z 111-119 und Z 127-173), die leitende Lehrerin wurde jedoch mit Eigenmitteln der Gemeindeverwaltung finanziert (LUG: Z 518-529, Z 568-576 und Z 619-625). Im Rahmen des riminesischen FNPM-Projektes „Associazioni Insieme“, dass neben der außerschulischen Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund die Ausweitung der Dienste des lokalen „Zuwandererzentrums“ („centro servizi immigrati“) sowie die Vermittlung lateinamerikanischer Folklore vorsah (RNI: Z 551-595), wurde bis zum Ende des Schuljahres 2002/2003 allein der Ausbau des „Zuwandererzentrum“ geleistet. Die unter dem Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung besonders relevanten Sprachkurse für Grundschüler mit Migrationshintergrund wurden nicht realisiert (RNG: Z 459487; RNI: Z 556-588 und Z 851-864; RNZ: Z 53-72, Z 151-174, Z 594-609 und Z 689-692).
4.5.1.7 Reflexionen zum Nationalen Fond für Migrationspolitiken In Hinblick auf die faktische Situation zeigt sich, dass unter die vier zitierten Projekte („Terra di incontro“ und „Terra di Aronne“ in Luzzara, „Inserimento sociale per donne nigeriane“ und „Associazioni Insieme“ in Rimini) insgesamt sieben Maßnahmen subsumiert werden, von denen zwei umgesetzt wurden. Fünf der geplanten Aktivitäten, darunter beide Sprachkurse für erwachsene Zuwanderer sowie die Maßnahmen zur Integrationsförderung von Zuwandererkin-
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dern, wurden nicht so realisiert, wie im Programm angegeben. Das bedeutet jedoch weder, dass man allgemein einen Fehlschlag des ‚Integrationsfonds’ diagnostizieren kann, noch dass in den Gemeinden keine Maßnahmen zur Integration existieren.173 Vielmehr sind die Gründe für die ausgebliebene bzw. von zeitlichen Verzögerungen geprägte Umsetzung der untersuchten Projekte vielfältiger und komplexer Natur: So war z.B. für die Gemeinde Luzzara nie die Realisierung eines Sprachkurses für erwachsene Zuwanderer vorgesehen, wie der Befragung der zuständigen Kommunalbeamtin zu entnehmen war. Seine Nennung im „Provinzplan“ ist auf die Elastizität politischer Vorgaben zurückzuführen. Als eine Ursache für die ausbleibende Realisierung von bewilligten FNPM-Maßnahmen lässt sich somit die programmatische Elastizität der emiliaromagnolischen „Leitlinien“ identifizieren. Darüber hinaus wurden seitens der Befragten die unzureichenden Finanzmittel der Sozialpolitik im Allgemeinen und des ‚Integrationsfonds’ im Besonderen thematisiert: So stuften die befragten Landespolitiker die finanziellen Ressourcen als gering und die Abhängigkeit der Maßnahmen vom Engagement zivilgesellschaftlicher Einrichtungen als hoch ein (LR2: Z 145-168, Z 178-201 und Z 203-231; LR4: Z 396-414; LR6: Z 836-900). Auch auf kommunaler Ebene spielt die defizitäre Mittelausstattung eine signifikante Rolle: Die Befragten beschrieben mangelnde Ressourcen in diesem Zusammenhang sowohl als finanzieller Natur als auch als personeller Art (LUG: Z 133-138, Z 985-1029, Z 1116-1123 und Z 1504-1515; LUL: Z 89-110 und Z 362-378; LUR: Z 447-485 und Z 487-502; LUZ: Z 575; RNG: Z 392-448; RNI: Z 539, Z 747-777, Z 948955, Z 1029-1070 und Z 1167-1183; RNL: Z 606-631 und Z 707-731). Allgemein muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass Klagen über zu geringe Mittelallokationen bzw. zu hohe Realisierungskosten mitunter das einfachste Legalisierungsinstrument für fehlende Implementationsleistungen darstellen (Müller 1980: 76-80). Die unzureichenden Finanzmittel werden angesichts einer ungewissen Anzahl an Zuwanderern und in diesem Sinne potentiellen Adressaten zusätzlich verschärft: Kapitel 2 veranschaulichte, dass von einer weitaus größeren Anzahl an Immigranten in Italien auszugehen ist als in den italienischen Migrationsstatistiken dargestellt. Zudem verdeutlichten Interviews auf lokaler Ebene, dass kommunale Verwaltungen mitunter bewusst die Entscheidung treffen, die Bindung der FNPM-Maßnahmen an einen legalen Aufenthaltstitel zu ignorieren und allen anwesenden Zuwanderern eine Teilnahme zu ermöglichen (RNG: Z 427-448). 173 Einen Einblick in die Bandbreite der bestehenden Aktivitäten zur Förderung der Integration auf kommunaler Ebene bieten die diesbezüglichen Darstellungen der ausgewählten Gemeinden. Näheres siehe Kapitel 4.3.
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Neben dieser expliziten Weigerung, die Rechtmäßigkeit des Zugangs zu FNPMMaßnahmen zu überprüfen, ließen sich auch Anzeichen dafür finden, dass in der Alltagspraxis eine Kontrolle des Aufenthaltsstatus in der Regel nicht stattfindet: Die interviewten Zuwanderer LUIL1 und LUIL2 nahmen am staatlich finanzierten Italienischkurses in Luzzara teil, ohne dass sie einen gültigen Aufenthaltstitel nachweisen mussten. LUIL1 z.B. ist in der Gemeinde nicht gemeldet (LUIL1: Z 1507-1538, Z 1571-1639 und Z 1734-1844; LUIL2: Z 14-37, Z 107-112 und Z 161-185).174 Die ohnehin in geringerem Maße in die Sozialpolitik investierten Finanzressourcen gegenüber anderen Politikfeldern wie der Gesundheitspolitik stehen demnach einer weitaus größeren Anzahl an potentiellen Adressaten gegenüber als im Prozess der Politikformulierung explizit berücksichtigt. Daneben akzentuieren sich Aspekte der unklaren Kompetenzenordnung sowohl auf der Ebene der Landesregierung als auch in den Interaktionen lokaler Integrationsakteure. Im Rahmen der Befragung der Landespolitiker trat die Überschneidung von Politik- und Tätigkeitsfeldern bei Fragen der Integration von Zuwanderern deutlich zutage und war zum Thema eines einzelnen Kapitels gemacht worden.175 Unter dem Stichwort der „Transversalität“ des Migrationsphänomens wurde die insgesamt nicht-kritische Einstellung der zuständigen Landespolitiker zur Überschneidung von Kompetenzen dargelegt: So betonte der Generaldirektor für Gesundheits- und Sozialpolitiken der Giunta regionale, dass es in bürokratischer Hinsicht eine Trennung seiner Aufgabenbereiche gibt, sie sich aber faktisch überschneiden (LR2: Z 297-322). Als Problem im Sinne einer unklaren Organisationsstruktur wurde dieses jedoch nicht direkt gewertet. Vielmehr wurde die Integration der verschiedenen Ressorts als zentrale Aufgabe zukünftiger Handlungen der Landesregierung gesehen (LR2: Z 46-57 und Z 290-339; LR5: Z 765-772; LR6: Z 1790-1835). Auf kommunaler Ebene führte die unklare Kompetenzenordnung insbesondere in der Gemeinde Rimini zu Interaktionsproblemen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren: Gemäß den Aussagen des verantwortlichen Gemeindebeamtens (RNG) waren viele bewilligte FNPM-Maßnahmen aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten unter den lokalen Projektpartnern im Frühsommer 2003 noch nicht angelaufen, da die beteiligten Akteure die koordinierende Rolle der Gemeindeverwaltung nicht anerkennen wollten (RNG: Z 493508 und Z 695-715). Demgegenüber manifestierten sich seitens der autochthonen Projektpartner (RNG und RNZ) ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Immigrantenorganisationen und „interkulturellen Vermittlern“. Der Caritas-Vertreter RNZ verlieh in diesem Kontext seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Beteiligung von Immig174 175
Eine ausführliche Darstellung des Sachverhalts findet sich in Kapitel 4.3.2.1b. Näheres siehe Kapitel 4.3.1.3.
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rantenorganisationen an FNPM-Maßnahmen zwar seitens der Landesregierung vorgeschrieben sei, jedoch der effektiven Realisierung von integrationspolitischen Maßnahmen zuwiderlaufe. Eine ähnlich negative Einschätzung gegenüber Zuwandererorganisationen äußerte der zuständige Kommunalbeamte (RNG): so würden Immigrantenorganisationen mehr Geld beantragen als sie tatsächlich brauchen und die Gemeinde, die Provinz und das Land als „Postkutsche“ ansehen, die es auszurauben gelte (RNG: Z 357-365; RNZ: Z 408-423 und Z 468-485). Dieser letzte Aspekt berührt ein Thema, das innerhalb der dargestellten Kreuztabelle zu Realisierungsdefiziten und Ursachen nach Derlien keine explizite Berücksichtigung findet. Eine derart akteursorientierte Analyse wird Gegenstand des Kapitels 5 sein. Zunächst soll jedoch der Frage nach inkorporierten Kontrollund Steuerungsinstrumenten bei der Umsetzung von FNPM-Maßnahmen nachgegangen werden. Auf der Ebene der befragten Landespolitiker kritisierte der Generaldirektor für Gesundheits- und Sozialpolitiken (LR2) die vom Land verfolgte Sozialpolitik als „Ansammlung von Interventionen“. Ihre fehle es an Planung und Überprüfung der Aktivitäten und sie werde maßgeblich von den Gemeinden voran getragen (LR2: Z 438-467). Der zuständige Landesassessor (LR1) räumt dahingehend ein, dass der Aspekt der Evaluierung in der Vergangenheit zu wenig beachtet wurde. Grundsätzlich sei den Provinzverwaltungen eine Beobachtungsfunktion zugedacht, die sich jedoch als wenig strukturiert und entwickelt darstellt (LR1: Z 119-153; LR2: Z 372-472 und Z 714-715; LR3: Z 1-12, Z 154176 und Z 226-235; LR6: Z 152-189). In der Vergangenheit hat zudem weder auf Landes- noch auf Gemeindeebene eine Qualitätssicherung der Projekte stattgefunden (LR3: Z 154-176, Z 231-242, Z 385-397, Z 409-411, Z 426-429 und Z 435-437; RNG: Z 336-371, Z 489-521, Z 623-680 und Z 717-769). Neben der nicht vorhandenen regionalen Steuerung der Projekte des ‚Integrationsfonds’ zeigt sich auf kommunaler Ebene die geringe Effizienz des bestehenden Kontrollinstrumentes (Rechenschaftsbericht) veranschaulicht werden: In den Projektgemeinden von Luzzara lagen zur Mitte des Jahres 2003 Finanzmittel des FNPM von 2001 brach, ohne dass sie seitens der Landesregierung zurückgefordert worden seien (LUG: Z 947-990 und Z 1469-1478). Insgesamt wird die defizitäre Umsetzung von Maßnahmen des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ deutlich, der dem Aufgabenbereich des Ressorts Sozialpolitik zugeordnet ist. Demgegenüber zeichnen sich die staatlichen Grundschulen auf kommunaler Ebene durch die erfolgreiche Etablierung von Einrichtungen der Sprachförderung aus. Inwieweit das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ im Schulwesen umgesetzt wurde, wird abschließend erforscht.
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4.5.2 Das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ Gemäß Artikel 36, Komma 3, wird insbesondere der Schutz der Herkunftskultur und Herkunftssprache im Zuwanderungsgesetz Nr.40 von 1998 betont. Wie bereits beschrieben, scheinen sie jedoch in den untersuchten Bildungsinstitutionen eine äußert geringe Rolle zu spielen. Im Folgenden werden die von den Befragten dargelegten Gründe dafür kurz wiedergegeben und reflektiert. 4.5.2a Identifizierte Implementationsbarrieren Das im Artikel 36, Komma 3, des Zuwanderungsgesetzes Nr.40/98 beschriebene Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ verstanden als Schutz der Herkunftssprache und Herkunftskultur von Zuwandererschülern wird gemäß den Äußerungen von Implementeuren und Adressaten nicht bzw. „mehr oder weniger“ realisiert (LUZ: Z 197-207). Anzeichen für eine systematische Umsetzung dieses gesetzlich verankerten erzieherischen Grundgedankens fanden sich in keiner der untersuchten Grundschulen der Gemeinden Luzzara und Rimini. Trotz der präzisen Bestimmung seines Inhalts im Gesetzestext, die Fragen der Elastizität und Operationalität zunächst obsolet erscheinen lässt, stellt sich die Realisierung „interkultuereller Erziehung“ als defizitär dar. Auf der Ebene der Landesregierung wurden unzureichende Finanzmittel sowie Personaldefizite im Sinne geringer didaktischer Qualifikationen als Ursache identifiziert, während auf kommunaler Ebene die Abwesenheit von Kontroll- und Steuerungsinstrumenten eingeräumt wurde (LR4: Z 162-199 und Z 491-519; LR5: Z 554-594; LR6RB: Z 1464-1523; LUR: Z 224-234; RNL: Z 53-54, Z 305-307 und Z 401442; RNR: Z 12-13 und Z 115-136). 4.5.2b Reflexionen zur „interkulturellen Erziehung“ in der Schule Mit seinem expliziten Wortlaut zum gegenseitigen Respekt und Austausch prinzipiell gleichberechtigter Kulturen definiert Artikel 36, Komma 3, sowohl Zuwanderer wie autochthone Schüler zur Zielgruppe integrativer Interventionen. Doch was wird tatsächlich im Schulalltag in dieser Richtung unternommen? Bei einem Vergleich der beiden lokalen Realitäten zeigt sich, dass sowohl in Luzzara als auch in Rimini Zuwandererschüler im Allgemeinen direkt in die jeweilige Klasse integriert werden. In beiden Grundschulen wurden „Sprachlabore“ zur Förderung ihrer Italienischkenntnisse eingerichtet, ‚integrationsbeauftragte’
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Lehrerinnen bestimmt176 sowie weiterführende Kooperationen zur Realisierung von Integrationsmaßnahmen geschlossen. Zusätzlich wurden in der Gemeinde Luzzara „interkulturelle Vermittler“ eingesetzt und eine „interkulturelle Kommission“ aus acht bis zehn Lehrern des Kindergartens, der Grundschule und Mittelstufe berufen. Die genannten Reaktionen auf die Anwesenheit von Zuwandererschülern lassen sich insgesamt als Maßnahmen des institutionellen Ausbaus (Sprachlabore, Lehrerin für Integrationsbelange, außerschulische bzw. interkommunale Kooperationen, „interkulturelle Vermittler“, „interkulturelle Kommission“) klassifizieren. Sie legen den Akzent der Integrationsleistung auf den einzelnen Zuwandererschüler: Ihm kommt die Aufgabe zu, sich in den bestehenden Klassenverband und in die Bildungsinstitution zu integrieren und Italienisch zu lernen. Vor dem Hintergrund der nicht stattfindenden Umsetzung des Prinzips „interkultureller Erziehung“ erscheint die schulische Erwartungshaltung gegenüber bzw. die Anpassungsleistung autochthoner Schüler gering. Vielmehr zeigen sich Tendenzen, bei mangelnder Integrationskraft der Klasse Zuwandererschüler ein Jahr unter ihrem eigentlichen Schulalter einzustufen (RNL: Z 189-223) und den sich manifestierenden Ängsten italienischer Eltern vor einem Qualitätsverlust der Lehre durch Kinder mit Migrationshintergrund zu entsprechen (LUG: Z 315-339, Z 376-391 und Z 421-423; LUL: Z 324-336 und Z 380-383; LUR: Z 43-50; RNL: Z 227-256, Z 264-297 und Z 352-380; RNR: Z 86-113 und Z 134-167).
4.5.3 Sozio-kulturelle Aspekte der Integrationspolitik Für die Umsetzung der FNPM-Maßnahmen sowie für das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ in der staatlichen Grundschule lässt sich grundsätzlich feststellen, dass deren Implementierung an die Entscheidungsgewalt kommunaler Staatsvertreter gebunden ist und von ihrem Einsatz abhängt: Sowohl die Kommunalbeamten als auch die Lehrkräfte der untersuchten Bildungsinstitutionen bewiesen große Autonomie bei der Implementierung integrationsfördernder Maßnahmen. Ähnliches belegt Van der Leun für die Anwendung migrationsrechtlicher Zugangsbeschränkungen gegenüber irregulären Immigranten in den Niederlanden (Van der Leun 2006): This variation first points to wide discretionary autonomy. Both organisations and individuals within these organisations have considerable room to manoeuvre. The
176 Sowohl im Falle Luzzaras als auch im Falle Riminis sind dies die beiden Leiterinnen des „Sprachlabors“.
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flip side of this discretion is arbitrariness. Whether a person is helped or sent away can depend upon an individual, which is seen by many as unfair. (Van der Leun 2006: 319)
Als Folge der weitestgehenden Verfügungsgewalt (staatlicher) lokaler Integrationsakteure variiert die faktische Integrationspolitik auf kommunaler Ebene deutlich. Einen einheitlichen Standard von Integrationsmaßnahmen im Gebiet der Region Emilia-Romagna sucht man vergebens. Neben diesen realen Unterschieden im Integrationsangebot zwischen den Gemeinden manifestieren sich jedoch Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, die ebenfalls als Ergebnis der implementationspolitischen Analyse177 festzuhalten sind. Im Laufe des Kapitels konnte dargelegt werden, wie Merkmale des im Prozess der Politikformulierung bestimmten Politikdesigns auf die lokale Umsetzung von Maßnahmen einwirkten: Die ausgesprochene Elastizität der politischen Vorgaben zur Realisierung des FNPM erforderte erstens große Operationalisierungsleistungen auf kommunaler Ebene. Zweitens bewirkte die unzureichende Finanzausstattung der Sozialpolitik und des FNPM-Programms zusammen mit großer irregulärer Zuwanderung, eine weitaus größere Anzahl potentieller Adressaten in den Gemeinden als im Finanzvolumen berücksichtigt. Werden die geringen Finanzmittel per expliziten Beschluss oder durch die unterlassene Überprüfung des Aufenthaltstitels (als Zugangsberechtigung) im lokalen Politikalltag ebenfalls irregulären Zuwanderern zugänglich gemacht, führt dies die Leistungsfähigkeit der Gemeinden an ihre Grenzen. Das folgende Beispiel zeigt, wie die Anwesenheit irregulärer Saisonarbeiter aus dem Senegal in den Sommermonaten die institutionellen Unterbringungsmöglichkeiten der Gemeinde Rimini übersteigt: RNG: Esatto. Questo vale anche per gli extracomunitari. Rimini ad esempio d’estate ha un aumm- ha un aumento incredibile di.. senegalesi, ..ad esempio. Che vengono qua..eeh.. per fare la stagione.. E non hanno nessuna intenzione di essere integratiii, ..di essere…neanche unI: Ma dice per lavoro in agricoltura oppure proprio nella ristorazione? RNG: Nel turismo oppure..semplicemente…per vendere le cose in spiaggia.
RNG: Genau. Das gilt auch für die NichtEU-Zuwanderer. Rimini zum Beispiel verzeichnet im Sommer einen Anst- einen unglaublichen Anstieg von.. Senegalesen, ..zum Beispiel. Die hierher kommen, ..ääh.. um die Saison zu arbeiten.. Und sie haben keine Intention, integriert zu werdennn, ..auch nicht… I: Meinen Sie für die Arbeit in der Landwirtschaft oder im Gastgewerbe?
177 Der Ausdruck „implementationspolitische Analyse“ entspringt der Einschätzung und Behandlung des Implementierungsvorgangs als politischen Prozess im Rahmen der vorliegenden Qualifikationsarbeit durch die Verfasserin. Implementation ist Politik.
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I: Sì. Eh, eh.
RNG: Im Tourismus oder..einfach…, um Sachen am Strand zu verkaufen.
RNG: Mh. Nel turismo fondamentalmente.
I: Ja. Mh, mh.
I: Sì, sì.
RNG: Mh. Hautsächlich im Tourismus.
RNG: Eeeh, che non hanno nessuna intenzione né di essere messi in regola, né di essere integrati, perchéé nei loro scopi è quello di fare, ..non so, uno, due, tre stagioni al massimo..e con quello che guadagnano di tornare a casa.
I: Ja, ja.
I: Mh. RNG: …Questo comunque comporta da parte di Rimini uno sforzo grosso! Sia come centri di accoglienza, ostelli.., queste cose qui.. che però spesso non vengono riconosciute..eeh..dalla Regione nelle statistiche..
RNG: Äääh, die nicht die geringste Intention haben, sich regularisieren oder integrieren zu lassen, denn ihr Ziel ist es, ..ich weiß nicht, ein, zwei, drei Saisons maximal hier zu arbeiten..und mit dem, was sie verdienen nach Hause zurück zu kehren. I: Mh. RNG: …Das bringt für Rimini auf jeden Fall eine große Anstrengung mit sich! Sei es hinsichtlich der Aufnahmezentren, Herbergen.., diese Dinge hier.., die jedoch oft nicht anerkannt werden..ääh..vom Land in den Statistiken..
(Quelle: RNG: Z 392-414) Da irreguläre Zuwanderer von den Migrationsstatistiken nicht erfasst werden, werden sie in der Verteilung des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ (FNPM) nicht berücksichtigt. Darüber hinaus bedingt drittens die bestehende Organisationsstruktur des ‚Integrationsfonds’ zeitliche Koordinationsprobleme in den Gemeinden, wie sie durch die beiden zuständigen Kommunalbeamten (LUG und RNG) sowohl für Luzzara als auch Rimini identifiziert wurden. Viertens sehen sich die Kommunen durch den (expliziten) Verzicht auf effektive Kontroll- und Steuerungsinstrumente mit der Herausforderung einer Qualitätssicherung konfrontiert, die sie aufgrund eines hohen lokalen Handlungsdrucks und der wenigen Zeit zur Reflexion nicht leisten können (LUG: Z 947-990 und Z 1469-1478; RNG: Z 336-371, Z 489-521, Z 623-680 und Z 717-769):
I: Mmh.
RNG: Gerade da..hätte man es wahrscheinlich..ääh anders machen können. Das heißt, es ist so gewesen, dass.. Als wir „zwischen zwei Welten“ gemacht haben, hat es sich als schwierig herausgestellt, die Vereine in ein Netzwerk einzubinden.
RNG: ..Quando si è presentato il bando
I: Mmh.
RNG: Proprio lì..probabilmente..eeh si poteva fare in maniera diversa. Cioè è stato così che.. Quando abbiam fatto “tra due mondi” è stato difficile mettere le associazioni in rete.
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dell’anno successivo, eeh la provincia sinceramente è arrivata un pochettino in ritardo..con noi. Noi in quel momento..sicuramente è colpa anche nostra, eh?! Avremmo potuto.. ehmm.. impegnarci in maniera tale da eh preparare il terreno prima per le associazioni, no?! Eeeh… però, insomma, ..per un ritardo o per l’altro non.. questo non è stato fatto. Quindi..abbiam cercato di..riunire le associazioni, no?! Abbiam fatto due o tre riunioni con tutte le associazioni spiegando eehmm i fondi, no?! Perché arrivanooo, a cosa servono e queste cose qui.. Però poi alla fine i progetti che sono stati presentati.. eeh sono stati più o meno accettati quasi tutti. …E secondo me, parere personale, questo non va bene. I: Mh. RNG: Cioè, ..bisogna entrare nel merito della qualità del progetto!
RNG: ..Als die Ausschreibung für das Folgejahr vorgestellt wurde, ääh hat sich die Provinz ehrlich etwas mit uns verspätet. Wir in jenem Moment, ..sicherlich ist das auch unsere Schuld, nicht?! Wir hätten.. ähmm.. uns in der Weise verdingen müssen, äh zuerst den Boden für die Vereine vorzubereiten, nicht?! Äääh… aber, jedenfalls, ..aus der einen oder der anderen Verspätung heraus nicht.. wurde das nicht gemacht. Insofern, ..haben wir versucht, die Vereine zu versammeln, nicht?! Wir haben zwei oder drei Versammlungen mit allen Vereinen abgehalten und äähmm den Fond erklärt, nicht?! Warum die Gelder ankommennn, wozu sie dienen und diese Sachen hier.. Aber dann wurden letztlich die Projekte, die vorgeschlagen wurden, ..ääh sie wurden mehr oder weniger fast alle akzeptiert. …Und meines Erachtens, das ist meine persönliche Meinung, ist das nicht in Ordnung. I: Mh. RNG: Das heißt, ..man muss die Qualität des Projektes berücksichtigen!
(Quelle: RNG: Z 336-352) Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse zur Implementierung des FNPM-Programms und des Prinzips „interkultureller Erziehung“ im Klassenalltag, wie in diesem Kapitel dargelegt, akzentuiert sich die Frage, warum die Integrationspolitik des Landes Emilia-Romagna derartige Missstände enthält? Bereits zuvor war darauf hingewiesen worden, dass eine Trennung der Politikformulierung von der Implementierung der Wirklichkeit nicht gerecht wird. Ungelöste Dilemmata des Prozesses der Politikentwicklung können als inhärente Inkongruenzen auf die Phase der Implementierung übertragen werden. In diesem Sinne erscheint eine erneute Betrachtung der Äußerungen der befragten Landesvertreter sinnvoll. Ihren dargestellten Aussagen ist zu entnehmen, dass es gelingt, die beschriebenen Defizite in anderen Politikbereichen zu vermeiden: So stehen für den Bereich der Gesundheitspolitik deutlich mehr Gelder zur Verfügung, und sowohl das Politikfeld Gesundheit wie die Berufsausbildung zeichnen sich durch ein ausgereiftes Evaluierungssystem aus, während dieses weder für FNPM-Maßnahmen noch für den Interventionsbereich Schule besteht (LR2: Z 203-231, Z 341-360 und Z 372-472; LR4: Z 396-414, Z 467-507 und Z 729739; LR5: Z 258-316; LR6: Z 258-316, Z 836-900 und Z 1043-1273). Wenn
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aber die Leistungsfähigkeit des Systems in der Emilia-Romagna potentiell gegeben ist, birgt dann die Zielsetzung selbst entscheidende Implementationsbarrieren in sich? Dazu bietet der Rückblick auf das nationale Zuwanderungsgesetz und die Reflexion seiner Makroziele Aufschluss. Als Intention der italienischen Integrationspolitik gilt: a) positive Beziehungen zu schaffen, b) gleiche Möglichkeiten des Zugangs sowie den Schutz der Unterschiede zu garantieren und c) Rechte der legalen Vertretung zu sichern. Im Hinblick auf die ausgewählten Interventionsfelder bietet sich an dieser Stelle die Diskussion des Makroziels a), des Schaffens positiver Beziehungen, für den „Nationalen Fond für Migrationspolitiken“ an. Auf „gleiche Möglichkeiten des Zugangs“ und des „Schutzes der Unterschiede“ war im Kontext der „interkulturellen Erziehung“ im staatlichen Schulwesen hingewiesen worden. Per Definition impliziert der Wortlaut des ersten Ziels der italienischen Integrationspolitik zwei Adressatengruppen, Zuwanderer und Autochthone. Umso mehr erstaunt es, dass die so genannten Provinzpläne der Projekte des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ offiziell mit dem Titel „Il Programma delle attività a favore degli immigrati previsto dal decreto legislativo 286/98“ („Das Programm der Aktivitäten zugunsten von Zuwanderern, vorgesehen gemäß Gesetzesdekret Nr.286/98“)“ bezeichnet werden.178 Die zweite logische Adressatengruppe, die italienische Bevölkerung, wird nicht genannt. Neben diesen rein sprachlichen Aspekten der politischen Zielbestimmung bietet auch die Analyse der bewilligten Projektvorschläge der Gemeinden, wie sie für den Zeitraum 2002/2003 in Kapitel 3.3.3a geleistet wurde, Aufschlüsse über die faktischen Adressaten integrationspolitischer Aktivitäten in der Emilia-Romagna: Deutlich tritt in den Darstellungen des regionalen FNPM-Programms die Konzentration diesbezüglicher Maßnahmen auf Zuwanderer hervor. Die Aktivitäten (der Initiativen 1, 2 und 3) konzentrieren sich auf a) die lebenspraktische Betreuung und Hilfe für Immigranten im Sinne von finanzieller Unterstützung, erleichterten Zugang zu Diensten und Unterkünften und die Einrichtung von Informationsschaltern, b) die Förderung ihrer Teilnahme am öffentlichen Leben durch vermehrte politische Partizipation und der Unterstützung ihres Vereinswesens sowie c) die Verbesserung der Eingliederung von Kindern mit Migrationshintergrund in die Schule.179 Peripherer Relevanz bzw. indirekter Natur erscheint die Förderung positiver Interaktionen zwischen Zuwanderern und Autochthonen. Die bewilligten Interventionen der Region Emilia-Romagna richten sich maßgeblich und in erster Linie an Immigranten und deren Kinder. Desweiteren erweist sich die Umsetzung „interkultureller Erziehung“ im staatlichen Schulwesen als defizitär. 178 179
Weitere Informationen finden sich in Kapitel 3.3.3. Detaillierte Informationen finden sich unter Kapitel 3.3.3a.
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Stattdessen erscheint die Praxis der schulischen Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund verbreitet. Liegt demnach hinsichtlich der Aspekte zur kulturellen Annäherung von Zuwanderern und Autochthonen im Sinne der eingängigen Definition von Blankenburg eine „symbolische Politik“ vor? Welcher Wahrnehmung folgt Integrationspolitik in Wirklichkeit? Derartige Fragestellungen lassen sich letztlich nur durch eine Analyse der Situationsdefinition bzw. der kollektiven Deutungsmustern von Politikformulierern und Implementeuren beantworten. Sie erweitern insofern die herkömmliche Implementationsforschung um die Akteursorientierung von Handelnden im Politikalltag.
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5 Auf dem Weg zur akteursorientierten Implementationsforschung: Situationsdefinitionen und kollektive Orientierungen zu Zuwanderern und Zuwanderung
Alles Erkennen ist ein Prozess zwischen dem Individuum, seinem Denkstil, der aus der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe folgt, und dem Objekt. Ludwik Fleck zitiert nach Birgit Griesecke, 2002
Seinem allgemeinen Gebrauch und Verständnis nach umfasst der Prozess der Wahrnehmung zwei Aspekte: Er bezieht sich einerseits auf den ‚natürlichen’ Vorgang des Wahrnehmens, d.h. auf die angeborene Fähigkeit des Menschen, etwas sensorisch (visuell, auditiv etc.) zu erfahren. Andererseits folgt diesem Vorgang üblicherweise eine Einordnung des sinnlich Erlebten in den persönlichen Erfahrungshorizont: Das Wahrgenommene wird subjektiv interpretiert, beurteilt und definiert. Diesen individuellen und gesellschaftlichen Definitionen im Bereich der Zuwanderung sowie kollektiven Orientierungsmustern gegenüber Zuwanderern, wie sie sich in den Interviews der Befragten akzentuieren, soll im Weiteren nachgegangen werden.
5.1 Theoretische Grundlagen zu handlungsleitenden Situationsdefinitionen und kollektiven Orientierungsmustern Aus soziologischer Perspektive lässt sich der Prozess der Situationsdefinition in individuellen und gesellschaftlichen Dimensionen betrachten. Auf die individuelle Ebene verweist z.B. das Thomas-Theorem, während das Konzept der selffulfilling prophecy die gesellschaftliche Ebene berührt. Die beiden Dimensionen der Situationsdefinition lassen sich inhaltlich wie folgt darstellen. Primär die individuelle Ebene adressierend, beruht das Thomas-Theorem auf der Annahme, dass Menschen ihr Handeln danach ausrichten, wie sie eine Situation subjektiv wahrnehmen und deuten. Dies geschieht weitestgehend unabhängig von deren tatsächlichen Beschaffenheit und Charakter. Die von den Beteiligten jeweils getroffene Definition der Situation hat dabei unmittelbare
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Auswirkungen auf ihr Handeln (Fuchs-Heinritz et. al. 1994: 681). In den Worten des Soziologen W.I. Thomas klingt das wie folgt: „If men define situations as real, they are real in their consequences.“ (Thomas 1928, zitiert nach FuchsHeinritz et. al. 1994: 681). Esser weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Begriff der Situation in der Soziologie nicht sehr klar definiert ist. Seinen Angaben zufolge identifizierte Thomas als grundlegende Bestandteile einer sozialen Situation gegebene äußere Bedingungen, nach denen der Einzelne handeln muss (als die Gesamtheit gesellschaftlicher Werte, Normen, Rollenvorschriften etc., die in dem bestimmten Moment direkt oder indirekt auf das Bewusstsein des Individuums einwirken) sowie die inneren Einstellungen des Akteurs (Esser 1999: 35f).180 Esser selbst stellt den komplexen Prozess der Situationsdefinition auf individueller Ebene wie folgt dar: Im Augenblick einer gegebenen Situation wählt der Akteur auf der Grundlage der elementaren Situationsbestandteile, d.h. den äußeren Bedingungen und inneren Einstellungen, ein Verhaltensmodell aus. Dieser Selektionsvorgang lässt sich laut Esser in drei Teilprozesse unterteilen: in a) der „Vorgeschichte der äußeren und inneren Bedingungen“, b) der „Kognition“ und c) der „eigentlichen“ subjektiven Definition der Situation als Auswahl einer Orientierung. Mit dem Begriff der „Vorgeschichte“ verweist Esser auf die Entstehungsgeschichte der äußeren und inneren Bestandteile der Situation. Mit der „Genese der äußeren Bedingungen“ bezeichnet er die Gesamtheit aller Prozesse der Entwicklung sozialer Strukturen, in deren Umfeld oder Verflechtungszusammenhang die aktuellen Ereignisse stattfinden und an deren Entstehung der Akteur möglicherweise selbst einen Beitrag geleistet hat. Unter der „Vorgeschichte“ der inneren Bedingungen versteht er den vorangegangenen Erwerb des Wissens, der Einstellungen, die Identitätsbildung des Akteurs etc.. Die von ihm so genannten Ergebnisse der Vorgeschichte stellen dann in der aktuell gegebenen Situation unverrückbare Eckpfeiler dar, innerhalb denen alle darauf folgenden Prozesse stattfinden. Den Vorgang der „Kognition“ unterteilt Esser in die drei Elemente des Erfahrens der Umstände einer Situation, der selektiven Wahrnehmung und der subjektiven Konstruktion der Wirklichkeit. Im Kognitions-Prozess erlebt der Akteur (zunächst eher passiv) die objektiven Bestandteile einer Situation, die jedoch nicht in ihrer Gesamtheit in seiner Wahrnehmung ihren Widerhall finden. Vielmehr werden einige Elemente verstärkt, andere kaum wahrgenommen. Auf der Grundlage seiner selektiven Wahrnehmung konstruiert der Akteur schließlich sein subjektives Bild der Realität. Durch dieses komplizierte Zu180 Esser unterscheidet nicht weniger als sechs verschiedene Leserarten des Thomas-Theorems (Esser 1999: 170ff).
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sammenspiel von Außenwelt, Sinnesorganen, Gehirn etc. tritt der Akteur mit seiner sozialen wie nicht-sozialen Umwelt in Kontakt. Im dritten Teilprozess der „Orientierung“ wählt der Akteur (mehr oder weniger bewusst) aus einer Vielzahl möglicher Alternativen ein Situationsmodell aus, welches in vereinfachender, strukturierender Weise den Typ, das Ziel und den Sinn der Situation festlegt. In diesem Vorgang wird verbindlich das Programm für das weitere Handeln des Akteurs bestimmt. Laut Esser sind für die Orientierung des Handelnden die in einer Situation gegebenen Symbole von besonderer Bedeutung. Durch sie erhält der Akteur die Information, wie groß die Wahrscheinlichkeit für die Geltung einer Situation und wie groß die Relevanz eines ausgesuchten „mentalen Modells“ ist (Esser 1999: 161-165). Das Ergebnis dieses überaus komplizierten Vorgangs ist eine simple, von vorheriger Mehrdimensionalität und Komplexität bereinigte Sicht der Situation. Insofern stellt sie die ‚Lösung’ als zu vielschichtig und problematisch empfundener Umstände dar. Durch die Vereinfachung, durch die Reduzierung des ‚Maßlosen’ auf einen Gesichtspunkt, auf ein Leitmotiv erhält die Definition der Situation ihre ordnende, orientierende und die Handlung des Akteurs bestimmende Kraft (Esser 1999: 66ff). Fast jede subjektiv getroffene Situationsdefinition ist empirisch, so unterstreicht Esser, auch Teil des Konstituierungsprozesses einer kollektiven Definition der Situation. Bei der kollektiven Konstitution bestärken sich mehrere Akteure wechselseitig in der ‚Richtigkeit’ ihrer einzelnen subjektiven Situationsefinitionen. Eine solch reziproke Bestätigung findet in Interaktionen und anderen Gruppenprozessen statt (Esser 1999: 66). Einen realitätsnahen Einblick in den Bereich der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit bieten die soziologischen Untersuchungen von Robert K. Merton, der mit seiner als self-fulfilling prophecy bezeichneten Theorie bekannt gewordenen ist. Historischer Hintergrund der self-fulfilling prophecy ist die Geschichte über den Bankrott der amerikanischen Last National Bank im Jahr 1932. An einem – später als black Wednesday bezeichnetem – Tag kamen damals Gerüchte über die angebliche Zahlungsunfähigkeit der Last National Bank im Umlauf. Viele Sparer glaubten dem Gerücht und forderten unverzüglich ihre Einlagen zurück. Die Mindestreserven des Kreditinstituts reichten jedoch nicht aus, sämtlichen Gläubigern ihre Ersparnisse augenblicklich zurückzuerstatten. Am Ende des Tages war die Bank wirklich zahlungsunfähig. Die zunächst falsche Information über die Insolvenz der Last National Bank wurde von den Menschen als wahr angenommen. Sie orientierten ihr Handeln daran und forderten ihre Einlagen zurück. Das anfänglich unwahre
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Gerücht schuf sich so seine eigene, sozial erzeugte Realität. Es wurde Wirklichkeit (Esser 1999: 2f; Merton 1968: 475-490). Diesen Prozess, in dem ein zuerst nur angenommener Sachverhalt zur Realität wird, bezeichnet Merton als self-fulfilling prophecy: The self-fulfilling prophecy is, in the beginning, a false definition of the situation evoking a new behaviour which makes the originally false conception come true. (Merton 1968: 477)
Als Grundaussage der Parabel hält er fest: The parable tells us that public definition of a situation (prophecies or predictions) becomes an integral part of the situation and thus affect subsequent developments. (Merton 1968: 477)
Öffentliche kollektive Definitionen von Situationen, so stellt Merton fest, sind integraler Bestandteil von Situationen und bestimmen das Handeln der Menschen auch über den Moment hinaus (Esser 1999: 4; Merton, 1968: 475-490). Eine detaillierte Betrachtung des Vorgangs kollektiver Situationsdefinitionen und der Entwurf eines diesbezüglichen Modells finden sich bei Esser. Esser erweitert seinen Entwurf der subjektiven Definition der Situation um zwei weitere Annahmen. Die erste Annahme besteht darin, dass das Handeln, welches sich an die subjektive Definition der Situation durch den Akteur anschließt, stets auch externe Effekte (teils symbolischer Art) zur Folge hat. Dieses Handeln stellt für den in einer Situation gegebenen anderen Akteur ein Zeichen dar, auf das er reagiert, indem er nun seinerseits die Situation subjektiv definiert und handelt. Sein (sprachliches, symbolisches etc.) Handeln dient wiederum dem ersten Akteur als Zeichen der Bestätigung oder der ‚Fehlerhaftigkeit’ seiner ursprünglichen Definition der Situation und er wird sich in seinem weiteren Handeln daran orientieren. Esser führt dies zu seiner zweiten Annahme, der „reflexiven Rückkopplung“ der Situationsdefinition. Demnach wird durch die subjektive Definition der Situation eines Individuums ein Handeln ausgelöst, welches bei ihm zu einer erneuten Situationsdefinition führt. Esser bezeichnet diesen Prozess als „dialogischen Vorgang“. Die kollektive Situationsdefinition versteht er demnach als einen dialogischen Prozess „aneinander gekoppelter und reflexiv aufeinander bezogener Orientierungen“ und skizziert ihn wie folgt (siehe Abbildung 6).
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Abbildung 6:
Die kollektive Definition der Situation nach Esser181
Akteur B/ Modell 2
Handeln/ Symbol
Situation 1
Situation 2
Situation 3
Akteur A/ Modell 1
Handeln/ Symbol
Akteur A/ Modell 2
(Quelle: Esser 1999: 169; leicht veränderte, eigene Darstellung) Der Prozess der kollektiven Definition der Situation beginnt im Schaubild in der Situation eins, in welcher Akteur A die Situation individuell subjektiv definiert. Das sich daran anschließende Handeln des Akteurs verändert die Situation in die Situation 2. Das Handeln von Akteur A stellt für Akteur B (ob von A so intentioniert oder nicht) ein symbolisches Zeichen dar. Akteur B reagiert daraufhin seinerseits auf die Situation 2 und selektiert eine subjektive Definition der Situation. Bei dieser Selektion interpretiert Akteur B die von ihm wahrgenommenen Hinweise hinsichtlich der inneren Vorgänge des Akteurs A und stellt Vermutungen darüber an, welcher Typ von Situation aktuell gegeben ist und welches „mentale Modell“ in der augenblicklichen Situation von Relevanz ist. Das Handeln von B verändert erneut die Situation. Sein Handeln ist für Akteur A ein Anzeichen dafür, wie B die Situation deutet. Findet, wie in Grafik 5.1 abgebildet, eine Einigung der beiden Akteure über das aktuell in der Situation gegebene Modell statt, d.h. entsteht ein Gleichgewicht, in dem sich die beiden Akteure durch ihr sichtbares Handeln gegenseitig in ihren jeweiligen Orientierungen 181 Den beschriebenen Vorgang der individuellen Definition der Situation stellt Esser vereinfacht als einen Schritt dar.
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bestärken, dann liegt eine stabile kollektive Definition der Situation vor.182 Bei einem Konsens über ein spezielles Situationsmodell ‚teilen sich’ die beiden Akteure demzufolge eine gemeinsame, subjektive Definition der Situation, deren Geltung sie sich fortlaufend bestätigen. Die von den Akteuren selbst konstituierte Situationsdefinition erscheint den Handelnden schließlich wie eine externe, feststehende Tatsache (Esser 1999: 167ff). Esser unterstreicht hierbei, dass sich seine Erklärung des Vorgangs der kollektiven Definition der Situation auch auf mehr als zwei beteiligte Akteure übertragen lässt. Mit seinem Modell soll es demnach möglich sein, das Entstehen von Situationsdefinitionen in größeren Gruppen zu erklären, welches ihm als die „wechselseitige Einrede bestimmter, schließlich geteilter und selbstverständlicher Vorstellungen über die Welt“ erscheit, an denen manchmal „’objektiv’ nichts Wahres dran ist“. Als Beispiel einer solch „wechselseitigen Einrede“ verweist er auf den beschriebenen Zusammenbruch der Last National Bank sowie auf die Entstehung der „Fiktion“ einer nationalen oder ethnischen Gemeinschaft, doch auch das Entstehen der öffentlichen Meinung stellt seinen Angaben zufolge einen derartigen Vorgang dar (Esser 1999: 169). Als kollektive Definition der Situation definiert Esser schließlich: Es ist die wechselseitig von Menschen über Symbole, Handlungen und Deutungen stabilisierte Konstruktion einer zwar immer nur vorgestellten, aber in ihren Wirkungen dann höchst realen, gesellschaftlichen Wirklichkeit – einer Wirklichkeit, die aus einem sehr flüchtigen Material besteht: Sinn. (Esser 1999: 169)
Nach der Schilderung der Entstehungsprozesse individueller wie kollektiver Situationsdefinitionen soll nun der Wirksamkeit dieser Kollektivorientierungen im Alltagshandeln von Sozialakteuren nachgegangen werden. In der bestehenden Vielzahl an Reflexionen zu Charakter und Genese von gesellschaftlichen Wissensbeständen ist insbesondere der von Oevermann 1973 eingeführte Begriff des „Deutungsmusters“ zentral. „Deutungsmuster“ stellen nach Oevermann für das Individuum Formen der Wahrnehmung und Interpretation der sozialen Welt sowie Schemata der Ordnung biographischer Erfahrungen dar. Gleichermaßen sind sie Instrumente zur Bewältigung von Handlungsdilemmata. „Deutungsmuster“ konstituieren dabei weitaus mehr als reine Universalmechanismen der Handlungspraxis von Akteuren. Neben ihrer inhaltlichen Bestimmung gilt es auch ihre Gebundenheit an Zeit und Raum sowie an den jeweiligen kulturellen Kontext, d.h. ihre historische und (sub-)kulturelle Spezifizität, zu berücksichtigen. „Deutungsmuster“ entstehen in Reaktion auf Krisen182 Prinzipiell kann sich laut Esser die dargestellte Sequenz ohne einen derartigen Konsens mit immer neuen Definitionen seitens der Akteure beliebig fortsetzen.
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situationen oder Zeiten der gesellschaftlichen Transition, in denen die Reproduktion bisheriger Alltagsschemata von einem abnehmenden Grenznutzen gekennzeichnet ist und zunehmend weniger Sicherheit und Erfolg verspricht. Die in solchen Situationen stattfindenden lebensweltlichen Umbruchprozesse bewirken die (zeitweise) Manifestierung von „Deutungsmustern“ als richtungsweisende Handlungskoordinaten. Doch wie lässt sich die bereichsspezifische Existenz von „Deutungsmustern“ nachweisen und ihr Inhalt rekonstruieren? Michael Meuser und Reinhold Sackmann verweisen in diesem Kontext auf die „dokumentarische Methode der Interpretation“, die Garfinkel – in Anlehnung an Karl Mannheim – für die Ethnomethodologie entwickelt hat, um die situationale Relevanz und Anwendung von „Deutungsmustern“ zu erfassen (Meuser/Sackmann 1992: 9-20). Der bereits zitierte Bohnsack entwickelt unter Rückbezug auf die „Methode der Weltanschauungsinterpretation“ nach Mannheim183 einen systematischen Zugang zu individuellen und milieuspezifischen Sinnwelten und skizziert seine „dokumentarische Interpretation von Orientierungsmustern“ wie folgt (Bohnsack 1992: 139): (…) die dokumentarische Interpretation ist genetische Interpretation oder auch Prozessanalyse. Es geht um die Rekonstruktion jenes sozialen Prozesses oder Interaktionsprozesses, in dem das Orientierungsmuster sich konstituiert hat und sich immer wieder reproduziert. Auf dem Wege einer derartigen genetischen Interpretation können Orientierungsmuster zugleich verstanden und „erklärt“ werden; (Bohnsack 1992: 139)
In theoretischer Hinsicht greift Bohnsack für seine dokumentarische Methode auf eine Analyseeinstellung zurück, die Mannheim Anfang der 1930er Jahre in Frankfurt entwickelte. Sie basiert im Wesentlichen auf der „Einklammerung“ des ‚objektiven’ Wahrheitsgehalts sozialer Tatsachen zugunsten der Hinwendung auf die Frage, wie und durch welche Prozesse kulturelle und gesellschaftliche Tatsachen als solche konstituiert werden. Mannheim gilt Bohnsack inso183
Mannheim verweist auf die Gebundenheit, das „Verankertsein“ „geistiger Standorte“ und Denkstile in das „dahinter stehende historisch-sozial determinierte Sein“. Die Seinsgebundenheit menschlichen Denkens stellt sich ihm als reziproke Bedingung von sozialer Schichtung und Denkmodell dar. Im Gegensatz zu Mannheim identifiziert Ludwik Fleck nicht soziale Schichten oder Klassen als „Träger“ von Wissen, sondern so genannte Denkkollektive. Nicht die Einzelperson ist autarker Träger und Erzeuger von Erkenntnis, im Individuum akzentuieren sich vielmehr kollektive Wissensbestände, die ihre Explikation finden. Der Einzelne wird so zum Sprachrohr kollektiver Wissensinhalte, wobei sich dieses Wissen nicht als erkenntnisunabhängige ‚objektive’ Wahrheit darstellt, sondern als Form des Denkens verstanden und prinzipiell als ergänzbar und wandelbar angesehen wird. Das ‚Wissen’ des Einzelnen ist somit Ausdruck eines kollektiven Denkstils, der in seiner historisch-sozialen Genese exogen bedingt, aber kollektivimmanent wandelbar ist (Heidenreich 1997: 12f; Mannheim 1964: 573 und 592).
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fern als Vorläufer und Vorbereiter der konstruktivistischen Analyse der Sozialwissenschaften, in der die ‚Welt an sich’, die ‚objektive’ Wirklichkeit als letztendlich unbeobachtbar definiert wird und hinter der Erforschung von Prozessen der Herstellung von Wirklichkeit und Welt zurücktritt. Ein Verstehen der alltäglichen Sinnzuschreibungen in Äußerungen und Handlungen der sozialen Welt bzw. der in ihnen zum Ausdruck kommenden Orientierungen setzt voraus, dass sich der Forschende den „hinter ihnen stehenden Erlebniszusammenhang“ erarbeitet. Für den Zugang zu diesen biographie- und milieuspezifischen Erfahrungsräumen ist die Mannheim’sche Trennung des „immanenten“ vom „dokumentarischen Sinngehalt“ bzw. von „kommunikativen“ und „konjunktiven Erfahrungsraum“ zentral.184 Mannheim zufolge besitzt jede Äußerung eine Doppelstruktur und weist zwei Bedeutungsdimensionen auf: zum einen sei dies eine „öffentliche“, zum anderen eine „nicht-öffentliche Bedeutung“, welche nur den Mitgliedern einer spezifischen Gruppe oder eines Milieus unmittelbar zur Verfügung stehe. Der „immanente“ oder auch „objektive Sinngehalt“ sei dabei Gegenstand der kommunikativen Verständigung, während es das, was thematisch berichtet wird, von dem zu differenzieren gelte, was sich in dem Gesagten über die Gruppe selbst, ihre Orientierungen und ihren Habitus dokumentiert. Letzteres verweise auf die Existenz eines „konjunktiven Erfahrensraums“, in welchem die Mitglieder durch ein gemeinsames Alltags–Erleben ein intuitives Verstehen füreinander entwickeln. Verdeutlicht wird diese analytisch-methodologische Leitdifferenz am Begriff „Familie“: Als allgemeiner Terminus ist der Begriff „Familie“ in seiner generellen Bedeutung öffentlich zugänglich, seine Spezifität variiert jedoch in der konkreten familiären Alltagspraxis und erlangt allein für die Angehörigen des jeweiligen Familienverbandes seine spezifische Bedeutung. Es ist die Zugehörigkeit zur konkreten sozialen Gruppe „Familie“, die den Familienmitgliedern einen gemeinsamen Erfahrungsraum erschließt, dessen Inhalte in der Alltagspraxis der handelnden Subjekte erworben werden und an ihr orientiert sind. Allgemein ist der „konjunktive Sinngehalt von Äußerungen“ eher impliziter Natur und verweist auf die Ebene eines bestehenden unreflektierten oder „atheoretischen Wissens“: Die Akteure, die über derartige existentielle Erfahrungen des gemeinsamen Erlebens miteinander verbunden sind, verstehen sich unmittelbar und ohne einander zu interpretieren. Das für die Alltagspraxis konstitutive Sinnmuster ist den Beteiligten dabei nicht zwangsläufig bewusst. Erst im Rahmen der dokumentarischen Methode der Interpretation wird es laut Bohnsack begrifflich und theoretisch explizit. 184
Siehe auch Kapitel 4.2.2.
211
Als konstitutive Merkmale der „Erfahrungsräume“ unterscheidet Bohnsack die Generations- und/oder Geschlechtszugehörigkeit, den Bildungsstand sowie die (sozial-räumliche) Entwicklung der Akteure. Grundsätzlich wird das „atheoretische Wissen“, der gemeinsame er- und gelebte Erfahrungsraum nicht nur internalisiert, er wird auch in die physischen wie linguistischen Alltagspraktiken der Handelnden inkorporiert. In diesem Sinne stellt sich die dokumentarische Methode als „Rekonstruktion der in konjunktiven Erfahrungen fundierten habituellen Übereinstimmung“ (Bohnsack 2001: 332) dar. Das Ziel der Bohnsack’schen Methode ist demnach die Rekonstruktion des handlungspraktischen Erfahrungswissens sozialer Akteure bzw. die Identifizierung von inkorporierten „Wirklichkeitskonstruktionen“ in habitualisierte Praxis derart, dass sie Kontinuität aufweisen und struktureller Relevanz sind (Bohnsack 1992: 139f und 142f; Bohnsack 1997: 496-499; Bohnsack 2001: 326-334; Bohnsack/NentwigGesemann/Nohl 2001: 9-14). Grundsätzlich hält Bohnsack zur analytisch wie forschungspraktisch konstitutiven Leitdifferenz von „immanenten“ und „konjunktiven Sinngehalt“ bzw. von „formulierender“ und „reflektierender Interpretation“ fest: Die Regel- oder Sinnhaftigkeit ist den Erforschten zwar – implizit oder atheoretisch – wissensmäßig verfügbar. Sie selbst vermögen diese dokumentarische Sinnebene aber – je tiefer diese in ihrer habitualisierten, routinemäßigen Handlungspraxis verankert sind – umso weniger zu explizieren. (Bohnsack 2001: 336)
Die Herausstellung der routinemäßigen Handlungspraxis und des ihr zugrunde liegenden Orientierungsmusters wird von Bohnsacks folgendermaßen beschrieben: Während auf der Ebene der passagenbezogenen Interpretation ein (implizites) Orientierungsmuster (…) zur begrifflichen Explikation gebracht wird, geht es auf der nächsten Ebene, derjenigen der fallinternen komparativen Analyse unterschiedlicher Passagen, um die fallbezogene Generalisierung des Orientierungsmusters. Ein Orientierungsmuster ist dann von genereller Bedeutung für den Fall, d.h. für die Gruppe oder das Individuum, wenn es in unterschiedlichen Situationen der Alltagspraxis Relevanz gewinnt, genauer: wenn es als modus operandi oder generative Formel der Produktion oder Reproduktion unterschiedlicher Szenarien zugrunde liegt. Das bedeutet, dass unterschiedliche Themenbereiche einer Gruppendiskussion oder eines Interviews immer wieder innerhalb desselben Orientierungsrahmens, d.h. in homologer Weise, bearbeitet werden. (Bohnsack 2001: 340)
Nach „formulierender“ und „reflektierender Interpretation“ wird im dritten Analyseschritt die Soziogenese des identifizierten bestehenden Orientierungsmusters zum Zwecke der Typenbildung heraus gearbeitet. Dazu wird die Orientie212
rung zu ihrer Sozialisationsgeschichte, d.h. zu ihrer individuellen und/oder kollektiven Entwicklungshistorie, zu ihrem „existentiellen Hintergrund“ in Beziehung gesetzt und in ihrer Spezifizität rekonstruiert. Somit wird der „konjunktive Erfahrungsraum“, der die Grundlage des identifizierten Orientierungsmuster bildet und sich in einer spezifischen routinemäßigen Handlungspraxis konsolidiert, komparativ erschlossen. Auch die Typenbildung folgt bei Bohnsack dem „Prinzip des Kontrastes in der Gemeinsamkeit“. Indem der Forschende am jeweiligen Fall vor dem Gegenhorizont anderer Fälle unterschiedliche Bedeutungsnuancen identifiziert und expliziert, kristallisieren sich die verschiedenen Typen der bestehenden Orientierungsmuster der Befragten heraus. Die Gültigkeit der Typenbildung der dokumentarischen Methode sieht Bohnsack durch den systematischen Fallvergleich gewährleistet (Bohnsack 1992: 148-156; Bohnsack 1997: 500; Bohnsack 1999: 57-64; Bohnsack 2001: 340-342; Bohnsack/Nentwig-Gesemann/Nohl 2001: 15f). Kritisch muss bezüglich der Bohnsack’schen Methode angemerkt werden, dass die Begriffe des (kommunikativen) Orientierungsschematas, des Orientierungsmusters und des (konjunktiven) Orientierungsrahmens wenig differenziert verwendet werden, auch wenn eine Unterscheidung immanent angelegt erscheint. Darüber hinaus findet eine explizite Berücksichtigung des allgemeinen Verhältnisses, der Integration bzw. der Rivalität, unterschiedlicher Orientierungsmuster im Rahmen der zitierten Veröffentlichungen nicht statt: Die Frage nach der Gleichzeitigkeit von Orientierungen wird zugunsten der (impliziten) Dominanz des sich in dem jeweiligen Redebeitrag äußernden Denkmodells vernachlässigt. Insofern scheint sich sowohl bei der Bohnsack’schen Analyse kollektiver Orientierungsmuster als auch bei der Esser’schen Behandlung der Situationsdefinition in theoretischer Hinsicht ein einziges Motiv als handlungsleitender Sinnzusammenhang bei Sozialakteuren zu akzentuieren. Während in diesem Zusammenhang Essers theoretische Reflexionen Aufschluss über die (physiologische) Entstehung individueller wie kollektiver Situationsdefinitionen bieten, besteht Bohnsacks Leistung darin, auf die Kontextgebundenheit alltagsrelevanter Orientierungsmuster bei Befragten im Sinne „konjunktiver Erfahrungsräume“ hingewiesen zu haben. Im Folgenden soll nun den kollektiven Orientierungen zur Migrationssituation und zu Zuwanderern in den Interviews nachgegangen werden. Unter methodischen Gesichtspunkten ist das folgende Kapitel an den Bohnsack’schen Analyseschritten orientiert. Die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung geleisteten Arbeitsschritte der Transkription, der Generierung von In-Vivo-Codes und der Paraphrasierung
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entsprechen Bohnsacks „formulierender Interpretation“.185 Im Sinne der „reflektierenden Interpretation“ wurde neben dem Inhalt der Aussagen auch die Stellung des Interviewten (er erklärt, berichtet, kommentiert, interpretiert etc.) erfasst und mittels Memos im Codierungsprozess der einzelnen Redebeiträge herausgestellt. Sämtliche Memos wurden im Folgenden in ein Worddokument exportiert, und es wurde ein Diskursverlaufsschema für jedes Einzelinterview erstellt, wobei die Sequenzialität der Aussagen berücksichtigt und der kommunikativen Interaktivität von Befragtem und Interviewer Rechnung getragen wurde.186 Im Rahmen der Darstellung der Zuwanderungs- und Integrationssituationen der einzelnen Gemeinden wurden bereits Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Diskursinhalte (thematischer Vergleich) herausgearbeitet. Sein Ziel bestand jedoch in der mehrperspektivischen Beschreibung und nicht in einer systematischen Erarbeitung und begrifflichen Explikation bestehender Orientierungsmuster. Zudem blieb diese Art der Kontrastierung weitestgehend auf die Realitätsebene der einzelnen Kommunen beschränkt. Erst in Kapitel 4.5 fand ein Mehrebenen-Vergleich (Verwaltungshierarchie und Kommunen) zum Zwecke einer umfassenden Implementationsanalyse statt. In dem vorliegenden Kapitel sollen nun die handlungsleitenden Sinnmuster und Orientierungen der befragten Integrationsakteure untersucht und vor dem Hintergrund ihrer Soziogenese diskutiert werden. Dabei soll erläutert werden, ob und inwiefern kollektive Orientierungsmuster mit Akteursgruppen zusammenfallen.
5.2 Die Wahrnehmung der Zuwanderer und Zuwanderung in der Landesregierung Vor dem Hintergrund der durchgeführten Befragung zur Migration stellen die interviewten Landesvertreter insbesondere den allgemeinen positiven Kontext der Emilia-Romagna hervor, der in ihrer wirtschaftlichen Prosperität begründet liegt (LR1: Z 394-397; LR2: Z 1185-1199; LR4: Z 14-67; LR5: Z 319-326; LR6: Z 1283-1322) und mit einem hohen Niveau an sozialer Solidarität (LR1: Z 394-397; LR4: Z 67-100 und Z 822-855; LR5: Z 319-326; LR6: Z 227-236 und Z 1282-1322) und politischer Kohäsion (LR2: Z 744-746, Z 825-843 und Z 862886; LR6: Z 248-263 und Z 1283-1322) korreliert:
185 186
Näheres siehe Kapitel 4.2.2. Detaillierte Informationen dazu finden sich in Kapitel 4.2.2.
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LR6: (…) Eehmm il primo punto forte è che per ragioni di coesione sociale e per ragioni ..anche di capacità, credo, ..da un punto di vista ..eehmm ..eeeh ..delle del d- d- della.. delle condizioni economiche..
LR6: (…) Äähmm die erste Stärke ist, dass aus Gründen der sozialen Kohäsion und aus Gründen ..auch der Fähigkeit, denke ich, ..aus dem Blickwinkel ..äähmm ..äääh ..der das dd- die.. der ökonomischen Bedingungen heraus..
I: Mmh. I: Mmh. LR6: Imprend- ..imprenditoriali e ..e probabilmente anche perrr, un.., non so, pizzico di fortuna? Non lo so. Questo.. I: Sì.. LR6: Eeeaaah. Certamente anche per condizioni di.., come si dice, buon governo.. I: Mmh. LR6: O comunque, insomma, di una amministrazione che esse- parlo anche in questo caso di Regione, Province e Comuni che.. hannooo.. Tenga conto anche che c’ è sempre stata una forte coesione politica tra il livel-.., (sottolinea le sue parole bussando la mano sulla scrivania) tra la Regione, le Province e i Comuni..
LR6: Der Unternehm- ..Unternehmer- und ..und wahrscheinlich auch wegennn, ein.., ich weiß nicht, ein bisschen Glück? Ich weiß es nicht. Dieses.. I: Ja.. LR6: Äääeeh. Sicherlich auch aufgrund von.., wie sagt man, aufgrund der guten Regierung.. I: Mmh. LR6: Oder auf jeden Fall, einer Verwaltung, die se- ich spreche auch in diesem Fall vom Land, (den) Provinzen und Gemeinden, die.. habennn.. Seien Sie sich auch bewusst, dass es immer eine große politische Kohäsion zwischen den Eb- (sie unterstreicht ihre Worte, indem sie mit der Hand auf den Tisch klopft) zwischen dem Land, den Provinzen und Gemeinden gegeben hat..
(Quelle: LR6: Z 1283-1301) Die faktische Zuwanderung im Gebiet wird dabei als entscheidend für die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der emilia-romagnolischen Wirtschaft gewertet (LR1: Z 4-6; LR3: Z 775-784; LR4: Z 14-67 und Z 799-802; LR5: Z 753-761) und es wird betont, dass sich die Zuwanderungsrate umgekehrt proportional zur Arbeitslosigkeit im Territorium verhält (LR1: Z 158-190). Insofern erscheint es nicht verwunderlich, dass der zuständige Landesassessor für Sozialpolitiken (LR1) der Region ein „hohes Niveau“ an Integration zuerkennt und im Folgenden direkt auf die große berufliche Selbständigkeit der Immigranten verweist, die einem traditionell ausgeprägten Unternehmergeist der autochthonen Bevölkerung in der Emilia-Romagna entspreche (LR1: Z 190-198). In diesem Zusammenhang betont er die zunehmende politische Repräsentativität der Zuwanderer in der Region und nennt den Consiglio dei cittadini immigrati (Rat der zugewanderten Bürger) in der Provinz Rimini als Beispiel (LR1: Z 298312). Im Gegensatz zur positiven Darstellung der wirtschaftlichen Prosperität
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der Emilia-Romagna wird der demographische Rückgang der autochthonen Bevölkerung bzw. ihre Überalterung als Problem wahrgenommen. Gleichzeitig wird der positive Effekt der Zuwanderung auf diese sozio-strukturellen Merkmale des Gebietes betont (LR2: Z 776-781 und Z 1185-1199; LR3: Z 775-784): LR2: (…) Dopo di che, anche dal punto di vista demografico eeeh questo paese, l’Italia, questa regione in particolare ha bisogno comunque di avere, come dire, ..popolazione nuova che entra insomma.
LR2: (…) Danach auch unter dem Gesichtspunkt der Demographie äääh dieses Land, Italien, diese Region im Besonderen braucht jedenfalls, wie sagt man, ..neue Bevölkerung, die zuwandert, so.
I: Sì..
I: Ja..
LR2: Quindi, anche semplicemente per un mero calcolo economico, uno potrebbe dire: c’è la convenienza a far in modo che arrivino pers- persone giovani insomma da fuori. Perché qui di giovani c’è ne sono sempre meno.
LR2: Deshalb, auch allein aufgrund eines rein ökonomischen Kalküls, könnte man sagen: es ist angemessen, es so zu machen, dass Persjunge Leute von außen kommen. Denn hier gibt es immer weniger Junge.
(Quelle: LR2: Z 1185-1193) Mit der Immigration verbundene Probleme werden in diesem Kontext mit dem (desaströsen) italienischen Wohnungsmarkt (LR1: Z 204-234), mit der Situation der Schulen (LR6: Z 236-239) und dem Umstand in Verbindung gesetzt, dass es in der Region wie z.B. in Bologna Gebiete gebe, in denen Zuwanderer kein Wort Italienisch sprechen würden (LR3: Z 472-476). Die autochthone Bevölkerung sei sich dabei des Bedarfs der Aufnahme von Immigranten bewusst (LR1: Z 172174; LR5: Z 753-761) und zeige eine „große“ Bereitschaft zu deren Eingliederung (LR1: Z 188-190; LR3: Z 717-759). Gleichzeitig wird seitens der befragten Landesvertreter jedoch auch berichtet, dass Ängste der autochthonen Bevölkerung vor und im Zusammenhang mit dem Migrationsphänomen bestehen: einerseits würden Immigranten als Konkurrenten beim Zugang zu öffentlichen Leistungen und Einrichtungen wahrgenommen (LR3: Z 717-759; LR4: Z 111-120), andererseits manifestierten sich konkrete Ängste um Qualitätseinbußen in der Schule (LR3: Z 717-759), vor Zuwanderern nordafrikanischer Herkunft (LR4: Z 864-878) und vor der Migration als abstraktes Phänomen (LR4: Z 850-855). Der direkte Umgang von Immigranten und Autochthonen verlaufe hingegen ohne Schwierigkeiten und ein Rückzug ins Private seitens der autochthonen Bevölkerung habe nicht stattgefunden (LR4: Z 845-855). Als zentralen Wert für die gesellschaftliche Zugehörigkeit in der Region Emilia-Romagna beschreibt die Landesassessorin für Bildungswesen die Arbeit. Ebenso trage das Leben in einem Familienverband zur positiven Wahrnehmung eines Immigranten bei (LR4: Z 74-75 und Z 81-98):
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LR4: (…) Eeeh, anche questo della ricomposizione delle famiglie è un dato che sicuramente aiuta eh nell’integrazione, perché se c’è diffidenza, c’è più per il lavoratore maschio solo che magari vive in una condizione anche un po’ precaria come alloggio eccetera..
LR4: (…) Äääh, auch das der Wiederzusammensetzung der Familien ist ein Umstand, der sicherlich äh bei der Integration hilft, denn wenn es Misstrauen gibt, dann mehr gegenüber dem männlichen allein lebenden Arbeiter, der vielleicht auch in ein bisschen schlechten Bedingungen lebt bzgl. der Unterkunft etc..
I: Mmh. I: Mmh. LR4: Di cui non si sa bene..nell’immaginario almeno collettivo se poi fine in fondo è una persona seria o non lo è ..invece chiaramente l’immigrato con la famiglia rassicura per due aspetti: uno che vuole- che è abbastanza stabile. I: Mmh. LR4: E quindi tu ..sai in qualche modo dove lo ritroverai. I: Sì.. LR4: Secondo: è comunque una persona che vive in un contesto familiare che eh per noi è comunque un’altro tema di riconoscimento sociale.
LR4: Von dem man nicht weiß, ..zumindest in der kollektiven Vorstellung, ob er wirklich grundehrlich ist oder ob er das nicht ist ..Hingegen der Zuwanderer mit einer Familie beruhigt selbstverständlich unter zwei Gesichtspunkten: erstens, dass er will- dass er ziemlich stabil ist. I: Mmh. LR4: Und du daher ..irgendwie weißt, wo du ihn wieder findest. I: Ja.. LR4: Zweitens: Er ist auf jeden Fall eine Person, die in einem familiärem Kontext lebt, das äh für uns zumindest ein anderes Gebiet der sozialen Anerkennung darstellt.
(Quelle: LR4: Z 80-98) Prägnant fasst sie den Stellenwert der Arbeit in der emilia-romagnolischen Gesellschaft wie folgt zusammen: „Ecco, torno a dire: il vero veicolo è eeh, se siamo disponibili al lavoro, ..questo è il primo discrimine- cioè un immigrato che lavora è comunque un immigrato accolto!“ („Also, ich wiederhole: Das wahre Mittel ist ääh, ob wir bereit sind, zu arbeiten, ..Das ist die erste Diskrimdas heißt: Ein Zuwanderer, der arbeitet, ist auf jeden Fall ein aufgenommener Zuwanderer!“) (LR4: Z 850-851). Insofern verwundert es nicht, dass politisch mittels der Steigerung der Berufsmobilität die soziale Integration der Immigranten in der Region gefördert werden soll (LR4: Z 767-774). Insgesamt verdeutlicht sich auf Seiten der Landespolitiker ein starkes Bewusstsein für die Probleme, denen sich die verschiedenen Bereiche des Gemeinwesens durch die Anwesenheit von Zuwanderer gegenüber sehen: so müsse sich das Gesundheitswesen der speziellen Herausforderung der Aufnahme von arabischen und afrikanischen, d.h. implizit: muslimischen, Immigranten stellen (LR2: Z 260-273), und auch die Eingliederung in die Schule (LR6: Z 1487-1497
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und Z 1626-1654), den Wohnungsmarkt und die Gesamtgesellschaft verlaufe mitunter problematisch (LR4: Z 869-871; LR6: Z 503-544). Im Kontext der sozialen Ausgrenzung weiblicher Zuwanderer, welche die Widersprüche der Kulturen am stärksten spüren (LR4: Z 318-325, Z 340-348 und Z 357-364; LR5: Z 401-423), diagnostiziert die zuständige Generaldirektorin (LR5) eine Art kultureller Rückständigkeit, einen „gap notevole nella cultura proprio dellaaa- del modo di essere donna“ („eine bemerkenswerte Lücke gerade in der Kultur der- in der Art, Frau zu sein“) (LR5: Z 403-404). Allgemein werden die Schwierigkeiten der Zuwanderer darin gesehen, vorhandene Dienste für sich zu nutzen (LR4: Z 259-262), und der zuständige Landesassessor für Sozialpolitiken (LR1) verweist auf die unklare Repräsentanzkraft von Immigranten(räten) als politische Ratgeber (LR1: Z 308-318). Der Generaldirektor für Gesundheitswesen und Sozialpolitiken sieht in dem größeren Autonomiestreben der Migranten sogar die Gefahr eines Rückzugs aus der Gesamtgesellschaft bzw. den „rifiuto d’integrazione“ (die „Ablehnung der Integration“) (LR2: Z 954-961 und Z 1024-1038): LR2: (…) dovrebbe andar bene, se, vuol dire, se in parallelo crescesse anche una sensibilità generale..nei confronti del problema dell’accoglimento e dell’integrazione della popolazione che arrivano da quei paesi lì. Mi riferisco in particolare alle popolazioni arabe, perché adesso è quella nell’occhio del mirino, insomma.
LR2: (…) es sollte gut gehen, wenn, das heißt, wenn gleichzeitig auch ein allgemeines Gespür ..gegenüber dem Problem der Aufnahme und der Integration der Bevölkerung wachsen würde, die aus diesen Ländern dort herkommt. Ich beziehe mich im Besonderen auf die arabischen Bevölkerungen, denn jetzt ist sie die im Fadenkreuz.
I: Mm..
I: Mm..
LR2: E invece a me pare che…non stiamo andando in generale in quella direzione..
LR2: Stattdessen scheint mir, dass wir…nicht generell in diese Richtung gehen..
I: Mm.
I: Mm.
LR2: E quindi la mia impressione, la mia preoccupazionee che eeh avremo di fronte un problema di ..rifiuto dell’integrazione. …E allora lì ci sarà da da da faticare un po’, insomma. Perché io credo, se, appunto.. Uno dei problemi che io vedo nel giro di 4 o 5 anni forse sarà quello insomma.
LR2: Und deshalb ist mein Eindruck, meine Sorgee, dass ääh wir uns einem Problem der ..Ablehnung der Integration gegenüber sehen werden. …Und deshalb wird man dort ein ein ein bisschen Mühe haben. Denn ich glaube, wenn wirklich, eines der Probleme.. Eines der Probleme, die ich in den nächsten 4 oder 5 Jahren sehe, wird vielleicht das sein.
(Quelle: LR2: Z 1025-1038)
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Die befragten Landespolitiker sind sich der entstehenden zweiten Generation von Zuwanderern sowie ihrer geänderten Bedürfnislage bewusst (LR3: Z 491509; LR6: Z 782-792 und Z 813-834)187: LR3: (…) Quando avremo, tra qualche anno, queste seconde generazioni di bambini che sono nati qui, eeh allora avremo il salto di qualità rispetto.. Quando queste generazioni si affacceranno sul mercato del lavoro, però vuol dire tra 18, 20 anni, diciamo, allora lì ci sarà necessario un salto di qualità perché sicuramente le le le esigenze, i bisogni che queste generazioni porranno alle istituzioni pubbliche saranno molto diverse da quelle dei loro genitori e quindi saranno anche più difficili da soddisfare. Perché oggi l’immigrato, come dire, si accontenta parecchio, no?! Diciamo, quindi. Però un domani sarà più esigente, ecco.
LR3: (…) Wenn wir, in ein paar Jahren, diese zweiten Generationen von Kindern haben, die hier geboren sind, ääh dann werden wir einen Sprung der Qualität gegenüber.. Wenn sich diese Generationen auf dem Arbeitsmarkt zeigen - das heißt aber in 18, 20 Jahren, sagen wir -, dann wird dort ein Sprung in der Qualität nötig sein, denn sicherlich werden die die die Ansprüche, die Bedürfnisse, die diese Generationen an die öffentlichen Institutionen herantragen, ganz anders als die ihrer Eltern sein und daher auch schwierig zu befriedigen sein. Denn heute, wie sage ich es, begnügt sich der Zuwanderer sehr, nicht?! Sagen wir so. Aber eines Morgens wird er fordernder sein, so.
(Quelle: LR3: Z 673-679) Damit verbunden werden wiederum Überlegungen zur Auswirkung der zunehmenden Anzahl an Schülern mit Migrationshintergrund laut: LR6: (…) Allora, tenga presente questo dato, e quindi tenga presente che questa media di insegnanti sui.. diciamo quaranta, quarantacinque anni eeh è.. eh, come dire, sommersa..
LR6: (…) Also, behalten Sie diesen Fakt im Auge, und seien Sie sich bewusst, dass dieser Durchschnitt der Lehrer.. sagen wir um die Vierzig herum, Fünfundvierzig Jahre herum ääh wird.. äh, wie sage ich es, überschwemmt..
I: Mh.. I: Mh.. LR6: (ride lievemente) Non lo direi mai, ma adesso per intenderci, no?! Da questa onda di ragazzini (parla ridendo) multicolore, multiparlanti..
LR6: (lacht leicht) Ich würde das nie sagen, aber jetzt, um uns zu verstehen, nicht?! (Überschwemmt) von dieser Welle (spricht lachend weiter) mehrfarbiger, mehrsprachiger..
I: Mh. I: Mh.. LR6: Multiculturali e quant’altro.. LR6: Mehrkultureller und was sonst noch Kinder..
(Quelle: LR6: Z 1487-1497)
187 In Italien als ‚junges’ Zuwanderungsland dominiert zahlenmäßig gegenwärtig die erste Generation an Zuwanderern, doch war auf die zunehmende Signifikanz von in Italien geborenen Kindern immigrierter Eltern, insbesondere in der Emilia-Romagna, hingewiesen worden. Näheres siehe Kapitel 2.
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In allen durchgeführten Interviews findet sich grundsätzlich die Einschätzung, dass die Zuwanderung in Italien und der Region in Zukunft weiter zunehmen wird (LR1: Z 298-312; LR2: Z 1170-1175 und Z 1209-1216; LR3: Z 75-82 und Z 780-784; LR4: Z 183-196; LR5: Z 776-795; LR6: Z 167-300, Z 1371-1374 und Z 1516-1523). Die Migration als Phänomen verändere sich dabei schnell (LR3: Z 705-710; LR4: Z 864-878), und in der Region Emilia-Romagna habe die Familie im Migrationsprozess an Bedeutung gewonnen (LR3: Z 663-673; LR4: Z 318-325), wodurch ebenfalls die zweite Zuwanderergeneration an Relevanz zugenommen habe und zunehme (LR3: Z 491-509; LR6: Z 267-300 und Z 1516-1523). Das Phänomen der Zuwanderung in der Emilia-Romagna wird dabei allgemein als „neu“ bzw. „jung“ beschrieben (LR3: Z 602-604; LR4: Z 573-579 und Z 584-586; LR6: Z 1561-1562 und Z 2080-2089) und als „sehr heterogen“: allein in Ravenna soll es fünf verschiedene Zuwanderergruppen aus Nigeria geben (LR1: Z 308-318). Als Ursachen für die Zuwanderung wird auf die globalen Einkommensunterschiede verwiesen (LR2: Z 1209-1216; LR5: Z 776-795) sowie auf das Vorhandensein von Arbeit im Zielland (LR4: Z 14-20). Deutlich wird in den Gesprächen der befragten Landespolitiker der wirtschaftliche und demographische Bedarf an Zuwanderern sowie der positive Nutzen ihrer Anwesenheit betont. Erst dadurch, dass ein Immigrant einer Arbeit nachgehe und in einem Familienverband lebe, werde er als weniger gefährlich wahrgenommen (LR4: Z 80-98). Den Darstellungen der interviewten Landesvertreter zufolge steht die gesamte Region der Emilia-Romagna politisch kohäsiv und sozial solidarisch der Aufnahme von Zuwanderern gegenüber, wenn diese einer Arbeit nachgehen. Inwieweit sich diese Ansicht in den lokalen Realitäten ausgesuchter Gemeinden wieder findet und ob die ansässigen Zuwanderer sich dieser Auffassung bewusst sind, soll in den folgenden Kapiteln zur Situation in den Kommunen untersucht werden.
5.3 Das faktische Zusammenleben von Immigranten und Autochthonen in Luzzara 5.3.1 Die Bewertung der Zuwanderung(spolitik) Grundsätzlich lassen sich aus den Antworten der interviewten Immigranten und Autochthonen drei Teilbereiche herausarbeiten, welche sich entlang der Themen Migrationspolitik, illegale Zuwanderung und Wirtschaft sowie Kultur, Religion und Identität akzentuieren. Der Darstellung und Bewertung des „Bossi-FiniGesetzes“ fällt in diesem Rahmen eine besondere Rolle zu.
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Äußerst kritisch äußern sich die Befragten zu dem Bereich aktueller Migrationsgesetzgebung. Nicht nur die Vertreterin der lokalen Caritas (LUZ) schätzt die Wirkung des „Bossi-Fini-Gesetzes“ auf die Verhinderung der Schwarzarbeit als gering bzw. als gegenläufig ein, auch die interviewten Zuwanderer LUIL1, LUIL2 und LUIS2 betonen, dass man mit seiner Einführung nur die Probleme verstärkt hat (LUIL1: Z 1493-1515; LUIL2: Z 831-859; LUIS2: Z 786-802; LUZ: Z 772-777). Der Vater der Zuwandererfamilie LUIS2 hält dazu fest: „Però nuova legge sempre i casini…aumentati i casini! Solo. (…) Che non si può andare avanti così! ..Secondo me.” (“Aber neues Gesetz immer die Durcheinander…hat die Durcheinander erhöht! Nur. (…) Das man nicht so weiter machen kann! ..Meiner Meinung nach.”) (LUIS2: Z 798-802). In diesem Zusammenhang identifiziert die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin der Grundschule (LUL) die geringe Effektivität der italienischen Migrationsgesetzgebung als nicht zufällig, sondern beabsichtigt. Aufgrund des Fehlens von einigen Millionen Zuwanderern in Italien würde das Migrationsmanagement so lange weniger restriktiv gehandhabt, bis ein europäischer Durchschnitt erreicht sei: LUL: (…) Infatti da noi mmh si parla ancora.. Mancano ancora 4-5 milioni, diciamo così, di unità. Quindi, io penso che eeh la volontà politica, la legislazione sia ancora un po’ a maglie larghe..per consentire, diciamo, la…stat- statisticamente il, diciamo, dunque la percentuale della popolazione che è europea. L’Italia è ancora indietro rispetto a quella percentuale europea. Ecco. Quando sarà terminata, diciamo, questa integrazione di numeri, le maglie larghe penso che si stringeranno..ulteriormente. Nell’arco di quattro, cinque anni penso che, diciamo così, ci sia un restringimento anche degli ingressi. È unaa, diciamo, ..è una eeh, come dire, (si schiarisce la voce) ..praticamente verranno (rimandati) con più facilità nel loro paese d’origine di quanto non succeda adesso. Ecco. (…)
LUL: (…) In der Tat bei uns mmh spricht man noch.. Es fehlen noch 4-5 Millionen, sagen wir so, Einheiten. Deshalb denke ich, dass ääh der politische Wille, die Gesetzgebung immer noch ein bisschen weitärmelig ist..um, sagen wir, die statistisch gesehen den, sagen wir, also den Prozentsatz an Bevölkerung zu erlauben, der europäisch (er Durchschnitt – Anm.d.Verf.) ist. Italien steht hinsichtlich dieses europäischen Prozentsatzes noch nach. So. Wenn diese, sagen wir, Integration der Zahlen abgeschlossen sein wird, ich denke dann werden die weiten Ärmel enger..später. Im Lauf von vier, fünf Jahren denke ich, sagen wir so, dass es eine Restriktivierung auch der Eintritte geben wird. Das ist einee, sagen wir, ..es ist eine ääh, wie sage ich es, (sie räuspert sich) ..praktisch werden sie mit größeren Leichtigkeit in ihre Herkunftsländer (zurückgeschickt), als es jetzt passiert. So. (…)
(Quelle: LUL: Z 48-56) Sowohl die zuständige Kommunalbeamtin der Gemeinde Luzzara, als auch der Rektor der lokalen Grundschule äußern sich besorgt in Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der illegalen Zuwanderung (LUG: Z 1623-1647; LUR: Z 531545).
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In deutlichem Maße werden zudem bei Fragen der Migrationspolitik wirtschaftliche Interessen und Gegebenheiten Italiens von den Interviewpartnern angesprochen. Sowohl autochthone Integrationsakteure wie interviewte Zuwanderer artikulieren einen signifikanten Bedarf an immigrierten Arbeitskräften seitens der italienischen Wirtschaft (LUAu: Z 1079-1106; LUG: Z 1793-1805; LUIL2: Z 282 und Z 582-587; LUIS1: Z 719-721; LUL: Z 493-644; LUZ: Z 746-772). Sieht die verantwortliche Kommunalbeamtin die wirtschaftliche Notwendigkeit der Immigration von Personen im arbeitsfähigen Alter als Grundlage zukünftiger Entwicklungen der italienischen Migrationsgesetzgebung (LUG: Z 17961805), betont Vater P der Immigrantenfamilie LUIS1 ihre Bedeutung für die bestehende Zuwanderungssituation in der Gemeinde: P: (…) Quello lì…c’è lavoro qui. Sono tante fabbriche sempre. E per quello che vengono persone, tutti trovano lavoro. Non è nessuno cheee non si può trovare..dopo dieci giorni, quindici giorni. Basta fare domande, loro chiamano. Anche c’è (agenzia..)
P: (…) Das dort…dort gibt es Arbeit. Es sind viele Fabriken immer. Und dafür, dass Leute kommen, alle finden Arbeit. Es ist keiner, derrr nicht finden kann..nach zehn Tagen, fünfzehn Tagen. Es reicht aus, Fragen zu stellen, sie rufen an. Es gibt auch (Agentur..)
(Quelle: LUIS1: Z 719-721) Die Einschätzung der Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen für Migranten wird vom interviewten Zuwanderer LUIS2 bestätigt (LUIS2: Z 282). Eine (gedankliche) Verbindung der Zuwanderung(spolitik) mit kulturellen Aspekten des Lebens in Italien wird insbesondere von den befragten Italiener(inne)n hergestellt. Die zuständige Kommunalbeamtin (LUG) verweist auf die zentrale kulturelle Bedeutung der Migration, der die Gemeindeverwaltung in ihrem institutionellen Aufbau Rechnung getragen hat: LUG: (…) ..L’assessore però ha proposto.. che è l’assessore alla cultura.. Da noi a differenza di tutti gli altri comuni, ..dove rispondono gli assessori ai servizi sociali.. Noi abbiamo voluto che fosse il.. l’assessore alla cultura, perché per noi.. (respira profondamente) è un fatto culturale.. Perché è da lì che parte tutto, no?!
LUG: (…) ..Der Assessor aber hat vorgeschlagen.. der der Assessor für Kultur ist.. Bei uns, im Unterschied zu allen anderen Gemeinden, ..in denen die Assessoren für die sozialen Dienste darauf antworten.. Wir wollten, dass es der.. der Assessor für Kultur sei, denn für uns.. (atmet schwer) ist das ein kultureller Umstand.. Denn es ist von dort, das alles ausgeht, nicht?!
(Quelle: LUG: Z 1581-1584) In diesem Zusammenhang spricht sie zudem Ängste der Bevölkerung von Luzzara an, die insbesondere mit Fragen der Identität und Religion verbunden zu sein scheinen:
222
LUG: (…) parto della considerazione che..in Italia c’è bisogno di manodopera.
LUG: (…) ich gehe von der Überlegung aus, dass..in Italien ein Bedarf an Arbeitskräften herrscht.
I: Mh.. I: Mh.. LUG: E quindi.. (con enfasi) E questo è un dato! Assolutamente!
LUG: Und daher.. (mit Betonung) Und das ist ein Fakt!
I: Sì, sì, sì, sì, sì. I: Ja, ja, ja, ja, ja. LUG: È un fatto proprio…eehmm..sostanziale. (respira profondamente) Coniugare il..il..eeh questo questo bisogno.. col fatto che stiamo perdendo l’identità, credo ch-.. Beh, qualcuno ha paura di questo.. Io no, personalmente.. (…) Non ho paura che mi, che mi, ..di essere contaminata e se lo sono eeh eeh sarà sarà (accentando la parola) ricchezza secondo il mio punto di vista. (…) ..cioè, quindi, il problema lavoro, il problema religioso.. Perché religioso, perché eh! Qui bisogna bisogna stare attenti! L’unidici di settembre ha segnato, ha segnato…inevitabilmente..questa cosa! Io.. il futuro lo vedo in un impegno..grandioso.. che non so, però, le strade io non le so individuare.. Magari! (…) Di..di lavorare molto sulla laicità. (…) Cioè io credo che..sia giusto che le istituzioni.. e che comunque le istituzioni.., il Comune in primo luogo, perché è è l’istituzione che è più vicino al cittadino.. che debba lavorare molto sulla conoscenza. Sulla cultura, proprio. Sullo scambio di cultura!
LUG: Das ist ein wirklich…äähmm..substantieller Fakt. (atmet tief) Den..den..ääh diesen diesen Bedarf.. mit dem Umstand zu verbinden, dass wir die Identität verlieren, ich denke das-.. Also, einige haben Angst davor.. Ich nicht, persönlich.. (…) Ich habe keine Angst, dass mir, dass mir, ..kontaminiert zu werden, und wenn ich es bin, ääh ääh wird wird es eine (das folgende Wort betonend) eine Bereicherung sein, aus meiner Sicht. (…) ..das heißt also, das Arbeitsproblem, das Religionsproblem.. Warum die Religion, weil ja! Hier muss man muss man vorsichtig sein! Der elfte September hat gezeigt, hat…unvermeidbar..diese Sache gezeigt! Ich.. die Zukunft sehe ich in einem..gewaltigen..Einsatz.., von dem ich jedoch nicht weiß, die Wege weiß ich nicht aufzuzeigen.. Geb’s Gott! (…) ..viel zur Laizität zu arbeiten. (…) Das heißt ich glaube, dass..es richtig wäre, wenn die Institutionen.. und wenn die Institutionen jedenfalls.., die Gemeinde an erster Stelle, weil sie die Institution ist ist, die dem Bürger am nächsten steht.., dass sie viel zur Kenntnis arbeiten muss. Der Kultur. Des Austausches der Kulturen!
(Quelle: LUG: Z 1796-1824) Auch die Vertreterin der ansässigen Caritas identifiziert als zukünftige Aufgaben die Initiierung von Aktivitäten kultureller Art und betont die Bedeutsamkeit von festen Regeln, damit nicht ein „far-west“, der „wilde Westen“ entsteht (LUZ: Z 1081-1093 und Z 1353-1393). Bevor im Weiteren auf die Wahrnehmungen von Zuwanderern und Autochthonen eingegangen wird, soll zunächst die faktische Lebenssituation von Immigranten in Luzzara erörtert werden.
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5.3.2 Die Lebenssituation der Immigranten in der Gemeinde Von zentralem Stellenwert für die Zuwanderung in die Gemeinde und die Lebenssituation der Immigranten scheint die Arbeit zu sein. In den Aussagen der vier befragten Zuwanderer(familien) tritt deutlich hervor, dass die Aussicht auf Arbeit bzw. konkrete diesbezügliche Kontakte sie nach Luzzara geführt haben. Auf die Frage, nach dem Grund seiner Migration in die Gemeinde, antwortet LUIS2: „C’è sempre motivo di lavoro. Dove trovi lavoro..“ („Es gibt immer den Grund Arbeit. Wo du Arbeit findest..“) (LUIS2: Z 24). Die interviewten Migranten stellen die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Gemeinde als positiv dar und betonen deren Relevanz für aktuelle bzw. zukünftige berufliche Entwicklungen (LUIL1: Z 1-45, Z 1281-1321, Z 1465-1481 und Z 1793-1796; LUIL2: Z 3-158; LUIS1: Z 17-55, Z 680-698 und Z 715-721; LUIS2: Z 1-52). LUIL2, der von seinem Chef in einer Holzfabrik auch während des Besuch des Italienischkurses außerplanmäßig zum Arbeitseinsatz bestellt wurde, beschreibt sein Leben in der Gemeinde wie folgt: „No, no, sempre lavoro, altri cose no, lavoro solo otto, dieci ore e basta..“ („Nein, nein, immer Arbeit, andere Dinge nicht, ich arbeite allein acht, zehn Stunden und fertig..“) (LUIS2: Z 444). Als weiterer wichtiger Punkt des Lebens in Luzzara akzentuiert sich die Frage der Unterkunft. Die beiden Zuwandererfamilien kommunizieren diesbezüglich, dass sie in alten reparaturbedürftigen Landhäusern wohnen, und dass Immigranten generell in „verfallene Häuser“ ziehen, welche für ansässige Italiener nicht mehr von Interesse sind (LUIS1: Z 726-734; LUIS2: Z 288-294 und Z 756-767). Diese Einschätzung wird direkt von der Autochthonenfamilie LUAu bestätigt (vgl. LUAu: Z 806-815 und Z 966-970): M: (…) specialmente il centro è stato.. ripopolato dagli indiani perché..? Perché sono state vendute.. o affittate anche case che gli italiani non vorrebbero, neanche da lontano, ..loro si accontentano, ..pagano per cui anche il centro si è ripopolato.
M: (…) insbesondere das Zentrum ist.. von den Indern wieder bevölkert worden, warum..? Weil Häuser verkauft.. oder auch vermietet wurden, die die Italiener nicht wollen würden, nicht einmal von weitem, ..sie begnügen sich, ..zahlen, deshalb hat sich auch das Zentrum wieder belebt.
(Quelle: LUAu: Z 806-809) Allgemein berichten auch die Vertreterin der lokalen Caritas (LUZ) sowie die zuständige Kommunalbeamtin von desaströsen Wohnbedingungen für Immigranten in Luzzara. Während LUZ berichtet, dass Zuwanderer in den Anfangsjahren der Migration in den baufälligsten Häusern der Gemeinde Unterkunft fanden, wird aus den Erzählungen der Gemeindebeamtin deutlich, dass sich diese Situation bis zum Zeitpunkt des Interviews kaum geändert hat (LUG: Z 1647-1654; LUZ: Z 226-236). Auf die Frage nach der zukünftigen Migrations224
gesetzgebung Italiens betont sie, dass einige Zuwanderer in Luzzara in Häusern wohnen, die sie als Gemeindeverwaltung schließen müssten: LUG: (…) Loro adesso.. alcuni abitano in case.. che dovremmo impedire che abitano in case così, perché se succede qualcosa.. Tu sai che per legge il sindaco è responsabile della sanità pubblica!
LUG: (…) Sie jetzt.. einige wohnen in Häusern.., wir müssten verbieten, dass sie in solchen Häusern wohnen, denn wenn etwas geschieht.. Du weißt, dass per Gesetz der Bürgermeister für die öffentliche Gesundheit verantwortlich ist!
(Quelle: LUG: Z 1647-1649) Institutionalisierte kulturelle Einrichtungen zur Pflege der Herkunftskultur scheint es in Luzzara, trotz des hohen Prozentsatzes an Immigranten, kaum zu geben. Bereits zuvor war darauf hingewiesen worden, dass keine von Immigranten geleitete Organisation als Ansprech- bzw. Interaktionspartner der interviewten lokalen Integrationsakteure LUG, LUL, LUR und LUZ genannt wird. Zwar verweisen sie auf einige Aktivitäten eines Mitglieds der politischen Partei Rifondazione Comunista, jedoch wird die Existenz von Zuwanderervereinen verneint (LUG: Z 1218-1262; LUZ: Z 1163-1203). In den Gesprächen mit den befragten Migranten akzentuiert sich ein etwas anderes Bild. Sowohl die Zuwanderfamilie LUIS1 als auch LUIS2 verdeutlichen die Eigenständigkeit der ansässigen Migranten in der kulturellen Pflege ihrer Herkunft: Während Vater P der pakistanischen Immigrantenfamilie betont, dass sie eher im familiären Ambiente bzw. mit befreundeten pakistanischen Familien kulturelle Feierlichkeiten begehen, beschreibt Vater P der indischen Familie LUIS2, dass einige Inder eine Organisation gegründet haben. Als Ziel der Organisation erklärt er die Durchführung des Mannschaftsspiels „Kabadi“, das sich großer Nachfrage erfreue. Vater P berichtet, dass sie die Veranstaltung kostenfrei anbieten, und dass sich die Organisation mit Spenden von indischen Migranten finanziert (LUIS1: Z 531-659; LUIS2: Z 378-387 und Z 500-510): I: Mhm. Lei sa come si finanzia tutto questo? Cioè, ci sono dei biglietti da pagare per andare a vederlo?
I: Mhm. Wissen Sie, wie sich das alles finanziert? Das heißt, muss man Eintrittskarten bezahlen, um es zu sehen?
P: No, tutto gratis, tutto gratis. Sì. …Tutto gratis..per vedere. Perché questo non è una business.. Questo è una..una cultura (ride).
P: Nein, alles gratis, alles gratis. Ja. …Alles gratis..um zu sehen. Denn das ist kein Geschäft.. Es ist eine..eine Kultur (lacht).
I: Una cultura! Volevo sapere un po’ come funziona questo.
I: Eine Kultur! Ich wollte ein bisschen erfahren, wie das funktioniert.
P: No, no, no. Questo funziona..come loro.. quello che..quello che è una società.., società
P: Nein, nein, nein. Das funktioniert..wie sie.. dieses dass..dieses dass eine Gesellschaft ist..,
225
di nostri indiani come un figlio di K. che lui lui sa tutte cose di questo. A sei, sette persone han fatto una società, sei o sette persone.. E lui ha fatto pubblicità che fa questo gioco. Se puoi dare qualcosa, ..soldi qualcosa.. E come volevi io, si può dare 50 euro, 7 euro. Io ho dato così.
eine Gesellschaft von uns Indern wie der Sohn von K., der der alle Dinge darüber weiß. Zu sechs, sieben Personen haben sie eine Gesellschaft gemacht, sechs oder sieben Personen.. Und er hat Werbung gemacht, dass er das Spiel macht. Wenn du etwas geben kannst, ..etwas Gelder.. Und so wie ich wollte, kann man 50 Euro geben, 7 Euro. Ich habe das so gegeben.
I: Ho capito. I: Ich habe verstanden. P: Questo funziona così, perché hanno cominciato e non hanno soldi, perché non hanno (…) Solo per vedere..la nostra cultura.
P: Das funktioniert so, weil sie angefangen haben und keine Gelder haben, weil sie nicht haben (…) Nur um..unsere Kultur zu sehen.
I: Mhm. I: Mhm. P: Tutto ha da- ha aiutato a gente. P: Alles hat geg- hat den Leuten geholfen. I: …Okay. Però è sempre nato sull’iniziativa personale, di qualcuno.. Qualcuno della comunità indiana, per così dire…per proporre questo? P: Eh. Lui si chiama (S.). E lui è un ragazzo molto bravo..e molto gentile.. Lui..lui voleva imparare la nostra cultura per bambini.
I: …Okay. Aber es ist aus der persönlichen Initiative heraus entstanden, von jemand.. Jemanden aus der indischen Gemeinschaft, so zu sagen.., der das vorgeschlagen hat? P: Ja. Er heißt (S.). Er ist ein sehr tüchtiger Junge..und sehr freundlich.. Er..er wollte unsere Kultur unseren Kindern lehren.
I: Mhm. I: Mhm. P: Che nostra cultura, perché (qui, quello lì..) piano piano stanno dimenticando.
P: Das unsere Kultur, weil (hier, das dort..) sie vergessen sie langsam.
(Quelle: LUIS: Z 612-642) Vater P der indischen Zuwandererfamilie LUIS1 betont jedoch auch, dass seine Kinder die Kultur des Landes, in dem sie leben, kennen lernen sollen (LUIS1: Z 73-89). Gefragt nach kulturellen Aktivitäten in der Grundschule formuliert er: „..Esso come cultura questo qua, esso imparare questo qua.“ („..Etzt wie Kultur diese hier, etzt lernen diese hier.“) (LUIS1: Z 77). Auf die Situation von Kindern mit Migrationshintergrund in Luzzara soll im Weiteren näher eingegangen werden. Zunächst werden jedoch kurz die sozialen Kontakte der in der Gemeinde ansässigen Immigranten dargestellt. Grundsätzlich scheinen die Kontakte der Migranten zu italienischen Familien und Einzelpersonen in der Gemeinde beschränkt und eher oberflächlicher Natur zu sein. Zwar kennen die befragten Zuwanderer ihre italienischen Nachbarn oder die Eltern italienischer Klassenkameraden ihrer Kinder, ihre Kontakte bestehen jedoch meist im Austausch von Grüßen und andere Formen des höflichen sozialen 226
Umgangs. Eine Ausnahme dazu bildet die pakistanische Migrantenfamilie LUIS2, deren Vater betont, dass seine Nachbarn wie eine Familie für ihn sind. Intensiverer Art stellen sich die Bindungen zu anderen Zuwanderern und insbesondere zu Angehörigen der gleichen Nationalität dar (LUIL1: Z 328-366, Z 942-984, Z 1374-1377, Z 1457-1463, Z 1851-1860, Z 1878-1896 und Z 1909-1915; LUIS1: Z 723-728, Z 736-754 und Z 764-780; LUIS2: Z 592-636 und Z 777-784). Welche Kontakte unterhalten demgegenüber die befragten Kinder?
5.3.3 Die Situation von Schülern mit Migrationshintergrund Bereits zuvor war dargestellt worden, dass die befragten Integrationsakteure des Staates (LUG, LUL und LUR) sowie die Autochthonenfamilie LUAu als zentrales Problem bezüglich der Eingliederung von Schülern mit Migrationshintergrund in die Grundschule von Luzzara mangelnde Italienischkenntnisse benennen, die ihnen zufolge einerseits zu einem Leistungsabfall der gesamten Klasse und andererseits zu aggressivem Verhalten auf Seiten der Zuwandererschülern führen (LUAu: Z 204-272; LUG: Z 315-339, Z 376-391 und Z 421423; LUL: Z 324-336 und Z 380-383; LUR: Z 43-50). Die Tochter der interviewten italienischen Familie LUAu berichtete in diesem Kontext von einem albanischen Jungen, der die fünfte Klasse der Grundschule besucht, und gänzlich aus dem Klassenleben sowie der Vermittlung des Lehrstoffes ausgeschlossen zu sein scheint (LUAu: Z 1055-1077). Sowohl Mutter als auch Tochter von LUAu verweisen auf aggressives bzw. deviantes Verhalten seitens der Zuwandererschüler in der Grundschule (LUAu: Z 490-530 und Z 964). Die Väter der befragten Zuwandererfamilien LUIS1 und LUIS2 hingegen betonen, dass ihre Söhne keine Probleme in der Grundschule haben, sondern „wie alle Kinder“ sind. Der Vater der Migrantenfamilie LUIS2 hebt in diesem Kontext hervor, dass sein Sohn das „Sprachlabor“ nicht besucht, weil er Schwierigkeiten mit der italienischen Sprache hat, sondern um Zeit mit anderen Zuwandererkindern zu verbringen. Seiner Überzeugung zufolge hat sein Sohn bereits im Kindergarten Italienisch gelernt (LUIS1: Z 97-101; LUIS2: Z 95-105):
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P: (con enfasi) Sì, qua però lui non ha problemi per parlare.., capire.. Perché ci sono altri.., allora dato che ci sono altri, va anche lui. …Però lui non ha problemi parlare, leggere, scrivere. ..È andato 3 anni asilo qua.
P: (mit Nachdruck) Ja, hier aber hat er keine Probleme zu sprechen… verstehen.. Weil dort andere sind.., also weil andere dort sind, geht er auch. …Aber er hat keine Probleme sprechen, lesen, schreiben. ..Er ist drei Jahre in Kindergarten hier gegangen.
I: E già. E hai imparato lì l’italiano, nell’asilo? P: Eh, sì!
I: Sicher. Und hast du Italienisch bereits im Kindergarten gelernt (gemeint ist der Sohn – Anm.d.Verf.)? P: Und ob!
(Quelle: LUIS2: Z 99-105) Im Verlauf des Interviews zeigen die beiden betroffenen Schüler jedoch nur mäßige Italienischkenntnisse, wenn auch eine etwas größere Sprachbeherrschung als ihre Väter. Als besten Klassenkamerad benennen beide Söhne Schüler, die ebenfalls einen Migrationshintergrund besitzen (LUIS1: Z 299-317; LUIS2: Z 316-330). Die Herkunftskultur der beiden nimmt im Schulalltag nur eine geringe Rolle ein (LUIS1: Z 397-413; LUIS2: Z 398-481). Auch ihre Sozialkontakte zu anderen Schülern außerhalb der Klasse scheinen begrenzt: Nach Ende des Schulunterrichts spielt LUIS2 vor allem mit seinen Geschwistern zu Hause und auch sein Geburtstag wurde nur im Familienkreis gefeiert (LUIS2: Z 479-498). Wie sich die Sozialkontakte der Zuwanderer außerhalb des Schulkontextes bzw. in der Gemeinde von Luzzara allgemein darstellen, wird im Folgenden untersucht.
5.3.4 Die Beziehung von Immigranten und Autochthonen in Luzzara In dem folgenden Kapitel wird zunächst auf das Bild der autochthonen Bevölkerung eingegangen, wie es in den Gesprächen skizziert wurde. Daran anschließend wird die Darstellung der Zuwanderer allgemein und der in Luzzara ansässigen Immigranten erarbeitet, um schließlich auf die Charakterisierungen des Zusammenlebens von Immigranten und Autochthonen einzugehen. Befragte Autochthone identifizieren auf der Seite der Italiener und italienischen Familien aufgrund der gehobenen Anzahl an ansässigen Immigranten einen Rückzug ins Private, einen größeren Individualismus allgemein sowie einen Rückgang der Bereitschaft zur ehrenamtlichen Integrationsarbeit im Speziellen (LUAu: Z 474-479, Z 925-926 und Z 1267-1278; LUG: Z 299-307 und Z 1738-1778; LUL: Z 382-383; LUZ: Z 706-722, Z 840-844 und Z 1125-1234):
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LUG: Eeeh, che cominciano ad essere veramente tanti, ..la gente..comincia ad arretrare un po'!
LUG: Äääh, dadurch, dass sie beginnen, wirklich so viele zu werden, ..beginnen..die Leute, sich ein bisschen zurückzuziehen!
I: Mh..
I: Mh..
LUG: Sulle..sulla..posizione di un'accoglienza calorosa.
LUG: Auf..auf der Ebene einer herzlichen Aufnahme.
(Quelle: LUG: Z 299-303) Das Interesse der Autochthonen an Zuwanderern erscheint dabei ebenso begrenzt, wie ihre Kenntnisse über z.B. deren Religionszugehörigkeit und Praktiken der Religionsausübung (LUAu: Z 551-578, Z 726-732 und Z 760-773; LUIS2: Z 513-517). Neben einem geringen Interesse werden zudem in den durchgeführten Interviews Formen der (kulturellen) Distanz bzw. der direkten Ablehnung von Immigranten beschrieben. In diesem Sinne wird von Gesprächspartnern geäußert, dass die ansässigen Autochthonen den Geruch indischen Essens in Luzzaras Zentrum nicht riechen mögen bzw. dass sie überhaupt keine Zuwanderer sehen wollen (LUAu: Z 805-826; LUIS2: Z 555-561): M: ..A me il cibo indiano piace per cui.. però a molta gente, la maggior parte di gente.., anche perché eh.. hanno sapori e odori molto forti, quindi io adesso visto che, specialmente il centro è stato.. ripopolato dagli indiani perché..? Perché sono state vendute.. o affittate anche case che gli italiani non vorrebbero, neanche da lontano, ..loro si accontentano, ..pagano per cui anche il centro si è ripopolato. I: [Eh già]. B: [Sì], ci sono dentro mille, tantissime famiglie. M: Si passa dalle strade, dove si sente questo odore di curry o di cipolla. I: Mmhh.
M: ..Mir schmeckt indisches Essen, deshalb.. aber vielen Leuten, den meisten Leuten.., auch weil sie äh.. sehr intensive Geschmäcke und Gerüche haben, also ich jetzt angesichts dessen, dass das Zentrum von den Indern ..wieder bevölkert wurde, warum..? Weil auch Häuser verkauft.. oder vermietetet wurden, welche die Italiener nicht einmal von weiten wollen würden, ..sie begnügen sich, ..sie zahlen, und auch deshalb hat sich das Zentrum wieder belebt. I: Sicher. B: Ja, dort gibt es tausend, sehr viele Familien drinnen. M: Man geht auf der Straße vorbei, wo man diesen Geruch von Curry oder von Zwiebel wahrnimmt.
B: Infatti mamma.. I: Mmhh. M: [E si sente..] B: Genau, Mamma.. B: [Davanti a casa] nostra c’è un po’ di indiani.
M: Und man riecht..
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M: E si sente il profumo di curry, che non a tutti piace..quindi.. Anche fare una festa con cibo indiano, non è tanto.. alla gente non piace.
B: Vor unserem Haus gibt es ein paar Inder. M: Und man riecht dieses Parfum von Curry, das nicht allen gefällt..von daher.. Auch ein Fest mit indischem Essen zu machen, ist nicht so sehr.. den Leuten gefällt das nicht.
(Quelle: LUAu: Z 805-826) Aus der Sicht eines Immigranten klingt das wie folgt: P: (…) Qui sono tanti che non vogliono vedere..indiani!
P: (…) Hier gibt es viele, die ..Inder nicht sehen wollen!
I: Dice come genitori? Non vedono..
I: Meinen Sie als Eltern? Sie sehen nicht..
P: Come persone, non genitori, come italiani! Che non vogliono vedere..i capelli neri. ..Capito? Stranieri non vogliono vedere!
P: Als Personen, nicht als Eltern, als Italiener! Dass sie keine..schwarzen Haare sehen wollen. ..Verstanden? Ausländer wollen sie nicht sehen!
(Quelle: LUIS2: Z 555-561) Seitens der Italiener werden von den Befragten Ängste identifiziert, in der Gemeinde selbst zu einer Minderheit zu werden (LUG: Z 1859-1865; LUZ: Z 1283-1284), vor einem Leistungsabfall in der Schule (LUG: Z 329-345; LUL: Z 382-401), vor kultureller Überfremdung (LUAu: Z 1095-1101, Z 1138-1181 und Z 1193-1218) sowie vor Identitätsverlust (LUG: Z 1805-1809). Am deutlichsten akzentuiert sich die immanente Angst vor kultureller Überfremdung in der Aussage der Autochthonenfamilie LUAu zur möglichen Einführung des kommunalen Wahlrechts für Immigranten in Italien: I: …Sentite un po’ questa discussione che c’è adesso per il diritto di voto degli immigrati?.. Oppure..
I: …Verfolgt ihr ein bisschen die jetztige Diskussion über das Wahlrecht für Zuwanderer?.. Oder..
M: Sì.
M: Ja.
I: Si sente comunque dire, perché adesso..
I: Man hört auf jeden Fall davon, weil jetzt..
M: Si sente, si sente.. bisognerebbe confrontarci con altri paesi che hanno già.. io personalmente non .. non so come va negli altri paesi.
M: Man hört davon, man hört davon.. man müsste sich mit anderen Ländern vergleichen, die bereits.. ich persönlich nicht .. ich weiß nicht, wie das in anderen Ländern läuft.
I: [Mmhh.]
I: Mmhh.
230
M: [Europei..] e.. (accentato ridendo) è una cosa un po’ forte! Nel senso che in alcuni paesi dove, tipo Luzzara, c’è un 26/27%, ..si parla sempre di ragazzi, non di adulti che le percentuali non le so precise..
M: Europäischen.. und.. (lachend und betont) das ist ein bisschen ein starkes Ding! In dem Sinne, dass in einigen Orten wie Luzzara, wo es 26/27% sind, ..immer von den Jugendlichen sprechend, nicht von Erwachsenen, bei denen ich die Prozentsätze nicht genau kenne..
I: Mmhh. I: Mmhh. M: E insomma cominciano a essere un quarto della popolazione.. Ti senti un attimo.. di dover difendere dei valori tuoi di paese perché.. insomma è così cioè.. e così penso che sia così per tutti.. eeee.. quando sento.. ci sono.. per certi aspetti specialmente anche religiosi, senti che ci sono delle tradizioni molto radicate e molto rigide, ti spaventi un attimo, quindi dici se mi obbligano a fare il ramadan.. mi viene un attimo.. (…) Ma dico non è una questione di razzismo.. È una questione di.. cioè sei portato a difendere la tua specie, a difendere la tua categoria.. quindi quando vedi queste cose.., rimani un attimo.. perché insomma è una tua tradizione, hai dei tuoi valori, delle tue cose che.. insomma anche se non succede niente.. insomma, sei portato a portare avanti, capito?
M: Na jedenfalls beginnen sie, zu einem Viertel der Bevölkerung zu werden.. Du fühlst einen Augenblick.. deine Werte des Dorfes/Landes verteidigen zu müssen, weil.. also es ist so, das heißt.. und ich denke, dass geht allen so.. uuuund.. wenn du fühlst.. dass es gibt.. auch wegen einiger religiöser Aspekte, fühlst du, dass es tief verwurzelte und sehr rigide Traditionen gibt, dann erschrickst du ein bisschen, dann sagst du, wenn sie mich dazu zwingen, den Ramadan einzuhalten.. mir wird da einen Moment lang.. (…) Aber ich sage, dass ist keine Frage von Rassismus.. Es ist eine Frage von.. das heißt, du bist dazu geneigt, deine Spezies zu verteidigen, deine Kategorie zu verteidigen.. deshalb, wenn du solche Sachen siehst.., bleibst du ein bisschen.., denn es ist immerhin eine deiner Traditionen, du hast deine Werte, Sachen, die.. auch wenn nichts passiert.. du bist dazu geneigt, das fortzusetzen, verstanden?
(Quelle: LUAu: Z 1138-1181) Von ansässigen Italienern werden Zuwanderer den Aussagen der Befragten zufolge als Rivalen gesehen, wobei sich diese diagnostizierte Rivalität auf materielle Güter konzentriert und nicht auf z.B. Fragen der Religion (LUIL1: Z 1534-1580; LUIS2: Z 561-570; LUZ: Z 349-370, Z 418-437 und Z 443-444): LUZ: Anche perché ad un certo punto effettivamente eeeeh gli altri hanno dimostrato di acquisire molta sicurezza. Di eeeh venire sapendo cosa, dove vogliono arrivare. Eeeh, quindi lì sono stati visti come dei mmh (accentato) rivali.
LUZ: Auch weil ab einem gewissen Zeitpunkt effektiv ääääh die anderen gezeigt haben, große Sicherheit zu erreichen. Hierher äääh zu kommen, in dem Wissen, was, wo sie hinkommen wollen. Äääh, also damit sind sie als mmh (betont) Rivalen angesehen worden.
(Quelle: LUZ: Z 349-351) Und weiter:
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I: (…) Invece in questioni di religione?
I: (…) Hingegen in Fragen der Religion?
LUZ: No, la questione della religione è poco sentita. Primo perché eeeh il 10%..viene in chiesa.. da noi. Quindi il 90% vuol dire che è fuori..
LUZ: Nein, die Religionsfrage nimmt kaum Einfluss. In erster Linie weil äääh 10%.. in die Kirche kommen.. zu uns. Also das heißt 90% draußen bleibt..
(Quelle: LUZ: Z 434-437) Von großer Bandbreite erscheint auch die in den Aussagen der Befragten immanente oder explizite Darstellung der Immigranten allgemein und der Zuwanderer der Gemeinde im Besonderen. Die Äußerungen der Interviewten reichen diesbezüglich von Etikettierungen der Immigranten als hilfsbedürftig, aber zu fordernd (LUG: Z 148-163, Z 428-469 und Z 1135-1168; LUZ: Z 141-156, Z 199-222, Z 661-703 und Z 746758), als undiszipliniert (LUZ: Z 825-838), kriminell und unselbständig (LUZ: Z 370-374), als fruchtbar (LUG: Z 224-234; LUZ: Z 1136-1142) und als aggressiv (LUZ: Z 1110-1136) bis hin zur Identifizierung ihres Unwillen zur Integration und der Betonung ihrer wirtschaftlichen Erwünschtheit. Die geschilderten Etikettierungen beziehen sich dabei auf Aussagen von staatlichen Integrationsakteuren (LUG und LUL), zivilgesellschaftlichen Vertretern (LUZ) und autochthonen Adressaten der Eingliederungsförderung (LUAu), die weiteren Aussagen schließen ebenfalls interviewte Zuwanderer mit ein. In Richtung einer stereotypisierten Fruchtbarkeit von Immigranten äußert sich die lokale Vertreterin der Caritas (LUZ) wie folgt: LUZ: (…) ..Sulla piazza c’erano non meno di 300 indiani.. (sospira) ..mogli, mariti e figli.., un figlio nella pancia, ..un figlio per mano.. e un figlio in braccio, per dirti..
LUZ: (…) ..Auf der piazza waren nicht weniger als 300 Inder.. (seufzt) ..Ehefrauen, Ehemänner und Kinder.., ein Kind im Bauch, ..ein Kind an der Hand.. und ein Kind im Arm, um dir zu sagen..
I: Mh.. I: Mh.. LUZ: Per dire com’è il discorso della natalità..in casa loro.. Quindi, aumenteranno notevolmente.
LUZ: Um zu sagen, wie es um den Diskurs der Geburtenrate.. bei ihnen zuhause bestellt ist.. Also werden sie merklich zunehmen.
(Quelle: LUZ: Z 1136-1142) Auch seitens der zuständigen Kommunalbeamtin wird wiederholt auf die große Anzahl der Immigranten in Luzzara verwiesen und das Bild eines Überfalls der Gemeindeverwaltung durch die ansässigen Zuwanderer evoziert:
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LUG: (…) l-la provincia ha istituito delle borse di studio e e libri gratuiti, eeh.. libri di testo gratuiti.
LUG: (…) d- die Provinz(verwaltung) hat Stipendien eingerichtet und und kostenlose Bücher, uund.. Lernmittelfreiheit.
I: Mhm.
I: Mhm.
LUG: Loro sono i primi ad arrivare e far domanda! E hanno un tam-tam (accentato) splendido che funziona tra di loro.. (…) ..Ma loro si.. Poi si me- hanno delle persone che sanno parlare..bene l'italiano e le mandano in avanscoperta qui da noi.., chiedono co- cosa occorre, poi dopo arrivano..tutti quelli che ritengono di aver diritto di accessoo a questi contributi.
LUG: Sie sind die ersten, die kommen, um sie zu beantragen! Und sie haben ein (betont) phantastisches Tam-Tam (Trommel), das unter ihnen funktioniert.. (…) ..Aber sie.. Dann – haben sie Leute, die ..gut Italienisch sprechen können und die schicken sie als Vorhut hier zu uns.., sie fragen wa- was man benötigt, danach kommen sie..all diejenigen, die der Meinung sind, ein Anrecht auf den Zuganng zu diesen Gütern zu besitzen.
(Quelle: LUG: Z 428-469) Im Zusammenhang mit dem Einwohnermeldeamt der Gemeinde berichtet LUG, dass es quasi von den Immigranten „assaltata“ („angesprungen“) wird (LUG: Z 148-149). Hinsichtlich der zahlreich vorhandenen Zuwanderer indischer und pakistanischer Herkunft wird zudem von den Befragten darauf verwiesen, dass sich diese nicht in die lokale Gemeinschaft eingliedern wollen, sondern unter sich bleiben. Zwar äußert sich die Vertreterin der lokale Caritas (LUZ) allgemein positiv zum Integrationsstand der indischen und pakistanischen Immigranten (LUZ: Z 259-270 und Z 277-288), jedoch überwiegen die Aussagen der Interviewpartner, die einen fehlenden Willen zur Integration bei Indern und Pakistanis identifizieren. Zudem wird betont, dass die genannten Immigrantengruppen in Luzzara in ihrer eigenen Welt leben (LUAu: Z 468-494, Z 726-752, Z 781796, Z 1095-1106 und Z 1133-1136; LUG: Z 101-102, Z 224-256, Z 929-930 und Z 1777-1778; LUIL1: Z 803-833, Z 1846-1850 und Z 1862-1872; LUIS2: Z 504-510; LUZ: Z 962-966, Z 973-974 und Z 1255-1267): LUIL1: (…) Perché indiani e pakistani, quasi tutti lavorano uno vicino all’altro. Abitano vicino. Hanno suoi negozi…(si schiarisce la voce) ..Hanno n- negozio chee.. loro vanno che no- non hanno bisogno proprio di italiano. I: Mh. Ah, dici che vivono proprio in un mondo suo? …Indiano? LUIL1: Sì, sì, sì. ..Vicino qua c’è un negozio indiano: uno e altro. Ci sono qua in, a Luzzara, che è un paesino piccolo..
LUIL1: (…) Denn Inder und Pakistani, fast alle arbeiten einer neben dem anderen. Sie wohnen nebeneinander. Sie haben ihre Läden… (räuspert sich) ..Sie haben G- Geschäfte, diee.. sie hingehen, wo ni- sie wirklich kein Italienisch sprechen müssen. I: Mh. Ah, du meinst, dass sie wirklich in ihrer Welt leben? …In ihrer indischen Welt? LUIL1: Ja, ja, ja. ..Hier in der Nähe gibt es ein indisches Geschäft: eins und ein anderes. Hier
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auf, in Luzzara, das ein kleiner Ort ist.. I: Eh.. I: Ja.. LUIL1: Ci sono due negozi. LUIL1: Gibt es zwei Geschäfte. I: Per alimentari, dici? I: Für Lebensmittel, meinst du? LUIL1: Sì, uno.. uno alimentare, dove si può comprare roba da mangiare e altra roba. E altro hanno fatto cabine telefoniche loro potevano chiamare a casa sua, dove possono comprare…eeh..i suoi cassette per ascoltare la musicaaa, le videocassette per..eeh..i suoi [film..] I: [Mh..] LUIL1: E e così che quest- questo è sua, la loro vita. I: Ho [capito.] LUIL1: [Che loro] hanno i negozi, dove loro vanno e parlano proprio nella lor- nella loro lingua!
LUIL1: Ja, eins.. eins für Lebensmittel, wo man Sachen zum Essen und andere Dinge kaufen kann. Und anderes haben sie Telefonkabinen hinein gemacht, dass sie bei sich zu hause anrufen können, wo sie …ääh..ihre Kassetten zum Musikhören kaufen können, die Videokassetten, um..ääh..ihre [Filme..] I: [Mh..] LUIL1: Und und so, ist da- das sein, ist ihr Leben. I: Ich hab’ [verstanden.] LUIL1: [So dass sie] ihre Geschäfte haben, wo sie hingehen und wirklich auf ihr- auf ihrer Sprache sprechen!
(Quelle: LUIL1: Z 803-829) Auch LUZ hält in diesem Kontext fest: „Peroòò.. ad esempio gli indiani..non ci tengono a essere..eeehm tanto uniti a noi.“ („Aberrr.. zum Beispiel die Inder..bemühen sich nicht, ..ääähm so sehr mit uns verbunden zu sein.“) (LUZ: Z 973). Letztendlich relativiert sich die positive Aussage der Caritas-Vertreterin (LUZ) zum Integrationsstand von Indern und Pakistani dahingehend, dass sie sich allein auf Merkmale der strukturellen Integration bezieht: LUZ: (…) Poi sono arrivati tantissimi indiani e pakistani… Questi sono proprio arrivati e sono anche stati quelli.., che…venivano con un contratto di lavoro..
LUZ: (…) Dann sind sehr viele Inder und Pakistani gekommen… Die sind wirklich (hier) angekommen und sie sind auch die gewesen.., die mit einem Arbeitsvertrag kamen..
I: Mh. I: Mh. LUZ: Si sistemavano.. bene.. eeh lavoravano.., eh seguivano i loro figli..
(Quelle: LUZ: Z 259-264)
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LUZ: Sie haben sich.. gut.. eingefunden ääh sie arbeiteten.., äh sie kümmerten sich um ihre Kinder..
Insgesamt scheint sich aus den Gesprächen der Befragten eine Art Hierarchie der Zuwanderer herauszubilden: Während die Immigranten aus dem indischen Punjab als religiöse Gruppe der Sikh als toleranter erachtet werden, erscheinen die ansässigen Pakistani als Moslems negativere Eigenschaften auf sich zu vereinen (LUAu: Z 893-901; LUG: Z 445-477, Z 634-651 und Z 1828-1843; LUIL1: Z 1252-1279, Z 1751-1752 und Z 1862-1880; LUZ: Z 445-477): LUZ: (…) soprattutto i musulmani sono delnella maggior parte dei (cavoli integralisti). E quindi eeh è difficile stabilire un rapporto! Eeh.. di integrazione a questo livello, [però sempre..]
LUZ: (…) insbesondere die Moslems sind diin der Mehrzahl (integralistische Kohlköpfe). Und deshalb ääh ist es schwierig, eine Beziehung aufzubauen! Ääh.. eine Beziehung der Integration auf diesem Niveau, [weil immer..]
I: [Integralisti in che senso?]
I: [Integralistisch in welcher Hinsicht?]
LUZ: Eh? Integralisti. Sono un po’ integralisti. Eh, perché mmh.. mmh…è difficile che escono dai loro schemi, no?! E che si adattino. (…) Sono molto eehmm legati alle loro tradizioni, (…)
LUZ: Eh? Integralistisch. Sie sind ein bisschen integralistisch. Eh, weil mmh.. mmh...nur schwer verlassen sie ihre Schemata, nicht?! Und passen sich an. (…) Sie sind äähmm ihren Traditionen sehr verbunden, (…)
I: Allora, integralisti non dal [punto di vista]..
I: Das heißt integralistisch nicht [unter dem Gesichtspunkt..]
LUZ:
[Ecco, integralisti..] LUZ: [Ja, integralistisch..]
I: Di dialogo [tra le religioni], ma..al contrario?
I: Des Dialoges [zwischen den Religionen], sondern..im Gegenteil?
LUZ: [No, no.] Sì, sì. LUZ: [Nein, nein.] Ja, ja. I: Eh, infatti, perché non avevo capito il senso del termine “integralisti”.. LUZ: Questo per musulmani. Invece per la religione sikh.. La maggior parte de- ..degli indiani sono di religione sikh.
I: Ja, wirklich, ich hatte den Sinn des Wortes „integralistisch“ nicht verstanden.. LUZ: Das (gilt) für die Moslems. Hingegen für die Religion Sikh.. Die Mehrheit de- ..der Inder gehört der Sikh-Religion an.
I: Sì. I: Ja. LUZ: Sono più tolleranti. LUZ: Sie sind toleranter.
(Quelle: LUZ: Z 445-477) Diese negative Einschätzung der Pakistaner findet sich in ähnlicher Form bei LUIL1, der aufgrund seiner Teilnahme am Italienischsprachkurs befragt wurde:
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LUIL1: (…) Indiani..indiani sono come tutti gli altri.
LUIL1: (…) Inder..Inder sind wie alle anderen.
I: Mh..
I: Mh..
LUIL1: Indiani sì, ma pakistani un po’ più… Non mi, non mi piacciono tanto. Indiani più.. che più buoni, [diciamo] così.
LUIL1: Inder ja, aber Pakistaner (sind) ein bisschen mehr… Sie, sie gefallen mir nicht so sehr. Inder (sind) mehr.. (sind) mehr gut, [sagen wir] so.
I: [Mh..] I: [Mh.] LUIL1: Perché india- pakistani più cattivi ci sono.
LUIL1: Denn Ind- Pakistani sind mehr böse, die gibt es.
(Quelle: LUIL1: Z 1252-1261) Sowohl der befragte Zuwanderer LUIL1 als auch die Vertreterin der lokalen Caritas stellen insbesondere Immigranten marokkanischer und tunesischer Herkunft als „kriminell“ dar und assoziieren diese mit einem „Zigeunerleben“ (LUIL1: Z 1751-1752; LUZ: Z 270-272 und Z 292-303): LUZ: Invece…iiii marocchini, in particolare, si dimostravano refrattari, una vita un po’ zingaresca..
LUZ: Hingegen…diiiie Marokkaner, im Besonderen, zeigten sich widerstandsfähig, ein Leben, ein bisschen zigeunerhaft..
I: Mh.. Venivano qua per fare..
I: Mh.. Kamen sie hierher, um..
LUZ: Sì.
LUZ: Ja.
I: Dei lavori..
[stagionali oppure..?]
LUZ: [(…) Poi..] un po’ lavori stagionali oppure lavori in fabbrica, ma duravano sempre poco. Quindi tutto un eeeh cambiare continuamente il luogo di lavoro.. Anche caratteri più litigiosi.., eeeh tra di loro…e anche con la popolazione, insomma.
I: Im.. [Saisongeschäft zu arbeiten oder..?] LUZ: [(…) Dann..] ein bisschen wegen der Saisonarbeit oder der Arbeit in der Fabrik, aber die dauerten immer kurz. Von daher war alles ein äääh ständiges Wechseln des Arbeitsortes.. Auch stärker streitbare Charaktere.., äääh unter sich..und auch mit der Bevölkerung.
(Quelle: LUZ Z 292-303) Wie schon zuvor beschrieben, erscheint insbesondere die ökonomische Notwendigkeit von Zuwanderern den Boden für ihre Akzeptanz in der Gesellschaft zu bereiten. Mehrere Befragte stellten in diesem Sinne heraus, dass die Immigranten in der Gemeinde von ihren Arbeitgebern und der Wirtschaft geschätzt werden (LUG: Z 941-942; LUL: Z 478-567 und Z 571-663; LUAu: Z 901-905, Z 966-981 und Z 1087-1106):
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M: Sì.. Già gli indiani sono molto più.. sono molto più tranquilli.
M: Ja.. Schon die Inder sind viel.. sind viel ruhiger.
B: [Sì.]
B: [Ja.]
M: [Sono..] apprezzati anche sul lavoro..
M: [Sie werden] auch auf der Arbeit geschätzt..
(Quelle: LUAu: Z 901-905) Und weiter: M: Hanno il senso degli affari.. hanno veramente il senso degli affari, infatti comprano molto.
M: Sie haben Geschäftsinn.. sie haben wirklich Geschäftsinn, und in der Tat kaufen sie viel. I: …Häuser?
I: …Case? M: Case.. comprano, ristrutturano e fanno mutui.. eh.. è gente che lavora, quindi è gente.. è gente che in qualche maniera dà una mano all’economia.
M: Häuser.., sie kaufen, renovieren und nehmen Kredite auf.. äh.. das sind Leute, die arbeiten, also Leute.. Leute, die irgendwie der Wirtschaft zur Hand gehen.
(Quelle: LUAu: Z 966-971) Grundsätzlich scheinen sich nur wenige direkte Konflikte zwischen Autochthonen und Immigranten in der Gemeinde zu ereignen. Vielmehr akzentuiert sich in den Befragungen eine unterschwellige Distanz zwischen den beiden Gruppen als Misstrauen vor allem der Italiener gegenüber Zuwanderern. Zwar berichtet die Vertreterin der lokalen Caritas von direkten Konfliktsituationen zwischen Autochthonen und Immigranten im Rahmen der Verteilung von Hilfsgütern durch die Caritas (LUZ: Z 724-730), physische Auseinandersetzungen im Sinne von Schlägereien werden jedoch allein innerhalb der Gruppe der Zuwanderer, d.h. unter Indern und Pakistanern, angesprochen (LUAu: Z 497-514 und Z 953-962). Das beschriebene Misstrauen äußert sich im Laufe der Befragungen als negative Diagnose der Interaktionen zwischen autochthoner und immigrierter Bevölkerung. Zudem wird ein Missbrauch der Offenheit und Hilfsbereitschaft der Italiener durch die Zuwanderer thematisiert (LUG: Z 75-84, Z 293-307, Z 929945 und Z 1777-1782; LUZ: Z 1320). Während die Vertreterin der lokalen Caritas (LUZ) formuliert: „Siamo ancora molto divisi, ..cioè siamo ancora molto razzisti!“ („Wir leben noch sehr getrennt, ..das heißt wir sind noch sehr rassistisch!“ (LUZ: Z 1320), betont die zuständige Gemeindereferentin (LUG), dass die luzzaresischen Italiener „von Herzen“ auf Zuwanderer zugehen, während diese ihren strategischen Vorteil suchen:
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LUG: ..Fino..fino..fino ad oggi era proprio sincera la nostra accoglienza di dire: “beh insomma, voi avete bisogno, noi abbiam bisogno di forza lavor- di forza lavoro, ma non solo per questo. Siete persone, siete bambini, ..vi accogliamo con tutta laaa…eeh, come dire, col cuore, ecco, per per.. Eeeehm, però..però par-.. risulta un uso (accentando la prossima parola) strumentale da parte loro.
LUG: ..Bis..bis..bis heute war die Aufnahme unsererseits wirklich ehrlich, zu sagen: „Na ja, ihr habt Bedürfnisse, wir brauchen ArbeiArbeitskräfte, aber nicht nur deshalb. Ihr seid Personen, ihr seid Kinder, ..wir nehmen euch mit all deee…ääh, wie sagt man, mit dem Herzen, genau, auf, um um.. Äääähm, aber..aber sch-.. es zeigt sich ein (das nächste Wort betonend) instrumenteller Gebrauch von ihrer Seite.
(Quelle: LUG: Z 941-945) In ihrer Wahrnehmung missbrauchen Immigranten in Luzzara Ressourcen, die sich ansässige Italiener „vom Munde absparen“ müssen (LUG: Z 1135-1168): LUG: (…) Voglio dire, è (accentato) demagogico che noi li si vada a aiutare, questi. Quando eeh un italiano, magari, che non viene a chiedere nulla, ..si paga un affitto e se lo toglie dalla bocca, perché la moglie non può andare a lavorare, perché c'ha tre figli e e se va a lavorare non non riesce a mantenere..non so se mi sono..
LUG: (…) Ich meine, es ist (betont) demagogisch, dass wir uns bewegen, ihnen zu helfen, diesen. Während ääh ein Italiener, der vielleicht nicht um Hilfe ersucht, ..der seine Miete bezahlt und sie sich vom Mund abspart, weil die Ehefrau nicht arbeiten gehen kann, weil sie drei Kinder hat und und wenn sie arbeiten geht, es nicht nicht schafft, (diese) zu unterhalten..ich weiß nicht, ob ich mich..
I: Sì, sì, sì. I: Ja, ja, ja. LUG: Se mi sono spiegata. ..Quindi, (espira) la parentesi voglio dire, eeehmm..non…non è giusto fare.. Bisogna stare molto attenti, ecco, a fare degli interventi..specifici, perché non sappiamo, ..loro effettivamente..
LUG: Ob ich mich verständlich gemacht habe. ..Also, (atmet tief) in Klammern, ich will sagen, ääähmm..nicht..es ist nicht richtig, zu machen.. Man muss sehr vorsichtig sein, so, ..spezifische Interventionen zu machen, denn wir kennen ..sie effektiv nicht..
(Quelle: LUG: Z 1154-1164) Zu den Teilbereichen Schule und Arbeitsmarkt äußern sich die Befragten durchaus gegensätzlich: Während einerseits versichert wird, dass es gibt keine Probleme zwischen Autochthonen und Immigranten gibt (LUAu: Z 1120-1121; LUR: Z 84-113, Z 170-175 und Z 251-253), wird andererseits erklärt, dass Schüler mit Migrationshintergrund wegen ihres (traditionellen) Kleidungsstils verspottet worden sind und dass Immigranten Italienern Arbeitsplätze wegnehmen (LUL: Z 265-272; LUZ: Z 335-345). Die Mutter der interviewten Autochthonenfamilie LUAu äußert für das sich manifestierende Misstrauen Verständnis:
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M: Però c’è comunque, c’è la diffidenza.
M: Aber es gibt auf jeden Fall, es gibt das Misstrauen.
I: Mmhh. I: Mmhh. M: C’è la diffidenza per una cultura che.. probabilmente sarebbe la stessa che troveremmo noi se andassimo a piantare delle comunità da loro.
M: Es gibt das Misstrauen gegenüber einer Kultur, das.. wahrscheinlich dasselbe wäre, das wir finden würden, wenn wir dorthin gingen, um bei ihnen Gemeinschaften einzupflanzen.
I: Mmhh. I: Mmhh. M: Cioè, è una cosa che comunque secondo me, non dico che sia giusta, ma è.. rientra nella normalità.
M: Das heißt, das ist eine Sache, die auf jeden Fall meiner Meinung nach, ich sage nicht, dass das richtig ist, aber es ist.. es ist normal.
(Quelle: LUAu: Z 835-845) Neben diesem „normalen“ Misstrauen gegenüber Zuwanderern verleiht LUAu ihrer Meinung Ausdruck, dass in der Gemeinde Luzzara grundsätzlich keine Fremdenangst existiert (LUAU: Z 835-853 und Z 911-926): M: (…) E…. non ci sono dei grossi problemi.. anzi direi proprio che non ci sono problemi di criminalità o o..paure nei confronti degli indiani o pakistani, no assolutamente. Questo proprioooo, anzi.. …C’è forse un po’ di diffidenza, peròòòò.. non c’è la paura dello straniero. (…)
M: (…) Und…. Es gibt keine großen Probleme.. im Gegenteil ich würde wirklich sagen, dass es keine Kriminalitäts-Probleme oder oder.. Ängste gegenüber Indern oder Pakistaner gibt, absolut nicht. Das (ist) wirkliiiich, anders.. …Es gibt vielleicht ein bisschen Misstrauen, aberrrr.. es gibt keine Fremdenangst. (…)
(Quelle: LUAu: Z 911-914) Das zitierte Misstrauen gegenüber Migranten, das in Luzzara von den ansässigen Autochthonen empfunden wird, scheint sich dabei als „Misstrauen gegenüber der Kultur“ zu akzentuieren und insofern als kulturelle Distanz erlebt zu werden. In dieser Hinsichterweisen sich die Schilderungen eines Gemeindefestes durch die Befragten als relevant: Während LUIL1 (Zuwanderer ukrainischer Herkunft) betont, dass die indische Kulturdarbietung auf der piazza, dem Marktplatz von Luzzara, zu keinen (offensichtlichen) Reaktionen seitens der anwesenden Autochthonen geführt hat (LUIL1: Z 1213-1252), manifestiert sich in den Aussagen der befragten Italiener eine erhebliche Distanz zum Geschehen und eine Entfremdung des (Heimat-)Ortes:
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M: Ma qua in piazza avevano fatto qualcosa.. ma secondo me.. Sì, qualche anno fa avevan fatto qualcosa, sempre canti balli.. Però sai…è come andare alla sagra di un altro (accentato) paese!
M: Aber hier auf der piazza haben sie etwas gemacht.. aber meiner Meinung nach.. Ja, vor ein paar Jahren haben sie etwas gemacht, immer Gesänge, Tänze.. Aber weißt du…, dass ist wie auf die Kirchweih eines anderen (betont) Ortes/Landes zu gehen!
(Quelle: LUAu: Z 751-752) Seitens der interviewten Caritas-Vertreterin (LUZ) wird die Veranstaltung als nicht gemeinschaftliches bzw. feindseliges Verhalten gedeutet: LUZ: (…) All’inizio dellaa… della manifestazione..la piazza pullulava. Era pienissima di indiani! ..Che eran venuti da tutte le parti… per vedere i ragazzini ballare sul eeh palco.. Piena, piena, piena. Quindi le nostra bancarella sparivano, scomparivano nel (si schiarisce la voce). Alla fine abbiam detto: “Beh, poi verranno a vedere almeno le nostre bancarelle. Noi siam qui che ascoltiamo, che guardiamo” …tra l’altro una danza che..mmh..mi aveva un po’ impressionato tanto era..(accentato) aggressiva.
LUZ: (…) Zu Beginn derr…. der Veranstaltung.. wimmelte der Marktplatz. Er war übervoll von Indern! ..Die aus allen Gegenden gekommen waren…, um die Jugendlichen auf der Bühne tanzen zu sehen.. Voll, voll, voll. Und unsere Stände verschwanden, verschwanden im (räuspert sich). Am Ende haben wir gesagt: „Gut, danach kommen sie wenigstens, um unsere Stände anzusehen. Wir sind hier und hören zu, sehen zu“ …unter anderem (war es) ein Tanz, der..mmh..mich ein bisschen beeindruckt hat, so.. (betont) aggressiv war er.
I: Aggressiva? I: Aggressiv? LUZ: Aggressiva! Aggressiva da matti. Sembrava un canto di guerra. (…) Come è finita la danza, (abbassa la voce) ..son spariti tutti! (…) ..E sono spariti! Nessuno si è degnato di vedere.. venire a vedere una nostra bancarella. Ho detto: “Ma che bello! È propriooo.. una lezione di.. scarsa integrazione, questa qui.”
LUZ: Aggressiv! Aggressiv wie die Verrückten. Er schien wie ein Kriegsgesang. (…) Als der Tanz zu Ende war, (sie senkt die Stimme) ..sind sie alle verschwunden! (…) ..Und sie sind verschwunden! Niemand hat sich dazu herabgelassen, zu sehen.. zu kommen und unsere Stände anzusehen. Ich habe gesagt: „Aber wie schön! Das ist wirkliiich.. eine Lektion .. fehlender Integration, das hier.“
(Quelle: LUZ: Z 1113-1144) Weitaus weniger Distanz sozialer und kultureller Art prägen hingegen die Interaktionen von Autochthonen und Immigranten im unmittelbaren Sozialumfeld, so die befragten Zuwanderer. Sowohl Kontakte zu (italienischen) Nachbarn als auch Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund werden in diesem Zusammenhang positiv hervorgehoben: Einerseits berichtet Zuwanderer LUIL1, dass er keine italienischen Freunde hat und ihn viele Leute in der Gemeinde „anekeln“: „La città è bella, bellissima, ma sono questo..questa gente, che c’è tanta gente che mi fa schifo.“ („Die Stadt ist schön, sehr schön, aber das sind dieses..diese Leute, dort gibt es viele Leute, die mich anekeln.“) 240
(LUIL1: Z 1906-1907). Andererseits sagt er aus, dass er sich mit seinen Nachbarn gut versteht und sie sich grüßen (LUIL1: Z 1449-1463, Z 1904-1907 und Z 1909-1919). Obwohl Zuwanderer LUIL2 beschreibt, dass italienische Männer sich ihm gegenüber distanziert verhalten und dass zwischen indischen und italienischen Frauen in Luzzara kaum Kontakt besteht, betont er, dass ihm die Menschen in der Gemeinde gefallen. Er zeigt sich davon überzeugt, dass es langsam zu einer Vermischung von Immigranten und Autochthonen kommt (LUIL2: Z 800-810, Z 884-896 und Z 898-937). Vater P der Zuwandererfamilie LUIL2 beschreibt sein Verhältnis zu seinen italienischen Nachbarn wie folgt (LUIS2: Z 602-620): P: Però noi s- siamo come una famiglia con i miei vicini. Sono bravi, ma bravo… Prima bravo io..
P: Aber wir s- sind wie eine Familie mit meinen Nachbarn. Sie sind anständig/gut, aber anständig/gut … Zuerst ich anständig/gut..
I: E poi bravi loro?! (ride)
I: Und dann sie anständig/gut?! (lacht)
P: Sì. E adesso 7 anni che abito qua. Mi conoscono bene!
P: Ja. Und jetzt sieben Jahre, die ich hier wohne. Sie kennen mich gut!
(Quelle: LUIS2: Z 602-607) Allgemein vermutet er, dass sich das Interesse der Autochthonen an den anwesenden Immigranten insgesamt als gering darstellt, weil die Migranten so viele und bereits seit längerem da sind (LUIS2: Z 515-517). Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Gemeinde Luzzara kaum von direkten Konflikten oder physischen Auseinandersetzungen zwischen Autochthonen und Immigranten gekennzeichnet scheint. Deutlich manifestierten sich jedoch Negativzuschreibungen der ansässigen Zuwanderer durch italienische Interviewpartner sowie ein Rückzug ins Private seitens der lokalen autochthonen Bevölkerung. In diesem Zusammenhang wurden ebenfalls Ängste der Italiener vor der Entfremdung ihres Lebensumfelds, vor kultureller Überfremdung, vor einem Identitätsverlust sowie der Angst der numerischen Überzahl der Zuwanderer thematisiert, die sich in einem generellen Misstrauen gegenüber Immigranten und der Wahrung einer unterschwelligen Distanz zu ihnen äußern. Eine gewisse Ausnahme scheinen in diesem Zusammenhang die Bereiche Arbeitsmarkt und das direkte Sozialumfeld zu bilden, in denen die Anwesenheit von Zuwanderern als positiv bzw. nicht problematisch dargestellt wird. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die positive Einschätzung der Kontakte zu Nachbarn insbesondere auf Aussagen interviewter Immigranten beruht. Die faktischen gesellschaftlichen Kontakte zwischen Zuwanderern und Autochthonen zeigten sich auf den Austausch von Höflichkeiten beschränkt.
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Inwieweit die Interaktionen zwischen immigrierter und autochthoner Bevölkerung sowie die Implementierung von integrationspolitischen Maßnahmen in der Gemeinde Luzzara einen Einzelfall konstituiert oder sich in ihm generelle Charakteristika identifizieren lassen, soll auf der Basis des Vergleichs mit der Gemeinde Rimini untersucht werden.
5.4 Das faktische Zusammenleben von Immigranten und Autochthonen in Rimini 5.4.1 Die Bewertung der Zuwanderung(spolitik) Grundsätzlich stellen sich die Aussagen der Befragten zur verfolgten Migrationspolitik als von Negativäußerungen gekennzeichnet dar. Der Darstellung und Bewertung des „Bossi-Fini-Gesetzes“ kommt in diesem Kontext besondere Aufmerksamkeit zu. Gültige Gesetze im Bereich Zuwanderung und Integration werden dabei von den Interviewpartnern ebenso negativ dargestellt, wie grundsätzlich ihre politische Umsetzung kritisiert wird: So hebt der Vertreter der Zuwandererorganisation (RNI) die schweren Mängel des „Bossi-Fini-Gesetzes“ hervor, betont aber gleichzeitig, dass auch die vorherigen Gesetze nicht besser gewesen sind. Gemäß dem befragten Caritas-Repräsentant (RNZ) laufen die bestehenden Gesetze und vor allem das „Bossi-Fini-Gesetz“ grundsätzlich der Natur der Zuwanderung zuwider (RNI: Z 1300-1305; RNZ: Z 1184-1205). Eine insgesamt negative Diagnose der Gesetzesentwicklung im Migrationsbereich findet sich auch in den Gesprächen des Gemeindevertreters (RNG) und des befragten Schulleiters (RNR) (RNG: Z 895-907; RNR: Z 580-586). Während RNG jedoch kritisiert, dass sich der Staat immer weiter aus seiner Verantwortung zur Sozialpolitik zurückzieht und seines Erachtens in Zukunft immer weniger finanzielle Mittel für die Integrationspolitik zur Verfügung stellen wird (RNG: Z 807-846 und Z 943-989), evoziert RNR ein nahezu apokalyptisches Bild der Zuwanderung. Gemäß RNR ist die Immigration nur tolerierbar vor dem Hintergrund des bestehenden Arbeitskräftemangels und insofern nur vermeidbar durch die Mobilisierung des italienischen Arbeitskräftepotentials: RNR: (…) Una, potrebbe essere che anche noi occidentali ci mettiamo a fare tutti i lavori.. Perché uno dei motivi che giustifica l’immigrazione.. e che la fa tollerare.. è la mancanza di manodopera. I: Eeeh, sì.
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RNR: (…) Eines könnte sein, dass auch wir Okzidentalen uns anstrengen, alle Arbeiten zu verrichten.. Denn einer der Gründe, der die Zuwanderung rechtfertigt.. und der sie tolerierbar macht.. ist der Mangel an Arbeitskräften.
I: Äääh, ja. RNR: Ma non è la mancanza di manodopera, ..perché la manodopera non c’è. La manodopera c’è! Solo che bisogna imparare..a far usare le mani anche ai nostri. I: Mh.. RNR: E questa è una forma di razzismo..interno che abbiamo. Perché questo..è una forma di razzismo..vero. Perché credere all’esistenza delle razze e credere che le razze sono diverse, non è razzismo. Ci sono delle razze diverse. ..Siamo tutti diversi.
RNR: Aber es gibt keinen Mangel an Arbeitskräften, ..denn die Arbeitskräfte sind da. Die Arbeitskräfte sind da! Man muss nur auch unseren Leuten beibringen..die Hände zu gebrauchen. I: Mh.. RNR: Und das ist eine Form ..internen Rassismus, den wir haben. Denn dieses..ist eine Form..echten Rassismus. Denn an die Existenz der Rassen zu glauben und zu glauben, dass die Rassen verschieden sind, ist kein Rassismus. Es gibt verschiedene Rassen. ..Wir sind alle verschieden.
(Quelle: RNR: Z 510-523) Er vergleicht das gegenwärtige Italien mit dem antiken Imperum Romanum und diagnostiziert, dass es durch die „Invasion der Barbaren“ bzw. die Zuwanderung zerstört werden wird (RNR: Z 511-517, Z 538-573 und Z 609-610): RNR: (…) E quindi.., posto che siamo in questa situazione (accentato) distorta, noi…i- le nostre distorsioni ci portano questo! L’integrazione..attutisce i problemi che naturalmente si verificheranno..
RNR: (…) Und insofern.., da wir uns in dieser (betont) verdrehten Situation befinden, wir…d- bringen uns unsere Verdrehungen das! Die Integration ..schwächt die Probleme ab, die sich natürlicherweise zeigen..
I: Eh..
I: Äh..
RNR: Eh.. Faccio un parallelo: Eeh.. l’impero romano alla fine, o la civiltà romana alla fine, eeh ha resistito all’esterno con le forze che venivano dall’esterno. L’esercito non era più fatto di..
RNR: Äh.. Ich ziehe eine Parallele: Ääh.. das Imperum Romanum zum Schluss oder die römische Zivilisation ääh hat zum Schluss dem Äußeren widerstanden mit den Kräften, die aus dem Außen kamen. Das Heer bestand nicht mehr..
I: Sì, sì, sì. I: Ja, ja, ja. RNR: ..Di romani. Era fatto dei cosiddetti barbari.. Ma poi civilizzati, perché erano più barbari i romani, (ride) sicuramente.. (…) RNR: (ride) E allora… Però alla fine..eeeh la civiltà romana..
RNR: ..Aus Römern. Das bestand aus Barbaren.. die dann zivilisiert worden sind, die Römer waren barbarischer, (lacht) sicherlich.. (…) RNR: (lacht) Und dann… Aber zum
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I: Sì. RNR: È stata..distrutta..ad opera dei barbari. (con rilievo) Succederà anche a noi così!
Schluss..äääh wurde die römische Zivilisation.. I: Ja. RNR: Sie ist..zerstört worden..durch das Werk der Barbaren. (mit Gewicht) Das wird auch uns so ergehen!
(Quelle: RNR: Z 547-568) Demgegenüber stellt sich die Lebenssituation von Zuwanderern in der Gemeinde wie folgt dar.
5.4.2 Die Lebenssituation der Immigranten in der Gemeinde In den Interviews der Befragten, die als Zuwanderer angesprochen werden, fällt insbesondere die Betonung eines mühsamen Lebens in Italien ins Auge, auch wenn sie ihre Lebenssituation in der Gemeinde grundsätzlich als stabil darstellen. In diesem Sinne schildert Vater P der Zuwandererfamilie RNIS1 das harte Erwachen aus dem Lebenstraum, der ihn zur Migration bewogen hat: P: […] All’inizio pensavo di di venire qui a lavorare per un po’ di tempo.., per fare un po’ di soldi, per.. Almeno si pensava così all’inizio… Con quei pochi soldi che potevo fare qui, potevo..fare delle grandi cose là. Peròòò non succede come..come…
P: […] Am Anfang dachte ich, hierher zu kommen, um eine Zeitlang zu arbeiten.., um ein bisschen Geld zu verdienen, um.. Am Anfang dachte man das... Mit dem wenigen Geld, das ich hier verdienen konnte, konnte ich.. dort große Dinge tun. Aberrr es geschieht nicht, wie.. wie...
I: Sognato? I: Erträumt? P: Sognato. Perché dalla TV.. è completamente diversa..a vedere da lontano, l’Italia. Invece a P: Erträumt. Denn nach’m Fernsehen.. ist es vivere è un’altra cosa.. ganz anders.. es vom weitem zu sehen, Italien. Aber hier zu leben, ist eine andere Sache.. I: Eh, già. I: Sicher. P: Anche qui..ci sono delle difficoltà, ci vuole.. ci vuole.. bisogna sudare per per avere proprio P: Auch hier.. gibt es Probleme, man muss.. quello che devi arrivare. man muss.. man muss schwitzen, um um wirklich das zu bekommen, wo du hinkommen musst.
(Quelle: RNIS1: Z 66-78) Gemäß den Aussagen der Zuwanderer spielen die Suche nach einer geeigneten Wohnung, die geringen Einkünfte der Familie sowie mangelnde Sprachkennt-
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nisse im Kontext ihrer Lebensbedingungen eine besondere Rolle (RNI: Z 10951128; RNIS1: Z 77-78, Z 127-137, Z 141-155, Z 334-373, Z 683-696 und Z 949-1025; RNIS2: Z 36-47, Z 1572-1583, Z 1617-1662 und Z 1748-1810). Letztere sind auch der Grund dafür, warum Vater P von RNIS2 während des Gesprächs von seinem ältesten Sohn und seinem Kleinsten im Kindergartenalter ausgelacht wird (RNIS2: Z 958-980 und Z 1166-1184): B: (ride)
B: (lacht)
I: Coooosa? Perché ridi?
I: Waaas? Warum lachst du?
P: Perché ridi?
P: Warum lachst du?
B: Io rido di te.
B: Ich lache über dich.
P: È meglio che ride, dai..
P: Es ist besser, dass er lacht, komm..
I: Perché ridi? Non ho capito.
I: Warum lachst du? Das habe ich nicht verstanden.
B:Allora, perché, quando doveva dire una parola, allora..si era bloccato in mezzo ad una B: Also, weil, als er ein Wort sagen musste, also.. parola.. da ist er mitten im Wort stecken geblieben.. P: Chi?
P: Wer?
B: Te (ride)
B: Du! (lacht)
P: Io non ho studiato la lingua.
P: Ich habe die Sprache nicht studiert.
I: Eh, infatti..
I: Das stimmt..
P: Lo sai che io non sono studiato? …Studiato P: Du weißt, dass ich nicht studiert bin? ...So così. gelernt.
(Quelle: RNIS2: 958-980)188 Der Repräsentant der Immigrantenorganisation RNI betont zudem, dass die italienischen Massenmedien die Integration vor allem der Albaner erschweren, da sie die Meinung der Italiener zur Zuwanderung negativ beeinflussen (RNI: Z 92-97 und Z 1465-1475). Trotz der widrigen Umstände, unter denen die Zuwandererfamilien leben, äußern sie sich jedoch nicht negativ zur Einschätzung ihres Integrationsstandes: Nach Phasen des irregulären Aufenthalts und der illegalen Beschäftigung, verstehen sowohl RNIS1 als auch RNIS2 ihre Lebenssituation nunmehr als stabil 188 Zu Beginn des Gesprächs sagt Vater P aus, dass er „gezwungenermaßen“ auf der Arbeit Italienisch gelernt hat (RNIS2: Z 36-59).
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und sich als integriert und verweisen auf ihre Arbeit, Unterkunft, ihren legalen Aufenthalt und auf den Umstand, dass ihre Kinder die Schule besuchen (RNIS1: Z 6-48, Z 60-94, Z 1247-1255, Z 1343-1349 und Z 1379-1383; RNIS2: Z 19-63 und Z 1687-1702): P: […] Ormai siamo già sistemati, siamo già messi in regola, abbiamo un lavoro, abbiamo casata..e eeh non abbiamo nessun problema. Eeeh, il problema esiste per quelli che sono.. vivono..ancora clandestinamente qui in Italia.
P: […] Inzwischen sind wir eingegliedert, wir sind regularisiert, wir haben eine Arbeit, eine Wohnung.. und äähm wir haben keine Probleme. Äääh, Probleme gibt es für die, die sind.. die.. noch illegal hier in Italien leben.
I: Mmh.
I: Mmh.
P: Noi, facciamo..la nostra vita, siamo inseriti quiii..nella vita quotidiana.., lavoriamolo, andiamo avanti qui.. Non abbiamo questi problemi.
P: Wir, leben.. unser Leben, wir sind hier integriert.. im Alltag.., wir arbeiten, wir gehen voran.. Wir haben diese Probleme nicht.
(Quelle: RNIS1: Z 1247-1255) Beide Väter der Zuwandererfamilien erfassen ihre Integration damit in struktureller Hinsicht und sparen eine emotionale Bindung oder eine kulturelle Orientierung189 aus. Weder RNIS1 noch RNIS2 kennen oder unterhalten Kontakte zu in Rimini ansässigen zivilgesellschaftlichen Organisationen ihres Herkunftskontexts (RNIS1: Z 556-575; RNIS2: Z 902-914). Vater P von RNIS1 gibt dazu an, dass ihnen aufgrund ihrer Lebenssituation die Möglichkeiten fehlen, an diesbezüglichen Aktivitäten teilzunehmen. Des Weiteren erscheinen auch die Sozialkontakte der Familie als äußert begrenzt: der einzige regelmäßige Kontakt besteht mit dem ebenfalls in Rimini ansässigen Bruder von Vater P. Letzterer hält in diesem Kontext fest, dass es die Arbeit ist, die seinen Lebensalltag bestimmt (RNIS1: Z 1257-1276, Z 1286-1307 und Z 1329-1335). Auch die Sozialkontakte der Zuwandererfamilie RNIS2 mit Autochthonen stellen sich als begrenzt dar. Zwar wird im Laufe des Gesprächs durch die Kinder der Familie geäußert, dass ihre Mutter die Eltern der Klassenkameraden kennt, diese Kontakte scheinen jedoch auf die Teilnahme an Elternversammlungen beschränkt. Stattdessen wird deutlich, dass RNIS2 zahlreiche Kontakte zu ihren marokkanischen Verwandten in Rimini sowie befreundeten marokkanischen Familien unterhält und auf dieser Ebene ihre Herkunftskultur pflegt (RNIS2: Z 599-605, Z 914-940 und Z 1762). Im Gegensatz zu pessimistischen Einschätzungen der Zuwanderungspolitik und des Migrationsgeschehens seitens der befragten Autochthonen manifestiert 189 Vater P von RNIS2 sagt im Verlauf des Gesprächs aus, mit seinen marokkanischen Verwandten in Rimini sowie befreundeten marokkanischen Familien die Kultur ihres Herkunftslandes zu pflegen (RNIS2: Z 914-940).
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sich in den Interviews mit den befragten Zuwanderern eine positivere Sicht auf die Zukunft: Der Vertreter der Immigrantenorganisation (RNI) verleiht in diesem Zusammenhang seiner Überzeugung Ausdruck, dass zivilgesellschaftliche Vereine bzw. Einzelpersonen die Integration in der Gemeinde vorantreiben und dass sie über die Grenzen Riminis hinaus sogar Einfluss auf Rom nehmen können (RNI: Z 1340-1366). Die Väter der Zuwandererfamilien verbinden Zukunftsfragen mit ihren Kindern bzw. den Möglichkeiten, die sich ihnen in Italien bieten, wenn sie nur fleißig lernen (RNIS1: Z 101-109, Z 906-913 und Z 11561172; RNIS2: Z 1124-1128 und Z 1708-1727): P: In Albania per loro non c’è nessun futuro. Perché anche.. là, anche studiando, seguire qualche scuola, dopo eehmm..
P: In Albanien gibt es für sie keine Zukunft. Denn auch.. dort, auch, wenn sie studieren, auf eine Schule gehen, danach äähmm..
BA: Che ore sono?
BA: Wie spät ist es?
P: Nella vita non non trovi..lavoro.. dopo lààà. Invece quiii uno che ha voglia di studiare, può andare avanti nella vita.., può fare qualcosa almeno. Hanno possibilità.. tutti per studiare, ..per andare avanti.
P: Findest du im Leben keine keine.. Arbeit.. dort, später. Hiiieer jedoch kann jemand, der lernen will, im Leben weiterkommen.., er kann wenigstens etwas machen. Alle haben hier die Möglichkeit.. zu lernen, ..um weiter zu kommen.
(Quelle: RNIS1: Z 1165-1172) Der Integration der Kinder in die Schule kommt insofern eine besondere Rolle zu.
5.4.3 Die Situation von Schülern mit Migrationshintergrund Wie bereits geschildert, wird von den Befragten im Bereich des Schulwesens auf defizitäre (anfängliche) Italienischkenntnisse der Zuwandererschüler bzw. deren hohe Fluktuationsraten verwiesen, die der Schulleiter RNR auf die allgemeine Lebenssituation von Migranten zurückführt (RNIS1: Z 127-137, Z 310347 und Z 949-954; RNL: Z 99-122; RNR: Z 22-41, Z 61-63 und Z 158-167).190 Vater P der Immigrantenfamilie RNIS1 sagt hingegen aus, dass er wegen Hänseleien von Mitschülern seine älteste Tochter von der Schule nehmen, und sie in eine neue Wohnung in einem anderen Viertel ziehen mussten (RNIS1: Z 159165). Nicht nur die Kinder der Familie RNIS1 hatten unter Hänseleien ihrer italienischen Mitschüler zu leiden, auch der jüngste Sohn von RNIS2 hat derar190 Im Falle von RNIS2 werden die Sprachkenntnisse des Sohnes B von ihm und seinem besten Schulfreund zwar als gut bezeichnet (RNAu: Z 228-248; RNIS2: Z 437-440), in seinen Antworten zeigen sich jedoch grammatikalische Schwächen und z.T. Verständnisschwierigkeiten.
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tige Erfahrungen im Kindergarten gemacht (RNIS1: Z 311-397 und Z 949-1041; RNIS2: Z 1748-1830).191 Sohn B von RNIS2 sagt in diesem Zusammenhang aus, dass ihm Spott bzw. physische Übergriffe erspart geblieben sind, weil seine Klassenkameraden „Angst“ vor ihm haben (RNIS2: Z 1756-1760). Mehr als das Kriterium des Ausländerstatus’ ist unter den Kinder die Beherrschung der italienischen Sprache bzw. allgemein ihre Wehrhaftigkeit dafür ausschlaggebend, ob ein Mitschüler gehänselt wird oder nicht. Im Gegensatz dazu tragen die Eltern der betroffenen Kinder bestehende Konflikte in der Klasse anscheinend vor dem Hintergrund des Zuwandererstatus aus, wie das folgende Beispiel der Zuwandererfamilie RNIS1 nahe legt: I: […] Secondo te perché nell’altra scuola ti I: […] Warum haben sie dich in der anderen prendevano così tanto in giro e qua invece non lo Schule deines Erachtens gehänselt und hier fanno? machen sie das nicht? B:
[(…)]
P: [Eeh,] perché era all’inizio.. Io direi che era all’inizio..non sapeva la lingua.
B: [(…)] P: [Ääh,] weil das am Anfang war.. Ich würde sagen, das war am Anfang.. als sie die Sprache nicht konnte.
I: (ride) Ha voluto rispondere lui.. I: (lacht) Jetzt hat er (Vater P – Anm.d.Verf.) P: Ah, ma può rispondere lei.. Non c’è problema. antworten wollen.. B: Parla te, hai iniziato te.. P: E dopo sempre, quando vieneeee…uno che non conosce la lingua, eeh viene viene sempre da fuori.. ehm.. e allora sempre cercano di prenderlo in giro. …A me non è che piaceva tanto, andavo a litigare sempre con le maestre, finché non sono arrivato a prendere per le orecchie quel bambino…che era era problematico.
P: Ah, aber sie (Tochter B – Anm.d.verf.) kann ruhig antworten.. Das ist kein Problem. B: Sprich ruhig, du hast angefangen..
P: Und dann immer wenn jemand kommt... der die Sprache nicht kann, ääh der der immer von außerhalb kommt..ähm... also deshalb versuchen sie ihn immer hochzunehmen. ..Mir gefiel das nicht, ich ging immer zu den Lehrerinnen, I: Quello L. di cui è già stato denunciato il nome. um zu streiten, solange bis ich soweit war, jenen Jungen bei den Ohren zu nehmen... der so P: No, ma, ..quando la maestra ti dice che: ”Non problematisch war. gli possiamo fare niente.., perché è un bambino problematico..eeehm.. Si comporta così anche in I: Jenen L., dessen Name schon genannt worcasa..” E mi diceva che: “Insegna anche tu al tuo den war. bambino di rispondere con la stessa lingua. È un bambino problematico.” È una cosa sbagliata! P: Nein, aber, ..wenn dir die Lehrerin sagt, Se.. se quello offende.. non può rispondere con le dass: „Wir können nichts dagegen machen.., 191 Der jüngste, nicht befragte Sohn von RNIS2 wird anscheinend regelmäßig von einem anderen Jungen im Kindergarten geschlagen und weigert sich nach Aussagen des Vaters deshalb des Öfteren, dorthin zu gehen.
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offese anche mia figlia. Non..non è questa la soluzione.
weil er ein problematischer Junge ist..ääähm.. Er verhält sich auch zu Hause so..“ Und sie sagte mir, dass: „Bring’ auch du deinem Kind I: Eh, già. bei, auf dieselbe Art zu antworten. Er ist ein problematisches Kind.“ Das ist falsch! Wenn.. P: Dovevano intervenireee..le maestre a scuola.., wenn der beleidigend wird, kann meine Tochter perché.. No, non va bene.. Io sono arrivato a quel nicht auch mit Beleidigungen antworten. Das.. punto che dovrei andare (parlare) con il genitore, das ist nicht die Lösung. perché la maestra nonnn non poteva fare proprio niente. I: Sicher. I: Ah.. P: Per questa cosa. I: Ma, non ha parlato lei con i genitori di quel ragazzo?
P: Die Lehrerinnen der Schule.. hätten eingreifen müssennnn.., weil.. Nein, das ist nicht richtig.. Ich bin an den Punkt gelangt, dass ich mit den Eltern sprechen musste, weil die Lehrerin nichtsss, gar nichts machen konnte. I: Ah..
P: Sì, peròòò la colpa, la davano sempre a noi. P: Wegen dieser Sache. I: Ah! P: Che eravamo stranieri. ..Non la davano al loro bambino. Anzi, cercavano loro di portar via da quella scuola il bambino.
I: Aber hat sie denn nicht mit den Eltern des Jungen geredet? P: Doch, aberrr die Schuld gaben sie immer uns.
I: Mmh. I: Ah! P: Io.. ho detto: “No! Siamo noi che andiamo via. Se se se il tuo figlio è a posto, non ha problemi, siamo noi che disturbiamo. Andiamo via noi”, gli ho detto. “Dalla scuola.”
P: Weil wir Ausländer waren. ..Sie gaben sie nicht ihrem Kind. Im Gegenteil, sie haben versucht, ihren Jungen von der Schule zu nehmen. I: Mmh. P: Ich.. hab’ gesagt: „Nein! Wir gehen. Wenn wenn wenn dein Sohn in Ordnung ist, keine Probleme hat, dann sind wir es, die stören. Wir gehen“, habe ich ihm gesagt, „von der Schule“.
(Quelle: RNIS1: Z 949-987) Die beschriebenen alltäglichen Interaktionen in der Schule scheinen dabei die primären Sozialkontakte der interviewten Zuwandererschüler zu Autochthonen zu konstituieren: An anderen, außerschulischen Freizeitaktivitäten kann aufgrund der Lebensumstände der Familien bzw. dem Arbeitsrhythmus der Väter oft nicht teilgenommen werden (RNIS1: Z 598-619, Z 631-643, Z 649-652, Z 1118-1146 und Z 1264-1276; RNIS2: Z 606-690). Die Herkunftskultur der be-
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fragten Zuwandererschüler scheint im alltäglichen Klassenleben ebenfalls kaum eine Rolle zu spielen (RNIS1: Z 589-596 und Z 631-633; RNIS2: Z 414-421). Insbesondere vor dem Hintergrund der sich im Schulalltag manifestierenden Konflikte zwischen den Eltern der Kinder akzentuiert sich die Frage nach dem Verhältnis von Zuwanderern und Autochthonen, der im Folgenden nachgegangen wird. 5.4.4 Die Beziehung von Immigranten und Autochthonen in Rimini Im Weiteren wird zunächst auf die Charakterisierungen der autochthonen Bevölkerung eingegangen, wie es sich in den Gesprächen mit den Befragten darstellt. Anschließend wird die Darstellung der Zuwanderergruppe erarbeitet, um schließlich auf die Merkmale des Zusammenlebens von Immigranten und Autochthonen einzugehen. Allgemein werden von den interviewten Gesprächspartnern auf Seiten der italienischen Bevölkerung starke stereotype Vorstellungen und Vorurteile gegenüber Zuwanderern identifiziert: In fünf der insgesamt acht Interviews lassen sich direkte diesbezügliche Äußerungen finden (RNAu Z 1335-1376 und Z 1477-1481; RNI: Z 86-88 und Z 1421-1445; RNIS2: Z 1416-1463; RNL: Z 230256, Z 274-289 und Z 975-977; RNZ: Z 975-1000). In dem Gespräch mit dem interviewten Schulleiter (RNR) werden zudem deutliche Vorurteile sichtbar, wie bereits mehrfach dargestellt (RNR: Z 431-443 und Z 522-533). Laut den Aussagen der Interviewten werden Zuwanderer von den Autochthonen mit kriminellen Aktivitäten und Verhaltensweisen assoziiert (RNI: Z 737-738; RNL: Z 274-289; RNZ: Z 1213-1218) und in kultureller Hinsicht sowie im Hinblick auf Rechte und Pflichten als „anders“ wahrgenommen (RNI: Z 1389; RNL: Z 230-256; RNZ: Z 975-993). Der angebliche Schaden, der den Italienern durch kriminelle Immigranten und Schüler mit Migrationshintergrund erwächst, führt die ‚integrationsbeauftragte’ Lehrerin (RNL) auf die Angst der Autochthonen angesichts globaler Umwälzungsprozesse zurück. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem „neuen Mittelalter“ als einer Phase des Übergang von einer Epoche in eine neue, welche diese Ängste bewirke (RNL: Z 264-289). Der Vertreter der Immigrantenorganisation (RNI) hingegen stellt nüchtern fest, dass viele Italiener nichts von dem neuen Zuwanderungsgesetz wissen und von dem letzten Legalisierungsverfahren bzw. der hohen Zahl der regularisierten Immigranten vollkommen überrascht worden sind (RNI: Z 13681376): „..Molti si sono trovati poi nell’ultima sanatoria come se fosse.. chissà cosa. ..Come se fossero tutti questi stranieri adesso, chissà cosa cambia..” („..Viele haben sich in dem letzten Legalisierungsverfahren wieder gefunden als ob es.. wer weiß was gewesen wäre. ..Als ob es auf einmal all diese Ausländer
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gegeben hätte, wer weiß, was sich ändert.“) (RNI: Z 1375-1376). Allgemein wird seitens der befragten Zuwanderer insbesondere der Umstand hervorgehoben, dass die Zuwanderung in Italien und die Existenz von Immigranten im Land insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Arbeit wahrgenommen und vor dem Hintergrund ihrer Arbeitskraft akzeptiert wird (RNI: Z 1445-1450; RNIS1: Z 1343-1350; RNIS2: Z 1404-1408): RNI: […] Uno straniero è una ricchezza in tutti RNI: […] Ein Ausländer ist in jeder Hinsicht ein Gewinn. Es ist nicht, dass.. du ihm Arbeit gibst.. i sensi. Non è che..gli dai lavoro..e dopo hai und damit fertig. chiuso. I: Mmh.
I: Mmh.
RNI: Invece ci deve essere un po’ più ..legame! RNI: Stattdessen muss es ein bisschen mehr ..Verbindung geben!
(Quelle: RNI: Z 1445-1450) Eine Einschätzung, die indirekt durch den interviewten Schulleiter (RNR) bestätigt wird: „Perché uno dei motivi che giustifica l’immigrazione.. e che la fa tollerare.. è la mancanza di manodopera.” („Weil einer der Gründe, welche die Zuwanderung rechtfertigen.. und welche sie tolerierbar machen.. ist der Mangel an Arbeitskräften.“) (RNR: Z 511-512). Die Akzeptanz der Zuwanderer allein aus ökonomischen Notwendigkeiten akzentuiert sich im Gespräch des befragten Vaters der Autochthonenfamilie. Selbstkritisch stellt dieser zum Selbstverständnis der italienischen Gesellschaft fest: „Ma si è manifestato in Italia, che ancora…non è entrata nella concezione di di essere multietnici…“ („Es hat sich jedoch in Italien gezeigt hat, dass es noch.. nicht das Bewusstsein dafür entwickelt hat, mult- multiethnisch zu sein...“ (RNAu: Z 1324-1325). Auf die Frage, wie Immigranten allgemein und in der Gemeinde Rimini im Besonderen wahrgenommen werden, wird im Folgenden eingegangen. In Bezug auf die Beteiligung von Zuwanderern an der kommunalen Integrationspolitik verdeutlicht sich auf Seiten der involvierten autochthonen Akteure eine insgesamt negative Darstellung. Die Zuwanderer werden dabei als geldgierig und unredlich beschrieben: Sowohl der zuständige Kommunalbeamte (RNG) als auch der interviewte Schulleiter (RNR) stellen dazu fest, dass die Immigranten mehr fordern, als ihnen zusteht (RNG: Z 357-365; RNR: Z 81-89). RNG diagnostiziert darüber hinaus bei den Zuwanderern ein fehlendes Demokratiebewusstsein sowie ein mangelndes Bewusstsein der Immigrantenorganisationen für ihre Rolle im Integrationsprozess (RNG: Z 623-631 und Z 1082-1113). Saisonarbeiter bezeichnet RNG als nicht integrationswillig, RNR nennt erwachsene Zuwanderer generell nicht integrationsfähig: „Se non integriamo i bambini, gli adulti non si integrano più! Gli adulti sono rigidi, ..estremamente rigidi.“
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(„Wenn wir nicht die Kinder integrieren, die Erwachsenen integrieren sich nicht mehr! Die Erwachsenen sind starr, ..extrem starr.“) (RNR: Z 377-378) (RNG: Z 392-408; RNR: Z 375-388). Beide Vertreter des Schulwesens (RNL und RNR) erfassen Immigranten zudem vor dem Hintergrund ihrer kulturell-religiösen Andersartigkeit (RNR: Z 375-388; RNL: Z 383-399). Grundsätzlich lassen sich in den Aussagen der Befragten viele Bewertungen eines negativen bzw. problematischen Verhältnisses von Italienern und Immigranten finden (RNG: Z 1075-1125; RNL: Z 975-977; RNZ: Z 926-948, Z 990-1002 und Z 1117-1149). Der interviewte Caritas-Vertreter (RNZ) ruft in diesem Zusammenhang aus: „Se gli italiani veramente avessero memoria.. non, ..mi vien da dire, almeno alcuni.. tratterebbero gli immigrati in questo modo!” (“Wenn die Italiener wirklich ein Erinnerungsvermögen hätten..würden sie nicht, ..ich möchte sagen, zumindest einige..würden die Zuwanderer nicht in dieser Weise behandeln!“) (RNZ: Z 946-947). Und er fährt fort: RNZ: […] Perché, anzi… (ride lievemente) eh, ti dico.., mi trovo un po’ in difficoltà, perché nel momento in cui, ..non sarà tutto delegato ai soli operatori.. e quindi anche il cittadino semplice avrà ..inteso la relazione interculturale o comunque approccierà in maniera eeh positiva..in una relazione interculturale.. a quel punto abbiamo fatto bingo!
RNZ: […] Im Gegenteil… (lacht leise) äh, ich sag’ dir.., ich befinde mich ein bisschen in Schwierigkeiten, denn in dem Moment, in dem ..nicht alles den Operateuren alleine überlassen wird.. und auch der einfache Bürger die interkulturelle Beziehung verstanden hat oder sich jedenfalls ääh positiv.. in einer interkulturellen Beziehung verhält.. an diesem Punkt haben wir im Lotto gewonnen!
I: …Mmh.. I: ...Mmh.. RNZ: Perché.. lasciamo indietro gli stereotipi, ..il, il, i, i muri, le barriere.. Non dovremmo delegare: ..“Ah, allora, c’è la Caritas.. Ah, allora, c’è il centro servizi immigrati del comune.. Ah, allora, c’è l’ambulatorio per gli extracomunitari..” Questa cosa.., utopica probabilmente (ride), però ..dovrebbe essere superata. Dopo lì, non è tanto il discorso del volontariato o del, come dire, delle persone eeh che sono operatori professionali o..o meno. Insomma.. Qui è proprio la relazione fra le persone che dov- che deve cambiare.
RNZ: Denn.. wir lassen die Vorurteile, ..der, der, die, die Mauern, die Barrieren hinter uns. Wir müssten nicht mehr delegieren: ..“Äh, also, es gibt die Caritas.. Äh, also, es gibt das Zentrum für Zuwandererdienste der Gemeinde.. Äh, also, es gibt den (Unfall-)Schalter für Drittstaatsangehörige..“ Diese Sache, das ist wahrscheinlich utopisch (lacht) .. müsste überwunden werden. Danach geht es nicht mehr um die Diskussion um Freiwilligenverbände oder um, wie soll ich sagen, um Personen ääh, die professionelle Mitarbeiter sind oder.. oder weniger. Grundsätzlich.. Hier handelt es sich tatsächlich um die Beziehung unter den Personen, die soll- die sich ändern muss.
(Quelle: RNZ: Z 990-1002) Das Verhältnis von Immigranten und Autochthonen scheint dabei durchaus mit einiger Vehemenz in der Gemeinde Rimini diskutiert zu werden: Während der Leiter der örtlichen Caritas (RNZ) auf die öffentlich geführte, emotionalen De252
batte um die Figur des „interkulturellen Vermittlers“ verweist (vgl. RNZ: Z 319384), verleiht der Schulleiter (RNR) seiner Überzeugung Ausdruck, dass sich die Italiener vor den Zuwanderern, welche die italienische Zivilisation zerstören wie die Barbaren das Imperum Romanum, schützen müssen (RNR: Z 431-443 und Z 553-568). In diesem Zusammenhang plädiert er für einen Abriss aller Moscheen im Land: RNR: […] …Una delle cose sarebbe eliminare tutte le moschee. Perché qui bisogna parlarsi chiaro. Mi dispiace per i miei politici..qua, i miei governanti che..
RNR: […] …Eine Sache wäre es, alle Moscheen zu zerstören. Denn hier muss man offen miteinander reden. Ich bedaure das für meine Politiker.. hier, meine Regierenden die..
I: (si schiarisce la voce)
I: (räuspert sich)
RNR: Bisogna eliminarle tutte. Non so in Germania cosa fate..
RNR: Man muss sie alle zerstören. Ich weiß nicht, was ihr in Deutschland macht..
I: Eh..
I: Äh..
RNR: Io..non glieli darei i soldi per costruire le moschee! Questo è pacifico. Eh. Noi, se andiamo là, ti sparano nella schiena.. eeh.. Noi non gli spariamo, ..però, insomma,.. Si devono adeguare.
RNR: Ich..würde ihnen kein Geld geben, um Moscheen zu bauen! Das ist friedlich. Äh. Wir, wenn wir dorthin gehen, schießen sie dir in den Rücken.. ääh.. Wir erschießen sie nicht, ..aber um es kurz zu machen, ..Sie müssen sich anpassen.
(Quelle: RNR: Z 421-432) Auf die deutliche Forderung der Anpassung von Seiten der Italiener an Zuwanderer geht auch der Vertreter der Zuwandererorganisation (RNI) ein. Er identifiziert jedoch eine solch starke Ablehnung der Autochthonen gegenüber Immigranten, dass das Erlernen der Regeln der italienischen Gesellschaft zwar viele Türen öffnen, letztendlich ihre Akzeptanz und Integration aber nicht bewirken könne: RNI: […] Io ho avuto discussioni, mi viene in mente, con un italiano, uno che diceva: “voi stranieri dovete imparare i nostri usi!”
RNI: […] Ich hatte mal eine Diskussion, fällt mir ein, mit einem Italiener, der sagte: “Ihr Ausländer müsst unsere Bräuche erlernen!”
I: Mmh.
I: Mmh.
RNI: Tipo: io entro in una casa, devo togliermi il cappello.. oppure devo fare questo o quello. Così, questa è la chiave, una chiave in più che tu hai come straniero..
RNI: Der Art: ich betrete ein Haus und muss den Hut absetzen.. oder ich muss dieses und jenes machen. So, das ist der Schlüssel, ein Schlüssel mehr, den du als Ausländer hast..
I: Mh.
I: Mh.
RNI: Per aprire le porte. Io invece dico: “tu mi
RNI: Um Türen zu öffnen. Ich aber sage: „Du
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chiudi la porta, perché io sono straniero! E non perché io non tolgo il cappello!”
schlägst mir die Tür (vor der Nase) zu, weil ich Ausländer bin! Und nicht weil ich nicht den Hut abnehme!“
(Quelle: RNI: Z 1411-1422) Bereits zur Integration ins Schulwesen war darauf hingewiesen worden, dass negative Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Zuwanderern oft auf die Eltern zurückzuführen sind und von deren Kindern übernommen werden (RNIS1: Z 1043-1050; RNIS2: Z 1762-1768; RNL: Z 227-256, Z 294-297 und Z 352-380). In den Schilderungen des Vaters P der Zuwandererfamilie RNIS1 zu den Anfeindungen gegenüber seiner Tochter akzentuiert sich ebenso wie in der folgenden Gesprächspassage von RNI ein Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber beschriebener Ablehnung (RNIS1: Z 949-1014): RNI: […] Gli stranieri, ..cioè anch’io, personalmente, anche se ho referenze.., ho una…un lavoro eccetera, non ho problemi, ..chiamo al telefono e voglio la casa in affitto, tutto bene finché io dico che sono albanese..
RNI: […] Die Ausländer, ..d.h. auch ich, persönlich, auch wenn ich Referenzen habe.., ich habe eine .. eine Arbeit und so weiter, ich habe keine Probleme, ..ich rufe an und will eine Unterkunft mieten, alles gut, bis ich sage, dass ich Albaner bin..
I: Mh. I: Mh. RNI: ..Dopo cambia! Cambia con- ..come loro sono intelligenti a far cambiare, ma si capisce tutto! Che dicono: “qua e di là, abbiamo già fatto” eccetera..
RNI: ..Danach ist es anders! Es ist anders mit..weil sie es sich schlau ändern lassen, aber man versteht alles! Dass sie sagen: „Hier und da, wir haben schon was ausgemacht“ und so weiter..
I: Mh. I: Mh. RNI: Non ci sono, non sanno neanche (ride) essere convincenti. Cioè..questooo.. loro ci chiudono le porte in faccia!
RNI: Es gibt keine, sie sind noch nicht einmal (lacht) überzeugend. D.h...dasss.. sie schlagen uns die Tür vor der Nase zu!
(Quelle: RNI: Z 1430-1443) In der Gruppe der Interviewpartner, die als Migranten angesprochen wurden, berichtet auch der dritte Befragte RNIS2 von direkten Erfahrungen einer als feindlich wahrgenommenen italienischen Umwelt. Vater P von RNIS2 sagt in diesem Zusammenhang aus, dass es Leute in der Gemeinde Rimini gibt, die im Hinblick auf die Zuwanderung wie die rechts gerichteten italienischen Politiker Bossi und Fini denken. Er diagnostiziert auf Seiten der Italiener eine Verteidigungshaltung gegenüber Immigranten und prognostiziert eine negative Entwicklung für die Zukunft: Deutlich stellt er da, dass die Italiener keine Zuwanderer im Land haben wollen und ihre Anwesenheit bzw. ihren Zuzug gerne verhindern würden (RNIS2: Z 1416-1463 und Z 1482-1519): 254
I: […] E..come pensa sarà per il futuro? Cioè questa tendenza qua, questo modo di pensare, dice diventa.. …che magari un giorno dicono..
I: […] Und..wie denken Sie wird das in Zukunft sein? D.h. diese Neigung hier, diese Art, zu denken, sagen Sie wird.. ...dass sie vielleicht eines Tages sagen..
P: Andate via! Sì.
P: Geht weg! Ja.
I: ..Dicono così, sarà così?
I: ..Das sagen sie, wird es so sein?
P: Sarà meglio! Perché la colpa non è eh eh P: Das wäre besser! Denn die Schuld ist nicht äh eh eh la colpa non è neanche di loro.. La äh äh äh es ist noch nicht einmal ihre Schuld.. Die colpa è sempre no- del del del dell’immigrato. Schuld hat immer, nicht? Der der der der Zuwanderer. I: Mmh. I: Mmh. P: ..Perché bisogna vivere sulla sua terra, dove è na-, dove vive, dove sei nato. P: ..Weil man in seinem Land leben muss, wo man geb-, wo man lebt, wo man geboren ist. I: Così dicono gli italiani? I: Das sagen die Italiener? P: Sì! P: Ja! I: E dice, in futuro sarà così? I: Und sie sagen, in Zukunft wird es so sein? P: Sì. Dicono portar le attrezzature, fanno le fabbriche al loro al suo paese.. Perché lo P: Ja. Sie sagen, die Ausrüstungen (dorthin) zu fanno venire qua in Italia? bringen, sie bauen Fabriken in ihren in seinem Land.. Warum lassen sie ihn nach Italien komI: Mh.. È questo che gli italiani dicono a lei? men? P: Sì, sì, sì.
I: Mh.. Und das sagen Italiener zu Ihnen?
I: Ah? Ma così nel bar oppure al posto di lavoro o..?
P: Ja, ja, ja. I: Ah? So in der Bar oder bei der Arbeit oder..?
P: Bar.., dai. Comunque dai, sentito dire tante volte.. tante persone..
P: Bar.., komm. Auf jeden Fall, komm’, schon viele Male gehört.. von vielen Leuten..
I: E sarà così in futuro dice? Che gli italiani.. P: Sì, sì sarà così. E peggio.
I: Und Sie sagen, so wird es in Zukunft sein? Dass die Italiener..
I: Peggio?
P: Ja, ja, so wird es sein. Und schlimmer.
P: ..Penso sarà peggio.
I: Schlimmer? P: ..Ich denke, es wird schlimmer.
(Quelle: RNIS2: Z 1482-1519)
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Vor dem Hintergrund der von RNIS2 diagnostizierten Verteidigungshaltung der Italiener erscheint die folgende Passage des Interviews der Autochthonenfamilie (RNAu) besonders signifikant. Vater P von RNAu nimmt hierbei Stellung zu der damals aktuellen Diskussion um die Existenz von Kreuzen in italienischen Schulen, gegen die der Vorsitzende der Union italienischer Muslime, Adel Smith, Klage eingereicht hatte. Er verteidigt das Kreuz als Ausdruck der „Italienisch–Seins“ an sich: I: Eh già. E seguite un po’ questa disc- discussione televisiva della Bossi-Fini, una volta. Adesso sul diritto di voto?
I: Ja sicher. Und verfolgt ihr ein bisschen die Disk- Diskussion im Fernsehen zum Bossi-Fini, früher. Jetzt zum Wahlrecht?
P: Sì.
P: Ja.
I: La discussione sulle croci nella scuola, tutto questo. Come vedete queste cose?
I: Die Diskussion zu den Kreuzen in der Schule, all das. Wie seht ihr das?
P: Ma, guarda, allora, io sono convinto.., sono sono convinto che eeeeehhh, in tutto questo ci vuole buon senso! No?! ..Per cui, sul fatto di dare..il voto..agli immigrati che hanno una cittadinanza italiana..penso che sia una cosa logica, voglio dire. È una persona che vive in Italia, paga le tasse in Italia, per cui.. vive la nostra vita, per quale motivo non dovrebbe dare anche..il suo contributo sulla vita politica, voglio dire. ..Per quanto riguarda, invece, il discorso..del crocifisso, questa cosa qui, secondo me è stata strumentalizzata. Perché..il crocifisso, voglio dire, ..oltre a rappresentare.. la religione, no?! Il cattolicesimo, ma, voglio dire, è diven- è un simbolo, un simbolo nazionale! Per cui pure noi quando andiamo.. quando io sono andato in Egitto, sono andato in Grecia, sono entrato nella chiesa ortodossa piuttosto che ne- nella Mecca, nella chiesa musulmana, con tutto il rispetto, ..ritengo che anche chi viene da fuori… ha la sua religione, la sua cultura, ma questo non deve…eeeehhh, come dire, eeehhh.. eeeeeeehhhh… giudicare male..la nostra cultura e il nostro modo di essere. Per cui il crocifisso, ..se lui, voglio dire, non, non è della della religione cattolica, il crocifisso nella chiesa non pregiudica il suo modo di essere, di essere eeh..
P: Schau, also, ich bin überzeugt.., ich bin bin überzeugt, dass ääääähhh in all dem braucht es Vernunft! ..Deswegen, zum Umstand, ..den Immigranten, welche die italienische Staatsbürgerschaft haben, ..das Wahlrecht zu geben, ich denke, das ist eine logische Sache, möchte ich meinen. Es handelt sich um eine Person, die in Italien lebt, in Italien Steuern zahlt, deswegen..lebt sie unser Leben. Warum sollte sie nicht auch ..ihren Beitrag zum politischen Leben geben, meine ich. ..Was jedoch die Diskussion ..zum Kreuz angeht, diese Sache hier, wurde meines Erachtens instrumentalisiert. Denn.. das Kreuz, ich meine, ..über die die Repräsentation.. der Religion hinaus, nicht?! Der Katholizismus, meine ich, ist doch ge- ist doch ein Symbol, ein nationales Symbol! Deswegen auch wir, wenn wir gehen.. als ich nach Ägypten gereist bin, nach Griechenland gefahren bin, bin ich in die orthodoxe Kirche eher gegangen als in- ins Mekka, die musulmanische Kirche, mit ganzem Respekt, ..ich meine, dass auch der, der von außerhalb kommt..., seine Religion hat, seine Kultur, aber das darf nicht...äääähhh, wie sag’ ich es, ääähhh.. ääääääähhh.... unsere Kultur und unsere Art, zu sein, schlecht bewerten. Deswegen das Kreuz, ..wenn er, meine ich, nicht nicht katholischen katholischen Glaubens ist, beeinträchtigt das Kreuz nicht seine Art, zu sein, zu sein..ääh.. I: Ja, ja, die Diskussion zum Kreuz ging eigentlich darüber, es in der Schule zu haben oder nicht,
I: Sì, sì, la discussione sul crocifisso era
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proprio sul fatto di averlo o non averlo in scuola, no?! P: No, no, perché, ripeto, secondo me il crocifisso può stare.., può stare in una scuola, come può stare negli uffici pubblici, in quanto rappresenta…il modo di essere italiano. Cioè, voglio dire, la nostra repubblicaaaaa…, no?! Eh. La (cultura), no?! C’è la legge costituzionale, no?! Che diceva, che dice, (appunto) che deve essere eeh.. affissa il crocifisso, proprio perché rappresenta.., quindi, il nostro modo di essere!
nicht wahr?! P: Nein, nein, ich wiederhole, meines Erachtens kann das Kreuz bleiben.., in der Schule bleiben, sowie es in den öffentlichen Ämtern bleiben kann, insofern als es ...die Art, Italiener zu sein, repräsentiert. D.h., ich will sagen, unsere Republiiiiik..., nicht?! Äh. Die (Kultur), nicht?! Es gibt die Verfassung, nicht?! Die sagte, die sagt, dass es gerade sein muss ääh.. sie richtet sich ans Kreuz, gerade weil es..., also, unsere Art des Seins repräsentiert!
(Quelle: RNAu: Z 1378-1408) Trotz dieser eindeutigen Verbindung des „Italiener–Seins“ mit der katholischen Religion und den Schilderungen von Tendenzen der Ablehnung gegenüber Zuwanderern bei Italienern, die sich im alltäglichen Leben der befragten Immigranten zeigten, schätzen die befragten Zuwandererfamilien RNIS1 und RNIS2 ihre Integrationssituation grundsätzlich als positiv und stabil ein. In diesem Zusammenhang verweisen sie insbesondere auf die Arbeit und Unterkunft, ihren legalen Aufenthalt und auf den Umstand, dass ihre Kinder die Schule besuchen, und damit auf strukturelle Aspekte der Integration (RNIS1: Z 1247-1255, Z 1343-1349 und Z 1379-1383; RNIS2: Z 1687-1702): I: E sul posto di lavoro non ci sono mai stati dei problemi?
I: Und auf der Arbeit hat es nie Probleme gegeben?
P: Mai dei problemi! Perché uno che lavora, va sempre a postooo. Sia dove lavora, sia dove abita. ..Sempre. Non siamo delle persone problematiche che..disturbiamo gli altri.. Abbiamo, abbiamo, abbiamo la nostra vita.
P: Nie (gab es) Probleme! Denn einer, der arbeitet, ist immer in Ordnunnng. Sei es dort, wo er arbeitet, sei es dort, wo er wohnt. ..Immer. Wir sind keine problematischen Leute, die.. die anderen stören.. Wir haben, wir haben, wir haben unser eigenes Leben.
(Quelle: RNIS1: Z 1379-1383) Diese Einschätzung, dass sich die Rechtschaffenheit eines Zuwanderers darin zeigt, dass er arbeitet, wird ebenso von Vater P der Immigrantenfamilie RNIS2 geäußert: P: […] Allora, lui mi diceva sempre: “per gli immigrati”, “per gli immigrati”. Immigrati? Io (ride) dico: “il mondo è tutto immigrato! Il mondo..”
P: […] Also, er sagte mir immer: „für die Zuwanderer“, „für die Zuwanderer“. Zuwanderer? Ich (lacht) sage: „Die ganze Welt ist immigriert! Die (ganze) Welt..“
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I: Sì, infatti.
I: Ja, in der Tat.
P: Però…se uno lavora, ce l’ha un lavoro, allora, …ce l’ha anche il suo diritto, no?!
P: Aber..wenn einer arbeitet, eine Arbeit hat, also, ...dann hat er auch Rechte, nicht?!
I: Mmh.
I: Mmh.
P: Se uno non lavora.., fa la cosa che non è giusta.., c’è la legge per tutti.
P: Wenn einer nicht arbeitet.., eine Sache macht, die nicht richtig ist.., das Gesetz gilt für alle.
(Quelle: RNIS2: Z 1398-1408) Im Hinblick auf die dargestellte Akzeptanz von Immigranten vor dem Hintergrund ihrer Erwerbstätigkeit gehen die Zuwandererfamilien konform mit Aussagen befragter Italiener. Bereits zuvor war darauf hingewiesen worden, das der Schulleiter (RNR) den einzigen Grund zur Rechtfertigung der Immigration im internen Arbeitskräftemangel Italiens verortet sieht (RNR: Z 511-517). Ebenso verleiht Vater P der interviewten Autochthonenfamilie RNAu seiner Überzeugung Ausdruck, dass arbeitswillige Zuwanderer als Hilfe willkommen seien, unredliche jedoch ausgewiesen werden müssen: P: […] Per cui ritengo che le persone che vengono in Italia e che hanno voglia di lavoro e di comportarsi onestamente, voglio dire, non.., voglio dire.., (ognuno ci possa dare una mano aggiunto.) Chi invece viene per fare del male, eh?! Cioè, voglio dire..(fa segno con la mano indicando “fuori”)
P: […] Deshalb denke ich, dass die Personen, die nach Italien kommen und die arbeiten und sich ehrlich benehmen wollen, ich meine, nicht.., ich meine.., (jeder zusätzliche Hand ist uns willkommen.) Wer aber kommt, um etwas Schlechtes zu tun, nicht?! D.h., ich will sagen.. (gestisch stellt er das italienische Handzeichen für „Raus“ dar)
(Quelle: RNAu: Z 1316-1319) Grundsätzlich erscheint damit das Verhältnis von Italienern und Immigranten in der Gemeinde Rimini als distanziert. In den Äußerungen der befragten Personen zeigen sich nur geringe soziale Kontakte untereinander. Stattdessen treten stereotype Vorstellungen gegenüber Zuwanderern sowie Tendenzen deren negativer Wahrnehmung auf Seiten der Autochthonen zutage. Die interviewten Italiener scheinen dabei die perzipierte Andersartigkeit der Immigranten insbesondere an kulturell-religiösen Merkmalen festzumachen; ihre Anwesenheit in Italien erscheint ihnen allein vor dem Hintergrund ökonomischer Notwendigkeiten (Arbeitskraft) akzeptierbar. Die befragten Zuwanderer hingegen zeigen sich mit ihrer strukturellen Integration (Arbeit, Unterkunft, legaler Aufenthaltsstatus, Schulbesuch der Kinder) zufrieden. Ihre Erwartungen hinsichtlich einer darüber hinausgehenden Eingliederung bzw. Teilnahme an der Gesellschaft erscheinen als gering. Vater P der Immigrantenfamilie RNIS1 sagt diesbezüglich aus:
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I: Mmh. E seguite un po’.. la politica italiana.. tutti questi discorsi della nuova legge “BossiFini”.. con la discussione sul diritto di voti e poi la discussione su come.. se mettere il crocefisso in classe oppure no.. Seguite tutti questi discorsi che fanno attualmente? P: Aah, tutti questi discorsi noi li seguiamo, ..vediamo tutto quello che succede, che accadeee.. eeeh… Però alla fine sono gli italiani che decidono. ..Se mi fanno, mi danno il diritto di voto, io andrei andrei a votare volentieri. ..Se non mi fanno votare.. per me è indifferente.
I: Mmh. Und verfolgt ihr ein bisschen.. die italienische Politik.. all diese Diskurse zum neuen Bossi-Fini-Gesetz.. mit der Diskussion zum Wahlrecht und dann die Diskussion, wie man.. ob man das Kreuz in der Klasse aufhängen soll oder nicht.. Verfolgt ihr all diese Diskurse, die momentan geführt werden? P: Ääh, all diese Diskurse verfolgen wir, ..wir sehen all das, was geschieht, was passierttt.. äääh... Aber letztendlich sind es die Italiener, die entscheiden. ..Wenn sie machen, mir das Wahlrecht geben, würde ich gerne wählen wählen gehen.. Wenn sie mich nicht wählen lassen.. für mich ist das gleich.
I: Non cambia la situazione? I: Die Situation ändert sich nicht? P: No! Perché non è una cosa che dipende da me. ..Io qui sono immigrato. Se mi danno il diritto di votare, vado a votare. Dopo..
P: Nein! Weil das keine Sache ist, die von mir abhängt. ..Ich bin hier Immigrant. Wenn sie mir das Wahlrecht geben, gehe ich wählen. Danach..
(Quelle: RNIS1: Z 1222-1233) In den Aussagen der Befragten Italiener und Zuwanderer manifestieren sich deutlich ethnisch geprägte Denkmuster, die es im Folgenden auf der zuvor beschriebenen Grundlage Essers, Bohnsacks bzw. Mannheims zu analysieren gilt.
5.5 Bestehende Situationsdefinitionen und Orientierungsmuster Trotz Unterschieden inhaltlicher Art in den Aussagen der verschiedenen Interviewgruppen zeigen sich in den angeführten Zitatbeispielen allgemeingültige Tendenzen: So sticht einerseits die positive Beschreibung der Emilia-Romagna in den Interviews der Landespolitiker hervor, die von der Betonung ihrer ökonomischen Prosperität, über die Identifizierung großer politischer Kohäsion zur Behauptung einer regionalen Wertegemeinschaft reicht. „Dokumentarisch“ kristallisierte sich diesbezüglich auf der Seite der Repräsentanten des Landes die Wahrnehmung und Orientierung an einer emilia-romagnolischen Solidargemeinschaft als „konjunktiven Erfahrungsraum“ heraus, welcher zugleich Inhalt und Struktur des politischen Alltagshandelns der Landesvertreter bisweilen zu bestimmen scheint. Am deutlichsten zeigt sich dies im Interview des Generaldirektors für Sozialpolitik und Gesundheitsfragen:
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LR2: (…) Quindi io, qui, il primo anno, sono arrivato qui, e mi sono trovato di fronte il sindacato dei pensionati…che..
LR2: (…) Von daher ich, hier, das erste Jahr, ich bin hier angekommen und habe mich der Gewerkschaft der Pensionäre gegenüber gefunden…die..
I: (respira) I: (atmet aus) LR2: Inizialmente mi facevano un po’ (specie) perché eh un conto sono i sindacati generali insomma, no?!
LR2: Ich anfangs etwas (befremdlich) fand, denn äh eine Sache sind die Gewerkschaften allgemein, nicht?!
I: Eeh. I: Jaa. LR2: E invece il sindacato dei pensionati, pensavo che fossero una cosa..invece no! Il sindacato dei pensionati è una potenza in questa regione. Perché intanto perché i pensionati son tantissimi.
LR2: Und so dachte ich, dass die Gewerkschaft der Pensionäre eine bestimmte Sache sei..aber nein! Die Gewerkschaft der Pensionäre ist eine Macht in dieser Region. Auch weil, weil es sehr viele Pensionäre sind.
I: Sì, sì. I: Ja, ja. LR2: Ma, poi perché, questi signori, qui in realtà (ride) sono stati, come dire, allevati, abituati a venire al tavolo a dire: “Bene, noi abbiamo questi problemi: a, b, c, d, e. Adesso ci- voi vi impegnate a darci queste risposte. Negoziamo le risposte.” Poi questi tornano dopo 6 mesi e dicono: “Allora in quel tavolo lì, voi avete dato- avete detto così, così e così. Adesso ci dite, per favore..” Ma di questi incontri qui ne facciamo tre o quattro all’anno, eh! …Con loro e con gli altri sindacati. Non è, come dire, eeh una un..eeh un rito eeh, come dire, privo di di di sostanze. È una modalità di eehmm di cooperazione, di collaborazione, di concertazione.
LR2: Aber dann auch, weil diese Herrschaften hier in Wirklichkeit (lacht), wie sagt man, genährt wurden und es gewohnt sind, an den Tisch zu treten, um zu sagen: „Gut, wir haben diese Probleme: a, b, c, d, e. Jetzt wi- strengt ihr euch an, uns diesbezüglich Antworten zu geben. Verhandeln wir die Antworten“. Dann kommen sie nach sechs Monaten wieder und sagen: „Also, an diesem Tisch habt ihr gegebhabt ihr das, das und das gesagt. Jetzt antwortet ihr uns, bitte..“ Von diesen Treffen machen wir aber drei oder vier im Jahr, nicht! …Mit ihnen und mit den anderen Gewerkschaften. Das ist nicht, wie sagt man, ääh eine ein..ääh ein Ritus ääh, wie sagt man, ohne ohne Substanz. Das ist die (unsere - Anm.d.Verf.) Modalität äähmm der Kooperation, der Zusammenarbeit, der Konzertierung.
(Quelle: LR2: Z 886-907) Neben der Existenz des Orientierungsrahmens der regionalen Solidargemeinschaft im politischen Alltagshandeln der interviewten Landespolitiker akzentuieren sich zudem weitere Muster als vitale Bestandteile der Wahrnehmung und Definition der Zuwanderungssituation. Sozio-räumliche Gebundenheit transzendierend, manifestierten sich in beiden untersuchten Gemeinden negative Etikettierungen von Zuwanderern ebenso
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wie zum Teil massive Ängste seitens der autochthonen Bevölkerung. Zwar variierten die Beiträge in ihren inhaltlichen Nuancen, grundsätzlich stach aber die Negativität der gewählten Attribuierungen bzw. deren negative Verwendung durch Autochthone hervor: So wurden Immigranten in Verbindung gesetzt zu Kriminalität (Luzzara und Rimini), (Geld)Gier (Luzzara und Rimini), Unredlichkeit (Rimini), Unselbständigkeit (Luzzara), Aggressivität (Luzzara), mangelnder Disziplin (Luzzara), Fruchtbarkeit (Luzzara), mangelnden Demokratiebewusstsein (Rimini) sowie kultureller und zivilrechtlicher Andersartigkeit (jeweils Rimini). In allen drei Interviewgruppen (dem Land und beiden Gemeinden) identifizierten die Befragten Ängste der autochthonen Bevölkerung gegenüber der Anwesenheit von Immigranten. Zu diesen Befürchtungen gehörten u.a. die Angst vor Identitätsverlust (Luzzara und Rimini), die Angst um Einbußen an öffentlichen Leistungen und Gütern (Landesregierung und Luzzara), um Qualitätseinbußen in der Schule (Landesregierung, Luzzara und Rimini), die Angst vor kultureller Entfremdung (Luzzara und Rimini), die Angst vor der Überzahl an Zuwanderern (Luzzara) sowie vor der Zuwanderung als abstraktem Phänomen (Landesregierung und Rimini). Als Oberbegriff ließen sich die zitierten Äußerungen unter dem Begriff der Angst vor dem Verlust der Lebenssicherheit zusammenfassen. Die getätigten Aussagen schienen dabei dem „konjunktiven Erfahrungsraum“ der „Immigration als Problem“ zu entsprechen. Dieser Orientierungsrahmen der „Zuwanderung als Problem“ lässt sich anhand der durchgeführten Befragungen thematisch weiter unterteilen. Dabei konstituierte nicht jede thematische Äußerung eine Unterart des Orientierungsrahmens der „Zuwanderung als Problem“. Denn obwohl Immigranten mit Kriminalität (Luzzara und Rimini) oder Fruchtbarkeit (Luzzara) in Verbindung gesetzt wurden, lässt sich der „konjunktive Erfahrungsraum“ der Zuwanderung/Zuwanderer als „polizeiliches Problem“ oder „medizinisches Problem“ nicht belegen. Stattdessen kristallisierte sich in den Gesprächen die Wahrnehmung und Behandlung von Zuwanderung/Zuwanderern als „technisch-administratives Problem, als „kulturelles Problem“ und als „soziales Problem“ heraus. Während die kollektive Orientierung der Zuwanderung und Zuwanderer als „kulturelles und soziales Problem“ in den zitierten Redebeiträgen dieses Kapitels deutlich zum Ausdruck kamen, war auf die technisch-administrative Dimension des „Zuwanderungsproblems“ bereits im Rahmen der Implementierung hingewiesen worden. Insbesondere seitens der Landespolitiker manifestierte sich hierbei ein starkes Bewusstsein für die Probleme, denen sich die verschiedenen institutionellen Bereiche durch die Anwesenheit von Zuwanderer gegenüber sehen (LR2: Z 254-274). Von den Befragten wurde auch die Integration der Zuwanderer in die Schule (LR6: Z 1487-1497 und Z
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1626-1654) sowie in Wohnungswesen und Gesamtgesellschaft (LR4: Z 869-871; LR6: Z 503-544) als problematisch dargestellt. Die Identifizierung eines „technisch-administrativen Zuwanderungsproblem“ bleibt nicht auf die Landesregierung beschränkt, sondern kristallisierte sich auch im Rahmen kommunaler Integrationspolitik heraus. In diesem Sinne identifizierten die Befragten der Gemeinden insbesondere unzureichende Finanzmittel und fehlendes Personal als verwaltungsmäßige Implementationsbarrieren (LUG: Z 133-138, Z 385-391, Z 985-1029, Z 11161123, Z 1382-1398 und Z 1504-1515; LUL: Z 89-110 und Z 362-378; LUR: Z 447-485 und Z 487-502; LUZ: Z 575; RNG: Z 392-448; RNI: Z 539, Z 747777, Z 948-955, Z 1029-1070 und Z 1167-1183; RNL: Z 606-631 und Z 707731). Exemplarisch hielt die verantwortliche Gemeindebeamtin von Luzzara fest: „Non siam- non siamo (accentando la prossima parola) noi pronti! Perché ci vogliono delle persone, cioè ci vuole..conoscenza eh per fare queste cose.“ („Wir sin- (das nächste Wort betonend) Wir sind nicht vorbereitet! Denn es braucht Personen, d.h. man braucht..Kenntnisse äh, um diese Dinge zu machen.“) (LUG: Z 1027-1029). Gleichsam identifiziert sie als Ursache des bestehenden Personalmangels kommunaler Integrationspolitik kollektive Orientierungen auf der Seite (autochthoner) Integrationsakteure: „È prop- proprio la risorsa umana che non può essere destinata lì, perché la priorità risulta un’altra!“ („Es ist ger- gerade die Personalkraft, die dort nicht eingesetzt werden kann, weil sich zeigt, dass es andere Prioritäten gibt!”) (LUG: Z 1620-1621). Die Aussagen der luzzaresischen Gemeindebeamtin legen nahe, dass Migration und Integration von Immigranten (auf kommunaler Ebene) keine politische Priorität besitzen und insofern nicht als „politisches Problem“ seitens der Integrationsakteure erfahren wird. Die kulturelle und soziale Dimension des „Zuwanderungsproblems“, so war im Laufe des Kapitels dargelegt worden, manifestierte sich unabhängig von räumlichen Kontexten, der Stellung im Integrationsprozess oder der Geschlechtszugehörigkeit. Vielmehr erscheint die ethnische Gruppenzugehörigkeit der Befragten als entscheidender Faktor für die Konsistenz des beschriebenen Orientierungsrahmens.192 Oder kurz: Es ist die kommunale, regionale und nationale Solidargemeinschaft der Autochthonen, welche Zuwanderer zu bedrohen scheinen. In ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser (vorgestellten) autochthonen Gemeinschaft zeigt sich die Verbindlichkeit der beschriebenen Kollektivorientierung auch in den Gesprächen, die im Rahmen des vorliegenden Promotionsvorhabens mit autochthonen Integrationsakteuren geführt wurden. Mit dem Hinweis auf deren unbewusste, atheoretische 192 Nicht alle autochthonen Interviewpartner wiesen in „dokumentarischer“ Hinsicht eine Verortung ihres Kommunikationshandelns in dem beschriebenen Orientierungsrahmen auf, aber dessen Kenntnis und das Bewusstsein seiner Existenz fand sich in den Aussagen der meisten Befragten.
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Teilnahme an einem derartigen „konjunktiven Erfahrungsraum“ lässt sich erklären, warum in der vorliegenden Studie keine systematische Reflexion und Veränderung der kollektiven Wahrnehmung im Sinne aktiver Integrationspolitik stattfindet. Allenfalls auf individueller Ebene waren diesbezügliche Ansätze thematisiert worden.193 Neben der kollektiven Orientierung an einem „Problem Zuwanderung“ manifestierten sich ebenso allgemeine Tendenzen der Akzeptanz der Migration und Zuwanderer. Jenseits der Zugehörigkeit zu einem sozio-räumlichen Kontext, der Stellung des Befragten im Integrationsprozess (staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Akteur oder Adressat) oder der Geschlechtszugehörigkeit wurde insbesondere der wirtschaftliche Bedarf an Zuwanderern bzw. deren ökonomische Profitabilität von den (autochthonen) Interviewpartnern positiv betont. Neben der beschriebenen sozialen Anerkennung des Zuwanderers durch seinen Beitrag zur (italienischen, regionalen oder kommunalen) Wirtschaft kristallisierte sich in den Gesprächen mit den interviewten Landespolitikern zudem eine Korrelation dieses Orientierungsrahmens mit politischen Strategien heraus: LR5: (…) Ecco, non è un problema solo sociale.. avere gli immigrati in Emilia Romagna. È un bisogno. È un bisogno, dunque è chiaro che tutte le politiche devono integrarsi affinché questo bisogno possa trovare la maggiore acpossibilità di accoglienza, ecco.
LR5: (…) Also, das ist nicht nur ein soziales Problem.. Zuwanderer in der Emilia-Romagna zu haben. Es ist ein Bedarf. Es ist ein Bedarf, und insofern ist es klar, dass alle Politiken integriert werden müssen, bis dieser Bedarf die größte Auf- Möglichkeit der Aufnahme finden kann, so.
(Quelle: LR5: Z 760-763) Verbleibt diese ordnende Kraft, dieses wirtschaftliche Primat integrationspolitischer Ansätze zunächst auf den Bereich der Landespolitik beschränkt, wird es mit dem folgenden Zitat des Landesassessors für Sozialpolitik um eine allgemeine Gültigkeit erweitert. Nach Angaben des Landesassessors erhöht gerade die ökonomische Profitabilität der Immigranten die Bereitschaft der lokalen Ämter, in ihre Aufnahme zu investieren (LR1: Z 158-198): LR1: (…) Eeeh, c’è dal mio punto di vista unaaaa.. unaaa disponibilità maggiore, anche da parte degli enti locali, ad investire eeeh politicamente e dal punto di vista amministrativo, ed anche economicamente, laddove è più forte l’impatto anche con il sistema produttivo, con l’impresa. (…)
LR1: (…) Äääh, es gibt meines Erachtens nach eineeee.. eineee größere Bereitschaft, auch seitens der lokalen Ämter, dort äääh politisch und unter verwaltungsmäßigen Gesichtspunkten und auch ökonomisch zu investieren, wo das Zusammentreffen auch mit dem Produktionssystem, mit der Firma am stärksten ist. (…)
(Quelle: LR1: Z 179-182) 193
Siehe dazu insbesondere die Aussagen von RNL.
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Der „konjunktive Erfahrungsraum“ der Akzeptanz von Zuwanderern aufgrund ihrer ökonomischen Rentabilität zeigt in signifikanter Weise seinen Einfluss auf das politische Alltagshandeln regionaler wie kommunaler Integrationsakteure in der Emilia-Romagna. Während Bohnsacks Leistung darin bestand, mittels der dokumentarischen Methode die Relevanz kollektiver Orientierungsmuster im Alltagshandeln von Sozialakteuren nachgewiesen zu haben, zeigt die vorliegende Untersuchung, dass besagtes „Alltagshandeln“ – je nach Stellung des Befragten im Integrationsprozess – auch politisches Handeln im Sinne der Politikformulierung und Politikimplementierung mit einschließt. In diesem Kontext erwies sich das Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit als entscheidendes Merkmal für die Wahrnehmung, Definition und Behandlung des Migrationsphänomens und der Zuwanderer. Die Frage, ob die Akzeptanz von Zuwanderern unter ökonomischen Gesichtspunkten genuin politischer oder gesellschaftlicher Natur ist, muss hier zunächst unbeantwortet bleiben. Für die vorliegende Untersuchung erscheint der identifizierte (politische wie gesellschaftliche) Konsens über eine derartige Situationsdefinition (Akzeptanz auf der Grundlage wirtschaftlicher Erfordernisse) für die Realisierung integrationspolitischer Maßnahmen besonders signifikant. Die Aussagen der interviewten Landespolitiker, auf Kontroll- und Steuermechanismen aufgrund einer „gemeinsamen Vision aller beteiligten Akteure“ zu verzichten, erhält insofern neue Relevanz: Die (augenscheinlich defizitäre) Formulierung und Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen muss unter dem sich manifestierenden wirtschaftlichen Primat der Integrationspolitik neu bewertet werden.
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6 Schlussfolgerungen
Menschen wandern. Lassen sie sich dauerhaft in anderen Regionen nieder, ist dies mit zahlreichen Folgewirkungen für ihr Herkunftsland, sie selbst und die aufnehmende Gesellschaft verbunden. Europa wird zunehmend Zielland dieser internationalen Wanderungsbewegungen. Hieraus erwächst die Aufgabe, politische Antworten zu den sozialen und kulturellen sowie wirtschaftlichen und demographischen Effekten des Migrationsphänomens zu formulieren. Ein Charakteristikum der Zuwanderung liegt in ihrer ‚politischen Transversalität’: Migrationfragen berühren die unterschiedlichsten Politikfelder und erfordern oft gemeinsame Lösungen derselben. Gegenwärtig erweisen sich Migrations- und Integrationspolitik in besonderer Weise als ineinander verwoben. Länder wie Deutschland und Italien bilden keine Ausnahme. Die vorliegende Untersuchung beruht auf der Vorstellung, dass Zuwanderer im Mittelpunkt integrationspolitischer Maßnahmen des Nationalstaates, der Region und der Kommune stehen. Vor diesem Hintergrund werden gesetzliche Grundlagen der verfolgten Integrationspolitik ebenso erläutert, wie Praktiken des Integrationsalltags und das Zusammenspiel der verschiedenen institutionellen Ebenen erforscht werden.
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Abbildung 7:
Nation state
Administrative Levels of Immigrants’ Integration Policies194
Regional government
City government
Migrants
Neben ihrer Mehrebenengestalt stellt sich Integrationspolitik zudem als ein mehrdimensionaler Prozess dar, der sich in die Teilbereiche der Politikformulierung, der Politikoperationalisierung und der Politikimplementierung untergliedern lässt. Diese bezeichnen sowohl analytische Dimensionen der Integrationspolitik als auch Phasen ihrer Prozessierung. Die einzelnen Teilbereiche resultieren in dem Erlass gesetzlicher Vorgaben, in der Etablierung eines Programms und der Aktion.
194
Die abgebildete Graphik wurde im Rahmen des Gutachtens „Integration and Access to Social Rights of Migrants. The contribution of local and regional authorities“ von der Verfasserin für ein Projekt entwickelt, welches gegenwärtig am „europäischen forum für migrationsstudien“ (efms) durchführt wird.
266
Abbildung 8:
Analytical Dimensions and Phases of the Integration Policy195
Policy formulation (legal provision)
Policy operationalisation (programme)
Policy implementation (action)
Die genannten Phasen des Integrationsprozesses, so war dargestellt worden, erstrecken sich auf und integrieren unterschiedliche institutionelle Ebenen. Zudem werden sie von verschiedenartigen Faktorengruppen beeinflusst, die auf jeweils unterschiedlichen Ebenen der sozial-politischen Welt in spezifischer Weise auf die einzelnen Teilphasen einwirken können. Eine Schematisierung des komplexen Prozesses der Integrationspolitik könnte man wie folgt darstellen (siehe Abbildung 9):
195
Ausdrücklich sei darauf verwiesen, dass die Verfasserin keine Linearität oder determinierte Sequenz der Phasen unterstellen möchte. Im Gegenteil: Die drei beschriebenen Phasen und Prozesse vollziehen sich eher zirkulär zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft.
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Abbildung 9:
The Making of Integration Policy196
Im Laufe der vorliegenden Untersuchung konnte dargestellt werden, wie die staatliche Migrationspolitik Italiens durch das Phänomen mangelnder Operationalisierung bis zum Jahr 1998 stagnierte. Erst mit der Etablierung des „Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie“ wurde erstmals ein staatliches ‚Integrationsprogramm’ geschaffen. Im Einzelnen rekonstruiert die Studie die historische Entwicklung gesetzlicher Vorgaben auf der nationalen und regionalen Ebene, erläutert die Organisation der interinstitutionellen Interaktionen (zwischen Nation, Region und Gemeinde) im Rahmen des FNPM und stellt insbesondere den Aspekt der Implementierung integrationspolitischer Maßnahmen in das Zentrum des Erkenntnisinteresses. Die Identifizierung beeinflussender Faktoren vollzieht 196 Die Graphik basiert auf Reflexionen der vorliegenden Untersuchung sowie auf der Mitgliedschaft der Verfasserin im Cluster C9 des Europäischen Exzellenznetzwerkes „Internationale Migration, Integration, Social Cohesion“ (IMISCOE) und ihrer Mitarbeit an der Buchpublikation „Migratory Policy-Making in Europe“. Die Kubus-Form der dargestellten Grafik ist Chris Tanners Buch „Venezuelan Migration“ entlehnt, der sich seinerseits an dem St. Galler Management-Modell von 1973 orientierte (Siehe dazu: Tanner, Chris: Venezuelan Migration, Diessenhofen: Verlag Rüegger, 1980).
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sich auf der Grundlage der Interviewäußerungen der Befragten, die systematisch auf die faktische Integrationssituation und individuellen Gruppenzugehörigkeiten (Geschlecht, Gemeinde, Stellung im Integrationsprozess etc.) rückbezogen werden. Ihre Ergebnisse sollen an dieser Stelle kurz rekapituliert werden. Unter dem Verweis auf die Dynamik internationaler Wanderungsbewegungen führte Kapitel 1 in das Thema der Zuwanderung ein. Es rekonstruierte den wissenschaftlichen Kenntnisstand und identifizierte bestehende Forschungsrückstände zeitgenössischer Migrations- und Integrationsstudien, vor deren Hintergrund die eigene Forschungsfrage erläutert wurde. Kapitel 2 thematisierte Fragen der Erfassung des Migrationsphänomens in Italien und wies neben strukturellen Problemlagen offizieller Datenquellen auf ein besonderes Charakteristikum der Immigration in Italien hin: auf den hohen Anteil irregulärer Zuwanderer im Land. Der Vergleich bestehender Statistiken zum Migrationsphänomen sowie die historische Entwicklung so genannter Legalisierungsverfahren verdeutlicht, dass sich die Frage nach der tatsächlichen Anzahl von Zuwanderern in Italien letztlich nicht beantworten lässt. Selbst im Verfassenszeitraum der vorliegenden Untersuchung musste den Änderungen der offiziellen Statistiken und Einreisequoten mehrfach Rechnung getragen werden. Es scheint, dass politische Vorgaben der sich rapide entwickelnden sozialökonomischen Wirklichkeit in Italien hinterher eilen: Erst im (vorerst) letzten Legalisierungsverfahren der Jahre 2002/2003 erhielten ca. 650.000 Zuwanderer einen legalen Aufenthaltsstatus, um den Bedarf an immigrierten Arbeitskräften seitens der italienischen Unternehmen und Familien (Pflegekräfte, Haushaltshilfen etc.) zu decken. Bald darauf sah sich die italienische Regierung jedoch erneut mit einer so großen Nachfrage konfrontiert, dass sie im Juli 2006 die offizielle Einreisequote (von 170.000) um weitere 350.000 Personen auf insgesamt 520.000 Zuwanderer für das Jahr 2006 anhob.197 Bereits zuvor waren ca. 517.000 Beschäftigungsgesuche von Immigranten, die sich bereits im Land aufhielten, eingegangen, so dass man die Erweiterung der Zuwanderungsquote als indirekte Legalisierung verstehen kann. Grundsätzlich verdeutlicht sie (einmal mehr) den hohen Anteil an irregulärer Zuwanderung im Land, welcher die italienische Politik allgemein, insbesondere aber die Integrationspolitik, vor große Herausforderungen stellt. Nach Umfang und Beschaffenheit der Zuwanderung konzentrierte sich Kapitel 3 auf den nationalen und regionalen Umgang mit Integrationspolitik, der anhand von Gesetzesgrundlagen des Staates und der Region in seiner historischen Entwicklung rekonstruiert wurde. Als besonderes Charakteristikum traten hierbei die rasche Abfolge und Modifikation relevanter Bestimmungen sowie 197
Detaillierte Informationen finden sich in Kapitel 2 bzw. Ministero dell’Interno 2006.
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die vielfachen Änderungen zentraler integrationspolitischer Instrumente deutlich zutage. Als erster Fond der italienischen Zuwanderungspolitik wurde 1998 der „Nationale Fond für Migrationspolitiken“ (FNPM) eingerichtet, dessen administrative Entwicklung in finanzieller und institutioneller Hinsicht nachvollzogen wurde. Des Weiteren wurde seine konkrete Ausgestaltung in der EmiliaRomagna erforscht. In statistischen Analysen wurden die von der Landesregierung bewilligten Integrationsmaßnahmen für den Untersuchungszeitraum (2002/2003) in ihrer Verteilung bzw. Prioritätssetzung veranschaulicht und klassifiziert. Während die Landesregierung die Verteilung der FNPM-Gelder auf vorab bestimmte Projektkategorien darstellte, verdeutlichte die eigene Erhebung das prozentuale Verhältnis der Maßnahmen nach Häufigkeit ihrer Nennung in den so genannten Provinzplänen. Explizit berücksichtigte die Erhebung dabei die Vielfalt der Aktivitäten, welche die Gemeinden unter einem Projektnamen subsumieren, so dass sie einen authentischeren Eindruck von der Bandbreite bewilligter Maßnahmen vermitteln konnte. Die verwendeten Kategorien wurden induktiv aus den Angaben der Gemeindenverwaltungen generiert. Das Ziel dieser statistischen Analyse bestand darin, einen Einblick in den Inhalt emiliaromagnolischer Integrationspolitik zu gewinnen, den im Folgenden komplementäre, qualitative Interviews vervollständigten. In diesem Kontext zeigte Kapitel 4, dass sich von der Analyse der bewilligten Projekte des ‚nationalen Integrationsfonds’ keineswegs auf die Realisierung von FNPM-Maßnahmen schließen ließ. In diesem Teilabschnitt wurden qualitative Interviews mit Vertretern der Landesregierung der Emilia-Romagna sowie mit Akteuren und Adressaten integrationspolitischer Maßnahmen der deutschsprachigen Leser- und Wissenschaft zugänglich gemacht. Dabei bestand die zentrale Frage darin, wie integrationspolitische Maßnahmen in der EmiliaRomagna bzw. den ausgewählten Gemeinden umgesetzt werden. Aus der enormen Bandbreite an FNPM-Projekten wurden Aktivitäten der schulischen Integrationsförderung für Kinder mit Migrationshintergrund und Italienischkurse für erwachsene Migranten ausgewählt und in ihrer regionalen Organisation und lokalen Implementierung dargestellt. Die qualitativen Interviews verdeutlichten, dass keines der ausgesuchten Projekte dem Wortlaut der „Provinzpläne“ gemäß realisiert worden war. Die reine Konzentration auf FNPM-Maßnahmen als Untersuchungsgegenstand erwies sich in dieser Hinsicht als nicht sinnvoll. Darüber hinaus zeigte sich, dass deren ausgebliebene Umsetzung nicht immer als Misserfolg gewertet wurde. Vielmehr verwiesen Befragte auf das Prinzip der „Implementazione ad arte“ („kunstfertigen Umsetzung“), nach dem zunächst pauschal Gelder beantragt werden, um die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme der Entscheidungsgewalt lokaler Akteure zu überlassen. Wenn z.B. einer Gemeinde neben den FNPM-Geldern ebenfalls Finanzmittel der Erwachsenenbildung für
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die Durchführung von Italienischkursen für erwachsene Zuwanderer zur Verfügung standen, kam es vor, dass Erstere anderweitig eingesetzt wurden. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis wurde den Interviewpartnern bewusst Raum zur Darstellung anderer Integrationsmaßnahmen (als des FNPM) gegeben, um einen authentischen Einblick in die bestehende Integrationspolitik der Gemeinden und die Umsetzung des ‚Integrationsfonds’ zu gewährleisten. Daraus entstand das Bild einer ‚mosaikhaften Integrationspolitik’, in der finanzielle Ressourcen verschiedener Politikfelder und Programme in der lokalen Realität der Gemeinden zusammenfließen und jeweils in unterschiedlichem Maße realisiert und evaluiert werden. Die bestehenden generellen Integrationsweisen erschienen dabei in ihrer Anwendung als konstanter als die von Defiziten gekennzeichnete Umsetzung des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ (als spezielle Politik). In Bezug auf die Umsetzung von FNPM-Maßnahmen zeigte sich zudem die große individuelle Verfügungsgewalt kommunaler Akteure. Die implementationswissenschaftlichen Analyse der untersuchten Maßnahmen des FNPM und des gesetzlich verankerten Prinzips der „interkulturellen Erziehung“ verdeutlichte einen inhärenten Interpretationsbedarf integrationspolitischer Vorgaben, dem sich sowohl die Landesregierung als auch die kommunalen Implementationsakteure gegenüber sehen. Neben der großen Elastizität der integrationspolitischen Weisungen des Staates (drei „Makroziele“) und der Landesregierung (wenig präzise „Leitlinien“) konnte als weitere Problemlage die unzureichenden Finanzmittel des ‚Integrationsfonds’ herausgearbeitet werden: So stehen der Sozialpolitik im Allgemeinen und der Eingliederung von Zuwanderern im Besonderen nicht nur geringere Finanzmittel zur Verfügung als z.B. dem Gesundheitswesen; Bestehende Integrationsmaßnahmen werden – teilweise explizit (Lokalpolitik), teilweise implizit (keine Kontrolle des Aufenthaltsstatus als Zugangsberechtigung) – auch einer größeren Anzahl von Zuwanderern zugänglich gemacht als per Gesetz berücksichtigt. Diese Erkenntnis entstand durch die Erarbeitung der bestehenden Gesetzesgrundlagen in Verbindung mit einem komplexen Befragungsdesign, das mehrere Hierarchieebenen der italienischen Verwaltung umfasste sowie staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure einbezog. In den Gesprächen mit Landespolitikern, Kommunalbeamten und zivilgesellschaftlichen Akteuren zeigten sich zudem Probleme der Organisationsstruktur im Sinne von unklaren Zuständigkeiten und Personaldefiziten. Die Abwesenheit von effizienten Kontroll- und Steuerungsinstrumenten erwies sich in diesem Kontext als besonders prekär: Da das System des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ allgemein viele Aktivitäten auf die Ebene lokaler Akteure verlagert, bewirkt der Mangel an systematischer Evaluierung und Kontrolle der Ausgaben, dass sich die Entscheidungs- und Verfügungsgewalt auf einzelne Beteiligte konzentriert. Diese Machtfülle kann jedoch zu Miss-
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brauch und Willkür verleiten, wie die Studie verdeutlichte. Die mangelnde Personalausstattung trug ihr Übriges dazu bei, dass bewilligte Integrationsmaßnahmen nicht realisiert wurden. Ähnliche Ergebnisse lieferte die Studie auch hinsichtlich der Umsetzung des Prinzips „interkultureller Erziehung“ in der italienischen Grundschule: Gespräche mit Adressaten (Zuwanderern wie Autochthone) zeigten, dass die Herkunftssprachen, Herkunftskontexte und -kulturen von Zuwandererschülern nicht systematisch in den Schulalltag einbezogen werden. Interviewte Schulleiter und ‚integrationsbeauftragte’ Lehrer sagten aus, dass es vor allem von der individuellen Bereitschaft der Lehrkraft abhängt, inwieweit das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“ im Schulalltag Anwendung findet. Insgesamt verdeutlichte die vorliegende Untersuchung die beträchtliche Autonomie der Kommunalbeamten und Lehrkräfte, über die sie bei der Implementierung integrationsfördernder Maßnahmen verfügen. Auf der kommunalen Ebene erwies sich deren Umsetzung als an die Entscheidungsgewalt lokaler Staatsvertreter gebunden, von ihrem Einsatz abhängig und variierte in ihrem Inhalt und Ausmaß je nach Gemeinde. Neben diesen faktischen Unterschieden im Integrationsangebot zwischen den Kommunen manifestierten sich gleichsam Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, die ebenfalls als Ergebnis der implementationspolitischen Analyse festzuhalten sind: Erstens verdeutlichte sie signifikante Operationalisierungsleistungen, die aufgrund der großen Offenheit politischer Vorgaben zur Umsetzung des „Nationalen Fonds für Migrationspolitiken“ (FNPM) auf regionaler und kommunaler Ebene erbracht werden müssen. Zweitens bewirkten die finanziell unzureichende Ausstattung der Sozialpolitik und des FNPM, die ausbleibende Überprüfung des Aufenthaltsstatus als Zugangberechtigung sowie die konstante irreguläre Zuwanderung eine weitaus größere Anzahl potentieller Adressaten in den Gemeinden als im Finanzvolumen berücksichtigt. Drittens bedingte die bestehende Organisationsstruktur des ‚Integrationsfonds’ sowie der Sozialpolitik im Allgemeinen (mit unklaren Zuständigkeiten, Personaldefiziten, der Inkorporierung sämtlicher Hierarchieebenen der italienischen Verwaltung und der Interaktion zwischen öffentlichen und privaten Akteuren) strukturelle zeitliche Koordinationsprobleme in den untersuchten Gemeinden. Viertens sahen sich die Gemeinden durch den (expliziten) Verzicht auf effektive Kontroll- und Steuerungsinstrumente auf Landes- oder Provinzebene mit der Herausforderung einer Qualitätssicherung konfrontiert, der sie aufgrund der Dichte und Dynamik des kommunalen Politikvollzugs nicht gewachsen waren (LUG: Z 947-990 und Z 1469-1478; RNG: Z 336-371, Z 489521, Z 623-680 und Z 717-769). Einige der identifizierten Realisierungsdefizite warfen jedoch Fragen auf, die eine tiefer gehende Analyse nötig machten: So kann die Frage, warum die Integrationspolitik des Landes Emilia–Romagna derartige Missstände aufweist,
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letztendlich nur durch die Rekonstruktion deren realer Intentionen und Ziele beantwortet und erklärt werden. In dieser Hinsicht wurde in Kapitel 5 die politikwissenschaftliche Implementationsanalyse um die soziologische Untersuchung von Akteursorientierungen erweitert, deren Signifikanz sich für den integrationspolitischen Alltag in den Äußerungen der Interviewpartner gezeigt hatte. Trotz Unterschieden inhaltlicher Art in den Aussagen der verschiedenen Interviewgruppen waren einige allgemeingültige Tendenzen erkennbar: So stach einerseits die positive Beschreibung der Emilia-Romagna in den Interviews der Landespolitiker hervor, die von der Betonung ihrer ökonomischen Prosperität, über die Identifizierung großer politischer Kohäsion zur Behauptung einer regionalen Wertegemeinschaft reichte. Seitens der Landesrepräsentanten kristallisierte sich in diesem Kontext die Wahrnehmung und Orientierung an einer emilia–romagnolischen Solidargemeinschaft als „konjunktiven Erfahrungsraum“ heraus, welcher Inhalt und Struktur des politischen Alltagshandelns der Landesvertreter bisweilen zu bestimmen scheint. Daneben konnten weitere Muster der Wahrnehmung und Definition der Zuwanderungssituation erarbeitet werden: Sozio–räumliche Gebundenheit transzendierend, traten in den untersuchten Realitäten (Landesregierung und Gemeinden) negative Etikettierungen von Zuwanderern ebenso zutage wie Ängste seitens der autochthonen Bevölkerung gegenüber dem Migrationsphänomen. Dabei stach die Negativität der gewählten Attribuierungen bzw. deren negative Verwendung durch Autochthone hervor, welche dem gefühlten Verlust der Lebenssicherheit durch die Zuwanderung zu entsprechen schienen. Immigration wurde in besonderer Weise als „Problem“ wahrgenommen. Der identifizierte Orientierungsrahmen ließ sich anhand der empirischen Interviews in thematische Subeinheiten unterteilen. Neben der Wahrnehmung der Zuwanderung und den Zuwanderern als „technisch–administratives Problem“ kristallisierte sich ihre Behandlung als „kulturelles Problem“ und als „soziales Problem“ heraus. Die im Laufe des Kapitels beschriebene kulturelle und soziale Dimension des „Zuwanderungsproblems“ war dabei nicht auf einzelne räumliche Kontexte, auf die Stellung der Befragten im Integrationsprozess oder deren Geschlechtszugehörigkeit zurückzuführen. Vielmehr erschien die ethnische Gruppenzugehörigkeit der Befragten als relevantes Merkmal für die Konsistenz des bestehenden Orientierungsrahmens. Die Interviews zeigten: Es ist die kommunale, regionale und nationale Solidargemeinschaft der Autochthonen (Adressaten wie Akteure), welche Zuwanderer bedrohen. Neben der kollektiven Orientierung an dem „Problem Zuwanderung“ wurden zudem allgemeine Tendenzen der Akzeptanz der Migration und Zuwanderer sichtbar. Jenseits der Zugehörigkeit zu einem sozio–räumlichen Kontext, der Stellung des Befragten im Integrationsprozess (staatlicher oder zivilgesellschaft-
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licher Akteur oder Adressat) oder der Geschlechtszugehörigkeit wurde insbesondere der wirtschaftliche Bedarf an Zuwanderern bzw. deren ökonomische Profitabilität von den (autochthonen) Interviewpartnern positiv betont. Exemplarisch dafür formulierte die Landesassessorin für Bildungswesen: „Ecco, torno a dire: il vero veicolo è eeh, se siamo disponibili al lavoro, ..questo è il primo discrimin- cioè un immigrato che lavora è comunque un immigrato accolto!“ („Also, ich wiederhole: Das wahre Mittel ist ääh, ob wir bereit sind, zu arbeiten, ..Das ist die erste Diskriminier- das heißt: Ein Zuwanderer, der arbeitet, ist auf jeden Fall ein aufgenommener Zuwanderer!“) (LR4: Z 850-851). Sie verweist damit auf eine verborgene Intention der Integrationspolitik, die im Folgenden diskutiert wird. Im Laufe der vorliegenden Untersuchung war dargestellt worden, dass die Sozialpolitik der Emilia–Romagna über nur unzureichende Finanzmittel verfügt, und dass die Umsetzung der Integrationspolitik in den Gemeinden keine Priorität genießt (LR2: Z 230-231; LUG: Z 1620-1621). Im Bereich des ‚nationalen Integrationsfonds’ findet zudem keine systematische Evaluierung statt, wenngleich man eine solche in anderen Politikfeldern wie Gesundheit und Berufausbildung erfolgreich etabliert hat (LR3: Z 1-12, Z 154-176 und Z 226-235; LR5: Z 258-316; LR6: Z 152-189, Z 258-316, Z 836-900 und Z 1043-1273; LR2: Z 203-231, Z 341-360, Z 372-472 und Z 714-715; LR1: Z 119-153; LR4: Z 396414, Z 467-507 und Z 729-739). Auch wurde hinsichtlich der Steuerung und Kontrolle von FNPM-Maßnahmen deutlich, dass die Qualitätssicherung der Projekte auf Landesebene vernachlässigt und den Gemeinden überlassen wurde, die sich damit überfordert zeigten (LR3: Z 154-176, Z 231-242, Z 385-397, Z 409-411, Z 426-429 und Z 435-437; LUG: Z 947-990 und Z 1469-1478; RNG: Z 336-371, Z 489-521, Z 623-680 und Z 717-769). Einen derartiger Verzicht auf systematische Kontroll- und Steuerinstanzen kompensiert die Landesregierung mit dem Verweis auf die „gemeinsame Vision“ aller beteiligten Integrationsakteure (LR6: Z 1283-1315; LR1: Z 210-239). Angesichts der offensichtlich defizitären Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen stellt sich die Frage, worin diese „gemeinsame Vision“ besteht. Im Fazit des Kapitels zur Implementationsanalyse war bereits darauf hingewiesen worden, dass das „Schaffen positiver Beziehungen“ als eines der Leitziele nationaler Integrationspolitik definiert wird. Das ‚Landesintegrationsprogramm’ der Emilia–Romagna („Provinzpläne“) bezieht sich jedoch allein auf die „politica d’integrazione a favore degli immigrati“ („Politik der Integration zugunsten von Zuwanderern“) und benennt damit die Zuwanderer als einzige Zielgruppe regionalpolitischer Interventionen. Die Analysen der bewilligten FNPM–Projekte für die Jahre 2002/2003 veranschaulichten ebenfalls ein Übergewicht an Maßnahmen explizit für Immigranten gegenüber Aktivitäten, die
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sich zu gleichen Teilen an autochthone und immigrierte Gesellschaftsmitglieder richteten.198 Im Bereich des Schulwesens zeigte sich, dass auch der Schutz der Unterschiede als Ziel der italienischen Integrationspolitik kaum Berücksichtigung findet: In den untersuchten Lehranstalten fand das Prinzip der „interkulturellen Erziehung“, wie im Zuwanderungsgesetz Nr.40/98 verankert, keine systematische Anwendung. In der Schulpraxis erteilte man Schülern mit Migrationshintergrund vor allem Italienischunterricht. Weniger die Interkulturalität scheint somit im Zentrum des schulischen Alltagshandelns zu stehen, als die Eingliederung der Zuwandererschüler in das Bildungssystem zum Nutzen Italiens, wie das folgende Zitat der ‚integrationsbeauftragten’ Lehrerin von Luzzara nahe legt: LUL: Allora, (si schiarisce la voce) io penso che eeh, diciamo, la legislazione italiana sia abbastanza orientata, diciamo così, ad avere una qualità nella produzione. Quindi, non potrà (accentata) mancare di sovvenzionare queste scuole regionali, queste scuole, diciamo così, ..professionali che possono portare una..risposta al prodotto.. al prodotto interno lordo. Quindi, è un obbligo da parte, diciamo così, anche delle componenti politiche di..guardare il PIL! Non possono farne a meno. Eh, dev’essere compreso che anche le scuole, diciamo, ..a più basso livello come le scuole materne, come le scuole elementari danno un (accentata) apporto alla successiva, diciamo così, ..formazione di quadri validi, sia dal punto di vista proprio eeh della manodopera, sia dal punto di vista anche magari di una manodopera già più specializzata. Perché le nostre ditte del territorio hanno bisogno di manodopera specializzata e non sanno dove pescarla. Lo dico, perché veramente… Quindi, se noi formiamo da giovani questi questi stranieri possono diventare sì manodopera, diciamo, normale, ma possono anche diventare manodopera specializzata con una risposta sul PIL!
LUL: Also, (sie räuspert sich) ich denke, dass ääh, sagen wir, die italienische Gesetzgebung ziemlich, sagen wir, in Richtung einer qualitativhochwertigen Produktion orientiert ist. Von daher (betont) kann sie es nicht unterlassen, diese regionalen Schulen zu subventionieren, diese Schulen, sagen wir, ..Berufsschulen, die für das Produkt einen..Beitrag leisten können..für das Bruttoinlandsprodukt. Von daher ist es eine Verpflichtung, sagen wir, auch der politischen Komponenten ..das BIP im Auge zu behalten! Sie können das nicht vernachlässigen. Äh, das beinhaltet, dass auch die Schulen, sagen wir, ..auf niedrigerem Niveau wie die Kindergärten und wie die Grundschulen, einen (betont) Beitrag in der folgenden, sagen wir, ..Ausbildung wirksamer Rahmen unter dem Gesichtspunkt gerade ääh der Arbeitskraft aber auch unter dem Gesichtspunkt einer schon stärker spezialisierten Arbeitskraft leisten. Denn unsere Firmen im Gebiet benötigen spezialisierte Arbeitskräfte und sie wissen nicht, wo sie sie aufgabeln sollen. Ich sage das, weil wirklich… Von daher, wenn wir diese diese Ausländer als Jugendliche ausbilden, können sie ja, sagen wir, normale Arbeitskräfte werden, aber sie können auch spezialisierte Arbeitskräfte werden mit einem Beitrag zum BIP!
(Quelle: LUL: Z 571-583) Deutlich stellt die Leiterin des „Sprachlabors” eine Verbindung der (schulischen) Integrationspolitik mit dem Wirtschaftssystem Italiens her. Definiert sie Integration einerseits als Ausbildung zur wirtschaftlichen Rentabilität, erklärt sie 198
Nähere Informationen finden sich in Kapitel 3.2.3a.
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andererseits die Rolle der staatlichen Schulen, auch der Grundschule, als fundamental für die Nutzbarmachung der Arbeitskraft von Zuwanderern (LUL: Z 571-590 und Z 614-648). Zusätzlich stellt sich das allgemeine Verhältnis von Autochthonen und Immigranten in der vorliegenden Untersuchung als distanziert dar: Neben geringen sozialen Kontakten konnten bestehende negative Orientierungsmuster auf der Seite der autochthonen Gesprächspartner herausgearbeitet werden. In dieser Hinsicht hält Han fest: Die Intensität und das Ausmaß ethnischer Konflikte und Spannungen haben weltweit eine noch nie da gewesene destruktive und dissoziative Dimension erreicht, so dass in der soziologischen Literatur für diese qualitativ neue Entwicklung die Bezeichnungen „ethnische Mobilisierung“ (ethnic mobilization) und ethnic revival gebildet wurden. Mit der ethnischen Mobilisierung ist der Prozess gemeint, in dem Gruppierungen von Menschen nach ethnischen Gesichtspunkten organisiert werden, um ihre jeweils wechselnden Interessen effektiv zu vertreten und durchzusetzen. (Han 2000: 318)
In Ablehnung des Konzepts der „Multikulturalität“ oder „Interkulturalität“ als dem gestalteten Gemeinschaftsleben können ethnische Mobilisierungen in zweierlei Richtung wirken: als Rückzug aus dem gesamtgesellschaftlichen Kontext oder aber als Negierung von Gemeinsamkeiten im Sinne separatistischer Tendenzen. Im ersten Fall werden Lebenszufriedenheit im privaten Bereich und ein positives Selbstwertgefühl innerhalb der eigenen ethnic community, der ethnischen Gruppengrenze gesucht.199 Beim zweiten Phänomen führen die Widersprüchlichkeit und Unvereinbarkeit unterschiedlicher Lebens- und Wertvorstellungen verschiedener Gruppen zu mehr oder weniger offen ausgetragenen Kulturkonflikten200 (Han 2000: 319-328; Heckmann 1992: 178-180; Park 1964: 345-392; Treibel 1999: 106-108). Das in der vorliegenden Studie ermittelte Verhältnis von Immigranten und Autochthonen lässt sich als faktisch distanziert, aber nicht offen konfliktreich beschreiben. In diesem Kontext ließe sich eine starke Konzentration auf Primärkontakte familiärer und verwandtschaftlicher Art bzw. ein Rückzug in die ethnic community nicht allein auf der Seite der befragten Immigranten, sondern ten199
Einen derartigen Rückzug türkischstämmiger Jugendlichen in Deutschland diagnostizierten 1997 Heitmeyer, Müller und Schröder (Siehe dazu: Heitmeyer, Wilhelm/Müller, Joachim/Schröder, Helmut: Verlockender Fundamentalismus. Türkische Jugendliche in Deutschland, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1997). 200 Als extreme Form besagten Kulturkonfliktes sei auf Samuel Huntingtons „Kampf der Kulturen“ (Clash of cultures) verwiesen. (Siehe dazu: Huntington, Samuel P.: Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München: Europaverlag, 1996.)
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denziell ebenso auf der Seite der interviewten Autochthonen feststellen: Die Akzeptanz der Zuwanderer vollzog sich insbesondere vor dem Hintergrund ökonomischer und demographischer Erfordernisse. Allgemein gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Integration als langwieriger und komplexer Prozess darstellt, der sich über mehrere Generationen erstreckt. Umso mehr ist die Politik dazu aufgerufen, positiv auf Interaktionen im Kindesalter einzuwirken, um langfristig die soziale Kohäsion der Gesellschaft zu gewährleisten. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung war auf bestehende Rückstände der Integrationspolitik in der Emilia-Romagna hingewiesen worden. Im Weiteren soll die Relevanz ihrer Ergebnisse über diesen primären Kontext hinaus diskutiert werden. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2006 bezeichnet Joppke die gesellschaftliche Akzeptanz von Zuwanderern aus ökonomischen Gesichtspunkten und deren Entsprechung im Politikalltag, wie sie aus der Studie resultieren, als europäisches Phänomen. Für Europa identifiziert Joppke einen „new mindest in welcoming immigration“ sowie einen allgemeinen Trend der Europäisierung (Joppke 2006: 23ff). Die diagnostizierte Konvergenz europäischer Integrationspolitiken formuliert er erstens als wachsende „civic integration“ und zweitens als zunehmenden Schutz vor Diskriminierung. Gleichzeitig beschreibt er den immanenten Widerspruch dieser zwei Politikstrategien wie folgt: „The group-recognizing tilt of antidiscrimination stands against the individual-centred, de facto assimilatory thrust of civic integration.“ (Joppke 2006: 38). Als dritten europaweiten Trend in der Eingliederung von Migranten benennt er „inclusive citizenship laws“ (Joppke 2006: 25-44). Als Fazit seiner Diskussion europäischer Integrationspolitiken hält er fest: “A striking feature of Europe’s contemporary immigrant integration policies is the centrality of employment” (Joppke 2006: 44; Hervorhbg d.Verf.). Und weiter: […] this also displays a novel sense of “integration” in the post-national state, as “social cohesion” which is itself subordinate to the exigencies of globalization. In the European Union, for instance, the “combat” against social exclusion is not free-standing but tied to the global competition goal, formulated within the socalled “Lisbon-Strategy”, of making the Union “the most” competitive and dynamic knowledge-based economy in the world” by 2010. (Joppke 2006: 44f)
Ein Blick auf das „Handbook on Integration for Policy-Makers and Pracitioners“ der Europäischen Kommission (EK) unterstützt diese Einschätzung. Jonathan Faull, Generaldirektor des DG Justice, Freedom and Security der EK schreibt in seinem Vorwort:
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With the prospect of an ageing and declining population, more immigration into Europe is both likely and necessary in the coming years. Integration of immigrants is vital for social cohesion and economic development. (Faull 2004: 5)
Integration als ‚soziale Kohäsion’ erscheint als ökonomisch motiviert. Sie wird zum Instrument für die wirtschaftliche Entwicklung Europas. Seine Hypothese der wirtschaftlichen Motivation und Ausrichtung der Integrationspolitik formuliert Joppke auf der Grundlage der Analyse bestehender Gesetzestexte europäischer Länder (D, F, NL) und relevanter Dokumente europäischer Institutionen. Die vorliegende Untersuchung zeigt am Beispiel der Emilia-Romagna, dass eine solche Politik auf einen breiten Konsens innerhalb der Bevölkerung stößt bzw. von ihr getragen wird. Die Frage, ob zuerst Konsens in der Bevölkerung bestand oder ob die politische Strategie diesen in der Bevölkerung geschaffen hat, muss hier letztlich unbeantwortet bleiben. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit setzen jedoch die Relevanz der gesellschaftlichen Verankerung von Politikformulierern und Politikimplementeuren bei der Entwicklung und Auslegung von Gesetzestexten in ein neues Licht. Könnte sich vor diesem Hintergrund die bestehende Art der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen in Italien und der Emilia-Romagna – wenn auch defizitär – als beabsichtigt erweisen? Am untersuchten Ausschnitt sozialer Wirklichkeit zeigt sich, dass die gegenwärtige Integrationspolitik Italiens und der Emilia-Romagna mit dem gesetzlichen Ziel des Schutzes der Unterschiede sowohl Prämissen des internationalen Menschenrechts (Anti-Diskriminierung) befolgt, als auch dem Trend der fortschreitenden Europäisierung entspricht. Darüber hinaus wird der immanente Imperativ politischer Profilierung des italienischen Politikalltags erfüllt: In den Interviews der Landespolitiker manifestierte sich die Tendenz, sich auf der Basis des Migrationsthemas kommunikativ von der damals amtierenden Mitte– Rechts–Regierung in Rom abzusetzen. Gleichzeitig wird jedoch durch eine nicht-systematische Implementierung der Integrationspolitik (im Sinne des Schaffens positiver Beziehungen zwischen Italienern und Immigranten und des Schutzes der Unterschiede) die Gruppe der Zuwanderer von der Aufnahmegesellschaft getrennt und identifizierbar gehalten (exkludiert) und der gesellschaftlichen Akzeptanz der Immigranten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entsprochen. Die defizitäre Implementierung der Integrationspolitik in Italien und der Emilia–Romagna erscheint insofern nicht von „Fehlfunktionen“ geprägt, wie angenommen werden könnte. Vielmehr erweist sich die Integrationspolitik als komplexes System, bei dem die Nicht-Implementierung bzw. die nicht systematische Implementierung von integrationspolitischen Maßnahmen als sinnvolles
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Zusammenwirken von Politikformulierern und Politikimplementeuren erscheint: Es werden demnach Erfordernisse der internationalen (Menschenrechte), der europäischen (Harmonisierung) und nationalen (politisches Profil) Politik erfüllt und zusätzlich beruht die eingeschlagene Politikstrategie auf einem gesellschaftsimmanenten Konsens. Dieser besteht darin, Immigranten in besonderer Weise als „soziales“ und „kulturelles Problem“ wahrzunehmen und ihre Anwesenheit aufgrund wirtschaftlicher und demographischer Notwendigkeiten zu akzeptieren. Die defizitäre Implementierung integrationspolitischer Maßnahmen der sozio-kulturellen Integration und „interkulturellen Erziehung“ bei der gleichzeitigen Vermittlung von Grundkenntnissen der italienischen Sprache, insbesondere bei Kindern mit Migrationshintergrund, erscheint als ‚sinnhaft’ vor dem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang wirtschaftlicher und demographischer Prämissen. Doch wie ist es allgemein um die Wirksamkeit politischer Entscheidungen auf die Integration von Migranten bestellt? Der bereits zitierte Joppke bezweifelt die Relevanz politischer Strategien für die Eingliederung von Immigranten. Beruhend auf der Identifizierung von „nationalen Integrationsmodellen“ (des Multikulturalismus in den Niederlanden und der Abwesenheit eines expliziten Integrationsmodells in Deutschland) vermutet Joppke anhand des Vergleichs von Arbeitslosenzahlen zwischen den Niederlanden und Deutschland die Bedeutungslosigkeit wie auch immer gearteter Integrationspolitiken für faktische Eingliederungsresultate. Er formuliert: The Dutch integration failure raises the question whether it is causally related to the multicultural „ethnic minorities“. No conclusive evidence for either the absence or the existence of a casual link exists. The German experience, where socioeconomic integration was relatively successful despite the absence of an explicit integration policy, suggests the unimportance of integration policy, of whatever color, for integration outcomes. (Joppke 2006: 28)
Wie bereits beschrieben, tätigt Joppke seine Aussagen auf der Grundlage der Analyse von Gesetzestexten. Die sich logisch stellende Frage der Implementierung bzw. der integrationspolitischen Alltagspraktiken in den Niederlanden und Deutschland wird rigoros vernachlässigt. Eine Leistung der vorliegenden Studie besteht darin, verdeutlicht zu haben, dass sich die Implementierung nicht als rein technisch-administrativer Vollzug von Gesetzestexten darstellt, sondern als Interpretationsleistung einer Vielzahl von Akteuren. Anstatt einen soliden Beweis für die geringe Auswirkung integrationspolitischer Maßnahmen auf die faktische Eingliederungssituation von Zuwanderern zu erbringen, stellen Joppkes Ausführungen die Aussagekraft rein Formaltext vergleichender Arbeiten für die Erforschung der Migrations- und Integrationspolitik in Frage. Zur Vermei279
dung derartiger Erkenntnisunschärfen erscheint die Förderung der empirischen Politikforschung (im Migrations- und Integrationsbereich) sowie der Implementationsforschung unabdingbar. Derzeit werden an europäischen Universitäten Dissertationen verfasst, die auf einen diesbezüglichen Erkenntnisfortschritt hoffen lassen.201 Zu lange begegnete die (Migrations-)Wissenschaft Fragen der Implementierung mit nur geringer Aufmerksamkeit. So wurde auch versäumt, deren theoretische Grundlagen weiterzuentwickeln. Die in der Politikwissenschaft beheimatete Implementationsforschung, die wie beschrieben in den 1960er Jahren in den USA und den 1980er Jahren in Deutschland ihre Blütezeit erlebte, ist an rein strukturellen Merkmalen (Organisationsaufbau, Finanzmittel etc.) orientiert. Sie vernachlässigt rigoros den sozialen, aber entscheidenden Faktor „Mensch“ im Implementationsvorgang. Implementeure aber sind Teil der Gesellschaft, in der sie leben und arbeiten. Die vorliegende Untersuchung entsprang dieser Beobachtung und verdeutlichte diese Tatsache gleichermaßen. Es konnte gezeigt werden, dass sich in involvierten Akteuren und in ihren Handlungen gesellschaftliche Ambivalenzen gegenüber dem Migrationsphänomen widerspiegeln, die es insbesondere für das Politikfeld der Integration zu berücksichtigen gilt. Gleichsam vollzog sich die Erweiterung der politikwissenschaftlichen Untersuchung zur ‚akteursorientierten Implementationsanalyse’ zu Lasten des Zeitmanagements und eines begrenzten Volumens: Die Art und Weise, wie involvierte Akteure auf das Migrationsphänomen alltagspraktisch reagieren, dokumentiert sich letztlich nur in der kommunikativen Behandlung des Themas, das eine aufwendige Rekonstruktion bestehender Orientierungsrahmen auf der Basis eines systematischen Vergleichs erfordert. Nichtsdestotrotz erscheinen die Verdienste der ‚akteursorientierten Implementationsanalyse’ in der Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung und Definition der Zuwanderungssituation prinzipiell verschiedener Akteursgruppen als signifikant: Konnten einerseits die Besonderheiten der einzelnen sozialen Realitäten sowie das individuelle Moment in der Umsetzung integrationspolitischer Maßnahmen (persönliches Engagement) verdeutlichen werden, erwiesen sich andererseits kollektive Orientierungsmuster zur Zuwanderung und Zuwanderern als verbindendes Element zwischen verschiedenen Gemeinden, institutionellen Ebenen und Sozialakteuren. Die Ratio aktueller Integration(spolitik) scheint insofern primär wirtschaftlichen und demographischen Imperativen der sozialen Gegenwart zu folgen. Inwieweit die Region 201
Diese Aussage beruht auf der Erfahrung der Verfasserin als Mitglied des europäischen Netzwerkes (IMISCOE) und ihrer Vorstandstätigkeit für die internationale Non-Profit-Organisation HERMES, einem Zusammenschluss europäischer Forscher der Migrations- und Ethnizitätsstudien, die am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere stehen.
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Emilia-Romagna als exemplarisch für Europa gelten kann, muss hier letztlich unbeantwortet bleiben und mag Ausgangpunkt zukünftiger Forschungsaktivitäten sein. Das vermehrte Interesse an implementationswissenschaftlichen Fragestellungen in der Migrationsforschung der letzten Jahre zeigt, dass sich das Bewusstsein der Vergleichbarkeit europäischer Realitäten vor diesem Hintergrund zunehmend verbreitet. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft die akteursorientierte Analyse der Umsetzung migrations- und integrationspolitischer Vorgaben weiter an Bedeutung gewinnen wird. Die vorliegende Untersuchung versteht sich als ein erster Beitrag zum fortschreitenden Erkenntnisgewinn in diesem Forschungsfeld.
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Stranieri in Italia (2004f): Cambia la legge sull’immigrazione: ecco il testo approvato ieri dalla Camera dei Deputati, http://www.stranieriinitalia.it/news/ testoddl12nov2004.htm, [Stand: 15.11.2004] Thränhardt, Dietrich (2006): Migrations- und Integrationspolitik: Vom Korporatismus zur inszenierten Verstaatlichung, (noch) unveröffentlichter Artikel, 2006 Treibel, Annette (1999): Migration in modernen Gesellschaften. Soziale Folgen von Einwanderung, Gastarbeit und Flucht, 2. Auflage, Weinheim und München: Juventa Verlag Van der Leun (2006): Excluding illegal migrants in the Netherlands: between national policies and local implementation. In: West European Politics (29) 2. 2006. 310-326 Wolff, Kurt (Hrsg.) (1964): Karl Mannheim: Wissenssoziologie, Neuwied/Berlin (Luchterhand Yanow, Dvora (1990): Tackling the implementation problem: epistemological issues in implementation research. In: Palumbo/Calista (eds) (1990): 213-229 Zincone, Giovanna (a cura di) (2001): Secondo rapporto sull’integrazione degli immigrati in Italia, Bologna: Il Mulino Zincone, Giovanna (a cura di) (2000): Primo rapporto sull’integrazione degli immigrati in Italia, Bologna: Il Mulino Zincone, Giovanna (1995): Immigration to Italy: Data and Policies. In: Heckmann et al. (1995): 137-156
296
Informationen durch persönlichen Kontakt: Caritas 2004A, Ricci, Antonio (IDOS Immigrazione Dossier Statistico) (2004): E-mail vom 04.11.2004 bzgl. Schätzung der anwesenden Zuwanderer zum 01.01.2000 von Seiten der Caritas, 2004 Derlien, Hans Ulrich (2006): E-mail vom 07.08.2006 bzgl. politikwissenschaftlicher Klassifizierung der Integrationspolitik, 2006 Dipartimento per le Riforme Istituzionali e la Devoluzione (2004): E-mail vom 29.10.2004 bzgl. Entwicklung des Fondo Nazionale per le Politiche Migratorie Facchini, Andrea (2006): Email vom 09.11.2006 bzgl. der Kategorisierung und Darstellungsgrundlage des regionalen ‘Integrationsprogramms’ ISTAT 2004a, Colotti, Roberto (Referente per la diffusione, ISTAT) (2004): Email vom 09.08.2004 bzgl. Bereinigung der Melderegister
297
Anhang
Zu Kapitel 3.3.3a Tabelle 3.3.3a-2 Vergleich Eigenanalyse zum regionalen ‚Integrationsprogramm’: Initiative 1 gegenüber sämtlichen Maßnahmen (Initiative 1, 2 und 3) Eigenanalyse (Initiative 1) Klassifikation der Maßnahmen Anteil in Prozent Lebenspraktische Betreuung 43% und Hilfe für Zuwanderer: finanzielle Unterstützung, Zugang zu Diensten und zur Unterkunft, Informationsschalter Teilnahme am öffentliche und 36,54% am Gemeinschaftsleben: Förderung der politischen Partizipation und des Vereinswesens der Zuwanderer, Verbesserung der Kontakte mit der italienischen Zivilbevölkerung Verbesserung der Beziehungen zwischen Lehrern, Schülern und ihren Eltern sowie Maßnahmen der interkulturellen Vermittlung oder generell der Eingliederung in die Schule Sprachkurse für Kinder
1
2
25%
3
19,23%
4
Rechtliche und psychologische Betreuung von Zuwanderern
18,27%
5
Sprachkurse für erwachsene Zuwanderer Beratung, Schulung und Fortbildung von Personal Kulturelle Aktivitäten zur
17,31%
6
17,31%
7
16,35%
8
298
Eigenanalyse (alle Projekte) Klassifikation der MaßnahAnteil in men Prozent Lebenspraktische Betreuung 38,18% und Hilfe für Zuwanderer: finanzielle Unterstützung, Zugang zu Diensten und zur Unterkunft, Informationsschalter Teilnahme am öffentlichen 27,88% und am Gemeinschaftsleben: Förderung der politischen Partizipation und des Vereinswesens der Zuwanderer, Verbesserung der Kontakte mit der italienischen Zivilbevölkerung Sprachkurse für Kinder 23,03%
Sprachkurse für erwachsene Zuwanderer Verbesserung der Beziehungen zwischen Lehrern, Schülern und ihren Eltern sowie Maßnahmen der interkulturellen Vermittlung oder generell der Eingliederung in die Schule Beratung, Schulung und Fortbildung von Personal Beobachtung des Migrationsphänomens Rechtliche und psychologi-
22,42% 22,42%
14,55% 12,73% 12,73%
Pflege der ethnischen Herkunft Beobachtung des onsphänomens
Migrati-
16,35%
9
Ausbildung der Zuwanderer Zur-Verfügung-Stellung von Unterkünften Verbesserung des Zusammenspiels der Zuwanderer(vereine), der öffentlichen wie privaten Akteure und ihre Unterstützung Sportliche Aktivitäten
11,54% 6,73%
10 11
6,73%
12
4,81%
13
Öffnung der Massenmedien
14
sche Betreuung von Zuwanderern Kulturelle Aktivitäten zur Pflege der ethnischen Herkunft Ausbildung der Zuwanderer Zur-Verfügung-Stellung von Unterkünften Öffnung der Massenmedien
Verbesserung des Zusammenspiels der Zuwanderer(vereine), der öffentlichen wie privaten Akteure und ihre Unterstützung Sportliche Aktivitäten
237,52% TOTAL
11,52%
10,91% 6,67% 6,06%
5,45%
3,03%
217,58%
Zu Kapitel 4.2.1a Leitfaden des Experteninterviews Filo d’intervista – Amministrazione Regionale Complesso di variabili 1: qualificazione del funzionario Complesso di variabili 2: competenze, settori di lavoro (contento e strutturazione) dell’istituzione Complesso di variabili 3: processi d’implementazione di regolamenti legislativi e strutture decisionali all’interno dell’istituzione, come azioni di routine e barriere d’effettuazione Complesso di variabili 4: regole di comportamento al di là del regolamento ufficiale, consuetudini nell’agire da esperto, le massime/i principi dell’agire all’interno dell’istituzione Il Suo percorso professionale, quanto è stato interessato dal fenomeno migratorio?
- “Carriera col riguardo al tema” del partner d’intervista: formazione, tappe professionali (enti e posizioni), esperienze fatte, nazionalità, genere (1)
Qual è la politica che Lei come Assessore/Direttore/Responsabile dell’ufficio dell’Istituzione X nell’ambito d’integrazione degli immigrati porta avanti/Lei
299
come XY che tipo di politica in materia d’integrazione degli immigrati porta avanti? - In che cosa consistono le competenze, i compiti e le attività del funzionario? (2) - Quali sono gli interventi concreti d’integrazione che entrano nel suo settore di lavoro (Quali interventi fanno parte della politica nazionale d’integrazione e quali invece della politica regionale?)? (2) - Chi sono i destinatari di tali interventi (Le attività dell’istituzione mirano a determinati gruppi di destinatari – suddivisione secondo etnie, religione, genere, stato legale: irregolari, rifugiati, forza di lavoro immigrata?)? (2) - Come è organizzato il finanziamento di tali interventi (Sono involte risorse nazionali o regionali? Secondo quali criteri è organizzata l’assegnazione dei soldi agli interventi?)? (3) - In quale maniera il fenomeno migratorio interessa la politica personale del Suo Assessorato/Direzione/Ufficio (Ci sono persone incaricate di temi interculturali? Se si, a quale livello e se no, perché no? Vengono impiegati immigrati e in che forma?)? (1,2) - Come è organizzata la valutazione degli interventi, dei loro punti forti e deboli (controlli, rendiconti)? (3) - Alla luce delle Sue esperienze quotidiane, come si spiegano i punti positivi e negativi degli interventi perseguiti (Valutazione del sistema politico e dell’amministrazione italiana)? (1,2,4)
Se tiene presente l’ultimo intervento realizzato per promuovere l’integrazione degli immigrati nel Suo settore come è stato sviluppata l’attività concreta dall’idea iniziale? - Com’è organizzata la rilevazione del fabbisogno di interventi nella sfera di competenza dell’istituzione? (3) - Quale importanza è assegnata all’evoluzione di concetti ed allo sviluppo/all’attualizzazione dell’offerta dell’istituzione? (3,4) - Che tipo di rapporto si verifica, ossia come definirebbe la cooperazione con le altre istituzioni statali (ministeri, amministrazione regionale e provinciale, comune) ed il settore privato (volontariato, cooperative sociali ed associazioni d’immigrati)? (2,3,4)
Nella Sua funzione di Assessore/Direttore/Responsabile dell’ufficio come giudica la necessità d’intervento in futuro ed il ruolo della Sua istituzione per quanto riguarda l’integrazione degli immigrati? - Quali aree d’intervento sono giudicate “superate”, quali invece considerate rilevanti per la situazione futura? (2,4) - Come pensa si evolverà la legislazione italiana per l’immigrazione e l’integrazione? (2,4)
-
Come si svilupperà il rapporto tra i soggetti dell’integrazione (Stato italiano e la società civile)? (2,4)
Zu Kapitel 4.2.1b Leitfaden für Sprachkursteilnehmer Filo d’intervista – destinatari – corso di lingua (partecipante) Come ha cominciato la sua vita qua in Italia?
300
- Formazione, professione, nazionalità, genere, durata del soggiorno in Italia/nel Comune, posizione legale
Lei frequenta il corso di italiano come seconda lingua, qual è l’aspetto che l’ha più colpita?
- aspettative (o io pensavo che…) - accesso al corso (reclutamento tramite impiegati del Comune, informazione da altri immigrati/volontariato/cooperative sociali/associazione immigrati, partecipazione obbligatoria) - reparto personale: quanti assistenti/insegnanti ogni partecipante?, qualificazione del personale, il loro comportamento, - arredamento del corso: stanza, mezzi ausiliari - stabilità del corso: realizzato costantemente? - programmazione del corso: concetto/realizzazione - valutazione dei punti deboli e forti (corso = un successo? soddisfatto del risultato?) del corso e la loro spiegazione alla luce dell’esperienza del partecipante (finanziari, organizzativi, problemi amministrativi) Attualmente frequenta altri programmi per immigrati o ha partecipato ad altri interventi? - partecipazione ad altri interventi statali (nazionali, regionali, provinciali o comunali) - Partecipazione ad interventi del volontariato, cooperative sociali e/o associazioni immigrati - tipo di rapporto/definizione della collaborazione tra le altre istituzioni statali (amministrazione regionale, provinciale e comunale) e tra e col settore privato (volontariato, cooperative sociali ed associazioni d’immigrati)?
Dove si vede (in Italia/nel Comune) tra 10, 20 anni? - Situazione personale attuale e vita futura in Italia - Vita futura dei bambini (vuole/non vuole averli; se li ha, cosa sarà di loro) - Situazione degli immigrati in Italia/nel Comune - Valutazione del comportamento degli autoctoni - Valutazione della politica italiana in materia di immigrazione ed integrazione (“nuove guerra contro gli immigrati” alla Bossi/Fini?) - Attribuita importanza e ruolo dello stato italiano e della società civile (volontariato/cooperative sociali/associazioni degli immigrati) nell’ambito dell’integrazione degli immigrati
Leitfaden für Schüler und deren Eltern Filo d’intervista – destinatari – scuola (alunno e genitore maggiormente coinvolto) Com’è cominciata la vostra vita qua in Italia?
- durata del soggiorno (Quando è arrivata lei in Italia/nel Comune? Quando è nato il bambino/la bambina) - motivo dell’immigrazione (ricongiungimento familiare, lavoro) - professione attuale, formazione, nazionalità, posizione legale
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Come va a scuola?
- materia preferita e non e perché - tipo di contatto con i compagni di classe (italiani e non) - tipo di contatto con gli insegnanti (alunno/insegnante e genitore/insegnante) - Ci sono insegnanti che si occupano specialmente di alunni con un’esperienza migratoria diretta od indiretta - Ci sono insegnanti stranieri?
Secondo le sue/vostre esperienze quotidiane cosa viene fatto nella scuola per promuovere l’integrazione degli alunni che non sono di cittadinanza italiana?
- tipo di interventi (feste interetniche, insegnamento d’italiano, informazione sui paesi d’origine, apertura dell’insegnamento – storia, geografia – alla tematica migratoria) - destinatari degli interventi (per tutti gli alunni o solo per immigrati? indirizzati a determinati gruppi? divisi in etnie, religione, genere, posizione legale: irregolari, rifugiati etc.?) - durata degli interventi (una volta, impegno permanente) - organizzazione: a) - reparto personale: quanti assistenti per quanti partecipanti?, qualificazione del personale, il loro comportamento; b) arredamento (finanziario, mezzi ausiliari); c) programmazione del corso: concetto/realizzazione - valutazione dei punti deboli e forti (attività = un successo? soddisfatto del risultato?) del corso e la loro spiegazione alla luce dell’esperienza del partecipante (finanziari, organizzativi, problemi amministrativi) - - accesso all’attività (reclutamento tramite insegnanti, informazione da altri immigrati/genitori/volontariato/cooperative sociali/associazione immigrati, partecipazione obbligatoria)
Attualmente frequentate altri programmi “interculturali” (d’inserimento) od avete partecipato ad altri interventi?
- partecipazione ad altri interventi statali (nazionali, regionali, provinciali o comunali) - partecipazione ad interventi del volontariato, cooperative sociali e/o associazioni immigrati - tipo di rapporto/definizione della collaborazione tra le altre istituzioni statali (amministrazione regionale, provinciale e comunale) e tra e col settore privato (volontariato, cooperative sociali ed associazioni d’immigrati)?
Se pensate al futuro, dove vi vedrete (in Italia/nel Comune) tra 10, 20 anni? - Situazione personale attuale e vita futura in Italia - Vita futura dei bambini (cosa sarà di loro) Situazione degli immigrati in Italia/nel Comune Valutazione del comportamento degli autoctoni Valutazione della politica italiana in materia di immigrazione ed integrazione (“nuove guerra contro gli immigrati” alla Bossi/Fini?) Attribuita importanza e ruolo dello stato italiano e della società civile (volontariato/cooperative sociali/associazioni degli immigrati) nell’ambito dell’integrazione degli immigrati
302
Zu Kapitel 5.2.2 Diskursverlauf Interview 7 RNI Berücksichtigung von SEQUENZALITÄT und INTERAKTIVITÄT Titel RNI - Stellung des Befragten Text ExpertGemeinde\Interview 7 RNI Absatz 15 Autor Standard Erstellt am 24.03.05 Codes Verein\Gründe für Entstehung
Auf Frage von I nach Integrationspolitik der Zuwandererorganisation
RNI betont, dass ihre Zuwandererorganisation gegründet wurde, da der Bedarf danach bestand. RNI sagt aus, dass in der Provinz Rimini 30.000 meist irreguläre Zuwanderer leben (Schätzung?), für die sie eine ernstzunehmende Anlaufstellen sein wollten. Titel RNI - Stellung des Befragten Text ExpertGemeinde\Interview 7 RNI Absatz 21 Autor Standard Erstellt am 24.03.05 Codes Verein\Zusammensetzung RNI betont, dass er die Zuwandererorganisation unbedingt nicht rein albanisch, sondern italienisch-albanisch machen wollte. Er sagt aus, dass es auch Italiener gebe, die ihnen helfen würden, betont aber auf Nachfrage von I, dass es v.a. Albaner seien, die sich in der Organisation engagierten. RNI sagt aus, dass das Verhältnis von Albanern und Italiener früher ausgeglichener gewesen sei, aber dass z. Zt. Albaner im Vorstand und als Mitglieder überwiegen würden. Titel RNI - Stellung des Befragten Text ExpertGemeinde\Interview 7 RNI Absatz 27 Autor Standard Erstellt am 28.03.05 Codes Integrationspolitik\Strategien\kulturelle Aktivitäten
Nachfrage I
RNI erklärt, dass sie kulturelle Aktivitäten für Zuwanderer anbieten, um ihnen das Leben in Rimini angenehm zu machen. RNI betont, dass sie den Italienern die albanische Kultur zeigen wollen (damit Ital.s Alb.s nicht nur aus der Presse kennen). In diesem Zusammenhang nennt er: Kleidung, Essen, Sprache, Lieder, Musik und zählt Aktivitäten auf, wie die Einladung eines albanischen Malers. RNI betont, dass sie die Werte des albanischen Volkes zeigen wollen. Titel RNI - Stellung des Befragten Text ExpertGemeinde\Interview 7 RNI Absatz 35 FOKUSSIERUNGSMETAPHER: Autor Standard Massenmedien in Italien erschwe-
303
Erstellt am 24.03.05 Codes Leben in Italien/Wahrnehmung Italiens RNI betont, dass sie als Zuwandererorganisation die albanische Kultur vermitteln wollen, und verleiht seiner Überzeugung Ausdruck, dass sie dadurch das Negativimage v.a. der Albaner in Italien, das durch die Presse erzeugt worden sei, abbauen wollen.
304
ren Integration v.a. der Albaner, in dem sie Ital.s negativ beeinflussen
Zu Kapitel 4.3.2.1 Tabelle 4.3.2.1 Übersicht zu den kommunalen Interviewpartnern in Luzzara Staat Staat Zivilgesellschaft (Gemeinde)
(Schule)
b
b
b
(LUG)
(LUR)
(LUZ)
b
AKTEURE
(LUL) Italienischkurs
ADRESSATEN
Schule
Schule
b
b
b
(LUIL1)
(LUIS1)
(LUAu)
b
b
(LUIL2)
(LUIS2)
(b repräsentiert sowohl männlichen wie weiblichen Genus)
305
Zu Kapitel 4.3.2.2 Tabelle 4.3.2.2 Übersicht zu den kommunalen Interviewpartnern in Rimini Staat Staat Zivilgesellschaft (Gemeinde)
(Schule)
b
b
b
(RNG)
(RNR)
(RNZ)
b
b
(RNL)
(RNI)
Schule
Schule
b
b
(RNIS1)
(RNAu)
AKTEURE
Italienischkurs
ADRESSATEN
b (RNIS2)
(b repräsentiert sowohl männlichen wie weiblichen Genus)
306