Anne Schatka Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
GABLER RESEARCH Produktion und Logistik Herausge...
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Anne Schatka Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
GABLER RESEARCH Produktion und Logistik Herausgegeben von Professor Dr. Bernhard Fleischmann, Universität Augsburg Professor Dr. Martin Grunow, Technische Universität München Professor Dr. Hans-Otto Günther, Technische Universität Berlin Professor Dr. Stefan Helber, Universität Hannover Professor Dr. Karl Inderfurth, Universität Magdeburg Professor Dr. Herbert Kopfer, Universität Bremen Professor Dr. Herbert Meyr, Technische Universität Darmstadt Professor Dr. Thomas S. Spengler, Technische Universität Braunschweig Professor Dr. Hartmut Stadtler, Universität Hamburg Professor Dr. Horst Tempelmeier, Universität Köln Professor Dr. Gerhard Wäscher, Universität Magdeburg Kontakt: Professor Dr. Hans-Otto Günther, Technische Universität Berlin, H 95, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin
Diese Reihe dient der Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse auf den Gebieten der Produktion und Logistik. Aufgenommen werden vor allem herausragende quantitativ orientierte Dissertationen und Habilitationsschriften. Die Publikationen vermitteln innovative Beiträge zur Lösung praktischer Anwendungsprobleme der Produktion und Logistik unter Einsatz quantitativer Methoden und moderner Informationstechnologie.
Anne Schatka
Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie Eine Untersuchung am Beispiel der Produktion von synthetischen Biokraftstoffen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Thomas S. Spengler
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Braunschweig, 2010
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Nicole Schweitzer Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2935-8
Geleitwort Zur Sicherung einer langfristigen Energieversorgung sowie zur Senkung damit verbundener CO2-Emissionen ist gemäß der Richtlinie 2009/28/EG der Europäischen Union bis zum Jahr 2020 eine Substitution von 10% fossiler Energieträger im Verkehrssektor zu gewährleisten. Während der derzeitige Einsatz von Biokraftstoffen der ersten Generation allerdings an technische und wirtschaftliche Grenzen stößt und auch unter dem Gesichtspunkt der Nahrungsmittelproduktion als bedenklich eingeschätzt wird, ruhen die Hoffnungen auf der zukünftigen Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Zu diesem Zweck werden derzeit umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen unternommen, um geeignete Prozess- und Anlagenkonzepte zu identifizieren und großtechnisch umzusetzen. Der damit verbundene Aufbau umfangreicher Produktionskapazitäten erfordert hohe Investitionen und dies vor dem Hintergrund vielfältiger technischer, ökonomischer und rechtlicher Unsicherheiten. Eng verbunden mit den technischen Herausforderungen sind logistische Herausforderungen, die die Gestaltung eines zugehörigen Produktions- und Distributionsnetzwerkes betreffen. Die Gestaltung solcher Netzwerke erfordert ein integratives Planungsinstrument, in dem logistische, produktionswirtschaftliche und verfahrenstechnische Aspekte bei der Gestaltung gleichermaßen berücksichtigt werden. Dieser Herausforderung stellt sich die von Frau Schatka vorgelegte Dissertation. Nach einer aussagekräftigen Einleitung werden die notwendigen Rahmenbedingungen der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe herausgearbeitet und Anforderungen an einen problemadäquaten Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung formuliert. Daran anschließend werden im Rahmen von Literaturstudien die produktionswirtschaftliche und verfahrenstechnische Modellierung von Produktionsprozessen in der Prozessindustrie sowie Modellierungsansätze zur Standortplanung und Netzwerkgestaltung unter dem Aspekt der Unsicherheit untersucht. Darauf aufbauend erfolgt die Konzeption eines Planungsansatzes zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen. Es folgt die Überführung des Konzeptes in ein konkretes quantitatives Planungsmodell. Aufbauend auf einem verfahrenstechnischen FlowsheetingModell und der anschließenden betriebswirtschaftlichen Modellierung erfolgt die Modularisierung ausgewählter komplexer Produktionsprozesse für synthetische Biokraftstoffe und deren Bewertung auf Basis detaillierter Investitions- und Kostenschätzungen. Die so gebildeten Produktionsmodule werden dann zur Formulierung eines gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodells zur integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung herangezogen. Frau Schatka gelingt es, ihren Planungsansatz in ein mehrperiodiges, nstufiges, kapazitiertes Facility-Location-Modell umzusetzen, in dem die umfangreichen Stofftransformationen in den gebildeten Produktionsmodulen explizit berücksichtigt werden. Auch ist es ihr eindrucksvoll gelungen, sowohl bestehende Unsicherheiten als auch unterschiedliche Risikoeinstellungen potenzieller Investoren im Modell zu berücksichtigen, und zwar durch dessen Überführung in einen szenariobasierten Ansatz, der mehrere Ersatzzielfunktionen umfasst und diese mittels geeigneter Entscheidungskriterien miteinander
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Geleitwort
verknüpft. Zur Validierung des Planungsmodells wendet Frau Schatka ihr Planungsinstrument im Rahmen zweier umfangreicher Fallstudien zur regionalen und überregionalen Netzwerkgestaltung in Norddeutschland sowie in Westeuropa an. Aus den hier ermittelten Ergebnissen werden konkrete Handlungsempfehlungen an potenzielle Investoren sowie umweltpolitische Entscheidungsträger abgeleitet. Frau Schatka deckt mit ihrer Dissertation eine sowohl unter theoretischen als auch praxisorientierten Gesichtspunkten äußerst anspruchsvolle Thematik ab und dies auf äußerst hohem Niveau. Die von ihr herangezogenen und eigenständig weiterentwickelten Methoden zur integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung von Produktionsnetzwerken in der Prozessindustrie sind wissenschaftlich fundiert und innovativ. Aufbau, Struktur und formale Gestaltung der Arbeit sind vorbildlich, das Literaturverzeichnis ist äußerst umfangreich und von der Auswahl und Qualität der herangezogenen Quellen her herausragend. Beeindruckend ist die gleichmäßig hohe Eindringtiefe, mit der Frau Schatka die interdisziplinäre Aufgabenstellung angeht und gekonnt anspruchsvolle Methoden der Verfahrenstechnik, der Produktionswirtschaft und Logistik sowie des Operations Research miteinander verknüpft und praxisorientiert umsetzt. Insgesamt hat Frau Schatka den Stand der Forschung zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie einen entscheidenden Schritt vorangebracht. Dem vorliegenden Buch sei daher eine weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis gewünscht.
Univ.-Prof. Dr. Thomas S. Spengler
Vorwort Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der strategischen Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie am Beispiel von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation. Sie entstand in den Jahren 2006 bis 2010 während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion, Lehrstuhl für Produktion und Logistik der Technischen Universität Braunschweig. Dabei wurde ich von vielen Seiten unterstützt, wofür ich mich im Folgenden bedanken möchte. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. rer. pol. Thomas S. Spengler, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion, für die zahlreichen konstruktiven Diskussionen sowie die fachlichen Anregungen, aber auch für die persönliche Unterstützung. Die von ihm am Institut geschaffene gute und offene Arbeitsatmosphäre sowie die Möglichkeit einer praxisnahen Forschung waren wesentlich für das Gelingen dieser Dissertation. Ebenso gebührt mein ganz herzlicher Dank Frau Prof. Dr. rer. pol. Grit Walther, Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre insb. Produktion und Logistik der Bergischen Universität Wuppertal. Die vielen fachlichen Hinweise und die Zusammenarbeit mit ihr sowie ihr persönlicher Rat bedeuten mir sehr viel und waren für das Gelingen dieser Dissertation essentiell. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. rer. pol. Dirk C. Mattfeld, Inhaber des Lehrstuhls für Decision Support, für die Übernahme des Korreferates und das der Arbeit entgegengebrachte Interesse. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. iur. habil. Prof. E. h. Edmund Brandt, Inhaber des Lehrstuhls Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften, für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission, die Schaffung einer guten Prüfungsatmosphäre sowie die wertvollen inhaltlichen Hinweise. Ein ganz herzliches Dankeschön möchte ich meinen Kollegen aussprechen, die mich sowohl fachlich als auch persönlich in den letzten Jahren begleitet haben. Ganz besonders gebührt dies meinen ehemaligen Kollegen aus der Arbeitsgruppe Nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke Jenny Steinborn, Kerstin Schmidt, Dr. Eberhard Schmid und Jörg Wansart. Durch die Zusammenarbeit mit ihnen habe ich nicht nur viel gelernt und wichtige Anregungen bekommen; sie sind mir auch gute Freunde geworden. Für die angenehme Zusammenarbeit möchte ich mich ebenfalls bei allen Kollegen aus den vergangenen fünf Jahren bedanken: Dr. Wiebke Junge, Dr. Stefan Rehkopf, Dr. Thomas Volling, Dr. Grischa Meyer, Dr. Niklas Labitzke, André Hintches, Britta Engel, Matthias Wichmann, Kai Wittek, Karsten Kickhäfer, Martin Grunewald, Claas Hoyer, Andreas Matzke, Katharina Wachter, Philipp Zeise und Birgit Haupt. Auch die Zusammenarbeit mit unseren studentischen Mitarbeitern hat an vielen Stellen entlastet und Spaß gemacht. Stellvertretend möchte ich hier Tobias Vieker, Alexander Bruns und Christian Neldner danken. Im Rahmen der von mir bearbeiteten Projekte wurden mir durch unsere Industriepartner viele interessante Einblicke in die Praxis ermöglicht. Hier waren insbesondere die Daten und Anregungen von Herrn Dr. Frank Seyfried, Leiter der Abteilung Brennstoffzelle und
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Vorwort
Kraftstoffe der Volkswagen AG, und seinem Mitarbeiter Herrn Dr. Eckart Heinl wichtig, wofür ich mich bedanken möchte. Meine Familie und meine Freunde haben durch ihre Unterstützung ebenfalls wesentlich zum Gelingen dieser Dissertation beigetragen. Meinen Freunden möchte ich für die leider wenigen aber schönen und abwechslungsreichen gemeinsamen Stunden danken, ganz besonders Michaela Otto. Meiner ganzen Familie danke ich für das umfangreiche Korrekturlesen. Meiner Schwester Imke und Clemens Gwinner möchte zudem ich für die schöne gemeinsame Zeit neben der Arbeit danken. Dies gilt auch für meinen Freund Leif Strauß, der viel Verständnis aufgebracht und mir stets den notwendigen persönlichen Rückhalt gegeben hat. Mein größter Dank gilt meinen Eltern Bärbel und Ulrich. Sie haben mir bereits früh im Leben sehr viele Perspektiven aufgezeigt, tolle Erfahrungen ermöglicht und mich so stark geprägt. Sie waren immer für mich da. Ihnen widme ich dieses Buch.
Anne Schatka
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht ........................................................................................................................ IX Inhaltsverzeichnis ..................................................................................................................... XI Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... XXI Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................ XXV Einheitenverzeichnis ......................................................................................................... XXVII Symbolverzeichnis ............................................................................................................. XXIX
1 Einleitung ............................................................................................................................. 1 2 Rahmenbedingungen der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe ................................................................................................. 7 3 Methodische Ansätze zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken in der Prozessindustrie ................................................................................................................. 69 4 Ausgestaltung des Planungsansatzes zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen .................................................................................. 121 5 Fallstudien zur Gestaltung regionaler und überregionaler Produktionsnetzwerke für synthetischen Biodiesel ...................................................... 157 6 Würdigung und Ausblick................................................................................................ 229 7 Zusammenfassung ........................................................................................................... 237
Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 241 Rechtsverzeichnis ................................................................................................................... 263 Anhang ................................................................................................................................... 265
Inhaltsverzeichnis Inhaltsübersicht ...................................................................................................................... IX Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................... XI Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis ............................................................................................................. XXI Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................................... XXV Einheitenverzeichnis .......................................................................................................XXVII Symbolverzeichnis ............................................................................................................ XXIX 1 Einleitung ............................................................................................................................. 1 1.1 Ausgangslage und Problemstellung ............................................................................... 1 1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise ................................................................................... 3 2 Rahmenbedingungen der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe ................................................................................................. 7 2.1 Biogene und fossile flüssige Kraftstoffe ........................................................................ 7 2.1.1 Synthetische Kraftstoffe auf fossiler Rohstoffbasis ............................................ 9 2.1.2 Biokraftstoffe der ersten Generation ................................................................. 10 2.1.3 Biokraftstoffe der zweiten Generation .............................................................. 12 2.1.4 Weitere Biokraftstoffe ....................................................................................... 13 2.2 Rahmenbedingungen im Kontext der Nachhaltigkeit .................................................. 14 2.2.1 Problembereiche fossile Energieträger und fossile Kraftstoffe ......................... 14 2.2.2 Potenziale und Risiken biogener Energieträger und biogener Kraftstoffe ........ 18 2.2.3 Ökonomische Rahmenbedingungen von synthetischen Biokraftstoffen ........... 21 2.2.3.1 Biomassepotenzial für synthetische Biokraftstoffe .............................. 21 2.2.3.2 Herstellkosten synthetischer Biokraftstoffe ......................................... 25 2.2.4 Ökologische Rahmenbedingungen von synthetischen Biokraftstoffen ............. 27 2.2.4.1 Zieldefinitionen bestehender Life Cycle Assessment Studien für Biokraftstoffe........................................................................................ 29 2.2.4.2 Erstellung von Sachbilanzen und Wirkungsabschätzungen für Biokraftstoffe........................................................................................ 30
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Inhaltsverzeichnis
2.2.4.3 Auswertung von Life Cycle Assessment Studien für Biokraftstoffe........................................................................................ 33 2.2.5 Soziale Rahmenbedingungen ............................................................................ 36 2.2.5.1 Soziale Wirkungen des Biomasseanbaus und der Biomassebereitstellung......................................................................... 36 2.2.5.2 Soziale Wirkungen der Produktion und Nutzung synthetischer Biokraftstoffe........................................................................................ 39 2.2.6 Wesentliche Erkenntnisse hinsichtlich der nachhaltigen Produktion von synthetischen Biokraftstoffen ............................................................................ 42 2.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen ................................................................................ 44 2.3.1 EU-Verordnung (EG) No 443/2009 .................................................................. 44 2.3.2 Biokraftstoffquotengesetz (BioKraftQuG) ........................................................ 45 2.3.3 Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung .......................................................... 47 2.3.4 Schlussfolgerungen aus den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Netzwerkgestaltung ........................................................................................... 47 2.4 Verfahrenstechnische Rahmenbedingungen ................................................................ 49 2.4.1 Biomassevorbehandlung.................................................................................... 50 2.4.2 Biomassevergasung ........................................................................................... 52 2.4.3 Gasreinigung und -konditionierung ................................................................... 54 2.4.4 Synthese ............................................................................................................. 58 2.4.5 Raffination ......................................................................................................... 61 2.4.6 Anlagenkonzepte ............................................................................................... 62 2.4.7 Wesentliche Erkenntnisse der verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen für die Netzwerkgestaltung............................................. 64 2.5 Anforderungen an einen Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe ...................................................................... 65 3 Methodische Ansätze zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken in der Prozessindustrie ................................................................................................................. 69 3.1 Modellierung der Produktionsprozesse ........................................................................ 70 3.1.1 Verfahrenstechnische Modellierung der Produktionsprozesse.......................... 70 3.1.1.1 Modellierung auf Grundlage empirischer Daten .................................. 70 3.1.1.2 Flowsheeting Simulation ...................................................................... 72 3.1.2 Betriebswirtschaftliche Modellierung verfahrenstechnischer Prozesse ............ 74 3.1.2.1 Betriebswirtschaftliche Input-Output Modelle..................................... 75
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.1.2.2 Aktivitätsanalytische Stoffstrommodellierung ..................................... 79 3.1.3 Verzahnung verfahrenstechnischer und betriebswirtschaftlicher Produktionsmodelle ........................................................................................... 81 3.1.4 Bewertung des Einsatzes von verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Produktionsmodellen im Rahmen der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe ......................................... 82 3.2 Standortplanung ........................................................................................................... 83 3.2.1 Standortplanungsmodelle .................................................................................. 84 3.2.2 Standortvorauswahl ........................................................................................... 85 3.2.3 Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe ............................................................................... 90 3.2.3.1 Beschreibung der Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von (synthetischen) Biokraftstoffen ............................ 90 3.2.3.2 Zusammenfassende Bewertung der Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von (synthetischen) Biokraftstoffen...................................................................................... 93 3.2.3.3 Modellierungsoptionen zur Erreichung der beschriebenen Anforderungen...................................................................................... 95 3.2.3.4 Lösungsverfahren ................................................................................. 99 3.2.4 Wesentliche Erkenntnisse für die Technologie- , Kapazitäts- und Standortplanung im Rahmen der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe ................................................................................................... 101 3.3 Netzwerkgestaltung unter Unsicherheit ..................................................................... 102 3.3.1 Indirekte Berücksichtigung von Unsicherheiten ............................................. 103 3.3.2 Direkte Berücksichtigung von Unsicherheiten ................................................ 105 3.3.2.1 Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern im Rahmen der strategischen Planung ......................................................................... 107 3.3.2.2 Berücksichtigung der Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern in Ersatzzielfunktionen ................................... 109 3.3.2.3 Berücksichtigung von Unsicherheiten und Risiken in den Nebenbedingungen ............................................................................. 112 3.3.3 Szenariotechnik ............................................................................................... 113 3.3.4 Rollierende Planung ........................................................................................ 114 3.3.5 Schlussfolgerungen für die Berücksichtigung von Unsicherheiten in der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe ....................................... 116
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Inhaltsverzeichnis
3.4 Konzeption des Planungsansatzes zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen ............................................................................. 117 4 Ausgestaltung des Planungsansatzes zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen .................................................................................. 121 4.1 Verfahrenstechnische Modellierung am Beispiel der Vergasung von Biomasse ...... 121 4.1.1 Modellbeschreibung ........................................................................................ 121 4.1.2 Simulationsergebnisse ..................................................................................... 125 4.2 Betriebswirtschaftliche Modellierung und Bewertung der Produktionsprozesse für die Netzwerkgestaltung ........................................................................................ 128 4.2.1 Modularisierung der Produktionsprozesse ...................................................... 128 4.2.2 Investitionen der Produktionstechnologien ..................................................... 131 4.2.2.1 Schätzungen von Investitionen der Hauptkomponenten .................... 133 4.2.2.2 Zuschlagsfaktoren zur Bestimmung der Gesamtinvestition............... 135 4.2.3 Modellierung der betriebsbedingten Zahlungen .............................................. 137 4.2.3.1 Fixe betriebsbedingte Zahlungen ....................................................... 137 4.2.3.2 Kapazitätsauslastungsabhängige Zahlungen ...................................... 138 4.3 Modell zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung ..................................... 140 4.3.1 Nebenbedingungen .......................................................................................... 142 4.3.1.1 Kapazitätsrestriktionen ....................................................................... 142 4.3.1.2 Massenbilanzen .................................................................................. 143 4.3.1.3 Variablendeklaration .......................................................................... 144 4.3.2 Zielfunktion ..................................................................................................... 145 4.4 Szenariobasierte Erweiterung des Planungsmodells .................................................. 147 4.4.1 Nebenbedingungen der szenariobasierten Erweiterung .................................. 148 4.4.2 Zielfunktionen der szenariobasierten Erweiterung .......................................... 150 4.5 Komplexität des Planungsansatzes............................................................................. 153 5 Fallstudien zur Gestaltung regionaler und überregionaler Produktionsnetzwerke für synthetischen Biodiesel ...................................................... 157 5.1 Fallstudiendesign ........................................................................................................ 158 5.2 Entscheidungsrelevante Daten der Produktionsprozesse ........................................... 159 5.2.1 Produktionsprozesse ........................................................................................ 159 5.2.2 Investitionen der Produktionstechnologien und fixe betriebsbedingte Zahlungen ........................................................................................................ 161
Inhaltsverzeichnis
XV
5.2.3 Kapazitätsauslastungsabhängige Zahlungen der Produktionsprozesse ........... 162 5.3 Regionale Fallstudie für Norddeutschland ................................................................. 163 5.3.1 Datenermittlung ............................................................................................... 164 5.3.1.1 Biomassebereitstellung....................................................................... 165 5.3.1.2 Transport ............................................................................................ 169 5.3.1.3 Nachfrage nach synthetischem Biodiesel ........................................... 170 5.3.2 Szenarienerstellung.......................................................................................... 174 5.3.2.1 Ausprägungen der alternativen Deskriptoren ..................................... 174 5.3.2.2 Szenarien ............................................................................................ 177 5.3.3 Modellanpassungen und Preprocessing ........................................................... 178 5.3.3.1 Anpassungen des Planungsmodells .................................................... 178 5.3.3.2 Preprocessing...................................................................................... 184 5.3.3.3 Implementierung und Lösung des Planungsansatzes ......................... 185 5.3.4 Ergebnisse........................................................................................................ 186 5.4 Überregionale Fallstudie für Westeuropa .................................................................. 192 5.4.1 Datenermittlung ............................................................................................... 196 5.4.1.1 Biomassebereitstellung....................................................................... 196 5.4.1.2 Investitionen der Produktionstechnologien an bestehenden Raffineriestandorten ........................................................................... 204 5.4.1.3 Transport ............................................................................................ 205 5.4.1.4 Nachfrage nach synthetischem Biodiesel ........................................... 206 5.4.2 Szenarienerstellung.......................................................................................... 206 5.4.2.1 Ausprägungen alternativer Deskriptoren............................................ 206 5.4.2.2 Szenarien ............................................................................................ 208 5.4.3 Anpassungen des Planungsmodells ................................................................. 208 5.4.4 Implementierung und Lösung des Planungsansatzes ...................................... 213 5.4.5 Ergebnisse........................................................................................................ 213 5.5 Handlungsempfehlungen ............................................................................................ 221 5.5.1 Handlungsempfehlungen an potenzielle Investoren ........................................ 222 5.5.2 Handlungsempfehlungen an umweltpolitische Entscheidungsträger .............. 225 6 Würdigung und Ausblick................................................................................................ 229 6.1 Würdigung des entwickelten Planungsansatzes ......................................................... 229
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Inhaltsverzeichnis
6.2 Würdigung der Erkenntnisse und weiterer Anwendungsmöglichkeiten für industrielle Entscheidungsträger ................................................................................ 232 6.3 Würdigung der Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger .............................. 233 6.4 Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf ................................................................... 234 7 Zusammenfassung ........................................................................................................... 237 Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 241 Rechtsverzeichnis ................................................................................................................. 263 Anhang .................................................................................................................................. 265
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1: Vorgehen und Zielsetzungen der Arbeit ........................................................ 5 Abbildung 2.1: Klassifikationsschema für Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe (in Anlehnung an [DRÜKE 2008]) .................................................................. 9 Abbildung 2.2: Weltenergiebedarf unterschieden nach Primärenergieträgern (Daten: [IEA 2008a]) ................................................................................................ 15 Abbildung 2.3: Historische Daten zu CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre und CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger [RYAN/ TURTON 2007], S.3....................................................................................... 16 Abbildung 2.4: Verschiedene Szenarien zur zukünftigen durchschnittlichen Temperaturentwicklung bezogen auf das Jahr 1990 [RYAN/ TURTON 2007], S. 3, Datengrundlage: [HOUGHTON ET AL. 2001] ............................. 17 Abbildung 2.5: Zusammensetzung des Kraftstoffabsatzes im Jahr 2003 [RYAN/ TURTON 2007], [IEA 2003a], [IEA 2003b] ................................................. 18 Abbildung 2.6: Prognose des Biomassepotenzials für das Jahr 2050 [IEA BIOENERGY 2009], [DORNBURG ET AL. 2008] ................................................................. 19 Abbildung 2.7: Szenarien zum Biomasseaufkommen in Deutschland im Jahr 2020 (Datenquelle: [RENEW D 5.1.1 2004]) ......................................................... 24 Abbildung 2.8: Zusammensetzung der Herstellkosten von synthetischem Biodiesel nach [HAMELINCK ET AL. 2004] ................................................................... 26 Abbildung 2.9: Schematische Darstellung des Lebenswegs von synthetischen Biokraftstoffen ............................................................................................. 27 Abbildung 2.10: Treibhausgasemissionen verschiedener Kraftstoffe im Vergleich (Datenquelle: [CHERUBINI ET AL. 2009], S. 442) ......................................... 34 Abbildung 2.11: Veränderungen der Wirkungspotenziale bei Veränderungen des Rohstofftransportwegs (Datengrundlage: [BAITZ ET AL. 2004]).................. 35 Abbildung 2.12: Prognosen zum weltweiten technischen Biomassepotenzial im Jahr 2050 ([IEA BIOENERGY 2009], S. 19) .......................................................... 37 Abbildung 2.13: Beschäftigungswirkungen der Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen in verschieden Branchen in Europa für das Jahr 2020 (Daten: [NEUWAHL ET AL. 2008]) ................................................................ 41
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.14: Grundsätzlicher Ablauf von Verfahren zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe ............................................................................................... 50 Abbildung 2.15: Klassifizierung von Vergasungsverfahren nach [VOGEL ET AL. 2006] ........ 53 Abbildung 2.16: Bildung von Kohlenwasserstoffketten an einer Katalysatoroberfläche ....... 58 Abbildung 2.17: Anderson-Schulz-Flory-Verteilung [SCHLEEF 1999] .................................. 60 Abbildung 2.18: Methanol Raffination am Beispiel des MtSynfuel-Prozesses [HÖHLEIN ET AL. 2003] ................................................................................................. 62 Abbildung 2.19: Schematische Darstellung der Anforderungen an einen Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe ............................................................................................... 68 Abbildung 3.1: Grundsätzlicher Aufbau von sequentiell modularen Flowsheeting Programmen [LOHE/ FUTTERER 1995] ......................................................... 74 Abbildung 3.2: Darstellung eines vernetzten Produktionssystems am Beispiel eines zweitstufigen Verfahrens zur Biomassevergasung und einer Gasaufbereitung (vereinfacht) ..................................................................... 75 Abbildung 3.3: Überblick über wichtige Klassen von Transformationsfunktionen [SPENGLER 1994] ......................................................................................... 77 Abbildung 3.4: Aktivitäten des zweistufigen Verfahrens zur Biomassevergasung und der Gasaufbereitung (vereinfacht) ............................................................... 80 Abbildung 3.5: Schematische Darstellung der Modellierung der Produktionsprozesse im Rahmen einer Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe ....... 83 Abbildung 3.6: Allgemeine betriebliche Standortfaktoren in Anlehnung an [JUNG 2006] ............................................................................................................ 86 Abbildung 3.7: Revolvierende Planung zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe (in Anlehnung an [SCHOLL ET AL. 2004]) ...... 115 Abbildung 3.8: Konzept zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe ............................................................................................. 119 Abbildung 4.1: Entwickeltes Aspen Plus Modell zur Biomassevergasung [SCHULZE 2008], S. 54 ................................................................................................ 123 Abbildung 4.2: Stoffmengenanteile des Produktstroms in Abhängigkeit der Reaktortemperatur [SCHULZE 2008] .......................................................... 126
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abbildung 4.3: Stoffmengenanteile von CO und H2 in Abhängigkeit der Inputmassenströme [SCHULZE 2008] ......................................................... 127 Abbildung 4.4: Stoffmengenanteile von CO und H2 in Abhängigkeit des Wasserdampf- und Sauerstoff-Massenstroms (vgl. [SCHULZE 2008]) ...... 128 Abbildung 4.5: Modularisierung der Produktionsprozesse................................................. 129 Abbildung 4.6: Genauigkeit der Ergebnisse verschiedener Gruppen von Verfahren zur Investitionsschätzung (in Anlehnung an [PETERS/ TIMMERHAUS 1991], S. 161) ........................................................................................................ 132 Abbildung 4.7: Netzwerkmodellierung............................................................................... 142 Abbildung 5.1: Produktionsprozesse nach Choren und nach dem Forschungszentrum Karlsruhe .................................................................................................... 160 Abbildung 5.2: Regionales Netzwerk zur Herstellung von synthetischem Biodiesel............ 164 Abbildung 5.3: Strohaufkommen im Jahr 2020 für unterschiedliche Szenarien (Datengrundlage: [RENEW D 5.1.3 2004]) ................................................. 169 Abbildung 5.4: Prognose der Dieselnachfrage in Deutschland (Berechnungen auf Datengrundlage von [MWV 2009]) ........................................................... 171 Abbildung 5.5: Bevölkerungsentwicklung in Niedersachen, Bremen und Hamburg (Daten: [Statistisches Bundesamt 2007]) ................................................... 171 Abbildung 5.6: Jährliche Dieselnachfrage pro Einwohner in Deutschland (Berechnungen auf Datengrundlage von [STATISTISCHES BUNDESAMT 2006], [MINERALÖLWIRTSCHAFTVERBAND 2006]) .................................... 172 Abbildung 5.7: Nachfrage nach synthetischem Biodiesel für einen Anteil des synthetischen Biodiesels von 4,4 % am Gesamtdieselabsatz im Jahr 2020............................................................................................................ 173 Abbildung 5.8: Prognose der Dieselpreisentwicklung (Daten: [STATISTISCHES BUNDESAMT 2009a] sowie eigene lineare Fortschreibung) ....................... 173 Abbildung 5.9: Als Deskriptoren berücksichtigte Anteile von synthetischem Biodiesel an der Gesamtdieselnachfrage ................................................................... 177 Abbildung 5.10: Standortvorauswahl in der Region Niedersachsen .................................... 185 Abbildung 5.11: Resultierende Netzwerkkonfigurationen der einzelnen Szenarien ........... 187
XX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 5.12: Anteilige Zusammensetzung der diskontierten Auszahlungen und Investitionen für einen Planungszeitraum von 20 Jahren .......................... 188 Abbildung 5.13: Summe der diskontierten Zahlungen in den einzelnen Perioden für die verschiedenen Szenarien ............................................................................ 189 Abbildung 5.14: Diskontierte Einzahlungen und diskontierte Strafzahlungen im Szenario „Basis“ ........................................................................................ 189 Abbildung 5.15: Netzwerkkonfigurationen der szenarienübergreifenden Untersuchung.... 190 Abbildung 5.16: Schematische Darstellung des überregionalen Planungsproblems ............ 194 Abbildung 5.17: Verteilung der Raffinerien und Raffineriekapazitäten in Westeuropa (Datenquellen: [A BARREL FUEL 2009], [MWV 2009], [CALTEX 2009]) ......................................................................................................... 195 Abbildung 5.18: Energiepflanzenpotenziale im Jahr 2020 für Deutschland und Frankreich (Daten: [RENEW D 5.1.7 2004]) ............................................... 197 Abbildung 5.19: Energiepflanzenpotenziale im Jahr 2020 für Belgien, Luxemburg und die Niederlande (Daten: [RENEW D 5.1.7 2004]) ....................................... 198 Abbildung 5.20: Strohpotenziale im Jahr 2020 für Deutschland und Frankreich................. 199 Abbildung 5.21: Strohpotenziale im Jahr 2020 für Belgien, Luxemburg und die Niederlande ................................................................................................ 200 Abbildung 5.22: Transportzahlungen für Biomassen in Abhängigkeit des regional verfügbaren Biomassepotenzials ............................................................... 201 Abbildung 5.23: Zahlungsfunktion für den Transport von flüssigen Kraftstoffen (Daten: [SUURS 2002]) ............................................................................... 206 Abbildung 5.24: Netzwerkkonfigurationen der einzelnen Szenarien in Westeuropa .......... 215 Abbildung 5.25: Anteilige Zusammensetzung der Summe der diskontierten Zahlungen in den einzelnen Szenarien......................................................................... 218 Abbildung 5.26: Anteilige Zusammensetzung der Zahlungen für Biomasse in den einzelnen Szenarien ................................................................................... 219 Abbildung 5.27: Netzwerkkonfigurationen der szenarienübergreifenden Untersuchungen für Westeuropa................................................................ 220
Tabellenverzeichnis Tabelle 2.1: Ergebnisse verschiedener Studien zu den kurz- und langfristigen Herstellkosten von synthetischem Biodiesel .................................................... 25 Tabelle 2.2: Beschäftigungswirkungen der verstärken Nutzung von Bioenergie in Deutschland (Daten: [MEYER ET AL. 2007]) ..................................................... 42 Tabelle 2.3: Entwicklung der Prozentsätze zur Bestimmung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen........................................................................... 44 Tabelle 2.4: Änderungen der minimal geforderten Biokraftstoffquoten in Deutschland ..... 46 Tabelle 2.5: Orientierungswerte für die geforderte Synthesegasqualität (in Anlehnung an [LEIBLE ET AL. 2007], [KALTSCHMITT/ HARTMANN 2001]) ......................... 54 Tabelle 2.6: Abscheidungsverfahren von Verunreinigungen aus vergaster Biomasse nach [VOGEL ET AL. 2006] ................................................................................ 56 Tabelle 2.7: Ausgestaltungsformen verschiedener Prozesse zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe .............................................................................. 64 Tabelle 3.1: Standortfaktoren für Anlagenkonzepte zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe (in Anlehnung an [DRÜKE 2008]) ............................................. 89 Tabelle 3.2: Eigenschaften von bestehenden Modellen zur Netzwerkgestaltung für (synthetische) Biokraftstoffe ............................................................................ 95 Tabelle 4.1: Chemische Komponenten des Modells .......................................................... 122 Tabelle 4.2: Masseanteile der Biomasse (getrocknetes Ahornhackgut) nach [DOE 1998] 122 Tabelle 4.3: Zusammensetzung des Produktgasstroms ...................................................... 124 Tabelle 4.4: Bestandteile und Zusammensetzung des Chemical Engineering Plant Cost Index (vgl. [PETERS/ TIMMERHAUS 1991]) ............................................. 134 Tabelle 4.5: Zuschlagsfaktoren zur Ermittlung der Investitionen der Produktionsmodule in [%] (in Anlehnung an [PETERS ET AL. 2002] sowie [BEIERMANN 2009]) ........................................................................................ 136 Tabelle 4.6: Schätzungen von Zahlungen für die Instandhaltung [PETERS ET AL. 2002], S. 268 138 Tabelle 4.7: Schätzungen der betriebsbedingten fixen Zahlungen für Produktionsanlagen zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe ................. 138
XXII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4.8: Zielfunktionen ................................................................................................ 152 Tabelle 5.1: Module der Produktionstechnologien ............................................................. 161 Tabelle 5.2: Schätzung der Investitionen der Einzelaggregate (Berechnungen auf Datengrundlage von [BEIERMANN 2009]) ...................................................... 161 Tabelle 5.3 : Schätzung des Anlagekapitals, der Gesamtinvestition und der jährlichen fixen betriebsbedingten Zahlungen ................................................................ 162 Tabelle 5.4: Kapazitätsauslastungsabhängige Zahlungen .................................................. 162 Tabelle 5.5: Transformationskoeffizienten in [Mg/Mg] ..................................................... 163 Tabelle 5.6: Flächennutzung in Niedersachsen, Bremen und Hamburg in [km2] (Daten: [STATISTISCHES BUNDESAMT 2009b]) ............................................... 165 Tabelle 5.7: Erträge bzw. Ertragsfaktoren für Biomassen (Berechnungen auf Datengrundlage von [RENEW D 5.1.7 2004], [RENEW D 5.1.3 2004]) ........... 168 Tabelle 5.8: Zahlungen für die Bereitstellung von Biomassen an Sammelstellen in [€/MgTM] (Berechnungen auf Datengrundlage von [RENEW D 5.1.1 2004]) 169 Tabelle 5.9: Zahlungsfunktionen für den Transport von Stoffen in [€/Mg] (Berechnungen auf Datengrundlage von [SUURS 2002]) ............................... 170 Tabelle 5.10: Zuschlagsfaktoren zur Ermittlung der Gesamtinvestition der Produktionsmodule, die im Vergleich zu Tabelle 4.5 gesenkt werden, in [%] 176 Tabelle 5.11: Parameterausprägungen in den untersuchten Szenarien ................................. 178 Tabelle 5.12: Modulbezeichnung in der regionalen Fallstudie ............................................ 179 Tabelle 5.13: Zahlungen für die Bereitstellung unterschiedlicher Biomassearten im Jahr 2020 im Falle eines ökologischen Biomasseanbaus in [€/GJ] (Datengrundlage: [MÜLLER-LANGER ET AL. 2007]) ....................................... 203 Tabelle 5.14: Zuschläge für Biomassezahlungen in Abhängigkeit des Anlagenkonzepts und der Anlagenkapazität für den Fall eines ökologischen Biomasseanbaus in [€/GJ] .............................................................................. 204 Tabelle 5.15: Zuschläge für Biomassezahlungen in Abhängigkeit des Anlagenkonzepts und der Anlagenkapazität für den Fall eines Biomasseanbaus, der auf hohe Flächenausbeuten abzielt, in [€/GJ] ....................................................... 204
Tabellenverzeichnis
XXIII
Tabelle 5.16: Zuschlagsfaktoren zur Ermittlung der Investition der Produktionsmodule bei Ansiedlung an einem bestehenden Produktionsstandort in [%] ............... 205 Tabelle 5.17: Transportzahlungen für flüssigen Kraftstoff nach [SUURS 2002] .................. 205 Tabelle 5.18: Energetische Mindestanteile von Biodiesel in Westeuropa für das Jahr 2010 (Daten: [UFOP 2009]) ............................................................................. 207 Tabelle 5.19: Szenarien ........................................................................................................ 208 Tabelle 5.20: Standort- und Anlagenauswahl ....................................................................... 216 Tabelle 5.21: Netzwerkkonfigurationen der szenarienübergreifenden Analyse in Westeuropa ..................................................................................................... 221
Abkürzungsverzeichnis Bä
Benzinäquivalent
BtL
Biomass-to-Liquid
CtL
Coal-to-Liquid
DME
Dimethylether
EPF
Engineering Production Function
FME
Tierfettmethylester
FZK
Forschungszentrum Karlsruhe
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GtL
Gas-to-Liquid
IEA
International Energy Agency
JME
Jatrophaölmethylester
LCA
Life Cycle Assessment
MTBE
tert-Butylmethylether
PME
Palmölmethylester
RME
Rapsölmethylester
SME
Sonnenblumenölmethylester
THG
Treibhausgas
TU
Technische Universität
UCG
Underground Coal Gasification
ǻH
Reaktionsentalphie
Atome und Moleküle C
Kohlenstoff
C10H20
Decen
C2H4
Ethen
C2H4O2
Essigsäure
C2H6O
Ethanol
C5H10
Zyklopetan
C6H6
Benzen
CH2
Kohlenwasserstoff
CH4
Methan
CnH2n
Olefine
CnH2n+1OH
Alkohole
CnH2n+2
Paraffine
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
CO
Kohlenstoffmonoxid
CO2
Kohlenstoffdioxid
COS
Kohlennoxisulfid
H
Wasserstoff
H2O
Wasser
H2S
Schwefelwasserstoff
HCl
Salzsäure
HCN
Cyanwasserstoff
N2
Stickstoff
N2O
Stickstoffmonoxid
NH3
Ammoniak
O
Sauerstoff
S
Schwefel
Einheitenverzeichnis $
Dollar
Währungseinheit
°C
Grad Celsius
Temperatureinheit
€
Euro
Währungseinheit
a
Jahr
Zeiteinheit
b
Barrel
Volumeneinheit
bar
Bar
Druckeinheit
d
Tag
Zeiteinheit
g
Gramm
Masseneinheit
J
Joule
Energieeinheit
l
Liter
Volumeneinheit
m
Meter
Längeneinheit
m3
Kubikmeter
Volumeneinheit
mol
Mol
Stoffmengeneinheit
N
Newton
Krafteinheit
oe
oil equivalent
Energieeinheit
ppm
Parts per million
Anteil
s
Sekunde
Zeiteinheit
t
Tonnen (entspricht Mg)
Masseneinheit
W
Watt
Leistungseinheit
Wth
Wattthermisch (thermische Leistung)
Leistungseinheit
Größenordnungen μ
Mikro
(10-6)
m
Milli
(10-3)
k
Kilo
(103)
M
Mega
(106)
G
Giga
(109)
T
Tera
(1012)
P
Peta
(1015)
E
Exa
(1018)
Symbolverzeichnis Indexmengen ܣ
Indexmenge der Szenarien; ܽ ܣ א
ܤ
Indexmenge der Biomassen; ܾ ܤ א
ܨ
Indexmenge der Anlagen; ݂ ܨ א
ܬ
Indexmenge aller Stoffe im Netzwerk; ܾǡ ݆ǡ ܿ ܬ א, ܬൌ ܬ௧ ܬ ௨
ܬ
௨
Indexmenge der produzierten synthetischen Kraftstoffe; ܿ ܬ א௨ ; ܬ௨ ܬ ك
ܬ௧
Indexmenge aller (Input-)Stoffe, die weiterverarbeitet werden; ܾǡ ݆ ܬ א௧ ; ܬ௧ ܬ ك
ܭ
Indexmenge der Kapazitätsklassen; ݇ ܭ א
ܯ
Indexmenge der Module; in Kapitel vier: ݉ǡ ǡ ݄ ;ܯ א ௦௨௬
௦௦ in Kapitel fünf: ݉ǡ ݃ ܯ א, ܯൌ ܯ ܯ
௦௨௬
, ܯൌ ܯ௨௧
ௗ௦ ܯ ௨ ௧
ܯ
Indexmenge der Module, die Inputstoff b verarbeiten können; ݉ǡ ݄ ܯ א, ܯ ܯ ك
௦௦ ܯ
௦௦ Indexmenge der Module, die Biomasse verarbeiten; ݉ ܯ א
௦௨௬
௦௨௬
ܯ
Indexmenge der Module, die Slurry verarbeiten; ݉ ܯ א
ௗ௦ ܯ௨௧
ௗ௦ Indexmenge der Module, die synthetischen Biodiesel produzieren;݉ ܯ א௨௧
௦௨௬
௦௨௬
ܯ௨௧
Pyrolysemodul, das Slurry produziert; ݃ ܯ א௨௧
ܲ
Indexmenge der potenziellen Produktionsstandorte; in Kapitel vier: ǡ ݊ǡ ܲ א in Kapitel fünf: ǡ ݊ ܲ א
ܳ
Indexmenge der Quellen; ܳ א ݍ
ܴ
Indexmenge von Raffineriestandorten; ݎǡ ܴ א כ ݎ
ܵ
Indexmenge der Senken; ܵ א ݏ
ܶ
Indexmenge der Perioden; ܶ א ݐ
ܷ
Indexmenge der Regionen; ܷ א ݑ
Variablen und Parameter ݉݅ܤ௧
verfügbare Masse der Biomasse b an Quelle q in Periode t
݉݅ܤ௨௧
in der Region u verfügbare Masse der Biomasse b in Periode t
௧௪ ܥ௧
Summe der Zahlungen für den Stofffluss in Periode t
௦௦ ܥ௧
Summe der prozessbedingten Zahlungen in Periode t
XXX
Symbolverzeichnis
ܿ ௗǡௗ௦ fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel ܿ
ௗǡ௦௨௬
fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit Slurry
ܿ ௗ
fixe Zahlungen für den Bahntransport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel
ܿௗǡ௦௦
fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit der Biomasse b
ܿௗ
fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit des Stoffs b
ܿ௧௦ǡ௦௦
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit der Biomasse b
ܿ௧௦
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit des Stoffs b
ܿ
௧௦ǡ௦௨௬
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit Slurry
ܿ
௧௦ǡௗ௦
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel
ܿ ௧௦
distanzabhängige Zahlungen für den Bahntransport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel
݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧
Nachfrage nach synthetischem Biokraftstoff c in Senke s in Periode t
݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧
Nachfrage nach synthetischem Biokraftstoff c in Senke s in Periode t und im Szenario a
݀݊ܽ݉݁ܦ כ௧
ȗ
݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧
Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in den Senken s in Periode t
݀
Distanz zwischen Produktionsstandort n und Produktionsstandort o
݀
Distanz zwischen Produktionsstandort n und Produktionsstandort p
݀௦
Distanz zwischen Produktionsstandort p und Senke s
݀
Distanz zwischen Quelle q und Produktionsstandort p
݀ כ
Distanz zwischen Raffineriestandort r und Raffineriestandort r*
݁௧
Einzahlungen infolge des Verkaufs einer Masseneinheit des synthetischen Biokraftstoffs c in Periode t
݁௧
Einzahlungen infolge des Verkaufs einer Masseneinheit des synthetischen Biokraftstoffs c in Periode t und im Szenario a
݁௧
Einzahlungen durch den Verkauf einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel in Periode t
ݔ݅ܨ
betriebsbedingte fixe Zahlungen für Anlage f
ݔ݅ܨ
fixe prozessbedingte Zahlungen für Modul m
Symbolverzeichnis
ݔ݅ܨ
betriebsbedingte fixe Zahlungen für Modul m der Kapazitätsklasse k
ݔ݅ܨ
betriebsbedingte fixe Zahlungen für Modul m der Kapazitätsklasse k im Szenario a
ݔ݁݀݊ܫ௧௨
Preisindex für einen Apparat oder eine Maschine zu einem aktuellen Zeitpunkt
ݔ݁݀݊ܫோ௭
Preisindex für eine Referenzkomponente zu einem Referenzzeitpunkt
ݐݏ݁ݒ݊ܫȀெ
Investition für einen Apparat oder eine Maschine in [Geldeinheit]
ݐݏ݁ݒ݊ܫ௧௨
Investition für einen Apparat oder eine Maschine zu einem aktuellen Zeitpunkt in [Geldeinheit]
ݐݏ݁ݒ݊ܫோ௭ Investition für eine Referenzkomponente in [Geldeinheit] ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investition für Anlage f
ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investitionen für Modul m
ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investition für Modul m der Kapazitätsklasse k
ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investition für Modul m der Kapazitätsklasse k im Szenario a
ܫ௧
Summe der Investitionen in Periode t
݅
Kalkulationszinsfuß
ܽܭȀெ
Kapazität eines Apparats oder einer Maschine in [Energie/Zeit] oder [Masse/Zeit]
ܽܭோ௭
Kapazität des Referenzaggregats in [Energie/Zeit] oder [Masse/Zeit]
ݐܽܯ௧
verfügbare Masse des Stoffs b in Quelle q und in Periode t
ݐܽܯ௧
verfügbare Masse des Stoffs b in Quelle q in Periode t und im Szenario a
݉ܽܽܿݔ
maximale Aufnahmekapazität von Anlage f
݉ܽܽܿݔ
maximale Aufnahmekapazität von Modul m
݉ܽܽܿݔ
maximale Aufnahmekapazität des Moduls m der Kapazitätsklasse k
ܸܰܲ
Kapitalwert im Szenario a
ܸܰܲ
Anspruchsniveau im Hinblick auf einen zu erzielenden Kapitalwert
ܲܿݎ
Zahlungen für die Transformation einer Kapazitätseinheit von einem Inputstoff b in Modul m der Kapazitätsklasse k
ܲܿݎ
betriebsbedingte Zahlungen für die Transformation einer Kapazitätseinheit Biomasse in Anlage f
ܲܿݎ
Zahlungen für die Transformation einer Kapazitätseinheit von Inputstoff (Biomasse oder Slurry) in Modul m
Eintrittswahrscheinlichkeit von Szenario a, die von Experten subjektiv festgelegt wird
XXXI
XXXII
Symbolverzeichnis
௧
Zahlungen für den Kauf einer Masseneinheit des Stoffs b an Quelle q in Periode t
௧
Zahlungen für den Kauf einer Masseneinheit des Stoffs b an Quelle q in Periode t und im Szenario a
௧
Zahlungen für eine Masseneinheit der Biomasse b in Periode t
௧
Strafzahlungen für den Zukauf einer Masseneinheit des synthetischen Biokraftstoffs c in Periode t
௧
Strafzahlungen für den Zukauf einer Masseneinheit des Biokraftstoffs c in Periode t und im Szenario a
௧
Strafzahlungen für den Zukauf einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel in Periode t
௧ Ƹ
Zahlungskorrektur für eine Energieeinheit der Biomasse b in Abhängigkeit der Anlagenkapazität der Anlage f
Ƹ௧
Zahlungen für eine Energieeinheit der Biomasse b in Periode t
Ƹ௧
Zahlungen für den Kauf einer Energieeinheit Biomasse außerhalb des Netzwerks in Periode t
ݒ௦௧
Masse des extern bezogenen Biokraftstoffs c in Senke s in Periode t
ݒ௦௧
Masse des extern bezogenen synthetischen Biokraftstoffs c in der Senke s in Periode t und im Szenario a
ݒ௦௧
Masse von extern bezogenem Biodiesel, die in Senke s in Periode t zugekauft wird
ݓ௧
Anzahl der Module m der Kapazitätsklasse k, die am Produktionsstandort p in Periode t betrieben werden
ݓ௧
Anzahl der Module m der Kapazitätsklasse k, die am Produktionsstandort p in Periode t und im Szenario a betrieben werden
ݔ௧
binäre Entscheidungsvariable, die den Wert 1 annimmt, wenn Anlage f an Raffineriestandort r in Periode t angegliedert wird, sonst 0
ݔ௧
binäre Entscheidungsvariable, die den Wert 1 annimmt, wenn Modul m der Kapazitätsklasse k am Produktionsstandort p in Periode t errichtet wird, sonst 0
ݔ௧
Binäre Entscheidungsvariable, die den Wert 1 annimmt, wenn Modul m am Produktionsstandort p in Periode t eröffnet wird, sonst 0
௦௦
Masse des Stoffs b, die in Modul m der Kapazitätsklasse k am Produktionsstandort p in Periode t und im Szenario a verarbeitet wird
ݕ௧
௦௦
Masse des Stoffs b, die in Modul m der Kapazitätsklasse k am Produktionsstandort p in Periode t verarbeitet wird
௦௨ ݕ௧
Masse des Stoffs b, die von der Quelle q zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t und im Szenario a transportiert wird
ݕ௧
Symbolverzeichnis ௦௦ ݕ௧
Biomasse b, die von Quelle q zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t transportiert wird
௦௨ ݕ௧
Masse des Stoffs b, die von der Quelle q zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t transportiert wird
ௗ௩ ݕ௦௧
Masse des synthetischen Biokraftstoffs c, die von Modul m am Produktionsstandort p zu Senke s in Periode t und im Szenario a transportiert wird
ௗ௩ ݕ௦௧
Masse des synthetischen Biokraftstoffs c, die von Modul m am Produktionsstandort p in Periode t zur Senke s transportiert wird
ௗ௦ ݕ כ௧
Masse des synthetischen Biodiesels, die von Anlage f von Raffinerie r zu Raffinerie r* in Periode t transportiert wird
ݕ௧
௦௨௬
Masse des Slurries, die von Modul g am Produktionsstandort n zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t transportiert wird
௧ ݕ௧
Masse des Stoffs j, die in Modul g am Produktionsstandort n zum Modul h am Produktionsstandort o in Periode t und im Szenario a transportiert wird
௧ ݕ௧
Masse des Stoffs j, die in Modul g am Produktionsstandort n zum Modul h am Produktionsstandort o in Periode t transportiert wird
ௗ௦ ݕ௦௧
Masse des synthetischen Biodiesels, die von Modul m am Produktionsstandort p zur Senke s in Periode t transportiert wird
௦௦ ݕො௧
Energie der in der Region beschafften Biomasse b, die in Anlage f am Raffineriestandort r in Periode t zu synthetischem Biodiesel verarbeitet wird
௦௦ ݕො௧
Energie der extern beschafften Biomasse, die in Anlage f am Raffineriestandort r und Periode t zu synthetischem Biodiesel umgewandelt wird
ݖ௧
Anzahl der Anlagen f, die an Raffinerie r bis einschließlich Periode t angegliedert wurden
ݖ௧
Anzahl der Module m der Kapazitätsklasse k, die bis einschließlich Periode t am Produktionsstandort p errichtet wurden
ݖ௧
Anzahl der Module m, die am Produktionsstandort p bis einschließlich Periode t eröffnet wurden
ௗ௦ ߛ
Transformationskoeffizient des Moduls m, der die Transformation von Biomasse b in synthetischen Biodiesel beschreibt
ߛ
Transformationskoeffizient des Moduls m der Kapazitätsklasse k, der die Transformation von Stoff b in den Stoff j beschreibt
ߛ
௦௨௬
Transformationskoeffizient, der die Transformation von Biomasse b in Slurry beschreibt
ௗ௦ ߛ
Transformationskoeffizient des Moduls m, der die Transformation von Slurry in synthetischen Biodiesel beschreibt
ௗ௦ ߛො
Transformationskoeffizient der Anlage f, der die Transformation von einer
XXXIII
XXXIV
Symbolverzeichnis
Energieeinheit der Biomasse b in synthetischen Biodiesel beschreibt ߛොௗ௦
Transformationskoeffizient der Anlage f, der die Transformation von einer Energieeinheit der extern bezogenen Biomasse in synthetischen Biodiesel beschreibt
ߝ௦௦
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Masseneinheit der Biomasse b in die Kapazitätseinheit der Module beschreibt
ߝ
Kapazitätseinheitskoeffizient, der die Umwandlung einer Masseneinheit des Stoffs b in die Kapazitätseinheit des Moduls m beschreibt
ߝ ௦௨௬
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Masseneinheit Slurry in die Kapazitätseinheit der Module beschreibt
ߝƸ௦௦
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Energieeinheit der Biomasse b in die Kapazitätseinheit der Anlagen beschreibt
ߝƸ௦௦
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Energieeinheit der extern bezogenen Biomasse in die Kapazitätseinheit der Anlagen beschreibt
ߟ
Größendegressionsexponent
ߤ
Gewichtungsfaktor in einer Linearkombination, Ͳ ߤ ͳ
ߪ௨
Faktor, der den Wert 1 annimmt, wenn Raffineriestandort r in der Region u liegt, sonst 0
߱
Faktor zur Gewichtung des Misserfolgs
1 1.1
Einleitung Ausgangslage und Problemstellung
Die fortschreitende Industrialisierung und die wachsende Weltbevölkerung führen zu einem Anstieg der weltweiten Energienachfrage. Diese wird derzeit hauptsächlich durch endliche fossile Primärenergieträger bedient. [IEA 2008a] Ihr Einsatz geht jedoch mit schwerwiegenden politischen, ökologischen und wirtschaftlichen Folgen einher. Die Sicherung der Energieversorgung führt in vielen Fällen zu starken politischen Abhängigkeiten von erdölund erdgasexportierenden Ländern. Ökologische Folgen des Einsatzes von fossilen Primärenergieträgern in Energieumwandlungsprozessen sind unter anderem KohlenstoffdioxidEmissionen. Diese führen zu einer steigenden Konzentration von Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Atmosphäre, beeinträchtigen die Abstrahlung von Wärme aus der Erdatmosphäre an das Weltall und führen somit zu einem Temperaturanstieg [SCHÖNWIESE/ DIEKMANN 1987]. Der Temperaturanstieg wirkt sich nicht nur auf ökologische Systeme aus, in denen die klimatischen Veränderungen beispielsweise zu Artensterben und zunehmend extremen Wetter-Ereignissen führen können. Gravierende Änderungen werden auch in sozialen Strukturen erwartet. So werden bedingt durch den Anstieg des Meeresspiegels und die Verschiebung von Klimazonen zukünftig beträchtliche Umweltflüchtlingsströme auftreten. Sowohl die klimatischen als auch die sozialen Veränderungen werden zudem wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen. Die hierdurch entstehenden jährlichen Kosten werden auf bis zu 20 % des weltweiten Bruttosozialprodukts geschätzt [STERN ET AL. 2006]. Vor diesem Hintergrund bestehen weltweit Bestrebungen, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid sowie etwaige Abhängigkeiten in der Energieversorgung zu verringern. Ein großes Potenzial hinsichtlich dieser Bestrebungen weist der Verkehrssektor auf. Er trägt mit über 50 % zur weltweiten Rohölnachfrage bei [IEA 2008a] und durch ihn werde 20 - 30 % der anthropogenen CO2-Emissionen verursacht [UNFCCC 2007]. Die Europäische Union hat daher in der Richtlinie 2009/18/EG das Ziel festgelegt, den Anteil von erneuerbaren Energien im Verkehr bis zum Jahr 2020 auf 10 % anzuheben. Um diese Zielsetzungen erreichen zu können, müssen weitere Energieformen genutzt werden. Optionen für den Verkehrssektor stellen regenerativ erzeugter Strom im Rahmen der Elektromobilität, Wasserstoff sowie Biokraftstoffe dar. Der Einsatz von Elektromobilität und von Wasserstoffantrieben wird allerdings mittelfristig nicht möglich sein, da zunächst Antriebskonzepte mit wirtschaftlichen Herstellkosten entwickelt werden müssen und nachhaltige Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff fehlen. Zudem ist jeweils eine entsprechende Infrastruktur einzurichten. Biokraftstoffe sind hingegen bereits im Einsatz. Aus diesen Gründen wurde in Deutschland zur Erreichung der europäischen Zielvorgabe das Biokraftstoffquotengesetz (BioKraftQuG) erlassen, in dem Mindestanteile von Biokraftstoffen an der gesamten Kraftstoffnachfrage vorgeschrieben werden. Diese Mindestanteile werden derzeit durch Biokraftstoffe der ersten Generation realisiert. Diese Biokraftstoffe geraten jedoch zunehmend in die Kritik. So wurden einhergehend mit ihrer Produktion steigende Lebensmittelpreise infolge einer Flächenkonkurrenz zwischen der A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Einleitung
Lebensmittel- und der Biomasseproduktion beobachtet sowie ökologische Schäden durch die Flächenerschließungen für den Anbau der Biomasse. Ihr Einsatz unterliegt zudem technischen Restriktionen der Verbrennungskraftmotoren. Diesen negativen Effekten kann zukünftig durch die Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen der zweiten Generation begegnet werden. [IEA 2008b] In der Produktion von synthetischen Biokraftstoffen der zweiten Generation können lignocellulosehaltige Rohstoffe eingesetzt werden. Hierzu zählen Reststoffe aus der Forst- und Landwirtschaft sowie vollständige Pflanzen. Somit können auch Reststoffe der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden. Durch die Nutzung von vollständigen Pflanzen werden deutlich höhere Flächenausbeuten erzielt. Dies reduziert den Flächenbedarf der Biomasseproduktion und entschärft die Flächenkonkurrenz. Zudem weisen synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation äußerst gute Verbrennungseigenschaften in der Nutzung auf. Sie können im Herstellungsprozess den speziellen Bedürfnissen von Verbrennungskraftmotoren angepasst werden und ermöglichen so eine effiziente und saubere Verbrennung auch im Vergleich zu herkömmlichen fossilen Kraftstoffen. [HAMELINCK ET AL. 2004] Um die Vorteile der synthetischen Biokraftstoffe in Zukunft nutzen zu können, ist der umfangreiche Aufbau von Produktionskapazitäten erforderlich. Diese Planungsaufgabe kann der strategischen Netzwerkgestaltung zugeschrieben werden. [STADTLER 2005], [GOETSCHALCKX/ FLEISCHMANN 2002] Die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe ist jedoch von vielfältigen Unsicherheiten betroffen. Rohstoffseitig ist es unsicher, wie sich das Biomassepotenzial im Hinblick auf Massen, Qualitäten und Preise entwickeln wird. Produktionsseitig bestehen Unsicherheiten bezüglich der Produktionstechnologien, die sich derzeit noch in der Entwicklung befinden. Hier werden in der Forschung verschiedene Anlagenkonzepte sowie technische Ausgestaltungsformen der Prozessschritte entwickelt und untersucht. Welche Anlagenkonzepte und Ausgestaltungsformen vorteilhaft sind, ist von den spezifischen Rahmenbedingungen abhängig und kann noch nicht abschließend geklärt werden. Zudem liegen noch keine Erfahrungswerte und Daten bezüglich der Investitionen, Prozessausbeuten und betriebsbedingten Kosten der kommerziellen Produktion vor. Schätzungen dieser Informationen unter Berücksichtigung der komplexen Produktionsprozesse und der Größendegressionseffekte, die in Anlagen unterschiedlicher Kapazität erzielt werden können, sind ebenfalls durch Unsicherheit gekennzeichnet. Marktseitig bestehen Unsicherheiten bezüglich der Nachfrageentwicklung nach synthetischen Biokraftstoffen der zweiten Generation. Diese Nachfrage wird sowohl durch gesetzliche Regulierungen, zum Beispiel in Form von Mindestanteilen von Biokraftstoffen an der gesamten Kraftstoffnachfrage, als auch durch Preisentwicklungen am Kraftstoffmarkt bestimmt. Vor diesem Hintergrund sehen sich potenzielle Investoren im Rahmen der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe mit der Problemstellung konfrontiert, Entscheidungen zu Standorten, Technologien und Kapazitäten der Produktionsanlagen unter Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten zu treffen. Entscheidungs-
Einleitung
3
unterstützungssysteme, die den Besonderheiten der Produktion synthetischer Biokraftstoffe sowie den vielfältigen Unsicherheiten adäquat Rechnung tragen, fehlen bislang. 1.2
Zielsetzung und Vorgehensweise
Das Ziel dieser Arbeit besteht daher in der Entwicklung eines Planungsansatzes zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation zur Unterstützung von Entscheidungen über zukünftige Investitionen. Durch die exemplarische Anwendung des Planungsansatzes im Rahmen der Gestaltung eines regionalen und eines überregionalen Produktionsnetzwerkes sollen Erkenntnisse bezüglich vorteilhafter Anlagenkonzepte sowie Strategien zum Kapazitätsaufbau gewonnen werden. Hierbei sollen unterschiedliche Risikoeinstellungen potenzieller Investoren explizit Berücksichtigung finden. Zudem sollen Rahmenbedingungen identifiziert werden, die den Aufbau dieser Produktionsnetzwerke begünstigen. Zur Erreichung dieser Zielsetzung wird nachfolgende Vorgehensweise gewählt: In Kapitel zwei werden die Rahmenbedingungen der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe dargestellt. Dabei wird zunächst ein Überblick über Herstellungsverfahren, ökonomische Kennzahlen und technische Eigenschaften von aktuellen Biokraftstoffen und synthetischen Kraftstoffen auf fossiler Basis gegeben. So wird ein Verständnis für die Situation der synthetischen Biokraftstoffe der zweiten Generation am alternativen flüssigen Kraftstoffmarkt geschaffen. Dem schließt sich eine detaillierte Bewertung der synthetischen Biokraftstoffe der zweiten Generation im Hinblick auf nachhaltige Ziele an. In dieser Bewertung werden die Auswirkungen der zukünftigen Produktion aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Sicht analysiert und Voraussetzungen für die Erreichung einer nachhaltigen Herstellung aufgezeigt. Diese Voraussetzungen können zu weiten Teilen durch gesetzliche Vorgaben geschaffen werden. Die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen werden sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler Ebene für Deutschland dargestellt. Zur Produktion der synthetischen Biokraftstoffe sind unterschiedliche Produktionsprozesse in der Entwicklung. Da in der Netzwerkgestaltung geeignete Anlagenkonzepte auszuwählen sind, werden die verschiedenen verfahrenstechnischen Optionen vorgestellt und diskutiert. Durch die umfassende Darstellung der Rahmenbedingungen können abschließend Anforderungen an einen Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung abgeleitet werden. Diese Anforderungen werden in Kapitel drei als Kriterien bei der Diskussion bestehender Modellierungs- und Bewertungsansätze für die Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie herangezogen. So werden zunächst Ansätze zur Integration der entscheidungsrelevanten technischen Informationen in die betriebswirtschaftliche Modellierung der verfahrenstechnischen Produktionsanlagen herausgearbeitet. Die Festlegung von Kapazitäten und Standorten der Produktionsanlagen erfolgt mit Planungsmodellen aus dem Bereich der Standortplanung. Daher wird eine Auswahl bestehender Standortplanungsmodelle im Hinblick auf die Anforderungen an einen Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung analysiert. Ebenso werden Methoden zur Planung unter Unsicherheit dargestellt. In Analysen werden
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Einleitung
dann für die vorliegende Problemstellung geeignete Modellierungs- und Bewertungsansätze in den Bereichen der Modellierung der Produktionsprozesse, der Standortplanung und der Planung unter Unsicherheit identifiziert. Diese werden abschließend in einem Planungskonzept für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe zusammengeführt. In Kapitel vier erfolgt die modellseitige Ausgestaltung dieses Planungskonzepts auf Grundlage der zuvor beschrieben und als geeignet identifizierten Modellierungs- und Bewertungsansätze. Hierbei wird zunächst exemplarisch die verfahrenstechnische Modellierung eines Prozessschritts aufgezeigt. Durch eine derartig detaillierte Modellierung können entscheidungsrelevante Stoff- und Energieströme bestimmt werden. Die hier in den Produktionsprozessen beschriebenen komplexen Stoff- und Energietransformationen werden anschließend in der betriebswirtschaftlichen Modellierung und Bewertung der Produktionsprozesse auf ein für die Netzwerkgestaltung geeignetes Aggregationsniveau vereinfacht. Die modellierten und bewerteten Produktionsprozesse bilden die Grundlage für die Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung des Produktionsnetzwerks. Mit dem Ziel, die bestehenden Unsicherheiten in der Planung zu berücksichtigen, wird dieses Modell in einen szenariobasierten Planungsansatz überführt. Abschließend wird die Komplexität des Modells zur Netzwerkgestaltung dargestellt. Der Planungsansatz wird in Kapitel fünf anhand von zwei Fallstudien validiert. In der ersten Fallstudie wird ein regionales Produktionsnetzwerk für Norddeutschland geplant. Die Ergebnisse und abgeleiteten Handlungsempfehlungen zu vorteilhaften Anlagenkonzepten und zu Strategien für den Kapazitätsaufbau richten sich an Investoren, die eine regionale Förderung der (Land-)Wirtschaft anstreben. In der zweiten Fallstudie werden überregionale Produktionsnetzwerke in Westeuropa untersucht. Hierbei wird die Angliederung von Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe an bestehende Erdölraffinerien untersucht. Dies erlaubt es, Synergieeffekte im Hinblick auf eine bereits bestehende Infrastruktur zu nutzen und stellt eine Option für Mineralölkonzerne zur Erreichung der geforderten Biokraftstoffanteile dar. Die aus den Fallstudien abgeleiteten Handlungsempfehlungen richten sich an Investoren und umweltpolitische Entscheidungsträger. In Kapitel sechs erfolgt eine kritische Würdigung der Arbeit. Zudem wird die Übertragbarkeit des entwickelten Planungsansatzes auf andere Branchen der Prozessindustrie aufgezeigt. Abschließend wird weiterführender Forschungsbedarf abgeleitet. Die Arbeit schließt im siebten Kapitel mit einer Zusammenfassung. Das beschriebene Vorgehen sowie die Zielsetzungen der Arbeit sind zusammenfassend in Abbildung 1.1 dargestellt.
Einleitung
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Anforderungen an den Planungsansatz Kapitel 3: Methodische Ansätze zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken in der Prozessindustrie Konzept des Planungsansatzes, Ansätze zur Modellierung Kapitel 4: Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe
Potenzielle Investoren, Entwicklungen des Biomasseangebots, der Produktionstechnologien und der Nachfrage
Kapitel 2: Rahmenbedingungen von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe Netzwerkbereiche und Restriktionen
Gesamtziel: Entscheidungsunterstützung bei der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe
Kapitel 1: Einleitung Ziel: Analyse der Planungssituation und Ableitung von Anforderungen an den Planungsansatz
Ziel: Bewertung bestehender methodischer Ansätze und Konzeption eines Planungsansatzes
Ziel: Ausgestaltung des Ansatzes durch die Formulierung von Planungsmodellen
Planungsmodelle Kapitel 5: Fallstudien zur regionalen und überregionalen Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe
Abbildung 1.1:
Kapitel 6: Würdigung und Ausblick
Kapitel 7: Zusammenfassung
Vorgehen und Zielsetzungen der Arbeit
Ziel: Validierung des Planungsansatzes und Generierung von Handlungsempfehlungen
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Rahmenbedingungen der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe
Die zukünftige Herstellung synthetischer Biokraftstoffe wird durch verschiedene Rahmenbedingungen determiniert. Diese werden im Folgenden aufgezeigt und diskutiert. So können zum einen Chancen und Herausforderungen herausgestellt werden, die mit der Produktion und Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen einhergehen. Zum anderen werden Besonderheiten identifiziert, die im Rahmen der Netzwerkgestaltung zu berücksichtigen sind. Hierzu werden synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation zunächst in Abschnitt 2.1 in das Spektrum der flüssigen Kraftstoffe auf fossiler Rohstoffbasis und der flüssigen Biokraftstoffe eingeordnet. Dabei werden Herstellungsverfahren, ökonomische Kennzahlen sowie technische Eigenschaften unterschiedlicher Kraftstoffe miteinander verglichen. Im folgenden Abschnitt 2.2 werden speziell die Rahmenbedingungen im Kontext der Nachhaltigkeit vorgestellt. Hierbei werden die Herstellung und der Einsatz von synthetischen Biokraftstoffen unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten kritisch gewürdigt. Dem schließt sich in Abschnitt 2.3 eine Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen an. Diese betreffen verschiedene Bereiche der Herstellung synthetischer Biokraftstoffe, wie beispielsweise den Biomasseanbau, und die Nachfrage nach Biokraftstoffen am Markt. Von besonderer Relevanz für die Herstellung synthetischer Biokraftstoffe sind die Produktionstechnologien und Produktionsprozesse. In Abschnitt 2.4 werden daher aktuelle verfahrenstechnische Entwicklungen bezüglich der Produktionstechnologien und Produktionsprozesse aufgezeigt. Ausgehend von der Analyse der Rahmenbedingungen werden abschließend in Abschnitt 2.5 Anforderungen an die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe abgeleitet. 2.1
Biogene und fossile flüssige Kraftstoffe
In den folgenden Abschnitten wird das Spektrum aktuell eingesetzter und in der Entwicklung befindlicher biogener und fossiler flüssiger Kraftstoffe dargestellt. Zunächst werden hierzu die herkömmlichen fossilen Kraftstoffe Motorenbenzin und Dieselkraftstoff beschrieben. Im Anschluss werden alternative fossile und biogene flüssige Kraftstoffe beschrieben. Ziel dieser Beschreibungen ist, die Situation am Kraftstoffmarkt darzustellen sowie technische Potenziale und Herausforderungen der Kraftstoffe beim Einsatz in Verbrennungskraftmotoren aufzuzeigen. Zu den herkömmlichen flüssigen Kraftstoffen zählen Motorenbenzin (Benzin) und Dieselkraftstoff (Diesel). Von diesen Kraftstoffen werden am Markt unterschiedliche Arten angeboten. Die Arten von Benzin 1 und Diesel 2 unterscheiden sich hinsichtlich der Zusammensetzung aus Kohlenwasserstoffen und weiteren Blendingkomponenten, die zur Verbesserung der Verbrennungseigenschaften zugegeben werden oder gesetzlich vorgeschrieben sind. Die Kohlenwasserstoffe sind die Hauptkomponenten von Benzin und 1
Die unterschiedlichen Benzinarten erfüllen in Deutschland die DIN EN 228.
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Die unterschiedlichen Dieselarten erfüllen in Deutschland die DIN EN 590.
A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Diesel und werden durch eine fraktionierte Destillation aus Erdöl, durch Cracken bestimmter Erdölfraktionen 3 und durch Veredelung gewonnen. Zur Herstellung von Benzin und Diesel werden die so gewonnenen unterschiedlichen Kohlenwasserstofffraktionen gemischt. Für Benzin werden dabei Moleküle mit vier bis zehn Kohlenstoffatomen verwendet, für Diesel Moleküle mit neun bis 22 Kohlenstoffatomen. Das Mischungsverhältnis variiert für die unterschiedlichen Arten von Benzin und Diesel. Die Ausbeute von Benzin liegt in den Erdölraffinerien bei ca. 29 %, die Ausbeuten von Diesel zwischen 21% und 23 % [MWV 2010a]. Als weitere Blendingkomponenten werden für Benzin Ether 4 und Alkohole, u.a. Bioethanol (vgl. Abschnitte 2.1.2 und 2.3.3), verwendet. Dem Diesel wird eine Reihe von Blendingkomponenten beigemischt, zum Beispiel Tetranitromethan, Amylnitrat oder Acetonperoxid zur Steigerung der Zündwilligkeit. Zudem wird ein Anteil Biodiesel (vgl. Abschnitt 2.1.2 und 2.3.3) zugegeben. Im weltweiten Straßenverkehr werden über 95 % der eingesetzten Kraftstoffe auf Rohölbasis hergestellt [IEA 2003b], [IEA 2003a]. Die Herstellkosten von diesen konventionellen Kraftstoffen aus Erdöl liegen zwischen 0,08 und 0,33 $/l 5 . [IEA 2008a] Aktuelle Otto- und Dieselmotoren sind in der Regel auf den Einsatz dieser herkömmlichen Kraftstoffe ausgerichtet. Im Rahmen der Verbrennung entstehen unerwünschte Emissionen in Form von Kohlenwasserstoffen, Stickoxiden und Kohlenstoffmonoxid [BASSHUYSEN VAN/ SCHÄFER 2002]. Neben den herkömmlichen flüssigen fossilen Kraftstoffen werden weltweit zahlreiche andere flüssige Kraftstoffarten genutzt, unter anderem biogene Kraftstoffe (Biokraftstoffe) und fossile synthetische Kraftstoffe. Die Herstellung und der Einsatz dieser alternativen Kraftstoffe werden durch politische Interessen, Rohstoffvorkommen in den entsprechenden Regionen und verfügbare Technologien bestimmt. Politische Motive für den Einsatz von Biokraftstoffen und synthetischen Kraftstoffen sind in der Regel eine stärkere Unabhängigkeit von erdölexportierenden Ländern, die Stärkung der nationalen Wirtschaft sowie gegebenenfalls die Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Wesentliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Produktion dieser alternativen Kraftstoffe sind umfangreiche Rohstoffressourcen (Biomasse, Kohle oder Erdgas) sowie günstige Herstell- bzw. Förderkosten der Rohstoffe. Weitere Voraussetzungen sind vorhandene Technologien sowohl für die Konversion der Rohstoffe zu Kraftstoff als auch für die Nutzung der produzierten Kraftstoffe und somit für die Nachfrage am Markt. In Abbildung 2.1 ist eine Klassifizierung von Biokraftstoffen und von synthetischen Kraftstoffen hinsichtlich ihrer Rohstoffbasis sowie der Konversionsverfahren dargestellt. Eine Schnittmenge der Biokraftstoffe und der synthetischen Kraftstoffe bilden die synthetischen Biokraftstoffe. Im Folgenden werden die einzelnen Kraftstofftypen hinsichtlich der 3
Beim Cracken werden langkettige Kohlenwasserstoffe aufgespalten. Dabei können thermische und kathalytische Chrackverfahren unterschieden werden.
4
Ether erhöht die Klopffestigkeit des Motorenbenzins. Die Klopffestigkeit beschreibt die Eigenschaft des Motorenbezins, nicht durch Selbstzündung im Motor zu verbrennen.
5
10- 40 $/bl
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
9
Herstellungsverfahren sowie ihrer ökonomischen Kennzahlen und technischen Eigenschaften in der Nutzung beschrieben. Synthetische Kraftstoffe Biokraftstoffe 2. Generation
Rohstoffe
Ölhaltige Pflanzen
Prozesse
Heißpressung o. Ölmühlen
Produkte
1. Generation
Pflanzenöl
Zucker- und stärkehaltige Pflanzen
Umesterung Fermentierung
Holz, Pflanzen, biologische Reststoffe
Enzymatische Aufspaltung, Fermentierung
Biodiesel
Bioethanol
Erdgas
Kohle
Vergasung, Synthese, Produkt-Upgrading
BtL-
Abbildung 2.1:
2.1.1
Pflanzenöle, Fette
Zellulose-Ethanol
GtL
CtL
Diesel, Benzin, Methanol
Klassifikationsschema für Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe (in Anlehnung an [DRÜKE 2008])
Synthetische Kraftstoffe auf fossiler Rohstoffbasis
Synthetische Kraftstoffe werden grundsätzlich über den Prozessschritt der Synthese aus kohlenstoffhaltigen Rohstoffen hergestellt. Zur Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen auf fossiler Rohstoffbasis können Erdgas oder Kohle eingesetzt werden. Die resultierenden Produkte werden entsprechend als Gas-to-Liquid (GtL) Kraftstoffe bzw. Coal-to-Liquid (CtL) Kraftstoffe bezeichnet. Zur Herstellung von GtL-Kraftstoffen wird Erdgas zunächst konditioniert und anschließend in der Fischer-Tropsch-Synthese6 zu flüssigem Kraftstoff synthetisiert. Im Rahmen der Herstellung von CtL-Kraftstoffen wird Kohle in einem ersten Schritt vergast. Die Vergasung der Kohle kann entweder direkt unter Tage (Underground Coal Gasification (UCG)) oder über Tage erfolgen. Das so entstehende Rohgas wird dann, entsprechend dem GtL-Verfahren, konditioniert und anschließend zu Kraftstoff synthetisiert. Eine alternative Herstellung von CtL-Kraftstoffen besteht in der Direktverflüssigung. Hierzu wird das Bergius-Pier-Verfahren eingesetzt, in dem Kohle unter Druck und mit Hilfe von Katalysatoren zu Kraftstoff hydriert wird. [PIEPRZYK ET AL. 2009]. Der Anteil der synthetischen Kraftstoffe auf fossiler Rohstoffbasis am gesamten Kraftstoffabsatz ist weltweit relativ gering. [IEA 2003a], [IEA 2003b] Im Jahr 2008 wurden 2,9 Tg 7 GtL-Kraftstoffe und 8,7 Tg CtL-Kraftstoffe produziert. In Zukunft wird aufgrund des steigenden Kraftstoffbedarfs jedoch mit einem Anstieg der produzierten Massen gerechnet. [IEA 2008a] Die Gtl-Kraftstoffproduktion findet im Wesentlichen in Malaysia, in Katar sowie 6
Dieses Syntheseverfahren wird ausführlich in Abschnitt 2.4.4 vorgestellt.
7
Die Einheit Tg (Tera Gramm) wird umgangssprachlich auch als Millionen Tonnen bezeichnet.
10
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
in Südafrika statt. Standorte der CtL-Kraftstoffproduktion liegen vornehmlich in Südafrika. Zukünftig wird auch in China mit einer verstärkten Produktion gerechnet. [PIEPRZYK ET AL. 2009] Die Herstellkosten der synthetischen Kraftstoffe werden entscheidend durch die Bereitstellungskosten der Rohstoffe bestimmt und variieren somit standortabhängig. Die International Energy Agency (IEA) gibt Bandbreiten der Herstellkosten für das Jahr 2008 wie folgt an: 0,50 – 1,01 $/l CtL-Kraftstoff, 0,27 – 0,49 $/l UCG-CtL-Kraftstoff, 0,34 – 1,01 $/l GtL-Kraftstoff 8 . [IEA 2008a] Vorteile gegenüber den konventionellen Kraftstoffen weisen die synthetischen Kraftstoffe jedoch hinsichtlich ihrer technischen Eigenschaften beim Einsatz in Verbrennungskraftmaschinen auf. Sie können bereits in der Synthese an die Motorenerfordernisse angepasst werden, und sie erlauben somit eine effiziente Verbrennung. Da sie zudem weniger Verunreinigungen enthalten, können synthetische Kraftstoffe sauberer verbrannt werden. [SCHAUB/ UNRUH 2002] 2.1.2
Biokraftstoffe der ersten Generation
Die bislang eingesetzten Biokraftstoffe sind im Wesentlichen den Biokraftstoffen der ersten Generation zuzurechnen. Diese Kraftstoffe sind dadurch charakterisiert, dass für ihre Produktion ausschließlich die Früchte von Pflanzen genutzt werden. Zu den bedeutendsten Vertretern dieser Kraftstoffe zählen reines Pflanzenöl, Biodiesel sowie Bioethanol. Pflanzenöle werden sowohl in großtechnischen Verfahren durch Heißpressung als auch in dezentralen Ölmühlen kleinerer Kapazität durch Kaltpressung gewonnen. Sie bestehen zu großen Teilen aus Estern langkettiger Fettsäuren. Pflanzenöle können als Dieselsubstitute eingesetzt werden. In Deutschland wird als Rohstoff zur Herstellung der Pflanzenöle vornehmlich Raps verwendet. Die Herstellkosten von Rapsöl liegen bei 20 €/GJ bzw. 0,69 €/l 9 . [SCHMITZ ET AL. 2009] Aufgrund der technischen Eigenschaften von Pflanzenölen sind umfangreiche Anpassungen der Dieselmotoren vorzunehmen. Die hohe Viskosität der Pflanzenöle führt zu einem erhöhten Durchflusswiderstand in Kraftstoffleitungen, Einspritzpumpen und Einspritzdüsen. Die geringe Cetanzahl geht mit Zündungsschwierigkeiten einher. Diesen Problemen kann mit der Erhitzung des Pflanzenöls begegnet werden, da dadurch die Viskosität herabgesetzt wird. Eine weitere technische Herausforderung stellt der Eintrag von nicht verbrannten Pflanzenölen in das Motoröl dar. Pflanzenöle verdampfen aufgrund des höheren Siedepunkts (ca. 220 °C) im Vergleich zum herkömmlichen Diesel (ca. 150 °C) bei normalen Betriebstemperaturen der Motoren nicht und sammeln sich daher im Motoröl an. Dies resultiert in einer verringerten Schmiereigenschaft und der Bildung von Polymerketten, die Leitungen und Filter verstopfen können.
8
Die angegebenen Werte basieren auf: 60 - 120 $/Barrel CtL-Kraftstoff, 32 - 58 $/Barrel UCG-CtL-Kraftstoff, 40 - 120 $/Barrel GtL-Kraftstoff.
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Unter der Annahme von 34,58 *10-3 GJ/l
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
11
Biodiesel wird durch eine Umesterung von Pflanzenölen mit Methanol sowie einer anschließenden Abtrennung von Glycerin und überschüssigem Methanol hergestellt. Abhängig von dem eingesetzten Pflanzenöl werden verschiedene Formen von Biodiesel unterschieden: Zum Beispiel Rapsölmethylester (RME), Palmölmethylester (PME), Tierfettmethylester (FME), Sonnenblumenölmethylester (SME), Jatrophaölmethylester (JME). [SCHMITZ ET AL. 2009] Der Hauptanteil (87 %) der weltweiten Biodieselproduktion erfolgt in der Europäischen Union 10 . [IEA BIOENERGY 2009] Die Herstellkosten von Biodiesel auf Rapsölbasis liegen in Deutschland bei 24 €/GJ bzw. 0,79 €/l 11 [SCHMITZ ET AL. 2009]. Im Vergleich dazu belaufen sich die Herstellkosten von Biodiesel auf Sojaölbasis in Brasilien auf 0,78 $/l und in den USA für Biodiesel auf Sojabasis auf 1,63 $/l [IEA BIOENERGY 2009]. Biodiesel kann sowohl in Reinform eingesetzt als auch herkömmlichem Diesel beigemischt werden. Der Einsatz von höheren Biodieselkonzentrationen erfordert jedoch beständige Kunststoffteile in den Motoren. Auch hier besteht das Problem des Eintrags in das Motoröl (vgl. Pflanzenöle). Bioethanol kann durch die Fermentation von stärkehaltigen Bestandteilen von Pflanzen (z.B. Mais, Zuckerrüben, Getreide, Zuckerrohr) gewonnen werden. Hierzu wird zunächst Stärke enzymatisch zu Glukose aufgeschlossen. Aus der Glukose wird anschließend in einer anaeroben Gärung Ethanol und Kohlenstoffdioxid gebildet. Aus diesem Rohgemisch wird das Ethanol über eine Destillation extrahiert. [SCHMITZ/ KÖLN 2003] Bioethanol ist der derzeit am weitesten verbreite Biokraftstoff. [IEA BIOENERGY 2009] Hauptproduzenten sind Brasilien (21,43 Tg in 2008) und die USA (27,02 Tg in 2008) [BDB 2010]. Die Herstellkosten sind regionenspezifisch und unterscheiden sich in Abhängigkeit der Rohstoffkosten mitunter stark. In Brasilien sind die Herstellkosten von Bioethanol unter anderem aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise für Zuckerrohr mit 0,31 $/l im weltweiten Vergleich sehr gering. In den USA sind die Herstellkosten von Bioethanol auf Getreide- und Maisbasis mit 0,75 $/l mehr als doppelt so hoch. [IEA BIOENERGY 2009] In Deutschland belaufen sich die Herstellkosten beispielsweise für Bioethanol auf Zuckerrübenbasis auf 22 €/GJ bzw. 0,46 €/l 12 . [SCHMITZ ET AL. 2009] Bioethanol wird in der Regel herkömmlichem Benzin beigemischt. In Abhängigkeit der Volumenanteile werden diese Gemische zum Beispiel mit E85 (85 % Volumenanteil des Ethanols) oder E5 (5 % Volumenanteil des Ethanols) bezeichnet. Die Nutzung von Mischungen mit hohen Volumenanteilen des Ethanols erfordert konstruktive Anpassungen der Motoren. Ethanol wirkt korrosiv auf Gummi und Kunststoffe, so dass Dichtungen und Schläuche angepasst werden müssen. Zusätzlich ist eine Modifikation des Zündzeitpunkts erforderlich, da Ethanol eine höhere Oktanzahl (mindestens 104 ROZ) im Vergleich zum herkömmlichen Superbenzin (mindestens 95 ROZ) aufweist. Der geringere Heizwert des 10
Die weltweite Biodieselproduktion belief sich im Jahr 2006 auf ca. 4,1 Tg.
11
Unter der Annahme von 33,106 *10-3 GJ/l
12
Unter der Annahme von 21,11 *10-3 GJ/l
12
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Ethanols (26,8 MJ/kg) im Vergleich zu Benzin (43,6 MJ/kg) erfordert zudem einen höheren Kraftstoffdurchsatz der Einspritzdüsen. In Brasilien und in Schweden sind beispielsweise spezielle Motoren in sogenannten Flexible Fuel Vehicles im Einsatz, die sowohl Benzin als auch Ethanol in beliebigen Mischungen verbrennen können. In Deutschland werden derzeit lediglich ca. 2 Vol. % Ethanol zu Benzin beigemischt. [BDB 2010] In der Vergangenheit sind die Biokraftstoffe der ersten Generation zunehmend in die Kritik geraten. Einhergehend mit ihrer Produktion wurden zum einen steigende Lebensmittelpreise und zum anderen ökologische Schäden durch Flächenerschließungen für den Anbau der Biomasse beobachtet. [DEUTSCHE ENERGIE-AGENTUR 2010], [MOL 2010], [WBGU 2009], [CUSHION ET AL. 2009], [WELTHUNGERHILFE 2008] Aus diesem Grund werden neue Biokraftstoffe und entsprechende Herstellungsverfahren entwickelt. 2.1.3
Biokraftstoffe der zweiten Generation
Biokraftstoffe der zweiten Generation können aus Reststoffen, wie Stroh und Restholz, hergestellt werden und versprechen deutlich höhere Flächenausbeuten, da das gesamte lignocellulosehaltige Material verarbeitet wird. [BERNDES ET AL. 2009] Biokraftstoffe der zweiten Generation gliedern sich in Bioethanol, Biomethanol und synthetische Biokraftstoffe. Kommerzielle Produktionsanlagen für diese Biokraftstoffe existieren bislang noch nicht. Bei der Produktion von Bioethanol der zweiten Generation, häufig auch LignocelluloseEthanol genannt, werden mit Hilfe von speziellen Enzymen Cellulose und Hemicellulosen in Zucker gespalten. Diese Zucker werden anschließend fermentiert und der entstehende Produktstrom wird, wie bereits in Abschnitt 2.1.2 beschrieben, weiterverarbeitet. [IEA 2008b] Synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation werden durch eine Vergasung von Biomasse mit anschließender Verflüssigung des Gases an einer Katalysatoroberfläche produziert. Da sie im Herstellungsprozess den speziellen Motorenbedürfnissen angepasst werden können, weisen die synthetischen Biokraftstoffe eine gute Verträglichkeit mit bestehenden und zukünftigen Verbrennungsmotoren auf. Wie die synthetischen Kraftstoffe auf fossiler Basis, verbrennen die synthetischen Biokraftstoffe aufgrund geringerer Verunreinigungen sauberer als herkömmliche Kraftstoffe. [HAMELINCK/ FAAIJ 2006] Die synthetischen Biokraftstoffe umfassen synthetischen Biodiesel und synthetisches Biobenzin. Die Herstellungsverfahren und -optionen der synthetischen Biokraftstoffe sowie Schätzungen zu ihren Herstellkosten werden ausführlich in Abschnitt 2.4 beschrieben. Bei der Herstellung von synthetischem Biodiesel oder Biobenzin kann als Zwischenprodukt Methanol entstehen. Neben der Weiterverarbeitung kann dieses zur Umesterung von Pflanzenölen genutzt (Herstellung von Biodiesel der ersten Generation) sowie als eigenständiger Kraftstoff oder als Blendingkomponente eingesetzt werden. Wird Methanol allein als Kraftstoff verwendet, sind aufgrund der geringen Cetanzahl des Methanols Zündhilfen in den Dieselmotoren notwendig. Umgerüstete Motoren weisen dann einen geringen Verbrauch und geringe Emissionen auf.
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
2.1.4
13
Weitere Biokraftstoffe
Neben den beschrieben Biokraftstoffen der ersten und zweiten Generation sind als weitere Biokraftstoffe Biobutanol, Biowasserstoff und Biokraftstoffe aus Algen zu nennen. Diese befinden sich aktuell noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Langfristig könnten diese Biokraftstoffe jedoch ebenfalls zum Einsatz kommen. Biobutanol wird über den Fermentationsprozess von Biomasse durch ein spezielles Bakterium (Clostridium acetobutylicum) hergestellt. Biobutanol kann als Substitut für Benzin eingesetzt werden. Aktuell kann bereits ein Anteil von Biobutanol in Höhe von 10 % ohne technische Anpassungen der Benzinmotoren eingesetzt werden. Der höhere Heizwert sowie die geringere korrosive Wirkung im Vergleich zu Ethanol sind unter technischen Gesichtspunkten vorteilhaft. Jedoch verhindern die bislang sehr hohen Produktionskosten den Einsatz. [SCHMITZ ET AL. 2009] Wasserstoff wird bisher hauptsächlich aus der Reformierung von fossilem Methan gewonnen. Grundsätzlich kann Wasserstoff als sogenannter Biowasserstoff ebenfalls aus Biomasse gewonnen werden. Der Einsatz als Kraftstoff ist sowohl in Brennstoffzellen als auch in Verbrennungsmotoren möglich. Die Nutzungsperspektive ist jedoch langfristig, da sowohl die Technologien für Biowasserstoffe weiterentwickelt werden müssen als auch die entsprechende Tankstelleninfrastruktur geschaffen werden muss. [IEA BIOENERGY 2009] Biokraftstoffe aus Algen sind entweder Öle, die im Rahmen einer Raffination zu Diesel verarbeitet werden, oder es werden die von Algen produzierten Kohlenhydrate zu Ethanol fermentiert [SCHMITZ ET AL. 2009]. Dies entspricht dem grundsätzlichen Vorgehen der Fermentation, wie in Abschnitt 2.1.2 beschrieben. Die technischen Eigenschaften der so gewonnen Biokraftstoffe entsprechen denen der Biokraftstoffe der ersten Generation. Die Wettbewerbsfähigkeit der biomassebasierten und fossilen alternativen Kraftstoffe gegenüber herkömmlichen Kraftstoffen wird durch die Herstellkosten sowie durch die technischen Eigenschaften in der Nutzung bestimmt. Die Herstellkosten der aktuell produzierten Biokraftstoffe der ersten Generation und der synthetischen Kraftstoffe werden wesentlich von den Bereitstellungskosten der Rohstoffe beeinflusst und liegen über den Herstellkosten der herkömmlichen Kraftstoffe. Die Herstellkosten von Biokraftstoffen der zweiten Generation werden neben den Rohstoffkosten auch durch Kosten bestimmt, die durch die Produktionsprozesse verursacht werden. In Zukunft ist mit technologischem Fortschritt in den Produktionstechnologien sowie Lerneffekten bezüglich des Betriebs von kommerziellen Anlagen eine Reduktion der Kosten zu erwarten (vgl. Abschnitt 2.2.3.2). Aufgrund des sehr frühen Entwicklungsstadiums der weiteren Biokraftstoffe (Biobuthanol, Wasserstoff und Biokraftstoffe aus Algen) können derzeit für diese keine verlässlichen Aussagen zu zukünftigen Kosten der industriellen Produktion getroffen werden. Hinsichtlich der technischen Eigenschaften wurden Nachteile des Einsatzes von Biokraftstoffen der ersten Generation in herkömmlichen Verbrennungsmotoren aufgezeigt, da diese
14
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Motoren für herkömmliche Kraftstoffe ausgelegt sind. Die Nutzung von Biokraftstoffen der ersten Generation erfordert einen limitierten Einsatz dieser Biokraftstoffe, umfangreiche Anpassungen an den Verbrennungsmotoren oder andere Antriebskonzepte. Zudem beeinträchtigen Biokraftstoffe der ersten Generation oftmals die Lebensdauer der Fahrzeuge bzw. der Antriebssysteme. Synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation sind hingegen durch sehr gute Verbrennungseigenschaften charakterisiert. Sie stellen vor diesem Hintergrund eine vielversprechende mittelfristige Option für den Verkehrssektor dar. Neben den positiven technischen Eigenschaften wird eine zukünftige großindustrielle Produktion dieser synthetischen Kraftstoffe jedoch durch eine Vielzahl von Rahmenbedingungen determiniert, die im Folgenden dargelegt und diskutiert werden. Wesentliche Voraussetzungen für die Produktion der synthetischen Biokraftstoffe stellen eine nachhaltige Herstellung und Nutzung dar. Daher erfolgt zunächst eine Bewertung der Nachhaltigkeit der synthetischen Biokraftstoffe. 2.2
Rahmenbedingungen im Kontext der Nachhaltigkeit
Aufgrund des Klimawandels, knapper Ressourcen und einer wachsenden Weltbevölkerung ist eine nachhaltige Produktion von Gütern gefordert [WALTHER 2010]. Unter Nachhaltigkeit wird dabei verstanden, „den Bedürfnissen der heutigen Generation zu entsprechen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ [UNITED NATIONS 1987]. Die Enquete-Kommission des 12. Deutschen Bundestags zum „Schutz des Menschen und der Umwelt“ identifiziert in diesem Kontext die ökonomische, die ökologische und die soziale Dimension der Nachhaltigkeit, die in Wechselwirkungen miteinander stehen und die langfristig einer ausgewogenen Koordination bedürfen. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sind tragfähige Wirtschaftssysteme und Wirtschaftspraktiken zu etablieren, die dauerhaft Erwerb und Wohlstand sichern. Die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit zielt auf die Erhaltung von Natur und Umwelt. Im Sinne der sozialen Dimension ist langfristig eine lebenswerte Gesellschaftsform zu entwickeln, an der sämtliche Mitglieder der Gesellschaft partizipieren können. In Anlehnung an diese drei Dimensionen der Nachhaltigkeit werden in den nachfolgenden Abschnitten Rahmenbedingungen für die Produktion und Nutzung synthetischer Biokraftstoffe beschrieben. Hierzu wird zunächst die Notwendigkeit aufgezeigt, im Verkehrssektor Substitute für fossile Kraftstoffe einzuführen. Daraufhin werden Potenziale und Risiken biogener Energieträger und biogener Kraftstoffe beleuchtet. Im Anschluss werden die speziellen Potenziale und Risiken der Produktion und Nutzung von (synthetischen) Biokraftstoffen im Hinblick auf die Zielsetzungen der Nachhaltigkeit diskutiert. 2.2.1
Problembereiche fossile Energieträger und fossile Kraftstoffe
Als Folge einer fortschreitenden Industrialisierung und einer wachsenden Weltbevölkerung wird ein Anstieg der weltweiten Energienachfrage erwartet. Prognosen der International Energy Agency [IEA 2008a] gehen von einem Primärenergiebedarf im Jahr 2030 von 17.014 Tg Erdöläquivalent aus. Dabei wird weiterhin der größte Anteil durch fossile
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
15
Energieträger und ein weiterer Anteil durch radioaktive Materialien bereitgestellt. Im Jahr 2006 belief sich der Anteil fossiler Energieträger auf 80,9 % Öläquivalent, der von radioaktiven Materialien auf 6,2 % Öläquivalent. Erneuerbare Energieträger trugen dagegen in der Summe nur mit 12,9 % zur Befriedigung der Primärenergienachfrage bei. Nach dieser Prognose werden bis zum Jahr 2030 insgesamt nur geringfüge Änderungen eintreten, der Anteil erneuerbarer Energieträger wird sich in der Summe auf 14,3 % erhöhen. Der Anteil fossiler Energieträger geht lediglich um 0,5 % zurück, der Anteil radioaktiver Materialen um 0,9 %. Der relative Anteil der Biomasse und Reststoffe zur Befriedigung der Primärenergienachfrage sinkt ausgehend von 2006 bis 2030 gering um 0,3 %. Aufgrund der Erhöhung der Primärenergienachfrage in diesem Zeitraum insgesamt steigt die absolut eingesetzte Masse an Biomasse und Reststoffen als Primärenergieträger um über 40 % gemessen in Erdöläquivalenten an. Tgoe 18000 16000
Weitereerneuerbare Energieträger
14000
Biomasseund Reststoffe
12000
Wasser
10000
Radioaktive Materialien
8000
Gas
6000
ÖL
4000 Kohle 2000 0 1980
1985
Abbildung 2.2:
1990
1995
2000
2005
2010
2015
2020
2025
2030 Jahr
Weltenergiebedarf unterschieden nach Primärenergieträgern (Daten: [IEA 2008a])
Die auch zukünftig hohen Anteile fossiler Energieträger in der Energiebereitstellung bis zum Jahr 2030 beruhen auf relativ hohen nachgewiesenen Erdöl- und Erdgaskondensatreserven. Diese liegen in einem Bereich zwischen 1,2 und 1,3 Billionen Barrel, wobei nichtkonventionelles Erdöl hiervon ca. 0,2 Billionen Barrel ausmacht [IEA 2008a]. Wird ein Bedarf entsprechend Abbildung 2.2 zugrunde gelegt, reichen diese Reserven über die nächsten 40 Jahre hinaus. Die Reserven sind jedoch in ihrer Reichweite längerfristig beschränkt. Zudem wird die Förderung zunehmend höhere Kosten verursachen, da zukünftig verstärkt schwer zugängliche Quellen, beispielsweise Tiefseequellen mehr als 1500 m unterhalb des Meeresspiegels, genutzt werden müssen. Das regional begrenzte Vorkommen dieser Rohölreserven führt zudem zu Abhängigkeiten von diesen Regionen. Der weiterhin zunehmende Einsatz von fossilen Primärenergieträgern zur Befriedigung der Energienachfrage wird zu bedeutenden ökologischen und sozialen Schäden führen. Die Verbrennung fossiler Energieträger zur Wandlung in Nutzenergie setzt Kohlenstoffdioxid
Rahmenbbedingungen dder Netzwerkg gestaltung
16
frei. So wird der über ü Jahrtauusende in den d fossilen n Energieträägern gespeicherte Koh hlenstoff k Zeittspanne in die Atmo osphäre abggegeben. D Dies führt, wie in innerhallb einer kurzen Abbilduung 2.3 daargestellt, zu z einem Anstieg A derr Kohlenstooffdioxidkoonzentration n in der Atmospphäre.
Abbildunng 2.3:
Histoorische Datenn zu CO2-Konnzentrationen in der Atmossphäre und CO2-Emissioneen aus der Verbbrennung fossiiler Energieträäger [RYAN/ TURTON 2007]], S.3
Durch die d steigendde Konzenttration von Kohlenstofffdioxid unnd weiteren Treibhausg gasen in der Atm mosphäre koommt es zuur Erderwärm mung: Wärrmestrahlunng der Sonnne, die von der d Erde reflektieert wird, kann k aufgruund einer erhöhten e Konzentratio K on an Treiibhausgasen n in der Atmospphäre nur inn verringerrtem Umfanng an das Weltall W abggestrahlt weerden. So verbleibt v zunehm mend Wärm me in derr Erdatmosphäre un nd führt zu z einem Temperatu uranstieg [SCHÖN NWIESE/ DIE EKMANN 1987]. In Abb bildung 2.4 4 werden veerschiedenee Studienerg gebnisse und Szeenarien zur Entwicklunng der durchschnittlich hen Temperraturerhöhunng bezogen n auf das Referennzjahr 19900 aufgezeiggt. Gemein ist den Ergebnissen E , dass ein Temperatu uranstieg prognosstiziert wirdd. Dieser wird w bis zum m Jahr 2100 0 in einem Bereich zw wischen 1,2 2 °C und 5,8 °C vorausgesagt. Der Tem mperaturansstieg wird umfangreich u he ökologissche Auswiirkungen b eise [BOTKIIN ET AL. 2007], [STER RN ET AL. 2 2006], [HOUGHTON O mit sichh bringen, beispielswe 2005]:
dden Anstieeg des Meeeresspiegelss durch dass Abschmeelzen von G Gletschern und der P Polarkappen n in Arktis und Antarkktis sowie durch d eine Ausdehnunng des Meerrwassers a aufgrund deer steigendeen Meeresteemperatur,
ddie Versauuerung der Meere durrch die Auffnahme vonn anthropoogenen CO2- Emissionen,
d Netzwerkggestaltung Rahmenbbedingungen der
17
Veränderunngen des Klimas, V K wie zum Beisp piel eine Verschiebung V g von Klim mazonen, v veränderte Meeresströömungen sowie s extreeme Wetterereignisse,, wie Dürrren und Ü Überschwem mmungen 133 sowie
d Rückgaang der Arteenvielfalt. den
Darüberr hinaus werden w durcch die Erdderwärmung g viele selbbstverstärkeende Mech hanismen ausgelöst. Hierzu zählt beisppielsweise das d Auftaueen von Perm mafrostbödeen, in deneen große men des Auftauens Mengenn an Methhan gespeicchert sind. Dieses Methan wirdd im Rahm freigeseetzt und träggt als starkes Treibhaussgas weiter zur Erderwärmung beii.
Abbildunng 2.4:
Verscchiedene Szennarien zur zuukünftigen du urchschnittlichhen Temperatuurentwicklung g bezogen auf das d Jahr 1990 [RYAN/ TURTON 2007], S. 3, 3 Datengrunddlage: [HOUGH HTON ET AL. 2001] 2
Die ökoologischen Folgen F der Erderwärm mung wirken n sich darübber hinaus aauf andere Systeme aus undd führen aucch hier zu neuen Gleichgewichtszuständen. So werdenn in Zukunft ft soziale Systemee durch einee Zunahme der globaleen Migration n von Umw weltflüchtlinngen stark verändert v werden.. Die Ausw wirkungen des Klimaw wandels au uf Wirtschaaftssysteme werden gleichfalls schwerw wiegend seiin. Für das Jahr 2050 werden w von n dem Deuttschen Instiitut für Wirtschaftsforschunng die weltweit w duurch den Klimawand K del verursaachten Schhäden auf bis zu 200 Milliarden $/a geschätzzt [KEMFER RT/ PRAETORIUS 200 05]. Im Steern-Report werden 0 % infolgge des Klim mawandels erwartet Einbußeen im Weltt-Bruttosozialprodukt von 5 - 20 [STERN ET AL. 20066]. 14
13
Die eiinzelnen Veräänderungen dees Klimas beeiinflussen sich h zudem vielfaach gegenseitigg.
14
In beiiden Studien werden w die erfforderlichen Kosten K für einen „effektivenn“ Klimaschuttz lediglich au uf 1 % des Welt--Bruttosozialpprodukts beziff ffert (vgl. [STEERN ET AL. 200 06], [KEMFER RT/ PRAETORIU US 2005]).
18
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Der Verkehrssektor trägt wesentlich zu diesen negativen Entwicklungen bei, weist aber auch ein hohes Verbesserungspotenzial auf. Mehr als die Hälfte des weltweiten Erdölverbrauchs geht auf den Verkehrssektor zurück [IEA 2008c] und er trägt mit 20 - 30 % wesentlich zu den anthropogenen CO2-Emissionen bei [UNFCCC 2007]. Der Anteil der erdölbasierten Kraftstoffe im Verkehrssektor lag im Jahr 2003 bei über 95 % (vgl. Abbildung 2.5). Dagegen lag der Anteil von Biokraftstoffen am gesamten Kraftstoffverbrauch bei lediglich 0,4 %. Bis zum Jahr 2008 konnte ein Anstieg des weltweiten Anteils der Biokraftstoffe auf 1,5 % verzeichnet werden. Auch für die Zukunft wird den Biokraftstoffen Potenzial für einen weiteren Anstieg zugesprochen. Elektrizität 1,00%
Kohleprodukte 0,30%
Biokraftstoffe 0,43%
Erdgas 2,80%
Erdölprodukte 95,47%
Abbildung 2.5:
Zusammensetzung des Kraftstoffabsatzes im Jahr 2003 [RYAN/ TURTON 2007], [IEA 2003a], [IEA 2003b]
Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Abschnitt das Potenzial und die Risiken biogener Energieträger und speziell biogener Kraftstoffe angeführt. 2.2.2
Potenziale und Risiken biogener Energieträger und biogener Kraftstoffe
In verschiedenen Studien wird das große Potenzial der Biomasse als Primärenergieträger aufgedeckt. Biomasse kann daher in Zukunft einen deutlich höheren Beitrag im Rahmen der Energieversorgung leisten, als er von der International Energy Agency [IEA 2008a] prognostiziert wird. Einen Überblick über verschiedene Studien15 geben Dornburg et al. [DORNBURG ET AL. 2008]. Die Ergebnisse sind in Abbildung 2.6 veranschaulicht. Dargestellt sind die in Studien angegebenen Bandbreiten verschiedener Biomassepotenziale im Jahr 2050 sowie die Bandbreite der weltweiten Energienachfrage in diesem Jahr. Ebenso sind die weltweite Energienachfrage sowie die Nachfrage nach Biomasse aus dem Jahr 2008 angeführt.
15
Zu diesen Studien zählen: [FISCHER ET AL. 2005], [HOOGWIJK ET AL. 2005], [HOOGWIJK/ TURKENBURG 2004], [OBERSTEINER ET AL. 2006], [PERLACK ET AL. 2005], [ROKITYANSKI ET AL. 2007], [SMEETS ET AL. 2007], [WOLF ET AL. 2003].
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
19
1500
1250
1000
EJ/Jahr
Weltweite EnergieͲ nachfrage (2050) 600
WeltweiteEnergienachfrage(2008)
500
250 200 50
Technisches BiomasseͲ potenzial (2050)
WeltweiteBiomasseͲ nachfrage(2008) (I) (II) (III) (IV) (V)
Abbildung 2.6:
Weltweite BiomasseͲ nachfrage (2050)
Nachhaltiges BiomasseͲ potenzial (2050)
(V)SteigerungderFlächenerträge (IV)Energiepflanzen(eingeschränkt) (III)Energiepflanzen (II)ÜberschussForstwirtschaft (I)ResteAgrarͲ undForstwirtschaft
ResteausAgrarͲ undForstwirtschaft(~100 EJ) ÜberschussausderforstwirtschaftlichenProduktion(~80EJ) Energiepflanzen,angebautaufwasserͲ undnährstoffreichenFlächen(~120 EJ) Energiepflanzen(eingeschränkt),angebautaufwasserͲ undnährstoffarmenFlächen(~70EJ) PotenzialauseinerSteigerungderFlächenerträgeinderLandwirtschaft(~140 EJ)
Prognose des Biomassepotenzials für das Jahr 2050 [IEA BIOENERGY 2009], [DORNBURG AL. 2008]
ET
Nach Aussage der unterschiedlichen Studien wird die Nachfrage nach Biomasse im Jahr 2050 auf 50 bis 250 EJ/a 16 eingeschätzt. Dieser Nachfragebereich liegt in weiten Teilen unter dem Biomassepotenzial, von dem erwartet wird, dass es im Rahmen eines nachhaltigen Anbaus bereitgestellt werden kann. Das Potenzial der nachhaltig erzeugten Biomasse wird in dem Bereich von 200 bis 500 EJ/a angenommen. Zu dieser Biomasse zählen Reststoffe aus der Forst- und Landwirtschaft, Überschüsse aus der Forstwirtschaft, Energiepflanzen (angebaut in Gebieten mit Böden minderer Qualität und/oder moderater Wasserknappheit sowie angebaut auf landwirtschaftlichen Flächen). Hinzuzurechnen ist ebenfalls das Biomassepotenzial resultierend aus einer Steigerung der Flächenerträge. Neben dem Biomassepotenzial, das im Rahmen einer nachhaltigen Erzeugung bereitgestellt werden kann, werden mögliche Ausprägungen des technischen Biomassepotenzials aufgezeigt. Das technische Biomassepotenzial beschreibt hierbei den unter den aktuellen technischen Gegebenheiten nutzbaren Anteil des theoretischen Potenzials 17 . Aus den Analysen der Studienergebnisse wird deutlich, dass zukünftig ein großes Biomassepotenzial für die energetische Nutzung vorhanden ist. Den im vorangegangenen Abschnitt 2.2.1 beschriebenen Problemen der Nutzung fossiler Kraftstoffe kann durch den Einsatz von Biokraftstoffen begegnet werden. Biokraftstoffe versprechen eine Reduktion von CO2-Emissionen, da durch die Verbrennung des Biokraftstoffs genau die Menge an Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird, die zuvor im Rahmen des 16
EJ: Exa Joule = 1018 J
17
Das theoretische Potenzial ist durch den maximalen Ertrag an Pflanzenmasse bestimmt, die durch den Prozess der Fotosynthese hergestellt wird.
20
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Pflanzenwachstums in der Biomasse gebunden wurde. Der verstärkte Anbau von Biomasse für die Kraftstoffproduktion lässt eine Stärkung der Landwirtschaft erwarten. Dies wird ebenfalls als Chance für Entwicklungsländer gesehen, in denen der Anbau von Biomasse als Industriezweig eröffnet oder ausgebaut werden kann. Speziell in Deutschland können sich mit der Entwicklung neuer Konversionstechnologien für die Biokraftstoffproduktion zudem Exportmöglichkeiten für den Maschinen und Anlagenbau eröffnen. Jedoch werden in der Produktion und im Einsatz von Biokraftstoffen nicht nur Vorteile gesehen. In der Vergangenheit sind verschiedene Kritikpunkte im Hinblick auf die ökonomischen, ökologischen und sozialen Folgen aufgetreten. Diese Kritikpunkte werden in den folgenden Absätzen zusammengefasst. Ökonomische Nachteile werden in den meistens hohen Herstellkosten der Biokraftstoffe gesehen sowie in den teilweise erforderlichen Anpassungen der Verbrennungskraftmotoren (vgl. Abschnitt 2.1.2). Höhere Herstellkosten von Biokraftstoffen im Vergleich zu ihren fossilen Pendants werden ohne eine gezielte und umfangreiche Förderung von staatlicher Seite zu durchschnittlich steigenden Kraftstoffpreisen führen. Steigende Kraftstoffpreise bedingen wiederum Einbußen der Logistikbranche. [NEUWAHL ET AL. 2008], [DUPRESSOIR ET AL. 2007] Diese wirtschaftliche Degression in der Logistikbranche wird als soziale Folge Arbeitsplatzverluste mit sich bringen. Als negative ökologische Folgen werden schlechte Treibhausgasbilanzen, negative Humusbilanzen sowie ein Rückgang der Artenvielfalt angeführt. Schlechte Treibhausgasbilanzen werden als Folgen von Landerschließungen (z.B. Brandrodungen von Regenwald in Brasilien) sowie des Einsatzes von fossilen Energieträgern im Rahmen der Biomassebereitstellung und Biomassekonversion angeführt. Insbesondere im Bereich des Biomasseanbaus werden große ökologische Risiken gesehen. Durch die Änderungen in der Landnutzung können große Mengen von Treibhausgasen freigesetzt werden (vgl. Abschnitt 2.2.4.2). Zudem kann eine intensive Bewirtschaftung beispielsweise durch eine verstärkte Abführung von Reststoffen zu einem Austrag von Nährstoffen und Mineralstoffen aus dem Boden und damit zu negativen Humusbilanzen führen. Ein weiteres Risiko wird in dem Rückgang der Biodiversität gesehen hervorgerufen durch einen erwarteten intensiven Anbau von Monokulturen. [CHERUBINI ET AL. 2009], [ZAH ET AL. 2007], [LARSON 2006] Negative soziale Folgen resultieren vor allem in Entwicklungsländern aus den steigenden Lebensmittelpreisen, die teilweise auf die Flächenkonkurrenz zwischen Biomasseanbau und Lebensmittelanbau zurückgeführt werden. [IEA BIOENERGY 2009] Steigende Preise von Grundnahrungsmitteln können insbesondere in den armen Bevölkerungsschichten von Entwicklungsländern gravierende Folgen haben. In Entwicklungsländern belaufen sich Ausgaben für Grundnahrungsmittel vielfach auf über 40 % der gesamten Ausgaben eines Haushalts [UNDP 1997]. Der Einsatz und die Herstellung neuer synthetischer Biokraftstoffe kann in Zukunft einige dieser Kritikpunkt entkräften. Als Rohstoffe können Reststoffe aus der Forst- und
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
21
Landwirtschaft verwendet werden. Auch können ganze Pflanzen als Rohstoff eingesetzt werden und somit höhere Flächenausbeuten erzielt werden. Diese beiden Eigenschaften reduzieren den Flächenbedarf und damit die Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Durch die breite Rohstoffbasis kann zudem dem Problem der Monokulturen begegnet werden. Die technischen und ökologischen Vorteile der synthetischen Biokraftstoffe beim Einsatz in Verbrennungskraftmaschinen gegenüber Biokraftstoffen der ersten Generation und herkömmlichen fossilen Kraftstoffen wurden bereits in Abschnitt 2.1.3 aufgezeigt. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob durch den Einsatz dieser synthetischen Biokraftstoffe insgesamt nachhaltige Zielsetzungen erreicht werden können. Hierzu werden in den folgenden Abschnitten die Rahmenbedingungen der Produktion und Nutzung synthetischer Biokraftstoffe im Hinblick auf ökonomische, ökologische und soziale Potenziale und Risiken untersucht. 2.2.3
Ökonomische Rahmenbedingungen von synthetischen Biokraftstoffen
Eine zwingende Voraussetzung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen ist eine ausreichend verfügbare Rohstoffbasis. Daher werden im folgenden Abschnitt zunächst Studien zum Biomassepotenzial für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen beschrieben. Im anschließenden Abschnitt werden Schätzungen der Herstellkosten von synthetischen Biokraftstoffen aufgezeigt. 2.2.3.1 Biomassepotenzial für synthetische Biokraftstoffe Zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe können grundsätzlich lignocellulosehaltige Stoffe eingesetzt werden (vgl. Abschnitt 2.1.2). Diese Stoffe werden in den Sektoren Land-, Forst- und Abfallwirtschaft sowohl in Form von Reststoffen als auch durch eigens für die Biomasse angebaute Energiepflanzen bereitgestellt. Energiepflanzen umfassen beispielsweise Kurzumtriebshölzer (z.B. Pappeln, Weiden, Eukalyptus), Energiegräser (z.B. Miscanthus, Sudangras) und verschiedene Getreidearten (z.B. Triticale). Zu den Reststoffen zählen Restholz, Altholz, Schwachholz, Landschaftspflegeholz sowie Stroh. Auch Abfallstoffe, wie Exkremente aus der Landwirtschaft, Bioabfälle aus Haushalten sowie Klärschlamm sind einsetzbar. Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung werden letztere bislang jedoch überwiegend für Fermentationsprozesse genutzt. Im Folgenden werden zunächst Einflussfaktoren auf das Biomasse- und Reststoffpotenzial beschrieben. Anschließend werden konkrete Studien zur Ermittlung des Biomasse- und Reststoffpotenzials (nachstehend als Biomassepotenzial zusammengefasst) angeführt. Die verfügbaren Massen und Qualitäten der unterschiedlichen Biomassen werden durch diverse Einflussfaktoren und durch Wechselwirkungen zwischen diesen determiniert. Grundsätzlich kann zwischen den Einflussfaktoren auf das Potenzial von Energiepflanzen sowie auf das Potenzial von Reststoffen unterschieden werden. Das Potenzial der Energie-
22
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
pflanzen wird hierbei sowohl durch die zur Verfügung stehenden Anbauflächen als auch durch die erzielbaren Flächenerträge auf den Anbauflächen bestimmt. Die für die Produktion von Energiepflanzen verfügbaren Anbauflächen werden durch nachfolgende konkurrierende Flächennutzungsansprüche beschränkt [FRITSCHE ET AL. 2004], [KALTSCHMITT ET AL. 2003]:
Naturschutzflächen,
Flächen für den Nahrungsmittel- und Futtermittelanbau,
Waldbewirtschaftung,
Wohn- und Gewerbeflächen,
Flächen für Infrastruktur.
Den genannten Flächennutzungsansprüchen wird bei Potenzialabschätzungen in der Regel der Vorrang vor der Herstellung von Energiepflanzen gegeben. Zur Abschätzung des Flächenbedarfs dieser Nutzungsarten werden Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung und zu dem zukünftigen Konsumverhalten mit einbezogen. Im Hinblick auf die Naturschutzflächen werden ausgewiesene Naturschutzgebiete berücksichtigt. Aufgrund dieser Konkurrenzsituation ist davon auszugehen, dass in der Europäischen Union für den Energiepflanzenanbau zukünftig verstärkt ehemalige Stilllegungsflächen genutzt werden. Diese Stilllegungsflächen umfassen Ackerflächen, die nach der Verordnung (EG) 1107/2007 zur Vermeidung von Überproduktion bis zum Jahr 2008 nicht zur Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse genutzt werden durften. Neben den verfügbaren Flächen haben die erzielbaren Flächenausbeuten einen entscheidenden Einfluss auf die erzeugte Energiepflanzenmasse. Die Flächenausbeuten werden durch die geologischen und klimatischen Gegebenheiten (z.B. Bodenqualitäten und Niederschlag), den Anbaumix bzw. die gewählten Fruchtfolgen, die Bewirtschaftungsintensität sowie durch Fortschritte in der Pflanzenzüchtung bestimmt. Gleichzeitig bewirken steigende Flächenausbeuten in anderen Bereichen, wie beispielsweise der Lebensmittelproduktion, einen Anstieg der verfügbaren Anbaufläche für Energiepflanzen. [BROZIO/ MÜLLER 2006] Als Reststoffe für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe werden Reststroh sowie Resthölzer betrachtet. Das grundsätzliche Strohaufkommen wird hierbei aus dem Anteil des Getreideaufkommens und des Korn/Stroh-Verhältnisses 18 ermittelt. Dabei muss auch die Bewirtschaftungsintensität 19 berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist die stoffliche Nutzung 18
Ein steigendes Korn/Stroh-Verhältniss, wie es prognostiziert wird vgl. [FRITSCHE ET Gunsten der Lebensmittelproduktion führen und zu einem Rückgang der Strohanteile.
19
Die Bewirtschaftungsintensität beschreibt in diesem Zusammenhang den gewählten Anteil des Strohs, der zur Sicherung der Humusbilanz auf den Feldern belassen wird.
AL.
2004], wird zu
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
23
des Strohs als Einstreu bei der Tierhaltung einzubeziehen. Dieser Bedarf wird beispielsweise von Kaltschnitt et al. [KALTSCHMITT ET AL. 2003] auf 80 % des verfügbaren Reststrohs geschätzt. Die Entwicklung des Restholzaufkommens wird maßgeblich durch den Holzmarkt beeinflusst. Konkurrierende stoffliche Nutzungsoptionen für Schwach- und Waldrestholz liegen in der Holzwerkstoffindustrie und in der Papierindustrie. Die Anteile der Energiepflanzen und der Reststoffe, die für die Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen zur Verfügung stehen, werden außerdem durch konkurrierende energetische Nutzungsoptionen beeinflusst. Biomasse, wie sie zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe erforderlich ist, wird ebenfalls zur Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt. Die Aufteilung des energetisch nutzbaren Biomassepotenzials wird zukünftig stark durch politische und technologische Faktoren beeinflusst. Politische Entscheidungen betreffen Anteile von Biokraftstoffen und Subventionen für die unterschiedlichen biomassebasierten Energieformen. Technologische Fortschritte in den Konversionstechnologien werden Ausbeuten und Umweltwirkungen der Konversionsprozesse bestimmen. Diese Fortschritte werden somit zum einen eine Rückwirkung auf die politische Strategie ausüben und zum anderen wesentlich die Kosten zur Wandlung der verschiedenen Energieformen beeinflussen. Zur Ermittlung von Biomassepotenzialen unter Berücksichtigung der genannten vielfältigen Einflussfaktoren werden integrierte Ansätze eingesetzt. [DORNBURG ET AL. 2008], [SIMON ET AL. 2005], [THRÄN ET AL. 2005], [NITSCH ET AL. 2004], [KALTSCHMITT ET AL. 2003] Diese basieren auf Studien zur Bevölkerungsentwicklung, zu Marktentwicklungen und zu Entwicklungen von Konversionstechnologien. Flächenausbeuten in der Land- und Forstwirtschaft werden desweiteren mit Hilfe von landwirtschaftlichen, fruchtartspezifischen Ertragsfunktionen und Fruchtfolgealgorithmen sowie von geographischen Informationssystemen 20 bestimmt. Ebenfalls werden in den integrierten Ansätzen gesetzliche Regulierungen berücksichtigt. Das technische Biomassepotenzial speziell für die Herstellung synthetischer Biokraftstoffe wird in verschiedenen Studien untersucht. Auf regionaler Ebene in Deutschland sind Untersuchungen für Nordhessen [HESSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT LÄNDLICHEN RAUM UND VERBRAUCHERSCHUTZ 2007], für Baden-Württemberg [KAPPLER 2008], für Niedersachsen [DOEDENS ET AL. 2005] und für Nordrhein-Westfalen [ARNOLD ET AL. 2006] anzuführen. Überregionale Untersuchungen für Deutschland werden beispielsweise in [REINHARDT ET AL. 2005] und [LEIBLE ET AL. 2007] durchgeführt. Eine umfassende europaweite Potenzialstudie, in der für ausgewählte Länder eine differenzierte regionale Betrachtung des Reststroh- und Energiepflanzenaufkommens vorgenommen wird, wird in dem EU-Verbundprojekt Renew durchgeführt. [RENEW D 5.1.1 2004] Hierbei werden zwei Szenarien unter den Annahmen entwickelt, dass Lebensmittel- und Faserproduktion nicht beeinflusst werden, Ertragssteigerungen bei jeglicher Form von Pflanzenanbau zu erwarten sind und Stilllegungsflächen für den Anbau von Energiepflanzen genutzt werden. Die 20
In geographischen Informationssystemen werden Informationen zu Bodenkennzahlen sowie klimatischen Bedingungen, wie Temperatur und Niederschlag, auf regionaler Ebene bereitgestellt.
24
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Szenarien beschreiben zum einen den ökologischen Anbau von Biomasse unter Vermeidung negativer Umwelteffekte und zum anderen einen konventionellen Anbau, der auf hohe Flächenausbeuten zielt. Ergebnisse dieser Untersuchungen sind für Deutschland für das Jahr 2020 in Abbildung 2.7 dargestellt. Stroh
Ökologischer Biomasseanbau
Kurzumtriebsholz
75,30PJ/a
in [PJ/a]
117,26PJ/a
KonventionellerBiomasseanbau
in [PJ/a]
166,40PJ/a
Abbildung 2.7:
132,58PJ/a
Szenarien zum Biomasseaufkommen in Deutschland im Jahr 2020 (Datenquelle: [RENEW D 5.1.1 2004])
Das Potenzial von Energiepflanzen ist exemplarisch für Kurzumtriebshölzer angegeben und beläuft sich für den herkömmlichen Anbau auf 166,40 PJ/a und für den ökologischen Anbau auf 75,30 PJ/a. Das Reststrohaufkommen wird für diese beiden Szenarien auf 132,58 PJ/a bzw. 117,26 PJ/a geschätzt. Hier wird von einem im Zeitverlauf sinkenden Potenzial aufgrund eines steigenden Korn/Stroh-Verhältnisses ausgegangen. Das Restholzaufkommen wird in der Studie aggregiert für ganz Deutschland in Höhe von 107,86 PJ/a bzw. 106,22 PJ/a ermittelt. Insgesamt ergibt sich damit ein Biomassepotenzial im Jahr 2020 für den konventionellen Anbau von 406,84 PJ/a und für den ökologischen Anbau von 298,78 PJ/a. Dies entspricht Erdöläquivalenten in Höhe von ca. 9,8 Mio. Mgoe 21 /a bzw. 7,2 Mio. Mgoe/a 22 . 21
oe: oil equivalent
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
25
Die Ergebnisse der durchgeführten Potenzialstudien weichen mitunter stark voneinander ab (vgl. hierzu auch Abbildung 2.6). Dies ist auf die vielfältigen Einflussfaktoren zurückzuführen, die in den einzelnen Studien teilweise selektiv und auf unterschiedlichen Aggregationsebenen betrachtet werden. Zudem werden in sämtlichen Studien Annahmen zu zukünftigen Entwicklungen getroffen, die in der Regel im Rahmen verschiedener Szenarien variiert werden. Vor diesem Hintergrund bestehen trotz der durchgeführten Potenzialstudien weiterhin Unsicherheiten bezüglich des zukünftig für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen verfügbaren Biomassepotenzials. 2.2.3.2 Herstellkosten synthetischer Biokraftstoffe Die Schätzungen der Herstellkosten 23 von synthetischen Biokraftstoffen erfolgte speziell für die Herstellung von synthetischem Biodiesel in verschiedenen Studien, zum Beispiel in [BEIERMANN 2009], [IEA 2008b], [KERDONCUFF 2008], [LEIBLE ET AL. 2007] und [HAMELINCK ET AL. 2004]. Die Ergebnisse der Schätzungen variieren zwischen den einzelnen Studien. Dies ist unter anderem auf die unterschiedlichen untersuchten Technologien und Kapazitäten der Anlagen zurückzuführen. In Tabelle 2.1 sind Ergebnisse ausgewählter Studien zusammengefasst. In den meisten Studien wird eine Reduktion der Herstellkosten über die Zeit beschrieben. Diese Reduktion wird durch technologische Fortschritte bezüglich der Produktionsprozesse sowie durch Lerneffekte im Betrieb der Anlagen erreicht [HAMELINCK ET AL. 2004]. Tabelle 2.1: Ergebnisse verschiedener Studien zu den kurz- und langfristigen Herstellkosten von synthetischem Biodiesel
Studie
Kurzfristig
Langfristig
Optimistisch
Pessimistisch
Optimistisch
Pessimistisch
[HAMELINCK ET AL. 2004]*
14 $/GJ
19 $/GJ
9 $/GJ
-
(0,48 $/l)**
(0,65 $/l) **
(0,31 $/l) **
[IEA 2008b]
1 $/lBä
1,2 $/lBä
0,6 $/lBä in 2030
1,34 €/l
0,7 $/lBä in 2030
0,55 $/lBä in 2050
0,65 $/lBä in 2050
-
-
[KERDONCUFF 2008] ***
1,02 €/l
[BEIERMANN 2009]
1,48 €/l
1,72 €/l
-
-
[LEIBLE ET AL. 2007]
0,9 €/l
1 €/l
-
-
Bä .. Benzinäquivalent * Hamelinck et al. (2004) schließen in der Bewertung den Prozessschritt der Raffination aus (vgl. Abschnitt 2.4)
22
Unter der Annahme: 1 GJ entspricht 2,4*10-2 Mgoe [IEA BIOENERGY 2009], S. 80
23
In diesem Abschnitt werden die Herstellkosten von synthetischem Biodiesel beschrieben. Diese beschreiben die Wandlung von Biomasse in synthetischen Biodiesel. Da Biodiesel eine Energieform ist, ist deren Herstellung im naturwissenschaftlichen Sinne nicht möglich.
26
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
** Unter der Annahme einer volumetrischen Energiedichte von 34 MJ/l *** Die Kostenschätzungen erfolgen speziell für Anlagen in Baden-Württemberg
Herstellkostenvonsynthetischem Biodieselin[$/GJ]
In der Studie von Hamelinck et al. [HAMELINCK ET AL. 2004] werden die Herstellkosten desweiteren differenziert analysiert. So wird der Einfluss von Größendegressionseffekten 24 auf die Herstellkosten bei Änderungen der Anlagenkapazität aufgezeigt. Durch eine Vergrößerung der Anlagenkapazität von 367 MW auf 1600 MW können beispielsweise die angenommenen Herstellkosten von 14 $/GJ um 14 % reduziert werden. Eine Reduktion der Kapazität auf unter 367 MW ist hingegen unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Desweiteren wird die zeitliche Entwicklung der Herstellkosten in Bezug auf die einzelnen Bestandteile analysiert. Die Ergebnisse sind in Abbildung 2.8 dargestellt. 20 47,19% 38,20%
15
Kurzfristig
KostenfürBiomasse 14,61%
10
BetriebsbedingteKosten Investitionsabhängige Kosten
5
0
Langfristig
17,07% Kurzfristig
Abbildung 2.8:
48,78% 34,15%
Langfristig
Zusammensetzung der Herstellkosten von synthetischem Biodiesel nach [HAMELINCK 2004]
ET AL.
In Abbildung 2.8 werden die pessimistisch geschätzten kurzfristigen Herstellkosten den optimistisch geschätzten langfristigen Herstellkosten gegenüber gestellt. Die investitionsabhängigen Kosten können langfristig zum einen bei Einsatz von Anlagen größerer Kapazität durch Größendegressionseffekte um 4,58 €/GJ gesenkt werden. Zum anderen führen Lerneffekte bezüglich der Produktionstechnologien zu einer weiteren Reduktion dieser Kosten. Bestimmte Bestandteile der betriebsbedingten Kosten, zum Beispiel Personalkosten, werden proportional zu den investitionsabhängigen Kosten gesenkt. Bezüglich der Biomassekosten werden in dieser Untersuchung im Zeitverlauf konstante Kosten pro Masseneinheit Biomasse unterstellt. Die Reduktion der entstehenden Biomassekosten ist auf höhere Prozessausbeuten zurückzuführen. Somit ergibt sich bezüglich der langfristigen anteiligen Zusammensetzung der Herstellkosten relativ eine Reduzierung der Anteile der investitionsabhängigen Kosten und der Kosten für Biomasse, während der Anteil der betriebsbedingten Kosten ansteigen wird.
24
Größendegressionseffekte beschreiben grundsätzlich das Phänomen, dass bei voller Kapazitätsauslastung größere Kapazitätseinheiten im Allgemeinen mit niedrigeren Kosten je Leistungseinheit arbeiten als mehrere kleine Einheiten mit gleicher Gesamtkapazität. [PETERS ET AL. 2002]
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
2.2.4
27
Ökologische Rahmenbedingungen von synthetischen Biokraftstoffen
Die ökologischen Auswirkungen der Herstellung und Produktion synthetischer Biokraftstoffe können durch ein Life Cycle Assessment beschrieben werden. In einem Life Cycle Assessment werden Ökobilanzen entlang des gesamten Lebenswegs von Produkten ermittelt. Der Lebensweg von synthetischen Biokraftstoffen erstreckt sich vom Biomasseanbau und von der Biomassebereitstellung über die Transformation der Biomasse in entsprechenden Produktionsanlagen bis hin zum Absatz der Biokraftstoffe am Markt und deren Einsatz in Verbrennungskraftmotoren. Die einzelnen Stationen des Lebenswegs sind über Transporte von Biomassen, Zwischenprodukten und produzierten synthetischen Kraftstoffen miteinander verbunden. Schematisch ist der Lebensweg von synthetischen Biokraftstoffen in Abbildung 2.9 dargestellt. Biomasseanbau und Biomassebereitstellung
TransformationderBiomasse insynthetischeBiokraftstoffe
AbsatzundNutzungder synthetischenBiokraftstoffe
… …
…
…
…
Transporte
Abbildung 2.9:
Schematische Darstellung des Lebenswegs von synthetischen Biokraftstoffen
Die Erstellung einer Ökobilanz wird in der DIN EN ISO 14044 25 standardisiert. Hier werden vier Teilschritte vorgesehen: Die Zieldefinition, die Erstellung einer Sachbilanz, die Wirkungsabschätzung und die Auswertung. In der Zieldefinition ist es zunächst erforderlich, den Hintergrund und das Ziel der zu erstellenden Ökobilanz zu analysieren. Darauf aufbauend können die betrachtete Systemgrenze gezogen sowie die zu bilanzierenden Größen und die erforderliche Qualität der zu ermittelnden Daten festgelegt werden. Als weiterer wesentlicher Bestandteil der Zieldefinition wird die Bezugsgröße, die sogenannte funktionelle Einheit, der Ökobilanz festgelegt (z.B. ein GJ synthetischer Biokraftstoff). Aufbauend auf der Zieldefinition werden in der Sachbilanz die Daten für die Bilanzgrößen entlang des Lebenswegs zusammengestellt. In einem ersten Schritt wird hierzu der betrachtete Lebensweg bzw. das betrachtete System beschrieben. Dann werden die Input- und Outputströme der Bilanzgrößen entlang des Lebenswegs für das System ermittelt. Die 25
In der DIN EN ISO 14044 werden die überabeitete ISO Norm 14040 sowie die ISO Normen 14041, 14042 und 14043 zusammengeführt.
28
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Ermittlung kann sowohl empirisch erfolgen als auch mit Hilfe von Modellen, die das System oder Teilsysteme beschreiben. Die resultierenden Sachbilanzgrößen für das System bilden die Basis der folgenden Wirkungsabschätzung. In der Wirkungsabschätzung werden die Sachbilanzgrößen zunächst durch eine Zuordnung zu bestimmten Umweltwirkungskategorien klassifiziert. Diese Umweltwirkungskategorien werden entsprechend der Zielsetzungen der Ökobilanz aus den folgenden Kategorien ausgewählt: Ressourcenverbrauch, Naturraumbeanspruchung, Treibhauseffekt, Abbau der Ozonschicht, Versauerung, Eutrophierung (Nährstoffeintrag), Ökotoxizität (Toxische Schädigung von Organismen), Humantoxizität (Toxische Schädigung von Menschen), Photosmog sowie Lärmbelästigung. Grundsätzlich können Umweltwirkungskategorien zusammengefasst werden, hierzu ist eine Normierung und Gewichtung der Kategorien erforderlich. In dem letzten Schritt der Auswertung werden die ermittelten Ergebnisse analysiert und interpretiert. Hierbei werden häufig Vergleiche mit Referenzsystemen durchgeführt, um Aussagen zur Vorteilhaftigkeit zu treffen und so Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Da die Datenermittlung im Rahmen der Sachbilanzerstellung häufig auf Annahmen bezüglich einzelner Systemparameter beruht, werden in vielen Auswertungen zusätzlich Sensitivitätsanalysen 26 durchgeführt. In diesen Sensitivitätsanalysen werden einzelne Modellparameter variiert und das Ergebnis dieser Variationen auf die Ökobilanz analysiert. Ökobilanzen für Biokraftstoffe wurden bereits in verschiedenen Life Cycle Assessment Studien erstellt. Auswertungen dieser Studien sind beispielsweise in [LARSON 2006] und [CHERUBINI ET AL. 2009] zu finden. Life Cycle Assessment Studien speziell für synthetische Biokraftstoffe werden in den Arbeiten von Fritsche und Wiegmann [FRITSCHE/ WIEGMANN 2008a], Kerdoncuff [KERDONCUFF 2008], Jungbluth et al. [JUNGBLUTH ET AL. 2008], [JUNGBLUTH ET AL. 2007a], [JUNGBLUTH ET AL. 2007b], Reinhardt et al. [REINHARDT ET AL. 2006], Baitz et al. [BAITZ ET AL. 2004] durchgeführt. Grundsätzliche Umweltwirkungen in einzelnen Subsystemen, wie beispielsweise dem Biomasseanbau und der Biomassebereitstellung, sind zwischen den unterschiedlichen Biokraftstoffen jedoch vergleichbar. Im Folgenden werden daher Ergebnisse von Life Cycle Assessment Studien sowohl für Biokraftstoffe der ersten Generation als auch für Biokraftstoffe der zweiten Generation dargestellt und Unterschiede in den Studien diskutiert. Ziel dieser Darstellungen ist, ein differenziertes Bild der ökologischen Rahmenbedingungen speziell für die Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen aufzuzeigen und so ein Verständnis für die teilweise unterschiedlichen Ergebnisse von Life Cycle Assessment Studien bezüglich der ökologischen Auswirkungen von Biokraftstoffen im Allgemeinen und synthetischen Biokraftstoffen im Speziellen zu erlangen. Hierzu werden im Sinne der Zieldefinition zunächst Unterschiede in den Zielsetzungen von Life Cycle Assessment Studien und der betrachteten Systeme sowie gezogenen Systemgrenzen aufgezeigt.
26
Die Sensitivitätsanalyse wird als ein Instrument zur Berücksichtigung von Unsicherheiten in Abschnitt 3.3.1 beschrieben.
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
29
2.2.4.1 Zieldefinitionen bestehender Life Cycle Assessment Studien für Biokraftstoffe Die Mehrzahl der bisher angefertigten Life Cycle Assessment Studien für Biokraftstoffe zielen auf die Abschätzung des Treibhauspotenzials sowie das Einsparungspotenzial fossiler Energieträger von unterschiedlichen Biokraftstoffen ab. Außerdem erfolgt ein Vergleich mit fossilen Kraftstoffen. [CHERUBINI ET AL. 2009], [LARSON 2006] Eine breitere Betrachtung wird beispielsweise in den Life Cycle Assessment Studien für synthetische Biokraftstoffe vorgenommen. In diesen Studien werden neben dem Treibhauspotenzial ebenfalls weitere Umweltwirkungskategorien berücksichtigt. Reinhardt et al. [REINHARDT ET AL. 2006] gehen in ihrer Studie beispielsweise auf die Umweltwirkungskategorien in Anlehnung an die DIN EN ISO 14044 ein. Kerdoncuff untersucht die Umweltwirkungskategorien: Fossiler Energieaufwand, Treibhauspotenzial, Versauerungspotenzial und Eutrophierungspotenzial. In den bestehenden Life Cycle Assessment Studien werden in Abhängigkeit der jeweiligen Biokraftstoffe unterschiedliche Systeme bzw. Lebenswege betrachtet. Unterschiede können in allen Stationen des Lebenswegs auftreten [CHERUBINI ET AL. 2009], [LARSON 2006] und betreffen zum Beispiel:
Den Typ und die Herkunft des Rohstoffs sowie Annahmen zur Erzeugung (z.B. Einsatz von Dünger und Bewirtschaftungsintensität),
die eingesetzten Transportmittel und die durchschnittlichen Transportdistanzen,
die angewendeten Konversionstechnologien sowie
die Nutzungstechnologien (Eigenschaften der Pkw und Lkw).
Neben den Unterschieden in den betrachteten Lebenswegen werden desweiteren verschiedene Systemgrenzen gezogen. So werden in einzelnen Studien Kuppelprodukte in die Betrachtung mit einbezogen, wie beispielsweise Strom in [KERDONCUFF 2008]. In anderen Studien werden Gutschriften aus der Kuppelproduktion nicht berücksichtigt, wie beispielsweise in [JUNGBLUTH ET AL. 2008]. Diese Studie ist ebenfalls ein Beispiel für eine weit gezogene Systemgrenze, durch die Emissionen bei der Herstellung der genutzten Pkw berücksichtigt werden. In Abhängigkeit der Zielsetzung der Life Cycle Assessment Studie und der gewählten Systemgrenze wird schließlich die funktionelle Einheit festgelegt. Die in den Studien gewählten funktionellen Einheiten sind beispielsweise Energieeinheiten (1 GJ Kraftstoff im Tank) [KERDONCUFF 2008], [JUNGBLUTH ET AL. 2007b], oder „Nutzungseinheiten“ (gefahrene Pkw-Kilometer) [FRITSCHE/ WIEGMANN 2008b], die mit einer bestimmten Nutzungstechnologie zurückgelegt werden. Die Wahl von Energieeinheiten im Tank als funktionelle Einheit der Ökobilanzierung ist kritisch zu würdigen, da weder die unterschiedlichen Wirkungsgrade der Motoren, noch der erforderliche Flächenbedarf als Ressource für die Biomasseherstellung berücksichtigt werden. Daher wird die Angabe von Treibhausgas-
30
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
emissionen bezogen auf eine normierte Fahrstrecke oder Fläche gefordert [CHERUBINI ET AL. 2009], [FRITSCHE/ WIEGMANN 2008a], [LARSON 2006]. Im Folgenden wird die Erstellung von Sachbilanzen für eine funktionelle Einheit entlang des Lebenswegs beschrieben. Zudem werden im Rahmen der Wirkungsabschätzung die Umweltfolgen der Bilanzgrößen aufgezeigt. 2.2.4.2 Erstellung von Sachbilanzen und Wirkungsabschätzungen für Biokraftstoffe Zur Erstellung von Sachbilanzen werden aufbauend auf einer detaillierten Beschreibung des jeweiligen Systems die Bilanzgrößen erhoben. Zur Erhebung der Bilanzgrößen für Biokraftstoffe können drei Vorgehensweisen gewählt und kombiniert werden. Erstens können die Daten für bestehende Systeme oder Subsysteme empirisch erhoben werden. Dies stellt in der Regel ein sehr aufwendiges Vorgehen dar. Zweitens können die Bilanzgrößen für einzelne Systembestandteile (z.B. für den Anbau und die Bereitstellung bestimmter Biomassearten, den Transport von Stoffen oder die Nutzung synthetischer Biokraftstoffe in Pkw) speziellen Datenbanken entnommen werden. Zu diesen Datenbanken zählen beispielsweise GEMIS [GEMIS 2010] oder PROBAS [PROBAS 2010]. Als dritte Möglichkeit können Simulationsmodelle einzelner (Sub-)Systeme erstellt und durch Simulationsläufe die Bilanzgrößen ermittelt werden. Eine detaillierte und quantifizierte Angabe der Bilanzgrößen bezogen auf die einzelnen Stationen des Lebenswegs von synthetischen Biokraftstoffen ist in keiner der Life Cycle Assessment Studien für synthetische Biokraftstoffe gegeben. Die Bilanzgrößen werden in der folgenden Wirkungsabschätzung den in der Zieldefinition gewählten Umweltkategorien zugeordnet. Im Folgenden werden relevante Bilanzgrößen für die Bewertung von synthetischen Biokraftstoffen beschrieben und den vier Umweltkategorien Energieeinsparungen, Treibhauspotenzial, Versauerung und Eutrophierung zugeordnet. In der Umweltwirkungskategorie Energieeinsparungen wird die Nutzung bzw. der Einsatz von nicht erneuerbaren Energieträgern und erneuerbaren Energieträgern zusammengefasst. In der Auswertung der erstellten Bilanzen wird häufig ausschließlich die Nutzung nicht erneuerbarer Energieträger als Vergleich herangezogen. Zu den nicht erneuerbaren Energieträgern zählen Erdöl, Erdgas, Steinkohle, Braunkohle und Uranerz. [JUNGBLUTH ET AL. 2007b], [REINHARDT ET AL. 2006] Eine Ressourcenschonung kann erreicht werden, indem nicht erneuerbare Energieträger in möglichst geringem Umfang eingesetzt werden. Auf dem Lebensweg von synthetischen Biokraftstoffen werden Energieformen auf Basis fossiler Energieträger in allen Bereichen eingesetzt. Im Rahmen des Biomasseanbaus und der Biomassebereitstellung erfolgt der Einsatz fossiler Energie im Rahmen der Düngemittelherstellung und der Bewirtschaftung von Anbauflächen mit Landmaschinen, die in der Regel mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. In der Produktion werden nicht erneuerbare Energieformen in den Anlagen genutzt, sofern die Produktionsanlagen nicht autark betrieben werden. Zudem wird in den bestehenden Studien davon ausgegangen, dass beim Transport zur Bereitstellung von Rohstoffen, Zwischenprodukten und produzierten synthetischen
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
31
Biokraftstoffen fossile Energie (z.B. fossiler Kraftstoff oder Elektrizität) gewandelt wird [JUNGBLUTH ET AL. 2007b] Das Treibhauspotenzial wird durch die Masse der emittierten klimawirksamen Gase bestimmt. Zu den bedeutenden Treibhausgasen zählen Kohlenstoffdioxid (CO2), Distickstoffoxid (N2O) und Methan (CH4). Dabei tragen Kohlenstoffdioxid (CO2) und Distickstoffoxid (N2O) mit 95 % zu den Treibhausgasemissionen bei. [JUNGBLUTH ET AL. 2007b] Beschrieben wird das Treibhauspotenzial durch den Indikator CO2-Äquivalente. Die Gase Methan und Distickstoffoxid weisen hier im Vergleich zum Kohlenstoffdioxid ein vielfaches Treibhauspotenzial auf: Distickstoffoxid wirkt 298-fach auf das Treibhauspotenzial [FORSTER ET AL. 2007], Methan hat eine 21-fache Wirkung [SOLOMON ET AL. 2007]. Kohlenstoffdioxid wird durch die Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Stoffen freigesetzt (z.B. bei Brandrodungen, in Prozessen zur Produktion der synthetischen Biokraftstoffe sowie in Motoren). Zudem treten Kohlenstoffdioxidemissionen als Folge der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung auf. Über 50 % der Distickstoffoxidemissionen werden in der landwirtschaftlichen Produktion sowie in der Herstellung von Düngemitteln freigesetzt 27 . Ein weiterer Anteil fällt in der Produktion an. [JUNGBLUTH ET AL. 2007b] Methanemissionen entstehen in der landwirtschaftlichen Produktion sowie bei der Verbrennung von Biomasse in den Produktionsanlagen und von fossilen Kraftstoffen. Die Versauerung von Böden und Gewässern wird vornehmlich durch Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx) und Ammoniak (NH3) verursacht. Diese Emissionen fallen zu etwa gleichen Anteilen über den Lebensweg an. Gemessen wird das Versauerungspotenzial in SO2Äquivalenten. Die Versauerungswirkung von Ammoniak ist um das 1,88-fache höher als die von Schwefeldioxid. Stickoxide bzw. Stickoxid (NO2) ist in seiner Wirkung (0,7-fach) im Vergleich geringer. [REINHARDT ET AL. 2006] Diese Stoffe werden im Rahmen der Biomasseproduktion freigesetzt, von den Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe emittiert und entstehen infolge von Transporten. [KERDONCUFF 2008], [JUNGBLUTH ET AL. 2007a] Die Eutrophierung beschreibt einen übermäßigen Eintrag von Nährstoffen in Böden und in Gewässer. Dieser Eintrag erfolgt über Phosphate (PO4), Ammoniak (NH3) und Chlorwasserstoff (HCl). Gemessen wird das Eutrophierungspotenzial in PO4-Äquivalenten. Über 50 % der zur Eutrophierung beitragenden Emissionen entstehen in der landwirtschaftlichen Produktion. Ein ebenfalls wesentlicher Beitrag zur Eutrophierung wird durch die Produktionsanlagen verursacht. Starke Änderungen in bestehenden Sachbilanzen für Biokraftstoffe können durch Änderungen in den Annahmen zum Biomasseanbau hervorgerufen werden. [CHERUBINI ET AL. 2009], [FRITSCHE/ WIEGMANN 2008b], [JUNGBLUTH ET AL. 2008], [LARSON 2006] Auf diesen Bereich beziehen sich zudem die ökologischen Kritikpunkte an Biokraftstoffen: Zerstörung von Naturraum, negative Treibhausgasbilanzen infolge von Landerschließungen und ein 27
Hierbei werden auch Nitratemissionen berücksichtigt, die teilweise in Distickstoffoxid und damit indirekte Distickstoffoxidemissionen umgewandelt werden.
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Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Rückgang der Biodiversität (vgl. Abschnitt 2.2.2). Speziell in den Studien zu synthetischen Biokraftstoffen wird diese Stufe des Lebenswegs bislang wenig analysiert. 28 Die Bilanzgrößen des Biomasseanbaus und der Biomassebereitstellung werden in diesen Studien bestehenden Datenbanken entnommen. Diese Größen beschreiben dabei Anbauformen von Biomasse, die deutschen oder europäischen Standards entsprechen. Änderungen in der Landnutzung werden in der Regel nicht bei der Erhebung der Daten berücksichtigt [MEMMLER ET AL. 2009]. Auch erfolgen in den Studien keine umfassenden Analysen der Auswirkungen von der Bewirtschaftungsintensität und dem Einsatz von Düngemitteln. Diese Parameter können jedoch zu anderen Gleichgewichtszuständen zwischen den Kohlenstoffspeichern und der Freisetzung unerwünschter Stoffe führen. Diese Effekte werden beispielsweise in den Literaturüberblicken von Cherubini et al. [CHERUBINI ET AL. 2009] und Larson [LARSON 2006] beschrieben. Wesentliche Ergebnisse dieser Analysen werden im Folgenden aufgrund der großen Bedeutung von dem Bereich Biomasseanbau und Biomassebereitstellung zusammengefasst. Die Kohlenstoffspeicher sind Boden, Wasser, Atmosphäre und Vegetation. Im Boden sind ca. 2500 Pg Kohlenstoff gespeichert, dies ist im Vergleich zur Vegetation (560 Pg Kohlenstoff) und der Atmosphäre (760 Pg Kohlenstoff) ein großer Anteil. Durch einen verstärkten Anbau von Biomasse kann es zu Änderungen der Gleichgewichtsverhältnisse zwischen der Kohlenstoffspeicherung in der Erde und „oberhalb“ (Vegetation einschließlich Wurzeln und Atmosphäre) kommen [BRADLEY D. 2004], [COWIE 2004]. Aufgrund der hohen Kohlenstoffspeicherung im Boden können bereits geringe Änderungen der Gleichgewichtszustände signifikante Auswirkungen auf das Klima haben [LARSON 2006]. Der Kohlenstoffbestand im Boden stellt sich entsprechend der zu- und abgeführten Kohlenstoffmassen ein. Der Eintrag von Kohlenstoff erfolgt über Pflanzenreste und andere organische Materialien, der Austrag über Zersetzungsvorgänge, Erosion und Auswaschungen. Bezüglich der Landnutzung werden direkte und indirekte Änderungen unterschieden. Die direkten Änderungen der Landnutzung betreffen die Erschließung von neuen landwirtschaftlichen Flächen, zum Beispiel aus Waldflächen oder Brachland. Indirekte Änderungen betreffen Änderungen der bisherigen Nutzungsform von landwirtschaftlichen Flächen, zum Beispiel die Umwandlung von Flächen, die bis dato zur Lebensmittel- oder Futterproduktion eingesetzt wurden. Veränderungen des Kohlenstoffgehalts im Boden und in der Vegetation sowie die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid und Methan 29 infolge einer neuen Form der Landnutzung werden durch die spezifischen Bedingungen des Einzelfalls bestimmt. [CHERUBINI ET AL. 2009], [MELLING ET AL. 2005], [DELUCCHI 2003] So führt beispielsweise die Rodung von Regenwald für Palmölplantagen zu hohen Austrägen von Kohlenstoff im Boden und in der Vegetation. Werden hingegen wenig bewachsene Flächen in Plantagen für Energiepflanzen, wie Gräser, umgewandelt, kann sowohl die Speicherkapazität 28
Eine Ausnahme stellt die Studie von Jungbluth et al. [JUNGBLUTH ET AL. 2007a] dar. In dieser Studie wird explizit der Bereich des Biomasseanbaues und der Biomassebereitstellung analysiert.
29
Die Methan-Emissionen von herkömmlichen landwirtschaftlichen Flächen infolge der Bewirtschaftung sind im Vergleich zu sonstigen Treibhausgasemissionen jedoch relativ gering [CHERUBINI ET AL. 2009].
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
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des Bodens als auch die der Vegetation erhöht werden. Gleichzeitig fördert eine solche Flächennutzung die Biodiversität. [CHERUBINI ET AL. 2009] Die Nutzung von tropischen Torfböden als Palmölplantagen kann beispielsweise die Methanspeicherkapazität der Böden erhöhen. Dem stehen jedoch CO2-Emissionen gegenüber, die mit der Erschließung der Flächen einhergehen. [HAMELINCK ET AL. 2008] Die intensive Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen führt in der Regel zu einem Abbau des Kohlenstoffgehalts im Boden. Hierzu trägt die Schädigung des Bodens durch die Bestellung bei, die die Zersetzungsvorgänge im Boden beschleunigt. Der fehlende Eintrag von pflanzlichen Resten in Brachzeiten ist ein weiterer Faktor für den Abbau des Kohlenstoffgehalts im Boden. Die intensive Bewirtschaftung ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass weniger pflanzliche Abfälle und Reststoffe auf den Feldern bzw. im Wald belassen werden. Diese Abfallstoffe führen dem Boden neben Kohlenstoff ebenfalls weitere Nährstoffe zu. Eine verstärkte anderweitige Nutzung dieser Abfallstoffe kann entsprechend zu negativen Humusbilanzen führen. [CHERUBINI ET AL. 2009] Diesen negativen Humusbilanzen wird durch den Einsatz von Düngemitteln entgegengewirkt. Der Einsatz von Düngemitteln erhöht in der Regel den Kohlenstoffbestand im Boden. Untersuchungen hierzu sind beispielsweise in [LEE ET AL. 2007] zu finden. Mit dem Einsatz von stickstoff- und phosphorbasierten Düngemitteln gehen jedoch andere Umweltbelastungen einher, wie die Kontamination der Böden und des Grundwassers. Beispielsweise begünstigt der Einsatz von Stickstoffdüngern die Freisetzung von Distickstoffoxiden, Methan und Ammoniak. [CHERUBINI ET AL. 2009], [LARSON 2006] Eine studienübergreifende Auswertung von quantifizierten Studienergebnissen in einzelnen Umweltwirkungskategorien wird im anschließenden Abschnitt 2.2.4.3 gegeben. 2.2.4.3 Auswertung von Life Cycle Assessment Studien für Biokraftstoffe In Life Cycle Assessment Studien für Biokraftstoffe werden durch den Einsatz der Biokraftstoffe eine Minderung der Nutzung von fossiler Energie sowie eine Reduktion der freigesetzten Treibhausgase im Vergleich zu den herkömmlichen fossilen Kraftstoffen aufgezeigt. 30 Die Minderung der Nutzung fossiler Energie bei der Herstellung und Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen wird im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen insbesondere durch die biogene Rohstoffbasis bedingt. Zudem werden in den Produktionsprozessen der synthetischen Biokraftstoffe als Kuppelprodukte Strom und Wärme gewandelt. Diese Kuppelprodukte können ebenfalls der Einsparung fossiler Energieträger angerechnet werden. Die in den einzelnen Life Cycle Assessment Studien angegebenen erzielbaren Reduktionen von Treibhausgasen werden in Abbildung 2.10 zusammengefasst. Dargestellt sind die Treibhausgasemissionen pro gefahrenen Pkw-Kilometer. Diese werden den Treibhausgas30
Eine umstrittene Ausnahme stellt beispielsweise die Studie von Crutzen et al. [CRUTZEN ET AL. 2007] dar.
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emissionen von fossilen Kraftstoffen sowie von Biokraftstoffen der ersten Generation gegenübergestellt. Aufgrund des starken Einflusses der genutzten Rohstoffbasis auf die Treibhausgasemissionen (vgl. Abschnitt 2.2.4.2) sind in Abbildung 2.10 jeweils die eingesetzten Biomassearten angegeben. THGͲEmissionenin[gCO2Ͳeq/km]
Abbildung 2.10: Treibhausgasemissionen verschiedener Kraftstoffe im Vergleich (Datenquelle: [CHERUBINI ET AL. 2009], S. 442)
Die Treibhausgasemissionen fossiler Kraftstoffe liegen pro gefahrenen Kilometer in einem Bereich zwischen 185 g CO2-eq. und 220 g CO2-eq. für Diesel und zwischen 210 g CO2-eq. und 220 g CO2-eq. für Benzin [CHERUBINI ET AL. 2009]. Sämtliche biogenen Substitute weisen niedrigere Treibhausgasemissionen auf. Desweiteren ist zu erkennen, dass Biodiesel und Bioethanol der zweiten Generation im Vergleich zu Biokraftstoffen der ersten Generation geringere Treibhausgasemissionen verursachen. Nach diesen Studienergebnissen werden somit selbst im pessimistischen Fall die Treibhausgasemissionen durch den Ersatz von herkömmlichem Diesel mit synthetischem Biodiesel um mehr als 70 % reduziert. Der Einsatz von Bioethanol der zweiten Generation verspricht für diesen Fall Treibhausgaseinsparungen in einer Größenordnung von über 76 %. Bezüglich der Umweltwirkungskategorien Versauerungspotenzial und Eutrophierungspotenzial wird in keiner der Life Cycle Asseessment Studien für synthetische Biokraftstoffe [FRITSCHE/ WIEGMANN 2008a], [KERDONCUFF 2008], [JUNGBLUTH ET AL. 2007a], [JUNGBLUTH ET AL. 2007b], [REINHARDT ET AL. 2006], [BAITZ ET AL. 2004] ein eindeutig positiver Schluss gezogen. Diese Potenziale sind sehr sensibel gegenüber Änderungen von Systemparametern, wie zum Beispiel den angenommenen Transportentfernungen und der
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Wirkungspotenzialevonsynthetischem DieselimVergleichzufossilemDiesel
eingesetzten Biomasseart [BAITZ ET AL. 2004]. Exemplarisch sind in Abbildung 2.11 die Ergebnisse der Untersuchungen von Baitz et al. [BAITZ ET AL. 2004] für die Herstellung von synthetischem Biodiesel für drei verschiedene Szenarien dargestellt. Als Rohstoff wird in diesen Szenarien Holz eingesetzt und es wird die durchschnittliche Distanz der erforderlichen Holztransporte variiert. 19%
20%
15%
13%
10% 0% Ͳ1%
Ͳ5%
Ͳ10%
Ͳ3%
Versauerungspotenzial50km Versauerungspotenzial200km
Ͳ13%
Ͳ20%
Eutrophierungspotenztial50km
Ͳ21%
Ͳ30% Ͳ32%
Ͳ29%
Eutrophierungspotenzial200km Ͳ27%
Ͳ40% Ͳ42%
Ͳ50% Zukunft
BasisͲAutark
TeilͲAutark
Abbildung 2.11: Veränderungen der Wirkungspotenziale bei Veränderungen des Rohstofftransportwegs (Datengrundlage: [BAITZ ET AL. 2004])
In den drei untersuchten Szenarien treten jeweils für unterschiedliche Transportdistanzen Änderungen bezüglich des Versauerungs- und des Eutrophierungspotenzials auf. Das Szenario „Zukunft“ beschreibt die Möglichkeit, zukünftig Energie und Prozessgase aus regenerativen Quellen in der Produktion von synthetischem Biodiesel einzusetzen. Aus Abbildung 2.11 geht hervor, dass in diesem Szenario für beide Transportdistanzen positive Versauerungs- und Eutrophierungspotenziale für synthetischen Biodiesel gegenüber fossilem Diesel entstehen. In dem Szenario „Basis-Autark“ wird der aktuelle Entwicklungsstand der untersuchten Produktionsprozesse berücksichtigt. Diese Produktionsprozesse werden in dem Szenario autark betrieben, d.h. die erforderliche Energie sowie die erforderlichen Prozessgase werden in der Produktionsanlage gewandelt bzw. gewonnen. In dem „Teil-Autarken“ Szenario wird hingegen nur der benötige Wasserstoff in der Anlage gewonnen. Strom und andere Gase werden extern bezogen. In den beiden letztgenannten Szenarien zeigen sich mit der Erhöhung der Transportdistanz des Rohstoffs Holz auf 200 km negative Entwicklungen bezüglich des Versauerungs- und Eutrophierungspotenzials. Das Versauerungspotenzial ist im Szenario „Basis-Autark“ bei einer Transportdistanz von 200 km im Vergleich zum fossilen Pendant nur noch um 1 % besser. In den anderen Fällen tritt jedoch eine Verschlechterung gegenüber dem fossilen Diesel ein. Als übergreifendes Ergebnis der untersuchten Life Cycle Assessment Studien für (synthetische) Biokraftstoffe kann abgeleitet werden, dass synthetische Biokraftstoffe deutliche Treibhausgaseinsparungen und einen wesentlich geringeren Einsatz fossiler Energieträger versprechen. Diese positiven Effekte müssen jedoch möglichen negativen Umwelteffekten bezüglich der Versauerung und Eutrophierung gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen werden. Weiterhin wird in Life Cycle Assessment Studien für
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Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Biokraftstoffe der ersten Generation aufgezeigt, dass der Bereich des Biomasseanbaus und der Biomassebereitstellung einen wesentlichen Einfluss auf die Sachbilanzen ausübt. 2.2.5
Soziale Rahmenbedingungen
Soziale Rahmenbedingungen wurden in bisherigen Studien speziell zu den Auswirkungen der Produktion und der Nutzung synthetischer Biokraftstoffe vergleichsweise selten analysiert bzw. nur in Form einer allgemeinen Diskussionen zur energetischen Nutzung von Biomasse und deren Anbau geführt. Eine standardisierte Vorgehensweise für die Durchführung eines Social Life Cycle Assessments existiert bislang nicht. Bestehende Ansätze zum Social Life Cycle Assessment orientieren sich jedoch am Vorgehen zur Erstellung der Ökobilanz, indem soziale Wirkungen entlang des Lebenswegs der Produkte analysiert werden. [GRIEßHAMMER ET AL. 2007] Da jedoch eine Bilanz im eigentlichen Sinne nur für einige der sozialen Wirkungen, wie beispielsweise Beschäftigungseffekte, möglich ist, wird der Großteil der sozialen Wirkungen im Rahmen eines Social Life Cycle Assessments qualitativ beschrieben und analysiert. Ein Katalog an festen Wirkungseffekten, wie bei einer Ökobilanz, besteht für das Social Life Cycle Assessment nicht. Wirkungseffekte werden daher bilanzspezifisch identifiziert. In den folgenden Abschnitten werden Studienergebnisse zu den sozialen Wirkungen von synthetischen Biokraftstoffen sowie von Biokraftstoffen im Allgemeinen beschrieben. Diese Beschreibung erfolgt in Anlehnung an Ökobilanzen entlang des Lebenswegs in den Bereichen Biomasseanbau und Biomassebereitstellung sowie Herstellung und Nutzung synthetischer Biokraftstoffe. Hierbei werden die sozialen Wirkungen in Entwicklungsländern sowie in der Europäischen Union als Repräsentant von entwickelten Ländern beschrieben. Für Entwicklungsländer werden im Rahmen des Biomasseanbaus und der Kraftstoffproduktion Chancen gesehen, aber auch Herausforderungen in Form steigender Lebensmittelpreise sowie der möglichen Zerstörung von Lebensraum und Lebensformen. Im Vordergrund der sozialen Untersuchungen in entwickelten Ländern stehen bislang Beschäftigungseffekte, die insbesondere im Rahmen der land- oder forstwirtschaftlichen Produktion des Rohstoffs Biomasse zum Tragen kommen. 2.2.5.1 Soziale Wirkungen des Biomasseanbaus und der Biomassebereitstellung Prognosen für verschiedene Szenarien der International Energy Agency zur Verteilung von Biomassepotenzialen für das Jahr 2050 zeigen deutlich, dass große Anteile des weltweit technisch nutzbaren Biomassepotenzials in Südamerika, Afrika südlich der Sahara und in den Baltischen Staaten liegen (vgl. Abbildung 2.12). [IEA BIOENERGY 2009] Diese Regionen umfassen eine große Anzahl an Entwicklungsländern. Für diese Länder kann der Anbau von Biomasse wesentliche Chancen im Rahmen ihrer zukünftigen industriellen Entwicklung beinhalten. Aktuell ist der internationale Handel mit biomassebasierter Energie mit ungefähr 1 EJ/a gering. Dies entspricht lediglich 2 % der weltweit genutzten biomassebasierten Energie. Der Biokraftstoffproduktion und insbesondere der Produktion von Biokraftstoffen
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der zweiten Generation werden hohe Wachstumsraten zugesprochen. Langfristig werden vor allem Länder in Lateinamerika und südlich der Sahara als Exporteure von Bioenergie auftreten. Europa, Nordamerika und Asien werden hingegen als Importeure fungieren. [IEA BIOENERGY 2009] Mit dem Ausbau oder der Erschließung dieses Sektors gehen jedoch Herausforderungen einher. Diese gilt es zu identifizieren, um negativen sozialen Effekten frühzeitig entgegenwirken zu können. Im Wesentlichen werden in diesem Zusammenhang die Preisentwicklungen von Grundnahrungsmitteln, die Folgen eines Ausbaus der landwirtschaftlichen Produktion in Entwicklungsländern (vgl. z.B. [WBGU 2009], [WELTHUNGERHILFE 2008]) sowie die erzielbaren Beschäftigungseffekte diskutiert.
Surplus forest growth Agricultural and forestry wastes and residues All numbers in [EJ]
Dedicated woody bioenergy crops on surplus agricultural land
Abbildung 2.12: Prognosen zum weltweiten technischen Biomassepotenzial im Jahr 2050 31 ([IEA BIOENERGY 2009], S. 19)
In der Vergangenheit wurden bereits Auswirkungen der Preissteigerungen von Lebensmitteln als eine Folge der zunehmenden Biokraftstoffproduktion diskutiert. Steigende Preise von Grundnahrungsmitteln können insbesondere in den armen Bevölkerungsschichten von Entwicklungsländern gravierende Folgen haben. Wie bereits beschrieben, belaufen sich in Entwicklungsländern die Ausgaben für Grundnahrungsmittel vielfach auf über 40 % der gesamten Ausgaben eines Haushalts [UNDP 1997]. Die zu erwartenden Auswirkungen der verstärkten Herstellung von Biokraftstoffen auf die Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse werden kontrovers diskutiert. Verschiedene Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. 32 In den Studien [EC 2007] und [MSANGI ET 31
Die jeweils dargestellten vier Balken repräsentieren unterschiedliche Szenarien.
32
Eine umfassende Übersicht über Studienergebnisse ist beispielsweise in [IEA BIOENERGY 2009], S. 48-50 zu finden.
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AL. 2006] wird explizit die Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen berücksichtigt. In der Studie [EC 2007] wird ein Biokraftstoffanteil von insgesamt 10 % für das Jahr 2020 angenommen, der zu 30 % von Biokraftstoffen der zweiten Generation bereitgestellt wird. Als Ergebnisse werden Preissteigerungen in Europa von 3 - 6 % für Cerealien, von 8 - 10 % für Rapssamen und von 15 % für Sonnenblumensamen bezogen auf Preise aus dem Jahr 2006 prognostiziert. In der Studie von Msangi et al. [MSANGI ET AL. 2006] werden Preiseffekte der Biokraftstoffproduktion in den Märkten USA, Europäische Union, Indien und Brasilien untersucht, wobei für das Jahr 2020 ein Biokraftstoffanteil von 20 % angenommen wird. Die prognostizierten Preisänderungen beziehen sich in dieser Untersuchung auf den Fall, dass keine synthetischen Biokraftstoffe eingesetzt werden. Es ergeben sich unter diesen Voraussetzungen Preissteigerungen von 25 - 40 % für Getreide, von 40 - 65 % für Zuckerrohr, 15 - 30 % für Weizen und von 40 - 75 % für ölhaltige Samen. Grundsätzlich wird in den Studien ein Anstieg der Lebensmittelpreise prognostiziert. Dieser kann jedoch auch als Chance gesehen werden, da Land- und Forstwirte ebenfalls höhere Preise für ihre Produkte erzielen können [IEA BIOENERGY 2009].
Im Hinblick auf die Folgen eines Ausbaus der landwirtschaftlichen Produktion von Biomasse für die Biokraftstoffproduktion in Entwicklungsländern werden bislang insbesondere Aspekte der Flächennutzung diskutiert. Zu diesen Aspekten zählen die Entwaldung im Rahmen der Flächenerschließung für die Biomasseproduktion sowie die Veränderungen von grundsätzlichen sozialen Strukturen in der Landwirtschaft. In Entwicklungsländern, wie beispielsweise Brasilien 33 , Indonesien und Thailand, werden Brandrodungen zur Erschließung neuer Flächen für Ölpalmen- und Sojaplantagen durchgeführt. Neben den bereits beschriebenen ökologischen Auswirkungen (vgl. Abschnitt 2.2.4) wird vielfach der Lebensraum von dort lebenden Naturvölkern zerstört. [WBGU 2009] Diese Beobachtungen aus der Vergangenheit führen bereits dazu, dass Zertifizierungssysteme für die Biomasseproduktion entwickelt werden, in denen die Flächenerschließung von schützungswürdigen Flächen ausgeschlossen wird. Bislang ist die Landwirtschaft in Entwicklungsländern oftmals durch Kleinbauern geprägt, die weder fortschrittliche Technologien noch aktuelle Erkenntnisse zur effizienten Bewirtschaftung nutzen können. Die Herstellkosten der produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnisse liegen daher in der Regel über den Weltmarktpreisen. Vor diesem Hintergrund ist bereits vielerorts ein Wandel in den landwirtschaftlichen Strukturen hin zu Großbetrieben und Plantagen zu beobachten, in denen insbesondere Größendegressionseffekte genutzt werden. In der Vergangenheit sind vielfach negative Folgen dieses Strukturwandels zu Tage getreten, da bislang notwendige gesetzliche Regularien und deren Durchsetzung fehlen, die eine Partizipation der Kleinbauern am Strukturwandel sicherstellen. So wurden beispielsweise Kleinbauern in Kolumbien von ihrem Land verdrängt. Die Arbeitsverhältnisse in den entstehenden Großbetrieben sind vielfach menschenunwürdig. [ODENWALD 2007] 33
Nach der DAC-Liste der Entwicklungsländer und -gebiete veröffentlicht durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
39
Sowohl in Entwicklungsländern als auch in der Europäischen Union werden aufgrund eines verstärkten Biomasseanbaus positive Beschäftigungseffekte in der Landwirtschaft prognostiziert. In Entwicklungsländern werden mit dem Ausbau der bestehenden landwirtschaftlichen Produktion von Biomasse zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen. Diese Arbeitsplätze können zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern beitragen, sofern internationale Standards eingehalten werden. Zu diesen Standards zählen zum Beispiel keine Kinderarbeit, Vermeidung von Gefahren und Risiken für die menschliche Gesundheit sowie die Gewährleistung einer angemessenen Vergütung. In entwickelten Ländern wird aufgrund eines zunehmenden Biomasseanbaus ebenfalls ein Anstieg der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft prognostiziert. Innerhalb der Landwirtschaft werden jedoch auch Verdrängungseffekte in der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion auftreten. Konkrete Studienergebnisse zu den Beschäftigungseffekten in der Landwirtschaft werden im folgenden Abschnitt im Rahmen einer branchenübergreifenden Darstellung der Beschäftigungseffekte beschrieben. Die Studienergebnisse im Bereich des Biomasseanbaus können wie folgt zusammengefasst werden: In entwickelten Ländern werden positive soziale Effekte durch den verstärkten Biomasseanbau in Form von positiven Beschäftigungseffekten erwartet. Der Biomasseanbau bietet ebenfalls für Entwicklungsländer große Chancen. Um hier einen sozialverträglichen Anbau der Biomasse für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe sicherzustellen, sind umfassende gesetzliche Regularien sowie deren Durchsetzung erforderlich. Desweiteren sind Entwicklungsländer im Rahmen der Biomassebereitstellung durch einen Transfer von landwirtschaftlichen Technologien sowie mit Erkenntnissen und Forschungsergebnissen bezüglich der aktuellen landwirtschaftlichen Praxis von entwickelten Ländern zu unterstützen. 2.2.5.2 Soziale Wirkungen der Produktion und Nutzung synthetischer Biokraftstoffe Untersuchungen der sozialen Wirkungen der Produktion und Nutzung von Biokraftstoffen im Allgemeinen und synthetischen Biokraftstoffen im Speziellen beziehen sich vornehmlich auf Beschäftigungseffekte, die neben der Landwirtschaft auch in weiteren Branchen zum Tragen kommen. Hierzu zählen zum Beispiel die Bauindustrie, der Verkehrssektor, die Mineralölwirtschaft sowie Technologiebranchen, die an der Entwicklung von Konversionstechnologien beteiligt sind. Vornehmlich werden in bestehenden Studien Beschäftigungseffekte in entwickelten Ländern untersucht [NEUWAHL ET AL. 2008], [MORENO/ LOPEZ 2008], [DUPRESSOIR ET AL. 2007], [MEYER ET AL. 2007], [HILLEBRAND ET AL. 2006], [WHITELY ET AL. 2004]. Eine Ausnahme stellt die Studie von Scaramucci und Cunha [SCARAMUCCI/ CUNHA 2007] für ein Entwicklungsland dar. In dieser Studie wird beispielsweise ein hoher Beschäftigungseffekt für Brasilien in Höhe von 5 Mio. Arbeitsplätzen (einschließlich des Biomasseanbaues) ermittelt, sollten im Jahr 2015 5 % der weltweiten Benzinnachfrage durch Bioethanol gedeckt werden, das aus Zuckerrohr in Brasilien hergestellt wird. Die Beschäftigungseffekte in entwickelten Ländern werden in Studien kontrovers diskutiert. Die Beschäftigungseffekte sind weitreichend und betreffen neben der Landwirtschaft und der
40
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
eigentlichen Produktion der Biokraftstoffe viele weitere Branchen. Positive Beschäftigungseffekte in einer Branche gehen dabei in der Regel mit Arbeitsplatzverlusten in anderen Branchen einher. Positive Beschäftigungseffekte werden in der Produktion von (synthetischen) Biokraftstoffen auftreten. Voraussichtlich werden auch die Bereiche Forschung und Technologieentwicklung, die an der Entwicklung und Verbesserung der Konversionstechnologien arbeiten, positiv beeinflusst [NEUWAHL ET AL. 2008]. Der Bau der Konversionsanlagen wird wiederum Arbeitsplätze in der Investitionsgüterindustrie und Bauindustrie schaffen [MORENO/ LOPEZ 2008]. Gleichfalls werden jedoch auch negative Beschäftigungseffekte durch produktseitige Kompensationseffekte am Markt in den Bereichen der Raffination von Rohölprodukten und in der Stromerzeugung auf fossiler Rohstoffbasis erwartet. [NEUWAHL ET AL. 2008] Darüber hinaus werden steigende Energiepreise infolge eines zunehmenden Anteils von Bioenergie prognostiziert. Dieser Anstieg der Energiekosten wird langfristig zu Arbeitsplatzverlusten in verschiedenen Branchen führen. Grundsätzlich sind hier Branchen betroffen, die durch eine energieintensive Produktion charakterisiert sind, wie beispielsweise die Eisen- und Stahlindustrie. Die Einführung von neuen Biokraftstoffen wird zu zusätzlichen34 Preissteigerungen von Kraftstoffen führen, die wiederum einen Arbeitsplatzrückgang im Verkehrssektor zur Folge haben könnten. [HILLEBRAND ET AL. 2006] Zur Bestimmung der Beschäftigungseffekte aus der Produktion und Nutzung von erneuerbaren Energien im Allgemeinen und der Produktion von (synthetischen) Biokraftstoffen wurden für die Europäische Union bereits einige Studien durchgeführt. Diese Studien basieren in der Regel auf verschiedenen Szenarien, die unter anderem unterschiedliche Landnutzungsintensitäten sowie verschiedene Anteile der biomassebasierten Energie an der gesamten Energienachfrage umfassen 35 . In einer Studie von Whitely et al. [WHITELY ET AL. 2004] werden mit dem Fokus auf die EU-15 Beschäftigungseffekte allgemein für die Einführung regenerativer Energien untersucht. Als Ergebnis kommen die Autoren auf positive Beschäftigungseffekte im Bereich der erneuerbaren Energien sowie in der Landwirtschaft. Negative Beschäftigungseffekte werden hingegen im konventionellen Energiesektor prognostiziert. Eine weiter gefasste Studie der Europäischen Kommission [DUPRESSOIR ET AL. 2007] untersucht in dem Raum der EU-25 Beschäftigungseffekte der Nutzung erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2030. Dabei werden für den Fall, dass europäische Ziele bezüglich der Reduktion von CO2-Emissionen eingehalten werden, insgesamt Arbeitsplatzverluste prognostiziert. Hier können die positiven Beschäftigungseffekte in der Bauindustrie sowie in den direkt verbundenen Bereichen die negativen Effekte in anderen Branchen nicht kompensieren. Speziell mit der Einführung von Biokraftstoffen (Biodiesel der ersten und zweiten Generation sowie Ethanol der ersten und zweiten Generation) in der EU-25 beschäftigen sich die Autoren Neuwahl et al. [NEUWAHL ET AL. 2008]. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Biokraftstoffanteile von 10 - 15 % ohne negative Beschäftigungseffekte realisiert werden können. Exemplarisch sind in Abbildung 2.13 die Beschäftigungswirkungen 34
Aufgrund der Förderung von Rohöl aus schwerer zugänglichen Quellen wird auch für fossile Kraftstoffe in Zukunft mit einem Preisanstieg gerechnet.
35
Diese Anteile orientieren sich in der Regel an aktuellen und möglichen zukünftigen gesetzlichen Vorgaben.
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
41 36
für zwei ausgewählte Szenarien dargestellt . Als Ergebnisse für diese Szenarien mit und ohne Subventionierung resultieren positive Beschäftigungseffekte in den Bereichen Landwirtschaft, Industrie (hier insbesondere Unternehmen, die sich mit der Entwicklung und dem Verkauf von Produktionstechnologie für Biokraftstoffe der zweiten Generation beschäftigen) sowie in der Kraftstoffproduktion. Szenarioabhängig treten positive oder negative Beschäftigungseffekte im Bereich der Lebensmittelproduktion auf. Negative Auswirkungen auf die Beschäftigung sind für alle Szenarien in den Bereichen Dienstleistungen 37 und Transport sowie in der herkömmlichen Energiebereitstellung zu beobachten (vgl. Abbildung 2.13).
120.000
70.000
Basisszenario,mit Subventionen,Beschäftigungseffekte:100.222
20.000
BiokraftstoffederzweitenGeneration,mit Subventionen,Beschäftigungseffekte:Ͳ39.973
Ͳ30.000
Ͳ80.000
Basisszenario,ohne Subventionen,Beschäftigungseffekte:72.800
BiokraftstoffederzweitenGeneration,ohne Subventionen,Beschäftigungseffekte:19.764
Ͳ130.000
Ͳ180.000
Abbildung 2.13: Beschäftigungswirkungen der Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen in verschieden Branchen in Europa für das Jahr 2020 (Daten: [NEUWAHL ET AL. 2008])
Für Deutschland wird in einer Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag ein Beschäftigungszuwachs prognostiziert [MEYER ET AL. 2007]. In dieser Studie werden ein Anteil von Biokraftstoffen in Höhe von lediglich 5,57 %, eine Marktreife von Biokraftstoffen der zweiten Generation ab 2020 sowie eine Importquote in Höhe von 40 % angenommen. Betrachtet werden jedoch lediglich die direkt betroffenen Bereiche Landwirtschaft sowie Industrieunternehmen im Rahmen der Entwicklung, Herstellung und des Betriebs der Konversionstechnologien. Insbesondere der Bereich der synthetischen Biokraftstoffe trägt hier ab 2020 wesentlich zu einer Zunahme der Arbeitsplätze bei (vgl. Tabelle 2.2). Negative Auswirkungen in anderen Branchen, wie zum Beispiel dem Transport, werden nicht berücksichtigt.
36
Insgesamt untersuchen die Autoren fünf verschiedene Szenarien und führen jeweils Sensitivitätsanalysen durch.
37
Die ausgeprägten negativen Effekte im Bereich der Dienstleistungen sind dabei zum einen auf den fehlenden direkten Zuwachs durch die Biokraftstoffproduktion und Biokraftstoffnutzung in diesem Bereich zurückzuführen. Zum anderen weist der Dienstleistungssektor insgesamt die höchste Anzahl an Beschäftigten auf, so dass bereits geringe Einflüsse große Auswirkungen auf die Anzahl der Beschäftigten haben können.
42
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Tabelle 2.2: Beschäftigungswirkungen der verstärken Nutzung von Bioenergie in Deutschland (Daten: [MEYER ET AL. 2007])
Beschäftigungswirkungen in [Arbeitsplätze]
2004
2010
Nutzung von Energiepflanzen gesamt
23.300
47.400
2020 89.800
Biokraftstoffe
18.400
34.200
76.300
Biodiesel
18.100
20.700
23.700
Bioethanol
300
13.500
12.100
BtL
-
-
40.500
Energie und Strom aus Biomasse
4.900
13.200
13.500
Beschäftigungswirkungen in der deutschen Landwirtschaft Biokraftstoffe
8.301
12.716
15.780
Energie und Strom aus Biomasse
260
2.314
3.378
Als Ergebnis der Studien kann festgehalten werden, dass Arbeitsplätze in direkt betroffenen Bereichen geschaffen werden. Diese Bereiche sind neben der Landwirtschaft Industrieunternehmen, die Technologien für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen entwickeln, herstellen und betreiben. Gleichzeitig sind jedoch in anderen Branchen negative Beschäftigungseffekte zu erwarten. Zum einen treten Verdrängungseffekte im Bereich der herkömmlichen Kraftstoffproduktion auf. Zum anderen wird der vermehrte Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und im Allgemeinen von Biokraftstoffen zu einem Anstieg der Kraftstoffpreise und damit einhergehend zu einem Arbeitsplatzabbau in der Logistikbranche führen. 2.2.6
Wesentliche Erkenntnisse hinsichtlich der nachhaltigen Produktion von synthetischen Biokraftstoffen
In den vorangegangenen Abschnitten wurden ökonomische, ökologische und soziale Chancen sowie Risiken der Produktion und des Einsatzes von synthetischen Biokraftstoffen beschrieben. Unter ökonomischen Gesichtspunkten stellen synthetische Biokraftstoffe vor dem Hintergrund endlicher fossiler Rohstoffe eine Option dar, den weiterhin ansteigenden Energiebedarf teilweise durch den regenerativen Rohstoff Biomasse sicherzustellen. Das weltweite Biomassepotenzial wird in verschiedenen Studien hoch eingeschätzt, ist allerdings hinsichtlich der verfügbaren Massen, der Qualitäten und der Preise ungewiss. Die Biomassekosten haben einen wesentlichen Anteil an den Herstellkosten. Die Herstellkosten sind aktuell aufgrund des frühen Entwicklungsstadiums der Produktionstechnologien im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen hoch 38 . Langfristig wird jedoch bedingt durch Größendegressions- und Lerneffekte mit sinkenden Herstellkosten gerechnet. Eine rein ökonomische Vorteilhaftigkeit der synthetischen Biokraftstoffe ist langfristig allerdings nur bei weiterhin
38
Im März 2010 lagen die durchschnittlichen Herstellkosten von fossilem Diesel bei lediglich 0,414 €/l, der durchschnittliche Verkaufspreis bei 1,206 €/l [MWV 2010b].
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
43
gewährter Steuerbefreiung sowie bei einem Anstieg der Herstellkosten fossiler Kraftstoffe bzw. bei stark steigenden Kraftstoffpreisen zu erwarten. Deutliche Vorteile können hingegen aus ökologischer Perspektive durch den Einsatz von synthetischen Biokraftstoffen in Bezug auf die CO2-Emissionen erreicht werden. Synthetische Biokraftstoffe weisen im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen ein hohes CO2Minderungspotenzial auf und wirken somit der fortschreitenden Erderwärmung entgegen. Die verursachten CO2-Emissionen hängen jedoch entscheidend von den spezifischen Gegebenheiten in den einzelnen Netzwerken zur Herstellung der synthetischen Biokraftstoffe ab. Insbesondere der Bereich des Biomasseanbaus ist wesentlich für Treibhausgasemissionen mitverantwortlich. Hier führen die Entscheidungen über die Landnutzungsänderungen, über die angebauten Pflanzen und die Fruchtfolgen, über die Bewirtschaftungsintensität sowie über den Einsatz von Düngemitteln zu Änderungen der Kohlenstoffbestände in Boden, Atmosphäre, Vegetation und Wasser. Jedoch sind neben den positiven Treibhausgasbilanzen der synthetischen Biokraftstoffe ebenfalls mögliche negative ökologische Folgen zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Versauerung und die Eutrophierung. Daher sind ökologisch vorteilhafte Folgen in einem Bereich den eventuell verursachten Schäden in anderen Bereichen gegenüber zu stellen und abzuwiegen. Auch durch die Bewirtschaftungs-, Konversions- und Transportprozesse werden Treibhausgase verursacht, so dass auch in diesen Bereichen effiziente Technologien einzusetzen sind. In Bezug auf die sozialen Folgen der Produktion von synthetischen Biokraftstoffen können sowohl Chancen als auch Risiken aufgedeckt werden. In entwickelten Ländern werden durch die Einführung von synthetischen Biokraftstoffen sowie von Biokraftstoffen im Allgemeinen neben einer erwarteten Beschäftigungszunahme auch Verdrängungs- und Verlagerungseffekte in der Beschäftigung auftreten. Ein frühzeitiges Bewusstsein dieser Effekte erlaubt es, entsprechende Maßnahmen in den betroffenen Branchen, wie Umschulungen und gezielte Ausbildungsförderung, einzuleiten. Weltweit wird durch eine verstärkte Produktion von Biokraftstoffen zukünftig eine zunehmende Konkurrenz zwischen der Biomasseproduktion und der Lebensmittelproduktion zu beobachten sein. Dies wird zu weiteren Preissteigerungen führen. Zudem können negative Folgen durch die Zerstörungen von Lebensraum und durch einen Strukturwandel in der Landwirtschaft auftreten. Die Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation wird jedoch in den genannten Bereichen zu einer Entspannung der Konkurrenzsituationen führen. Zum einen können Reststoffe verwendet werden. Zum anderen sind die Flächenausbeuten höher, so dass im Vergleich zur Herstellung von Biomasse für die erste Generation von Biokraftstoffen weniger Fläche benötigt wird. Aus den ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe kann abgeleitet werden, dass die Landwirtschaft ein grundsätzliches Interesse an der Produktion synthetischer Biokraftstoffe hat. Durch eine hohe Nachfrage nach Biomasse eröffnen sich neue Absatzmöglichkeiten für Landwirte und gleichzeitig werden Preise landwirtschaftlicher Produkte voraussichtlich ansteigen. Diese Trends werden jedoch grundsätzlich auch mit anderen Formen der energetischen Nutzung von
44
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Biomasse einhergehen, zum Beispiel in Blockheizkraftwerken. Aufgrund dieser alternativen Absatzmöglichkeiten von landwirtschaftlichen Produkten und insbesondere von Energiepflanzen sowie den großen Risiken der noch in der Entwicklung befindlichen Produktionstechnologien für synthetische Biokraftstoffe werden landwirtschaftliche Konsortien Investitionen in entsprechende Produktionsnetzwerke sehr risikoavers gegenüber stehen. 2.3
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Netzwerke für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen werden in Europa durch Verordnungen der europäischen Union sowie durch die nationale Gesetzgebung beeinflusst. Die Verordnungen der europäischen Union gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat. Durch die EU-Verordnung (EG) No 443/2009 wird über die Automobilindustrie Einfluss auf die zukünftig verfügbaren Antriebstechnologien und damit indirekt auf die Nachfrage nach entsprechenden Kraftstoffen genommen. In der deutschen nationalen Gesetzgebung wird darüber hinaus direkt mit dem Biokraftstoffquotengesetz die Einführung von Biokraftstoffen am Kraftstoffmarkt vorgeschrieben. Um die nachhaltigen Ansprüche an diese Biokraftstoffe sicher zu stellen, wurden mit der nationalen Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung gesetzliche Vorgaben für den Anbau von Biomasse sowie die Produktion der Biokraftstoffe erlassen. Mit dem Biokraftstoffquotengesetz und der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung wurden in Deutschland Ziele aus der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen umgesetzt. Im Folgenden werden die angeführten gesetzlichen Vorgaben näher beschrieben. 2.3.1
EU-Verordnung (EG) No 443/2009
In der EU-Verordnung (EG) No 443/2009 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 23. April 2009 werden Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen festgesetzt. Diese Emissionsnormen geben einen durchschnittlichen Zielwert von 120 g CO2/km vor, der im Zeitverlauf von einem steigenden Anteil der Fahrzeuge der Flotte eines Automobilherstellers erreicht werden soll. Eine Minderung des durchschnittlichen CO2-Flottenausstoßes auf 130 g CO2/km soll dabei durch eine Verbesserung der Motorentechnik erreicht werden, weitere 10 g CO2/km können durch andere technische Verbesserungen und den Einsatz von nachhaltigen Biokraftstoffen angerechnet werden. Die zeitliche Entwicklung des Flottenanteils, der im Durchschnitt den Zielwert zu erreichen hat, ist in Tabelle 2.3 dargestellt. Tabelle 2.3: Entwicklung der Prozentsätze zur Bestimmung der durchschnittlichen spezifischen CO2Emissionen
Jahr
2012
2013
2014
ab 2015
Prozentualer Anteil der neuen Personenkraftwagen, der zur 65 % Bestimmung der durchschnittlichen spezifischen CO2Emissionen herangezogen wird
75 %
80 %
100 %
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
45
Besonders begünstigt werden Fahrzeuge, deren CO2-Emission geringer als 50 g/km ist. Diese Fahrzeuge können bei der Kalkulation des durchschnittlichen Flottenausstoßes in den ersten Jahren mehrfach berücksichtigt werden. In den Jahren 2012 und 2013 können diese Fahrzeuge mit dem Faktor 3,5 angerechnet werden, im Jahr 2014 mit dem Faktor 2,5 und im Jahr 2015 mit dem Faktor 1,5. Ab 2016 dürfen auch diese Fahrzeuge nur noch einfach in die Berechnungen eingehen. Eine Überschreitung des durchschnittlichen CO2-Flottenausstoßes erfordert Abgaben von Seiten der Automobilhersteller. Die Höhe dieser Abgaben richtet sich nach der Höhe der Überschreitung und ist in den ersten Jahren gestaffelt 39 . Sie ist bei der Überschreitung des Zielwerts für sämtliche neue Personenkraftwagen zu entrichten. Ab dem Jahr 2019 gilt dann ein einheitlicher Abgabensatz für die Überschreitung von 95 €/g CO2/km pro neuem Personenkraftwagen. Um diese Zielvorgaben zu erfüllen, können von den Automobilherstellern verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Diese Maßnahmen umfassen eine Änderung der Fahrzeugpalette hin zu kleineren PKW, die Entwicklung von neuen effizienten Motoren sowie die Entwicklung und den Einsatz von neuartigen Antriebskonzepten, wie beispielsweise Lithium-Ionen-Batterien und Brennstoffzellen zum Antrieb von Elektromotoren. Während die Entwicklung und Einführung neuer Antriebstechnologien sowie der Aufbau der erforderlichen Infrastruktur längere Zeiträume in Anspruch nehmen werden und somit eine langfristige Option darstellen, kann durch den Einsatz synthetischer Biokraftstoffe kurz- bis mittelfristig ein Beitrag zur Einhaltung der dargestellten Zielvorgaben geleistet werden. Motorenanpassungen sind dabei nicht zwingend erforderlich, verbessern aber die Leistung und reduzieren zusätzlich Emissionen. 2.3.2 Biokraftstoffquotengesetz (BioKraftQuG) In Deutschland werden durch eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Biokraftstoffquotengesetz Mindestanteile von Biokraftstoffen am Diesel-, Benzin- und Gesamtkraftstoffabsatz vorgeschrieben. Diese Anteile können sowohl über eine Beimischung von Biokraftstoffen zu Kraftstoffen auf fossiler Basis erfolgen als auch über den Absatz reiner Biokraftstoffe. 40 Das Biokraftstoffquotengesetz wurde zur Umsetzung von Zielvorgaben der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates erlassen. Diese Zielvorgaben sehen vor, bis zum Jahr 2020 10 % der Energienachfrage im Verkehrssektor durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken. Zur Sicherung einer nachhaltigen Umsetzung dieser Vorgaben wird in der Richtlinie 2009/28/EG die bis dahin geltende Richtlinie 2003/30/EG zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im 39
Bei einer Überschreitung von > 3 g CO2/km Abgaben in Höhe von 95 €/g CO2/km pro Pkw; Überschreitung 3 g CO2/km > 2 g CO2/km Abgaben in Höhe von 25 €/g CO2/km pro Pkw; ; Überschreitung 2 g CO2/km und > 1 g CO2/km Abgaben in Höhe von 15 €/g CO2/km pro Pkw, ; Überschreitung 1 g CO2/km Abgaben in Höhe von 5 €/g CO2/km pro Pkw.
40
Eine Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestquoten führt zu Strafen (0,6 €/l Biodiesel bzw. 0,9 €/l Bioethanol).
46
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Verkehrssektor in Teilen übernommen und insbesondere um Anforderungen an eine nachhaltige Produktion der Biokraftstoffe ergänzt. Unter anderem wurde das Ziel, bis zum Jahr 2020 20 % der Energienachfrage im Verkehrssektor durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken, auf 10 % herabgesetzt. Die Einführung der Richtlinie 2009/28/EG zur Aufhebung der Richtlinie 2003/30/EG führte zu einer Revision des Biokraftstoffquotengesetzes. In Deutschland wurden die im Biokraftstoffquotengesetz am 18. Dezember 2006 festgelegten Gesamtanteile von Biokraftstoffen am Kraftstoffabsatz mit der Änderung vom 18. Juni 2009 reduziert. Zudem werden ab dem Jahr 2015 die energetischen Anteile durch eine Klimaschutzquote ersetzt. Durch die Klimaschutzquote werden Reduzierungen der Treibhausgasemissionen beschrieben. Diese Änderungen sowie aktuell vorgeschriebene Anteile sind in Tabelle 2.4 dargestellt. Tabelle 2.4: Änderungen der minimal geforderten Biokraftstoffquoten in Deutschland
Jahr
2007
Quoten nach Änderung des BioKraftQuG vom 18. Juni 2009
Quoten des BioKraftQuG vom 18. Dezember 2006
DieselQuote (%) 4,40
BenzinQuote (%)
GesamtQuote (%)
DieselQuote (%)
BenzinQuote (%)
GesamtQuote (%)
4,40
1,20
-
1,20
-
2008
2,00
-
2,00
-
2009
2,80
5,25
2,80
6,25
6,25
3,6
6,75 -7,75 41
2010 - 2014 THG-Einsparungen (%) 2015 - 2016
3,00
2017- 2019
4,50
2020
7,00
Neben der Festlegung der Mindestanteile wird durch das Biokraftstoffquotengesetz die Besteuerung der einzelnen Biokraftstoffe durch Änderungen im Energiesteuergesetz geregelt. Die dort festgelegten Regelsteuersätze gelten für Biokraftstoffe, die innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestquoten abgesetzt werden. Der Absatz von Biokraftstoffen über diese Quoten hinaus sowie der Absatz besonders förderungswürdiger Biokraftstoffe sind steuerbegünstigt. Zu diesen besonders förderungswürdigen Biokraftstoffen zählen: synthetische Biokraftstoffe, Zellulose-Alkohole sowie Kraftstoffe, die einen Ethanolanteil zwischen 70 % und 90 % aufweisen (vgl. Energiesteuergesetz, § 50, Absatz 5). Diese Biokraftstoffe sind bis zum Jahr 2015 mit der Einschränkung einer Überkompensationsregelung von Steuern befreit.
41
Es erfolgt eine jährliche Erhöhungen um 0,25 %. Die Mindestquoten wurden bis zum Jahr 2015 festgelegt. Die vorgeschriebene Gesamtquote im Jahr 2015 wird somit 8 % betragen.
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
2.3.3
47
Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung
In der Verordnung vom 30. September 2009 über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen (Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung) wird festgelegt, welche Biokraftstoffe im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes den Biokraftstoffquoten angerechnet werden können und entsprechend des Energiesteuergesetzes als Biokraftstoffe besteuert werden. Als Bewertungskriterien werden sowohl die Nutzung von ökologisch verträglich erzeugter Biomasse 42 als auch die Reduktion von Treibhausgasemissionen herangezogen. Bezüglich eines ökologisch verträglichen Anbaus von Biomasse werden in der Verordnung folgende wesentliche Anforderungen formuliert:
Biomasse von Flächen mit hohem Naturschutzwert43 , von Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand 44 sowie von Flächen, die zum 1. Januar 2008 Torfmoor waren, darf nicht verwendet werden.
Biomasse muss entsprechend der guten fachlichen Praxis angebaut werden.45 Ein Nachweis hat über entsprechende Zertifizierungssysteme zu erfolgen.
Zudem werden als Biokraftstoffe im Sinne der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung nur solche Biokraftstoffe der Quotenerfüllung angerechnet, die bestimmte Treibhausgaseinsparungen im Vergleich zu den entsprechenden fossilen Kraftstoffen ermöglichen. So sind ab dem Jahr 2010 Treibhausgaseinsparungen von mindestens 35 % vom biogenen Substitut gegenüber dem fossilen Kraftstoff zu erreichen. In den folgenden Jahren wird der geforderte Betrag der Treibhausgasminderung weiter erhöht. Ab dem Jahr 2017 steigt der Wert auf mindestens 50 % und wird in 2018 weiter auf mindestens 60 % 46 erhöht. 2.3.4
Schlussfolgerungen aus den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Netzwerkgestaltung
In der Europäischen Union wird das Ziel verfolgt, CO2-Emissionen im Straßenverkehr zu senken. Durch die EU-Verordnung (EG) No 443/2009 werden Automobilhersteller verpflichtet, den durchschnittlichen CO2-Ausstoss ihrer Pkw-Flotten zu senken. Zudem werden in Deutschland durch das Biokraftstoffquotengesetz Mineralölkonzerne verpflichtet, gewisse Mindestanteile von Biokraftstoffen am gesamten Kraftstoffabsatz bereitzustellen. In beiden Fällen stellen synthetische Biokraftstoffe eine vielversprechende Option dar. Daraus folgt, dass sowohl die Mineralölkonzerne als auch die Automobilindustrie ein besonderes 42
Biomasse entsprechend der Biomasseverordnung vom 18. August 2005
43
Zu Flächen mit hohem Naturschutzwert zählen beispielsweise Naturschutzflächen sowie Grünland mit hoher Biodiversität.
44
Beispielsweise Moorflächen und Feuchtgebiete
45
Hier gilt der „Leitfaden Nachhaltige Biomasseherstellung“ der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).
46
Dieser Mindestwert von 60 % ab dem Jahr 2018 gilt ausschließlich für Biokraftstoffe, die in Anlagen produziert werden, die nach dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen werden.
48
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Interesse an der Einführung von synthetischen Biokraftstoffen und damit am Aufbau von Produktionsnetzwerken haben. Sie kommen somit als potenzielle Investoren für Produktionsanlagen in Frage. Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen sind Mineralölkonzerne und Automobilhersteller jedoch durch verschiedene Risikoeinstellungen bezüglich der Investition in Produktionsnetzwerke für synthetische Biokraftstoffe gekennzeichnet. Die Rahmenbedingungen von Mineralölkonzernen und Automobilherstellern werden in den folgenden beiden Absätzen zusammengefasst. Neben der Verpflichtung von Mineralölkonzernen, biogene Kraftstoffe einzusetzen, muss die Mineralölindustrie aufgrund der Erdölverknappung langfristig Rohstoffsubstitute für die Produktion von Kohlenwasserstoffen identifizieren. Kohlenwasserstoffe sind wichtige Ausgangsstoffe für die chemische Industrie zur Herstellung von Kunststoffen und anderen Chemieprodukten. Die Technologie zur Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen stellt eine wesentliche Basis auch für die Entwicklung von Produktionsverfahren für andere Kohlenwasserstoffe dar. Aufgrund dieser großen strategischen Bedeutung der Produktionsverfahren für synthetische Biokraftstoffe und der finanziellen Möglichkeiten der Großkonzerne, wird die Mineralölindustrie bereit sein, Risiken bei der Investition in Produktionsnetzwerke für synthetische Biokraftstoffe einzugehen. Ein besonderes Interesse der Mineralölkonzerne wird darin bestehen, im Rahmen der Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen Synergieeffekte durch die Einbindung bestehender Raffineriestrukturen zu nutzen [KAPPLER ET AL. 2009], [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008]. Für Automobilhersteller besteht ein wesentlicher Vorteil der synthetischen Biokraftstoffe darin, dass diese sauberer verbrennen (vgl. Abschnitt 2.1.3) und zu deutlichen CO2Einsparungen führen (vgl. Abschnitt 2.2.4.3). Als weiterer bedeutender Vorteil kann der Einsatz in aktuellen oder nur leicht modifizierten Verbrennungskraftmotoren angeführt werden. Im Hinblick auf Verbrennungskraftmotoren wurde in den vergangenen Jahrzehnten eine große Kompetenz insbesondere in der deutschen Automobilindustrie aufgebaut. Diese Kompetenz stellt einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. [VERBAND DER AUTOMOBILINDUSTRIE 2009] Alternative Antriebskonzepte, wie beispielsweise Elektromotoren oder Brennstoffzellen, die zur Erreichung einer Minderung der CO2-Emissionen eingesetzt werden können, befinden sich hingegen noch in der Entwicklung. Diese alternativen Antriebstechnologien gehen daher mit großen Risiken bezüglich der Marktreife der Antriebstechnologien, der erzielbaren Qualität der Antriebe (z.B. Reichweite und Lebensdauer) und der Entwicklung der entsprechenden Infrastruktur einher. Daher kann abgeleitet werden, dass Automobilhersteller in Zukunft gezwungen sind, große Risiken zur Erreichung von starken Minderungen der durchschnittlichen CO2-Emissionen ihrer Fahrzeugflotte einzugehen. Synthetische Biokraftstoffe bieten jedoch den Vorteil, dass sie in technologisch weit entwickelten und bekannten Verbrennungskraftmotoren eingesetzt werden können und eine entsprechende Tankstelleninfrastruktur vorhanden ist. Die Risiken für Automobilhersteller liegen somit nicht in der Antriebtechnologie, sondern in den Herstellungsprozessen und Herstellkosten der synthetischen Biokraftstoffe.
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
49
Sowohl Mineralölkonzerne als auch Automobilhersteller sehen sich jedoch mit langfristig unsicheren gesetzlichen Rahmenbedingungen konfrontiert. In der Vergangenheit wurden beispielsweise Änderungen der Biokraftstoffanteile sowie Änderungen der Besteuerung von Biokraftstoffen in Deutschland vorgenommen. Dies führte bereits zu Schließungen von erst kurz laufenden Produktionsanlagen für Biodiesel der ersten Generation. Auch wird die EUVerordnung (EG) No 443/2009 bis zum Jahr 2013 einer Überprüfung und Folgenabschätzung unterzogen [FALKE 2009]. Somit kann mit Änderungen der Verordnung gerechnet werden und die derzeit festgelegten Emissionswerte sowie Emissionsüberschreitungsabgaben sind unsicher. 2.4
Verfahrenstechnische Rahmenbedingungen
Verfahren zur Produktion von synthetischen Biokraftstoffen befinden sich in der Entwicklung. Grundsätzlich können derzeit zwei Ansätze unterschieden werden: Die direkte Verflüssigung der Biomasse und die Vergasung der Biomasse mit anschließender Synthese. Die Direktverflüssigung ermöglicht eine Umwandlung von Biomasse in einem Reaktor unter definierten Reaktionsbedingungen in Kraftstoff. [GOTTSCHAU 2009] Dieses Verfahren befindet sich noch in einem experimentellen Stadium. Als Vorteil dieses Vorgehens wird die geringe Anzahl der Prozessschritte angeführt. Aktuelle Untersuchungen von [MEIER 2007a] und [BEHRENDT 2007] zeigen jedoch, dass keine Kostenvorteile zu erwarten sind. Zwar ist es möglich, die Prozessschritte der Vergasung und der Gasreinigung einzusparen, jedoch wird eine aufwändige Nachbehandlung erforderlich. Derzeitige Forschungsarbeiten konzentrieren sich vornehmlich auf die Herstellungsverfahren über den Prozessschritt der Vergasung und werden im Rahmen dieser Ausführungen im Weiteren näher betrachtet. Als wesentliche und erfolgversprechende Entwicklungen sind die Produktionsprozesse des Forschungszentrums Karlsruhe (FZK) [HENRICH/ DINJUS 2004], der CHOREN Industries GmbH [CHOREN 2009], der Bergakademie Freiberg [RADIG ET AL. 2006] sowie an Anlagen in Güssing [HOFBAUER ET AL. 2003] anzuführen. Der grundlegende Ablauf dieser Verfahren ist in Abbildung 2.14 dargestellt. Dabei wird die Biomasse zunächst einer Vorbehandlung unterzogen. Diese umfasst in vielen Fällen zunächst eine Lagerung. Dem schließt sich eine Zerkleinerung und Trocknung an. Im Konzept des Forschungszentrums Karlsruhe ist zudem als weiterer Prozessschritt die Schnellpyrolyse zur Verflüssigung der Biomasse vorgesehen. Dieser Prozessschritt erfolgt im Anschluss an die eigentliche Vorbehandlung. Der Vorbehandlung folgen die Vergasung, die Gasaufbereitung, die Synthese (Methanolsynthese oder Fischer-Tropsch-Synthese) sowie die Raffination.
50
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung Biomasse
Vorbehandlung
Thermochemische Vergasung
Gasreinigung und Gaskonditionierung
Kohlenwasserstoffsynthese (Fischer-Tropsch-Synthese oder Methanolsynthese)
Raffination/Aufbereitung
Produkte: Kraftstoff, Wachse, Naphtha und weitere
Abbildung 2.14: Grundsätzlicher Ablauf von Verfahren zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe
In den folgenden Abschnitten werden die verfahrenstechnischen Ausgestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Prozessschritte dargestellt und technische Potenziale aufgezeigt. Eine Zuordnung der entwickelten Verfahren zu den aktuellen Produktionskonzepten wird anschließend in Abschnitt 2.4.6 gegeben. 2.4.1
Biomassevorbehandlung
Biomasse umfasst ein sehr heterogenes Stoffspektrum. Holzartige Biomasse ist zudem langfaserig und weist einen hohen Wassergehalt auf. Für die Stoffumwandlung in den weiterführenden Produktionsprozessen ist daher zunächst eine Vorbereitung der Biomasse erforderlich. In dieser Vorbereitung finden die Zerkleinerung und Vereinheitlichung der Biomasse auf das verfahrensspezifische Maß sowie die Trocknung statt. Abhängig von der Biomasseart und den Anforderungen der nachfolgenden Verfahrensschritte kommen hier verschiedene Zerkleinerungsverfahren zum Einsatz, wie beispielsweise Hacken, Zerspanen oder Schreddern. Im Anschluss daran erfolgt die Klassierung, in der durch Siebung die verschiedenen Korngrößen voneinander getrennt werden. Bereits bei diesem Schritt besteht die Möglichkeit, Störstoffe, wie Steine oder Erde, zu entfernen. Die Verwendung von Altrestholz kann weiterhin den Einsatz von Magnetabscheidern zur Entfernung von ferromagnetischen Störstoffen erfordern. [VOGEL ET AL. 2006] Die Lagerung von Biomasse ist erforderlich, um eine konstante Versorgung der Anlagen mit dem Einsatzstoff zu gewährleisten. Einige der Einsatzstoffe, wie beispielsweise Stroh, fallen saisonal aufgrund von Ernterestriktionen an. Als weiterer positiver Effekt der Lagerung kann zudem eine Reduktion des Wassergehalts der Biomasse erreicht werden. Die Lagerung kann
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
51
entweder im Freien oder überdacht erfolgen. Die Lagerung im Freien verursacht in der Regel geringere Lagerkosten. Abhängig von den Witterungsbedingungen birgt sie allerdings die Gefahr einer Erhöhung des Wassergehalts sowie einer mikrobakteriellen Zersetzung. Dies mindert den Heizwert und damit den Wert der Biomasse. Eine Lagerung mit Witterungsschutz führt dagegen in den meisten Fällen zu höheren Kosten. [VOGEL ET AL. 2006] Im Rahmen der Biomassetrocknung wird der Wassergehalt der Biomasse aktiv reduziert und somit der spezifische Energiegehalt der Biomasse erhöht. Die unterschiedlichen Biomassearten weisen verschiedene Wassergehalte auf. Bei Stroh liegt der Wassergehalt vor der Trocknung bei ca. 15 %, bei Holz und Energiepflanzen bei ca. 35 %. [RENEW D 5.1.1 2004] Zur weiteren Verarbeitung ist eine Reduktion des Wassergehalts auf ca. 15 % erforderlich. Dies kann durch eine direkte oder indirekte Trocknung in einer offenen oder rezirkulierenden Prozessführung erfolgen [VOGEL ET AL. 2006]. Im Rahmen der direkten Trocknung wird die vorbehandelte Biomasse gemeinsam mit dem Trocknungsmittel, beispielsweise in Form von Rauchgasen aus nachgelagerten Prozessen, direkt in einen Trommel- oder Drehrohrtrockner geleitet. Die Trocknung erfolgt somit durch die Vermischung und den direkten Kontakt zwischen Trocknungsgut und Trocknungsmittel. Im Gegensatz dazu erfolgt die Wärmeübertragung auf das Trocknungsgut bei der indirekten Trocknung über die Oberfläche von Wärmetauschern. Die Schnellpyrolyse wird hier ebenfalls im Rahmen der Vorbehandlung angeführt. Dieser Prozessschritt kann ebenso als eigenständige Verfahrensstufe betrachtet werden. Da dieser Verfahrensschritt jedoch eine Besonderheit des Produktionsprozesses des Forschungszentrums Karlsruhe ist und somit nicht allgemeingültig, wird er an dieser Stelle der Vorbehandlung zugeordnet. Im Allgemeinen bezeichnet die Pyrolyse den Abbau chemischer Verbindungen durch Wärmezufuhr unter Ausschluss von Sauerstoff. Als Produkte entstehen gasförmige, flüssige und feste Stoffe [LANGE 2007]. In der Schnellpyrolyse ist das Ziel, den Anteil an flüssigen Stoffen am Produktstrom zu maximieren. Dies erfordert sehr kurze Aufheizzeiten der Biomasse sowie kurze Verweilzeiten der entstehenden Gase im Reaktor. Zudem ist im Anschluss eine schnelle Kondensation der Gase erforderlich. Um eine schnelle Aufheizung zu gewährleisten, wird die Biomasse stark zerkleinert in den Prozess eingebracht. Die Biomasse sollte dabei Partikelgrößen im Millimeterbereich aufweisen. Zur Herstellung des Schnellpyrolysekondensats können verschiedene Reaktortypen eingesetzt werden. Diese unterscheiden sich hinsichtlich des Einsatzes eines Wärmeträgers. In Wirbelschichtreaktoren erfolgt die Mischung der eingebrachten Biomasse mit einem Wärmeträger in einem Gasstrom, wobei hier stationäre oder zirkulierende Wirbelschichten unterschieden werden können. Eine weitere Möglichkeit besteht in der mechanischen Mischung des Einsatzstoffs und des Wärmeträgers in einem Drehkonus- oder Schneckenreaktor. Desweiteren gibt es Reaktoren mit Kontaktheizer ohne Wärmeträgermedium. Vergleiche verschiedener Reaktortypen wurden beispielsweise im Rahmen des Forschungsnetzwerks PYNE durchgeführt [PYNE 2009]. Hier wurde gezeigt, dass derzeit Wirbelschichtreaktoren und Reaktoren mit Kontaktheizer die höchsten Ausbeuten an Pyrolysekondensat hervorbringen. [MEIER 2007b], [LANGE ET AL. 2006] Schnellpyrolyseverfahren mit dem Einsatzstoff Biomasse befinden sich jedoch
52
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
noch im Entwicklungsstadium. [LANGE 2007] Die resultierenden Pyrolysekondensate weisen verschiedene chemische Verbindungen auf, die sowohl hydrophile als auch hydrophobe Merkmale aufweisen. Eine detaillierte Beschreibung der Zusammensetzung der Schnellpyrolyseprodukte ist beispielsweise in [GIRARD ET AL. 2004] und [BEAUMONT 1985] zu finden. Aufgrund der Komponenteneigenschaften kommt es in längeren Lagerungszeiträumen des Pyrolysekondensats zu Alterungserscheinungen, hervorgerufen durch chemische Reaktionen. Dies äußert sich beispielsweise in einer Trennung der Emulsion in eine Wasser- und eine Teerphase. [DIEBOLD 2002] 2.4.2
Biomassevergasung
Im Rahmen der Vergasung von Biomasse wird die kohlenstoffhaltige Biomasse durch Zugabe eines Vergasungsmittels, beispielsweise Luft, Sauerstoff, Wasserdampf oder Kohlenstoffdioxid, in einem Vergaser durch partielle Oxidation in ein Produktgas umgewandelt. Das entstehende Produktgas ist abhängig von der eingesetzten Biomasse, dem Vergasungsmittel sowie den Prozessbedingungen. Die Hauptkomponenten des Produktgases sind Kohlenstoffmonoxid, Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid, Methan und Wasserdampf sowie bei der Vergasung mit Luft Stickstoff. Neben dem Produktgas fällt weiterhin Asche an. [VOGEL ET AL. 2003], [KLOSE/ TOUFAR 1985] Die Vergasung verläuft in vier Teilschritten, die sowohl sequenziell als auch teilweise parallel ablaufen können: Trocknung, Pyrolyse, Oxidation und Reduktion. Bei ca. 200 °C wird der Wassergehalt in der Biomasse (15 %) zunächst weiter reduziert. Chemische Reaktionen erfolgen bei dieser Temperatur noch nicht. Dem schließt sich eine Pyrolyse an, in der unter Ausschluss von Sauerstoff eine Aufspaltung von hochmolekularen Polymeren stattfindet. Die folgende Oxidation dieser Moleküle mit dem Vergasungsmittel kann autotherm oder allotherm erfolgen. Bei der autothermen Vergasung wird die notwendige Aktivierungsenergie für die Reaktionen durch eine Verbrennung von Teilen der Biomasse bereitgestellt. Dabei können abhängig vom Vergasungsmittel Temperaturen von 1300 °C bis 2000 °C erreicht werden. Bei der allothermen Vergasung erfolgt die entsprechende Wärmezufuhr von außerhalb des Systems. Im Anschluss an die Oxidation erfolgt die Reduktion, in der vornehmlich die heizwertreichen Bestandteile des Produktgases, wie beispielsweise Kohlenstoff, Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff, gebildet werden. Abhängig vom Temperaturniveau verschieben sich die Gleichgewichte der ablaufenden Reaktionen, welche die Zusammensetzung des Produktstroms bestimmen. [VOGEL ET AL. 2006] Für die Vergasung stehen verschiedene Vergasertypen zur Auswahl, die sich hinsichtlich des Wärmeprofils und des Vergasungsprinzips unterscheiden. Grundlegend können Festbettvergaser, Bewegtbettvergaser sowie mehrstufige Vergaser unterschieden werden (vgl. Abbildung 2.15).
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
53
Vergasungsverfahren Festbettverfahren Gleichstromverfahren
Bewegtbettverfahren StationäreWirbelschicht
Gegenstromverfahren
ZirkulierendeWirbelschicht
WeitereFestbettverfahren Flugstromverfahren
MehrstufigeVerfahren Kombinationenaus FestbettͲ und/oder Bewegtbettverfahren
Abbildung 2.15: Klassifizierung von Vergasungsverfahren nach [VOGEL ET AL. 2006]
Festbettverfahren werden vornehmlich im niedrigen Leistungsbereich (< 5 MW) eingesetzt, da sie aufgrund der einfachen Konstruktion relativ niedrige investitionsabhängige Kosten verursachen. In diesen Verfahren durchströmen Biomasse und Vergasungsmittel den Reaktor, in dem verschiedene Temperaturzonen herrschen, im Gleichstrom- oder Gegenstromverfahren. Bei größeren Kapazitäten kann diese Bauform zu technischen Problemen bezüglich der Luftverteilung in den Reaktoren führen. [VOGEL ET AL. 2006] Bewegtbettreaktoren werden derzeit in einem Leistungsbereich > 5 MW eingesetzt, da aufgrund des hohen konstruktiven Aufwands hohe Investitionen erforderlich sind. Diese Reaktoren werden in Wirbelschichtreaktoren und Flugstromreaktoren unterschieden, wobei erstere in zirkulierende und stationäre Verfahren unterschieden werden können. In zirkulierenden Wirbelschichtreaktoren werden die eingetragene Biomasse und das Bettmaterial (Sand oder ähnliche Stoffe) in einer Wirbelschicht gemischt, die den Reaktorraum ausfüllt. Das Gemisch wird nach der entsprechenden Verweilzeit aus dem Reaktor ausgetragen und in einen Zyklon geleitet, in dem das Bettmaterial und die in der Reaktion entstandene Asche von dem Produktgas getrennt werden. Dagegen verbleibt bei stationären Reaktoren das Bettmaterial weitgehend im Reaktor. Zu diesem Zweck ist in den Reaktoren eine wirbelschichtfreie Zone vorgesehen, um den Austrag von Bettmaterial zu verringern. In dem nachfolgenden Zyklon erfolgt hauptsächlich die Abscheidung von Asche aus dem Produktgasstrom. In den mehrstufigen Vergasungsverfahren werden die Teilschritte der Vergasung räumlich voneinander getrennt in mehreren Reaktoren ausgeführt. Dabei erfolgen in der Regel die Trocknung und die Pyrolyse gemeinsam in einem Reaktor. Das resultierende Pyrolyseprodukt wird dann in einen Reaktor weitergeleitet, in dem die Redoxreaktion stattfindet. Aufgrund der hier herrschenden hohen Temperaturen werden die Teere im Gas aufgespalten, so dass das Produktgas einen geringen Teergehalt aufweist. Bislang befinden sich die Verfahren zur Vergasung von Biomasse noch in der Entwicklung. Eine ausführliche und vergleichende Beschreibung der Vergasertypen findet sich beispielsweise in [VOGEL ET AL. 2006], Festbettreaktoren werden zum Beispiel von Kleinhappl [KLEINHAPPL 2004] untersucht, Bewegtbettreaktoren von Pröll und seinen Koautoren [PRÖLL ET AL. 2007], [PRÖLL ET AL. 2005]. In Abhängigkeit des verwendeten Vergasertyps, des Vergasungsmittels und der Biomasseeigenschaften variiert die Zusammensetzung des resultierenden Produktgases. Eine
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Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
detaillierte Beschreibung der Produkteigenschaften findet sich zum Beispiel in [VOGEL 2007]. Die hohen Reinheitsanforderungen des Syntheseschritts an den Input-Stoffstrom erfordern im nächsten Schritt zunächst eine Gasreinigung und -konditionierung. 2.4.3
Gasreinigung und -konditionierung
Zur Vermeidung von Schäden in nachfolgenden Anlagenteilen, verursacht durch Ablagerungen, Erosion und Korrosion, erfolgt eine Reinigung der vergasten Biomasse. Eine Übersicht über die erforderliche Synthesegasqualität ist in Tabelle 2.5 gegeben. Zudem erfordert der anschließende Schritt der Synthese ein bestimmtes H2:CO Molverhältnis, das in der Gaskonditionierung eingestellt wird. Erreicht werden sollte dabei ein Verhältnis von 2:1 (H2:CO) bei Durchführung der Fischer-Tropsch-Synthese und 1,4:1 bei der Methanolsynthese. Vergasungsprodukte weisen in der Regel lediglich ein Verhältnis von kleiner 1:1 auf, wobei die Anteile von dem eingesetzten Vergasungsmittel und den Vergasungsbedingungen abhängig sind. [LEIBLE ET AL. 2007], [VOGEL 2007], [BOLHAR-NORDENKAMPF/ JRG 2004] Zur Abscheidung der in Tabelle 2.5 angeführten wesentlichen Verunreinigungen werden verschiedene Apparate, wie Zyklone, Wäscher und Filter, eingesetzt. Dabei werden aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften der Komponenten in der Regel mehrere Reinigungsverfahren angewendet. [VOGEL ET AL. 2006] Tabelle 2.5: Orientierungswerte für die geforderte Synthesegasqualität (in Anlehnung an [LEIBLE ET AL. 2007], [KALTSCHMITT/ HARTMANN 2001])
Verunreinigungen
Erlaubte Konzentration für FT- Erlaubte Konzentration Synthese für Methanolsynthese
Schwefelverbindungen:
< 1 ppm
<1 mg/Nm3
< 1 ppm
<0,1 mg/Nm3
< 10 ppm
<0,1 mg/Nm3
Wasserstoffsulfid (H2S) Carbonsulfid (COS) Kohlenstoffdisulfid (CS2) Stickstoffverbindungen: Ammoniak (NH3) Cyanwasserstoff (HCN) Halogenverbindungen: Chlorwasserstoff (HCl) Bromwasserstoff (HBr) Fluorwasserstoff (HF) Alkalien:
< 10 ppm
Partikel (Ruß, Staub, Asche)
0
<0,02 mg/Nm3
Teere
< 1 ppm
<0,1 mg/Nm3
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
55
Zyklone ermöglichen einen hohen Abscheidungsgrad für Partikel mit einer Größe > 5 mm. Sie weisen die Vorteile auf, dass sowohl die investitionsabhängigen Kosten als auch die Betriebskosten verhältnismäßig gering sind. Zudem können sie abhängig vom eingesetzten Material auch bei hohen Temperaturen betrieben werden. Kleine Partikel in der Größenordnung von 0,5 bis 100 μm können dagegen durch Filtrierung effektiv entfernt werden. Das Filtrat durchströmt bei diesem Verfahren den Filter und die Partikel bleiben im Filterkuchen zurück. Dieser wird in der Regel durch Druckstöße entgegen der Durchflussrichtung nach einer gewissen Zeit entfernt. Typische Filter, die bei der Gasreinigung zum Einsatz kommen, sind Gewebefilter, Schüttschichtfilter und Kerzenfilter. Alkalien, die bei Temperaturen unter 600 °C zu kleinen Partikeln (> 5 μm) kondensieren, können speziell mit aktivierten Bauxitfiltern adsorbiert werden. Für Teere ist die Filtrierung nur bedingt geeignet, da die Verbindung der Teere mit dem Filtermedium zu klebrigen Rückständen führt. In kleinen Anlagen werden für die Entfernung der Teere Sand und Sägemehl als Filtermedium eingesetzt. Ein anderes Prinzip wird mit elektrostatischen Filtern verfolgt. Hier werden die Partikel im Gasstrom in einem elektrischen Feld aufgeladen und dann von Niederschlagselektroden angezogen. In sogenannten trockenen Verfahren erfolgt die Reinigung der Niederschlagselektroden über Druckstöße. Bei nassen Verfahren werden hingegen die Elektroden mit einer Waschflüssigkeit abgespült. Diese elektrostatischen Filterverfahren finden beispielsweise Einsatz bei der Teerabscheidung. Der Vorteil elektrostatischer Filter besteht in den hohen Abscheidungsgraden. Dem stehen jedoch hohe investitionsabhängige Kosten gegenüber, so dass diese Filterverfahren in der Regel nur in großen Anlagen zum Einsatz kommen. [VOGEL ET AL. 2006] In Wäschern werden die Verunreinigungen aus dem Gas mittels einer Waschflüssigkeit abgeschieden. Hier können Partikel, hydrophile Teere, Stickstoffverbindungen sowie Halogenverbindungen als wasserlösliche Verunreinigungen abgetrennt werden. Speziell für die Abscheidung von Schwefelverbindungen werden basische Wäscher verwendet. Hydrophobe Teere können hingegen mit öligen Lösungsmitteln ausgewaschen werden. Eine selektive Wäsche erfolgt zur Abscheidung von Schwefelverbindungen. Beispiele für die hier eingesetzten Lösungsmittel sind: Rectisol, Purisol, DEA 47 oder MDEA 48 . Durch den Einsatz einer Flüssigkeit ist es jedoch erforderlich, den zu reinigenden Gasstrom zunächst abzukühlen. [KALTSCHMITT/ HARTMANN 2001] Adsorbtive Verfahren können sowohl zur Entschwefelung als auch zur Teerentfernung eingesetzt werden. Dabei werden die Verunreinigungen an einer Katalysatoroberfläche gebunden. Zur Entschwefelung werden metallische Katalysatoren genutzt. An einem ZinkOxid-Bett werden Schwefelverbindungen zu Zinksulfid umgewandelt, an Metall-Oxid-Pellets entsteht Metallsulfid. Teere und Ammoniak werden beispielsweise an Nickel-, Nickel47
Diethanolaminooleamide
48
N-Methyldiethanolamin
56
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Molybdän-, Nickel-Kobalt-Molybdän- oder Nickelmonoxid-basierten Katalysatoren zerstört, die bereits in der Petrochemie eingesetzt werden. Die Entfernung von Teeren kann weiterhin an nichtmetallischen Dolomite-Zeolithe- oder Kalkspat-Katalysatoren erfolgen. Ebenso ist der Einsatz von thermischen Verfahren möglich. In diesen werden die Teere bei hohen Temperaturen aufgespalten. Zur Erreichung der notwendigen Temperaturen ist jedoch ein hoher Energieeintrag erforderlich, der mit entsprechend hohen Energiekosten einhergeht. Ebenfalls begünstigen die Temperaturen die Bildung von Kohlenstoffmonoxid. [VOGEL ET AL. 2006] In Trockenadditivverfahren werden Feststoffe, wie Dolomit, Kalk oder Aktivkohle, in das Gas eingebracht. So können ebenfalls Schwefelverbindungen und Halogenverbindungen entfernt werden. Eine Zuordnung der unterschiedlichen Verfahren zur Abscheidung der einzelnen Verunreinigungen ist in Tabelle 2.6 zusammengestellt. Dabei werden zudem Angaben zum Entwicklungsstand sowie zum Abscheidungsgrad der Verfahren dargestellt. Eine ausführliche Beschreibung der konkreten Verfahren ist in [BOLHAR-NORDENKAMPF 2003] sowie [VOGEL ET AL. 2006] zu finden. Tabelle 2.6: Abscheidungsverfahren von Verunreinigungen aus vergaster Biomasse nach [VOGEL ET AL. 2006]
Verunreinigung
Verfahren
Entwicklungsstand
Partikel
Zyklon
Kommerziell
< 90 %
Multiklon
Kommerziell
> 90 %
Rotierende Partikel Separator
Pilot
> 95 %
Gewebefilter
Kommerziell
> 99,9 %
Schüttschichtfilter
Labormaßstab
> 95 %
Kerzenfilter
Vorkommerziell
> 99,9 %
Elektrofilter
Kommerziell
> 99 %
Nasselektrofilter
Kommerziell
> 99 %
Venturiwäscher
Kommerziell
> 99 %
Waschturm
Kommerziell
< 90 %
Katalytisches Cracken (nichtmetallischer Katalysator)
Vorkommerziell/ Demonstration
> 99,9 %
Katalytisches Cracken (metallischer Katalysator)
Demonstration
> 99,9 %
Thermisches Cracken
Vorkommerziell
> 99,9 %
Plasmabogenverfahren
Labormaßstab
> 99 %
Zyklon
Kommerziell
< 90 %
Filterkerzen keramisch
Demonstration
> 90 %
Schüttschichtfilter (Aktivkohle oder Sägemehl)
Demonstration
> 99 %
Teer
Abscheidungsgrad
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Verunreinigung
Alkalien 49
Stickstoffverbindungen
Schwefelverbindungen
Halogenverbindungen 49
Verfahren
57
Entwicklungsstand
Abscheidungsgrad
Sandschüttschichtfilter
Demonstration
> 99 %
Gewebefilter
Vorkommerziell
> 90 %
Nasselektrofilter
Kommerziell
> 99,9 % /> 99 %
Venturiwäscher
Kommerziell
> 99 %
Waschturm - Wasser
Kommerziell
> 90 %
Waschturm - ÖL
Vorkommerziell
> 99 %
Waschturm - Organisches Lösungsmittel (OLAG)
Pilot
> 99,9 % < 90 %
Zyklon
Kommerziell
Multiklon
Kommerziell
> 90 %
Rotierende Partikel Separator
Pilot
> 95 %
Gewebefilter
Kommerziell
> 99,9 %
Schüttschichtfilter
Labormaßstab
> 95 %
Kerzenfilter
Vorkommerziell
> 99,9 %
Elektrofilter
Kommerziell
> 99,9 %
Nasselektrofilter
Kommerziell
> 99,9 %
Venturiwäscher
Kommerziell
> 99 %
Waschturm
Kommerziell
< 90 %
Alkalienadsorber
Labormaßstab
> 95 %
Katalytisches Cracken (nichtmetallischer Katalysator)
Labormaßstab/ vorkommerziell
> 99,9 %
Katalytisches Cracken (metallischer Katalysator)
Labormaßstab/ vorkommerziell
> 99,9 %
Nasswäscher
Kommerziell
> 99,9 %
Nasselektrofilter
Kommerziell
> 95 %
Nasswäsche
Kommerziell
> 99,9 %
Selektive Wäsche (DEA, MDEA, Purisol)
Kommerziell
> 99,9 %
Zinkoxidfilter
Kommerziell
> 99,9 %
Metalloxidfilter (regenerativ)
Demonstration
> 99,9 %
Trockenadditivverfahren
Demonstration
> 99 %
Nasselektrofilter
Kommerziell
> 95 %
Aktivkohle
Kommerziell
> 99,9 %
Nasswäsche
Kommerziell
> 99,9 %
Trockenadditivverfahren
Kommerziell
> 99 %
Bei Temperaturen unter 600 °C kondensieren Alkalien zu kleinen Partikeln (vgl. [VOGEL ET Daher können erst nach einer Abkühlung Verfahren zur Partikelabscheidung eingesetzt werden.
AL.
2006]).
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Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Verunreinigung
Verfahren
Entwicklungsstand
Abscheidungsgrad
Aktivkohle
Kommerziell
> 99,9 %
Im Anschluss an die Gasreinigung erfolgt die Konditionierung des Gases, indem das erforderliche H2/CO-Verhältnis eingestellt wird. [HAMELINCK/ FAAIJ 2002] Im gereinigten Gas besteht ein Mangel an Wasserstoff, der über eine CO-Shift-Reaktion behoben wird. Hierbei reagieren Kohlenstoffmonoxid und Wasser exotherm zu Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid. Das Kohlenstoffdioxid wird vom Gas abgeschieden. [LEIBLE ET AL. 2007], [WILEY-VCH (HRSG.) 2002] Zur Abscheidung des Kohlenstoffdioxids kommen Verfahren, wie beispielsweise die Rectisolwäsche und die Selexolwäsche zum Einsatz. [WILEY-VCH (HRSG.) 2002] 2.4.4
Synthese
Das Synthesegas kann zu einer Vielzahl von Stoffen weiterverarbeitet werden, wie beispielsweise zu Alkoholen, Wasserstoff, Methan, Methanol, Wachsen, Olefinen, Diesel und Benzin [SPATH/ DAYTON 2003]. Im Folgenden werden zwei Syntheseverfahren zur Herstellung von Benzin und/oder Diesel bzw. zur Herstellung von Zwischenprodukten, wie Methanol, vorgestellt: Die Fischer-Tropsch-Synthese und die Methanolsynthese. In der Fischer-Tropsch-Synthese wird das eingesetzte CO/H2-Gasgemisch an Eisen-, Magnesiumoxid-, Thoriumdioxid- oder Kobalt-Katalysatoren in Paraffine, Alkene und Alkohole umgewandelt. Ursprünglich wurde das eingesetzte Gasgemisch aus Kohle generiert. Auch heute noch werden in Ländern mit einem großen Kohlevorkommen und mit einem geringen Erdölaufkommen, wie zum Beispiel Südafrika, Kraftstoffe aus Kohle (CtL) mittels der Fischer-Tropsch-Synthese produziert (vgl. Abschnitt 2.1.1). Die Synthese gestaltet sich dabei wie folgt: Kohlenstoffmonoxidmoleküle werden an der Oberfläche des Katalysators adsorbiert. Hier erfolgen zunächst eine Dissoziation der Moleküle und anschließend eine Hydrierung. Die Kohlenwasserstoffketten wachsen durch Addition von Monomeren weiter an (vgl. Abbildung 2.16). Ein Abbruch erfolgt mit der Desorption von der Katalysatoroberfläche. Als Ergebnis entstehen Polymere, die von kleinen Molekülen wie Methan bis hin zu Ketten mit über 100 Kohlenstoffatomen reichen. [SPATH/ DAYTON 2003] O O
C C
C
O
Abbildung 2.16: Bildung von Kohlenwasserstoffketten an einer Katalysatoroberfläche
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
59
Die Hauptreaktion der Fischer-Tropsch-Synthese wird durch nachfolgende Gleichung beschrieben [SPATH/ DAYTON 2003]: CO + 2H2 Æ --CH2-- + H2O
ǻH (227 °C) = -165 kJ/mol
(2.1)
Als weitere Reaktion läuft eine Wassergas-Shift-Reaktion ab (2.2), die insbesondere an EisenKatalysatoren auftritt. Zusammenfassend können die Reaktionen durch Reaktionsgleichung (2.3) beschrieben werden. CO + H2O Æ H2 + CO2
(2.2)
2CO + H2 Æ --CH2-- + CO2
(2.3)
Die einzelnen Fischer-Tropsch-Produkte werden nach folgenden Reaktionsgleichungen gebildet: CO + 3H2 Æ CH4 + H2O
(Methan)
(2.4)
nCO + (2n+1)H2 Æ CnH2n+2 + nH2O
(Paraffine)
(2.5)
nCO + 2nH2 Æ CnH2n + nH2O
(Olefine)
(2.6)
nCO + 2nH2 Æ CnH2n+1OH + (n-1)H2O
(Alkohole)
(2.7)
Eine weitere, allerdings unerwünschte Reaktion ist die Boudourad-Reaktion. Hier reagiert Kohlenstoffmonoxid zu Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoff, wobei Moleküle aus reinem Kohlenstoff an der Katalysatoroberfläche zurück bleiben und so die Aktivierungswirkung herabsetzen. [SPATH/ DAYTON 2003] Die Art und Länge der in der Fischer-Tropsch-Synthese entstehenden Kohlenstoffketten hängt wesentlich von den Prozessbedingungen ab. Hierzu zählen die Art des eingesetzten Katalysators sowie Temperatur und Druck im Reaktor. Bezüglich der Temperatur werden Hochtemperatur- und Niedertemperaturverfahren unterschieden. Hochtemperaturverfahren laufen in der Regel in Wirbelschichtreaktoren (wie in Abschnitt 2.4.2 beschrieben) bei Temperaturen zwischen 300 °C bis 350 °C ab. Hier kommen Eisen-Katalysatoren zum Einsatz. Sie werden in der Regel zur Benzinproduktion angewendet, wobei lediglich eine Benzinselektivität von 36 % erreicht wird. Im Nachgang ist daher weiterhin eine intensive Produktaufbereitung erforderlich. Dagegen kommen bei der Dieselproduktion Niedertemperaturverfahren zum Einsatz. In diesen werden in einem Temperaturbereich zwischen 200 °C und 240 °C und bei einem Druck zwischen 25 bar und 60 bar langkettige Kohlenwasserstoffe synthetisiert (C35 - C120), die im Anschluss in einem Hydrocracking in Diesel umgewandelt werden. Die Synthese findet dabei in Rohrbündel- oder Slurry-Reaktoren an
60
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Eisen- oder Kobalt-Katalysatoren statt. Die Reaktoren erlauben eine Kühlung des Reaktionsraums. So können die unerwünschte Synthese von Methan, Sintervorgänge und Fouling reduziert werden. [DRY 2002] Die Fischer-Tropsch-Synthese läuft in der Regel in einem Druckbereich zwischen 10 bar und 40 bar ab. [SPATH/ DAYTON 2003] Die gewichtsanteilige Zusammensetzung des Produktstroms bezogen auf die kohlenstoffhaltigen Komponenten wird in Abhängigkeit der Kettenlängenbildungswahrscheinlichkeit (Į) durch die Anderson-SchulzFlory-Verteilung beschrieben (vgl. Abbildung 2.17).
Gewichtsanteil
Wachs
Benzin
WahrscheinlichkeitfürdasKettenwachstum(ɲ)
Abbildung 2.17: Anderson-Schulz-Flory-Verteilung [SCHLEEF 1999]
In der Methanolsynthese wird das Synthesegas in der Regel an Cu/ZnO-basierten Katalysatoren bei einer Temperatur zwischen 220 °C und 300 °C und einem Druck zwischen 50 bar und 100 bar synthetisiert.50 Dabei laufen zwei exotherme Reaktionen ab: Zum einen eine Wassergas-Shift-Reaktion (2.8) und zum anderen eine Hydrierung von Kohlenstoffdioxid (2.9) [HUBER ET AL. 2006], [ROSTRUP-NIELSEN 2000]: CO + H2O Æ H2+ CO2
ǻH = - 41,47 kJ/mol
(2.8)
CO2 + 3H2 Æ CH3OH + H2O
ǻH = - 49,67 kJ/mol
(2.9)
Zusammengefasst werden diese beiden Reaktionen wie folgt: CO + 2H2 Æ CH3OH
ǻH = - 90,64 kJ/mol
(2.10)
Grundsätzlich können in der Methanolsynthese sowohl H2-CO-Gemische als auch H2-CO2Gemische als Synthesegas eingesetzt werden. Die höchsten Ausbeuten werden jedoch durch den Einsatz eines H2-CO-CO2-Gemisches erzielt. Das optimale stöchiometrische Verhältnis 50
Eine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Katalysatoren wird beispielsweise in [SPATH/ DAYTON 2003] vorgenommen.
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
61
von [(H2-CO2)/(CO+CO2)] liegt dabei knapp über 2 [AASBERG-PETERSEN ET AL. 2001]. Als Nebenprodukte entstehen Methan, Dimethylether, Methylverbindungen, höhere Alkohole und Aceton [HUBER ET AL. 2006]. 2.4.5
Raffination
In Abhängigkeit des gewählten Syntheseverfahrens resultieren unterschiedliche Produkte und Kuppelprodukte. Diese erfordern zur Herstellung von Diesel und Benzin verschiedene Formen der Veredelung bzw. Weiterverarbeitung. Das im Rahmen der Fischer-Tropsch-Synthese entstehende Stoffgemisch wird mit herkömmlichen Verfahren aus der Erdölraffination weiterverarbeitet. Nach einer Abkühlung werden in einem Kondensatabscheider flüssige und gasförmige Phasen getrennt. Aus der flüssigen Phase werden im Weiteren Wasser, Alkohole und Säuren abgeschieden. Im Rahmen einer Destillation wird das übrig bleibende Gemisch aus Benzin, Diesel und Wachsen fraktioniert. [KERDONCUFF 2008] Zur Erhöhung der Kraftstoffausbeuten können die Wachse durch katalytische Crackverfahren oder das Hydrocracken in Diesel und Mitteldestillate aufgespalten werden [HERKLOTZ 2008]. Methanol ist der Ausgangsstoff für eine Reihe von Chemikalien und Kraftstoffen. Hierzu zählen Olefine, Benzin, Diesel, Dimethylether (DME), tert-Butylmethylether (MTBE), Wasserstoff, Formaldehyd und Ethansäure. Grundsätzlich kann Methanol auch direkt als Kraftstoff in Verbrennungskraftmaschinen eingesetzt werden. Im Folgenden werden lediglich die Konversionspfade des Methanols zu Benzin und Diesel betrachtet (vgl. Abbildung 2.18). 51 Im Rahmen der Olefinproduktion wird Methanol zunächst in Olefine umgewandelt. Die so entstehenden kurzkettigen Moleküle werden dann im Rahmen der Oligomerisation zu Oligomeren mit fünf oder mehr Kohlenstoffatomen zusammengefügt. In der abschließenden Destillation und Hydrierung werden die Hauptprodukte Diesel und Benzin gewonnen. Ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zur Fischer-Tropsch-Synthese mit nachgelagerter Veredelung ist die hohe Flexibilität bezüglich der Produktausbeuten [HÖHLEIN ET AL. 2003]. Dieser Prozess wurde bislang noch nicht im großtechnischen Maßstab umgesetzt.
51
Dieser Konversionspfad kann auch für Methanol anderen Ursprungs eingesetzt werden.
62
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Kero/Diesel 5438t/d
RückführungvonKohlenwasserstoff RückführungvonKohlenwasserstoff Methanol 15000t/d
Olefinerzeugung MTP
OlefinͲ oligomerisierung
Produkttrennung
Benzin 685t/d
+MitteldestillatͲ hydrierung
Leichtöl 579t/d H2 50t/d RückführungvonWasser
Wasser 8523t/d
MTP=MethanolͲToͲPropylen;Kero =Kerosin
Abbildung 2.18: Methanol Raffination am Beispiel des MtSynfuel-Prozesses [HÖHLEIN ET AL. 2003]
2.4.6
Anlagenkonzepte
Aktuell werden in Deutschland Anlagenkonzepte zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe in Forschungsvorhaben und ersten Pilotanlagen entwickelt und getestet. In den Forschungsvorhaben werden sowohl dezentrale als auch zentrale Anlagenkonzepte erforscht. Dezentrale Anlagenkonzepte tragen der Besonderheit der Produktion synthetischer Biokraftstoffe Rechnung, dass in der Regel ein räumlich weit verteiltes Biomasseaufkommen vorliegt und eine Vielzahl der Biomassearten durch ein großes Volumen im Verhältnis zur Energiedichte gekennzeichnet ist, wie zum Beispiel bei Stroh. So muss die Biomasse häufig aus einem weiten Umkreis über länge Distanzen in umfangreichen Transporten bezogen werden. In dezentralen Anlagenkonzepten werden daher erste Produktionsschritte an Standorte in räumlicher Nähe zur Biomassebereitstellung ausgelagert. In diesen Produktionsschritten findet die Verarbeitung der Biomasse zu einem energiereicheren Zwischenprodukt statt. Dies ermöglicht es, lange Transporte voluminöser Biomassen zu vermeiden. Das erzeugte Zwischenprodukt wird dann an zentrale Anlagen zur Weiterverarbeitung geliefert. In diesen Anlagen werden Größendegressionseffekte erzielt. Auf eine stärkere Ausnutzung von Größendegressionseffekten zielen zentrale Anlagenkonzepte ab. In zentralen Anlagenkonzepten findet der gesamte Produktionsprozess in einer einzigen Anlage an einem Standort statt. Dies macht es einerseits erforderlich, Biomassen über längere Distanzen zu transportieren, und erhöht somit die Bereitstellungskosten der Biomassen an den Anlagen. Andererseits können in zentralen Anlagen stärkere Größendegressionseffekte erzielt werden, zum Beispiel bezüglich der Investitionen und des Personals. Welches der beiden grundsätzlich unterschiedlichen Anlagenkonzepte unter welchen Bedingungen vorteilhaft ist wurde bislang noch nicht geklärt. Die am weitesten fortgeschrittenen Anlagenkonzepte sind die zum SunDiesel®/Carbo-V®Verfahren der Firma Choren Industries GmbH. Hier wurde eine zentrale Anlage in Freiberg mit einer Kapazität von ca. 15.000 Mg FT-Diesel/a errichtet. Als Rohstoff wird in diesem
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
63
Verfahrenskonzept vorzugsweise Holz verwendet, grundsätzlich kann auch Stroh eingesetzt werden. Eine Brennstoffaufarbeitung ist in dieser Anlage nicht installiert, so dass der Brennstoff entsprechend konditioniert angeliefert wird. Die Vergasung des Brennstoffs erfolgt in einem zweistufigen Prozess. Zunächst wird der Brennstoff in einem Drehrohrreaktor bei niedriger Temperatur (500 °C) in feste und flüchtige Bestandteile gespalten. In der zweiten Vergasungsstufe erfolgt in einem Flugstromverfahren die Vergasung des entstandenen Koks. Die Reinigung des so entstehenden Gasstroms umfasst einen Gaskühler, eine Trockenentstaubung sowie eine zweistufige Gaswäsche. Das Reingas wird abschließend in der Fischer-Tropsch-Synthese zu Kraftstoff synthetisiert. [CHOREN 2009], [VOGEL 2007] Das Forschungszentrum Karlsruhe erprobt in einer Pilotanlage das sogenannte BioLiqVerfahren. Als Einsatzstoff für dieses Verfahren wird derzeit Stroh bevorzugt, die Nutzung von Holz ist grundsätzlich aber ebenfalls möglich. Eine Besonderheit dieses Konzepts im Rahmen der Konditionierung von Biomasse ist die dezentrale Schnellpyrolyse zur Herstellung von Slurry (vgl. Abschnitt 2.4.1). Die Herstellung dieses Zwischenprodukts erlaubt eine zeitliche und örtliche Entkopplung des Produktionsprozesses. Die Synthesegasproduktion erfolgt dann zentral in einem Flugstrom-Druckvergaser. Zur Synthese können sowohl die Methanolsynthese als auch die Fischer-Tropsch-Synthese eingesetzt werden. [HENRICH/ DINJUS 2004] Die CUTEC-Institut GmbH betreibt in Clausthal-Zellerfeld eine Technikumsanlage. Als Brennstoffe können sowohl Holz als auch Stroh eingesetzt werden. Die einstufige, atmosphärische Vergasung erfolgt in einem stationären, zirkulierenden Wirbelschichtreaktor mit einer Leistung von 400 kWth. Als Vergasungsmittel wird der Einsatz von Wasserdampf und von Sauerstoff untersucht. Zur Gasreinigung werden Heißgasfiltration, Gaswäsche und Adsorptionsverfahren eingesetzt. Ein Teilstrom des gereinigten Synthesegases wird dann einer Fischer-Tropsch-Synthese in einem Festbett-Rohrreaktor zugeführt. [CARLOWITZ ET AL. 2004] Das Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen der Technischen Universität Bergakademie Freiberg betreibt eine Pilotanlage mit einer Kapazität von ca. 10 MWth. Als Brennstoffe werden bevorzugt Energiepflanzen und Stroh verwendet, Holz kann grundsätzlich ebenfalls genutzt werden. Das Synthesegas wird in einer einstufigen, druckgeladenen Hochtemperatur-Wirbelschichtvergasung erzeugt. Zur Weiterverarbeitung wird die Methanolsynthese genutzt. [SCHÜTTE/ GOTTSCHAU 2006] Zusammenfassend sind die verschiedenen Ausgestaltungsformen der Konzepte in den Bereichen Vorbehandlung, Vergasung, Gasreinigung und -konditionierung sowie Synthese in nachstehender Tabelle dargestellt. Überlegungen bezüglich einer zukünftigen großindustriellen Produktion betreffen eine Angliederung der Produktion synthetischer Biokraftstoffe an Erdölraffinerien. In einem derartigen Verbund könnten Anlagen (z.B. zur Raffination) übergreifend genutzt und damit Synergieeffekte erzielt werden.
64
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Tabelle 2.7: Ausgestaltungsformen verschiedener Prozesse zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe
Verfahren
Trocknung
Vergasung
Gasreinigung und Gaskonditionierung
Synthese
Choren Industries GmbH
Externe Vorbehandlung
Zweistufige Vergasung: 1. Drehrohrreaktor niedrige Temperatur, 2. Flugstromreaktor hohe Temperatur
Gaskühler, Trockenentstaubung, zweistufige Gaswäsche
Fischer-TropschSynthese
Forschungszentrum Karlsruhe
Trocknung und Zerkleinerung, Schnellpyrolyse
Einstufige Vergasung: FlugstromDruckvergaser
-
Fischer-TropschSynthese oder Methanolsynthese
CUTECInstitut GmbH
-
Einstufige atmosphärische Vergasung: Stationärer Wirbelschichtreaktor
Heißgasfiltration, Gaswäsche, Adsorption
Fischer-TropschSynthese in FestbettRohrreaktor
TU Bergakademie Freiberg
-
Einstufige Vergasung: HochtemperaturWirbelschichtreaktor
-
Methanolsynthese
2.4.7
Wesentliche Erkenntnisse der verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen für die Netzwerkgestaltung
Bezüglich der beschriebenen verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen kann festgehalten werden, dass die Produktionsprozesse zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet sind und wesentliche Merkmale der Prozessindustrie aufweisen. In den Produktionsprozessen wird als Grundstoff Biomasse genutzt. Die Produktion ist durch divergierende und zyklische Strukturen bestimmt und die Stoffumwandlungen erfolgen in chemischen, thermischen und mechanischen Transformationsvorgängen. Bezüglich der Transformationsvorgänge sind desweiteren substitutionale Beziehungen hinsichtlich der Prozessparameter, wie beispielsweise Druck und Temperatur, sowie den Einsatzstoffen vorhanden. Diese Komplexität stellt eine wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung von großindustriellen Produktionsprozessen dar. Derzeit befinden sich verschiedene Produktionsprozesse für synthetische Biokraftstoffe in der Entwicklung. Grundsätzliche Unterschiede bestehen in der Wahl des Anlagenkonzepts (zentral versus dezentral) sowie in der verfahrensseitigen Ausgestaltung der einzelnen Prozessschritte. Eine Umsetzung der Verfahrenskonzepte in großtechnischen Anlagen ist bislang noch nicht erfolgt. Daher fehlen Erfahrungswerte und Daten zu Investitionen, Prozessausbeuten und betriebsbedingten Kosten der großindustriellen Produktion. Bei einer Abschätzung dieser für die Bewertung und Planung relevanten Informationen kommt erschwerend hinzu, dass bezüglich einzelner Prozessschritte noch mit technologischen
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
65
Fortschritten zu rechnen ist, insbesondere betrifft dies die Biomassevergasung und Biomassekonditionierung sowie die Methanolsynthese. 2.5
Anforderungen an einen Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines Planungsansatzes zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe. Diese Planung umfasst Entscheidungen zu Standorten, Kapazitäten und Technologien der Produktionsanlagen unter Berücksichtigung der Materialflussbeziehungen zur Biomassebereitstellung und zur Nachfrage am Markt. Die Planung erfolgt dabei im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben, die sich auf die Nachhaltigkeit der Produktion auswirken. Subventionen werden einen wesentlichen Einfluss auf die ökonomische Vorteilhaftigkeit der synthetischen Biokraftstoffe nehmen. Der Anbau der genutzten Biomasse wird insbesondere über den ökologischen Nutzen der Produktion von synthetischen Biokraftstoffen entscheiden. Neben der heimischen Produktion von Biomasse werden Biomasseimporte aus Entwicklungsländern und den baltischen Ländern auftreten. Vor diesem Hintergrund sind nicht nur nationale, sondern auch internationale Vorgaben und deren Durchsetzung zur Sicherung einer ökologisch verträglichen Biomasseherstellung gefordert. Gleiches gilt für die Lenkung sozialer Auswirkungen der Produktion synthetischer Biokraftstoffe. Neben nationalen Gesetzen zur Sicherung eines sozial verträglichen Biomasseanbaus und einer sozial verträglichen Produktion der Biokraftstoffe sind insbesondere ein Wissens- und Technologietransfer in Entwicklungsländer erforderlich, um dort wettbewerbsfähig produzieren und damit positive Beschäftigungseffekte und eine Verbesserung der Lebensbedingungen erzielen zu können. Neben der Forderung nach verbindlichen internationalen Standards für den nachhaltigen Anbau von Biomasse und für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe können aus den beschriebenen Rahmenbedingungen Anforderungen an den Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung im Sinne der Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung abgeleitet werden:
Geeignete Berücksichtigung der Stoff- und Energietransformationen: Die Produktion synthetischer Biokraftstoffe ist durch chemische, thermische und mechanische Transformationsvorgänge, zyklische Strukturen sowie substitutionale Beziehungen zwischen einzelnen Einsatzfaktoren gekennzeichnet. Die substitutionalen Beziehungen betreffen beispielsweise verschiedene Arten von Biomasse, die als Rohstoff verwendet werden können. Diese Besonderheiten der Produktionsprozesse gilt es, in einem Planungsansatz geeignet zu berücksichtigen.
Simultane Berücksichtigung zentraler und dezentraler Anlagenkonzepte: Aktuelle Forschungsvorhaben unterscheiden sich hinsichtlich der gewählten Anlagenkonzepte. In zentralen Anlagenkonzepten findet die Produktion an einem Standort statt und Größendegressionseffekte können erzielt werden. In dezentralen Konzepten werden hingegen Transporte reduziert, indem Biomasse in der Nähe ihres
66
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
Entstehungsorts in kleinen dezentralen Prozessen zunächst zu einem energiereichen Zwischenprodukt verarbeitet wird. In dem zu entwickelnden Planungsansatz sollen daher sowohl zentrale als auch dezentrale Anlagenkonzepte simultan berücksichtigt werden können.
Berücksichtigung von Größendegressionseffekten: Neben den Größendegressionseffekten, die in zentralen Anlagen im Vergleich zu dezentralen Anlagen erzielt werden, treten ebenfalls Größendegressionseffekte innerhalb eines Anlagenkonzepts für unterschiedliche Kapazitäten auf. Somit sind im Planungsansatz Anlagen unterschiedlicher Kapazität vorzusehen.
Berücksichtigung von dynamischen Entwicklungen: Die Rahmenbedingungen für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe unterliegen vielfältigen Änderungen im Zeitverlauf. Biomasseseitig ist mit einem steigenden Potenzial zu rechnen unter anderem bedingt durch wachsende Flächenerträge infolge von Fortschritten in der Pflanzenzüchtung. Produktionsseitig werden mit technologischem Fortschritt höhere Prozessausbeuten erreicht. Gegebenenfalls können auch Investitionen für die Produktionstechnologien gesenkt werden. Marktseitig werden durch gesetzliche Regulierungen der Biokraftstoffanteile und durch Vorgaben an Automobilhersteller zum Flottenausstoß die Nachfrage in Zukunft voraussichtlich ansteigen. Zukünftig sind auch weitere gesetzliche Regulierungen für andere Branchen denkbar, wie zum Beispiel für die Luftfahrtindustrie. Somit besteht die Anforderung, diesen dynamischen Entwicklungen in der Netzwerkgestaltung Rechnung zu tragen. Zudem geht mit einem im Zeitverlauf erwarteten steigenden Absatz von synthetischen Biokraftstoffen die Forderung einher, grundsätzlich einen begleitenden Aufbau der Produktionskapazitäten zu ermöglichen. Beim Kapazitätsaufbau wird ein Kompromiss zwischen temporären Überkapazitäten und der Nutzung von Größendegressionseffekten zu finden sein. Es gilt, diese konkurrierenden Größen im Planungsansatz zu berücksichtigen.
Berücksichtigung von Unsicherheiten: Die Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe sind durch zahlreiche Unsicherheiten gekennzeichnet, die es in einem Planungsansatz geeignet zu berücksichtigen gilt. Biomasseseitig ist ungewiss, welche Massen, Arten und Qualitäten von Biomasse zu welchen Preisen verfügbar sein werden. Produktionsseitig ist unsicher, wie sich Investitionen in die Produktionsanlagen sowie Ausbeuten und Kosten der Produktionsprozesse aufgrund von technischem Fortschritt und Größendegressionseffekten in großindustriellen Anlagen entwickeln werden. Marktseitig ist die Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen unsicher. Diese wird durch gesetzliche Mindestanteile, die Verbreitung der Nutzungstechnologien sowie Preisentwicklungen von synthetischen Biokraftstoffen im Vergleich zu anderen Biokraftstoffen und herkömmlichen Kraftstoffen bestimmt werden. Auf die Preise der synthetischen Kraftstoffe und der anderen Biokraftstoffe werden neben den Herstell-
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
67
kosten auch Subventionen einen Einfluss ausüben. Daher besteht die Anforderung, in dem Planungsansatz Unsicherheiten bezüglich der Biomassebereitstellung, der Produktionstechnologien sowie der Nachfrageentwicklung zu berücksichtigen.
Modellierung einer flexiblen Netzwerkstruktur: Bezüglich der Produktionsprozesse sind in Zukunft technische Weiterentwicklungen zu erwarten. Im Rahmen dieser Weiterentwicklungen können auch neue Anlagenkonzepte entwickelt werden. Aktuelle Überlegungen betreffen eine Eingliederung der Produktionsanlagen in bestehende Raffineriestrukturen und zielen auf die Nutzung von Synergieeffekten. Daher besteht die Anforderung, die Netzwerkstrukturen flexibel zu modellieren, so dass technologische Fortschritte in den Anlagenkonzepten leicht in den Modellierungsansatz integriert werden können.
Berücksichtigung der Risikoeinstellungen unterschiedlicher Akteure: Verschiedene Akteure haben ein Interesse an der Einführung synthetischer Biokraftstoffe, zum Beispiel die Automobilindustrie, die Mineralölindustrie sowie die Landwirtschaft. Bislang ist noch unklar, welche dieser Interessensgruppen in Produktionsnetzwerke investieren wird. Die Gruppen sind durch verschiedene Motive geleitet, verfügen über unterschiedliche finanzielle Mittel und weisen somit unterschiedliche Risikoeinstellungen auf. Diese unterschiedlichen Risikoeinstellungen sollen im Rahmen des Planungsansatzes berücksichtigt werden können.
Schematisch zusammengefasst werden die beschriebenen Anforderungen an einen Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe in Abbildung 2.19.
68
Rahmenbedingungen der Netzwerkgestaltung
… …
… …
…
Produktionsnetzwerk
Komplexe Produktionsprozesse
Biomassepotenziale
Nachfrage
Produktionstechnologien
Transporte
Biokraf tstoffquote 0,1 0,08 0,06 0,04 0,02
2027
2026
2025
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
0
2009
Biokraftstoffanteil in%
Preisindex f ür Produktionsanlagen
2008
Unsicherheiten, dynamische Entwicklungen
Potenzielle Investoren mitjeweilsunterschiedlichen Risikoeinstellungen
Abbildung 2.19: Schematische Darstellung der Anforderungen an einen Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe
Auf Grundlage der beschriebenen Anforderungen an einen Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe werden im folgenden Kapitel Modellierungs- und Planungsansätze im Kontext der Netzwerkgestaltung für die verfahrenstechnische Produktion diskutiert.
3
Methodische Ansätze zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken in der Prozessindustrie
Die Produktion synthetischer Biokraftstoffe ist durch die Merkmale der Prozessindustrie gekennzeichnet, wie beispielsweise die Grundstoffverarbeitung durch chemische und thermische Transformationsvorgänge in divergierenden und zyklischen Prozessstrukturen. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden methodische Ansätze im Kontext der modellgestützten Gestaltung von Produktionsnetzwerken in der Prozessindustrie beschrieben und diskutiert. Die Gestaltung von Produktionsnetzwerken in der Prozessindustrie erfordert die Berücksichtigung der Bereiche der verfahrenstechnischen Produktion, der integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung sowie die Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten in einem potenziellen Produktionsnetzwerk. In der folgenden Literaturanalyse werden Modellierungsoptionen in diesen Bereichen identifiziert und im Hinblick auf die vorliegende Problemstellung bewertet. Ziel dieser Literaturanalyse ist es, ein Planungskonzept für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe abzuleiten. Dabei gilt es, die in Abschnitt 2.5 formulierten Anforderungen zu erfüllen. Hierzu wird das folgende Vorgehen gewählt. In Abschnitt 3.1 werden zunächst Modellierungsansätze für verfahrenstechnische Produktionsprozesse vorgestellt. Die verfahrenstechnischen Prozesse sind durch komplexe, in den meisten Fällen nichtlineare Transformationsvorgänge sowie durch divergierende und rezirkulierende Prozessstrukturen gekennzeichnet. Eine Abschätzung der aus betriebswirtschaftlicher Perspektive relevanten Informationen ist vor diesem Hintergrund schwierig und erfordert den Einsatz technischer Modelle. So werden zunächst verfahrenstechnische Ansätze zur Modellierung von Produktionsprozessen vorgestellt. Dem folgt die Analyse produktionswirtschaftlicher Modellierungsansätze. Abschließend werden Modellierungsansätze vorgestellt, die technische und betriebswirtschaftliche Ansätze integrieren. Die Integration der einzelnen Produktionsprozesse in Produktionsnetzwerke erfordert die Formulierung eines integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanungsmodells. Hierzu werden in Abschnitt 3.2 Modelle zur Standortplanung untersucht. In diesen Untersuchungen werden zunächst unterschiedliche Typen von Standortplanungsmodellen diskutiert. Im Anschluss werden für die Standortplanung in Netzwerken spezifische Standortfaktoren zur Standortvorauswahl für Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe ermittelt. Dem folgt eine Analyse von bestehenden Modellen zur Standortplanung von Produktionsanlagen für (synthetische) Biokraftstoffe. In dieser Analyse werden Defizite im Bezug auf die in Abschnitt 2.5 formulierten Anforderungen aufgedeckt. Für diese Defizite werden weitere Modellierungsoptionen für eine integrierte Technologie-, Kapazitätsund Standortplanung für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe ermittelt. In Abschnitt 3.3 werden Ansätze zum Umgang mit Unsicherheiten im Rahmen der Planung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe beschrieben. Hierbei werden Methoden zur indirekten und direkten Berücksichtigung von Unsicherheiten in Planungsmodellen aufgezeigt. Zudem wird mit der robusten Optimierung ein Modellierungsansatz vorgestellt, mit dem unterschiedliche Risikoeinstellungen in der Planung A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
70
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
berücksichtigt werden können. Die Ergebnisse der Literaturanalysen werden abschließend in Abschnitt 3.4 zu einem Konzept zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe zusammengeführt. 3.1
Modellierung der Produktionsprozesse
In den folgenden Abschnitten werden Möglichkeiten der verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Modellierung der Produktionsprozesse beschrieben. Ziel dieser Ausführungen ist es, Modellierungsoptionen im Rahmen der Netzwerkgestaltung für die Produktionsprozesse für synthetische Biokraftstoffe zu identifizieren, die den in Abschnitt beschriebenen Anforderungen Rechnung tragen. 3.1.1
Verfahrenstechnische Modellierung der Produktionsprozesse
Im Rahmen der verfahrenstechnischen Modellierung werden für die Unit Operations des jeweiligen Produktionsprozesses Stoff- und Energiebilanzen durch eine adäquate Abbildung der ablaufenden Stoff- und Energietransformationen ermittelt. Grundsätzlich können mechanische, thermische und chemische Transformationsvorgänge in den Unit Operations unterschieden werden. [PENKUHN 1997] Zur formalen Beschreibung dieser Vorgänge werden stöchiometrische und reaktionskinetische Gleichungen, physikalische Gesetze sowie thermodynamische Fundamental- und Zustandsgleichungen verwendet. Diese folgen den Hauptsätzen der Thermodynamik, nach denen Energie 52 nur umgewandelt, nicht jedoch erzeugt oder vernichtet werden kann. Die Umwandlung von Energie ist dabei nicht beliebig möglich, da in irreversiblen Prozessen der Energieumwandlung immer eine Zunahme der Entropie 53 stattfindet. [KORTÜM/ LACHMANN 1949] Die explizite analytische Modellierung der Stoff- und Energiebilanzen kann bei größeren Produktionsprozessen zu äußerst komplexen Modellen führen und so mit einem hohen Modellierungsaufwand einhergehen. [SCHIITT ET AL. 1990] In der Praxis werden daher weitere Ansätze zur Modellierung genutzt. Dies sind zum einen Methoden auf Basis empirischer Daten und zum anderen die rechnergestützte Simulation mit Hilfe von Flowsheeting Programmen. [FRÖHLING 2005] Wesentliche Merkmale dieser Ansätze werden in den folgenden Abschnitten kurz aufgezeigt und diskutiert. 3.1.1.1 Modellierung auf Grundlage empirischer Daten Die empirische Modellierung verfahrenstechnischer Prozesse erfordert als Grundlage Prozessdaten. Im Rahmen der Entwicklung von neuen verfahrenstechnischen Prozessen ist es üblich, begleitend ganze Verfahren oder einzelne Prozessschritte in Labor-, Technikums- und Pilotanlagen umzusetzen und Prozessdaten zu ermitteln [PETERS ET AL. 2002]. Für bereits
52
Auch in Form von Masse
53
Die Entropie ist ein Maß der Unordnung in einem System.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
71
existierende großtechnische Verfahren können Prozessdaten dem laufenden Betrieb entnommen werden. Die Erhebung von Prozessdaten aus großtechnischen Prozessen ist für das in dieser Arbeit betrachtete Planungsproblem nicht möglich, da noch keine großtechnischen Produktionsprozesse existieren (vgl. Abschnitt 2.4). Zudem birgt die Erhebung von Prozessdaten aus dem laufenden Betreib von Anlagen das grundsätzliche Problem, dass Fehler bei der Erhebung der Prozessdaten, zum Beispiel falsche Analysen von Proben, leicht zu fehlerhaften Bilanzen führen können. Diese sind gegebenenfalls schwer zu erkennen, da keinerlei funktionale Zusammenhänge abgebildet werden [FRÖHLING 2005]. In der Praxis werden daher häufig empirische Transformationsfunktionen bestimmt. [PENKUHN 1997] Dabei erfolgt eine Auswertung der empirisch ermittelten Prozessdaten mittels statistischer Verfahren. Eine vielfach angewendete Methode ist die multiple lineare Regression. [FRÖHLING 2005] In dieser Regressionsrechnung wird ein linearer funktionaler Zusammenhang zwischen der zu ermittelnden Größe y (Respons) und j (j = 1, …, k) Kovariablen x durch Schätzung der Regressionskoeffizienten ß0, …, ßk ermittelt. Hinsichtlich der Kovariablen werden d Beobachtungen bzw. Messungen berücksichtigt, d = 1, …, g. Die Regressionsfunktion wird allgemein durch folgende Formel beschrieben, wobei der Parameter İd eine Störgröße bzw. Abweichung repräsentiert [FAHRMEIR ET AL. 2009]: ݕௗ ൌ ߚ ߚଵ ݔௗଵ ߚଶ ݔௗଶ ڮ ߚ ݔௗ ߝௗ
(3.1)
Zur Schätzung der unbekannten Regressionskoeffizienten kann die Methode der kleinsten Quadrate ( )ܳܭangewendet werden. 54 Diese werden nach Gleichung (3.2) in der Art bestimmt, dass die Summe der quadrierten Abweichungen minimiert wird. [FAHRMEIR ET AL. 2009]
ଶ
(3.2)
ଶ
ܳܭ݊݅ܯሺߚሻ ൌ ሺߝௗ ሻ ൌ ݕௗ െ ߚ െ ߚ ݔௗ ௗୀଵ
ௗୀଵ
ୀଵ
Ein Beispiel dieser Modellierungsform im Rahmen der Produktionsprozesse für synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation ist beispielsweise in [HAMELINCK ET AL. 2004] bzw. [DRY 1981] zur Selektivität in Fischer-Tropsch-Reaktoren angeführt. Die Selektivität bezüglich der Bildung von Kohlenwasserstoffketten mit fünf oder mehr Kohlenstoffatomen nimmt mit steigendem Wasserstoffgehalt und mit steigender Temperatur ab und steigt mit zunehmendem Druck. Es kann entsprechend die nachfolgende allgemeine Regressionsfunktion abgeleitet werden.
54
Zur Schätzung der Regressionskoeffizienten wird in der Regel die Methode der kleinsten Quadrate angewendet, sofern keine speziellen Hinweise auf die Verteilungsfunktion der Störgrößen vorliegen. Sind die Störgrößen normalverteilt, bietet sich die Maximum-Likelihood-Methode an. [FAHRMEIR ET AL. 2009]
72
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
ܵହା ൌ ߚ ߚଵ ȉ ܶ ߚଶ ȉ mit: ܵହା
ሾܪଶ ሿ ߚଷ ȉ ሺሾܪଶ ሿ ሾܱܥሿሻ ߚସ ȉ ሾܱܥሿ
(3.3)
Masseanteil von C5+ im Kohlenwasserstoffprodukt
ሾܪଶ ሿǡ ሾܱܥሿ Konzentrationen der Stoffkomponenten im Feed-Gasstrom ܶǡ Temperatur in K, Druck in bar
Nach Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate auf Prozessdaten, die an einem Kobalt-Katalysator ermittelt wurden, ergibt sich Gleichung (3.4) [DRY 1981]. ܵହା ൌ ͳǡ െ ͲǡͲͲʹͶ ȉ ܶ െ ͲǡͲͺͺ ȉ
ሾܪଶ ሿ Ͳǡͳͺ ȉ ሺሾܪଶ ሿ ሾܱܥሿሻ ͲǡͲͲͺ ȉ ሾܱܥሿ
(3.4)
Die Ermittlung von empirischen Transformationsfunktionen auf Grundlage von Prozessdaten aus Labor-, Technikums-, und Pilotanlagen ist grundsätzlich möglich. Die resultierenden Funktionen können in vielen Fällen mittels geeigneter Scaling-Up Verfahren auf großtechnische Anlagen übertragen werden. [PENKUHN 1997] Entscheidender Nachteil der empirischen Ermittlung von Transformationsfunktionen mittels Methoden der Regressionsrechnung ist jedoch, dass die beschriebenen funktionalen Zusammenhänge häufig nicht nachvollzogen werden und in einigen Fällen sogar naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten widersprechen können. So ist es möglich, dass durch die Transformationsfunktionen Scheinkorrelationen beschrieben werden. Diese können gegebenenfalls falsche Schlussfolgerungen bezüglich der Wirkzusammenhänge zur Folge haben. Begegnet werden kann diesem Nachteil durch eine umfangreiche Datenbasis, die ein breites Spektrum der zu untersuchenden Merkmale umfasst. Dies resultiert jedoch meistens in einem sehr hohen Aufwand bei der Versuchsdurchführung. [FRÖHLING 2005] 3.1.1.2 Flowsheeting Simulation In Flowsheeting Programmen erfolgt die computergestützte Bestimmung der Stoff- und Energiebilanzen für stationäre verfahrenstechnische Prozesse auf Grundlage der physikalischchemischen Gesetzmäßigkeiten gemäß den Hauptsätzen der Thermodynamik. Sie werden in der Prozessindustrie zur Unterstützung bei der Erstellung von Fließschemata (engl. flowsheets) eingesetzt. Kommerziell verfügbare Flowsheeting Software sind beispielsweise ASPEN PLUS, HYSYS, CHEM CAD und PRO-II [PETERS ET AL. 2002]. In diesen Flowsheeting Programmen werden verfahrenstechnische Prozesse durch die beteiligten Unit Operations sowie die auftretenden Stoff- und Energieströme abgebildet. Für eine Vielzahl von Unit Operations sind Zustandsgleichungen zur Beschreibung der ablaufenden thermischen, chemischen oder mechanischen Vorgänge bei der Stoff- und Energietransformation in den Programmen hinterlegt. Ebenfalls umfassen die Programme umfangreiche Datenbanken zu Stoffeigenschaften. Die Erstellung einer Flowsheeting Simulation kann für komplexe Prozesse aufwendig werden und erfordert umfangreiche verfahrenstechnische Kenntnisse
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
73
vom Modellierer, da viele Systemparameter sowie thermodynamische Berechnungsansätze manuell festgelegt werden müssen [PETERS ET AL. 2002]. Ist der Produktionsprozess abgebildet, können jedoch mit verhältnismäßig geringem Aufwand Änderungen bezüglich der Feedströme und der Prozessbedingungen in den einzelnen Unit Operations, wie Druck oder Temperatur, simuliert und die jeweils resultierenden Stoff- und Energiebilanzen bestimmt werden. Grundsätzlich werden zwei Konzepte von Flowsheeting Programmen unterschieden, sequentiell modulare Ansätze sowie simultane Ansätze [LOHE/ FUTTERER 1995]. In sequentiell modularen Programmen werden die Stoff- und Energiebilanzen für einzelne Unit Operations nacheinander berechnet. Die Reihenfolge der Berechnung richtet sich dabei nach der Reihenfolge der Unit Operations in dem modellierten Verfahren. Ausgangsstoffströme einer Unit Operation sind so Eingangsströme der im Prozessablauf folgenden Unit Operation. Rückführungen werden über iterative Berechnungen berücksichtigt. Vorteil des sequentiell modularen Simulationsansatzes ist, dass die Berechnungsschritte auf Ebene der Unit Operations einzeln nachvollziehbar sind und so eine Fehlersuche erleichtert wird. [PENKUHN 1997], [LOHE/ FUTTERER 1995] In simultanen Ansätzen werden dagegen alle prozessrelevanten Gleichungen in einer gemeinsamen Matrix zusammengeführt und simultan gelöst. Dieser Ansatz weist insbesondere für Prozesse mit umfangreichen zyklischen Strukturen ein gutes Konvergenzverhalten auf. Als Nachteil für den Einsatz in der Praxis kann allerdings angeführt werden, dass das resultierende Gleichungssystem eine abstrakte Darstellungsform der Prozesse ist und eine einfach nachvollziehbare Zuordnung zu den einzelnen Unit Operations fehlt. So kann die Nachvollziehbarkeit eingeschränkt sein, was eine Fehlersuche erschwert. [PENKUHN 1997] Kombinationen aus diesen Ansätzen wurden ebenfalls entwickelt, haben allerdings in der industriellen Praxis kaum Anklang gefunden. [PENKUHN 1997], [LOHE/ FUTTERER 1995], [FUTTERER/ MUNSCH 1990] Aus diesem Grund wird auf diese zweistufigen Ansätze im Folgenden nicht eingegangen. Dagegen sind in der Praxis sowie im Rahmen der technoökonomischen Modellierung insbesondere die sequentiell modularen Flowsheeting Programme weit verbreitet. [SCHULTMANN 2003], [PENKUHN 1997] Weiterführend wird daher ein Überblick über den grundsätzlichen Aufbau dieser Programme gegeben (vgl. Abbildung 3.1).
74
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie Eingabe
Ausgabe Hauptprogramm Unit Operations Rückstromberechnung
Stoffdatenprogramme
Optimierung Kostenermittlung Numerische Unterprogramme
Abbildung 3.1:
ThermodynamikUnterprogramme
Stoffdatenbank
Grundsätzlicher Aufbau von sequentiell modularen Flowsheeting Programmen [LOHE/ FUTTERER 1995]
Zentrales Modul einer Flowsheeting Software ist das Hauptprogramm, in dem sämtliche Berechnungen der Stoff- und Energiebilanzen für das abgebildete Verfahren verwaltet und koordiniert werden. Der Nutzer hat die Möglichkeit, über eine graphische Benutzeroberfläche oder auch Programmierschnittstellen auf das Hauptprogramm zuzugreifen. So erfolgen die Auswahl von Unit Operations sowie die Vernetzung dieser mit den Stoff- und Energieströmen zur Abbildung des verfahrenstechnischen Prozesses. Die Gleichungen zur Beschreibung der Transformationsvorgänge in den Unit Operations sowie Modelle zur Ermittlung von Stoffdaten sind in Unterprogrammen hinterlegt und können vom Nutzer parametrisiert werden. Desweiteren können über die Programmierschnittstellen sowohl benutzerdefinierte Modelle von Unit Operations als auch Anpassungsfunktionen an Messdaten für Teilprozesse eingegeben werden. In vielen Flowsheeting Programmen existieren zudem weitere Module, die eine Kostenbestimmung und Optimierung unterstützen. [PENKUHN 1997] Nach der Beschreibung verfahrenstechnischer Produktionsmodelle werden in den folgenden Abschnitten betriebswirtschaftliche Ansätze zur Modellierung von Produktionsprozessen vorgestellt und im Hinblick auf ihre Eignung zur Beschreibung verfahrenstechnischer Prozesse diskutiert. 3.1.2
Betriebswirtschaftliche Modellierung verfahrenstechnischer Prozesse
In Abhängigkeit der vorliegenden Problemstellung können statische und dynamische Methoden zur betriebswirtschaftlichen Modellierung von Produktionsprozessen eingesetzt werden. Operative Planungsprobleme können die Berücksichtigung zeitlicher Änderungen im Produktionsprozess und somit den Einsatz dynamischer Produktionsmodelle erfordern. Hierzu zählen beispielsweise Petrinetze sowie die dynamischen Produktionsfunktionen von Krelle oder Küpper [FANDEL 2005]. In langfristig orientierten, insbesondere strategischen Planungen werden hingegen in der Regel repräsentative Betriebszustände der betrachteten Produktionsprozesse in statischen Modellen abgebildet. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf eine statische Modellierung der Produktionsprozesse.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
75
3.1.2.1 Betriebswirtschaftliche Input-Output Modelle In betriebswirtschaftlichen Input-Output Modellen werden vernetzte Produktionsprozesse mittels eines bewerteten Digrafen D = (M, E, c) beschrieben. Der zu modellierende Produktionsprozess wird hierzu in einzelne Produktionsstellen gegliedert. Diese Produktionsstellen sowie Beschaffungs- und Absatzstellen bilden die Knotenmenge ܯ ( ܯൌ ሼ݅ȁ݅ ൌ ͳǡ ǥ ǡ ݉ሽ) des Grafen. Die Vernetzung der Produktionsstellen untereinander sowie mit den Beschaffungs- und Absatzstellen erfolgt im Produktionsprozess über Stoff- und Energieströme, die als Kanten des Digrafen modelliert und durch die Kantenmenge E beschrieben werden. Die Bewertung der Kanten erfolgt durch die Funktion c. Die Bewertungsfunktion wird wie folgt beschrieben: ܧ՜ ܴܫ ܿ ൌ ൜ሺ݅ǡ ᇱ ሻ ݅ ܧ א՜ ܿሺ݅ǡ ݅ ᇱ ሻ
(3.5)
Sie gibt die benötige Inputmenge des Produkts ݅ zur Erstellung einer Mengeneinheit des Produkts ݅ᇱ an. [SPENGLER 1998] In Abbildung 3.2 wird beispielhaft ein zweistufiges Verfahren zur Vergasung von Biomasse mit anschließender Gasreinigung zur Synthesegasproduktion in einem Multigrafen 55 modelliert. Biomasse S1
Beschaffungsstellen Produktionsstellen
NiedertemperaturVergaser 3 Schwelgas (teerhaltig) S4
Biokoks S3
Sauerstoff S2 HochtemperaturVergaser
Schlackegranulat 4 S6
Synthesegas S7
Restkoks, Asche, Staub S9
Abbildung 3.2:
5
S1
3 S3
2
S2
S4
Dampf S8
Abwasser S10
S6
4
6 7
S7 S5
Rohgas S5
Gasaufbereitung
1
Absatzstellen
5
S8 S9
8 9
S10
10
Darstellung eines vernetzten Produktionssystems am Beispiel eines zweitstufigen Verfahrens zur Biomassevergasung und einer Gasaufbereitung (vereinfacht)
Zur übersichtlichen Darstellung komplexer Digrafen kann die Strukturmatrix wie folgt gebildet werden [SPENGLER 1998], [KLOOCK 1969]: ܵ ൌ ሺݏ ᇲ ሻ ǡ ݉݅ݏݐ ᇲ ൌ ൜
55
ͳǡ ݂݈݈ܽݏሺ݅ǡ ݅ ᇱ ሻ ܧ א Ͳǡ ݐݏ݊ݏ
(3.6)
In Multigraphen werden mehrfache Stoff- und/oder Energiebeziehungen zwischen einzelnen Knotenpaaren abgebildet.
76
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
Zur Darstellung der Mengenrelationen in den Input-Output Beziehungen wird die Strukturmatrix in die Direktbedarfsmatrix A überführt. Dazu werden die Transformationsvorgänge in den einzelnen Produktionsstellen durch Transformationsfunktionen ݎ௧ ᇲ ൌ ݂ ᇲ ሺǥ ሻ ȉ ݎ ᇲ beschrieben. Diese geben die Mengeneinheiten des Produkts ݅ an, die zur Produktion von ݎ ᇲ Mengeneinheiten des Produkts ݅Ԣ erforderlich sind. [SPENGLER 1998], [KLOOCK 1969] Die gesamte produzierte Menge ݎ von Produkt ݅ setzt sich dann aus der Summe der prozessintern genutzten Menge des Produkts i und der extern abgesetzten Menge ݅ݕvon Produkt ݅ gemäß Gleichung (3.7) zusammen. [SPENGLER 1998]
ݎ ൌ ݂ ᇲ ሺǥ ሻ ȉ ݎ ᇲ ݕ
(3.7)
ᇲ ୀଵ
Mit den Vektoren ݕൌ ሺݕଵ ǡ ǥ ǡ ݕ ሻ und ݎൌ ሺݎଵ ǡ ǥ ǡ ݎ ሻ, ܣൌ ሺ݂ ᇲ ሺǥ ሻሻ sowie der Einheitsmatrix ܫergibt sich somit: ݎൌ ܣȉ ݎ ֞ ݕሺ ܫെ ܣሻ ȉ ݎൌ ݕ
der
Direktbedarfsmatrix
(3.8)
Ist die Nichtnegativität und Existenz der Gesamtbedarfsmatrix G gewährleistet 56 , kann diese als Inverse der Differenz aus Einheits- und Direktbedarfsmatrix berechnet werden, ܩൌ ሺ ܫെ ܣሻିଵ . Die gesamten Produktionsmengen ݎkönnen dann wie folgt bestimmt werden: ݎൌܩȉݕ
(3.9)
Die vorangegangenen Ausführungen beschreiben den speziellen Fall eines Produktionsprozesses, in dem die einzelnen Produktionsstellen lediglich eine Produktart ausbringen. Insbesondere verfahrenstechnische Prozesse sind jedoch durch Kuppelproduktion gekennzeichnet (vgl. Abschnitt 2.4). Die möglichen multiplen Stoff- und/oder Energiebeziehungen zwischen einzelnen Knotenpaaren im Produktionsprozess werden in Multigrafen abgebildet. Die Erstellung verschiedener Produkte in einer Produktionsstelle wird durch eine entsprechende Anzahl an Transformationsfunktionen beschrieben. [KLOOCK 1969] Hier beschreibt ݊ die maximal auftretende Anzahl der in einer Produktionsstelle erzeugten Produktarten. Die Transformationsfunktionen werden für jede Produktionsstelle in einer Matrix wie folgt zusammengefasst. ᇲ
ܨ ᇲ ሺǥ ሻ ൌ
56
݂ଵଵ ሺǥ ሻ ڭ ᇲ ݂ଵ ሺǥ ሻ
ڮ ڮ
ᇲ
݂ଵ ሺǥ ሻ ڭ ᇲ ݂ ሺǥ ሻ
(3.10)
Die Existenz und Nichtnegativität der Gesamtbedarfsmatrix ist für bestimmte Typen von Transformationsfunktionen und Strukturmatrizen gegeben. Können diese Bedingungen nicht formuliert werden, können als Ergebnis der Berechnungen negative Produktionsmengen auftreten. [KLOOCK 1969], [KISTNER 1993], [SPENGLER 1998]
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
77
Die Direktbedarfsmatrix A wird dann durch Gleichung (3.11) beschrieben [KLOOCK 1969].
ª F11 (...) « « A « « « «¬ Fm1 (...)
Fii ' (...)
F1m (...) º » » » » » Fmm (...)»¼
(3.11)
Ein entscheidendes Merkmal von Input-Output Modellen sind die gewählten und modellierten Transformationsfunktionen zur Beschreibung der Stoff- und Energieumwandlung in den Produktionsstellen. In der Produktionstheorie werden verschiedene Transformationsfunktionen angeführt [DYCKHOFF/ SPENGLER 2007], [FANDEL 2005], [KISTNER 1993], aus denen eine problemspezifische Auswahl zu erfolgen hat. In Abbildung 3.3 wird nach Spengler [SPENGLER 1994] eine Gliederung von wichtigen Klassen von Transformationsfunktionen dargestellt. AllgemeineTransformationsfunktion Einvariablige Transformationsfunktionen
Allgemeiner Ansatz
Mehrvariablige Transformationsfunktionen
LeontiefͲ Funktion
Unabhängige Einflussgrößen
Allgemeiner Ansatz
Ertragsgesetzliche Funktion
Interdependente Einflussgrößen
Linearer Ansatz
GutenbergͲ Funktion
HeinenͲ Funktion
CobbͲDouglasͲ CESͲ Allgemeiner Funktion Funktion Ansatz
TechnoͲökonomische Transformationsfunktionen
Thermodynamische Funktionen
Abbildung 3.3:
EngineeringͲ ProductionͲFunctions
Überblick über wichtige Klassen von Transformationsfunktionen [SPENGLER 1994]
Limitationale Produktionsprozesse können durch die einvariablige Transformationsfunktion von Leontief [LEONTIEF 1966] dargestellt werden. In dem Ansatz von Leontief wird die Transformationsfunktion allein durch einen konstanten Transformationskoeffizienten beschrieben. Ihr Einsatz hat sich insbesondere in der Modellierung von Montage- und Demontagesystemen etabliert (vgl. z.B. [WALTHER 2005], [PENKUHN 1997], [SPENGLER 1994]). Zur Beschreibung von thermodynamischen und chemischen Transformations-
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Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
vorgängen ist sie jedoch nicht geeignet. So können weder Nichtlinearitäten in den Produktionsprozessen noch substitutionale Beziehungen zwischen physikalischen und stofflichen Prozessparametern abgebildet werden. Substitutionale Beziehungen können hingegen durch die ertragsgesetzliche, die CobbDouglas oder die CES-Transformationsfunktion beschrieben werden. Nachteilig für die Modellierung verfahrenstechnischer Produktionsprozesse ist allerdings, dass in diesen Transformationsfunktionen naturwissenschaftlich-technische Gesetzmäßigkeiten nicht explizit berücksichtigt werden. [FANDEL 2005], [SPENGLER 1998] Technische und ökonomische Verbrauchsfunktionen werden in den Transformationsfunktionen von Gutenberg und Heinen eingebunden. Unter der Annahme limitationaler Produktionsverhältnisse unterscheidet Gutenberg [GUTENBERG 1966] Potenzialfaktoren sowie Repetierfaktoren. Die Leistung einer Produktionsstelle wird durch die Wahl der technischen Parameter sowie eine Produktionsintensität bestimmt. Während die Wahl der technischen Parameter den erforderlichen Einsatz der Potenzialfaktoren bestimmt, werden durch die Produktionsintensität die Repetierfaktoren beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen dem Einsatz der erforderlichen Faktoren zur Herstellung einer Produkteinheit wird über Verbrauchsfunktionen abgebildet. Dabei wird ein linearer Zusammenhang zwischen der Leistung einer Produktionsstelle und der Produktionsintensität unterstellt. Diese Annahme sowie die limitationalen Beziehungen der Einsatzfaktoren und Produkte lassen unter anderem die Gutenberg-Transformationsfunktion zur Modellierung verfahrenstechnischer Prozesse als ungeeignet erscheinen. [FRÖHLING 2005] Auf die Transformationsfunktion von Heinen [HEINEN 1978] treffen dieselben Kritikpunkte zu. Unterschiede in den Ansätzen sind lediglich im Hinblick auf den abgebildeten Detaillierungsgrad der Produktionsprozesse dahingehend zu identifizieren, dass von Heinen durch eine detaillierte Zerlegung der Prozesse eine eindeutige Beziehung zwischen ökonomischer und technischer Leistung der Produktionsstellen herleitet. [FRÖHLING 2005], [SCHULTMANN 2003] In Engineering Production Functions (EPFs) werden verfahrenstechnische Gesetzmäßigkeiten explizit in analytischen Transformationsfunktionen abgebildet. Zur Erstellung der EPFs wird der betrachtete Produktionsprozess in die jeweiligen physikalischen und chemischen Elementarvorgänge zerlegt und durch analytische und/oder experimentell bestimmte Funktionen beschrieben. Der Übergang zu herkömmlichen Produktionsfunktionen erfolgt durch eine Transformation dieser rein verfahrenstechnischen Zusammenhänge in quantifizierbare Input-Output Beziehungen. Dabei werden formal drei Güterarten unterschieden [FANDEL 2005]:
„Materials“, zum Beispiel Biomasse, gehen als Repetierfaktoren direkt in das Produkt ein oder liefern Energie.
„Services“ sind als Potenzialfaktoren an den Transformationsvorgängen beteiligt, indem sie Energie anbieten, umformen oder die Umformung kontrollieren. Hierzu zählen beispielsweise Vergaser, Synthesereaktoren und Wärmetauscher.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
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„Products“ stellen den Output des Produktionsprozesses dar, zum Beispiel synthetischer Biokraftstoff oder elektrische Energie.
Die stofflichen und technischen Eigenschaften dieser Güterarten, wie beispielsweise Dichte, Temperatur und Druck, werden durch „Engineering Variables“ abgebildet. Die ökonomische Bewertung der Transformationsvorgänge erfordert eine Quantifizierung der Stoff- und Energieströme. Dies wird mittels der „Economic Variables“ (Quantifizierungsvariablen) beschrieben. Die EPFs stellen somit den Zusammenhang zwischen den benötigten Repetierund Potenzialfaktoren zur Erstellung einer bestimmten Menge von Produkten her, wobei explizit Substitutionsmöglichkeiten der Einsatzfaktoren berücksichtigt werden. [FANDEL 2005] Die Anwendung der EPFs beschränkt sich bis heute jedoch auf eine geringe Anzahl an Arbeiten [MARTEL 1999], [MÜLLER-FÜRSTENBERGER 1995], [EIDE 1979], [SMITH 1961], da die analytische Beschreibung der physiklisch-chemischen Vorgänge bereits für kleine Systeme, bestehend aus wenigen Unit Operations, zu einem erheblichen Modellierungsaufwand führen kann [SPENGLER 1998]. Zur Reduzierung des Aufwands wurden von Penkuhn [PENKUHN 1997] integrierte Ansätze auf Basis von Flowsheeting Programmen entwickelt. Diese werden im Rahmen der Verzahnung von verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Modellierungsformen in Abschnitt 3.1.3 vorgestellt und diskutiert. Zunächst wird im folgenden Abschnitt die Aktivitätsanalyse als weitere Möglichkeit zur betriebswirtschaftlichen Modellierung von Produktionsprozessen vorgestellt. 3.1.2.2 Aktivitätsanalytische Stoffstrommodellierung Der Ansatz der Aktivitätsanalyse ähnelt den Input-Output Modellen und geht auf Arbeiten von Koopmans [KOOPMANS 1951] und Debreu [DEBREU 1959] zurück. Im Gegensatz zu den Input-Output Modellen werden in der Aktivitätsanalyse keine formalen Produktionsfunktionen in Form stetiger mathematischer Formulierungen eingebunden. Die Modellierung erfolgt mit empirisch ermittelten Aktivitäten. Diese Aktivitäten beschreiben sämtliche InputOutput Ströme in dem betrachteten Produktionsprozess und werden in Vektorform wie folgt dargestellt [DYCKHOFF/ SPENGLER 2007], [FANDEL 2005]: ݒଵ ் ݒ ൌ ڭ൩ ൌ ൣݒଵ ǡ ǥ ǡ ݒ ൧ ܴܫ א ݒ
(3.12)
Ein positives Vorzeichen weisen aus einer Aktivität ݆ hervorgehende Stoffe oder Energien auf. Durch ein negatives Vorzeichen sind die verbrauchten Repetierfaktoren gekennzeichnet. Diese Modellierungsform sei in Abbildung 3.4 am vereinfachten Beispiel des zweistufigen Verfahrens zur Biomassevergasung aus Abschnitt 3.1.2.1 verdeutlicht. Die Aktivitäten beschreiben dabei die drei Verfahrensschritte Niedertemperatur-Vergasung (ݒଵ ), Hochtemperatur-Vergasung (ݒଶ ) und Gasaufbereitung (ݒଷ ).
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Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
Biomasse S1
NiedertemperaturVergaser 3
Biokoks S3
Schwelgas (teerhaltig) S4
Sauerstoff S2 HochtemperaturVergaser
Schlackegranulat 4 S6
Rohgas S5 Synthesegas S7 Gasaufbereitung Restkoks, Asche, Staub S9
Abbildung 3.4:
5
Dampf S8
Abwasser S10
Aktivitäten des zweistufigen Verfahrens zur Biomassevergasung und der Gasaufbereitung (vereinfacht)
Anpassungen der Aktivitäten ݆ אሼͳǡ ǥ ǡ ݊ሽ durch Variation der Prozessparameter, Stoffzusammensetzungen und/oder Energiezufuhr werden durch jeweilige Intensitäten ߣ ܴܫ אା beschrieben. Die resultierenden Stoff- und Energieströme in Abhängigkeit der eingestellten ்
Intensität werden durch den Vektor ݔ ൫ߣ ൯ ൌ ൣݒଵ ൫ߣ ൯ǡ ǥ ǡ ݒ ൫ߣ ൯൧ abgebildet. Während in der Fertigungsindustrie diese intensitätsmäßigen Anpassungen in der Regel durch lineare Funktionen dargestellt werden können, müssen Änderungen der Intensität in physikalischchemischen Transformationsvorgängen der Prozessindustrie in vielen Fällen durch nichtlineare Funktionen beschrieben werden. Liegen Werte für einen stationären Zustand eines physikalisch-chemischen Produktionsschritts vor, besteht jedoch die Möglichkeit, für geringe Abweichungen von diesem Zustand die Aktivitäten als linear anzunehmen. [DYCKHOFF/ SPENGLER 2007], [SPENGLER 1998], [STEVEN 1994] Die die Systemgrenzen überschreitenden Stoff- und Energieströme werden in Abhängigkeit der eingestellten Intensitäten der Aktivitäten dann durch den Umweltvektor ݔ௨௪ in Vektorschreibweise wie folgt beschrieben [SPENGLER 1998]: ݔଵ௨௪ ݂ଵ ሺݒଵଵ ሺߣଵ ሻǡ ǥ ǡ ݒଵ ሺߣ ሻሻ ڭ ݔ௨௪ ൌ ڭ൩ ൌ ൩ ܴܫ א ௨௪ ݂ ሺݒଵ ሺߣଵ ሻǡ ǥ ǡ ݒ ሺߣ ሻሻ ݔ
(3.13)
So können für festgelegte Intensitäten die resultierenden Stoff- und Energieströme mengenmäßig ermittelt werden. Gleichfalls können für eine zu produzierende Produktmenge die aktivitätsspezifischen Intensitäten über die Aufstellung und Lösung eines linearen Gleichungssystems bestimmt werden [SPENGLER 1998]. Im folgenden Abschnitt werden nun Möglichkeiten zur Nutzung und Einbindung verfahrenstechnischer Modelle in betriebswirtschaftlichen Ansätzen zur Modellierung von Produktionsprozessen aufgezeigt.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
3.1.3
81
Verzahnung verfahrenstechnischer und betriebswirtschaftlicher Produktionsmodelle
In den vorangegangenen Ausführungen wurden sowohl verfahrenstechnische als auch betriebswirtschaftliche Ansätze zur Modellierung von Produktionsprozessen vorgestellt und bereits kurz hinsichtlich eines grundsätzlichen Einsatzes zur Modellierung von physikalischchemischen Transformationsvorgängen diskutiert. Im Folgenden werden bereits bestehende Ansätze zur Integration von verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Produktionsmodellen vorgestellt. Diese Ansätze zur Integration von verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Produktionsmodellen wurden für unterschiedliche betriebswirtschaftliche Planungsprobleme entwickelt. Diese Ansätze können dahingehend unterschieden werden, ob eine direkte Verzahnung der verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Modelle in hybriden Modellen erfolgt oder eine indirekte Verzahnung in Form einer Nutzung der technischen Ergebnisse. Die Nutzung von Informationen aus verfahrenstechnischen Modellen ist meist Verbunden mit einer Aggregation der gewonnen technischen Daten auf das für die betriebswirtschaftliche Planung erforderliche Maß. In den bisherigen Ausführungen wurden mit den EPFs bereits direkte Integrationsmöglichkeiten von verfahrenstechnischen Methoden bzw. naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten in betriebswirtschaftliche Input-Output Modelle aufgezeigt. Wie in Abschnitt 3.1.1 beschrieben, ist eine Reduzierung des Modellierungsaufwands für komplexe Produktionssysteme durch die Nutzung und Einbindung von Flowsheeting Simulationen möglich. Penkuhn [PENKUHN 1997] entwickelt in diesem Zusammenhang sogenannte thermodynamische Transformationsfunktionen und bindet Flowsheeting Modelle zur verfahrenstechnischen Prozesssimulation direkt in Input-Output Modelle ein. Auf dem so ermittelten Mengengerüst erfolgt durch Einbeziehung des entsprechenden Wertegerüsts eine ökonomische Bewertung der Produktionsprozesse. Dies erlaubt die Ermittlung der Auswirkungen von Änderungen im Wertegerüst auf die optimalen Prozessparameter. Penkuhn [PENKUHN 1997] wendet diesen Ansatz auf die operative Optimierung der Prozessparameter eines Produktionsprozesses zur Ammoniaksynthese an. Als Flowsheeting Programm wird dabei ASPEN PLUS verwendet. Im Rahmen von strategischen Fragestellungen werden Simulationsmodelle oder EPFs in der Regel nicht direkt in das betriebswirtschaftliche Modell integriert. Hier erfolgt zunächst die verfahrenstechnische Simulation des betrachteten Produktionsprozesses für verschiedene stationäre Prozesszustände. Aus diesen Simulationsergebnissen werden Transformationsfunktionen abgeleitet und gegebenenfalls weiter linearisiert. Diese Transformationsfunktionen können dann in Input-Output Modelle oder in aktivitätsanalytische Modelle integriert werden. Kerdoncuff [KERDONCUFF 2008] entwickelt beispielsweise Flowsheeting Modelle des Produktionsprozesses für synthetische Biokraftstoffe für das Verfahren des Forschungszentrums Karlsruhe. Mit Hilfe dieser Modelle stellt er Massenstromverhältnisse zwischen Input- und Outputströmen einer Produktionsstufe für einen stationären Zustand dar. Diese Verhältnisse werden für eine betriebswirtschaftliche Standortplanung genutzt.
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Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
Ausgehend von den beschriebenen Integrationsmöglichkeiten der verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Produktionsmodelle für Planungsprobleme unterschiedlicher Fristigkeit werden im Folgenden sowohl die verfahrenstechnischen als auch die betriebswirtschaftlichen Produktionsmodelle für den Einsatz im Rahmen der Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen bewertet. 3.1.4
Bewertung des Einsatzes von verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Produktionsmodellen im Rahmen der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe
Zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe sind verfahrenstechnische Modelle zur Bestimmung von Stoff- und Energiebilanzen erforderlich. Aufgrund des aktuellen Entwicklungsstands der Produktionstechnologien kann für die verfahrenstechnische Modellierung der Produktionsprozesse zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe nicht auf Betriebsdaten bestehender großtechnischer Realisierungen zurückgegriffen werden. Daher kommen für die Bestimmung der Stoff- und Energiebilanzen sowohl die Ermittlung empirischer Produktionsfunktionen auf der Basis von Daten aus Labor-, Technikums- oder Pilotanlagen als auch die Durchführung von Flowsheeting Simulationen in Frage. In beiden Ansätzen können nichtlineare Transformationsprozesse sowie substitutionale Beziehungen von Potenzial- und Repetierfaktoren abgebildet werden. Eine reine Beschreibung des gesamten Produktionsprozesses durch die Aufstellung und Verknüpfung empirischer Produktionsfunktionen einzelner Unit Operations bedingt einen sehr hohen Aufwand. Daher bietet sich die Nutzung von Flowsheeting Programmen an, in denen für eine Vielzahl der Unit Operations bereits Funktionen hinterlegt sind und in die empirisch ermittelte Funktionen, zum Beispiel zur Fischer-Tropsch-Synthese, eingebunden werden können. Zur betriebswirtschaftlichen Gestaltung der Netzwerkstrukturen für die Herstellung synthetischer Biokraftstoffe sind die Stoff- und Energiebilanzen von den einzelnen Produktionsstufen gefordert (vgl. Abschnitt 2.4). Zur Modellierung der Stoff- und Energiebilanzen auf Ebene der Prozessstufen sind sowohl die Input-Output Modelle als auch die aktivitätsanalytischen Modelle geeignet. In beiden Ansätzen können grundsätzlich die physikalisch-chemischen Stoff- und Energietransformationen abgebildet werden. Eine aktivitätsanalytische Modellierung der Produktionsstufen ist für die vorliegende Problemstellung jedoch mit einem höheren Modellierungsaufwand verbunden. Dies ist auf die substitutionalen Zusammenhänge zwischen Repetierfaktoren zurückzuführen. Diese substitutionalen Beziehungen können durch eine große Anzahl an Aktivitäten approximiert werden. Beispielsweise kann der Input-Stoffstrom in die Prozessstufe der Vergasung verschiedene Biomassearten mit unterschiedlichen Anteilen aufweisen. Durch mehrere Aktivitäten der Vergasung können jeweils verschiedene diskrete Zusammensetzungen des Input-Stoffstroms beschrieben werden. In Input-Output Modellen kann hingegen die Transformation unterschiedlicher Biomassen und deren substitutionaler Beziehungen in einer Prozessstufe durch eine Transformationsfunktion beschrieben werden.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
83
Die Modellierung der Produktionsprozesse für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe erfolgt somit in einem zweistufigen Vorgehen, wie in Abbildung 3.5 schematisch dargestellt. In einem ersten Schritt werden die Stoff- und Energiebilanzen der Produktionsprozesse mit Hilfe von Flowsheeting Simulationen bestimmt. Anhand dieser Bilanzen können die Transformationsfunktionen der für die betriebswirtschaftliche Modellierung relevanten Stoff- und Energieströme abgeleitet werden. Die betriebswirtschaftliche Modellierung der Produktionsprozesse erfolgt mit diesen Transformationsfunktionen in Input-Output Modellen. Verfahrenstechnische Modellierung
Betriebswirtschaftliche Modellierung Datenaggregationund Datenintegration
mittelsFlowsheeting Simulation
Abbildung 3.5:
mittelsInputͲOutput Modellen
Schematische Darstellung der Modellierung der Produktionsprozesse im Rahmen einer Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe
Nachdem im Vorangegangenen geeignete Modelle für die Produktionsprozesse ermittelt wurden, werden im Folgenden Vorgehen und Modelle zur Standortplanung analysiert. Im Rahmen der Standortplanung gilt es, unter Berücksichtigung der Materialflussbeziehungen in einem Produktionsnetzwerk die unterschiedlichen Produktionsprozesse in einer Technologiewahl zu bewerten, geeignete Standorte für Produktionstechnologien zu ermitteln und deren Kapazitäten festzulegen. 3.2
Standortplanung
Die integrierte Entscheidung über Technologien, Kapazitäten und Standorte der Anlagen zur Produktion von synthetischen Biokraftstoffen im Rahmen der Netzwerkgestaltung wird einen entscheidenden Einfluss auf die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Produktionsnetzwerke ausüben. Insbesondere das räumlich verteilte Biomasseaufkommen und die daraus resultierenden umfangreichen Transporte von Biomassen stellen eine Besonderheit dar. Durch die Wahl der Anlagenkonzepte, Kapazitäten und Standorte werden unter anderem die erforderlichen Transporte der Biomassen maßgeblich beeinflusst sowie die Transporte von Zwischenprodukten und produzierten synthetischen Biokraftstoffen. Der langfristige Charakter der Entscheidungen über Standorte, Technologien und Kapazitäten der Anlagen zur Produktion von synthetischen Biokraftstoffen ist auf die hohen Investitionen zurückzuführen, die mit der Einrichtung eines neuen Standorts einhergehen und mit einer nachträglichen Revision dieser Entscheidung verbunden sind. In diesem Abschnitt werden verschiedene Ansätze zur überbetrieblichen Standortplanung vorgestellt und im Hinblick auf ihre Eignung für die Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe diskutiert. Dabei wird folgendes Vorgehen gewählt. Zunächst werden in Abschnitt 3.2.1 grundsätzliche Formen von Standortplanungsmodellen beschrieben und eine geeignete Modellierungsform für die Gestaltung von
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Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe ermittelt. Im anschließenden Abschnitt 3.2.2 wird die Standortvorauswahl vorgestellt und es werden spezielle Kriterien für Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe identifiziert. In Abschnitt 3.2.3 werden dann Modelle zur Netzwerkgestaltung für (synthetische) Biokraftstoffe sowie weitere Modellierungsansätze zur Erreichung der bestehenden Anforderungen (vgl. Abschnitt 2.5) diskutiert. Abschließend werden die wesentlichen Erkenntnisse bezüglich der Standortplanung im Rahmen der Netzwerkgestaltung zusammengefasst. 3.2.1
Standortplanungsmodelle
Die Ursprünge der Standortplanung sind auf den Ansatz von Weber [WEBER 1909] zurückzuführen, ein Lagerhaus so zu positionieren, dass die Summe der Distanzen zu den zu beliefernden Kunden minimal ist. Er begründete damit einen bis heute untersuchten Forschungszweig in der Standortbestimmung, die Standortplanung in der Ebene. Standortplanungsmodellen in der Ebene liegt die Annahme zugrunde, dass Quellen und/oder Senken sowie potenzielle Standorte Punkte in einer Ebene sind, deren Distanz zueinander über eine geeignete Metrik gemessen werden kann. Häufige angewendete Distanzmaße sind dabei rechtwinklige, euklidische und modifizierte euklidische Entfernungen [DOMSCHKE/ DREXL 1996a]. Ein anderer Forschungszweig beschäftigt sich mit der Standortplanung in Grafen. In diesen Modellen werden Quellen und/oder Senken durch Knoten in Grafen repräsentiert und Standorte innerhalb einer Knotenmenge (diskret) oder auf den Kanten (kontinuierlich) ermittelt. Die Transportstrecken werden durch die Kanten des Grafen beschrieben. Die Standortplanung für Anlagen zur Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation erfolgt im Rahmen der vorhandenen Infrastruktur, daher bietet sich grundsätzlich die Standortplanung in Grafen an. Die bestehenden Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetze bilden somit die Kanten zwischen Biomassequellen, potenziellen Produktionsstandorten und den Senken für die Biomasse. Die Standortplanung in Grafen kann zur Lösung verschiedenartiger Planungsprobleme herangezogen werden. Grundsätzlich werden Covering, Zentren und Median Probleme unterschieden. In Covering Modellen erfolgt eine Standortwahl mit dem Ziel, eine große Anzahl von Quellen oder Senken mit einer möglichst geringen Anzahl an Standorten bedienen zu können. Begrenzt wird das Einzugsgebiet eines Standorts durch eine maximal zulässige Entfernung der Quellen oder Senken zu diesem Standort. Derartige Anforderungen sind insbesondere im öffentlichen Bereich für Einrichtungen wie zum Beispiel Feuerwehrstationen oder Krankenhäuser relevant. Eine maximale Distanz zwischen Kunden und Standorten darf hier nicht überschritten werden, um auch in Notfällen zeitnah vor Ort zu sein. [OWEN/ DASKIN 1998] Für privatwirtschaftlich arbeitende Unternehmen ist hingegen vielfach nicht eine flächendeckende Bedienung der Nachfrage von Interesse, sondern eine gezielte Bedienung von Teilen der bestehenden Nachfrage. Hierbei wird in der Regel auf die Bedienung der Nachfrage in nachfrageschwachen Regionen zugunsten der Bedienung der Nachfrage von nachfragestarken Regionen verzichtet. Im Rahmen solcher Maximal-Covering Probleme werden für eine vorgegebene Anzahl an einzurichtenden Standorten die Standorte ermittelt,
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
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welche die räumlich verteilte Nachfrage bestmöglich ausschöpfen. [VAHRENKAMP/ MATTFELD 2007] Einen weiteren Ansatz stellen Zentren Probleme dar, auch als Minmax Probleme bezeichnet. In dieser Problemkategorie wird ein Standort mit dem Ziel gewählt, die maximal auftretende Distanz zwischen sämtlichen Kunden und diesem Standort zu minimieren. [VAHRENKAMP/ MATTFELD 2007] In Median Problemen wird die Ansiedlung von Einrichtungen modelliert, die durch transportintensive Beziehungen mit Quellen oder Senken in einem Netzwerk verbunden sind. Anders als bei den zuvor vorgestellten Ansätzen, werden hier die gewichteten Distanzen berücksichtigt. Die Gewichtung kann beispielsweise über die zu transportierende Masse oder die Menge der Materialien erfolgen. Es werden die Standorte identifiziert, für die die Summe der gewichteten Distanzen minimal ist. Werden die gewichteten Distanzen durch Transportkosten monetär bewertet und Kosten für die Ansiedlung der Einrichtungen berücksichtigt, entspricht diese Formulierung von speziellen Median Problemen grundsätzlich der von Warehouse Location Problemen. Zur Planung von privatwirtschaftlichen Produktionsnetzwerken werden in der Regel Facility Location Probleme genutzt. Facility Location Probleme entsprechen erweiterten Formulierungen von Warehouse Location Problemen. Diese Erweiterungen betreffen beispielsweise die Berücksichtigung von Produktionsvorgängen und unterschiedlichen Produktionstechnologien. Standorte von Zulieferern, Produktionsanlagen, Distributionszentern sowie Standorte von Kunden bilden die Knotenmenge. Materialflüsse werden durch die Kanten des Netzwerks repräsentiert. Für die Modellierung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe in Form eines Facility Location Problems sprechen zwei wesentliche Gründe. Erstens wird davon ausgegangen, dass von den Netzwerkbetreibern eine Maximierung des Gewinns bzw. eine Maximierung des Kapitalwerts eines Produktionsnetzwerks angestrebt wird. Zweitens werden für Anlagen zur Produktion von synthetischen Biokraftstoffen diskrete Standorte ermittelt, da Anforderungen, wie beispielsweise infrastrukturelle Anbindungsmöglichkeiten, von den Standorten erfüllt werden müssen. Abhängig von der Größe der zu planenden Produktionsnetzwerke können die resultierenden Planungsprobleme sehr komplex werden. Um die Komplexität zu reduzieren ohne die Qualität der gefundenen Lösung zu beeinflussen, wird üblicherweise in einem Preprocessing eine Standortvorauswahl durchgeführt [FISCHER 1997], [DOMSCHKE/ DREXL 1996b]. In der Standortvorauswahl wird die Anzahl potenzieller Standorte für Produktionsanlagen reduziert, indem die Standorte anhand von Standortfaktoren bewertet werden. Im Folgenden wird die Standortvorauswahl beschrieben und Standortfaktoren speziell für Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe ermittelt. 3.2.2
Standortvorauswahl
In der Standortvorauswahl werden Standorte für die Errichtung von Industrieanlagen anhand von Standortfaktoren bewertet. Hierbei wird der räumliche Fokus in der Regel schrittweise enger gefasst. In einem ersten Schritt werden Länder auf ihre potenzielle Eignung hin untersucht, wobei hauptsächlich marktwirtschaftliche Aspekte Berücksichtigung finden.
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Typische Standortfaktoren auf dieser Ebene sind Markterschließung, Umweltstandards, Lohnund Produktionskosten, Industrialisierung sowie die politische Stabilität und Wirtschaftspolitik. In einem nächsten Schritt wird eine regionale Standortauswahl getroffen. Die dabei zugrunde gelegten Standortfaktoren sind vornehmlich auf infrastrukturelle Gegebenheiten sowie regionalpolitische und betriebswirtschaftliche Aspekte ausgerichtet. Hierzu zählen beispielsweise Rohstoffquellen, Absatzmarkt, Arbeitskräfteangebot, Subventionen sowie die Infrastruktur. In einem abschließenden Schritt werden in den ermittelten Regionen lokal potenzielle Orte zur Ansiedlung identifiziert. Dabei stehen die lokalen Gegebenheiten im Vordergrund, wie die zur Verfügung stehenden Grundstücke, behördliche Auflagen sowie Versorgungs- und Entsorgungsmöglichkeiten. [GÜNTHER/ TEMPELMEIER 2005], [WÖHE/ DÖRING 2005], [FISCHER 1997], [AGGTELEKY 1987] Faktoren für die Standortvorauswahl können grundsätzlich in input-, output- und abgabenorientierte Standortfaktoren gegliedert werden (vgl. Abbildung 3.6). Diese Standortfaktoren sind für den jeweiligen Anwendungsfall zu konkretisieren und zu gewichten. Dabei sind sowohl branchenspezifische Besonderheiten als auch Charakteristika der vorliegenden Planungssituation zu berücksichtigen. [GÜNTHER/ TEMPELMEIER 2005] In den folgenden Abschnitten erfolgt daher eine Ausgestaltung dieser allgemeinen Standortfaktoren für Produktionsanlagen zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe. Standortfaktoren
Abbildung 3.6:
Inputorientiert
Outputorientiert
Abgabenorientiert
Material- und Rohstoffversorgung Arbeitskräfte Verkehrsanbindung Energieversorgung Fremddienste Baufläche Umweltschutz
Absatzmöglichkeiten Konkurrenz
Steuern Gebühren
Allgemeine betriebliche Standortfaktoren in Anlehnung an [JUNG 2006]
Als inputorientierter Standortfaktor spielt die Rohstoffversorgung eine wesentliche Rolle. Entscheidend ist hier das in einer Region verfügbare Biomassepotenzial [KAPPLER ET AL. 2009], [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008], [LEIBLE ET AL. 2006], das hinsichtlich der vorhandenen Massen, der Preise, der Qualitäten sowie der saisonalen Verfügbarkeiten differenziert werden muss. Zur Sicherstellung einer ökologisch verträglichen und ökonomisch sinnvollen Biomasseversorgung sind große Biomassepotenziale im Umkreis der Produktionsanlagen erforderlich. [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008] Die erforderliche Höhe des Biomassepotenzials richtet sich dabei nach den Kapazitäten der geplanten Anlagen. In Abhängigkeit der eingesetzten Produktionstechnologie und des erwarteten technologischen Fortschritts werden daher Anforderungen an die Qualität bzw. die Zusammensetzung der zu verarbeitenden Biomasse gestellt. Aus den unterschiedlichen Biomassearten ergibt sich direkt die saisonale Verfügbarkeit. Da eine ganzjährige Versorgung der Produktionsanlagen
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erforderlich ist [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008], muss diese über lagerfähige Biomassearten bzw. ein abgestimmtes Biomasseportfolio mit entsprechenden Erntezeiten gewährleistet werden. Niedrige Preise der Biomassen sind ein weiterer positiver Standortfaktor. Die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften sowie das Lohnniveau stellen ebenfalls entscheidende Standortfaktoren dar. [BEHRENS 1961] Mitunter können starke Unterschiede im regionalen Lohnniveau auftreten [SCHRÖDER 2002]. Beispielsweise war laut Angaben des Statistischen Bundesamts zu Verdiensten und Arbeitskosten im Jahr 2008 das durchschnittliche Lohnniveau in Westdeutschland ca. ein Drittel höher als das Lohnniveau in Ostdeutschlad. Eine geeignete Anbindung an das Verkehrsnetz ermöglicht Unternehmen die Realisierung günstiger Transportkosten. [JUNG 2006] Abhängig von der angedachten Sourcingstrategie der Biomasse und der Distributionsstrategie der synthetischen Biokraftstoffe sind für die vorliegende Problemstellung unterschiedliche Anbindungsformen gefordert. Das regionale Sourcing und die regionale Distribution an Tankstellen erfolgen in der Regel per LKW bzw. Tankwagen. [LEIBLE ET AL. 2006], [HAMELINCK ET AL. 2005a], [SUURS 2002] Für überregionale und internationale Transporte sind hingegen der Bahn- oder auch der Schifftransport empfehlenswert. [SUURS 2002] Das bestehende Pipelinenetz der chemischen Industrie ist in Europa rohstoffseitig auf Ethylen, Propylen und Rohöl ausgerichtet [APPE 2009]. Produzierte Kraftstoffe werden nur im Central Europe Pipeline System (CEPS) der Nato befördert, dessen primärer Zweck eine sichere Versorgung militärisch relevanter Standorte, wie beispielsweise Militärflughäfen, ist. Freie Kapazitäten in diesem Pipelinenetz werden jedoch auch zu zivilen Zwecken genutzt. Angebunden sind Großabnehmer, wie beispielsweise der Frankfurter Flughafen. [BUNDESWEHR 2010] Im Hinblick auf die Standortfaktoren Energieversorgung und Inanspruchnahme von Fremddiensten können erhebliche Synergieeffekte durch die Ansiedlung an einem bereits bestehenden Raffineriestandort oder in einem Chemiepark erzielt werden. Diese Effekte resultieren aus bestehenden Strukturen zur Strom-, Dampf-, Gas- und Wasserversorgung, der Bereitstellung von technischen Gasen sowie von Anlagen und Systemen zur Entsorgung oder Aufarbeitung von unerwünschten Kuppelprodukten (z.B. Abwasser). [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008], [PETERS ET AL. 2002] Desweiteren können Aufgaben, die nicht zur Kernkompetenz gehören, an vor Ort befindliche Dienstleister fremdvergeben werden. Zu diesen Aufgaben zählen zum Beispiel Werksschutz, Feuerwehr, werksärztlicher Dienst, ITService und Instandhaltung. [JUNG 2006] Zwingende Voraussetzung für die Errichtung einer Produktionsanlage sind geeignete Bauflächen. Der Flächenbedarf ist hierbei abhängig von geplanten Produktionskapazitäten und von Lagerungskapazitäten für Biomassen, Zwischenprodukte und synthetische Biokraftstoffe. Ebenfalls berücksichtigt werden sollte die Möglichkeit von nachträglichen Erweiterungen.
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Der Bereich Umweltschutz gewinnt für Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Neben der Einhaltung von Gesetzen und Umweltauflagen ist auch die Akzeptanz der betroffenen Bevölkerung erforderlich. Zur Reduzierung von Lärmstörungen und Immissionen werden neu zu errichtende Produktionsanlagen oft in weniger dicht besiedelten Gebieten errichtet. [BEHRENS 1961] Als outputorientierte Standortfaktoren sind die zu erwartenden Absatzmöglichkeiten der Produkte und Kuppelprodukte zu berücksichtigen. Synthetische Biokraftstoffe können an Raffinerien, in denen eine Weiterbehandlung der Biokraftstoffe erfolgen kann, oder direkt an Tankstellen abgesetzt werden. Das Kuppelprodukt Strom wird in der Regel in das Stromnetz eingespeist. Die Nutzung von Prozesswärme außerhalb der Produktion erfordert naheliegende Abnahmestellen, wie beispielsweise Siedlungen [LEDUC ET AL. 2010], [BERNDES ET AL. 2009]. Bei der Analyse der genannten Standortfaktoren ist jeweils auch die zu erwartende Konkurrenzsituation für die einzelnen Produkte und Kuppelprodukte zu analysieren. Abgabenorientierte Standortfaktoren betreffen Steuern, Gebühren und Beiträge, die das Unternehmen an den Staat und die Gemeinde zu entrichten hat. Neben internationalen Unterschieden in der Besteuerung treten auch auf regionaler Ebene Unterschiede auf. So werden zur Förderung von Gewerbeansiedlung in strukturschwachen Gebieten häufig Subventionen gewährt. [BERNDES ET AL. 2009] In Tabelle 3.1 sind die angeführten Standortfaktoren für Anlagenkonzepte zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe abschließend zusammengefasst. Zur modellbasierten Entscheidungsunterstützung bei der Standortvorauswahl können Ansätze des Multi Attribute Decision Making zur simultanen Bewertung der quantifizierbaren und der qualitativen Faktoren zum Einsatz kommen. Methoden sind die Nutzwertanalyse, der Analytic Hierarchy Process sowie Outrankingverfahren (z.B. PROMETHEE und ELECTRE). Diskussionen zu Anwendungsvoraussetzungen sowie zu Vor- und Nachteilen dieser Methoden finden sich zum Beispiel in [GELDERMANN 2006]. Von Queiruga Dios [QUEIRUGA DIOS 2006] wird das Verfahren PROMETHEE beispielsweise zur Standortvorauswahl für Recyclinganlagen für Haushaltsgroßgeräte in einem Fallbeispiel für Spanien angewendet.
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Tabelle 3.1: Standortfaktoren für Anlagenkonzepte zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe (in Anlehnung an [DRÜKE 2008]) Standortfaktoren
Standortfaktoren
Inputorientiert
Outputorientiert Verfügbare Masse Preis der Biomassen
Biomasse
Qualität: Regionalspezifische Zusammensetzung (z.B. Stroh, Waldrestholz, Industrieholz) Saisonaler Anfall
Arbeitskräfte
Qualifikation, Verfügbarkeit Lohnniveau
AbsatzProdukte (synthetischer Biokraftstoff) und möglichkeiten Kuppelprodukte (z.B. Strom und Prozesswärme) Konkurrenz
Konkurrenz am lokalen Markt für Produkte und Kuppelprodukte
Abgabenorientiert Steuern und Gebühren
z.B. Grund-, Einkommens- und Körperschaftssteuer
Straße (Entfernungen zu Bundesstraße, Schnellstraße und Autobahn, Ortsdurchfahrt erforderlich) Verkehrsanbindung
Schiene (Anbindung an überregionales Netz, Anschluss auf Betriebsgelände, Be- und Entladevorrichtung) Seestraße (Entfernung zum Hafen, Schiffgröße, Art und Frequentierung der Anlagestelle, Be- und Entladevorrichtung) Pipeline Strom- und Erdgasanbindung
Energieversorgung
Dampfnetz Kühl-, Trink- und Abwasser (Prozessabwasser, Einleitung ins Abwassernetz, Kläranlagen) Technische Gase (Druckluft, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff)
Fremddienste
Labore, Instandhaltung, Werkschutz, Feuerwehr, werksärztlicher Dienst, IT- und Personaldienstleistungen) Abmessungen und Zuschnitt der Fläche, Erweiterungsmöglichkeiten
Baufläche
Planungsrechtliche Rahmenbedingungen, Beeinträchtigung des Landschaftbildes Bodenbeschaffenheit, Altlasten
Umweltschutz
Rechtliche Vorschriften und Auflagen Akzeptanz in der Bevölkerung
Von Panichelli und Gnansounsou [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008] werden als Faktoren zur Standortvorauswahl für Anlagen zur Produktion von Biokraftstoffen der Zugang zu Wasserressourcen, Stromeinspeisungsmöglichkeiten, vorhandene industrielle Infrastruktur, Grundstückskosten sowie die politische Förderung der Biomassenutzung angeführt. Eine Ausgestaltung mit Instrumenten zur Entscheidungsunterstützung bei der Standortvorauswahl wird jedoch nicht beschrieben. Das vorhandene Biomassepotenzial als wesentlicher Standortfaktor, das ebenfalls direkt die erforderlichen Transporte und damit den Preis der Biomasse an der Anlage beeinflusst, wird in diesem Ansatz erst im Rahmen der finalen Standortwahl berücksichtigt. Andere Autoren, wie Noon et al. [NOON ET AL. 2002], treffen im Vorfeld keine Standortvorauswahl. Dies führt allerdings zu komplexen Planungsmodellen. Im folgenden Abschnitt werden Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen analysiert. Dabei werden zum einen bestehende Planungsmodelle zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für (synthetische) Biokraftstoffe untersucht. Zum anderen werden spezielle Modellierungsoptionen im Hinblick auf die bestehenden Anforderungen im Rahmen einer weiter gefassten Analyse von Modellen zur Netzwerkgestaltung ermittelt.
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3.2.3
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe
Die Literatur umfasst eine Vielzahl von Planungsansätzen zur Netzwerkgestaltung. Diese sind vornehmlich unter den Stichworten Facility Location Planning, Strategic Supply Chain Planning und Network Design zu finden. Ausführliche Literaturübersichten zur Netzwerkgestaltung und Klassifizierungen der bestehenden Modellierungsansätze werden in [MELO ET AL. 2009], [SAHIN/ SRAL 2007], [KLOSE/ DREXL 2005], [REVELLE/ EISLET 2005], [OWEN/ DASKIN 1998], [VERTER/ DINCER 1992] gegeben. Eine explizite Einordnung von Standortplanungsmodellen in den Kontext des Supply Chain Managements wird von Daskin et al. [DASKIN ET AL. 2005], Goetschalckx et al. [GOETSCHALCKX ET AL. 2002], Beamon [BEAMON 1998], Vidal und Goetschalckx [VIDAL/ GOETSCHALCKX 1997] sowie Thomas und Griffin [THOMAS/ GRIFFIN 1996]v orgenommen. Einen Fokus auf die internationale Standortplanung richtet Bhutta [BHUTTA K.S. 2004]. Ansätze zur Standortplanung unter Unsicherheit bzw. Risiko werden von Klibi et al. [KLIBI ET AL. 2009] und Snyder [SNYDER 2006] vorgestellt. Im Kontext der Netzwerkgestaltung für die Produktion von (synthetischen) Biokraftstoffen sind bislang wenige Planungsmodelle entwickelt worden. Die entwickelten Planungsmodelle können in zwei Gruppen gegliedert werden. Die eine Gruppe umfasst die Netzwerkgestaltung in Form eines Facility Location Problems. In der anderen Gruppe werden Modellierungsansätze gewählt, die auf der Nutzung von geographischen Informationssystemen beruhen. Beide Modellgruppen werden nachstehend beschrieben. 3.2.3.1 Beschreibung der Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von (synthetischen) Biokraftstoffen Zur Gruppe der Facility Location Probleme zählen die Arbeiten von Kerdoncuff [KERDONCUFF 2008] sowie von Leduc und seinen Koautoren [LEDUC ET AL. 2010], [LEDUC ET AL. 2008]. Kerdoncuff [KERDONCUFF 2008] entwickelt ein einperiodiges Standortplanungsmodell für Anlagen nach dem Forschungszentrum Karlsruhe, bestehend aus einer Vorbehandlung (Pyrolyse) und einer Syntheseeinheit. Die Vorbehandlung kann sowohl dezentral erfolgen als auch an die zentrale Syntheseeinheit angegliedert werden. Dieser Planungsansatz entspricht der Formulierung eines Facility Location Problems. Das Modell beschreibt zwei Transportstufen für die dezentrale Anordnung der Anlagen: Eine Stufe für den Transport der Biomassen zu den Pyrolyseanlagen und eine zweite Transportstufe für den produzierten Slurry von den Pyrolyseanlagen zu der weiterverarbeitenden Anlage. Für zentral angeordnete Anlagen ist eine Transportstufe für Biomasse vorgesehen. Die Distribution des synthetischen Biodiesels und die Nachfrage werden in diesem Planungsansatz nicht berücksichtigt. Zur Herstellung des synthetischen Biodiesels wird lediglich eine Kapazitätsstufe der Vorbehandlung und der Syntheseeinheit unter der Voraussetzung eingesetzt, dass die Produktionsanlagen voll ausgelastet sind. Die Kapazität stellt daher keine Entscheidungsvariable dar. Die Transformation der Biomassen in Slurry bzw. Biodiesel wird durch ex-ante ermittelte Massenstromverhältnisse beschrieben. Implementiert wurde das Planungsmodell in der Software GAMS zur Anwendung im Rahmen einer Fallstudie für Baden-Württemberg.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
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Als Rohstoffe werden Reststroh und Waldrestholz in festen Einsatzverhältnissen betrachtet. Variationen bezüglich der Rohstoffpreise und Rohstofftransportkosten berücksichtigt Kerdoncuff [KERDONCUFF 2008] in einer Sensitivitätsanalyse. Leduc et al. [LEDUC ET AL. 2008] entwickeln ein statisches Standortplanungsmodell, in dem sowohl die Standorte von Produktionsanlagen für synthetisches Methanol als auch von Tankstellen unter Berücksichtigung der externen Nutzung von Prozesswärme bestimmt werden. Marktseitige Gegebenheiten werden somit explizit in der Planung berücksichtigt. Es handelt sich um ein dreistufiges Modell. Biomasse wird von Angebotsregionen zu den Produktionsanlagen transportiert. Eine Unterscheidung unterschiedlicher Biomassearten findet dabei nicht statt. Die errichteten Produktionskapazitäten werden ausschließlich in Form von zentralen Anlagen und mit einer vorgegebenen Kapazitätsklasse errichtet. Unterschiedliche Kapazitätsauslastungen unterhalb der maximalen Kapazität sind zugelassen. Die Umwandlung der Biomasse in Methanol sowie die Erzeugung von Kuppelprodukten werden durch Prozessausbeutekoeffizienten beschrieben. Interdependenzen zwischen den einzelnen Koeffizienten und somit Substitutionsmöglichkeiten werden in dem Modell nicht abgebildet. Auf der folgenden Transportstufe wird der Transport des Methanols zu den Tankstellen abgebildet. Diese sind ebenfalls durch eine maximale Kapazität gekennzeichnet und bedienen wiederum Absatzregionen. Angewendet wird der Planungsansatz von Leduc und seinen Koautoren für die Gestaltung eines Produktions- und Distributionsnetzwerks. Untersucht werden drei Szenarien, in denen drei unterschiedliche Methanol-BenzinMischungsverhältnisse, M5, M10 und M20, betrachtet werden. Für diese Szenarien werden sowohl die Standorte für die Produktionsanlagen als auch die resultierenden Methanolpreise bestimmt. Ob auch die Standorte von Tankstellen geplant werden oder ob die bereits bestehende Tankstelleninfrastruktur zugrunde gelegt wird, bleibt in der Fallstudie offen. Ein mehrperiodiger Ansatz zur Standortplanung für die synthetische Methanolproduktion wird ebenfalls von Leduc und seinen Koautoren [LEDUC ET AL. 2010] für ein Fallbeispiel in Nordschweden beschrieben. Dieser Ansatz gleicht in den wesentlichen Eigenschaften, abgesehen von der mehrperiodigen Betrachtung, dem 2008 formulierten Modell der Autoren [LEDUC ET AL. 2008]. Jedoch wird auch für das mehrperiodige Planungsmodell ein kostenbasierter Bewertungsansatz gewählt. Im Rahmen der Anwendung des Planungsmodells werden in der Fallstudie in einzelnen Szenarien verschiedene Anlagenkapazitäten untersucht. Durch eine Analyse der Ergebnisse der einzelnen Szenarien können im Nachhinein Größendegressionseffekte berücksichtigt werden. Unsicherheiten werden durch Sensitivitätsanalysen bezüglich der Biomassepreise, der Transportkosten sowie der Preise und der Nachfrage vom Kuppelprodukt Wärme einbezogen. Ein grundsätzlich anderes Vorgehen zur Standortbestimmung von Anlagen zur Herstellung von Biokraftstoffen (oder auch allgemein zur energetischen Nutzung von Biomasse) wird in statischen Planungsansätzen 57 beschrieben, in denen geographische Informationssysteme 57
Hier wird von Planungsansätzen gesprochen, da in der Planung mehrere unterschiedliche Modelle zum Einsatz kommen.
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Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
genutzt werden, zum Beispiel in [RANTA 2005], [NORD-LARSEN/ TALBOT 2004], [MOLLER 2003], [PAPADOPOULOS/ KATSIGIANNIS 2002], [GRAHAM ET AL. 2000], [GRAHAM ET AL. 1997], [NOON/ DALY 1996]. In diesen rohstoffseitig ausgerichteten Ansätzen wird zunächst mit Hilfe eines geographischen Informationssystems das Biomassepotenzial für die betrachtete Region ermittelt. Zur Bestimmung der geographischen Verteilung der Biomasse werden Gitternetze über die Region gelegt und das Potenzial einer jeden Gitterzelle ermittelt. Auf Basis des Biomassepotenzials sowie unter Nutzung weiterer Informationen, wie Niederschlag, Temperaturprofil, Bodenbeschaffenheit, Personalkosten etc., werden Preise für die Biomassen in den einzelnen Gitterzellen bestimmt. Die Mittelpunkte der Gitterzellen stellen Biomassequellen sowie potenzielle Produktionsstandorte dar. Einige Autoren, zum Beispiel Noon et al. [NOON ET AL. 2002], berücksichtigen sämtliche Gitterzellenmittelpunkte als potenzielle Standorte für Anlagen, andere wiederum treffen eine Vorauswahl anhand von Standortfaktoren, zum Beispiel Panichelli und Guansounou [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008]. In einem nächsten Schritt erfolgt die Allokation der Biomasse zu den potenziellen Produktionsanlagen. In Abhängigkeit der Anlagenkapazitäten sowie der erforderlichen Transportdistanzen und der aus diesen resultierenden Transportkosten wird die sogenannte Grenzpreisoberfläche bestimmt. Diese gibt für jeden potenziellen Anlagenstandort den durchschnittlichen Biomassepreis frei Anlage wieder. Der durchschnittliche Biomassepreis frei Anlage setzt sich aus dem Biomassepreis der liefernden Gitterzelle und den erforderlichen Transportkosten zusammen. Anlagen mit großen Kapazitäten sind aufgrund des höheren Transportaufwands in der Regel durch einen höheren Grenzpreis der Biomasse gekennzeichnet. Die Ermittlung der Transportdistanzen erfolgt in einem Tourenplanungsansatz, in dem der kürzeste oder schnellste Weg von Biomassequellen zu Anlagen bestimmt wird [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008]. Es werden abschließend diejenigen Anlagenstandorte ausgewählt, die den niedrigsten Grenzpreis des Rohstoffs Biomasse versprechen. Kapazitätsentscheidungen bezüglich der Anlagen werden somit nicht direkt unterstützt und können lediglich über eine iterative Anwendung des Planungsmodells bewertet werden. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der auf geographischen Informationssystemen beruhenden Planungsansätze besteht in der Anzahl der simultan zu planenden Anlagen. Für den Fall mehrerer zu planender Produktionsanlagen ist die Konkurrenz um die vorhandene Biomasse zu berücksichtigen. Hierzu werden in der Literatur maximale Einzugsradien für die einzelnen Anlagen festgelegt, zwischen denen es zu keinen Überschneidungen kommen darf. Das beschriebene Vorgehen erlaubt somit lediglich die Planung von zentralen Anlagen. Dezentrale Anlagenkonzepte, in denen beispielsweise Biomasse in einer vorgelagerten Einheit getrocknet wird, werden durch eine zweimalige Anwendung des Planungsansatzes geplant. In einem ersten Schritt werden Standorte für die vorgelagerten Einheiten bestimmt. Aufbauend auf diesen festgelegten Standorten werden im zweiten Schritt in gleicher Weise Standorte für die weiterverarbeitenden Anlagen ermittelt. [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008] Unsicherheiten werden in den Planungsansätzen durch Sensitivitätsanalysen berücksichtigt. Panichelli und Gnansounou [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008] führen beispielsweise eine Sensitivitätsanalyse bezüglich der Kapazität der Trocknungseinheiten für Biomasse durch. Die Kapazität der Trocknungseinheiten für Biomasse beeinflusst direkt die Biomassekosten.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
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3.2.3.2 Zusammenfassende Bewertung der Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von (synthetischen) Biokraftstoffen Die folgende zusammenfassende Bewertung der beschriebenen Planungsansätze erfolgt in Anlehnung an die in Abschnitt 2.5 formulierten Anforderungen.
Die Stoff- und Energietransformationen werden lediglich in der Gruppe der Facility Location Probleme berücksichtigt. In dieser Gruppe werden Stoff- und Energietransformationen über Transformationskoeffizienten bzw. Wirkungsgrade der Prozesse modelliert. Während in dem Modell von Kerdoncuff unterschiedliche Biomassearten berücksichtigt werden, ist dies in den Modellen von Leduc et al. nicht der Fall. Die Werte der Koeffizienten werden technischen Modellen der Produktionsprozesse entnommen. In der Gruppe der geographischen Informationssysteme werden den potenziellen Produktionsanlagen lediglich Aufnahmekapazitäten für Biomassen zugewiesen.
Eine simultane Berücksichtigung zentraler und dezentraler Anlagenkonzepte erfolgt in keinem der beschriebenen angepassten Facility Location Modelle. Kerdoncuff ist der einzige Autor, der dezentrale Anlagenkonzepte untersucht. In den anderen Arbeiten werden ausschließlich zentrale Anlagenkonzepte berücksichtigt. Mit den Planungsansätzen basierend auf geographischen Informationssystemen werden mehrstufige Produktionsnetzwerke durch eine wiederholte Anwendung des Planungsansatzes gestaltet. Die simultane Berücksichtigung zentraler und dezentraler Anlagenkonzepte ist somit nicht möglich.
Größendegressionseffekte werden in keinem der Modelle betrachtet. Die Planungsmodelle können jeweils für Anlagen mit unterschiedlicher Kapazität angewendet werden, jedoch ist eine simultane Berücksichtigung von Anlagen mit unterschiedlichen Kapazitäten in keinem der Planungsmodelle möglich.
Die Berücksichtigung von dynamischen Entwicklungen kann nur in mehrperiodigen Planungsmodellen erfolgen und ist somit nur in dem Modell von Leduc et al. 2010 möglich. Im Rahmen der Bewertung der Netzwerke wird dieser dynamischen Betrachtung jedoch keine Rechnung getragen, da ein statischer Bewertungsansatz gewählt wird. Diskontierungseffekte werden in dem statischen Bewertungsansatz nicht berücksichtigt. Hingegen sind Anpassungen der Produktionskapazitäten im Netzwerk beispielsweise an Änderungen der Nachfrage im Zeitverlauf möglich.
Unsicherheiten werden in den beschriebenen Planungsmodellen lediglich indirekt über Sensitivitätsanalysen oder über Analysen von Szenarien in Betracht gezogen.
Flexible Netzwerkstrukturen für eine Integration neuer technologischer Entwicklungen von neuen Anlagenkonzepten sind in den beschriebenen Planungs-
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Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
modellen nicht vorgesehen. Die Planungsmodelle sind ausschließlich auf eines der bislang bestehenden Anlagenkonzepte (zentral oder dezentral) ausgerichtet.
Die Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern beschriebenen Planungsmodelle berücksichtigt.
werden
in
keinem
der
Mit dieser Bewertung kann festgestellt werden, dass keiner der bestehenden Modellierungsansätze zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für (synthetische) Biokraftstoffe die in Abschnitt 2.5 formulierten Anforderungen vollständig erfüllt. Eine zusammenfassende Darstellung dieser Ergebnisse ist in Tabelle 3.2 gegeben. Grau hinterlegte Felder kennzeichnen Ausprägungen im entsprechenden Planungsmodell, die den bestehenden Anforderungen an einen Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe nicht genügen. Hellgrau hinterlegte Felder kennzeichnen grundsätzlich geeignete Modelleigenschaften, die jedoch noch weiterzuentwickeln sind. Weiße Felder markieren im Hinblick auf die gestellten Anforderungen geeignete Ausprägungen in dem jeweiligen Planungsmodell.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
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Tabelle 3.2: Eigenschaften von bestehenden Modellen zur Netzwerkgestaltung für (synthetische) Biokraftstoffe
[KERDONCUFF 2008]
[LEDUC ET AL. 2008]
[LEDUC ET AL. 2010]
Planungsmodelle basierend auf geographischen Informationssystemen 58
Stoff- und Energietransformation
Transformationskoeffizient für unterschiedliche Biomassen
Transformationskoeffizient für eine definierte Biomasse
Transformationskoeffizient für eine definierte Biomasse
keine Transformationen
Zentrale und dezentrale Anlagenkonzepte
dezentrale Anlagen oder zentrale Anlagen
zentrale Anlagen
zentrale Anlagen
zentrale Anlagen 59
Größendegressionseffekte
keine Berücksichtigung im Modell
keine Berücksichtigung im Modell
keine Berücksichtigung im Modell
keine Berücksichtigung im Modell
Dynamische Entwicklungen
einperiodig
einperiodig
mehrperiodig, Bewertung jedoch kostenbasiert
einperiodig
Unsicherheiten
Sensitivitätsanalyse
Sensitivitäts- und Szenarioanalyse
Sensitivitäts- und Szenarioanalyse
Sensitivitätsanalyse/ Szenarioanalyse
Flexible Netzwerkstruktur
nicht vorhanden
nicht vorhanden
nicht vorhanden
nicht vorhanden
Risikoeinstellung der Entscheidungsträger
nicht berücksichtigt
nicht berücksichtigt
nicht berücksichtigt
nicht berücksichtigt
3.2.3.3 Modellierungsoptionen zur Erreichung der beschriebenen Anforderungen In diesem Abschnitt werden Modellierungsoptionen für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe ermittelt, mittels derer die in Abschnitt 2.5 beschriebenen Anforderungen erreicht werden. Die Ermittlung der Modellierungsoptionen erfolgt aufbauend auf einer weiter gefassten Analyse von Modellen aus dem Bereich der Netzwerkgestaltung. Eine Klassifizierung der untersuchten Modelle ist im Anhang A 1 gegeben.
58
Zu diesen Planungsmodellen zählen: [RANTA 2005], [NORD-LARSEN/ TALBOT 2004], [MOLLER 2003], [PAPADOPOULOS/ KATSIGIANNIS 2002], [GRAHAM ET AL. 2000], [GRAHAM ET AL. 1997], [NOON/ DALY 1996], [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008].
59
Dezentrale Anlagenkonzepte können nur durch die zweimalige Anwendung des Modells geplant werden (vgl. z.B. [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008]).
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Simultane Berücksichtigung zentraler und dezentraler Anlagenkonzepte
Planungsmodelle, in denen zentrale und dezentrale Anlagenkonzepte zur Produktion von Biokraftstoffen simultan berücksichtigt werden, existieren bisher noch nicht. Bislang entwickelte Anlagenkonzepte bestehen maximal aus zwei Produktionsstufen, der Produktion von Slurry sowie der Produktion des synthetischen Biokraftstoffs (vgl. Abschnitt 2.4.6). Somit müssen in einem Planungsmodell bei simultaner Betrachtung beider Anlagenkonzepte die Möglichkeiten bestehen, Biomasse direkt zu einer zentralen Anlage oder zu einer Pyrolyseanlage zu transportieren. Zudem muss der Transport des in der Pyrolyseanlage produzierten Slurries zu weiterverarbeitenden Anlagen möglich sein. Eine entsprechende Netzwerkstruktur wird bereits in Planungsmodellen zur Gestaltung von Reverse Logistic Networks beschrieben. Von Jayaraman et al. [JAYARAMAN ET AL. 2003] wird beispielsweise das Planungsproblem formuliert, sowohl Sammelstellen für gebrauchte Produkte als auch Anlagen zur Aufarbeitung einzurichten. Ein Transport der gebrauchten Produkte kann in dem zu planenden Netzwerk entweder direkt zu der Aufarbeitung erfolgen oder über eine Sammelstelle. Von Barros et al. [BARROS ET AL. 1998] wird ein Netzwerk zum Recyceln von Sand geplant. In diesem Recyclingnetzwerk wird gesiebter Sand in Depots im Hinblick auf den Verschmutzungsgrad klassifiziert. Sauberer und nur wenig verschmutzter Sand wird direkt an Senken geliefert, in denen eine Nachfrage besteht. Verschmutzter Sand wird hingegen zunächst in eine Anlage zur Reinigung transportiert. Diese Netzwerkstrukturen können für die simultane Modellierung zentraler und dezentraler Anlagenstrukturen genutzt werden. Pyrolyseanlagen treten dann an die Stelle der Sammelstellen bzw. der Anlagen zur Reinigung von Sand. Berücksichtigung von Größendegressionseffekten
In den beschriebenen Planungsmodellen für (synthetische) Biokraftstoffe wird an den potenziellen Standorten ausschließlich eine vorgegebene Anlagenkapazität vorgesehen. Größendegressionseffekte können hier somit nicht unmittelbar in der Planung berücksichtigt werden. In dem Modell von Leduc et al. [LEDUC ET AL. 2010] werden Anlagen mit unterschiedlichen Kapazitäten jeweils in einzelnen Szenarien berücksichtigt. In der Netzwerkgestaltung können Größendegressionseffekte in den Bereichen der Investitionen, dem Betrieb von Anlagen und Lagern sowie im Rahmen von logistischen Vorgängen auftreten. Dargestellt werden diese Effekte durch konkave Funktionen, die den Verlauf von Kosten, Zahlungen oder Investitionen über die Kapazität beschreiben. Werden diese Funktionen direkt in der Modellformulierung berücksichtigt, führt dies entsprechend zu nichtlinearen Planungsproblemen, wie beispielsweise von Lin et al. [LIN ET AL. 2006] für Größendegressionseffekte im Transport formuliert. Die Lösung dieser nichtlinearen Modelle ist im Vergleich zu linearen Modellen deutlich schwieriger, da zwischen lokalen und globalen Minima bzw. Maxima unterschieden werden muss [NEUMANN/ MORLOCK 1993]. Vor diesem Hintergrund wird von vielen Autoren eine stückweise lineare Approximation der konkaven Funktionen vorgenommen. Cohen und Moon [COHEN/ MOON 1991] betrachteten in ihrer
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
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Arbeit beispielsweise ein Produktmix Problem unter Berücksichtigung von Größendegressionseffekten in der Produktion in Abhängigkeit der Kapazitätsauslastung. Die Produktionskosten werden durch eine konkave Kostenfunktion beschrieben, die in bestimmten Auslastungsintervallen durch eine stückweise lineare Funktion approximiert wird. Konkave Transportkostenfunktionen werden von Tsiakis et al. [TSIAKIS ET AL. 2001] durch lineare Interpolationen zwischen Transportkosten für bestimmte Transportmengen pro Planungsperiode ebenfalls stückweise linearisiert. Größendegressionseffekte von Investitionen können für unterschiedliche Anlagen- oder Lagerkapazitäten abgebildet werden. Verter und Dasci [VERTER/ DASCI 2002] wählen kontinuierliche Beschreibungen der Anlagenkapazitäten und beschreiben Größendegressionseffekte durch nichtlineare und nicht stetig differenzierbare Funktionen. In praxisnahen Problemstellungen ist die Annahme kontinuierlicher Kapazitätsvariablen vielfach jedoch nicht zutreffend. Zum Beispiel können zwischen verschiedenen Kapazitäten Technologiesprünge auftreten oder einzelne Anlagenkomponenten liegen für bestimmte/diskrete Kapazitäten standardisiert vor. Dies kann ebenfalls zu Sprüngen in den Investitionsfunktionen führen. In der Literatur werden daher von einigen Autoren, wie unter anderem Haug [HAUG 1985], Mazzola und Neebe [MAZZOLA/ NEEBE 1999] sowie Shulman [SHULMAN 1991], Anlagen und Lager in verschiedenen Kapazitätsklassen berücksichtigt. Berücksichtigung dynamischer Entwicklungen
Ein wesentlicher Nachteil der beschriebenen einperiodigen Modelle ist, dass zeitliche Änderungen nicht in der Planung berücksichtigt werden können. In Europa ist zum Beispiel mit einem Anstieg der Biomassenutzung zu rechnen und somit mit einer steigenden Nachfrage in den nächsten Jahren. Bei Investitionsentscheidungen spielen der Zeitpunkt der Investitionen und damit auch die gewählte Kapazitätserweiterungsstrategie wesentliche Rollen. Anpassungen der Produktionskapazitäten im Netzwerk können in dem mehrperiodigen Planungsmodell von Leduc et al. vorgenommen werden. Ein Nachteil dieses Planungsmodells liegt jedoch in der Bewertung anhand von Kosten. Daher werden nachstehend verschiedene Bewertungsmöglichkeiten diskutiert. In den beschriebenen Standortplanungsmodellen für synthetische Biokraftstoffe werden die verschiedenen Netzwerkkonfigurationen ausschließlich anhand der resultierenden Kosten bewertet. In einperiodigen Modellen, in denen eine repräsentative Periode betrachtet wird, sind kostenbasierte Ansätze für eine monetäre Bewertung üblich [WALTHER ET AL. 2008], [KERDONCUFF 2008]. 60 Im Gegensatz dazu erfordern mehrperiodige Modelle den Einsatz von zahlungsbasierten Ansätzen, um die Diskontierung der anfallenden Investitionen und Zahlungen zu berücksichtigen. Dies kann unter Umständen einen entscheidenden Einfluss auf die Festlegung der Errichtungszeitpunkte von Anlagen und von Kapazitätserweiterungen haben [GÖTZE/ BLOECH 1993]. In einigen der in Anhang A 1 dargestellten mehrperiodigen Standortplanungsmodelle werden daher als Zielfunktionen Kapitalwerte formuliert, zum 60
Kosten beschreiben den Werteverzehr von Gütern und Dienstleistungen zur Leistungserstellung in einer Abrechnungsperiode (vgl. z.B. [GÖTZE/ BLOECH 1993]).
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Beispiel in [FLEISCHMANN ET AL. 2006], [KALLRATH 2002]. Andere Autoren, wie unter anderem Melo et al. [MELO ET AL. 2006] und Shulman [SHULMAN 1991], arbeiten dennoch mit kostenorientierten Bewertungen. Neben den rein monetären Bewertungsansätzen finden sich in der Literatur zur Standortplanung in Netzwerken wenige Mehrzielentscheidungen. Guillén-Goslbez et al. [GUILLÉNGOSLBEZ ET AL. 2009] ziehen beispielsweise zur Bewertung von Netzwerken für die Herstellung und Distribution von Wasserstoff sowohl die resultierenden Kosten als auch die mit den Netzwerkkonfigurationen verbundenen Umweltwirkungen im Sinne eines Life Cycle Assessments heran. Der Grund für die geringe Anzahl derartiger Planungsmodelle liegt zumeist in der resultierenden Problemkomplexität. Zudem können, wie bereits in Abschnitt 3.2.2 aufgezeigt, nichtmonetäre Größen oftmals in vorgelagerten Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden. Dies betrifft sowohl die Standortvorauswahl als auch die Bewertung alternativer Herstellungspfade. Im Kontext der synthetischen Biokraftstoffproduktion wurden bereits einige Life Cycle Assessment Studien zu unterschiedlichen Herstellungsverfahren und verwendeten Rohstoffen durchgeführt (vgl. Kapitel zwei sowie [REINHARDT ET AL. 2006], [LARSON 2006]). Im Vorhinein können so zum Beispiel ökologisch verträgliche Technologien und Biomassearten für die weitere Planung selektiert werden. Ebenfalls ist in einigen Fällen eine Monetarisierung von Umwelteffekten möglich. Dabei wird den Umwelteffekten ein Geldwert zugeordnet, dessen Höhe sich an dem verursachten Schaden für die Gesellschaft bemisst. 61 [GELDERMANN 2006] Berücksichtigung von Unsicherheiten
Unsicherheiten werden in den beschriebenen Planungsmodellen ausschließlich indirekt durch Sensitivitätsanalysen und/oder Szenarioanalysen berücksichtigt. Hierbei werden die Auswirkungen von Änderungen bestimmter Modellparameter auf die Netzwerkstruktur oder auf andere resultierende Ergebnisse, wie beispielsweise die Preise von Biokraftstoffen, im Nachhinein untersucht. Im Rahmen der Planung werden die Unsicherheiten jedoch nicht direkt im Planungsmodell berücksichtigt. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten zur direkten Einbeziehung der Unsicherheiten in Modellen. Diese Möglichkeiten werden aufgrund des Umfangs unter anderem in Abschnitt 3.3 beschrieben. Modellierung einer flexiblen Netzwerkstruktur
Aktuell ist noch unklar, welche langfristigen Weiterentwicklungen im Bereich der Produktionstechnologien für synthetische Biokraftstoffe eintreten werden (vgl. Abschnitt 2.4). Zudem sind neue produktübergreifende Anlagenzusammenschlüsse denkbar, zum Beispiel durch eine Integration einzelner Verfahrensschritte in bestehende Raffinerien. Daher besteht 61
Die Festlegung der Schadenshöhe in einer monetären Größe kann auf Grundlage der Vermeidungs-, Schadens- oder Wiederherstellungskosten erfolgen. Ebenfalls können mögliche Erlöseinbußen berücksichtigt werden. Andere Vorgehensweisen stellen die direkte Ermittlung von Zahlungsbereitschaften der Betroffenen oder die Ermittlung von Äquivalenzkoeffizienten dar. [PIRO 1994] Dieses Vorgehen ist jedoch aus ethischen Gesichtspunkten bedenklich, wenn es beispielsweise um die Bewertung eines Menschenlebens geht. Ebenfalls fehlen vielfach standardisierte Bewertungssätze der Umwelteffekte. [GELDERMANN 2006]
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die Forderung nach einer flexiblen Netzwerkstruktur, um auf Änderungen in den Anlagenkonzepten reagieren zu können. Diese Flexibilität wird durch n-stufige Modellierungsansätze gewährleistet, wie sie in [WOLLENWEBER 2008], [MELO ET AL. 2006], [NICKEL ET AL. 2006], [MARTEL 2005] sowie [SPENGLER ET AL. 1997] zu finden sind. Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern
Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern werden in keinem der bestehenden Modelle zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für (synthetische Biokraftstoffe) berücksichtigt. Diese Risikoeinstellungen sollten aufgrund der bestehenden Unsicherheiten in einem potenziellen Produktionsnetzwerk allerdings betrachtet werden. Möglichkeiten der Modellierung von Risikoeinstellungen werden daher ebenfalls in Abschnitt 3.3 behandelt. Die beschriebenen Planungsmodelle zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für (synthetische) Biokraftstoffe werden mit Hilfe von Standard Solvern gelöst. Der in dieser Arbeit zu entwickelnde Planungsansatz wird aufgrund der erforderlichen Anpassungen zu einer höheren Komplexität des Planungsmodells führen. Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Abschnitt spezielle Lösungsverfahren für Facility Location Modelle angeführt. 3.2.3.4 Lösungsverfahren Gemischt ganzzahlige Standortplanungsprobleme sind NP-schwer. [VAHRENKAMP/ MATTFELD 2007], [DOMSCHKE/ DREXL 1996a], [NEUMANN/ MORLOCK 1993] Zur Lösung dieser Standortplanungsprobleme kommen sowohl Standardverfahren, häufig implementiert in kommerziellen Solvern, als auch spezielle Algorithmen zum Einsatz. Mit den Standardverfahren werden entweder die exakten Lösungen bestimmt, wie zum Beispiel in [WALTHER ET AL. 2008], [HÜBNER 2007], [SALEMA ET AL. 2007], [FLEISCHMANN ET AL. 2006], [NICKEL ET AL. 2006], [JAYARAMAN 1998], oder mögliche Abweichungen von der optimalen Lösung durch Vorgabe einer maximal zulässigen MIP-Gap-Toleranz62 zugelassen. Da mit dem langfristigen Charakter von realen Standortentscheidungen Unsicherheiten in der Datenbasis einhergehen, können geringe Abweichungen des gefundenen Zielfunktionswerts von dem optimalen Zielfunktionswert vernachlässigt werden [CORDEAU ET AL. 2006]. Für die zulässige relative MIP-Gap-Toleranz für Standortplanungs- und Allokationsprobleme wird dabei häufig ein Wert von 1 % gewählt [CORDEAU ET AL. 2006], [GUNNARSSON ET AL. 2004], [HAUG 1985]. Papageorgiou et al. [PAPAGEORGIOU ET AL. 2001] bestimmen die Lösung mit maximal 5 % Abweichung von der optimalen Lösung. Ist die Lösung mit Standardverfahren innerhalb der gewählten Schranken in einer vertretbaren Zeit nicht möglich, werden beispielsweise von Ambrosino und Grazia Scutell [AMBROSINO/ GRAZIA SCUTELL 2005] sowie Melkote und Daskin [MELKOTE/ DASKIN 2001] die Laufzeit betreffende Abbruchkriterien gesetzt. Die resultierenden Lösungen können bei diesem Vorgehen jedoch stark von der optimalen Lösung abweichen. 62
Die MIP-Gap-Toleranz beschreibt die zulässige Abweichung eines Zielfunktionswertes von der besten gefundenen Schranke. Es können sowohl absolute als auch relative Toleranzen angegeben werden.
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In einer Vielzahl von Standortplanungsproblemen werden aufgrund der hohen Komplexität jedoch problemspezifische Algorithmen entwickelt. [MELO ET AL. 2009] Diese können unterschieden werden in heuristische Verfahren und Algorithmen zur Bestimmung der nachgewiesenen optimalen Lösung. Viele der Algorithmen zur Bestimmung der nachgewiesenen optimalen Lösung nutzen die spezielle Struktur der gemischt ganzzahligen Probleme. Diese Struktur erlaubt eine Dekomposition in das lineare Flussproblem und in das binäre Problem der Technologie-, Kapazitäts- und Standortauswahl. Hierzu wird das Prinzip der Benders Dekomposition angewendet. Eine der ersten Arbeiten in diesem Zusammenhang stammt von Geoffrion und Graves [GEOFFRION/ GRAVES 1974] und umfasst die Dekomposition eines einperiodigen, mehr-Produkt Distributionsnetzwerks mit zwei Transportstufen. Mehrperiodige Standortprobleme lösen beispielsweise Kelly und Marucheck [KELLY/ MARUCHECK 1984] sowie Dogan und Geotschalckx [DOGAN/ GOETSCHALCKX 1999]. Santoso und Koautoren [SANTOSO ET AL. 2005] wenden das Prinzip der Benders Dekomposition kombiniert mit einem Durchschnittsproben-Approximationsansatz auf ein stochastisches Optimierungsproblem zur Gestaltung von Supply Chains an, die durch unsichere Bearbeitungs- und Transportkosten, unsichere Nachfrage und Versorgung sowie unsichere Kapazitäten gekennzeichnet sind. Cohen und Moon [COHEN/ MOON 1991] nutzen das Prinzip der Benders Dekomposition für die Allokation von Produkten auf Produktionsstätten und optimieren so den Produktmix. Dabei linearisieren sie auch die Kostenfunktionen der Produktion. Cordeau et al. [CORDEAU ET AL. 2006] vergleichen zur Lösung eines einperiodigen, mehr-Produkt Logistiknetzwerks einen Ansatz nach der Benders Dekomposition mit einem simplexbasierten Branch-and-Bound Verfahren. Die Performance beider Verfahren wird durch den Einsatz zusätzlicher Nebenbedingungen in Form von Ungleichungen verbessert. Insbesondere für große Probleminstanzen verspricht der Dekompositionsansatz kürzere Laufzeiten. Weitere Ansätze zur optimalen Lösung von Standortplanungsproblemen sind neben den Dekompositionen beispielsweise spezielle Branch-and-Bound Algorithmen [MELO ET AL. 2009] oder die dynamische Programmierung, die Lee und Luss [LEE/ LUSS 1987] für ein mehrperiodiges Modell sowohl mit linearen als auch mit konkaven Kostenfunktionen anwenden. In einer Vielzahl der heuristischen Ansätze zur Lösung von Standortplanungsproblemen findet ebenfalls eine Dekomposition des Planungsproblems statt. Angewendet werden dabei oftmals Lagrange Ansätze, zum Beispiel in [HINOJOSA ET AL. 2008], [LU/ BOSTEL 2007], [GHIANI ET AL. 2002], [KLOSE 2000], [MAZZOLA/ NEEBE 1999], [PIRKUL/ JAYARAMAN 1998]. In diesen Ansätzen findet in einem ersten Schritt eine Lagrange Relaxation des Planungsproblems statt. Diese betrifft in der Standortplanung in vielen Fällen die Restriktionen, die die Verbindungen der einzelnen Produktions- und Lagerstufen beschreiben (z.B. in [HINOJOSA ET AL. 2008]). Somit resultieren separate Teilprobleme. Eine andere Form der Relaxation betrifft in kapazitierten Modellen die Kapazität der Lager oder Produktionsanlagen (z.B. in [KLOSE 2000]) und führt somit zu einer Reduktion des Ursprungsproblems. Mit der Festlegung der Lagrange Multiplikatoren, zum Beispiel durch Subgradientenverfahren, können Lösungen des resultierenden relaxierten Optimierungsproblems oder der resultierenden Teilprobleme bestimmt werden. Zur optimalen Lösung der relaxierten Probleme kommen in der Regel
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Standardverfahren zum Einsatz [KLOSE 2000], [BEASLEY 1993]. Die Lösungen der relaxierten Probleme werden dann in Form von Schranken für die Konstruktion einer zulässigen Lösung des Ursprungsproblems genutzt [HINOJOSA ET AL. 2000], [BEASLEY 1993]. Neben den Lagrange Heuristiken wurden ebenfalls andere heuristische Vorgehensweisen entwickelt. Beispielsweise wird von Chardaire et al. [CHARDAIRE ET AL. 1996] zur Lösung eines mehrperiodigen Standortplanungsproblems eine Simulated Anneling Heuristik eingesetzt. Jayaraman et al. [JAYARAMAN ET AL. 2003] reduzieren für ein Reverse Logistic Network die Anzahl der betrachteten Standorte mit einem heuristischen Konzentrationsansatz [ROSING/ REVELLE 1997]. Dabei werden mit Hilfe einer mehrfach angewendeten Greedy Heuristik vielversprechende Standorte identifiziert. Unter Berücksichtigung dieser Standortmenge wird das resultierende reduzierte Planungsproblem optimal gelöst. Einen reinen Greedy Ansatz wenden die Autoren Lin et al. [LIN ET AL. 2006] zur Planung eines Distributionsnetzwerks unter Berücksichtigung konkaver Transportfunktionen an. Lieckens und Vandaele [LIECKENS/ VANDAELE 2007] kombinieren die Reverse Logistics Netzwerkgestaltung unter Berücksichtigung von stochastischen Durchlaufzeiten mit einem Warteschlangenmodell. Das resultierende nichtlineare Planungsmodell wird mit einem genetischen Algorithmus gelöst. Neben den Metaheuristiken sind Heuristiken auf Basis von LP-Relaxationen eine weitere Gruppe der heuristischen Lösungsalgorithmen; diese werden zum Beispiel von Gunnarsson et al. [GUNNARSSON ET AL. 2004] genutzt. Mit diesem komprimierten Überblick wird die Vielzahl an grundsätzlichen Lösungsverfahren für Standortplanungsprobleme aufgezeigt. Diese Lösungsverfahren sollten entsprechend der spezifischen Eigenschaften eines Planungsmodells eingesetzt werden. Ein Lösungsverfahren, das sämtliche Eigenschaften der Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung für synthetische Biokraftstoffe berücksichtigt, wurde jedoch auch im Rahmen einer weiter gefassten Literaturanalyse nicht gefunden. 3.2.4
Wesentliche Erkenntnisse für die Technologie- , Kapazitäts- und Standortplanung im Rahmen der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe
Die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe erfordert eine integrierte Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung. Diese Planungsaufgaben können zusammengefasst der Standortplanung zugeschrieben werden. Als geeigneter Modelltyp aus der Standortplanung können für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe Facility Location Modelle ermittelt werden. In Facility Location Modellen wird in den meisten Fällen ein wirtschaftlich orientierter Entscheidungsträger impliziert. Zudem trägt dieser Modelltyp der Tatsache Rechnung, dass die Netzwerkgestaltung in bestehen Infrastrukturen bzw. Netzwerken erfolgt. In Facility Location Modellen werden potenzielle Produktionsstandorte durch eine Knotenmenge in dem betrachteten Netzwerk repräsentiert. Zur Reduktion der Modellkomplexität kann im Vorfeld einer integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standort-
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planung eine Standortvorauswahl vorgenommen werden. Hierzu wurden spezielle Standortfaktoren für Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe identifiziert (vgl. Tabelle 3.1). Für bestehende Planungsmodelle zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für (synthetische) Biokraftstoffe werden Defizite im Hinblick auf die gestellten Anforderungen aufgedeckt. Daher werden alternative Modellierungsoptionen für den in dieser Arbeit entwickelten Planungsansatz analysiert. Als Ergebnis dieser Analyse kann abgeleitet werden, dass die simultane Berücksichtigung von zentralen und dezentralen Anlagenkonzepten sowie eine Flexibilität bezüglich der Integration neuer Anlagenkonzepte durch n-stufige Modelle realisiert werden können. Größendegressionseffekte können in dem Planungsansatz durch Produktionstechnologien in jeweils unterschiedlichen Kapazitätsklassen berücksichtigt werden. Die dynamischen Entwicklungen der Rahmenbedingungen werden in mehrperiodigen Modellen erfasst. Diese mehrperiodige Betrachtung erfordert gleichfalls für die Bewertung eine dynamische Investitionsrechnung, mit der Diskontierungseffekte in die Planung einbezogen werden. Der Umgang mit Unsicherheiten und unterschiedlichen Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern wird im folgenden Abschnitt 3.3 untersucht. 3.3
Netzwerkgestaltung unter Unsicherheit
Der Begriff der Unsicherheit ist in der Literatur unterschiedlich belegt. Eine verbreitete Unterscheidung wird von den Autoren Rosenhead et al. [ROSENHEAD ET AL. 1972] zwischen Entscheidungen unter Unsicherheit und unter Risiko vorgenommen (vgl. auch [SNYDER 2006], [SCHOLL 2001] 63 , [KOUVELIS/ YU 1997]). Entscheidungen unter Unsicherheit sind nach diesen Autoren dadurch charakterisiert, dass den unsicheren Parametern des Entscheidungsproblems keine Wahrscheinlichkeiten zugeschrieben werden können. Dagegen lassen sich in Entscheidungsproblemen unter Risiko die unsicheren Parameter mittels Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschreiben. Im Gegensatz hierzu beziehen andere Autoren, wie zum Beispiel Mulvey et al. [MULVEY ET AL. 1995], Aghezzaf [AGHEZZAF 2005], Killmer et al. [KILLMER ET AL. 2001], Risiken im Sinne von stochastisch beschreibbaren Situationen bzw. Parameteren in die Bezeichnung Unsicherheit mit ein. Eine spezielle Ausprägung der Unsicherheit wird von Lempert et al. [LEMPERT ET AL. 2006] als „deep uncertainty“ bezeichnet. Dieser Ausdruck kennzeichnet eine Situation, in der keinerlei Aussagen zum Auftreten von plausiblen und extremen, zukünftigen Entwicklungen getroffen werden können. In Kapitel zwei wurde dargelegt, das potenzielle Produktionsnetzwerke für synthetische Biokraftstoffe durch verschiedene Unsicherheiten in den Netzwerkebereichen Biomasseanbau, Produktion von synthetischen Biokraftstoffen und Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen gekennzeichnet sind. Eine analytische Beschreibung der unsicheren Parameter mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen ist jedoch aufgrund der Neuartigkeit der Planungssituation sowie der benötigten weit in die Zukunft reichenden Informationen nicht möglich. 63
Scholl [SCHOLL 2001] nutzt in diesem Kontext nicht den Begriff der Unsicherheit, sondern der Ungewissheit. Er fasst Entscheidungen bei Ungewissheit und Risiko unter dem Begriff Unsicherheit zusammen.
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Daher ist die Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe durch Unsicherheit im Sinne von Rosenhead et al. [ROSENHEAD ET AL. 1972] charakterisiert. Dennoch können bereits jetzt begründete Annahmen zu zukünftigen Entwicklungen der unsicheren Parameter von Experten getroffen werden, wie sie bereits in Kapitel zwei vorgestellt wurden. Zudem können von den Experten subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten dieser potenziellen zukünftigen Entwicklungen abgegeben werden. Die in der Literatur vorgestellten Ansätze zum Umgang mit Unsicherheiten und Risiken im Rahmen der strategischen Planung sind vielfältig und müssen jeweils problemspezifisch angewendet werden. Die folgende Beschreibung zum Umgang mit Unsicherheiten gliedert sich in drei Teile: Die Modellierung von Unsicherheiten in Planungsmodellen, die Generierung der erforderlichen Datenbasis bei Unsicherheit sowie der dynamische Einbezug neuer Informationen im Laufe der Planung. Im Hinblick auf die Modellierung von Unsicherheiten in Planungsmodellen können zwei grundsätzliche Herangehensweisen unterschieden werden: Die indirekte Berücksichtigung durch Analysen anhand eines deterministischen Modells oder aber die direkte Modellierung der Unsicherheiten in einem Planungsmodell. [SCHOLL 2001], [MULVEY ET AL. 1995] Zu den häufig angewendeten indirekten Ansätzen zählen Ersatzwertmodelle sowie die Sensitivitätsanalyse; wesentliche Vertreter der direkten Berücksichtigung von Unsicherheiten bzw. Risiken sind die stochastische und die robuste Optimierung. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Ansätze für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe werden in den folgenden Abschnitten diskutiert. Im Anschluss daran wird mit der Szenariotechnik eine Methode vorgestellt, mit der die unsicheren zukünftigen Entwicklungen beschrieben werden können. Durch die Beschreibung der zukünftigen Entwicklungen kann die erforderliche Datenbasis erstellt werden. Da sich für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe die Rahmenbedingungen im Zeitverlauf ändern werden und diese Änderungen im Planungsansatz zu berücksichtigen sind (vgl. Abschnitt 2.5), wird zudem die rollierende Planung vorgestellt. Die rollierende Planung ist eine Methode, mit Hilfe derer Anpassungen von Plänen an sich ändernde Rahmenbedingungen im Zeitverlauf vorgenommen werden können. Gleichzeitig bietet die rollierende Planung die Möglichkeit, einem beschränkten Planungshorizont Rechnung zu tragen. Abschließend werden die wesentlichen Ergebnisse der Analysen zum Umgang mit Unsicherheiten in der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe zusammengefasst. 3.3.1
Indirekte Berücksichtigung von Unsicherheiten
Die indirekte Berücksichtigung von Unsicherheiten in der Planung kann in Form von Ersatzwertmodellen und durch Sensitivitätsanalysen erfolgen. In Ersatzwertmodellen werden deterministische Planungsmodelle genutzt und für die unsicheren Parameter deterministische Ersatzwerte eingesetzt. In Abhängigkeit der Wahl dieser Ersatzwerte werden deterministische Ersatzwertmodelle, deterministische Korrekturmodelle und deterministische Worst Case Modelle unterschieden. [SCHOLL 2001] Sehr
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verbreitet ist der Einsatz von deterministischen Ersatzwertmodellen. In diesen Modellen werden die unsicheren Parameter durch ihren Erwartungswert ersetzt. Ist der Erwartungswert nicht bekannt bzw. fehlt eine entsprechende Datengrundlage für die Bestimmung dieses Werts, werden vielfach die für am wahrscheinlichsten gehaltenen Werte der Parameter genutzt. In beiden Fällen der Ersatzwertwahl werden Lösungen für durchschnittliche erwartete Entwicklungen ermittelt. Hierdurch wird eine risikoneutrale Haltung der Entscheidungsträger impliziert. In den deterministischen Korrekturmodellen und in den deterministischen Worst Case Modellen wird hingegen die übliche Risikoaversion von Entscheidungsträgern einbezogen. In deterministischen Korrekturmodellen werden hierzu Sicherheitskorrekturen in Form von Sicherheitszuschlägen oder Sicherheitsabschlägen für die erwarteten Werte der unsicheren Parameter verwendet. Durch diese Sicherheitszuschläge soll vermieden werden, dass die Werte im Planungsmodell günstigere Ausprägungen darstellen als die tatsächlich realisierten Werte. Die Festlegung der Höhe der Sicherheitszuschläge oder Sicherheitsabschläge ist jedoch schwierig und bedarf in der Regel weiterführender Analysen, wie zum Beispiel Sensitivitätsanalysen. Durch deterministische Worst Case Modelle werden extrem risikoaverse Einstellungen von Entscheidungsträgern modelliert, indem für die unsicheren Parameter die ungünstigsten denkbaren Werte eingesetzt werden. Die Worst Case Modelle führen so in der Regel zu später in der Realisation zulässigen Lösungen, jedoch sind die Lösungen meistens überdimensioniert und teuer. Sowohl Korrekturmodelle als auch Worst Case Modelle sind somit grundsätzlich für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe für den Fall stark risikoaverser Entscheidungsträger geeignet. Die Berücksichtigung differenzierter Risikoeinstellungen ist jedoch nicht möglich. Sensitivitätsanalysen werden im Anschluss an die eigentliche Bestimmung einer Lösung durchgeführt. In diesen Analysen werden die Empfindlichkeit des Zielfunktionswerts und/oder die Empfindlichkeit der Struktur des optimalen Plans gegenüber Änderungen von Parametern untersucht. Hierbei können sowohl einzelne unsichere Parameter als auch mehrere der unsicheren Parameter (globale Sensitivitätsanalyse) variiert werden. [DOMSCHKE/ DREXL 2007], [HILLER/ LIEBERMANN 1997], [DINKELBACH 1969] Somit werden in einer Sensitivitätsanalyse prinzipiell auch Ersatzwertmodelle angewendet. Diese Anwendung erfolgt jedoch zur Analyse einer bereits gefundenen Lösung im Gegensatz zur Ermittlung der eigentlichen Lösung, wie zuvor beschrieben, mit Hilfe von Ersatzwertmodellen.
In bestehenden Planungsmodellen zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen wurde die Sensitivitätsanalyse bereits mehrfach zur Berücksichtigung von Unsicherheiten eingesetzt. Die Autoren Leduc et al. [LEDUC ET AL. 2010], [LEDUC ET AL. 2008] untersuchen beispielsweise die Sensitivität der Herstellkosten pro Liter synthetischen Kraftstoffs bezüglich der ermittelten Netzwerkstruktur und den getroffenen Annahmen. Leduc und seine Koautoren [LEDUC ET AL. 2010] variieren hierzu den Preis des Kuppelprodukts Wärme. In einer früheren Arbeit untersuchen Leduc et al. [LEDUC ET AL. 2008] die Sensitivität der Kosten von Kraftstoffen mit unterschiedlichen biogenen Methanolanteilen jeweils in Abhängigkeit des Preises einer Kilowattstunde Wärme und den Bereitstellungskosten der Biomasse. Insgesamt muss die Anwendung der Sensitivitätsanalyse
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auf gemischt ganzzahlige Probleme jedoch kritisch gewürdigt werden, da bereits kleine Parametervariationen zu großen Änderungen der Struktur des resultierenden Plans führen können. [WAGNER 1995] So werden beispielsweise von Kerdoncuff [KERDONCUFF 2008] Änderungen der optimalen Netzwerkstruktur bei Variationen der Holzpreise festgestellt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die beschriebenen Methoden zur indirekten Berücksichtigung von Unsicherheiten nur eingeschränkt für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe geeignet sind. So bieten deterministische Ersatzwertmodelle zwar die Möglichkeit, extrem risikoaverse Einstellungen von Entscheidungsträgern abzubilden, sie erlauben jedoch keine Berücksichtigung von differenzierten Risikoeinstellungen. Ein Nachteil der Sensitivitätsanalyse liegt in der fehlenden Berücksichtigung der Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern bei der Ermittlung der Lösung. Der Einfluss von Unsicherheiten wird erst nach der eigentlichen Planung untersucht. Ein weiterer Nachteil der Sensitivitätsanalyse ist in der eingeschränkten Anwendbarkeit auf gemischt ganzzahlige Planungsprobleme zu sehen. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden Abschnitt die direkte Berücksichtigung von Unsicherheiten in Planungsmodellen beschrieben sowie die Möglichkeit aufgezeigt, differenzierte Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern mit einzubeziehen. 3.3.2
Direkte Berücksichtigung von Unsicherheiten
Die direkte Berücksichtigung von Unsicherheiten und Risiken erfolgt in analytischen Modellen in Form der stochastischen oder robusten Optimierung. Eine eindeutige Abgrenzung dieser beiden Optimierungsformen kann jedoch nicht gezogen werden. Vielmehr ist die robuste Optimierung in den meisten Fällen eine spezielle Form der stochastischen Optimierung. In der stochastischen Optimierung werden die risikobehafteten Parameter durch mehrwertige Informationen in Form von Zufallsvariablen beschrieben. Betrifft das Risiko mehrere Parameter und kann keine stochastische Unabhängigkeit zwischen den entsprechenden Zufallsvariablen unterstellt werden, sind gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilungen dieser Zufallsvariablen zu ermitteln. Diese Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Zufallszahlen können diskret oder kontinuierlich sein. Liegen endliche, diskrete Ausprägungen der Zufallszahlen vor, können diese in Parametervektoren kombiniert werden. Dabei beschreibt jeder Parametervektor ein Szenario. [SCHOLL 2001] In den stochastischen Optimierungsmodellen werden jedoch vornehmlich kontinuierliche Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Zufallsvariablen modelliert. 64 [KALL ET AL. 1994] Stochastische Optimierungsmodelle sind zudem in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass als Zielfunktionswerte Erwartungswerte bestimmt werden. Diese Erwartungswerte lassen jedoch keine Aussagen zu, welches Risiko mit dieser Lösung verbunden ist. Somit können Risiko-
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Allerdings werden bei der Lösung dieser stochastischen Modelle die Wahrscheinlichkeitsverteilungen in den meisten Fällen diskretisiert. [KALL ET AL. 1994]
kontinuierlichen
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einstellungen von Entscheidungsträgern nicht berücksichtigt werden. [SCHOLL 2001], [MULVEY ET AL. 1995] Dieses Defizit ist Ansatzpunkt der robusten Optimierung. Die robuste Optimierung geht auf die Arbeiten von Kouvelis und Yu [KOUVELIS/ YU 1997] sowie Mulvey et al. [MULVEY ET AL. 1995] zurück. Zwei der wesentlichen Differenzierungsmerkmale der robusten Optimierung gegenüber der herkömmlichen stochastischen Optimierung sind die Beschreibung der Unsicherheiten oder Risiken ausschließlich durch Szenarien und der Einsatz von Ersatzzielfunktionen, mit denen unterschiedliche Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern beschrieben werden können. In der Beschreibung von Unsicherheiten oder Risiken durch Szenarien sieht Scholl [SCHOLL 2001] insbesondere für strategische Planungsprobleme einen wesentlichen Vorteil der robusten Optimierung. Die Szenarien erlauben, grundsätzliche potenzielle Entwicklungen der unsicheren Modellparameter zu beschreiben. Parameterkombinationen, die sich wenig unterscheiden und so zu einer unnötigen Zunahme der Komplexität führen, können dabei ausgeblendet werden. Dies ist bei der Anwendung von kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen nicht möglich. Zugleich bieten die Szenarien die Möglichkeit, Ersatzzielfunktionen einzusetzen. In der Wahl von Ersatzzielfunktionen liegt ein wesentlicher Unterschied der beiden Konzepte der robusten Optimierung von Kouvelis und Yu sowie der von Mulvey und seinen Koautoren. Das Konzept von Kouvelis und Yu [KOUVELIS/ YU 1997] sieht ausschließlich Ersatzzielfunktionen vor, in denen keine Eintrittswahrscheinlichkeiten der Szenarien benötigt werden. So werden der ungünstigste Zielfunktionswert optimiert oder die maximale Abweichung von der szenariooptimalen Lösung (Regret) minimiert. Damit unterstellen sie extrem risikoaverse Einstellungen der Entscheidungsträger. Als wesentlichen Vorteil sehen die Autoren jedoch, dass keine Eintrittswahrscheinlichkeiten der Szenarien benötigt werden. Die Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeiten ist gerade für langfristige Planungsprobleme häufig schwierig. Daher werden diese Worst Case Betrachtungen nach Kouvelis und Yu [KOUVELIS/ YU 1997] auch in der Standortplanung eingesetzt, wie zum Beispiel von Serra und Marianov [SERRA/ MARIANOV 1998]. Im Gegensatz hierzu nutzen Mulvey et al. [MULVEY ET AL. 1995] die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Szenarien in den Ersatzzielfunktionen. Als Ersatzzielfunktionen werden das Erwartungswert-Kriterium, das Maxmin-Kriterium und das ErwartungswertVarianz-Kriterium verwendet 65 . So können bezüglich der Ergebnisse auch Aussagen zu dem zugrunde liegenden Risiko getroffen werden. Die Lösungen werden dabei, wie auch bei Kouvelis und Yu, durch zwei Arten von Entscheidungsvariablen bestimmt. In Anlehnung an eine zweistufige Formulierung von stochastischen Modellen [TAKRITI/ AHMED 2004] werden von Mulvey et al. [MULVEY ET AL. 1995] Design- und Kontrollvariablen eingeführt. Die Designvariablen beschreiben Entscheidungen, die für sämtliche Szenarien identisch sind. In der Standortplanung sind dies typischerweise die Festlegungen der Standorte für die 65
Diese Kriterien werden im folgenden Abschnitt 3.3.2.2 beschrieben.
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Errichtung bestimmter Anlagen. Im Gegensatz dazu werden mittels der Kontrollvariablen szenariospezifische Anpassungen vorgenommen, wie beispielsweise die Lenkung der Stoffströme in einem Produktionsnetzwerk. [KLIBI ET AL. 2009] Die robuste Optimierung im Sinne von Mulvey et al. wird in verschiedenen Arbeiten zur Netzwerkgestaltung angewendet, in denen die Kenntnis der Verteilungsfunktionen von unsicheren Parametern unterstellt wird. In [AGHEZZAF 2005] wird beispielsweise eine unsichere Nachfrage im Rahmen eines Warehouse Location Problems betrachtet. Killmer et al. [KILLMER ET AL. 2001] berücksichtigen zusätzlich unsichere Transportkosten und unsichere variable Produktionskosten. Die Beispiele zur robusten Optimierung aus der Literatur zeigen bereits, dass zum einen unterschiedliche Ersatzzielfunktionen verwendet werden können. Zum anderen können Unsicherheiten bzw. Risiken sowohl die Zielfunktionen betreffen, hier in der Regel die monetären Bewertungsgrößen, als auch die Nebenbedingungen der Planungsmodelle, zum Beispiel in Form einer unsicheren oder risikobehafteten Nachfrage. Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Abschnitt zunächst Risikoeinstellungen von Entscheidungsträger im Rahmen der strategischen Planung analysiert. Anschließend wird auf die Möglichkeit eingegangen, die Risikoeinstellungen in den Zielfunktionen zu modellieren. Dann werden Modellierungsoptionen für unsichere Nebenbedingungen aufgezeigt. 3.3.2.1 Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern im Rahmen der strategischen Planung Die Berücksichtigung von Unsicherheiten und Risiken in der Planung ist erforderlich, da Entscheidungsträger in den meisten Fällen durch Risikoaversion gekennzeichnet sind. Diese Risikoaversion ist insbesondere bei strategischen Entscheidungen ausgeprägt, die mit einem hohen Mitteleinsatz verbunden sind und die langfristige Ausrichtung von Unternehmen oder allgemein von Organisationen bestimmen. In Einzelfällen müssen in der langfristigen Ausrichtung von Organisationen jedoch trotz dieser Risikoaversion Risiken eingegangen werden, um langfristig Erfolgspotenziale zu erschließen. Diese Risiken sollten jedoch durch weniger riskante Entscheidungen in anderen Bereichen der Organisation abgesichert werden. [ADAM 1996], [KOCH 1982] Abgesehen von diesen Ausnahmen tritt eine Risikobereitschaft von Entscheidungsträgern in der Regel nur bei Entscheidungen auf, für die der Mitteleinsatz sowie der mögliche Schaden begrenzt sind. [BÖCKER 1986] Zudem ist oftmals bei Entscheidungsträgern in „aussichtlosen“ Positionen eine Risikobereitschaft vorhanden, denen stark riskante Entscheidungen als einziger Ausweg erscheinen. [SCHOLL 2001] Für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe wurden im zweiten Kapitel verschiedene potenzielle Investoren identifiziert, die jeweils durch unterschiedliche Risikoeinstellungen gekennzeichnet sind. Zu diesen potenziellen Investoren zählen unter anderem Mineralölkonzerne, Automobilhersteller und landwirtschaftliche Konsortien. Mineralölkonzernen wird in Abschnitt 2.3.5 aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und der finanziellen Mittel die höchste Risikobereitschaft zugesprochen. Zudem können sie mit biogenen Substituten für Produkte auf Basis endlichen Erdöls eine langfristige Geschäfts-
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grundlage aufbauen. Automobilherstellern eröffnet sich mit den synthetischen Biokraftstoffen die Möglichkeit, gesetzliche Vorgaben zu CO2-Emissionen einzuhalten und gleichzeitig bestehende Antriebstechnologien zu nutzen. Da jedoch die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen keine Kernkompetenz der Automobilhersteller darstellen wird, wird den Automobilherstellern eine höhere Risikoaversion zugeschrieben (vgl. Abschnitt 2.3.5). Aus den ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen (Abschnitte 2.2.3 und 2.2.5) wird abgeleitet, dass landwirtschaftliche Konsortien Investitionen in Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe sehr risikoavers gegenüber stehen. Den landwirtschaftlichen Konsortien bieten sich auch andere Optionen für Investitionen in Anlagen zur energetischen Nutzung von Biomasse, die weniger risikobehaftet sind. Grundsätzlich variieren die Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern jedoch nicht nur zwischen den Extremen stark risikofreudig und stark risikoavers. Entscheidungsträger können einzelnen Eigenschaften von Plänen mit unterschiedlichen Risikoeinstellungen gegenüberstehen. Zu diesen Eigenschaften von Plänen zählen unter anderem die Zielerreichung, die Anpassungsfähigkeit, die Stabilität sowie die Nervosität [SCHOLL 2001].
Die Optimalität eines Plans ist gegeben, wenn er für sämtliche potenzielle Rahmenbedingungen eine maximale Zielerreichung verspricht. In diesem Sinne optimale Pläne existieren in der Regel nicht. Entscheidungsträger werden jedoch bestrebt sein, einen Plan mit einer möglichst „guten“ Zielerreichung zu wählen. Diese „gute“ Zielerreichung ist abhängig von der Risikoeinstellung der Entscheidungsträger. So besteht bei starker Risikoaversion die Möglichkeit, ein vergleichsweise niedriges Ergebnisniveau für alle Szenarien anzustreben und sich so gegen sehr ungünstige Entwicklungen abzusichern. Bei einer höheren Risikobereitschaft sollten hingegen Potenziale einer hohen Zielerreichung genutzt werden. Treten in diesem Fall jedoch ungünstige Entwicklungen der Rahmenbedingungen auf, können für diese Rahmenbedingungen äußerst schlechte Ergebnisse resultieren. [SCHOLL 2001]
Die Anpassungsfähigkeit beschreibt die Eigenschaft eines Plans, durch geeignete Maßnahmen auch an unerwartete Änderungen der Rahmenbedingungen angepasst werden zu können und dabei die Zielsetzung der Planung weiter zu erfüllen. [SCHOLL 2001]
Unter der Stabilität eines ermittelten Plans wird die Eigenschaft verstanden, dass nachträgliche Änderungen dieses Plans bei eintretenden Veränderungen der Rahmenbedingungen, die jedoch grundsätzlich in der Planung bedacht worden sind, nicht oder nur in geringem Umfang erforderlich sind. Unterschieden werden Änderungen an bereits realisierten Entscheidungen und Änderungen an erst vorläufig getroffenen Entscheidungen. Die nachträgliche Änderung von bereits realisierten strategischen Entscheidungen ist in der Regel mit einem sehr hohen Revisionsaufwand verbunden [ROSENHEAD ET AL. 1972]. Die Änderung vorläufiger Entscheidungen wird der Eigenschaft der Nervosität eines Plans zugeschrieben.
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Eine Nervosität liegt bei Plänen vor, wenn vorläufig festgelegte Pläne/Entscheidungen mit dem Bekanntwerden neuer Informationen bzw. mit Änderungen der Rahmenbedingungen revidiert werden und neue Entscheidungen zu treffen sind. Die Änderung von Plänen kann in Abhängigkeit des Planungsfortschritts zur Verunsicherung bei den ausführenden Personen führen und auch den Ablauf der geplanten Umsetzung massiv stören [DE KOK/ INDERFURTH 1997].
Die Eigenschaften Zielerreichung sowie Anpassungsfähigkeit werden insbesondere durch die Gestaltung der Ersatzzielfunktion beeinflusst. Die Eigenschaften Stabilität und Nervosität der Pläne können hingegen im Rahmen der Modellierung vornehmlich durch die Nebenbedingungen beeinflusst werden. Auf letztere wird daher im anschließenden Abschnitt 3.3.2.3 eingegangen. Zunächst werden die Modellierungsoptionen für Ersatzzielfunktionen unter Berücksichtigung der Zielerreichung und Anpassungsfähigkeit dargestellt. 3.3.2.2 Berücksichtigung der Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern in Ersatzzielfunktionen Durch Ersatzzielfunktionen können unterschiedliche Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern berücksichtigt werden. In Abhängigkeit der individuellen Gewichtung der Zielerreichung und der Anpassungsfähigkeit von Plänen durch Entscheidungsträger können der Entscheidungstheorie geeignete Kriterien zur Modellierung der Ersatzzielfunktionen entlehnt werden. Im Folgenden werden ausgewählte Entscheidungskriterien vorgestellt und im Hinblick auf die beiden zuvor beschriebenen Eigenschaften von Plänen diskutiert. Hierbei werden zunächst Entscheidungskriterien bei Unsicherheit angeführt, die im Sinne der robusten Optimierung von Kouvelis und Yu [KOUVELIS/ YU 1997] keine Eintrittswahrscheinlichkeiten von Szenarien erfordern. Im Anschluss werden Entscheidungskriterien bei Risiko beschrieben, die nach Eintrittswahrscheinlichkeiten der Szenarien verlangen. Zu den Entscheidungskriterien bei Unsicherheit nach Rosenhead et al. [ROSENHEAD ET AL. 1972] zählen das Maxmin-Kriterium, das Maxmax-Kriterium, das Hurwicz-Kriterium, das Laplace-Kriterium sowie das Minmax-Regret-Kriterium. [SCHOLL 2001] Das Maxmin-Kriterium sieht allein eine Maximierung des Zielfunktionswerts des Worst Case Szenarios vor. [KOUVELIS/ YU 1997] Dadurch wird eine extrem risikoaverse Entscheidungshaltung widergespiegelt. Im Hinblick auf die Zielerreichung wird das Maxmin-Kriterium in der Regel zu guten Ergebnissen für schlechte Entwicklungen führen, gleichzeitig aber die Potenziale positiver Entwicklungen ungenutzt lassen. Sofern die Worst Case Entwicklung gut eingeschätzt wird, werden die ermittelten Pläne auch eine hohe Anpassungsfähigkeit an unerwartete Rahmenbedingungen aufweisen. [SCHOLL 2001] Das Maxmax-Kriterium stellt das Pendant zum Maxmin-Kriterium dar und sieht eine Maximierung des maximalen Zielfunktionswerts vor. Somit wird eine extrem risikofreudige Einstellung der Entscheidungsträger unterstellt. [SCHOLL 2001] Diese Risikoeinstellung von
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Entscheidungsträgern konnte jedoch bereits für strategische Entscheidungen ausgeschlossen werden (vgl. Abschnitt 3.3.2.1). Das Hurwicz-Kriterium stellt eine Kombination der zuvor beschrieben Kriterien dar. Es beschreibt eine Linearkombination aus dem minimalen und maximalen Zielfunktionswert. Das Hurwicz-Kriterium kann in Bezug auf die abgebildete Risikobereitschaft sehr schwer eingeschätzt werden, da lediglich beide Extreme berücksichtigt werden. Können diese Extreme jedoch gut vorhergesagt werden, wird auch das Hurwicz-Kriterium zu anpassungsfähigen Plänen führen. [SCHOLL 2001] Mit dem Laplace-Kriterium als Ersatzzielfunktion wird die Summe aller szenariobezogenen Ergebnisse optimiert. Als Vorteil dieses Kriteriums wird gesehen, dass sämtliche Szenarien bei der Optimierung berücksichtigt werden. Dem steht jedoch die implizierte Annahme entgegen, dass alle Szenarien die gleiche Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen. Aussagen zum Risiko, das mit diesem Plan verbunden ist, können in vielen Fällen nicht getroffen werden. So können für einzelne Szenarien die Abweichungen von der optimalen Lösung groß sein und Aussagen zur Anpassungsfähigkeit des gefundenen Plans sind meistens nicht möglich. [SCHOLL 2001] Das absolute 66 Minmax-Regret-Kriterium zielt auf die Minimierung des maximal auftretenden Regrets. Der Regret beschreibt die Abweichung der senariobezogenen Lösung bei simultaner Betrachtung der Szenarien in der robusten Optimierung von der jeweiligen optimalen Lösung des Einzelszenarios. Das Kriterium zielt somit auf das Finden einer Lösung für das Szenario mit dem maximalen Regret. Diese Lösung soll möglichst nahe an der optimalen Lösung dieses Szenarios bei einzelner Betrachtung liegen. So werden zwar in der Regel niedrige Ergebnisniveaus für die Szenarien insgesamt erreicht, doch sind auch keine extrem schlechten Ergebnisse für ungünstige Entwicklungen der Rahmenbedingungen zu erwarten. Die so ermittelten Pläne werden allerdings bei stark schwankenden szenariooptimalen Werten wenig anpassungsfähig sein. [SCHOLL 2001] Zu den Entscheidungskriterien bei Risiko zählen unter anderem das ErwartungswertKriterium, das Erwartungswert-Varianz-Kriterium, das Hodges-Lehmann-Kriterium, das Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriterium sowie das Regret-ErwartungswertKriterium. 67 Mit dem Erwartungswert-Kriterium wird die erwartete Zielerreichung optimiert. Eine Aussage zu dem mit dem Ergebnis verbundenen Risiko kann nicht getroffen werden. Da positive und negative Abweichungen jedoch gleichwertig berücksichtigt werden, wird dem Erwartungswert-Kriterium häufig eine Risikoneutralität zugeschrieben. Im Hinblick auf die 66
Das Minmax-Regret-Kriterium kann in gleicher Weise für relative Regrete angewendet werden. Vorteil dieser Anwendung ist, dass die Regrete schlechter Szenarien stärker berücksichtigt werden. [SCHOLL 2001]
67
Umfangreiche Beschreibungen von Entscheidungskriterien sind beispielsweise in [SCHNEEWEIß 1967] oder [LAUX 2005] zu finden. An dieser Stelle beschränkt sich die Diskussion auf ausgewählte Entscheidungskriterien, die in der robusten Optimierung üblicherweise zum Einsatz kommen (vgl. [SCHOLL 2001]).
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Zielerreichung können die Abweichungen (Regrete) in einzelnen Szenarien vom szenariooptimalen Ergebnis hoch sein. Auch ist eine Anpassungsfähigkeit in der Regel nur gegeben, wenn lediglich geringe Abweichungen von den berücksichtigten Rahmenbedingungen auftreten. Das Erwartungswert-Varianz-Kriterium beschreibt Funktionen bestehend aus dem Erwartungswert und der Varianz. Häufig wird die Varianz zusätzlich über einen Faktor gewichtet und die Summe aus diesen beiden Werten gebildet. Ist dieser Faktor größer Null, wird Risikobereitschaft impliziert, da die Varianz als Chance verstanden wird. Gewichtungsfaktoren kleiner Null repräsentieren hingegen Risikoaversion. Für diese Risikoeinstellung werden mit dem Erwartungswert-Varianz Kriterium in der Regel Pläne generiert, die bezüglich der Zielerreichung auf ein insgesamt niedriges Ergebnisniveau zielen. Bezüglich der Anpassungsfähigkeit der Pläne werden in der Literatur unterschiedliche Aussagen getroffen. Mulvey et al. [MULVEY ET AL. 1995] schreiben dem Erwartungswert-VarianzKriterium eine gute Anpassungsfähigkeit zu. Scholl [SCHOLL 2001] schränkt diese Aussage jedoch auf Planungsprobleme mit geringer Unsicherheit ein. Das Hodges-Lehmann-Kriterium beschreibt eine Linearkombination aus Erwartungswert und dem ungünstigsten Ergebnis. Eine Gewichtung dieser beiden Werte erfolgt in der Linearkombination über einen Parameter. Eine Verschiebung der Gewichtung hin zum Erwartungswert repräsentiert eine zunehmende Risikobereitschaft. Hier kommen die beschriebenen Eigenschaften des Erwartungswert-Kriteriums zum Tragen. Eine stärkere Gewichtung der ungünstigsten Entwicklung repräsentiert hingegen risikoaverse Einstellungen. Dies führt in Richtung der Eigenschaften des Maxmin-Kriteriums. [SCHOLL 2001] Mit dem Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriterium wird die Summe aus dem erwarteten Ergebnis und einer gewichteten Nichterreichung eines gesetzten Anspruchsniveaus beschrieben. Somit wird im Hinblick auf die Zielerreichung nach einem Kompromiss zwischen der Nutzung von Potenzialen der Zielerreichung und der Erreichung von guten Ergebnissen in ungünstigen Szenarien gesucht. Bezüglich der Anpassungsfähigkeit treffen ähnliche Überlegungen wie bei dem Erwartungswert-Kriterium zu. [SCHOLL 2001] Durch das absolute Regret-Erwartungswert-Kriterium wird die Summe der erwarteten Regrete minimiert. Dadurch werden Ergebnisse generiert, die erwartet nah an der optimalen Lösung liegen. Aussagen zu dem Ergebnisniveau und der Anpassungsfähigkeit für einzelne Szenarien können jedoch in vielen Fällen nicht getroffen werden und sind stark abhängig von den untersuchten Szenarien. Somit kann vielfach auch keine Aussage zu dem mit einem Plan verbundenen Risiko erfolgen. [SCHOLL 2001] Aus den Beschreibungen dieser ausgewählten Entscheidungskriterien zur Modellierung von Ersatzzielfunktionen wird deutlich, dass ein breites Spektrum an unterschiedlichen Risikoeinstellungen abgebildet werden kann. Zudem ist zu erkennen, dass mit einem einzelnen Kriterium in der Regel lediglich Aussagen zu dem Risiko getroffen werden können, das maximal eine der beiden Eigenschaften von Plänen (Zielerreichung oder Anpassungs-
112
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
fähigkeit) betrifft. Um zu analysieren welche Risiken insgesamt mit Plänen zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe einhergehen, bietet sich daher zur Entscheidungsunterstützung die Nutzung mehrerer Kriterien in verschiedenen Ersatzzielfunktionen an. Eine Auswahl entsprechender Kriterien erfolgt im Rahmen der Modellierung in Abschnitt 4.4.2. 3.3.2.3 Berücksichtigung von Unsicherheiten und Risiken in den Nebenbedingungen Aus der Analyse der Rahmenbedingungen in Kapitel zwei geht hervor, dass die Rahmenbedingungen von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe unsicher sind, zum Beispiel die Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen. Diese unsicheren Rahmenbedingungen werden in einem Planungsmodell für die Netzwerkgestaltung teilweise in den Nebenbedingungen abgebildet. Somit sind diese Nebenbedingungen von Unsicherheiten betroffen. Im Hinblick auf diese unsicheren Nebenbedingungen kann es unter Umständen sinnvoll sein, nicht zwingend auf deren Einhaltung zu bestehen. Eine in diesem Sinne durchgeführte Relaxation der Nebenbedingungen kann in Form von Chance Constrained Modellen und Kompensationsmodellen modelliert werden. Ebenfalls sind Kombinationen dieser beiden Modelltypen möglich. In Chance Constrained Modellen werden Wahrscheinlichkeiten für die Einhaltung von Nebenbedingungen festgelegt. Hierbei werden separierte und simultane Chance Constrained Modelle unterschieden. In den separierten Chance Constrained Modellen werden für die einzelnen Nebenbedingungen separate Erfüllungswahrscheinlichkeiten gefordert. Im Gegensatz hierzu wird in simultanen Chance Constrained Modellen eine Wahrscheinlichkeit für die gemeinsame Erfüllung aller Nebenbedingungen festgelegt. Daraus resultiert, dass eine bestimmte Anzahl der untersuchten Szenarien die Nebenbedingungen des simultanen Chance Constrained Modells nicht verletzen darf. [SCHOLL 2001], [KALL ET AL. 1994] Der Einsatz von Chance Constrained Modellen geht jedoch mit zwei Einschränkungen einher. Die eine Einschränkung ist grundsätzlicher Natur. Als Folge der relaxierten Nebenbedingungen bleiben die Szenarien, die die ungünstigsten Entwicklungen repräsentieren, bei der Ermittlung von Lösungen vollkommen unberücksichtigt. Dies kann dazu führen, dass instabile Pläne erzeugt werden. Daher sollten Chance Constrained Modelle nicht eingesetzt werden, wenn von stark risikoaversen Entscheidungsträgern ausgegangen werden kann. [SCHOLL 2001] Die andere Einschränkung betrifft speziell den Einsatz von Chance Constrained Modellen für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe. Für die Anwendung von Chance Constrained Modellen bedarf es einer großen Anzahl an Szenarien, um sinnvolle Verletzungsniveaus entsprechender Nebenbedingungen festzusetzen. Eine große Anzahl an Szenarien ist jedoch zum einen aufgrund des strategischen Charakters des Planungsproblems schwer sinnvoll festzulegen. Zum anderen geht mit einer großen Szenarienanzahl eine Steigerung der Komplexität des Planungsproblems 68 einher. 68
Auf die Komplexität eines Planungsmodells zur Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe wird in Abschnitt 4.5 eingegangen.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
113
Bei der Erstellung von Kompensationsmodellen wird davon ausgegangen, dass bestimmte Verletzungen der Nebenbedingungen bei der Umsetzung des ermittelten Plans durch geeignete Gegenmaßnahmen kompensiert werden können. In der Modellierung werden diese Gegenmaßnahmen durch Strafkosten oder Strafzahlungen in der Zielfunktion berücksichtigt und somit potenzielle Verletzungen der Nebenbedingungen bei der Lösungsermittlung einbezogen. Diese Strafzahlungen können in der Praxis beispielsweise aus dem Zukauf von Kapazitäten resultieren. [SCHOLL 2001] Der Vorteil von Kompensationsmodellen ist, dass Pläne ermittelt werden, die bei der Realisierung durch Maßnahmen an die eingetretenen Rahmenbedingungen angepasst werden können. Es werden also ausschließlich zulässige Lösungen generiert. Dies kommt insbesondere stark risikoaversen Entscheidungsträgern entgegen, die an zulässigen Lösungen interessiert sind. Können die potenziellen zukünftigen Entwicklungen der Rahmenbedingungen gut vorhergesagt werden, entstehen in der Regel stabile Pläne. [SCHOLL 2001] Aus den Beschreibungen der Modellierungsoptionen zur Berücksichtigung von Unsicherheiten in den Nebenbedingungen kann abgeleitet werden, dass der Ansatz der Kompensationsmodelle im Rahmen der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe geeignet ist. Nachdem im Vorangegangenen Ansätze zur direkten Berücksichtigung von Unsicherheiten in Planungsmodellen vorgestellt wurden, wird im Folgenden die Szenariotechnik zur Ermittlung der Datenbasis vorgestellt, die unsichere Parameter umfasst. 3.3.3
Szenariotechnik
Zur Erstellung von Szenarien für langfristige Entwicklungen und zur Analyse von Auswirkungen auf die Zielerreichung kann die Szenariotechnik eingesetzt werden. [REIBNITZ VON 1992] In der Literatur wird das im Rahmen der Szenariotechnik gewählte Vorgehen in unterschiedlichen Stufenmodellen beschrieben (z.B. in [WILMS 2006], [ALBERS ET AL. 1999], [GÖTZE 1993], [MEYER-SCHÖNHERR 1992], [REIBNITZ VON 1992]), die sich jedoch in den wesentlichen Inhalten ähneln. Das grundsätzliche Vorgehen wird nachfolgend in vier Bereiche gegliedert und es werden die wesentlichen Charakteristika beschrieben. Für weiterführende Informationen sei auf die zuvor angeführte einschlägige Literatur verwiesen.
In einem ersten Schritt erfolgt die Analyse der vorliegenden Problemstellung. Zur Strukturierung des Problems werden Einflussbereiche identifiziert. In diesen Einflussbereichen werden wiederum konkrete Einflussfaktoren auf die Problemstellung ermittelt und deren Wechselwirkungen untereinander aufgedeckt. Ziel ist es, ein Verständnis des betrachteten dynamischen Systems zu erlangen.
In der folgenden Trendprojektion werden zunächst sogenannte Deskriptoren identifiziert, die zukünftige Entwicklungen beschreiben. Die Deskriptoren werden desweiteren dahingehend unterschieden, ob diese eindeutig in die Zukunft fortgeschrieben werden können oder ob alternative Verläufe zu erwarten sind.
114
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
Die Deskriptoren werden in einer Alternativenbündelung zu Szenarien zusammengeführt. Hierbei ist insbesondere die Konsistenz der Ausprägung von Deskriptoren untereinander zu prüfen, also die Kombination logischer Alternativen zu Szenarien. Liegt eine große Anzahl von Deskriptoren vor, bietet sich in diesem Zusammenhang die Nutzung einer Konsistenzmatrix an. Insgesamt sollte die Anzahl der zu untersuchenden Szenarien zwischen vier und acht liegen.
Im Rahmen einer abschließenden Bewertung und Interpretation der Szenarien gilt es, Chancen und Risiken zu identifizieren sowie mögliche Maßnahmen zur Nutzung der Chancen und zur Reduktion der Risiken abzuleiten und zu würdigen. In der Literatur zur Szenariotechnik werden hier vielfach qualitative Ansätze zur Bewertung der Maßnahmen beschrieben. Für das vorliegende Planungsproblem gilt es, zur Bewertung den quantitativen Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe zu entwickeln.
Ein solcher Planungsansatz kann bei Änderung der Rahmenbedingungen im Zeitverlauf im Rahmen einer rollierenden Planung angewendet werden. 3.3.4
Rollierende Planung
In der rollierenden Planung werden für den zugrunde liegenden unbeschränkten Planungszeitraum Planungsschritte mit einem Planungsabstand D festgelegt. Der erste Planungsschritt weist einen Planungshorizont [t; t+T-1] auf, wobei vorausgesetzt wird, dass die Realisierungen der Entscheidungen zu Beginn einer jeden Planungsperiode erfolgen. Der zweite Planungsschritt erfolgt nach dem Planungsabstand D mit dem Planungshorizont [ȡ;ȡ+T-1], wobei ȡ < t + T ist und D = ȡ – t. Dies führt dazu, dass in dem Intervall [t; ȡ] die Entscheidungen allein im ersten Planungsschritt getroffen und diese somit verbindlich festgelegt werden. Für den restlichen Entscheidungszeitraum des ersten Planungsschritts [ȡ; t+T-1] werden die Ergebnisse vorläufig fixiert. Im zweiten Planungsschritt erfolgt dann in derselben Weise eine verbindliche Festlegung der Entscheidungen im Intervall [ȡ; ȡ+D]. In Abhängigkeit der konkret gewählten Modifikation der rollierenden Planung werden hierbei die vorläufig fixierten Ergebnisse des vorherigen Planungsschritts angepasst (revolvierende Planung) 69 oder nicht (rollende Planung). [FRIEDL 2003] Die Anwendung der revolvierenden Planung zur Netzwerkgestaltung ermöglicht es somit, zum einen irreversible Entscheidungen nur auf Basis von Informationen aus der nahen Zukunft [0; D] zu treffen. Zum anderen kann dem Problem des beschränken Planungshorizonts Rechnung getragen werden. Das Problem des beschränkten Planungshorizonts besteht darin, dass Interdependenzen zwischen dem aktuellen Plan und den vorangegangenen sowie den nachfolgenden Entwicklungen und Entscheidungen außerhalb des Planungszeitraums nicht einbezogen werden können. Insbesondere bei Investitionsentscheidungen kann ein beschränkter Planungshorizont dazu führen, dass Zahlungsströme infolge einer 69
Die revolvierende Planung kann zu nervösen Plänen führen.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
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anfänglichen Investition durch die zeitlich beschränkte Betrachtung beschnitten werden. Dies kann mitunter darin resultieren, dass vorteilhafte Investitionen als nicht vorteilhaft bewertet werden, da positive Zahlungsströme nach Ende des Planungszeitraums keine Beachtung mehr finden. Durch eine zunächst vorläufige Fixierung der Strukturvariablen mit einer anschließenden verbindlichen Festlegung bei erweiterter zeitlicher Betrachtung können entsprechende Interdependenzen im Rahmen der revolvierenden Planung jedoch sukzessive in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. [SCHOLL ET AL. 2004], [ADAM 1996] Das Vorgehen im Rahmen der revolvierenden Planung ist am Beispiel der Netzwerkgestaltung schematisch in Abbildung 3.7 dargestellt. Die binären Strukturvariablen ݔ௧ beschreiben hierbei beispielhaft die Errichtung einer Produktionsanlage mit der Technologie m und der Kapazität k am Standort p in der Periode t. m M; k K; p P t=0, …4
t=5, …9
t=10, …14
t=15, …19
…
Planungsschritt zu Beginn von Periode
t=0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 t=0
xmkpt
t=5
xmkpt xmkpt
…
t=20
Abbildung 3.7:
… …
30 31 32 33 34 35 36 37…
xmkpt
xmkpt
xmkpt
…
xmkpt
…
xmkpt
…
xmkpt
xmkpt
…
xmkpt
xmkpt
xmkpt
t=15
26 27 28 29
t=30, …34
xmkpt
xmkpt
t=10
t=25, …29
…
Planungsperiode Planungsabstand D
Fixierung der Strukturvariablen
Planungshorizont T
Vorläufige Festlegung der Strukturvariablen
Revolvierende Planung zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe (in Anlehnung an [SCHOLL ET AL. 2004])
Die Darstellung der revolvierenden Planung erfolgte hier speziell am Beispiel der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe, da eine exemplarische Anwendung der revolvierenden Planung im Rahmen der Fallstudien in dieser Arbeit nicht möglich ist. Voraussetzung für die Anwendung der revolvierenden Planung stellen neue Informationen bezüglich der unsicheren Parameter dar. Diese neuen Informationen können jedoch nur im Zeitverlauf ermittelt werden können. Die in dieser Arbeit durchgeführten Fallstudien beruhen auf den aktuellen Daten und somit auf aktuellen Einschätzungen von Experten zu potenziellen zukünftigen Entwicklungen. Begründete Annahmen zu zukünftigen Änderungen der Informationslage können nicht getroffen werden.
116
3.3.5
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
Schlussfolgerungen für die Berücksichtigung von Unsicherheiten in der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe
Im Vorangegangenen wurden sowohl indirekte als auch direkte Methoden vorgestellt, um Unsicherheiten bei der Planung mit analytischen Modellen zu berücksichtigen. Da die indirekten Methoden differenzierte Risikoeinstellungen nur begrenzt abbilden können, kann für die Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe eine direkte Berücksichtigung der Unsicherheiten empfohlen werden. Das Konzept der robusten Optimierung bietet hier einen Ansatz, in dem Unsicherheiten und Risiken bezüglich zukünftiger Entwicklungen der Rahmenbedingungen durch Szenarien repräsentiert werden. Wesentliche Vorteile der Nutzung von Szenarien sind: Grundsätzliche Entwicklungen können abgebildet und differenzierte Risikoeinstellungen können durch Ersatzzielfunktionen ausgedrückt werden. Zur Ausgestaltung der Ersatzzielfunktionen können verschiedene Entscheidungskriterien herangezogen werden, die unterschiedliche Risikoeinstellungen implizieren. Da mit diesen Entscheidungskriterien jedoch in den meisten Fällen nicht sämtliche Aspekte der Risikoeinstellung (Zielerreichung und Anpassungsfähigkeit) berücksichtigt werden, wird bei der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe der Einsatz mehrerer Entscheidungskriterien in unterschiedlichen Ersatzzielfunktionen empfohlen. Unsicherheiten in den Nebenbedingungen können durch Kompensationsmodelle berücksichtigt werden, die in der Regel stabile Pläne erzeugen. Eine vollständige Übertragung des Ansatzes der robusten Optimierung mit einer Berücksichtigung von differenzierten Risikoeinstellungen auf die Technologie-, Kapazitätsund Standortplanung ist in den meisten Fällen jedoch nicht möglich. In der Regel liegen für derart einzigartige und weitreichende Entscheidungen keine belastbaren Daten aus der Vergangenheit vor 70 . [KLIBI ET AL. 2009], [SCHOLL 2001] So können Eintrittswahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Szenarien für die vorliegende Problemstellung nicht aus Vergangenheitsdaten abgeleitet werden. Die Planung von Produktionsnetzwerken soll jedoch nicht ausschließlich auf einer robusten Optimierung im Sinne von Kouvelis und Yu [KOUVELIS/ YU 1997] und den damit beschriebenen Einschränkungen erfolgen. Daher werden für die einzelnen Szenarien subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten von Experten festgelegt. Diese Experten sollten bereits bei der Ermittlung der Szenarien mit Hilfe der Szenariotechnik einbezogen werden. Bei der tatsächlichen Realisation von Netzwerken für synthetische Biokraftstoffe sollte eine revolvierende Planung angewendet werden. Mit dieser können zum einen im Zeitverlauf sukzessive neue Informationen in die Entscheidungen einbezogen werden. Zum anderen wird dem beschränkten Planungshorizont Rechnung getragen.
70
Im Gegensatz hierzu ist es bei kurzfristigen, wiederkehrenden Entscheidungen vielfach möglich, die unsicheren Größen durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu approximieren.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
117
Auf Grundlage der bislang in diesem Kapitel durchgeführten Literaturanalysen werden im folgenden Abschnitt die erörterten Ergebnisse zu einem Konzept zur Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe zusammengefasst. 3.4
Konzeption des Planungsansatzes zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen
Im Folgenden werden die ermittelten Ergebnisse der Abschnitte 3.1 - 3.3 zusammengefasst. Ziel ist es, ein Planungskonzept zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen abzuleiten, das mit den in Abschnitt 2.5 formulierten Anforderungen im Einklang steht. Das zu entwickelnde Konzept umfasst die Bereiche der Modellierung der Produktionsprozesse, der integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung sowie der Berücksichtigung von Unsicherheiten. Im Vorfeld der Anwendung des zu entwickelnden Konzepts kann eine Standortvorauswahl anhand der in Abschnitt 3.2.2 angeführten Kriterien erfolgen. Dies stellt eine Form des Preprocessings dar und trägt zu einer Reduktion der Komplexität des resultierenden Planungsproblems bei. Dem schließt sich dann ein Vorgehen im Sinne des Konzepts der Netzwerkgestaltung für synthetische Biokraftstoffe an. Dieses Konzept gliedert sich in drei Ebenen (vgl. Abbildung 3.8). Zentraler Bestandteil ist dabei die Netzwerkebene, auf der die Stoffflussbeziehungen zwischen den Quellen, den potenziellen Produktionsstandorten sowie den Senken abgebildet werden. Durch diese Stoffflussbeziehungen wird die grundsätzliche Netzwerkstruktur beschrieben. Da die technologische Entwicklung der Produktionstechnologien noch nicht abgeschlossen ist und zukünftig grundsätzlich neue Anlagenkonzepte denkbar sind, werden flexible Netzwerkstrukturen in das Konzept integriert. Diese werden durch eine unbegrenzte Anzahl der Stufen in sogenannten n-stufigen Modellen umgesetzt. Zukünftig ist ebenfalls mit der Änderung entscheidungsrelevanter Parameter zu rechnen. Dies betrifft insbesondere die Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen sowie das Angebot an Biomassen. Nach den aktuellen gesetzlichen Regelungen im Biokraftstoffquotengesetz ist in der Zukunft mit einem steigenden Anteil von Biokraftstoffen am gesamten Kraftstoffabsatz und damit auch mit einer höheren Nachfrage zu rechnen. Ebenso wird das Angebot an Biomasse durch gesetzliche Regulierungen, zum Beispiel bezüglich der Nutzung von Stilllegungsflächen, sowie durch marktseitige Effekte bestimmt. Diese Entwicklungen können sich im Zeitverlauf erheblich ändern und damit einen entscheidenden Einfluss auf die optimalen Zeitpunkte der Anlageneröffnungen und die gewählten Technologien und Kapazitäten haben. Aufgrund der hohen Investitionen für die Produktionsanlagen sind die Eröffnungszeitpunkte von großer Bedeutung. Um diese Aspekte in dem Planungsansatz abbilden zu können, ist eine mehrperiodige bzw. dynamische Betrachtung notwendig. Zur Abbildung der zu planenden Produktionsprozesse in der Netzwerkgestaltung können Input-Output Modelle als geeignete betriebswirtschaftliche Modellierungsform
118
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
identifiziert werden (vgl. Abschnitt 3.1.3). Im Gegensatz zur aktivitätsanalytischen Modellierung können substitutionale Beziehungen zwischen Einsatzstoffen einfacher abgebildet werden. Der zeitlich langfristige Horizont der Planung sowie die Planungsperioden von einem Jahr 71 erlauben die Beschreibung der Produktionsprozesse durch Stoff- und Energiebilanzen repräsentativer Betriebszustände. Eine Herausforderung besteht jedoch hinsichtlich der Ermittlung dieser Bilanzen. Da für die meisten Technologien noch keine großtechnischen Anlagen existieren, müssen diese Informationen mit Hilfe von technischen Modellen bestimmt werden. Die analytische Formulierung der Transformationsvorgänge der Stoffe und Energien ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich, daher werden sogenannte Flowsheeting Programme eingesetzt. Aus den so ermittelten Stoff- und Energiebilanzen können Transformationskoeffizienten für die relevanten Stoffumwandlungen abgeleitet werden. Diese Stoff- und Energiebilanzen stellen gleichfalls das Mengengerüst für eine Bewertung der Verfahren dar. Desweiteren unterliegen die Produktionstechnologien Kapazitätsrestriktionen, die es ebenfalls in der Planung zu berücksichtigen gilt. Die Planung zukünftiger Produktionsnetzwerke für synthetische Biokraftstoffe ist durch Unsicherheiten gekennzeichnet. Diese Unsicherheiten betreffen alle Netzwerkbereiche von der Biomassebereitstellung über die Produktionstechnologien bis zur Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen. Diese Unsicherheiten sind dadurch gekennzeichnet, dass für die betroffenen Parameter keine Wahrscheinlichkeitsverteilungen bestimmt werden können. Zum einen handelt es sich um eine neuartige Entscheidungssituation, für die bislang keine Erfahrungswerte vorliegen. Zum anderen werden Informationen zu weit in die Zukunft reichenden Entwicklungen benötigt. Daher werden diese Unsicherheiten mittels verschiedener Szenarien beschrieben, die aus Kombinationen von möglichen Ausprägungen der unsicheren Parameter (Deskriptoren) gebildet werden. Diese Deskriptoren sowie die Aggregation zu Szenarien werden von Experten aus den einzelnen Netzwerkbereichen gemeinsam festgelegt. Eine separate Betrachtung unterschiedlicher Szenarien wird in vielen Fällen zu verschiedenen Netzwerkkonfigurationen führen. Da zum Zeitpunkt der Entscheidung jedoch unklar ist, welches Szenario eintreten wird, sind keine Aussagen zum Risiko, das mit der Entscheidung für eine Netzwerkkonfiguration einhergeht, möglich. Daher werden in dem hier vorgestellten Konzept szenarienübergreifende Planungen in Anlehnung an die robuste Optimierung nach Scholl [SCHOLL 2001] empfohlen. In diesen szenarienübergreifenden Untersuchungen können Netzwerkkonfigurationen in Abhängigkeit der individuellen Risikoeinstellung von Entscheidungsträgern ermittelt werden. Um außerdem der Problematik eines beschränkten Planungshorizonts sowie der Datenunsicherheit zu begegnen, bietet sich die Anwendung der revolvierenden Planung bei Einsatz eines szenariobasierten Planungsansatzes an. Im Rahmen dieser Arbeit kann jedoch nur eine
71
Eine mehrperiodige Standortplanung erfolgt in der Regel mit Planungsperioden von einem Jahr (vgl. z.B. [HÜBNER 2007] oder [FLEISCHMANN ET AL. 2006]). Dies eröffnet die Möglichkeit, langfristige Trends zu berücksichtigen und gleichzeitig saisonale Einflüsse auszublenden, die zu einer hohen Komplexität führen können. Insbesondere landwirtschaftliche Produkte weisen eine hohe saisonale Fluktuation auf. Die Ausgestaltung der geplanten Produktionskapazitäten unter Berücksichtigung dieser saisonalen Effekte ist Gegenstand der standortbezogenen Prozessgestaltung.
Methodische Ansätze zur Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie
119
Empfehlung zum Einsatz ausgesprochen werden, da zukünftig neue Informationen im Zeitraum der aktuellen Planung nicht bekannt sind.
Standortvorauswahl Netzwerkgestaltung
Netzwerkkonstellationen inAbhängigkeitderRisikobereitschaft
Biomassepotentiale
…
Produktionstechnologien Preisindex f ür Produktionsanlagen
Map Point
Abbildung 3.8:
Preisindex
Nachfrage Biokraf tstoffquote 0,1 Biokraftstoffanteil in%
…
0,08 0,06 0,04 0,02
2027
2026
2025
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
0 2008
Unsicherheiten, Entwicklungen
…
Netzwerk
ProduktionsͲ prozesse
Verfahrenstechnische Betriebswirtschaftliche Modellierung Modellierung Datenaggregation undͲintegration
Konzept zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe
Im nachfolgenden Kapitel wird das beschriebene Konzept zur Gestaltung eines Produktionsnetzwerks für synthetische Biokraftstoffe in entsprechende Planungsmodelle überführt.
4
Ausgestaltung des Planungsansatzes zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen
In diesem Kapitel wird die modelltechnische Ausgestaltung des Planungskonzepts zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen vorgestellt. Dazu wird das folgende Vorgehen gewählt. Zunächst wird in Abschnitt 4.1 exemplarisch die verfahrenstechnische Modellierung eines Prozessschritts beschrieben. Die verfahrenstechnische Modellierung bildet die Grundlage für die Modellierung der Produktionstechnologien im Hinblick auf die Netzwerkgestaltung, die im nachfolgenden Abschnitt vorgestellt wird. Diese Modellierung erlaubt eine Reduktion der Produktionstechnologien auf die für die Netzwerkgestaltung relevanten Eigenschaften: Investitionen, Zahlungen für den Betrieb sowie Prozessausbeuten der Hauptprodukte. Die modellierten Technologien sind wesentlicher Bestandteil des deterministischen Modells zur Netzwerkgestaltung, welches in Abschnitt 4.3 eingeführt wird. Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten und unterschiedlichen Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern wird dieses deterministische Planungsmodell in Abschnitt 4.4 in einen szenariobasierten Planungsansatz überführt. In Abschnitt 4.5 wird abschließend die Komplexität des Planungsansatzes dargestellt. 4.1
Verfahrenstechnische Modellierung am Beispiel der Vergasung von Biomasse
Am Beispiel der Biomassevergasung wird exemplarisch die technische Modellierung der Produktion von synthetischen Biokraftstoffen veranschaulicht. Anhand der Ergebnisse von Simulationsstudien werden nichtlineare Zusammenhänge zwischen Prozessparametern, wie beispielsweise der Temperatur, und der Zusammensetzung des Produktstroms aufgezeigt. Darüber hinaus wird der Einfluss der Kapazität auf die Zusammensetzung des resultierenden Produktstroms dargestellt. Eine vollständige Modellierung von verschiedenen Produktionsprozessen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. An dieser Stelle sollen lediglich konkrete Einblicke in das Vorgehen im Rahmen der Modellierung, in die Komplexität der verfahrenstechnischen Prozesse sowie die zahlreichen nichtlinearen substitutionalen Beziehungen zwischen Prozessparametern gegeben werden. Umfassende Modellierungen gesamter Produktionsprozesse erfolgen in Dissertationen aus dem Bereich der Verfahrenstechnik, wie beispielsweise von Beiermann [BEIERMANN 2009] und Hamelinck [HAMELINCK 2004]. 4.1.1
Modellbeschreibung
Das vorliegende verfahrenstechnische Modell beschreibt die Vergasung von getrockneter holzartiger Biomasse in Anlehnung an Untersuchungen des U.S. Departments of Energy (Pittsburgh Energy Technology Center) [DOE 1998]. 72 Zur Modellierung wird die bereits vorgestellte sequenziell-modulare Flowsheeting Software Aspen Plus verwendet (vgl. Abschnitt 3.1.1.2). 72
Das Simulationsmodell und die Simulationsstudie wurden im Rahmen einer Studienarbeit am Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion sowie am Institut für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik von Schulze [SCHULZE 2008] erarbeitet.
A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
122
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Zu Beginn der Modellierung in Aspen Plus ist zunächst eine Komponentenliste anzulegen, die sämtliche im Prozess vorkommenden Stoffe enthält. In Tabelle 4.1 sind diese chemischen Komponenten für die betrachtete Vergasung von Biomasse angeführt. Die Stoffströme in dem Prozess werden über Vektoren dargestellt, welche die einzelnen Unit Operations miteinander verbinden. In den Vektoren sind neben der anteiligen chemischen Zusammensetzung ebenfalls Informationen zu thermodynamischen Eigenschaften, wie zum Beispiel Druck und Temperatur, hinterlegt. Tabelle 4.1: Chemische Komponenten des Modells
Kohlenstoff
C
Kohlennoxisulfid
COS
Decen
C10H20
Wasserstoff
H2
Ethen
C2H4
Wasser
H2O
Essigsäure
C2H4O2
Schwefelwasserstoff H2S
Ethanol
C2H6O
Salzsäure
Zyklopetan
C5H10
Cyanwasserstoff
HCN
Benzen
C6H6
Stickstoff
N2
HCl
Methan
CH4
Ammoniak
NH3
Kohlenstoffmonoxid
CO
Sauerstoff
O2
Kohlenstoffdioxid
CO2
Schwefel
S
Als Rohstoff wird in diesem Prozess Biomasse verwendet, die aus getrocknetem Ahornhackgut besteht. Derartig spezifische Stoffe sind in der Regel nicht in den Stoffdatenbanken von Aspen Plus hinterlegt. Um dennoch die speziellen Eigenschaften73 des getrockneten Ahornhackguts darstellen zu können, wird dieses in dem Modell als sogenannte Non-Conventional Komponente hinterlegt. Hierzu sind drei verschiedene Analysen der Biomasse durchzuführen. In der Ultimate Anlayse werden die Masseanteile der einzelnen vorkommenden Elemente bestimmt. Die Proximate Analyse gibt die Masseanteile von Feuchtigkeit, flüchtigen Bestandteilen, festem Kohlenstoff sowie der Asche wieder. In der Sulfate Analyse wird das getrocknete Ahornhackgut auf vorhandene Salze oder Ester der Schwefelsäuren hin untersucht. Ergebnisse der Analysen sind in Tabelle 4.2 dargestellt. Tabelle 4.2: Masseanteile der Biomasse (getrocknetes Ahornhackgut) nach [DOE 1998]
Analyse
Element
Masseanteil [%]
Ultimate
C
49,50
73
H
6,11
O
43,73
N
0,10
S
0,03
Asche
0,50
Zu diesen Eigenschaften zählen beispielsweise die Wärmekapazität oder die Energiedichte.
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
123
Analyse
Element
Proximate
Feuchtigkeit
0,00
Flüchtige Bestandteile
70,00
Fester Kohlenstoff
29,50
Asche
0,50
Sulfate
Masseanteil [%]
Pyritisch
0,00
Organisch
0,00
Sulfat
0,02
Der modellierte verfahrenstechnische Prozess besteht aus sechs verschiedenen Unit Operations, die über die Stoff- und Energieströme miteinander verbunden sind (vgl. Abbildung 4.1). In der Software Aspen Plus stehen verschiedene Grundoperationen in einer Programmbibliothek für die Modellierung zur Verfügung. Darüber hinaus können weiterhin spezifische Module von Anwendern in Unterprogrammen in Fortan74 programmiert werden. In dem vorliegenden Modell wurden Grundoperationen aus der Programmbibliothek verwendet. Diese sowie deren Parametrisierung werden in der folgenden Prozessbeschreibung vorgestellt.
Abbildung 4.1:
Entwickeltes Aspen Plus Modell zur Biomassevergasung [SCHULZE 2008], S. 54
Die getrocknete Biomasse wird zusammen mit Wasserdampf in den Mixer, MBMSTM (Mixer Biomass Steam) geführt. In diesem werden die Stoffströme vereinigt und die Zusammensetzung sowie die Eigenschaften des resultierenden Ouputstroms bestimmt. Der eingehende Biomassenstrom, SBMIN (Stream Biomass In), beträgt 1 kg/s. Er weist eine Temperatur von 103 °C und den Umgebungsdruck von 1,013 bar auf. Vom Wasserdampfmassenstrom, SSTMIN (Stream Steam In), werden 0,18 kg/s mit einer Temperatur von 315 °C sowie einem Druck von 34,5 bar zugeführt. Aus der Zusammenführung resultiert ein Stoffstrom, SBMSTM (Stream Biomass Steam Mixed) mit einer Temperatur von 132 °C.
74
Fortan ist ein eine prozedurale und objektorientierte Programmiersprache.
124
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Die Vergasung wird durch zwei hintereinandergeschaltete Reaktoren beschrieben [DOE 1998]. Im ersten Reaktor (RDECOMP), einem RYield-Reaktor, erfolgt eine Aufspaltung der Biomasse aus dem eingehenden Massenstrom, SBMSTM, in ihre einzelnen Komponeneten.75 Die Aufspaltung der Biomasse erfodert einen hohen Energieeintrag, da die gesamte Bindungsenergie der Elemente in der Biomasse bei der Zerlegung aufgebracht werden muss. Der resultierde Outputstrom besteht ausschließlich aus Komponenten, die im Programm hinterlegt sind. So ist es möglich, die notwendigen Reaktionsgleichgewichte für die nachfolgende Vergasung zu bestimmen. [ASPEN PLUS 2001] Die Vergasung wird in einem RGIBBS Reaktor, RCOMBUST (Reaktor Combustion), modelliert. RGIBBS Reaktoren sind dadurch gekennzeichnet, dass sich in ihnen der Gleichgewichtszustand eines Reaktionsgemisches unter den gegebenen Prozessbedingungen einstellt, indem die Gibbs`sche Enthalpie der beteiligten Stoffe minimiert wird [ASPEN PLUS 2001]. Als Vergasungsmittel wird ein Sauerstoffmassenstrom (SO2IN) in Höhe von 0,35 kg/s genutzt. Die Reaktionen sowie die notwendigen Gleichgewichtkoeffizienten werden unter den gegebenen Prozessparametern (959,5 °C und 1,013 bar) automatisch vom Programm ermittelt. Die notwendige Leistung in Höhe von 9,3 MW wird zum einen durch einen Wärmestrom aus dem RYield-Reaktor zugeführt. Zum anderen findet eine Rückführung von ca. 1,3 MW aus einem nachgelagerten Wärmetauscher statt. Die durch den Wärmeverlust abgegebene Leistung beläuft sich auf 70 kW (HLOSS). Die Zusammensetzung des bei den beschriebenen Prozessbedingungen resultierenden Produktgasstroms 76 ist in Tabelle 4.3 angeführt. Tabelle 4.3: Zusammensetzung des Produktgasstroms
Verbindung
Stoffmengenanteil Masseanteil
CO
0,41597376
0,623224 0,03941554
H2
0,36557169
H2O
0,12687161
0,1222574
CO2
0,09102942
0,21426925
N2
0,00043843
0,00065693
H2S
0,0000740
0,00013494
CH4
0,0000376
0,0000322
COS
0,00000265
0,00000851
NH3 HCN C2H4
-7
6,88 · 10-7
-8
6,53 · 10-8
-11
1,48 · 10-10
7,56 · 10
4,52 · 10 9,87 · 10
75
Diese Unit Operation existiert in dieser Form im realen Prozess nicht. Eine Zerlegung in die einzelnen Komponenten ist jedoch für die Anwendung eines RGIBBS Reaktors im folgenden Schritt erforderlich.
76
Aufgrund der angenommenen Reaktionsgleichgewichte in dem RGIBBS-Reaktor sind in dem Produktgasstrom keine Teere enthalten.
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
125
Im Anschluss an die Vergasung findet eine zweistufige Abkühlung des Produktgasstroms in zwei hintereinander geschalteten Wärmetauschern statt. Hierbei erfolgt im ersten Wärmetauscher (HX1) eine Abkühlung auf 518 °C, wobei die frei werdende Energie in Form von Wärme an den vorgelagerten Reaktor zurückgeführt wird. In dem zweiten Wärmetauscher wird der Produktgasstrom weiter auf 304 °C abgekühlt. Die dabei freiwerdende Leistung in Höhe von 0,57 MW (HCOOL2) wird einem anderen Prozessschritt im Verfahren außerhalb der hier betrachteten Systemgrenze zugeführt. Abschließend ist ein Kondensator (FCONDENS) zur Abscheidung von Teeren und Wasser aus dem Produktgasstrom vorgesehen. Da in dem RGIBBS-Reaktor die Gleichgewichtszustände erreicht werden, enthält das Produktgas keine Teere. So wird an dieser Stelle lediglich das Wasser (SWATER) abgeschieden. Desweiteren wird eine Leistung in Höhe von 0,11 kW (HFLASH) abgegeben. Der resultierende Gasstrom (SRAWGAS) weist ein Verhältnis von H2 zu CO von 0,88 auf. Dieser Wert liegt in dem in der Literatur beschriebenen Bereich (vgl. z.B. [HAMELINCK 2004], [DOE 1998]). Zudem wird das Modell mit Hilfe eines weiteren Plausibilitätstests validiert. Zur Ermittlung der Energiedichte des resultierenden Gases wird dieses in einem fiktiven Prozessschritt verbrannt. Hierbei wird das Gas zunächst in einem Wärmetauscher auf eine Temperatur von 20 °C abgekühlt. Im Anschluss wird das Gas unter Sauerstoffzufuhr in einem Reaktor verbrannt. Bei dieser Verbrennung werden über 17 MJ Wärme pro eingesetztem Kilogramm Biomasse gewonnen, was einer Energiedichte des Gases von 12 MJ/kg entspricht. Zum Vergleich wird von Boerrigter et al. [BOERRIGTER ET AL. 2002] für das Gas eine Energiedichte von 12,15 MJ/kg angegeben. Im folgenden Abschnitt werden die Auswirkungen von Änderungen einzelner Prozessparameter untersucht. Dies erfolgt mit dem Ziel, die nichtlinearen substitutionalen Beziehungen von Prozessparametern zu veranschaulichen. 4.1.2
Simulationsergebnisse
Nachstehend werden ausgewählte Simulationsergebnisse vorgestellt. Zum einen wird am Beispiel der Reaktortemperatur exemplarisch der Einfluss dieses einstellbaren Prozessparameters auf die Produktgasstromzusammensetzung dargestellt. Zum anderen werden die Einflüsse von Inputstoffströmen auf die Produktgasstromzusammensetzung aufgezeigt. 77 Die gewählte Reaktortemperatur des RCOMBUST hat einen wesentlichen Einfluss auf die anteilige Zusammensetzung des Produktgasstroms (vgl. Abbildung 4.2). Es ist zu erkennen, dass mit steigender Reaktortemperatur die Mengenanteile von Methan und Kohlenstoffdioxid abnehmen, wohingegen die Mengenanteile von Wasser sowie Kohlenstoffmonoxid steigen. Der Wasserstoffmengenanteil steigt bis zu einer Reaktortemperatur von ca. 800 °C an und nimmt mit darüber hinaus steigenden Temperaturen wieder ab. Soll das aus der Vergasung 77
Weitere Ergebnisse sind in [SCHULZE 2008] dargestellt.
126
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
resultierende Produktgas später einer Fischer-Tropsch-Synthese zugeführt werden, sind hohe Stoffmengenanteile von Kohlenstoffmonoxid und von Wasserstoff vorteilhaft. Das Verhältnis der beiden Mengenanteile zueinander spielt eine untergeordnete Rolle [BOERRIGTER ET AL. 2002].
Stoffmengenanteil
1
CH4 CO2
0,8
H2O
0,6
H2
0,4 0,2
CO
0 619
635
651
670
696
745
959 1305 1678 2059 2433
Reaktortemperaturin oC
Abbildung 4.2:
Stoffmengenanteile des Produktstroms in Abhängigkeit der Reaktortemperatur [SCHULZE 2008]
In Abbildung 4.3 sind die Stoffmengenanteile von Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid bei einer Reaktortemperatur von 959,5 °C über den Inputmassenströmen aufgetragen. Die zugeführten Massen pro Zeit werden in einem konstanten Verhältnis für Wasserdampf, Biomasse und Sauerstoff erhöht. In dem Bereich geringer Inputmassenströme steigt zunächst der Anteil der Komponenten am Produktgasstrom an. In diesem Bereich ist die Sauerstoffzufuhr die limitierende Größe. Durch die geringe Zufuhr der Inputmassenströme treten Wärmeverluste im Reaktor auf. Mit steigenden Inputmassenströmen stellt sich ein konstanter Stoffmengenanteil der beiden Komponenten im Produktgas von ca. 0,78 ein. Innerhalb dieses gemeinsamen Anteils ist eine leichte Verschiebung zugunsten des Wasserstoffs erkennbar.
Planungsansatz zur Neetzwerkgestalttung
Abbildunng 4.3:
127
Stofffmengenanteille von CO undd H2 in Abhän ngigkeit der Innputmassenstrröme [SCHULZZE 2008]
Besteheende substtitutionale Beziehunggen zwiscchen Einsaatzstoffen werden ebenfalls e untersuccht. Hierzu werden derr Massenstrrom des Waasserdampfss im Bereicch von 0,02 kg/s bis 0,37 kgg/s sowie deer Massensttrom des Saauerstoffs im m Bereich 0,2 0 kg/s bis 0,45 kg/s bei b einer konstannten Biomasssezufuhr voon 1 kg/s variiert. v Unttersucht wirrd wiederum m die Änderrung des Stoffmeengenanteilss von Wassserstoff unnd Kohlensstoffmonoxxid am Prooduktgasstro om. Die Ergebniisse sind inn Abbildungg 4.4 dargesstellt. In dieeser Abbilddung ist zu erkennen, dass der Stoffmeengenanteil des Kohlennstoffmonoxxids insbesondere starrk durch den Massensttrom des Wasserddampfs beeeinflusst wiird. Mit sinnkender Waasserdampfzzufuhr steiggt der Kohlenstoffmonoxidanteil. Ebbenfalls steeigt der Kohlenstoffm K monoxidantteil mit einnem zuneh hmenden Sauerstooffmassensttrom. Der Stoffmengeenanteil dess Wasserstooffs wird hhingegen vo or allem durch die d Sauerstooffzufuhr beeeinflusst. Ein E hoher Sttoffmengennanteil an W Wasserstoff wird bei einem Sauerstoffm S massenstrom m in dem Bereich B zwischen 3,1 kg/s k und 3,,5 kg/s erziielt. Der Einflusss des Wasseerdampfs istt vergleichssweise gerin ng.
Plaanungsansatz zzur Netzwerkg gestaltung
128
Abbildunng 4.4:
Stofffmengenanteille von CO und u H2 in Abhängigkeit A des Wasserdampf- und SauerstoffMasssenstroms (vgl. [SCHULZE 2008]) 2
Die hierr exemplariisch dargesttellte techniische Modelllierung stellt ein weseentliches Insstrument zur Bestimmung der Stoff- und Energgiebilanzen n von in der d Entwickklung befin ndlichen B verfahreenstechnischhen Prozesssen dar. Füür Produktiionsprozesse von synthhetischen Biokraftstoffen können mitt Hilfe vonn Simulationnsstudien gu ute Einstelllungen von Prozessparrametern bestimm mt und für diese d Param metereinstelllungen die resultierend r den Stoff- uund Energieb bilanzen einzelneer Unit Opeerations erm mittelt werdden. Im folg genden Abscchnitt wird nun unter anderem a die Inteegration derr in solchenn Simulatioonsstudien ermittelten e Stoff- und Energiebilaanzen in die beetriebswirtscchaftliche Modellieruung und Bewertungg von Produktionsprrozessen aufgezeeigt. 4.2
Betriebswirttschaftlichee Modellierrung und Bewertung B d Produk der ktionsprozeesse für kgestaltungg diie Netzwerk
Die Komplexität der d verfahreenstechnischhen Modellle der Produuktionsprozzesse überstteigt das men der strattegischen Netzwerkges N staltung bei weitem. handhabbbare Kompplexitätsmaß im Rahm Vor dieesem Hinterrgrund wirdd eine weniger kompleexe Modelliierungsform m vorgestelllt, die es dennochh erlaubt, die Prozesse in einnem geeign neten Detaiillierungsgrrad abzubillden. In Abschnnitt 2.5 wurrden spezielll die Produuktionsprozzesse betrefffenden Anforderungen n an die Gestaltuung von Produktions P snetzwerkenn für synth hetische Biokraftstoff B fe dargesteellt. Zur Erreichuung der Annforderungen wird zunächst eine Modularisie M erung der P Produktionsp prozesse beschrieeben. Die Ermittlung E d monetärren Charaktteristika dieeser Module wird dann der n in den anschlieeßenden Abbschnitten beschrieben. 4.2.1
M Modularisi ierung der Produktion P sprozesse
Im Folggenden wirrd aufgezeiigt, wie duurch die Bildung vonn Modulen im Rahmeen einer Modulaarisierung der Produuktionsprozzesse die Vorausetzzungen geeschaffen werden,
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
129
nachfolgende Anforderungen an einen Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe (vgl. Abschnitt 2.5) zu erreichen:
Die Berücksichtigung sowohl zentraler als auch dezentraler Anlagenkonzepte,
Die Berücksichtigung von Größendegressionseffekten, die in zentralen Anlagen sowie in Anlagen mit großer Kapazität erzielt werden können, und
eine geeignete Berücksichtigung der Transformationsvorgänge von Stoffen und Energie.
Die Anforderung in einem Produktionsnetzwerk sowohl zentrale als auch dezentrale Anlagenkonzepte zu berücksichtigen wird in bestehenden Modellen zur Netzwerkplanung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen nicht erfüllt (vgl. Abschnitt 3.2.3.2). Somit können bislang nicht die Vorteile dezentraler Anlagenkonzepte (die Reduktion von Transporten voluminöser Biomassen) und zentraler Anlagenkonzepte (die Nutzung von Größendegressionseffekten) in einem Produktionsnetzwerk kombiniert werden. Um dies zukünftig durch den zu entwickelnden Planungsansatz zu ermöglichen, werden die Produktionsprozesse zunächst in Module gegliedert. Diese Modulbildung wird am Beispiel des Produktionsprozesses nach dem Forschungszentrum Karlsruhe beschrieben (vgl. Abbildung 4.5). In einem ersten Schritt wird der Produktionsprozess einer technischen Analyse unterzogen. Ziel einer derartigen Analyse ist es, mögliche Entkopplungspunkte (EP) im Prozess zu identifizieren. Ein Entkopplungspunkt liegt vor, wenn aus einem Prozessschritt ein transport- und lagerfähiges Produkt hervorgeht. Die Verfahrensschritte, zwischen denen kein Entkopplungspunkt vorliegt, werden dann zu Modulen zusammengefasst. Zentrale Anlagenkonzepte bestehen somit lediglich aus einem einzigen Modul. ProduktionsverfahrennachdemKonzeptdesFZK Biomasse
SyngasͲ Erzeugung
Pyrolyse
GaskondiͲ tionierung
Synthese
Raffination
syn.Biokraftstoff
IdentifikationvonEntkopplungspunktendurchverfahrenstechnischeAnalyse Biomasse
Pyrolyse
EP
SyngasͲ Erzeugung
GaskondiͲ tionierung
Synthese
Raffination
syn.Biokraftstoff
Modulbildung Biomasse
Abbildung 4.5:
ModulA
EP
ModulB
syn.Biokraftstoff
Modularisierung der Produktionsprozesse
Im ersten Verfahrensschritt, der Pyrolyse, wird die zerkleinerte Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff erhitzt und so durch den Abbau chemischer Verbindungen und Kondensation
130
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
ein fest-flüssiges Stoffgemisch produziert, sogenannter Slurry. Der Slurry wird im nachfolgenden Verfahrensschritt unter Zugabe eines Vergasungsmittels durch eine partielle Oxidation in ein Produktgas umgewandelt. Im Anschluss erfolgt eine Reinigung dieses Produktgases von Schwefel-, Stickstoff- und Halogenverbindungen sowie Alkalien, Teeren und Partikeln. Im Verfahrensschritt der Synthese werden dann aus dem gereinigten Produktgas an einem Katalysator Kohlenwasserstoffketten aufgebaut. Diese heterogenen Ketten werden abschließend dem Verfahrensschritt der Raffination zugeführt (vgl. Abschnitt 2.4). In dem betrachteten Verfahren kann ein Entkopplungspunkt nach dem Verfahrensschritt der Pyrolyse identifiziert werden, in dem der Slurry produziert wird [HENRICH/ DINJUS 2004]. Diese Bildung von Modulen erlaubt es somit, grundsätzlich dezentrale Anlagenkonzepte (bestehend aus mindestens zwei Modulen) als auch zentrale Anlagenkonzepte (ein Modul), in einem Modell zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe zu berücksichtigen. Um desweiteren Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Größendegressionseffekten sowie eine geeignete Berücksichtigung der Stoff- und Energietransformationen zu schaffen, müssen den Modulen jedoch weitere Eigenschaften zugewiesen werden. Größendegressionseffekte können berücksichtigt werden, indem den einzelnen Modulen jeweils unterschiedliche Kapazitätsklassen zugewiesen werden. Ein Modul einer bestimmten Kapazitätsklasse ist dann durch eine obere Kapazitätsgrenze definiert, die sich auf die Aufnahme von Inputstoffen bezieht. Die Kapazitätseinheit eines Moduls kann individuell und in Abhängigkeit der Inputstoffe gewählt werden. Da in der Regel verschiedene Stoffe als Input für ein Modul herangezogen werden können, ist eine ausschließliche Berücksichtigung der Massenströme gegebenenfalls nicht ausreichend. Die Eigenschaften der verschiedenen Stoffe variieren mitunter stark, so zum Beispiel hinsichtlich des Feuchtigkeitsgehalts oder der Energiedichte. In Abhängigkeit der potenziellen Inputstoffe ist daher für jedes Modul das begrenzende Kapazitätsmaß zu identifizieren, beispielsweise die Energiedichte oder das Volumen. Die Umrechnung des eingehenden Massenstroms in das gewählte Kapazitätsmaß eines Moduls wird in der Modellierung durch einen Kapazitätseinheitskoeffizienten beschrieben.
Eine Berücksichtigung der in den Modulen ablaufenden Stoff- und Energietransformationen erfolgt in zweierlei Hinsicht. Zum einen hat eine Beschreibung der physischen Transformationsvorgänge zu erfolgen. Zum anderen müssen diese Transformationsvorgänge für die Netzwerkgestaltung bewertet werden. Die Beschreibung der physischen Transformationsvorgänge erfolgt über Transformationsfunktionen. Diese Transformationsfunktionen beschreiben die Umwandlung von eingehenden Stoffen in ausgehende Stoffe durch stoffspezifische Transformationskoeffizienten. Dabei werden ausschließlich die Ausbeuten der Stoffe, die direkt in den synthetischen Kraftstoff eingehen, betrachtet. Der Wert der Transformationskoeffizienten kann direkt aus den Massenbilanzen der technischen Simulationsmodelle abgeleitet werden. Er wird entsprechend modulspezifisch sowie in Abhängigkeit der Kapazität festgelegt. Energie, Kuppelprodukte sowie Betriebs- und Hilfsstoffe werden hingegen indirekt im Rahmen der Bewertung der Module berücksichtigt.
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
131
Die Bewertung der Module gliedert sich in die Bewertung der installierten Anlagen (im Folgenden auch als Produktionstechnologien bezeichnet), in denen die Produktion von Zwischenprodukten und synthetischen Biokraftstoffen abläuft, und in die Bewertung der Produktion in diesen Anlagen. Die Produktionstechnologien werden anhand der erforderlichen Investitionen für die Errichtung der Produktionsanlagen bzw. der einzelnen Module bewertet, wie nachfolgend in Abschnitt 4.2.2 beschrieben wird. In Abschnitt 4.2.3 wird anschließend die Bewertung der Produktion in diesen Anlagen durch betriebsbedingte Zahlungen darstellten. 4.2.2
Investitionen der Produktionstechnologien
Zur Schätzung der für die Errichtung und Inbetriebnahme der Module erforderlichen Investitionen stehen verschiedene Verfahren für Anlagen in der Prozessindustrie zur Verfügung. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der erforderlichen Datengrundlage und der Genauigkeit der Schätzwerte. Die Verfahren können in drei Klassen eingeteilt werden:
In summarischen Verfahren der Vorkalkulation erfolgt die Schätzung von Investitionen aggregiert für die gesamte Anlage bzw. das gesamte Investitionsprojekt. Hierfür können Umschlagkoeffizienten 78 des Anlagekapitals oder spezifische Kapitalbedarfskennzahlen eingesetzt werden. [PETERS ET AL. 2002] Die Umschlagkoeffizienten werden als Quotient aus dem erwarteten Jahresumsatz und der Investition gebildet. Mit spezifischen Kapitalbedarfsziffern werden zeitliche, kapazitätsabhängige und standortabhängige Einflüsse auf die Investition berücksichtigt. Veränderungen des Preisniveaus über die Zeit können mit Hilfe von Preisindizes 79 beschrieben werden. Der Einfluss der Kapazität kann in Form von Größendegressionseffekten berücksichtigt werden. Zudem können standortspezifische Indizes angewendet werden.
Mit Faktormethoden wird im Vergleich zu den summarischen Verfahren der Vorkalkulation ein höherer Genauigkeitsanspruch verfolgt, indem technische Merkmale der Produktionstechnologien Berücksichtigung finden. So wird ein Teil der Investitionspositionen (in der Regel Apparate und Maschinen) detailliert vorkalkuliert, während weitere Positionen über empirisch ermittelte Zuschlagsfaktoren in die Schätzung einbezogen werden. Die verschiedenen Methoden unterscheiden sich hinsichtlich der Differenzierung der Zuschlagsfaktoren. Wenig differenzierte Faktoren, sogenannte globale Zuschlagsfaktoren, werden beispielsweise von Lang [LANG 1948] in Abhängigkeit der Aggregatzustände der Stoffe im Prozess
78
Im Englischen als „turn-over ratio“ bezeichnet
79
In Deutschland wird beispielsweise vierteljährlich der CT-Index für Chemieanlagen von der Zeitschrift „Chemie Technik“ herausgegeben. Dieser wird nach einer von Kölbel und Schulze entwickelten Methode berechnet. Er umfasst die Positionen: Apparate und Maschinen, Rohrleitungen und Armaturen, MSREinrichtungen, Isolierung und Anstrich, Elektrotechnische Ausrüstung, Bauteilkosten sowie Planungskosten. Aus der Gewichtung der Einzelpositionen resultiert ein Index für die Preisentwicklung von gesamten Chemieanlagen.
132
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
vorgeschlagen. In Block-/Modulmethoden werden Zuschlagsfaktoren auf Grundlage von Prozessparametern einzelner funktionaler Einheiten festgelegt [ULLRICH 1983], [STALLWORTHY 1970], [ZEVNIK/ BUCHANAN 1963]. Mit stärker differenzierten Zuschlagsfaktoren wird in den Methoden nach Guthrie und Grace [GUTHRIE/ GRACE 1967] sowie nach Peters et al. [PETERS ET AL. 2002], [PETERS/ TIMMERHAUS 1991] gearbeitet.
Die detaillierte Einzelermittlung erfordert eine Ermittlung sämtlicher Positionen und geht entsprechend mit einem sehr hohen Aufwand einher.
Ein Vergleich der erzielbaren Genauigkeiten der vorgestellten Verfahrensgruppen zur Schätzung von Investitionen ist in Abbildung 4.6 dargestellt. Die Auswahl eines Verfahrens für die Modellierung der Investitionen von Produktionsmodulen zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe orientiert sich an der verfügbaren Datenbasis. Summarische Verfahren
Faktormethoden
Detaillierte Einzelermittlung
Fehlerbreite + 30% + 20% + 10% + 5% 0% - 5% - 10%
Zunahme von Qualität und Umfang der Datenbasis
- 20% - 30%
Abbildung 4.6:
Genauigkeit der Ergebnisse verschiedener Gruppen von Verfahren zur Investitionsschätzung (in Anlehnung an [PETERS/ TIMMERHAUS 1991], S. 161)
Eine detaillierte Einzelermittlung der Investitionen kann in der vorliegenden Arbeit nicht erfolgen, da kurzfristig noch keine konkreten Bauvorhaben für großtechnische Anlagen zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe anstehen. Somit stehen keine Baupläne zur Verfügung, anhand derer sämtliche Einzelpositionen ermittelt werden können. Die in den bislang entwickelten Verfahren zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe benötigten Apparate und Maschinen sind jedoch bekannt. Für eine Vielzahl der Apparate liegen bereits Daten und Erfahrungswerte aus der Vergangenheit vor, wie für FischerTropsch-Reaktoren. Andere neu entwickelte Apparate, zum Beispiel Vergasungsreaktoren, existieren bislang erst im Labormaßstab oder sind in Pilotanlagen im Einsatz. Daten zu diesen neuen Apparaten liegen demnach nicht für den großindustriellen Maßstab vor. Um dennoch
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
133
im Rahmen der Investitionsschätzung eine möglichst hohe Genauigkeit zu erzielen, wird im Folgenden ein zweistufiges Vorgehen angewendet. In diesem finden sowohl spezifische Kapitalbedarfsziffern als auch differenzierte Zuschlagsfaktoren Anwendung. In der ersten Stufe erfolgt die Schätzung der Einzelinvestitionen von Apparaten und Maschinen. Sofern keine Angebote von Ausrüstungsherstellern vorliegen, werden bekannte Daten zu Apparaten und Maschinen aus der Vergangenheit genutzt. Die Preisentwicklung wird durch den Einsatz von Preisindizes berücksichtigt. Zudem können Daten zu Apparaten und Maschinen anderer Kapazitäten (z.B. aus Pilotanlagen) genutzt werden, um Größendegressionseffekte zu berücksichtigen. In der zweiten Stufe werden differenzierte Zuschlagsfaktoren nach Peters et al. [PETERS ET AL. 2002] in die Ermittlung einbezogen. Das Vorgehen zur Modellierung der Investitionen wird im Folgenden detailliert beschrieben. 4.2.2.1 Schätzungen von Investitionen der Hauptkomponenten Zeitliche Änderungen des Preisniveaus von Investitionsgütern sind neben der Entwicklung von Angebot und Nachfrage am Markt im Wesentlichen auf Änderungen der Materialpreise sowie des Lohnniveaus zurückzuführen. Sie können durch zeitbasierte Preisindizes beschrieben werden. Für die Prozessindustrie wurden verschiedene anwendungsspezifische Preisindizes entwickelt, zum Beispiel die Marshall and Swift Equipment Cost Indizes 80 , der Engineering News-Record Construction Cost Index 81 , der Nelson-Farrar Refinery Construction Cost Index 82 , der CT-Index für Chemieanlagen79 nach Kölbel und Schulze sowie der Chemical Engineering Plant Cost Index83 . In diesen Preisindizes werden anteilig Preisentwicklungen in verschiedenen Bestandteilen der Gesamtinvestition von Anlagen berücksichtigt. Für die Schätzung der Investitionen von Ausrüstungskomponenten in Chemieanlagen wird von Peters et al. [PETERS ET AL. 2002] der Chemical Engineering Plant Cost Index empfohlen und entsprechend in dieser Arbeit genutzt. Die Bestandteile und anteilige Zusammensetzung des Chemical Engineering Plant Cost Index sind in Tabelle 4.4 dargestellt. Zur Schätzung einzelner Apparate oder Maschinen sollten die spezifischen Indizes der betroffenen Bestandteile genutzt werden, wie der spezifische Index für die „gefertigte Ausrüstung“.
80
Die Marshall and Swift Equipment Cost Indizes werden in der Zeitschrift Chemical Engineering monatlich veröffentlicht. Eine Beschreibung findet sich beispielsweise in [PETERS/ TIMMERHAUS 1991].
81
Der Engineering News-Record Construction Cost Index erscheint wöchentlich in der Zeitschrift Engineering News Record.
82
Der Nelson-Farrar Refinery Construction Cost Index ist speziell für die Petroleum Industrie entwickelt worden und wird monatlich im Oil and Gas Journal veröffentlicht.
83
Der Chemical Engineering Plant Cost Index wird ebenfalls monatlich in der Zeitschrift Chemical Engineering veröffentlicht.
134
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Tabelle 4.4: Bestandteile und Zusammensetzung des Chemical Engineering Plant Cost Index (vgl. [PETERS/ TIMMERHAUS 1991])
Bestandteile
Prozentuale Anteile
Apparate und Maschinen
61
Prozentuale Anteile bezogen auf Apparate und Maschinen
Gefertigte Ausrüstung
37
Prozess Ausrüstung
14
Rohrleitungen und Armaturen
20
Mess-, Steuer- und Regelungstechnik
7
Pumpen und Kompressoren
7
Elektrische Einrichtungen
5
Bauliche Maßnahmen, Isolation und Anstrich
10
Summe
100
Montage und Installation
22
Bauwerke, Materialien und Arbeit
7
Engineering und Überwachung
10
Summe
100
Auf Grundlage einer Referenzinvestition ݖ݊݁ݎ݂ܴ݁݁ݐݏ݁ݒ݊ܫeines Apparats oder einer Maschine sowie des zum Zeitpunkt der Beschaffung und des aktuellen Preisindex (ݔ݁݀݊ܫோ௭ bzw. ݔ݁݀݊ܫ௧௨ ) kann die aktuelle Investition ݐݏ݁ݒ݊ܫ௧௨ wie folgt bestimmt werden [PETERS ET AL. 2002]: ݐݏ݁ݒ݊ܫ௧௨ ሾ€ሿ ൌ ݐݏ݁ݒ݊ܫோ௭ ሾ€ሿ ȉ ቆ
ݔ݁݀݊ܫ௧௨ ቇ ݔ݁݀݊ܫோ௭
(4.1)
Eine weitere Art der Investitionsschätzung nutzt Informationen zu Investitionen von Ausrüstungskomponenten (Apparate oder Maschinen) ähnlicher Bauart, die jedoch in einer anderen Kapazität vorliegen. Die Größendegressionseffekte bezüglich der Investitionen werden durch einen Größendegressionsexponenten beschrieben. In der einschlägigen Literatur sind für eine Vielzahl von Apparaten und Maschinen spezifische Größendegressionsexponenten gegeben. Zum Beispiel führen Peters und Timmerhaus [PETERS/ TIMMERHAUS 1991] und Hamelinck et al. [HAMELINCK ET AL. 2005b], [HAMELINCK ET AL. 2004] Größendegressionsexponenten speziell für Ausrüstungskomponenten von Produktionsprozessen zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe an. Die Größendegressionsexponenten werden wie folgt angewendet: ఎ
ݐݏ݁ݒ݊ܫȀெ ൌ ݐݏ݁ݒ݊ܫோ௭ ȉ ቆ
ܽܭȀெ ቇ ܽܭோ௭
(4.2)
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
135
ݐݏ݁ݒ݊ܫȀெ
Investition für einen Apparat oder eine Maschine in [Geldeinheit]
ݐݏ݁ݒ݊ܫோ௭
Investition für eine Referenzkomponente in [Geldeinheit]
ܽܭȀெ
Kapazität eines Apparats oder einer Maschine in [Energie/Zeit] oder [Masse/Zeit]
ܽܭோ௭
Kapazität der Referenzkomponente in [Energie/Zeit] oder [Masse/Zeit]
ߟ
Größendegressionsexponent
Ausgehend von den so ermittelten Einzelinvestitionen können desweiteren die Investitionen für installierte Apparate und Maschinen mit Hilfe von Installationsfaktoren ermittelt werden. Diese aggregatspezifischen Faktoren sind für die vorliegende Problemstellung beispielsweise in [HAMELINCK ET AL. 2005b] und [HAMELINCK ET AL. 2004] zu finden. Ausgehend von der Summe der Einzelinvestitionen für Apparate und Maschinen kann mit Hilfe von Zuschlagsfaktoren die Gesamtinvestition abgeschätzt werden. Die gewählten Zuschlagsfaktoren werden im nachfolgenden Abschnitt beschrieben. 4.2.2.2 Zuschlagsfaktoren zur Bestimmung der Gesamtinvestition Die Zuschlagsfaktoren zur Bestimmung der Gesamtinvestition werden nach Peters et al. [PETERS ET AL. 2002], [PETERS/ TIMMERHAUS 1991] ermittelt. Von den Autoren werden empirische Erkenntnisse unterschiedlicher Studien zur Zusammensetzung der Investitionen von Produktionsanlagen in der Prozessindustrie zusammengefasst. 84 Die Investitionen werden hier in das Anlagekapital und das Betriebskapital gegliedert. Das Anlagekapital besteht wiederrum aus direkten und indirekten Investitionen. Eine Zuordnung der einzelnen Positionen in diese Struktur erfolgt in Tabelle 4.5. In der Tabelle sind weiterhin die Spannen der Anteile dieser Positionen an der Gesamtinvestition gegeben. Nach Peters et al. [PETERS ET AL. 2002] werden die Werte innerhalb dieser empirisch ermittelten Spannen für einen Prozess, in dem sowohl feste als auch flüssige Stoffe auftreten, festgelegt und in zwei Schritten auf den Anteil der installierten Apparate und Maschinen normiert. 85 Durch den Einsatz der spezifischen Kapitalbedarfsziffern können Investitionen für installierte Apparate und Maschinen ermittelt werden (vgl. hierzu z.B. [HAMELINCK ET AL. 2004], [HAMELINCK ET AL. 2003]). Vor diesem Hintergrund sind in der Tabelle desweiteren die Anteile der Investitionspositionen bezogen auf die installierten Apparate und Maschinen angegeben.
84
Die Autoren Peters und Timmerhaus beziehen sich auf Arbeiten von [OSTWALD 1988], [PERRY/ GREEN 1984], [ULRICH 1984], [SINNOTT 1983], [BAASEL 1976], [ALLEN/ PAGE 1975], [GUTHRIE 1974] und [BAUMANN 1964].
85
Der genutzte Wert des Prozentsatzes innerhalb der empirisch ermittelten Spannen wird von den Autoren bei der Festlegung der Anteile für Solid-Fluid Prozesse bezogen auf Hauptkomponenten nicht angegeben.
136
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Tabelle 4.5: Zuschlagsfaktoren zur Ermittlung der Investitionen der Produktionsmodule in [%] (in Anlehnung an [PETERS ET AL. 2002] sowie [BEIERMANN 2009])
Position
Empirisch ermittelte Spanne der Anteile
Anteile für Solid- Anteile bezogen auf installierte HauptFluid Prozesse komponenten bezogen auf Hauptkomponenten
Direkte Investitionen Apparate und Maschinen
15 - 40
100
Installation der Apparate und Maschinen
6 - 14
39
Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (installiert)
2-8
26
19
100
Rohrleitungen (installiert)
3 - 20
31
22
Elektrik (installiert)
2 -10
10
7
Bauwerke
3 -18
39
28
Geländeerschließung
2-5
12
9
Betriebseinrichtungen u. Nebenanlagen
8 - 20
55
40
Land
1-2
4 86
3
Zuschlagsfaktor direkte Investitionen
227
Indirekte Investitionen Engineering und Überwachung
4 - 21
32
23
Bauleitung
4 - 16
34
25
4
3
Genehmigungsverfahren Gebühren für Auftragnehmer
2-6
19
14
Unvorhergesehenes
5 - 15
37
27
Zuschlagsfaktor indirekte Investitionen
91
Zuschlagsfaktor Anlagekapital
318
Zuschlagsfaktor Betriebskapital
Zuschlagsfaktor Gesamtinvestition
15 % der Gesamtinvestition
78
56
520
374
Mit dem ermittelten Zuschlagsfaktor von 3,74 bzw. 374 % kann die Gesamtinvestition einer Anlage zur Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen aus dem Produkt dieses Faktors und der Summe der Einzelinvestitionen für die installierten Apparate und Maschinen bestimmt werden. Im folgenden Abschnitt wird die Modellierung der betriebsbedingten Zahlungen beschrieben. 86
Nach [BEIERMANN 2009]
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
4.2.3
137
Modellierung der betriebsbedingten Zahlungen
Zahlungen für den Betrieb von Produktionsanlagen können in einen fixen Anteil und einen kapazitätsauslastungsabhängigen Anteil gegliedert werden. 4.2.3.1 Fixe betriebsbedingte Zahlungen Die fixen betriebsbedingten Zahlungen umfassen Zahlungen für Versicherungen, lokale Steuern sowie für Instandhaltung. Eine Schätzung der Höhe dieser Zahlungen kann für neue Produktionsanlagen über Faktoren bezogen auf das Anlagekapital der Investition erfolgen [PETERS ET AL. 2002]. Die Festlegung der Faktoren orientiert sich an in der einschlägigen Literatur dargestellten Erfahrungswerten. Deren Wertebereiche und Ausprägungen für die vorliegende Problemstellung werden nachstehend beschrieben. Die Höhe der jährlichen Zahlungen für Versicherungen liegt für Chemieanlagen zwischen 0,4 % und 1 % des Anlagekapitals [BEIERMANN 2009]. In dieser Arbeit werden in Anlehnung an Beiermann [BEIERMANN 2009] 0,5 % berücksichtigt. Jährliche lokale Steuern liegen bei 1 % bis 4 % des Anlagekapitals [PETERS ET AL. 2002]. Da es sich bei den Produktionsprozessen zur Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen um eine grüne Technologie handelt, die mit einer gewissen Prestigewirkung für Kommunen einher geht, wird von Beiermann [BEIERMANN 2009] ein Wert von 2 % festgelegt. Zahlungen für Instandhaltung fallen für Löhne sowie Materialien an. In [PETERS ET AL. 2002] werden Spannen der Faktoren bezogen auf das Anlagekapital für unterschiedliche Formen von Prozessen angegeben (vgl. Tabelle 4.6). Dabei werden einfache, durchschnittliche und komplizierte verfahrenstechnische Prozesse unterschieden. Die Prozesse zur Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen sind den durchschnittlichen bis komplizierten Prozessbedingungen zuzuordnen [BEIERMANN 2009]. Vor diesem Hintergrund werden die Zahlungen für Instandhaltungen nach Beiermann [BEIERMANN 2009] mit 7 % des Anlagekapitals angenommen. 87
87
Die Höhe der Instandhaltungszahlungen kann desweiteren als Funktion der Kapazitätsauslastung beschrieben werden (vgl. hierzu [PETERS ET AL. 2002], S.268). In dieser Arbeit werden diese Änderungen aufgrund der strategischen Ausrichtung und der damit einhergehenden aggregierten Betrachtung von Nutzungszeiträumen vernachlässigt. Eine Planung von Betriebszuständen von errichteten Produktionsanlagen ist Gegenstand der taktischen Planung.
138
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Tabelle 4.6: Schätzungen von Zahlungen für die Instandhaltung [PETERS ET AL. 2002], S. 268
Jährliche Zahlungen für Instandhaltung als Anteil am Anlagekapital in [%] Art des Prozesses
Löhne
Material
Gesamt
Einfacher chemischer Prozess
1-3
1-3
2-6
Durchschnittlicher Prozess bei normalen Betriebsbedingungen
2-4
3-5
5-9
Komplizierter Prozess, extreme Prozessbedingungen und komplizierte Ausrüstung
3-5
4-6
7 - 11
Zusätzlich sind Betriebsmittel im Rahmen der Instandhaltung zu berücksichtigen. Diese sind noch nicht in den Materialen zur Instandhaltung enthalten, da sie nicht direkt, wie in Form von Ersatzteilen, zur eigentlichen Instandhaltung beitragen. Hierzu zählen zum Beispiel Testchemikalien, Schmierstoffe oder Tabellenwerke mit Richtwerten. Die Höhe der erforderlichen Zahlungen beläuft sich auf 15 % bezogen auf die Zahlungen der Instandhaltung. [PETERS ET AL. 2002] Die in dieser Arbeit berücksichtigten Faktoren zur Bestimmung der fixen betriebsbedingten Zahlungen werden in Tabelle 4.7 abschließend zusammengefasst. Tabelle 4.7: Schätzungen der betriebsbedingten fixen Zahlungen für Produktionsanlagen zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe
Berücksichtigte Bestandteile der betriebsbedingten fixen Zahlungen
Jährliche Zahlungen als Anteil am Anlagekapital in [%]
Versicherungen
0,5
Steuern
2
Instandhaltung einschließlich Betriebsmitteln
8,05
Gesamte betriebsbedingte fixe Zahlungen
10,55
4.2.3.2 Kapazitätsauslastungsabhängige Zahlungen Die von der Kapazitätsauslastung abhängigen Zahlungen beinhalten:
Ein- und Auszahlungen für den Verkauf bzw. die Entsorgung von Kuppelprodukten,
Ein- und Auszahlungen für Energie,
Zahlungen für Hilfs- und Betriebsstoffe,
Zahlungen für Personal,
Zahlungen für Overhead.
Ein- und Auszahlungen für Kuppelprodukte und Energie werden auf Grundlage der in verfahrenstechnischen Simulationsstudien ermittelten Stoff- und Energiebilanzen (aus [BEIERMANN 2009]) für die unterschiedlichen Kapazitätsklassen durch Bewertung mit
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
139
entsprechenden Verkaufs- und Einkaufspreisen ermittelt. Ebenfalls führt Beiermann [BEIERMANN 2009] dort eine Schätzung der Mengen an benötigten Hilfs- und Betriebsstoffen sowie der erforderlichen Kosten speziell für untersuchte Produktionstechnologien durch. 88 Das Personal wird im Rahmen der Schätzung in Betriebspersonal sowie Führungspersonal untergliedert. Die Zahlungen für Betriebspersonal werden nach Hamelinck et al. [HAMELINCK 89 ET AL. 2005b], [HAMELINCK ET AL. 2004] über einen Größendegressionsansatz bestimmt. Ausgangspunkt ist eine Referenzproduktionsanlage mit einer Kapazität von 400 MW, die 8000 h/a betrieben wird. Die Zahlungen für Betriebspersonal in der Referenzanlage belaufen sich auf 0,5 % des Anlagekapitals. Das Anlagekapital beträgt 286 Mio. €. Der Größendegressionsexponent wird mit 0,25 angenommen. In verfahrenstechnischen Anlagen tritt mit zunehmender Kapazität der Anlagen bezüglich des Personals ein sehr hoher Größendegressionseffekt ein. Dies ist insbesondere auf die umfangreichen Überwachungs- und Regeltätigkeiten zurückzuführen, die bei grundsätzlich gleicher Technologie kapazitätsunabhängigen Aufwand erfordern. Die Zahlungen für Führungspersonal sind wiederum durch einen Prozentsatz von den Zahlungen für das Betriebspersonal in Höhe von 15 % gegeben [PETERS ET AL. 2002]. Der zusätzliche Personalbedarf in dezentralen Anlagen zur Slurryproduktion wird insgesamt für jede einzelne Pyrolyseanlage auf 20 Personen festgesetzt [BEIERMANN 2009]. Desweiteren sind Gemeinkosten bezogen auf ein Jahr zu berücksichtigen. 90 Diese werden ebenfalls ausgehend von den Zahlungen für Betriebspersonal bestimmt. Peters und seine Koautoren [PETERS ET AL. 2002] geben hier eine Spanne von 15 - 25 % an. Dieser Wert wird für das vorliegende Planungsproblem mit 20 % nach Beiermann [BEIERMANN 2009] festgesetzt. In den vorangehenden Abschnitten werden die betriebswirtschaftliche Modellierung und Bewertung der Produktionsprozesse beschrieben. Hierzu werden die Produktionsprozesse zunächst in Module gegliedert, die jeweils in unterschiedlichen Kapazitäten existieren können. Mit Hilfe von verfahrenstechnischen Modellen werden für die einzelnen Module Transformationsfunktionen für die Stoffströme ermittelt, die in die synthetischen Biokraftstoffe münden. Eine Bewertung der Module erfolgt durch eine zweistufige Schätzung der erforderlichen Investitionen sowie durch eine Schätzung der betriebsbedingten Zahlungen der Module. Sowohl die Modellierung als auch die Bewertung der Module stellen wesentliche Voraussetzungen dafür dar, im zu entwickelnden Planungsansatz unterschiedliche Anlagenkonzepte, Größendegressionseffekte sowie bewertete Stoff- und Energieströme zu berücksichtigen. Im folgenden Abschnitt wird nun das Modell zur Technologie-, Kapazitäts88
Es werden folgende Kosten angesetzt: Elektrizität: 0,12 €/kWh; Wasser: 1,5 €/m3; Biodiesel: 0,79 €/l; Methanol: 295 €/Mg; Abwasser: 2 €/m3; Entsorgung von Asche und Schlacke aus dem Vergaser: 80 €/Mg.
89
Der Größendegressionsansatz wird in Gleichung (4.2) beschrieben.
90
An dieser Stelle werden Gemeinkosten und die für diese ursächlichen Zahlungen in der Planungsperiode von einem Jahr als deckungsgleich angenommen.
140
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
und Standortplanung entwickelt, in das die bewerteten Module als ein wesentlicher Bestandteil eingehen. 4.3
Modell zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung
Die Entwicklung des Modells zur integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung für Netzwerke zur Produktion von synthetischen Biokraftstoffen orientiert sich an dem formulierten Planungskonzept (vgl. Abschnitt 3.4). Die Grundlagen für die simultane Berücksichtigung zentraler und dezentraler Anlagenkonzepte und von Stoffumwandlungsprozessen wurden bereits in den vorangegangenen Abschnitten durch eine entsprechende Modellierung der Produktionsprozesse gelegt. Die Abbildung beliebiger Produktionsstrukturen, beispielsweise in Form von mehrstufigen dezentralen Anlagenkonzepten, aber auch von einstufigen Anlagenkonzepten, erfordert flexible Netzwerkstrukturen. Daher wird ein n-stufiges Netzwerk modelliert. Dynamische Effekte hinsichtlich des Biomasseangebots sowie der Kraftstoffnachfrage erfordern zeitliche Anpassungen der Produktionskapazitäten und damit gegebenenfalls Änderungen der Netzwerkstruktur sowie der Stoffflüsse im Zeitverlauf. Daher wird das Modell dynamisch bzw. mehrperiodig formuliert. Betrachtet wird ein Planungshorizont, der sich in einzelne Planungsperioden gliedert. In den einzelnen Perioden können Kapazitätsanpassungen entsprechend der Marktsituation erfolgen. Zunächst wird in diesem Abschnitt das Modell unter der Annahme einer deterministischen Entscheidungssituation beschrieben. Eine szenariobasierte Erweiterung zur Berücksichtigung von Unsicherheiten und der Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern wird in Abschnitt 4.4 vorgenommen. Für die Modellierung wird die folgende Notation zugrunde gelegt: Indexmengen: ܶ
Indexmenge der Perioden; ܶ א ݐ
ܳ
Indexmenge der Quellen; ܳ א ݍ
ܲ
Indexmenge der potenziellen Produktionsstandorte; ǡ ݊ǡ ܲ א
ܵ
Indexmenge der Senken; ܵ א ݏ
ܬ
Indexmenge aller Stoffe im Netzwerk; ܾǡ ݆ǡ ܿ ܬ א, ܬൌ ܬ௧ ܬ ௨
ܬ
௧
ܬ௨
Indexmenge aller (Input-)Stoffe, die weiterverarbeitet werden; ܾǡ ݆ ܬ א௧ ; ܬ௧ ܬ ك Indexmenge der produzierten synthetischen Kraftstoffe; ܿ ܬ א௨ ; ܬ௨ ܬ ك
ܯ
Indexmenge der Module; ݉ǡ ݄ǡ ݃ ܯ א
ܯ
Indexmenge der Module, die Inputstoff b verarbeiten können; ݉ǡ ݄ ܯ א, ܯ ܯ ك
ܭ
Indexmenge der Kapazitätsklassen; ݇ ܭ א
Parameter und Koeffizienten: ݀
Distanz zwischen Quelle q und Produktionsstandort p
݀
Distanz zwischen Produktionsstandort n und Produktionsstandort o
݀௦
Distanz zwischen Produktionsstandort p und Senke s
ݐܽܯ௧
verfügbare Masse des Stoffs b in Quelle q und in Periode t
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
141
݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧
Nachfrage nach synthetischem Biokraftstoff c in Senke s in Periode t
ߛ
Transformationskoeffizient des Moduls m der Kapazitätsklasse k, der die Transformation von Stoff b in den Stoff j beschreibt
ߝ
Kapazitätseinheitskoeffizient, der die Umwandlung einer Masseneinheit des Stoffs b in die Kapazitätseinheit des Moduls m beschreibt
݉ܽܽܿݔ
maximale Aufnahmekapazität des Moduls m der Kapazitätsklasse k
ܿ௧௦
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit des Stoffs b
ܿௗ
fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit des Stoffs b
௧
Zahlungen für den Kauf einer Masseneinheit des Stoffs b an Quelle q in Periode t
݁௧
Einzahlungen infolge des Verkaufs einer Masseneinheit des synthetischen Biokraftstoffs c in Periode t
௧
Strafzahlungen für den Zukauf einer Masseneinheit des synthetischen Biokraftstoffs c in Periode t
ܸܰܲ
Kapitalwert (net present value)
ܫ௧
Investitionen in Periode t
ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investition für Modul m der Kapazitätsklasse k
௧௪ ܥ௧ ௦௦ ܥ௧
Summe der stoffflussbedingten Zahlungen in Periode t Summe der prozessbedingten Zahlungen in Periode t
ݔ݅ܨ
betriebsbedingte fixe Zahlungen für Modul m der Kapazitätsklasse k
ܲܿݎ
Zahlungen für die Transformation einer Kapazitätseinheit von einem Inputstoff b in Modul m der Kapazitätsklasse k
݅
Kalkulationszinsfuß
Entscheidungsvariablen: ݔ௧
binäre Entscheidungsvariable, die den Wert 1 annimmt, wenn Modul m der Kapazitätsklasse k am Produktionsstandort p in Periode t errichtet wird, sonst 0
ݖ௧
Anzahl der Module m der Kapazitätsklasse k, die bis einschließlich Periode t am Produktionsstandort p errichtet wurden
ݓ௧
Anzahl der Module m der Kapazitätsklasse k, die am Produktionsstandort p in Periode t betrieben werden
௦௨ ݕ ௧
Masse des Stoffs b, die von der Quelle q zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t transportiert wird
௦௦
ݕ௧
Masse des Stoffs b, die in Modul m der Kapazitätsklasse k am Produktionsstandort p in Periode t verarbeitet wird
௧ ݕ ௧
Masse des Stoffs j, die in Modul g am Produktionsstandort n zum Modul h am Produktionsstandort o in Periode t transportiert wird
ௗ௩ ݕ௦௧
Masse des synthetischen Biokraftstoffs c, die von Modul m am Produktionsstandort p in Periode t zur Senke s transportiert wird
ݒ௦௧
Masse des extern bezogenen Biokraftstoffs c in Senke s in Periode t
Die modellierte Netzwerkstruktur umfasst die drei grundsätzlichen Bereiche eines potenziellen Netzwerks zur Produktion synthetischer Biokraftstoffe: Die Bereitstellung der
142
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung 91
Biomasse in den Quellen , die Herstellung der Kraftstoffe in errichteten Produktionsmodulen sowie die Nachfrage nach den produzierten Kraftstoffen in den Senken. Diese Netzwerkstruktur sowie ausgewählte Entscheidungsvariablen sind in Abbildung 4.7 dargestellt. Für alle Perioden t: Quelle q für den Stoff b
Potenzieller Produktionsstandort p, n, o für Modul m, h, g der Kapazitätsklasse k zur Verarbeitung von Stoff b, j
…
q=1
Senken s für syn. Biokraftstoff c
s=1
… …
…
…
q
… …
…
… q=d
s
s=r
Ausgewählte Entscheidungsvariablen: Strukturvariablen Transportierte Massen Transformierte Massen Masse der extern bezogenen syn. Biokraftstoffe
Abbildung 4.7:
4.3.1
Netzwerkmodellierung
Nebenbedingungen
Beschränkt werden der Netzwerkaufbau sowie die Allokation der Stoffflüsse durch verschiedene Restriktionen resultierend aus Kapazitätsbeschränkungen und Massenbilanzen für die einzelnen Netzwerkknoten. 4.3.1.1 Kapazitätsrestriktionen Die Quellen des Netzwerks sind durch ein dynamisches Angebot an Stoffen für die Produktion der synthetischen Biokraftstoffe gekennzeichnet. Mit Ungleichungen (4.3) wird sichergestellt, dass die in einer Periode t von einer Quelle q zum Modul m am Produktions௦௨ ) das vorhandene standort p transportierte Masse des weiterzuverarbeitenden Stoffs b (ݕ௧ Angebot (ݐܽܯ௧ ) an dieser Quelle nicht überschreitet.
91
In den Quellen können grundsätzlich auch Zwischenprodukte bereitgestellt werden.
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
௦௨ ݕ௧ ݐܽܯ௧
143
ܬ א ܾ ௧ Ǣ ܳ א ݍǢ ܶ א ݐ
(4.3)
אெ್ א
Produktionsseitig bestehen Restriktionen bezüglich der maximalen Aufnahmekapazitäten der Module in Abhängigkeit von der entsprechenden Kapazitätsklasse. Die Module sind, wie jegliche Produktionstechnologien, durch eine maximale Kapazität (݉ܽܽܿݔ ) charakterisiert. Die daraus resultierenden Beschränkungen für die eingesetzte Masse des zu ௦௦ transformierenden Stoffs (ݕ௧ ) sind in den nachstehenden Ungleichungen beschrieben. Die Umwandlung der Inputmasse in die entsprechende Kapazitätseinheit des Moduls wird durch den Kapazitätseinheitskoeffizienten ሺߝ ሻbeschrieben.
௦௦
ݕ௧ ȉ ߝ ݉ܽܽܿݔ ȉ ݓ௧
אೌೝೌ
ܯ א ݉ Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(4.4)
Ursächlich für den Aufbau der Produktionsmodule sowie für den Fluss von Stoffen in dem Netzwerk ist eine Nachfrage nach synthetischem Biokraftstoff c in den Senken s (݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧ ). Zum einen wird eine Nachfrage von den gesetzlichen Regulierungen bezüglich der Mindestanteile an Biokraftstoffen am Gesamtkraftstoffabsatz verursacht. Zum anderen wird die Nachfrage durch die Preise der synthetischen Biokraftstoffe und die Preise entsprechender Konkurrenzkraftstoffe am Markt beeinflusst. Einflüsse auf die Preise der synthetischen Biokraftstoffe haben die Rohstoffpreise, Produktions- und Distributionskosten sowie Steuern. Aus technischer Sicht bestehen keine Beschränkungen bezüglich des Einsatzes von synthetischen Biokraftstoffen. Grundsätzlich können diese auch in Reinform eingesetzt werden. Die sich aus dem Zusammenspiel der Faktoren ergebende Nachfrage wird durch ௗ௩ ) befriedigt, der im Netzwerk produziert wird. Zusätzlich synthetischen Biokraftstoff (ݕ௦௧ werden diese Nebenbedingungen relaxiert, indem eine Kompensation der nicht befriedigten Nachfrage durch den externen Zukauf von synthetischem Biokraftstoff ሺݒ௦௧ ሻ ermöglicht wird.
ௗ௩ ݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧ ൌ ݕ௦௧ ݒ௦௧
ܬ א ܿ ௨ Ǣ ܵ א ݏǢ ܶ א ݐ
(4.5)
אெ א
4.3.1.2 Massenbilanzen Für die Produktion in den Modulen gilt das Massenerhaltungsgesetz. Es werden in dem Modellierungsansatz jedoch nur jene Massenströme explizit berücksichtigt, die in synthetische Biokraftstoffe münden (vgl. Abschnitt 4.2). In den Modulen findet die ௦௦ Transformation von Inputmasse des Stoffs b statt. Diese Inputmasse (ݕ௧ ) setzt sich aus
144
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
den angelieferten Massen
௦௨ (ݕ௧ )
௧ von Quellen und/oder von anderen Modulen (ݕ௧ )
zusammen.
௦௦
௦௨ ௧ ݕ௧ ݕ௧ ൌ ݕ௧ אெ א
אொ
ܬ א ܾ ௧ Ǣ ݉ ܯ א Ǣ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(4.6)
א
Die Umwandlung der Masse des Stoffs b in die Masse des Stoffs j wird durch einen Transformationskoeffizienten (ߛ ) beschrieben (vgl. Abschnitt 3.1.3). Kann ein Stoff b in dem Modul m nicht in den Stoff j transformiert werden, nimmt der Transformationskoeffizient den Wert Null an. Die Produktmassen dieser Transformationsvorgänge werden durch logistische Prozesse entweder einer weiteren Produktionsstufe zugeführt (Modul h am Produktionsstandort o) oder zur Befriedigung der Nachfrage an die Senken geliefert. Diese Bilanzen werden durch Gleichungen (4.7) dargestellt.
௦௦
ߛ ȉ ݕ௧
אೌೝೌ א
ܬ א ݆Ǣ ݉ ܯ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(4.7)
௧ ௗ௩ ൌ ݕ௧ ݕ௦௧ אெ್ א
௦אௌ
4.3.1.3 Variablendeklaration Weiterhin müssen die Entscheidungsvariablen definiert werden. Die Entscheidung über die Eröffnung eines Moduls einer Kapazitätsklasse an einem potenziellen Produktionsstandort wird durch die folgenden binären Variablen repräsentiert. ݔ௧ אሼͲǡͳሽ
ܯ א ݉ Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(4.8)
Die Anzahl der Module einer Kapazitätsklasse an einem Produktionsstandort wird wiederum durch nachfolgende Zählvariablen beschrieben. Zu Beginn der Planung werden diese mit dem Wert Null initialisiert. In den folgenden Planungsperioden setzt sich der Wert der Zählvariablen aus den Werten der Vorperiode sowie den Werten der Binärvariablen zusammen, wie in Gleichungen (4.9) formuliert. ݖ௧ ൌ ൜
ݔ௧ ǡ ݂ò ݐ ݎൌ ͳ ݖ௧ିଵ ݔ௧ ǡ ݐݏ݊ݏ
ܯ א ݉Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(4.9)
Obwohl die Schließung von Produktionsmodulen nicht modelliert wird, können Schwankungen in der Nachfrage dazu führen, dass einzelne Module vorübergehend außer Betrieb genommen werden. Ist dies der Fall, fallen für diese Module keine fixen Zahlungen an. Die Anzahl der Module, die in einer Periode in Betrieb sind, wird durch die
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
145
Variablenݓ௧ beschrieben. Dabei sind diese ganzzahligen Variablen kleiner oder gleich der Anzahl der bis dahin errichteten Module. ݓ௧ ߳Գ
ܯ א ݉Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(4.10)
ݓ௧ ݖ௧
ܯ א ݉ Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(4.11)
Die Stoffflüsse im Netzwerk können nur positive Werte annehmen. ௦௨ ௧ ݕ௧ ǡ ݕ௧ Ͳ
ܾǡ ݆ ܬ א௧ Ǣ ܳ א ݍǢ ݉ǡ ݃ǡ ݄ ܯ אǢ ǡ ݊ǡ ܲ א Ǣ ( ܶ א ݐ4.12)
ௗ௩ Ͳ ݕ௦௧
ܬ א ܿ ௨ Ǣ ݉ ܯ אǢ ܲ א Ǣ ܵ א ݏǢ ( ܶ א ݐ4.13)
௦௦
ܬ א ܾ ௧ Ǣ ݉ ܯ אǢ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
ݕ௧ Ͳ
4.3.2
(4.14)
Zielfunktion
Bewertet werden die Netzwerkkonfigurationen anhand des Kapitalwerts. Dieser ergibt sich aus der Summe der diskontierten Investitionen für die Anlagen, der diskontierten stoffflussbedingten Zahlungen sowie der diskontierten prozessbedingten Zahlungen. ௧௪
ܸܲܰݔܽܯൌ ൣܫ௧ ܥ௧
௦௦
ܥ௧
൧ ȉ ሺͳ ݅ሻି௧
(4.15)
௧்א
Die Investitionen gehen mit der Errichtung der Produktionskapazitäten einher. Diese werden modul- und kapazitätsspezifisch mittels der in Abschnitt 4.2.2 beschriebenen Methoden ermittelt.
ܫ௧ ൌ ݐݏ݁ݒ݊ܫ ȉ ݔ௧
ܶ א ݐ
(4.16)
אெ א א
Die stoffflussbedingten Zahlungen sind auf den An- und Verkauf sowie den Transport von Stoffen zurückzuführen. An den Quellen werden zunächst Stoffe beschafft, die in den Produktionsmodulen zu synthetischen Biokraftstoffen verarbeitet werden. Zum Kauf dieser Inputstoffe sind Zahlungen erforderlich. Die Höhe der Zahlungen ist von der gekauften ௦௨ ) sowie den Preisen (௧ ሻ abhängig. Durch den Verkauf der Stoffart b und Masse (ݕ௧ produzierten synthetischen Biokraftstoffe in den Senken werden Einzahlungen realisiert, die ௗ௩ ) sowie dem Preis (݁௧ ) des in ihrer Höhe gleichfalls von der Art c und Masse (ݕ௦௧ verkauften synthetischen Biokraftstoffs bestimmt werden. Weiterhin wird im Sinne einer Relaxierung durch einen Kompensationsterm die Möglichkeit eingeräumt, die bestehende
146
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Nachfrage in den Senken nicht allein durch synthetische Biokraftstoffe zu befriedigen, die in dem betrachteten Netzwerk hergestellt werden. In Gleichung (4.17) wird der Zukauf von extern produziertem synthetischen Biokraftstoff (ݒ௦௧ ) mit entsprechenden Preisen (௧ ) bewertet. Die verschiedenen Zahlungsfunktionen für den Transport der einzelnen Stoffe bestehen jeweils aus einem fixen Bestandteil, durch den insbesondere Ladevorgänge berücksichtigt werden, und einem distanzabhängigen Bestandteil. Die Transporte erfolgen von den Quellen zu den betriebenen Produktionsmodulen, bei errichteten dezentralen Anlagenkonzepten zwischen den Produktionsmodulen sowie von den Produktionsmodulen zu den Senken. ௧௪
ܥ௧
ൌെ
௦௨ ݕ௧ ȉ ௧
אೌೝೌ אொ אெ א ௗ௩ ݕ௦௧ ȉ ݁௧
אೠ
אெ א ௦אௌ
െ ݒ௦௧ ȉ ௧ אೠ ௦אௌ
െ
௦௨ ݕ௧ ȉ ሺܿ௧௦ ȉ ݀ ܿௗ ሻ
(4.17)
אೌೝೌ אொ אெ א
௧ ݕ௧ ȉ ሺܿ௧௦ ȉ ݀ ܿௗ ሻ
אೌೝೌ
אೠ
ǡאெ ǡא
ௗ௩ ݕ௦௧ ȉ ሺܿ௧௦ ȉ ݀௦ ܿௗ ሻ
ܶ א ݐ
אெ א ௦אௌ
Die prozessbedingten Zahlungen gliedern sich, wie bereits in Abschnitt 4.2.3 beschrieben, in einen fixen Anteil und einen kapazitätsauslastungsabhängigen Anteil auf. Die fixen Zahlungen für den Betrieb von Modulen ergeben sich aus dem Produkt der spezifischen fixen prozessbedingten Zahlungen der einzelnen Module und der entsprechenden Anzahl der aktuell betriebenen Module. Die kapazitätsauslastungsabhängigen Zahlungen sind als lineare Funktion der verarbeiteten Massen in den einzelnen Produktionsmodulen modelliert.
௦௦
ܥ௧
ൌ െ ݔ݅ܨ ȉ ݖ௧ אெ ఢ א
ఢೌೝೌ
௦௦
ܲܿݎ ȉ ݕ௧ ȉ ߝ ܶ א ݐ
(4.18)
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
147
Dieser deterministische Modellierungsansatz zur Entscheidungsunterstützung bei der integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung für Produktionsnetzwerke zur Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen wird im folgenden Abschnitt um die Berücksichtigung von Unsicherheiten erweitert. 4.4
Szenariobasierte Erweiterung des Planungsmodells
Die folgende szenariobasierte Erweiterung des deterministischen Modells verfolgt die Ziele, sowohl den bestehenden Unsicherheiten als auch den individuellen Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern bei der Planung Rechnung zu tragen. Hierzu werden zunächst Unsicherheiten in den drei Netzwerkbereichen Biomasseangebot, Produktion und Nachfrage modelliert. Unsicherheiten bezüglich des Biomasseangebots betreffen das zukünftige Biomassepotenzial. Es ist unklar, welche Massen der einzelnen Biomassearten zu welchen Preisen verfügbar sein werden (vgl. Abschnitt 2.2.3.1). Produktionsseitig werden die geschätzten Investitionen für die einzelnen Produktionstechnologien als unsichere Größen angenommen. In Abschnitt 4.2.2 wird aufgezeigt, dass in der Literatur unterschiedliche aktuelle Investitionen ermittelt werden. Diese Unsicherheiten sind auf den frühen Entwicklungsstand der Produktionstechnologien zurückzuführen. Desweiteren ist die Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen eine unsichere Größe. Eine untere Grenze der Nachfrage wird in Deutschland durch das Biokraftstoffquotengesetz beschrieben, in dem Mindestanteile von Biokraftstoffen am Kraftstoffabsatz vorgegeben werden (vgl. Abschnitt 2.3.3). Eine Nachfrage über diese Anteile hinaus wird durch Preisentwicklungen am Kraftstoffmarkt bestimmt werden (vgl. Abschnitt 2.2.6). Abgebildet werden diese Unsicherheiten durch Szenarien, wie in Abschnitt 3.3.2 beschrieben. In diesen Szenarien werden grundsätzlich Entwicklungen in diesen unsicheren Bereichen beschrieben. Zur Erstellung der Szenarien wird die Szenariotechnik eingesetzt (vgl. Abschnitt 3.3.3). So werden zunächst Deskriptoren identifiziert, die zukünftige Entwicklungen beschreiben. Deskriptoren, für die in Zukunft alternative Verläufe denkbar sind, sind im Bereich des Biomassepotenzials sowohl die verfügbare Masse der unterschiedlichen Biomassearten als auch die erforderlichen Zahlungen für eine Masseneinheit einer bestimmten Biomasseart. Im Bereich der Produktionstechnologien sind für die Investitionen sowie die betriebsbedingten fixen Zahlungen alternative Verläufe möglich. Im Bereich der Nachfrage werden die Höhe der Nachfrage, die Einzahlungen für den Verkauf einer Masseeinheit von synthetischem Biokraftstoff und die Strafzahlungen für den Zukauf von synthetischem Biokraftstoff als Deskriptoren mit alternativen Verläufen identifiziert. Zusammengeführt werden die Deskriptoren in Szenarien. Die Menge der Szenarien istܣ. Neben der Determination der unsicheren Parameter werden in dem szenariobasierten Planungsmodell desweiteren die Kontrollvariablen angepasst. Dies sind die Stoffflüsse in dem Netzwerk sowie die Anzahl der genutzten Produktionsmodule. Erforderliche Änderungen von Nebenbedingungen werden nachstehend beschrieben. Dabei gilt die folgende Erweiterung der Notation:
148
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Indexmenge: ܣ
Indexmenge der Szenarien; ܽ ܣ א
Parameter: ݐܽܯ௧
verfügbare Masse des Stoffs b in Quelle q in Periode t und im Szenario a
݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧
Nachfrage nach synthetischem Biokraftstoff c in Senke s in Periode t und im Szenario a
௧
Zahlungen für den Kauf einer Masseneinheit des Stoffs b an Quelle q in Periode t und im Szenario a
݁௧
Einzahlungen infolge des Verkaufs einer Masseneinheit des synthetischen Biokraftstoffs c in Periode t und im Szenario a
௧
Strafzahlungen für den Zukauf einer Masseneinheit des Biokraftstoffs c in Periode t und im Szenario a
Eintrittswahrscheinlichkeit von Szenario a, die von Experten subjektiv festgelegt wird
ܸܰܲ
Kapitalwert im Szenario a
ܸܰܲ
Anspruchsniveau im Hinblick auf einen zu erzielenden Kapitalwert
ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investition für Modul m der Kapazitätsklasse k im Szenario a
ݔ݅ܨ
betriebsbedingte fixe Zahlungen für Modul m der Kapazitätsklasse k im Szenario a
ߤ
Gewichtungsfaktor in einer Linearkombination, Ͳ ߤ ͳ
߱
Faktor zur Gewichtung des Misserfolgs
Entscheidungsvariablen: ݓ௧
Anzahl der Module m der Kapazitätsklasse k, die am Produktionsstandort p in Periode t und im Szenario a betrieben werden
௦௨ ݕ ௧
Masse des Stoffs b, die von der Quelle q zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t und im Szenario a transportiert wird
௦௦
ݕ௧
Masse des Stoffs b, die in Modul m der Kapazitätsklasse k am Produktionsstandort p in Periode t und im Szenario a verarbeitet wird
௧ ݕ ௧
Masse des Stoffs j, die in Modul g am Produktionsstandort n zum Modul h am Produktionsstandort o in Periode t und im Szenario a transportiert wird
ௗ௩ ݕ௦௧
Masse des synthetischen Biokraftstoffs c, die von Modul m am Produktionsstandort p zu Senke s in Periode t und im Szenario a transportiert wird
ݒ௦௧
Masse des extern bezogenen synthetischen Biokraftstoffs c in der Senke s in Periode t und im Szenario a
4.4.1
Nebenbedingungen der szenariobasierten Erweiterung
Änderungen in den Nebenbedingungen werden nachstehend dargestellt. Allein die die Strukturvariablen betreffenden Gleichungen ((4.8)-(4.9)) bleiben gegenüber dem deterministischen Grundmodell unverändert. In den Gleichungen (4.19) werden die Stoffflüsse von den Quellen zu den Produktionsmodulen durch das szenariospezifische
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
149
Angebot der Biomasse in den Quellen beschränkt. Dieses Biomasseangebot wird wesentlich durch die Art des Biomasseanbaus 92 bestimmt.
௦௨ ݕ௧ ݐܽܯ௧
ܬ א ܾ ௧ Ǣ ܳ א ݍǢ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
(4.19)
אெ್ א
Die in einer Planungsperiode an einem Standort verfügbare Aufnahmekapazität für einen Stoff kann in den unterschiedlichen Szenarien variieren. Diese Aufnahmekapazität wird durch die Art, Kapazitätsklasse und Anzahl der in der jeweiligen Planungsperiode an diesem Standort betriebenen Produktionsmodule bestimmt. Die verarbeitete Stoffmasse unterliegt entsprechend diesen szenariospezifischen Kapazitätsrestriktionen.
௦௦
ݕ௧ ȉ ߝ ݉ܽܽܿݔ ȉ ݓ௧
אೌೝೌ
(4.20) ܯ א ݉ Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
Die Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen in den Senken kann in den einzelnen Szenarien unterschiedliche Werte annehmen. Zur Befriedigung dieser Nachfrage werden synthetische Biokraftstoffe von den Produktionsanlagen zu den Senken geliefert und/oder es werden synthetische Biokraftstoffe in den Senken zugekauft. Diese Massen der synthetischen Biokraftstoffe werden daher szenariospezifisch determiniert.
ௗ௩ ݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧ ൌ ݕ௦௧ ݒ௦௧
ܬ א ܿ ௨ Ǣ ܵ א ݏǢ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
(4.21)
אெ א
Wie bereits im Vorangegangen aufgezeigt wurde, werden die Stoffflüsse in dem Netzwerken durch die szenariospezifischen Werte des Angebots an Biomasse, der verfügbaren Produktionskapazitäten und der Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen bestimmt. Die in einem spezifischen Szenario in einem Produktionsmodul zu verarbeitende Stoffmasse setzt sich entsprechend aus den in diesem Szenario von Quellen und/oder von anderen Modulen angelieferten Stoffmassen zusammen.
௦௦
௦௨ ௧ ݕ௧ ݕ௧ ൌ ݕ௧ אொ
אெ א
א
(4.22)
ܬ א ܾ ௧ Ǣ ݉ ܯ א Ǣ ܲ א Ǣ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
92
In Abschnitt 2.2.3.1 werden zwei unterschiedliche Anbauarten für Biomasse vorgestellt: Ein ökologisch verträglicher Biomasseanbau sowie ein Anbau von Biomasse, der auf eine Maximierung der Flächenerträge zielt.
150
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Die Umwandlung dieser szenariospezifischen Stoffmassen in ein Zwischenprodukt oder in synthetischen Biokraftstoff wird wiederum durch nachstehende Gleichungen (4.23) beschrieben.
௦௦
௧ ௗ௩ ߛ ȉ ݕ௧ ൌ ݕ௧ ݕ௦௧
אೌೝೌ א
אெ್ א
௦אௌ
(4.23)
ܬ א ݆ Ǣ ݉ ܯ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
Die Kontrollvariablen können nur positive Werte annehmen. ݓ௧ ߳Գ
ܯ א ݉ Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
(4.24)
ݓ௧ ݖ௧
ܯ א ݉ Ǣ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
(4.25)
ܾǡ ݆ ܬ א௧ Ǣ ܳ א ݍǢ ݉ǡ ݃ǡ ݄ ܯ אǢ ǡ ݊ǡ ܲ א Ǣ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
(4.26)
ܬ א ܿ ௨ Ǣ ݉ ܯ אǢ ܲ א Ǣ ܵ א ݏǢ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
(4.27)
ܬ א ܾ ௧ Ǣ ݉ ܯ אǢ ݇ ܭ אǢ ܲ א Ǣ ܶ א ݐǢ ܽ ܣ א
(4.28)
௧ ௦௨ ݕ௧ ǡ ݕ௧ Ͳ ௗ௩ ݕ௦௧ Ͳ ௦௦
ݕ௧ Ͳ
4.4.2
Zielfunktionen der szenariobasierten Erweiterung
Die bestehenden Unsicherheiten in einem potenziellen Netzwerk führen zu Risiken auf Seiten der Entscheidungsträger. Entscheidungsträger stehen Unsicherheiten bei derartigen strategischen Entscheidungen in der Regel sehr risikoavers gegenüber, da Fehlentscheidungen zu hohen Schäden führen und die Existenz einer Organisation bedrohen können (vgl. Abschnitt 3.3). Die Bereitschaft von potenziellen Investoren, Risiken einzugehen, wird jedoch in Abhängigkeit der individuellen Rahmenbedingungen variieren. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen unter anderem die finanziellen Mittel sowie die Möglichkeiten, die mit der Entscheidung einhergehenden Risiken durch wenig risikobehaftete Entscheidungen in anderen Bereichen abzusichern. Als potenzielle Investoren für Produktionsnetzwerke für synthetische Biokraftstoffe werden in dieser Arbeit unter anderem Mineralölkonzerne, Automobilhersteller und landwirtschaftliche Vereinigungen identifiziert. Im Vergleich dieser potenziellen Investoren wird Mineralölkonzernen die höchste Risikobereitschaft zugeschrieben. Mineralölkonzerne sind in Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, Biokraftstoffanteile in den Markt zu bringen, und die Mineralölkonzerne verfügen über hohe finanzielle Mittel. Zudem sind sie langfristig an biogenen Substituten für Produkte aus endlichem Erdöl interessiert. Weniger risikobereit werden Automobilhersteller sein, da der Bereich der Kraftstoffproduktion auch zukünftig nicht zu ihrer Kernkompetenz gehören wird. Landwirtschaftlichen Vereinigungen wird eine
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
151
sehr risikoaverse Einstellung unterstellt, da sich ihnen mit alternativen energetischen Nutzungsoptionen für Biomasse andere Investitionsmöglichkeiten bieten, die weniger risikobehaftet sind. Langfristig können auch andere Branchen wie beispielsweise die Luftfahrt als Investoren in Frage kommen, sofern gesetzliche Auflagen in diesen Bereichen erhoben werden. (Vgl. Abschnitte 2.2, 2.3 und 3.3.2.1) Die Risikobereitschaft der potenziellen Investoren wird in dieser Arbeit bezüglich der Eigenschaften von Plänen weiter differenziert (vgl. Abschnitt 3.3.2.2). Durch die Gestaltung der Ersatzzielfunktion kann insbesondere Einfluss auf die Eigenschaften Anpassungsfähigkeit und Zielerreichung der Pläne genommen werden. Für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe wird davon ausgegangen, dass Investoren vor allem an der Generierung von anpassungsfähigen Plänen interessiert sind. Nachträgliche Änderungen an einer bestehenden Netzwerkstruktur werden voraussichtlich mit einem sehr hohen finanziellen Aufwand verbunden sein. Im Hinblick auf die angestrebte Zielerreichung in Form von hohen szenariospezifischen Kapitalwerten unterscheiden sich die potenziellen Investoren. Landwirtschaftliche Vereinigungen werden voraussichtlich nur investieren, wenn sie positive Kapitalwerte erwarten. Das Interesse von Mineralölkonzernen und von Automobilherstellern ist hingegen durch gesetzliche Vorgaben motiviert. Damit nimmt die Zielerreichung in diesem Bereich isoliert betrachtet eine weniger wichtige Rolle ein. Die Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern können durch Entscheidungskriterien in den Ersatzzielfunktionen modelliert werden. Es wurde bereits in Abschnitt 3.3.2.2 abgeleitet, dass in den einzelnen Entscheidungskriterien in der Regel maximal eine der beschrieben Eigenschaften von Plänen berücksichtigt werden kann. Daher werden für die Entscheidungsunterstützung vier Entscheidungskriterien zur Modellierung verschiedener Ersatzzielfunktion gewählt (vgl. Tabelle 4.8). Die Auswahl dieser Entscheidungskriterien zielt auf die Berücksichtigung der beschriebenen Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger und erfolgt auf Grundlage der in Abschnitt 3.3.2.2 durchgeführten Analysen der Entscheidungskriterien. Zudem werden ausschließlich lineare Zielfunktionen gewählt, da trotz der Linearität bereits eine hohe Problemkomplexität 93 gegeben ist.
93
Auf die Komplexität des Planungsansatzes wird in Abschnitt 4.5 eingegangen.
152
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
Tabelle 4.8: Zielfunktionen Kriterium
Risikoeinstellung
Zielfunktion
I
Maxmin
Extrem risikoavers
ݔܽܯሼܸܰܲ ȁܽ߳ܣሽ
II
Erwartungswert
III
Hodges-Lehmann
ܧ ݔܽܯሺܸܰܲሻ ൌ ȉ ܸܰܲ ఢ
IV
ErwartungswertMisserfolgserwartungswert
Abhängig vom Gewichtungsfaktor ߤ Abhängig von einem Faktor ߱
ߤ ݔܽܯȉ ܧሺܸܰܲሻ ሺͳ െ ߤሻ ȉ ݉݅݊ሼܸܰܲ ȁܽ߳ܣሽ mit Ͳ ߤ ͳ ܧ ݔܽܯሺܸܰܲሻ െ ߱ ȉ ȉ ሺ݉ܽݔሼͲǡ ܸܰܲ െ ܸܰܲ ሽሻ ఢ
Das Maxmin-Kriterium (I) repräsentiert eine extrem risikoaverse Einstellung des Entscheidungsträgers. Der Fokus liegt hierbei allein auf der ungünstigsten Entwicklung, die eintreten kann. Für diese Entwicklungen wird der entsprechende szenariobezogene Kapitalwert ܸܰܲ maximiert. Die von Experten subjektiv festzulegenden Eintrittswahrscheinlichkeiten der Szenarien werden nicht benötigt. Die mit dem Maxmin-Kriterium generierten Pläne zielen somit auf eine Absicherung gegenüber ungünstigen Entwicklungen. Die Potenziale positiver Entwicklungen bleiben ungenutzt. Dagegen wird mit den Kriterien (II)-(IV) ein breiteres Spektrum an Risikoeinstellungen abgedeckt. Das ErwartungswertKriterium (II) wird gewählt, da es Entscheidungsträgern in der Praxis bekannt und leicht zugänglich ist. Eine Zuordnung der repräsentierten Risikoeinstellung ist jedoch nicht möglich, da die szenariospezifischen Ergebnisse mitunter stark von dem erwarteten Ergebnis abweichen können. Positive und negative Abweichungen werden jedoch gleichwertig berücksichtigt, daher wird es oft als risikoneutral beschrieben. Im Hodges-LehmannKriterium (III) wird zusätzlich zum Erwartungswert die ungünstigste Entwicklung in einer Linearkombination betrachtet. Somit kann eine stärker risikoaverse Einstellung als durch das Erwartungswertkriterium beschrieben werden. Können die Worst Case Entwicklungen im Vorhinein vorausgesagt werden, führt das Hodges-Lehmann-Kriterium zu Lösungen, die meistens relativ anpassungsfähig an Entwicklungen in der Zukunft sind. [SCHOLL 2001] Bei der Anwendung des Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriteriums wird im Vorhinein ein Anspruchsniveau NPVmin definiert. Abhängig davon, wie der Faktor ߱ gesetzt wird, werden negative Abweichungen vom Anspruchsniveau bestraft. Dieses Kriterium verspricht in den meisten Fällen Pläne, die auf eine Zielerreichung nahe dem Anspruchsniveau ausgerichtet sind. Chancen möglicher positiver Entwicklungen können in der Regel jedoch nicht voll ausgeschöpft werden. Der szenariospezifische Kapitalwert setzt sich, wie im deterministischen Fall, aus den diskontierten Investitionen, den diskontierten stoffflussbedingten Zahlungen sowie den diskontierten prozessbedingten Zahlungen zusammen. Der Kapitalwert wird durch zusätzliche Nebenbedingungen wie folgt beschrieben:
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
ܸܰܲ ൌ ൦െ ௧்א
153
௦௨ ݕ௧ ȉ ௧
אೌೝೌ
אொ אெ א
ௗ௩ ݕ௦௧ ȉ ݁௧
אೠ אெ א ௦אௌ
െ ݒ௦௧ ȉ ௧ אೠ ௦אௌ
െ
אೌೝೌ
௦௨ ݕ௧ ȉ ሺܿ௧௦ ȉ ݀ ܿௗ ሻ אொ אெ א ௧ ݕ௧ ȉ ሺܿ௧௦ ȉ ݀ ܿௗ ሻ
אೌೝೌ ǡאெ ǡא
ௗ௩ ݕ௦௧ ȉ ሺܿ௧௦ ȉ ݀௦ ܿௗ ሻ
(4.29)
אೠ אெ א ௦אௌ
െ ݐݏ݁ݒ݊ܫ ȉ ݔ௧ אெ א א
െ ݔ݅ܨ ȉ ݖ௧ אெ ఢ א
ȉ ሺͳ ݅ሻି௧ ൪
௦௦
ܲܿݎ ȉ ݕ௧ ȉ ߝ
ఢೌೝೌ
ܣ א ܽ
Bereits anhand der Modellbeschreibung ist die große Komplexität aufgrund der gemischtganzzahligen Problemformulierung sowie der Vielzahl an ganzzahligen Entscheidungsvariablen erkennbar. Im folgenden Abschnitt wird auf diesen Aspekt genauer eingegangen. 4.5
Komplexität des Planungsansatzes
Sowohl das Modell zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung als auch die Modelle im Rahmen des szenariobasierten Ansatzes zur Netzwerkgestaltung sind gemischt-ganzzahlige Probleme. Sie entsprechen erweiterten Formulierungen von Warehouse Location Problemen, welche NP-schwer sind [DOMSCHKE/ DREXL 2005], [JUNGE 2003], [NEUMANN/ MORLOCK 1993]. Der Lösungsaufwand kann somit in ungünstigen Fällen nicht mehr durch
154
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
eine polynomiale Funktion beschrieben werden, sondern steigt exponentiell mit der Problemgröße an. Im Einzelnen wird die Komplexität der Optimierungsmodelle durch die Anzahl der Entscheidungsvariablen, sowohl der ganzzahligen als auch der linearen Entscheidungsvariablen, die Anzahl der Restriktionen sowie durch die Form des beschriebenen Lösungsraums bestimmt. Das in Abschnitt 4.3 formulierte deterministische Modell zur integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung umfasst für eine Instanz von ș
Perioden,
Ƞ
Quellen,
Ȣ
potenziellen Produktionsstandorten für Produktionsmodule,
ı
Senken,
IJ
Stoffen im Netzwerk,
ij
weiterzuverarbeitenden Stoffen,
Ȧ produzierten synthetischen Kraftstoffen, Ș
Modulen,
Ț
Modulen, in denen Stoff b verarbeitet werden kann, und
ț
Kapazitätsklassen
die nachstehende Anzahl von Entscheidungsvariablen und Nebenbedingungen: Ș· ț· Ȣ· ș
binäre Entscheidungsvariablen
2· Ș· ț· Ȣ· ș
ganzzahlige Entscheidungsvariablen
ij · Ƞ· Ș · Ȣ· ș + ij · Ș· Ȣ· Ș · Ȣ· ș + ij · Ș · ț· Ȣ· ș + Ȧ · Ș· Ȣ· ı· ș ij · Ƞ· ș
Restriktionen des Typs (4.3)
Ș· ț· Ȣ· ș
Restriktionen des Typs (4.4)
Ȧ· ı· ș
Restriktionen des Typs (4.5)
ij· Ț· Ȣ· ș
Restriktionen des Typs (4.6)
IJ· Ș· Ȣ· ș
Restriktionen des Typs (4.7)
lineare Entscheidungsvariablen
In Abhängigkeit der Probleminstanz können somit große Planungsprobleme resultieren. Eine praxisrelevante kleinere Probleminstanz für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe umfasst zum Beispiel:
Planungsansatz zur Netzwerkgestaltung
155
20 Planungsperioden, durch die eine minimal erwartete Nutzungsdauer der Produktionsanlagen von beschrieben wird, 50 Quellen für Biomasse, die durch Sammelstellen für Biomasse repräsentiert werden können und aufgrund des dezentralen Biomasseaufkommens erforderlich sind, 30 potenzielle Produktionsstandorte für Produktionsmodule, an denen auch eine dezentrale Vorbehandlung stattfinden kann, 50 Senken, die zum Beispiel Tankstellen repräsentieren können, 6
Stoffe im Netzwerk (drei unterschiedliche Biomassearten, ein Zwischenprodukt sowie zwei Arten von synthetischem Biokraftstoff),
4
weiterzuverarbeitende Stoffe (Biomassearten und Zwischenprodukt),
2
produzierte synthetischen Kraftstoffe,
3
Produktionsmodule, wobei ein Produktionsmodul ein zentrales und zwei Produktionsmodule ein dezentrales Anlagenkonzept repräsentierten,
2
Kapazitätsklassen, die mindestens erforderlich sind, um Größendegressionseffekte zu berücksichtigen.
Bereits für diese Probleminstanz resultiert ein Planungsproblem mit insgesamt 1.213.200 Entscheidungsvariablen, davon 10.800 ganzzahligen Entscheidungsvariablen und ca. 26.000 Nebenbedingungen. Die Möglichkeit, ein solches oder ein größeres Planungsmodell in einer vertretbaren Zeit zu lösen, ist zudem von der spezifischen Datenbasis abhängig. Die Datenbasis bestimmt stark die Struktur des Lösungsraums. Für große Probleminstanzen bietet sich in jedem Fall eine Form von Preprocessing an, durch das die Komplexität reduziert werden kann. Eine bereits beschriebene Option des Preprocessings stellt die Standortvorauswahl dar (vgl. Abschnitt 3.2.2). Zusätzlich können für die spezifische Planungssituation Vereinfachungen an dem Modell vorgenommen werden, die zu einer Reduktion der Komplexität beitragen. Diese beiden Möglichkeiten werden in dem folgenden Kapitel für die Fallstudien genutzt.
5
Fallstudien zur Gestaltung regionaler und überregionaler Produktionsnetzwerke für synthetischen Biodiesel
Produktionsnetzwerke für die Herstellung synthetischer Biokraftstoffe existieren bislang nicht. Zudem ist unsicher, welche der verschiedenen Interessensgruppen, zum Beispiel Mineralölkonzerne, Automobilhersteller oder landwirtschaftliche Vereinigungen, in die Errichtung von Produktionstechnologien investieren werden (vgl. Kapitel 2). In Abhängigkeit von den Investoren sind unterschiedliche Ausrichtungen der zukünftigen Produktionsnetzwerke denkbar. In regional ausgerichteten Produktionsnetzwerken stehen die Stärkung der regionalen Landwirtschaft durch die Schaffung neuer Absatzmärkte für Pflanzenreste und Energiepflanzen sowie die Bedienung der regionalen Kraftstoffnachfrage im Vordergrund. Produktionskapazitäten werden daher unter Berücksichtigung der lokalen Sourcing- und Absatzmöglichkeiten geplant und umfassen eigenständige Anlagen. Eine andere Form stellen überregionale Produktionsnetzwerke dar, die von Mineralölkonzernen zur Herstellung der biogenen Kraftstoffanteile betrieben werden können. In diesen überregionalen Netzwerken werden Produktionskapazitäten für synthetische Biokraftstoffe an bestehende Raffinerien angegliedert. [KAPPLER ET AL. 2009], [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008] Dadurch können Synergieeffekte genutzt werden. Der produzierte synthetische Kraftstoff kann überregional an weitere Raffinerien zur Deckung bestimmter Anteile an der gesamten Kraftstoffproduktion geliefert werden. Diese Netzwerkalternativen werden im Folgenden jeweils in einer Fallstudie untersucht. Ziel der Untersuchungen ist es, für beide Netzwerkformen geeignete Anlagenkonzepte und Anlagenkapazitäten aufzuzeigen sowie Strategien zum Kapazitätsaufbau abzuleiten. Dabei werden durch die Anwendung des szenariobasierten Ansatzes auch unterschiedliche Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern berücksichtigt. Zur Bewertung der Netzwerkkonfigurationen und Strategien zum Kapazitätsaufbau werden die entscheidungsrelevanten diskontierten Zahlungen und diskontierten Investitionen herangezogen. Ziel der Fallstudien ist es jedoch nicht, möglichst gute Prognosen dieser Werte für die einzelnen Netzwerkkonfigurationen zu ermitteln. In den folgenden Fallstudien werden Netzwerke für die Produktion von synthetischem Biodiesel gestaltet. Diese Beschränkung auf die Produktion von synthetischem Biodiesel hat drei wesentliche Gründe:
Die in der Entwicklung am weitesten fortgeschrittenen Produktionstechnologien sind auf die Produktion von synthetischem Biodiesel ausgerichtet.
In Europa sind die Kapazitäten der fossilen Dieselproduktion beschränkt.
Bisher eingesetzte biogene Dieselsubstitute weisen im Vergleich zu den biogenen Benzinsubstituten Nachteile auf.
A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
158
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Untersuchungen zu den in der Entwicklung weit fortgeschrittenen Produktionsprozessen [BEIERMANN 2009], [CHOREN 2009], [VOGEL 2007], [HENRICH/ DINJUS 2004] beschränken sich auf die Produktion von synthetischem Biodiesel. Daher sind detaillierte technische Informationen zu den Produktionsprozessen und Technologien für die Produktion von synthetischem Biodiesel verfügbar. In Europa haben die Raffinerien aufgrund einer hohen Nachfrage die Kapazitätsgrenzen der Dieselproduktion erreicht. Die Kapazitätsgrenze liegt bei einer Dieselausbeute von 21 - 23 % bezogen auf das eingesetzte Rohöl [MWV DIESELPROGNOSE 2009]. Der zurzeit produzierte Biodiesel der ersten Generation wird in Deutschland vornehmlich aus Rapsöl hergestellt, weist entsprechend eine niedrige Biomasseausbeute auf und ist in technischer Hinsicht nur eingeschränkt verträglich (vgl. Abschnitt 2.1.2). Im Vergleich ist das derzeit genutzte biogene Substitut für Benzin, Bioethanol der ersten Generation, unter technischen Gesichtspunkten besser geeignet. Bei aktuellen, herkömmlichen Ottomotoren können Ethanolkonzentrationen von bis zu 10 Vol. % eingesetzt werden. Zudem sind die Herstellkosten geringer (vgl. 2.1.1). In der Produktion werden in Deutschland zum Beispiel Zuckerrüben als Rohstoff genutzt. Ein großer Anteil der produzierten Zuckerrüben hat aufgrund des stark regulierten Zuckermarkts (Zuckerverordnung) in Deutschland keine anderen Verwendungsmöglichkeiten, wird allerdings in Fruchtfolgen für eine positive Humusbilanz benötigt. Somit besteht hier im Hinblick auf den Rohstoff keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Aus diesen Gründen kann ein besonderes Interesse an der Gestaltung von Netzwerken zur Produktion von synthetischem Biodiesel abgeleitet werden. Zur Ermittlung von vorteilhaften Anlagenkonzepten und Anlagenkapazitäten sowie von Strategien zum Kapazitätsaufbau wird für die beiden Fallstudien nachfolgendes Fallstudiendesign gewählt. 5.1
Fallstudiendesign
Voraussetzung zur Durchführung der Fallstudien ist die Kenntnis der entscheidungsrelevanten Daten. Daher werden in den Fallstudien zunächst die genutzten Quellen sowie das Vorgehen zur Ermittlung der Daten beschrieben. Die Daten werden für die Bereiche Biomassebereitstellung, Produktionsprozesse, Transport und Nachfrage nach synthetischem Biodiesel ermittelt. Da in beiden Fallstudien die gleichen Produktionsprozesse betrachtet werden, werden diese im Vorfeld dargestellt. Die Daten in den Bereichen Biomassebereitstellung, Transport und Nachfrage werden hingegen fallstudienspezifisch ermittelt. Ihre Beschreibung erfolgt zu Beginn der jeweiligen Fallstudie. Viele der ermittelten Daten unterliegen Unsicherheiten (vgl. Kapitel 2). Für ausgewählte unsichere Daten werden verschiedene Ausprägungen beschrieben. Aus den unterschiedlichen Ausprägungen der unsicheren Daten werden im Anschluss Szenarien erstellt, die mögliche zukünftige Entwicklungen beschreiben. Die Kenntnis der spezifischen Rahmenbedingungen in den Fallstudien erlaubt es, Anpassungen am Planungsmodell und damit auch am Planungsansatz vorzunehmen. Wie
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
159
bereits in Abschnitt 4.5 beschrieben wurde, ist das Problem der Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung komplex und NP-schwer. Vereinfachungen der Modellkomplexität durch Anpassungen der Zielfunktion und Restriktionen ermöglichen hier kürzere Rechenzeiten ohne einen Einfluss auf die Güte der gefundenen Lösung zu haben. Neben einer Modellanpassung wird ebenfalls ein Preprocessing im Sinne einer Standortvorauswahl zur weiteren Reduktion der Problemkomplexität beschrieben. Durch die Anwendung des Modells zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung sowie des szenariobasierten Planungsansatzes werden Netzwerkkonfigurationen für die einzelnen Szenarien sowie für unterschiedliche Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern ermittelt. Die resultierenden Netzwerkkonfigurationen werden dargestellt und Einflussgrößen auf die gefundenen Konfigurationen analysiert. Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden im letzten Abschnitt Handlungsempfehlungen abgeleitet, die sich sowohl an potenzielle Investoren als auch an umweltpolitische Entscheidungsträger richten. 5.2
Entscheidungsrelevante Daten der Produktionsprozesse
Verschiedene Anlagenkonzepte und Produktionsprozesse für synthetischen Biodiesel befinden sich aktuell in der Entwicklung (vgl. Abschnitt 2.4.6). Derzeit ist noch offen welches Anlagenkonzept mit welchem Produktionsprozess vorteilhaft ist. Zudem können in Zukunft weitere Anlagenkonzepte und Produktionsprozesse entwickelt werden. Im Folgenden werden die beiden am weitesten entwickelten Anlagenkonzepte herangezogen. Bei diesen Anlagenkonzepten handelt es sich um ein zentrales Anlagenkonzept in Anlehnung an das Verfahren von Choren sowie um ein dezentrales Anlagenkonzept in Anlehnung an die Forschungsarbeiten des Forschungszentrums Karlsruhe. Prinzipiell können in dem Planungsansatz auch weitere Anlagenkonzepte und weitere Produktionsprozesse problemlos berücksichtigt werden. Nachdem in Abschnitt 2.4.6 bereits die Produktionsprozesse der beiden Anlagenkonzepte sowie grundsätzliche apparatetechnische Ausgestaltungsmöglichkeiten beschrieben wurden, werden im folgenden Abschnitt zunächst die in den Fallstudien untersuchten Anlagen konkretisiert. Dem folgt die Ermittlung der Investitionen der Produktionstechnologien sowie der betriebsbedingten fixen Zahlungen für diese spezifischen Anlagen. Hierbei werden die in Abschnitt 4.2 beschriebenen Vorgehensweisen angewendet. Abschließend werden die kapazitätsauslastungsabhängigen Zahlungen sowie die Transformationskoeffizienten dargestellt. 5.2.1
Produktionsprozesse
Die Ausgestaltungsmöglichkeiten der Produktionsprozesse nach dem Konzept von Choren und nach dem Forschungszentrum Karlsruhe werden in Abschnitt 2.4.6 beschrieben. In Abbildung 5.1 werden sie in den grundsätzlichen Prozess zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe eingeordnet. Relevante Prozessmerkmale für die betriebswirtschaftliche Planung sind:
160
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Die Möglichkeit, in beiden Anlagenkonzepten unterschiedliche Syntheseverfahren (die Fischer-Tropsch-Synthese oder die Methanolsynthese) einzusetzen, sowie
die dezentrale Struktur des Produktionsprozesses nach dem Forschungszentrum Karlsruhe und die zentrale Struktur des Produktionsprozesses nach Choren (vgl. hierzu auch Abschnitt 2.4.6).
GenerischesGrundfließbildinAnlehnungan[Hamelinck/Faaij 2006] Biomasse Produktion syn.Biokraftstoffe Bereitstellung Biomasse
Vorbehandlung
Vergasung
Nachfrage Rückführung GasͲ konditionierung
Synthese
Raffination
Gasturbine oder Boiler
Syn. Biokraftstoffe
Elektrizität
Dampfturbine
FlugstromͲ Druckvergasung
ZweistufigeVergasung (Niedertemperaturv., Hochhtemperaturv.)
FischerͲTropschͲSynthese, Methanolsynthese
Raffination
T
Syn.Biodiesel
FischerͲTropschͲSynthese, Methanolsynthese
Raffination
Trocknung Konditionierung Pyrolyse
T
GaskondiͲ tionierung
Biomasse
GaskondiͲ tionierung
FZK [Heinrich/Dinjus 2003]
Syn.Biodiesel
Choren [Choren 2009] Biomasse Biomasse
T
T
Trocknung Konditionierung
Transport
Abbildung 5.1:
Produktionsprozesse nach Choren und nach dem Forschungszentrum Karlsruhe
Um in den Fallstudien Größendegressionseffekte berücksichtigen zu können, werden die Anlagenkonzepte in unterschiedlichen Kapazitätsklassen einbezogen. Das zentrale Anlagenkonzept nach Choren sowie das weiterverarbeitende Modul nach dem Forschungszentrum Karlsruhe werden jeweils mit einer Kapazität von 500 MW und 2 GW bezogen auf den Energiegehalt der aufgenommenen Biomasse94 und einer jährlichen Betriebsstundenzahl von 8000 h untersucht. Das Pyrolysemodul des Konzepts nach dem Forschungszentrum Karlsruhe liegt mit einer Kapazität von 100 MW vor. Desweiteren werden in den Produktionsprozessen optional die Fischer-Tropsch-Synthese und die Methanolsynthese eingesetzt. Die untersuchten Verfahrensoptionen bzw. die daraus resultierenden Module im Sinne der Modularisierung (vgl. Abschnitt 4.2.1) sowie die berücksichtigten Kapazitäten der Module sind in Tabelle 5.1 zusammengefasst.
94
1 MWh entspricht 3,6 GJ [HAMELINCK 2004], S. 222, Anlagenbetriebsstunden pro Jahr: 8.000 h/a. Es resultieren Umwandlungsfaktoren von 5,9722•10-4 MW/MgTM für Stroh, von 6,5625•10-4 MW/MgTM für holzartige Biomasse und von 7,4653•10-4 MW/Mg für Slurry.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
161
Tabelle 5.1: Module der Produktionstechnologien
Modul
Anlagenkonzept nach
Modul I
FZK (Pyrolyseeinheit)
Modul II
FZK (Syntheseeinheit)
Syntheseverfahren
Kapazitätsklassen 100 MW
Fischer-Tropsch-Synthese
500 MW, 2 GW
Modul III
FZK (Syntheseeinheit)
Methanolsynthese
500 MW, 2 GW
Modul IV
Choren
Fischer-Tropsch-Synthese
500 MW, 2 GW
Modul V
Choren
Methanolsynthese
500 MW
5.2.2
Investitionen der Produktionstechnologien und fixe betriebsbedingte Zahlungen
Das Vorgehen zur Schätzung der Investitionen für die Produktionstechnologien beruht auf der Kenntniss der erforderlichen Investitionen der Einzelaggregate. Diese können, wie in Abschnitt 4.2.2.1 beschrieben, durch Herstelleranfragen, Zeitindizes oder Größendegressionsexponenten ermittelt werden. In Tabelle 5.2 sind Investitionsschätzungen für die installierten Einzelaggregate der verschiedenen Module sowie für die unterschiedlichen Kapazitäten angegeben. Tabelle 5.2: Schätzung der Investitionen der Einzelaggregate (Berechnungen auf Datengrundlage von [BEIERMANN 2009])
Modul
Kapazität
Summe der Einzelinvestitionen für Apparate und Maschinen
Modul I
100 MW
15,28 Mio. €
Modul II
500 MW
184,90 Mio. €
Modul II
2 GW
573,24 Mio. €
Modul III
500 MW
218,43 Mio. €
Modul III
2 GW
633,72 Mio. €
Modul IV
500 MW
291,08 Mio. €
Modul IV
2 GW
881,97 Mio. €
Modul V
500 MW
322,59 Mio. €
Unter Einbezug der ermittelten Zuschlagsfaktoren für den direkten und den indirekten Kapitalbedarf (vgl. Abschnitt 4.2.2.2) kann das Anlagekapital für die Produktionsmodule ermittelt werden. Ausgehend von dem ermittelten Anlagekapital der Produktionsmodule werden die betriebsbedingten fixen Zahlungen bestimmt (vgl. Abschnitt 4.2.3.1). Zu diesen zählen Zahlungen für Versicherungen, lokale Steuern sowie die Instandhaltung der Produktionsanlagen. Die resultierenden Werte sind in nachstehender Tabelle angeführt.
162
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Tabelle 5.3 : Schätzung des Anlagekapitals, der Gesamtinvestition und der jährlichen fixen betriebsbedingten Zahlungen
Modul
Kapazität Anlagekapital
Gesamtinvestition
Jährliche fixe betriebsbedingte Zahlungen
Modul I
100 MW
57 ,15 Mio. €
4.153.015 € 50.269.438 €
48,57 Mio. €
Modul II
500 MW
587,95 Mio. €
691,70 Mio. €
Modul II
2 GW
1.822,81Mio. €
2.144,48 Mio. €
155.850.195 €
Modul III
500 MW
694,59 Mio. €
817,16 Mio. €
59.387.422 €
Modul III
2 GW
2.015,13 Mio. €
2.370,74 Mio. €
172.293.280 €
Modul IV
500 MW
925,58 Mio. €
1.088,92 Mio. €
79.136.940 €
Modul IV
2 GW
2.804,55 Mio. €
3.299,47 Mio. €
239.789.127 €
Modul V
500 MW
1.025,80 Mio.€
1.206,83 Mio. €
87.706.263 €
5.2.3
Kapazitätsauslastungsabhängige Zahlungen der Produktionsprozesse
Die entscheidungsrelevanten Massen- und Energiebilanzen der Produktionsprozesse bilden das Mengen- bzw. Massengerüst und werden durch Einbeziehung der Preise für Stoffe und Energie, also des Wertegerüsts, zur Ermittlung eines Teils der kapazitätsauslastungsabhängigen Zahlungen genutzt. Ein Teil der Stoff- und Energiebilanzen kann direkt Simulationsstudien entlehnt werden. Darüber hinaus sind weitere Betriebsstoffe, die nicht explizit in den Simulationsmodellen abgebildet werden, einzubeziehen, wie beispielsweise Katalysatormaterial. Die bewerteten Stoff- und Energiebilanzen für die Produktionsmodule sind den Untersuchungen von Beiermann [BEIERMANN 2009] entnommen. Neben den Zahlungen für Stoffe und Energien werden in diesen Zahlungen ebenfalls Zahlungen für Personal und Overhead berücksichtigt, die entsprechend Abschnitt 4.2.3.2 bestimmt werden. Die gesamten kapazitätsauslastungsabhängigen Zahlungen der einzelnen Module sind in Tabelle 5.4 gegeben. Da in dem Produktionsprozess des Moduls II sowohl die notwendige Prozessenergie als auch zusätzliche Elektrizität gewandelt werden, können in diesem Modul Einzahlungen durch den Verkauf der überschüssigen Elektrizität erzielt werden. Tabelle 5.4: Kapazitätsauslastungsabhängige Zahlungen
Modul I
Modul II
Modul II
Modul III
Modul III
Modul IV
Modul IV
100 MW
500 MW
2 GW
500 MW
2 GW
500 MW
2 GW
Modul V 500 MW
32,87 [€/kW]
- 8,44 [€/kW]
-11,08 [€/kW]
27,75 [€/kW]
25,11 [€/kW]
33,70 [€/kW]
31,06 [€/kW]
52,32 [€/kW]
Ebenfalls werden aus den Massenbilanzen Transformationskoeffizienten abgeleitet, welche die Transformation der eingesetzten Biomassearten in synthetischen Biodiesel oder Slurry sowie die Transformation des Slurries in synthetischen Biodiesel beschreiben. In Tabelle 5.5 sind diese Transformationskoeffizienten für Stroh und holzartige Biomasse dargestellt.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
163
Tabelle 5.5: Transformationskoeffizienten in [Mg/Mg]
Modul
I 95
II
III
IV
V
Transformationskoeffizient bezogen auf eingesetzte Trockenmasse Stroh
0,6800
-
-
0,1807
0,1886
Transformationskoeffizient bezogen auf eingesetzte Trockenmasse holzartiger Biomasse
0,7250
-
-
0,1986
0,2072
Transformationskoeffizient bezogen auf eingesetzten Slurry
-
0,1492
0,1923
-
-
Nachdem die den beiden Fallstudien gemeinsamen entscheidungsrelevanten Daten der Produktionstechnologien dargestellt wurden, werden nachfolgend die beiden Fallstudien beschrieben, beginnend mit der regionalen Netzwerkgestaltung für Norddeutschland. 5.3
Regionale Fallstudie für Norddeutschland
Die regionale Fallstudie für Norddeutschland hat zum Ziel, Netzwerkkonstellationen zur Produktion von synthetischem Biodiesel in der Region Niedersachen zu entwickeln. In diesen Produktionsnetzwerken stehen das regionale Sourcing der Biomasse sowie eine Bedienung der regionalen Kraftstoffnachfrage im Vordergrund. Die Fallstudie richtet sich somit an potenzielle Investoren und politische Entscheidungsträger, die an der Förderung regionaler Strukturen, insbesondere der Landwirtschaft, interessiert sind. Die Region Niedersachsen wurde aufgrund ihres hohen Biomassepotenzials ausgewählt. Das Bundesland Niedersachsen hat im deutschlandweiten Vergleich nach Bayern das zweithöchste Biomassepotenzial. Im Jahr 2008 wurde in Niedersachsen von insgesamt 49.917 landwirtschaftlichen Betrieben eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 3,06 Mrd. € erzielt. Die betrachtete Region umfasst auch die Bundesländer Bremen und Hamburg. Diese haben aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte eine hohe Kraftstoffnachfrage. Die Planungsaufgabe besteht in der Auswahl von Anlagenkonzepten, Kapazitäten und Errichtungszeitpunkten der Produktionstechnologien unter Berücksichtigung der Stoffflussbeziehungen von Biomassequellen zu den Produktionsmodulen, zwischen einzelnen Produktionsmodulen und von den Produktionsmodulen zu den Biokraftstoffsenken. Die grundsätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Produktionsnetzwerks in der Region Niedersachsen sind in Abbildung 5.2 dargestellt. Die Quellen stellen die regionalen Sammelstellen für verschiedene Arten von Biomasse dar. Von hier wird Biomasse zu den Produktionsmodulen transportiert. Da sowohl ein zentrales als auch ein dezentrales Anlagenkonzept berücksichtigt werden (vgl. Abschnitt 5.2.1), kann die Biomasse grundsätzlich entweder in eine zentrale Produktionsanlage nach Choren (Module IV und V) oder in eine Pyrolyseanlage (Modul I) geliefert werden. In den Produktionsmodulen nach Choren findet 95
In Modul I erfolgt die Transformation von Biomasse in das Zwischenprodukt Slurry.
164
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
eine direkte Transformation der Biomasse in synthetischen Biodiesel statt. In den Pyrolysemodulen wird die Biomasse in das Zwischenprodukt Slurry umgewandelt und dann zu den weiterverarbeitenden Modulen (Module II und III) transportiert, in denen synthetischer Biodiesel hergestellt wird. Synthetischer Biodiesel wird in einer letzten Transportstufe zur Befriedigung der Nachfrage in die Senken transportiert. Standortefür Pyrolyseanlagen
Quelle
Standortefür Syntheseanlagen
Senken
SlurryͲTransport
…
…
…
…
…
BiomasseͲ Transport
BiodieselͲTransport
…
… BiomasseͲ transformation
Biomassebereitstellung
BiomasseͲ oderSlurryͲ transformation
Ausgewählte Entscheidungsvariablen:
Nachfragenach synthetischem Biodiesel
Errichtung von Produktionsanlagen
Strukturvariablen
(Standort, Kapazität, Anlagenkonzept, Periode)
Stofftransport
Biomasse
Slurry
Synthetischer Biodiesel
(Quelle, bereitstellendes oder aufnehmendes Modul, Standort, Senke, Periode)
Abbildung 5.2: Regionales Netzwerk zur Herstellung von synthetischem Biodiesel
Die Bereitstellung der Biomassen, die Errichtung von Produktionsmodulen sowie die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel erfolgen in den Knoten des Netzwerks. Diese Netzwerkknoten werden in der vorliegenden Fallstudie durch die 38 Kreisstädte und 11 Städte 96 in den betrachteten Bundesländern repräsentiert. Zur Bestimmung der Länge der Kanten zwischen den Netzwerkknoten werden zunächst die Luftlinien mit Hilfe der GaußKrüger Koordinaten berechnet. Die Straßendistanzen werden dann mit Hilfe eines Umwegefaktor abgeleitet [GUDEHUS 1999]. Der Aufbau der Fallstudie folgt dem in Abschnitt 5.1 beschriebenen Fallstudiendesign. 5.3.1
Datenermittlung
Nachfolgend wird die erforderliche Datenbasis in den Netzwerkbereichen Biomassebereitstellung, Transport und Nachfrage ermittelt.
96
Zu diesen Städten zählen die kreisfreien Städte (vgl. Tabelle 5.6) sowie die Stadtstaaten Hamburg und Bremen (mit den Städten Bremen und Bremerhaven).
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
165
5.3.1.1 Biomassebereitstellung Einen wesentlichen Einfluss auf das Biomassepotenzial einer Region übt die verfügbare Fläche zum Anbau der Biomasse aus. Biomasse wird dabei sowohl von landwirtschaftlichen Flächen in Form von Stroh und Energiepflanzen als auch von Waldflächen in Form von Restholz gewonnen (vgl. hierzu auch Abschnitt 2.2.1.1). Die gesamte Bodenfläche der betrachteten Region beläuft sich auf ca. 48.779 km2, wobei sich diese Fläche mit ca. 404 km2 auf Bremen, ca. 755 km2 auf Hamburg und ca. 47.620 km2 auf Niedersachsen aufteilt. Verwaltungstechnisch gliedert sich Niedersachsen in 38 Landkreise und 8 kreisfreie Städte. Der Stadtstaat Bremen besteht aus den beiden Städten Bremen und Bremerhaven. Die landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächennutzung in der betrachteten Region ist für Niedersachsen auf Landkreisebene in Tabelle 5.6 dargestellt. Tabelle 5.6: Flächennutzung in Niedersachsen, Bremen und Hamburg in [km2] (Daten: [STATISTISCHES BUNDESAMT 2009b])
Bodenfläche
Landwirtschaftsfläche
Waldfläche
Hamburg
755,24
191,89
43,98
Bremen
404,28
115,55
772
Bremen Bremerhaven Niedersachsen
325,41
103,533
78,87
10,97
47.619,72
28.979,43
4,54 3,08 10.114,27
Braunschweig, kreisfreie Stadt
192,09
73,84
24,29
Salzgitter, kreisfreie Stadt
223,91
114,56
37,11
Wolfsburg, kreisfreie Stadt
204,01
89,88
47,87
Gifhorn, Landkreis
1.562,77
827,88
508,99
Göttingen, Landkreis
1.117,46
571,29
371,81
Goslar, Landkreis
965,05
277,73
554,48
Helmstedt, Landkreis
673,81
405,75
165,22
Northeim, Landkreis
1.266,87
622,49
486,20
Osterode am Harz, Landkreis
636,00
191,61
357,22
Peine, Landkreis
534,75
376,96
50,56 134,62
Wolfenbüttel, Landkreis
722,41
488,32
Region Hannover, Landkreis
2.290,50
1.263,73
437,02
Diepholz, Landkreis
1987,59
1.482,41
186,66
796,16
417,17
253,96
Hameln-Pyrmont, Landkreis Hildesheim, Landkreis Holzminden, Landkreis Nienburg (Weser), Landkreis Schaumburg, Landkreis
1.205,75
708,54
293,21
692,50
292,57
316,92
1.398,94
942,54
240,64
675,55
370,32
172,90
166
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Bodenfläche
Landwirtschaftsfläche
Waldfläche
Celle, Landkreis
1.545,03
593,63
694,79
Cuxhaven, Landkreis
2.072,50
1.577,68
164,46
Harburg, Landkreis
1.244,60
665,28
350,16
Lüchow-Dannenberg, Landkreis
1.220,44
635,13
451,48
Lüneburg, Landkreis
1.323,13
695,24
406,87
Osterholz, Landkreis
650,73
448,31
62,90
Rotenburg (Wümme), Landkreis
2.070,00
1.521,57
299,84
Soltau-Fallingbostel, Landkreis
1.873,46
791,19
596,23
Stade, Landkreis
1.265,98
923,13
88,37
Uelzen, Landkreis
1.453,83
775,61
485,17
Verden, Landkreis
787,70
556,27
94,94
62,36
29,08
1,64
Emden, Kreisfreie Stadt
112,38
64,46
0,75
Oldenburg, Kreisfreie Stadt
102,96
33,26
3,40
Osnabrück, Kreisfreie Stadt
119,80
39,24
19,67
Wilhelmshaven, Kreisfreie Stadt
103,51
38,75
11,75 72,48
Delmenhorst, Kreisfreie Stadt
Ammerland, Landkreis
728,33
517,14
Aurich, Landkreis
1.287,27
952,60
48,92
Cloppenburg, Landkreis
1.418,17
1.011,34
170,57
Emsland, Landkreis
2.881,40
1.885,31
485,01
Friesland, Landkreis
607,81
448,14
41,12
Grafschaft Bentheim, Landkreis
980,79
666,06
151,07
Leer, Landkreis
1.085,78
802,90
23,58
Oldenburg, Landkreis
1.063,06
699,02
186,42
Osnabrück, Landkreis
2.121,54
1.358,02
415,49
Vechta, Landkreis
812,53
560,19
99,64
Wesermarsch, Landkreis
821,88
668,68
9,17
Wittmund, Landkreis
656,65
504,59
38,73
Das Biomassepotenzial zur Produktion von synthetischem Biodiesel wird maßgeblich durch die Nutzung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen bestimmt. In Niedersachsen wurden im Jahr 2007 ca. 920 Tg pflanzliche Erzeugnisse hergestellt. Im Vergleich dazu belief sich die Produktion von tierischen Erzeugnissen auf über 7 Tg. [NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG - LANDWIRTSCHAFT VERBRAUCHERSCHUTZ UND LANDESENTWICKLUNG 2010] Die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen hängt von vielen Faktoren ab, neben klimatischen Bedingungen und der Bodenqualität spielen hier insbesondere Preisentwicklungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse eine Rolle.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
167
In der vorliegenden Fallstudie werden die Ergebnisse von Studien des EU-Projekts Renew zu Entwicklungen des Biomassepotenzials speziell für die Herstellung von Biokraftstoffen genutzt (vgl. Abschnitt 2.2.1.1). In diesem Projekt wurden die Biomassepotenziale unter anderem für Deutschland auf Bundeslandebene bestimmt. [RENEW D 5.1.1 2004] Das Vorgehen im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen erfolgte in Anlehnung an einen ressourcenorientierten Ansatz von [ERICSSON/ NILSSON 2006]. Auf Grundlage von Daten aus den Datenbanken der Food and Agriculture Organization of the United Nations [FOOD AND AGRICULTURE ORGANIZATION OF THE UNITED NATIONS 2008] wurden zwei potenzielle Szenarien für das zukünftige Biomasseangebot zur Kraftstoffproduktion für das Jahr 2020 im Hinblick auf verfügbare Massen und Preise ermittelt. Zu diesen Daten zählen Informationen über die verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen, die Ausbeuten an landwirtschaftlichen Produkten pro Flächeneinheit, die Anteile von Reststoffen an den landwirtschaftlichen Produkten sowie Entwicklungen in konkurrierenden Biomassenutzungspfaden, wie der Lebensmittelproduktion. In der Untersuchung wurden nachstehende Annahmen getroffen [RENEW D 5.1.1 2004]:
Die Bereiche Lebensmittelproduktion und Faserproduktion werden nicht beeinflusst.
Vorhandene Stilllegungsflächen werden zu 100 % zum Anbau von Energiepflanzen genutzt.
Aufgrund einer Intensivierung der Flächennutzung im Rahmen der Lebensmittelproduktion, wird mittel- bis langfristig von einer Reduzierung der benötigten landwirtschaftlichen Fläche ausgegangen.
Langfristig werden beim Anbau von Energiepflanzen Lerneffekte und Fortschritte in der Pflanzenzüchtung unterstellt.
Für den Reststoff Stroh werden spezifische Ausbeuten bezogen auf eine Masseneinheit des produzierten Produkts angegeben. Für Weizen beläuft sich die Strohausbeute auf 1,3 Mg Stroh pro produziertem Mg Getreide sowie auf 1 Mg pflanzliche Reste pro produziertem Mg Mais. Nach Abzug des Bedarfs für die Tierhaltung, bleiben für energetische Zwecke 0,22 Mg Stroh/Mg Getreide und 0,25 Mg pflanzliche Reste/Mg Mais.
Die ermittelten Zahlungen für Biomasse beziehen sich auf die Bereitstellung ab einer Sammelstelle. Diese Zahlungen für die Breitstellung setzen sich aus den Bestandteilen Ernte, Ballung oder Häckselung, Be- und Endladungsvorgängen, Lagerung, Transport sowie Provisionen zusammen. Im Rahmen des EU-Projekts Renew wurden Sammelstellen mit unterschiedlichen Einzugsradien der verschiedenen Biomassen, also unterschiedlichen Transportdistanzen, unterstellt. [RENEW D 5.1.1 2004]
168
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Ermittlung des Biomassepotenzials in der Region Niedersachsen
Auf Grundlage der Informationen zu den Entwicklungen der Biomassepotenziale für die Bundesländer Niedersachsen, Bremen und Hamburg aus dem EU-Projekt Renew sowie den verfügbaren landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen in der betrachteten Region auf Landkreisebene (vgl. Tabelle 5.6) erfolgt die Ermittlung der dezentralen Biomasseverteilung. Für die Bundesländer Niedersachsen und Bremen werden durchschnittliche Ertragsfaktoren pro Einheit landwirtschaftlicher bzw. forstwirtschaftlicher Fläche bestimmt. Das Aufkommen der Biomassen Stroh und Energiepflanzen wird dabei auf die verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen in Niedersachen bzw. Bremen bezogen. Für Hamburg liegen die prognostizierten Biomassepotenziale der beiden Szenarien für das Jahr 2020 direkt vor. Das Aufkommen an Waldrestholz wird hingegen auf die deutschlandweite Waldfläche (106.488 km2) bezogen, da keine nach Bundesländern differenzierten Daten verfügbar sind. Die resultierenden Flächenertragsfaktoren bzw. Flächenerträge sind in Tabelle 5.7 gegeben. Jährliche Ertragsfaktoren zwischen dem Ausgangswert im Jahr 2004 und dem Wert im Jahr 2020 sowie darüber hinaus werden mit Hilfe einer linearen Regression ermittelt. Tabelle 5.7: Erträge bzw. Ertragsfaktoren für Biomassen (Berechnungen auf Datengrundlage von [RENEW D 5.1.7 2004], [RENEW D 5.1.3 2004])
Biomasse
Bezugsland
2004: Ausgangswert
2020: Hohe Flächenausbeuten
2020: Ökologischer Anbau
Waldrestholz
Deutschland
48,50 [MgTM/(km2·a)]
53,31 [MgTM/(km2·a)]
52,55 [MgTM/(km2·a)]
Stroh
Hamburg
0
0
0
Bremen
0
0
0
Niedersachsen 44,70 [MgTM/(km2·a)]
33,64 [MgTM/(km2·a)]
25,88 [MgTM/(km2·a)]
Hamburg 97
4787,23 [MgTM/a]
12234,04 [MgTM/a]
5319,15 [MgTM/a]
Bremen
13,81 [MgTM/(km2·a)]
64,45 [MgTM/(km2·a)]
13,81 [MgTM/(km2·a)]
Niedersachsen 44,55 [MgTM/(km2·a)]
157,15 [MgTM/(km2·a)]
66,41 [MgTM/(km2·a)]
Schnell-wachsende Hölzer
Werden diese Ertragsfaktoren mit den in den einzelnen Landkreisen verfügbaren landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen multipliziert, ergibt sich die dezentrale Verteilung der Biomassepotenziale. In Abbildung 5.3 sind exemplarisch die resultierenden Strohpotenziale in den einzelnen Landkreisen im Jahr 2020 für die beiden Ausprägungen dargestellt.
97
Da Hamburg eine zusammenhängende Fläche darstellt, ist die Ermittlung eines spezifischen Biomasseaufkommens pro km2 nicht erforderlich.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
169
in [MgTM /a]
Ökologischer Biomasseanbau
Abbildung 5.3:
Hohe Flächenausbeuten
Strohaufkommen im Jahr 2020 für unterschiedliche Szenarien (Datengrundlage: [RENEW D 5.1.3 2004])
Ermittlung der Zahlungen für Biomasse
Die Ermittlung der Zahlungen für die verfügbaren Biomassen zur Produktion von synthetischem Biodiesel erfolgt auf Grundlage der Zahlungen für Biomasse ab einer Sammelstelle, die im Renew Projekt ermittelt wurden. Es werden die Zahlungen für Biomasse ab einer Sammelstelle mit einer durchschnittlichen Transportdistanz von 30 km bzw. einem Einzugsradius von ca. 43 km bestimmt. Hierzu wird der Anteil der distanzabhängigen Zahlungen für den Transport entsprechend angepasst. Die resultierenden Zahlungen sind in Tabelle 5.8 wiedergegeben. Tabelle 5.8: Zahlungen für die Bereitstellung von Biomassen an Sammelstellen in [€/MgTM] (Berechnungen auf Datengrundlage von [RENEW D 5.1.1 2004])
Biomasse
2004: Ausgangswert
2020: Hohe Flächenausbeuten
2020: Ökologischer Anbau
Waldrestholz
53,57
49,20
56,04
Stroh
67,60
63,64
65,70
128,22
84,04
97,38
Schnellwachsende Hölzer
Aufgrund ähnlicher technischer Eigenschaften, werden Energiepflanzen (schnellwachsende Hölzer) und Waldrestholz zusammengefasst und als holzartige Biomasse bezeichnet. Die Zahlungen für die holzartige Biomasse ergeben sich dabei entsprechend der Anteile des Gesamtaufkommens von Energiepflanzen und Waldrestholz in den einzelnen Landkreisen. 5.3.1.2 Transport In der durchgeführten regionalen Betrachtung werden als Transportmittel LKW bzw. Tankwagen berücksichtigt. Sowohl rohstoffseitig als auch kraftstoffseitig liegen aufgrund des regionalen Sourcings und der regionalen Distribution relativ kurze Transportdistanzen vor. Transporte auf der Schiene und auf Wasserstraßen sind in der Regel nur mit einem
170
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Transportmodimix realisierbar. Dieser erfordert Umladungsvorgänge, die einen derartigen Transport erst für deutlich größere Transportdistanzen lohnenswert machen, vorausgesetzt die entsprechende Infrastruktur ist vorhanden. [SUURS 2002] Die angenommenen Transportzahlungssätze für Rohstoffe, Slurry und Diesel gehen auf die Untersuchungen von Suurs [SUURS 2002] zurück. In [SUURS 2002] werden für diese Stoffe Transportzahlungssätze für Transportentfernungen von 50 km und 500 km angegeben. Auf dieser Grundlage werden lineare Zahlungsfunktionen für den Transport der Biomassen bestimmt (vgl. Tabelle 5.9). Tabelle 5.9: Zahlungsfunktionen für den Transport von Stoffen in [€/Mg] (Berechnungen auf Datengrundlage von [SUURS 2002])
Stoff
Zahlungsfunktion
Stroh
0,086 [€/(Mg· km)] · x [km] + 5,566 [€/Mg]
Holzartige Biomasse
0,086 [€/(Mg· km)] · x [km] + 3,6 [€/Mg]
Slurry
0,11 [€/(Mg· km)] · x [km] + 1[€/Mg]
Diesel
0,099 [€/(Mg· km)] · x [km] + 0,833 [€/Mg]
x .. Transportdistanz
5.3.1.3 Nachfrage nach synthetischem Biodiesel Die zukünftige Nachfrage nach Dieselkraftstoff wird durch viele Faktoren und Entwicklungen beeinflusst. Hierzu zählen die Entwicklung des Fahrzeugbestands mit Dieselmotoren, die Entwicklung des durchschnittlichen Verbrauchs der Fahrzeuge sowie die durchschnittlich zurückgelegte Fahrstrecke. Diese Entwicklungen stehen wiederum mit anderen Faktoren in Wechselwirkung, so zum Beispiel mit dem technischen Fortschritt, Preisentwicklungen und der Einkommenssituation der Bevölkerung. In diesem komplexen Umfeld hat der Mineralölwirtschaftsverband eine Prognose für die Dieselnachfrage in Deutschland bis zum Jahr 2025 erstellt. Die prognostizierten Werte für die Jahre 2009, 2010, 2015, 2020 und 2025 sind in Abbildung 5.4 dargestellt. Dazwischen liegende und weiterreichende Werte wurden mittels einer polynomialen Approximation bestimmt. Der Beständigkeitswert der verwendeten Approximationsfunktion liegt bei 0,978.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
171
Dieselnachfrage inMio.t
32 30 28 26
DieselnachfrageDeutschland Poly.(DieselnachfrageDeutschland)
24
y=Ͳ0,026x2 +0,428x+29,31 R²=0,978
22
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027
20
Abbildung 5.4:
Prognose der Dieselnachfrage in Deutschland (Berechnungen auf Datengrundlage von [MWV 2009])
Millionen
Die Bevölkerungsentwicklung wurde in einer umfassenden Studie des Statistischen Bundesamts [STATISTISCHES BUNDESAMT 2006] für Deutschland und die einzelnen Bundesländer bis zum Jahr 2050 ermittelt. Während in Hamburg zunächst ein Bevölkerungsanstieg prognostiziert wird, sinkt die Einwohneranzahl in Bremen und Niedersachsen und auch in Hamburg ab dem Jahr 2026. Entsprechende Ergebnisse für die betrachtete Region sind in Abbildung 5.5 dargestellt. 9 8 7
Einwohneranzahl
6 5 4
Bremen
3
Hamburg
2
Niedersachsen
1 0
Jahr
Abbildung 5.5:
Bevölkerungsentwicklung in Niedersachen, Bremen und Hamburg (Daten: [Statistisches Bundesamt 2007])
Regionale Nachfrage nach synthetischem Biodiesel
Das Vorgehen zur Bestimmung der regionalen Verteilung der Nachfrage nach synthetischem Biodiesel erfolgt zweistufig. Zunächst wird die regionale Verteilung der gesamten Dieselnachfrage auf Grundlage der deutschlandweiten Dieselnachfrage, der Bevölkerungsentwicklung in den Bundesländern und der Flächen der Landkreise bestimmt. Ausgehend von dieser regionalen Dieselnachfrage kann dann die regionale Nachfrage nach synthetischem Biodiesel als Anteil entsprechend gesetzlicher Regulierungen abgeleitet werden.
172
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
JährlicheDieselnachfrage proEinwohnerin[Mg]
Zur Bestimmung der gesamten Dieselnachfrage in der Region wird in einem ersten Schritt die jährliche Dieselnachfrage pro Einwohner in Deutschland ermittelt (vgl. Abbildung 5.6). Als Daten werden die Dieselnachfrageprognose sowie die Gesamtbevölkerungsentwicklung in Deutschland [Statistisches Bundesamt 2007] genutzt. In einem zweiten Schritt wird die Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Landkreisen in Niedersachsen sowie in den beiden Städten Bremen und Bremerhaven bestimmt. 98 Dies erfolgt mittels der bekannten Bodenflächen der Bundesländer, Landkreise und Städte sowie der in Abbildung 5.5 beschriebenen Bevölkerungsentwicklungen in den Bundesländern. Dabei wird ein durchschnittliches Einwohneraufkommen pro Quadratkilometer bestimmt, das entsprechend der demographischen Entwicklung im Zeitverlauf variiert. Für das Jahr 2008 beträgt dieser Wert in Bremen 1.642,43 Einwohner/km2 und in Niedersachsen 167,12 Einwohner/km2. 0,39 0,37 0,35 0,33 0,31 0,29 0,27 0,25
Abbildung 5.6:
Jährliche Dieselnachfrage pro Einwohner in Deutschland (Berechnungen auf Datengrundlage von [STATISTISCHES BUNDESAMT 2006], [MINERALÖLWIRTSCHAFTVERBAND 2006])
Mit Hilfe der jährlichen Dieselnachfrage pro Einwohner und der Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Landkreisen und Städten wird die regionale Verteilung der Dieselnachfrage für die untersuchte Region abgeleitet. Der jährliche Gesamtabsatz an Diesel ist Ansatzpunkt für gesetzliche Regulierungen, die einen Mindestanteil von Biodiesel vorsehen. Entsprechend kann die regionale Verteilung der Nachfrage nach synthetischem Biodiesel als Anteil an der regional verteilten Dieselnachfrage bestimmt werden. In Deutschland wird im Biokraftstoffquotengesetz ein Mindestanteil von Biodiesel an der Dieselnachfrage von 4,4 % vorgegeben (vgl. Abschnitt 2.3.2). Bei einer Umrechnung in Masseanteile müssen die unterschiedlichen Energiedichten von synthetischem Biodiesel und herkömmlichem Diesel berücksichtigt werden. Die Energiedichte von synthetischem Biodiesel liegt bei 46,4 GJ/Mg und ist höher als die Energiedichte von Diesel auf fossiler Basis mit einem Wert von 45,2 GJ/Mg [HAMELINCK 2004]. In Abbildung 5.7 sind exemplarisch die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel im Jahr 2020 bei einem Anteil des synthetischen Biodiesels von 4,4 % an der Gesamtdieselnachfrage dargestellt. Ein Anteil des synthetischen Biodiesels von 4,4 % entspricht den aktuellen gesetzlichen Vorgaben zum Mindestanteil von Biodiesel am abgesetzten Diesel. 98
Die Bevölkerungsentwicklung für Hamburg kann direkt den Angaben des Statistischen Bundesamts entnommen werden.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
173
[Mg] AnteilvomsynthetischenBiodieselamgesamtenDieselabsatz:4,4%
Abbildung 5.7:
Nachfrage nach synthetischem Biodiesel für einen Anteil des synthetischen Biodiesels von 4,4 % am Gesamtdieselabsatz im Jahr 2020
Preise für Dieselkraftstoff
Die Preise für Dieselkraftstoff sind bis zum Jahr 2008 im Durchschnitt monoton angestiegen. [STATISTISCHES BUNDESAMT 2009a] Wird ein linearer Anstieg für die Zukunft unterstellt, werden im Jahr 2020 Dieselpreise in Höhe von 2,04 €/l erreicht. Die Ergebnisse einer linearen Fortschreibung sind in Abbildung 5.8 dargestellt. Diese Preise gelten für den im Netzwerk erzeugten synthetischen Biodiesel. Die Strafzahlungen für extern bezogenen synthetischen Biodiesel werden mit einem Zuschlag von 10 % aufgrund von umfangreicheren Transporten angenommen.
Dieselpreisprognose
240
DieselpreisinCent/l
220 200 180 160 140 120 100
Abbildung 5.8:
2027
2026
2025
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
80
Prognose der Dieselpreisentwicklung (Daten: [STATISTISCHES BUNDESAMT 2009a] sowie eigene lineare Fortschreibung)
174
5.3.2
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Szenarienerstellung
Zur Szenarienerstellung wird die Szenariotechnik (vgl. Abschnitt 3.3.3) angewendet. Das in der Szenariotechnik beschriebene Vorgehen zur Analyse und Bewertung strategischer Entscheidungen wurde bereits in den vorangegangenen Kapiteln und Abschnitten eingeschlagen. In Kapitel zwei erfolgte eine umfassende Analyse der Planungssituation. In dieser wurden mit der Biomassebereitstellung, der Produktion synthetischer Biokraftstoffe sowie der Nachfrage nach diesen Kraftstoffen die drei wesentlichen Einflussbereiche identifiziert und Einflussfaktoren beschrieben, wie beispielsweise die der Gesetzgebung. In der Modellierung des Netzwerkgestaltungsproblems zur Produktion synthetischer Biokraftstoffe erfolgte die Überführung der Einflussfaktoren in konkrete Deskriptoren, den Modellparametern. In den vorangegangenen Abschnitten wurde eine Trendprojektion für die Modellparameter vorgenommen. In den folgenden Ausführungen werden die alternativen Deskriptoren vorgestellt sowie die alternativen Ausprägungen beschrieben. Anschließend werden Ausprägungen der Deskriptoren zu Szenarien gebündelt. Im weiteren Verlauf der Fallstudie erfolgt die Bewertung mit Hilfe des entwickelten und angepassten Modells zur Technologie-, Kapazitätsund Standortplanung (vgl. Abschnitt 4.3) sowie des szenariobasierten Planungsansatzes (vgl. Abschnitt 4.4). Die so ermittelten Netzwerkkonfigurationen dienen der Ableitung von Handlungsempfehlungen für potenzielle Investoren und politische Entscheidungsträger in Abschnitt 5.5. Eine Würdigung der Ergebnisse sowie der Handlungsempfehlungen erfolgt in Kapitel sechs. 5.3.2.1 Ausprägungen der alternativen Deskriptoren Bezugnehmend auf die dargestellten Rahmenbedingungen und die bestehenden Unsicherheiten in einem potenziellen Netzwerk werden im Folgenden exemplarisch Unsicherheiten in den Bereichen Biomasseangebot, Technologien und Nachfragentwicklungen untersucht. Die alternativen Ausprägungen der Deskriptoren bzw. Modellparameter werden in den folgenden Absätzen kurz beschrieben. Biomassebereitstellung
Das unsichere zukünftige Biomassepotenzial wird durch zwei mögliche Entwicklungen repräsentiert. Diese entsprechen den Untersuchungsergebnissen des Projekts Renew. In der einen Entwicklung werden das Biomasseangebot und die erforderlichen Zahlungen für Biomasse für den Fall eines ökologischen Biomasseanbaus ermittelt. In der anderen Entwicklung werden Angebot und Zahlungen für den Fall von hohen Flächenausbeuten bestimmt (vgl. Abschnitt 5.3.1.1). Produktionstechnologien
Hinsichtlich der Technologien werden neben den nach Beiermann [BEIERMANN 2009] ermittelten Investitionen und der damit einhergehenden fixen Zahlungen (vgl. Abschnitt
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
175
5.2.2) desweiteren niedrigere Ausprägungen dieser Werte berücksichtigt. Schätzungen zu den erforderlichen Investitionen für die Produktionstechnologien variieren in der Literatur mitunter stark. Als Beispiele können Schätzungen von Kerdoncuff [KERDONCUFF 2008] angeführt werden, die sich für ein Anlagenkonzept des Forschungszentrums Karlsruhe in einer Kapazitätsklasse von 550 MW und unter Einsatz der Fischer-Tropsch-Synthese auf 760 Mio. € belaufen. Im Vergleich dazu belaufen sich die von Beiermann ermittelten und in dieser Arbeit angenommenen Investitionen für eine Anlage nach dem Konzept des Forschungszentrums Karlsruhe mit einer Kapazität von 500 MW auf ca. 1.035 Mio. € (vgl. Tabelle 5.3Tabelle 5.3). Die Unterschiede in den einzelnen Schätzungen sind dabei wesentlich auf die Ermittlung der Zuschlagsfaktoren zurückzuführen. In der einschlägigen Literatur sind Bandbreiten für die Festlegung der einzelnen Faktoren angeführt. Innerhalb dieser Bandbreiten sind entsprechend des vorliegenden Prozesses der hergestellten Produkte und weiterer Rahmenbedingungen die Werte der Faktoren auszuwählen (vgl. Abschnitt 4.2.2.2). Vor diesem Hintergrund wird ein zweiter Zuschlagsfaktor ermittelt. Im Rahmen dieser Ermittlung werden die beiden größten Anteile bezogen auf die installierten Hauptkomponenten im Bereich der direkten Investitionen, Bauwerke sowie Betriebseinrichtungen und Nebenanlagen, um jeweils 2 % reduziert. Die beiden nächstgrößten Anteile in diesem Bereich für Mess-, Steuer- und Regelungstechnik sowie Rohrleitungen werden jeweils um 1 % reduziert. Insgesamt ergibt sich somit eine Reduktion des Zuschlagsfaktors für die gesamte Investition in Höhe von 5 % auf 369 % (vgl. Tabelle 5.10).
176
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Tabelle 5.10: Zuschlagsfaktoren zur Ermittlung der Gesamtinvestition der Produktionsmodule, die im Vergleich zu Tabelle 4.5 gesenkt werden, in [%]
Position
Empirisch ermittelte Spanne der Anteile
Anteile bezogen auf Hauptkomponenten
Anteile bezogen auf installierte Hauptkomponenten
Apparate und Maschinen
15 – 40
100
Installation der Apparate und Maschinen
6 – 14
39
Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (installiert)
2–8
25
18
Rohrleitungen (installiert)
3 – 20
30
21,6
Elektrik (installiert)
2 – 10
10
7,2
Direkte Investitionen 100
Bauwerke
3 – 18
37
26,6
Geländeerschließung
2–5
12
8,6
Betriebseinrichtungen u. Nebenanlagen
8 – 20
53
38,1
Land
1–2
4
99
2,9
Zuschlagsfaktor direkte Investitionen
223
Zuschlagsfaktor indirekte Investitionen
91
Zuschlagsfaktor Anlagekapital Zuschlagsfaktor Betriebskapital
314 77
55
513
369
(15 % der Gesamtinvestition) Zuschlagsfaktor Gesamtinvestition
Nachfrage nach synthetischem Biodiesel
Bezüglich der Nachfrage werden drei verschiedene Entwicklungen untersucht. Zunächst wird eine geringe Nachfrage entsprechend der gesetzlich vorgeschriebenen minimalen Biodieselanteile nach dem Biokraftstoffquotengesetz von 4,4 % 100 am Gesamtdieselabsatz angenommen. Weiterhin wird eine höhere Ausprägung nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Gesamtanteil von Biokraftstoffen am Kraftstoffabsatz festgelegt. Als dritte Ausprägung wird eine höhere Nachfrage berücksichtigt. 101 Diese leitet sich aus dem ursprünglichen Ziel der Europäischen Union ab, bis zum Jahr 2020 20 % der Energienachfrage im Straßenverkehr durch erneuerbare Energien zu substituieren. Die Nachfrage beläuft sich für diese Entwicklung zu Beginn der Planung auf 10 % und steigt ab dem Jahr 2011 bis zum Jahr 2020 linear auf 20 % an. Die drei untersuchten Entwicklungen der synthetischen Biodieselanteile an der Gesamtdieselnachfrage sind in Abbildung 5.9 dargestellt. 99
Nach [BEIERMANN 2009]
100
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Anteile auf den Energiegehalt der Kraftstoffe.
101
Es wird davon ausgegangen, dass in Regionen, in denen Produktionsanlagen bestehen, hohe Anteile an Biokraftstoffen eingesetzt werden. Diese Übererfüllung der Mindestanteile kann eine Unterschreitung der Mindestanteile in anderen Regionen kompensieren.
AnteilvomsynthetischenBiodiesel amDieselabsatz
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
177
20% 18% 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 Jahr DieselanteilnachBioKraftQuG
Abbildung 5.9:
GesamtanteilnachBioKraftQuG
HoherAnteildessynthetischenBiodiesels
Als Deskriptoren berücksichtigte Anteile von synthetischem Biodiesel an der Gesamtdieselnachfrage
5.3.2.2 Szenarien Ausgangspunkt der Erstellung von Szenarien ist ein Basisszenario. Dieses Basisszenario wird durch einen ökologischen Biomasseanbau, Investitionen für Technologien nach den Schätzungen von Beiermann [BEIERMANN 2009] sowie eine Nachfrageentwicklung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu minimalen Biokraftstoffanteilen am Kraftstoffabsatz determiniert. Ausgehend von diesem Basisszenario werden jeweils einzeln die Ausprägungen der alternativen Deskriptoren variiert102 , um Einflüsse einzelner Deskriptoren eindeutig identifizieren zu können. Insgesamt ergeben sich somit fünf Szenarien: Basis, hohes Biomassepotenzial, niedrige Investitionen, niedrige Nachfrage, hohe Nachfrage. Diese sind in nachstehender Tabelle 5.11 dargestellt. Der Kalkulationszinsfuß wird in allen Szenarien mit 8 % pro Jahr angenommen. 103
102
Die Konsistenz der kombinierten Deskriptorenausprägungen ist hierbei gegeben.
103
Der anzusetzende Kalkulationszinsfuß ist abhängig von den Anteilen des eingesetzten Eigenkapitals und Fremdkapitals. Zur Ermittlung von Zinssätzen auf dem Kapitalmarkt für Anlagemöglichkeiten unter Unsicherheit können grundsätzlich Capital-Asset-Pricing-Models (CAPM) eingesetzt werden. [BREALEY ET AL. 2006] In diesen wird ein linearer Zusammenhang zwischen der zu erwartenden Rendite der Kapitalanlage und einer unsicheren Einflussgröße, wie beispielsweise dem Marktportfolio, aufgestellt. Da für die vorliegende Fallstudie die entsprechenden Daten nicht vorliegen, wird ein Richtwert für den Kalkulationszinsfuß für Investitionen in verfahrenstechnische Anlagen in Anlehnung an Peters et al. [PETERS ET AL. 2002], S.287, angenommen.
178
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Investitionen [BEIERMANN 2009]
Nachfrageentwicklung
Niedrige Nachfrage
X
Hohe Nachfrage
5.3.3
X
X
X
X
X X
X
Niedrigere Investitionen Basis Nachfrage
Hohe Nachfrage
Technologien
X
Hohe Flächenausbeute [RENEW D 5.1.1 2004]
Niedrige Nachfrage
Ökologischer Anbau [RENEW D 5.1.1 2004]
Niedrige Investitionen
Biomassebereitstellung
Biomassepotenzial
Ausprägung
Hohes
Parameter
Basis
Tabelle 5.11: Parameterausprägungen in den untersuchten Szenarien
X X X
X
X X
Modellanpassungen und Preprocessing
5.3.3.1 Anpassungen des Planungsmodells In diesem Abschnitt werden Anpassungen des Modells zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung an das konkret vorliegende Planungsproblem beschrieben. Das in dieser regionalen Fallstudie vorliegende Planungsproblem wurde bereits zu Beginn des Abschnitts 5.3 beschrieben. Ausgehend von dieser Beschreibung werden nachstehende Überlegungen zur Anpassung des Modells angestellt. In der Netzwerkplanung zur Produktion von synthetischem Biodiesel werden in dieser konkreten Fallstudie insgesamt vier unterschiedliche Stoffe berücksichtigt: Stroh, holzartige Biomasse, Slurry und synthetischer Biodiesel. Somit existieren zwei Inputstoffe, ein Zwischenprodukt sowie ein synthetischer Biokraftstoff. Die Indexmengen der Zwischenprodukte und Kraftstoffe können damit entfallen. Dies erfordert jedoch eine Differenzierung der Produktionsmodule hinsichtlich der Input- und Outputstoffe. Aufgrund der berücksichtigten Technologien reduziert sich das n-stufige Netzwerkmodell auf ein Netzwerk mit maximal drei Transportstufen. Drei Transportstufen sind erforderlich, sofern Module nach dem Forschungszentrum Karlsruhe errichtet werden. Für Module nach Choren sind lediglich der Biomassetransport zu den Modulen und der Transport des erzeugten synthetischen Biodiesels zu den Senken zu berücksichtigen. Aufgrund der unterschiedlichen Kapazitäten und Kapazitätsklassen der einzelnen Module I V werden die technologische Ausgestaltung der Module sowie die Kapazitäten vereinfachend zusammengefasst und entsprechende Module 1 - 8 definiert (vgl. Tabelle 5.12).
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
179
Tabelle 5.12: Modulbezeichnung in der regionalen Fallstudie
Modul I
Modul II
Modul II
Modul III
Modul III
Modul IV
Modul IV
100 MW
500 MW
2 GW
500 MW
2 GW
500 MW
2 GW
Modul V 500 MW
Modul 1
Modul 2
Modul 3
Modul 4
Modul 5
Modul 6
Modul 7
Modul 8
Die Formulierung des an diese Überlegungen angepassten Modells erfolgt auf Grundlage nachstehender Notation: Indizes: ܶ
Indexmenge der Perioden; ܶ א ݐ
ܳ
Indexmenge der Quellen; ܳ א ݍ
ܲ
Indexmenge potenzieller Produktionsstandorte; ǡ ݊ ܲ א
ܵ
Indexmenge der Senken; ܵ א ݏ
ܤ
Indexmenge der Biomassen; ܾ ܤ א
௦௦ ܯ
௦௦ Indexmenge der Module, die Biomasse verarbeiten; ݉ ܯ א
௦௨௬
ܯ
௦௨௬
Indexmenge der Module, die Slurry verarbeiten; ݉ ܯ א
௦௨௬ ܯ௨௧
௦௨௬ ܯ௨௧
Pyrolysemodul, das Slurry produziert; ݃ א
ௗ௦ ܯ௨௧
ௗ௦ Indexmenge der Module, die synthetischen Biodiesel produzieren;݉ ܯ א௨௧
ܯ
௦௦ Indexmenge der Module; ݉ǡ ݃ ܯ ;ܯ אൌ ܯ ܯ
௦௨௬
ܯൌ
௦௨௬ ܯ௨௧
;
ௗ௦ ܯ௨௧
Parameter und Koeffizienten: ݀
Distanz zwischen Quelle q und Produktionsstandort p
݀
Distanz zwischen Produktionsstandort n und Produktionsstandort p
݀௦
Distanz zwischen Produktionsstandort p und Senke s
݉݅ܤ௧
verfügbare Masse der Biomasse b an Quelle q in Periode t
݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧
Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in den Senken s in Periode t
ௗ௦ ߛ
Transformationskoeffizient des Moduls m, der die Transformation von Biomasse b in synthetischen Biodiesel beschreibt
௦௨௬
ߛ
Transformationskoeffizient, der die Transformation von Biomasse b in Slurry beschreibt
ௗ௦ ߛ
Transformationskoeffizient des Moduls m, der die Transformation von Slurry in synthetischen Biodiesel beschreibt
ߝ௦௦
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Masseneinheit der Biomasse b in die Kapazitätseinheit der Module beschreibt
ߝ ௦௨௬
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Masseneinheit Slurry in die Kapazitätseinheit der Module beschreibt
݉ܽܽܿݔ
maximale Aufnahmekapazität von Modul m
ܿ௧௦ǡ௦௦
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit der Biomasse b
ܿௗǡ௦௦
fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit der Biomasse b
180
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
ܿ
௧௦ǡ௦௨௬
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit Slurry
ܿ
ௗǡ௦௨௬
fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit Slurry
ܿ ௧௦ǡௗ௦
distanzabhängige Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel
ܿ ௗǡௗ௦
fixe Zahlungen für den Transport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel
௧
Zahlungen für eine Masseneinheit der Biomasse b in Periode t
݁௧
Einzahlungen durch den Verkauf einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel in Periode t
௧
Strafzahlungen für den Zukauf einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel in Periode t
ܸܰܲ
Kapitalwert
ܫ௧
Summe der Investitionen in Periode t
ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investitionen für Modul m
௧௪
Summe der stoffflussbedingten Zahlungen in Periode t
ܥ௧
௦௦
Summe der prozessbedingten Zahlungen in Periode t
ݔ݅ܨ
fixe prozessbedingte Zahlungen für Modul m
ܲܿݎ
Zahlungen für die Transformation einer Kapazitätseinheit von Inputstoff (Biomasse oder Slurry) in Modul m
݅
Kalkulationszinsfuß
ܥ௧
Entscheidungsvariablen: ݔ௧
Binäre Entscheidungsvariable, die den Wert 1 annimmt, wenn Modul m am Produktionsstandort p in Periode t eröffnet wird, sonst 0
ݖ௧
Anzahl der Module m, die am Produktionsstandort p bis einschließlich Periode t eröffnet wurden
௦௦ ݕ ௧
Biomasse b, die von Quelle q zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t transportiert wird
ݕ௧
௦௨௬
Masse des Slurries, die von Modul g am Produktionsstandort n zu Modul m am Produktionsstandort p in Periode t transportiert wird
ௗ௦ ݕ௦௧
Masse des synthetischen Biodiesels, die von Modul m am Produktionsstandort p zur Senke s in Periode t transportiert wird
ݒ௦௧
Masse von extern bezogenem Biodiesel, die in Senke s in Periode t zugekauft wird
Wie in Abschnitt 4.3 beschrieben, wird der Kapitalwert des regionalen Produktionsnetzwerks maximiert. Dieser ergibt sich aus der Summe der diskontierten Investitionen, der diskontierten stoffflussbedingten sowie der diskontierten prozessbedingten Zahlungen. ௧௪
ܸܲܰݔܽܯൌ ൣܫ௧ ܥ௧
௦௦
ܥ௧
൧ ȉ ሺͳ ݅ሻି௧
௧்א
Investitionen sind für die Errichtung der Produktionsmodule erforderlich.
(5.1)
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
181
ܶ א ݐ
ܫ௧ ൌ ݐݏ݁ݒ݊ܫ ȉ ݔ௧
(5.2)
אெ א
Stoffflussbedingte Zahlungen können zum einen dem Kauf und Verkauf von Stoffen in dem Produktionsnetzwerk zugeschrieben werden und zum anderen dem Transport der Stoffe (vgl. Abschnitt 4.3.2). ௧௪
ܥ௧
ൌെ
௦௦ ݕ௧ ȉ ௧
א אொ אெ್ೌೞೞ א
ௗ௦ ݕ௦௧ ȉ ݁௧
್ೞ אெೠ
א ௦אௌ
െ ݒ௦௧ ȉ ௧ ௦אௌ
െ ൦
௦௦ ݕ௧ ȉ ൫ܿ௧௦ǡ௦௦ ȉ ݀ ܿௗǡ௦௦ ൯
א אொ אெ್ೌೞೞ א
(5.3)
ೞೠೝೝ
אெೠ
ೞೠೝೝ
אெ
௦௨௬
ݕ௧ ȉ ൫ܿ
௧௦ǡ௦௨௬
ȉ ݀ ܿ
ௗǡ௦௨௬
൯
ǡא
ௗ௦ ݕ௦௧
್ೞ א ௦אௌ אெೠ
ȉ ൫ܿ ௧௦ǡௗ௦ ȉ ݀௦ ܿ ௗǡௗ௦ ൯ ܶ א ݐ
Die prozessbedingten Zahlungen setzen sich weiterhin aus einem fixen Anteil und einem kapazitätsauslastungsabhängigen Anteil zusammen.
182
௦௦
ܥ௧
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
ൌ െ ൦ݔ݅ܨ ȉ ݖ௧ ܲܿݎ אெ א
(5.4) ȉ ൮
௦௦ ݕ௧
ȉ ߝ௦௦
ఢ אொ
ೞೠೝೝ
אெೠ
௦௨௬ ݕ௧
ȉߝ
௦௨௬
൲൪ ܶ א ݐ
א
Massenbilanzen ௦௨௬
Die Module gliedern sich in Module g, die Slurry produzieren (݃ ܯ א௨௧
ሻ, und Module m,
ௗ௦ ܯ௨௧ ).
die synthetischen Biodiesel produzieren (݉ א Die Massenbilanzen der Slurryproduktion sind durch Gleichungen 5.5 gegeben. Die Transformation der Biomasse b ௦௨௬
beschrieben. am Produktionsstandort n wird durch den Transformationskoeffizientenߛ Der produzierte Slurry wird zum Modul m am Produktionsstandort p transportiert und dort zu synthetischem Biodiesel weiterverarbeitet.
௦௨௬
௦௦ ݕ௧ ȉ ߛ
ൌ
א אொ
ೞೠೝೝ
אெ ௦௨௬
ܯ א ݃௨௧
௦௨௬
ݕ௧
(5.5)
א
Ǣ ݊ ܲ אǢ ܶ א ݐ
Synthetischer Biodiesel kann sowohl aus Biomasse als auch aus Slurry in den Modulen m ௗ௦ ) hergestellt werden. Die Transformation der Inputstoffe (Biomasse bzw. (݉ ܯ א௨௧ ௗ௦ ௗ௦ Slurry) wird wieder durch einen Transformationskoeffizientenߛ bzw.ߛ beschrieben. Der produzierte synthetische Biodiesel wird zur Befriedigung der Nachfrage an die Senken s geliefert.
௦௦ ௗ௦ ݕ௧ ȉ ߛ א אொ
ೞೠೝೝ
אெೠ
௦௨௬
ௗ௦ ௗ௦ ݕ௧ ȉ ߛ ൌ ݕ௦௧ א
(5.6)
௦אௌ
ௗ௦ Ǣ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ ܯ א ݉௨௧
Kapazitätsrestriktionen
Nebenbedingungen 5.7 stellen sicher, dass die von einer Quelle q in Periode t abtransportierte Biomasse b das Angebot in dieser Quelle nicht überschreitet.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
௦௦ ݕ௧ ݉݅ܤ௧
್ೌೞೞ אெ
183
ܤ א ܾ Ǣ ܳ א ݍǢ ܶ א ݐ
(5.7)
א
Die Produktionsmodule sind durch eine maximale Aufnahmekapazität ݉ܽܽܿݔ gekennzeichnet. Die resultierenden Kapazitätsbeschränkungen werden durch Nebenbedingungen 5.8 beschrieben. In Abhängigkeit der Kapazitätseinheit der Module ist eine Umwandlung der Massen von eingehenden Stoffen (Biomasse oder Slurry) erforderlich. Diese Umwandlung wird durch biomassespezifische Kapazitätseinheitenkoeffizienten ߝ௦௦ bzw. einen Kapazitätseinheitenkoeffizienten für Slurry ߝ ௦௨௬ beschrieben.
௦௦ ݕ௧ ȉ ߝ௦௦ א אொ
ೞೠೝೝ אெೠ
௦௨௬
ݕ௧ ȉ ߝ ௦௨௬ ݉ܽܽܿݔ ȉ ݖ௧
(5.8)
א
ܯ א ݉ Ǣ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
Eine Nachfrage in den Senken des Netzwerks ist Ursache für den Aufbau von Produktionskapazitäten sowie für den Fluss von Stoffen. Diese Nachfrage wird entweder durch synthetischen Biodiesel befriedigt, der im Netzwerk produziert wird, oder durch die Masse von extern zugekauftem synthetischen Biodieselݒ௦௧ .
݀݊ܽ݉݁ܦ௦௧ ൌ
ௗ௦ ݕ௦௧ ݒ௦௧
ܵ א ݏǢ ܶ א ݐ
(5.9)
್ೞ א אெೠ
Variablendeklaration
Die folgenden Binärvariablen beschreiben die Entscheidung, ein Modul m am Produktionsstandort p in Periode t zu eröffnen. ݔ௧ אሼͲǡͳሽ
ܯ א ݉ Ǣ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(5.10)
Die Anzahl der Module, die bis einschließlich Periode t eröffnet wurden, wird wiederum durch Zählvariablen bestimmt. ݖ௧ ൌ ൜
ݔ௧ ǡ ݂ò ݐݎൌ ͳ ݖ௧ିଵ ݔ௧ ǡ ݐݏ݊ݏ
ܯ א ݉ Ǣ ܲ א Ǣ ( ܶ א ݐ5.11)
Stoffflüsse können in dem Produktionsnetzwerk nur positive Werte annehmen.
184 ௦௦ ݕ௧ Ͳ ௦௨௬
ݕ௧ Ͳ ௗ௦ ݕ௦௧ Ͳ
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
௦௦ ܤ א ܾ Ǣ ܳ א ݍǢ ݉ ܯ א Ǣ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ ௦௨௬
௦௨௬
(5.12)
Ǣ ݊ǡ ܲ א Ǣ ܶ א ݐ
(5.13)
ௗ௦ Ǣ ܲ א Ǣ ܵ א ݏǢ ܶ א ݐ ܯ א ݉ ௨௧
(5.14)
ܯ א ݃ ௨௧
Ǣ ݉ ܯ א
Entsprechend der vorgenommen Änderungen der Zielfunktion und der Nebenbedingungen ergeben sich gleichermaßen Änderungen an dem szenariobasierten Planungsansatz (vgl. Abschnitt 4.4), die hier nicht explizit dargestellt werden. 5.3.3.2 Preprocessing Aufgrund der Komplexität der resultierenden Planungsmodelle wird zusätzlich zur Modellanpassung eine Standortvorauswahl vorgenommen (vgl. Abschnitt 4.5). Durch die Standortvorauswahl wird die Probleminstanz verkleinert und so werden in der Regel die Rechenzeiten verkürzt. Die Standortvorauswahl erfolgt für zentrale Module nach Choren sowie für weiterverarbeitende Produktionsmodule nach dem Forschungszentrum Karlsruhe. Als Standortfaktoren werden in dieser Fallstudie das Biomassepotenzial, gute infrastrukturelle Anbindungsmöglichkeiten sowie gute Absatzmöglichkeiten des synthetischen Biodiesels genutzt (vgl. Abschnitt 3.2.2) 104 . Anhand dieser Faktoren werden Standorte ausgewählt, die mindestens einen dieser Standortfaktoren erfüllen. Bezüglich der Biomasse werden die Landkreise Cuxhaven, Diepholz, Emsland, Rotenburg und die Region Hannover ausgewählt, die sowohl für einen ökologisch verträglichen Biomasseanbau als auch für einen Biomasseanbau, der auf eine Maximierung der Erträge zielt, jeweils die höchsten Biomassepotenziale aufweisen. In Untersuchungen konnte aufgezeigt werden, dass Standorte mit einem hohen Biomassepotenzial bevorzugt werden. [KAPPLER ET AL. 2009], [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008], [LEIBLE ET AL. 2006] Unter den infrastrukturellen Maßnahmen werden Verkehrsanbindung, Energieversorgung und Fremddienste zusammengefasst. Bezüglich dieser Faktoren wird davon ausgegangen, dass sie an bestehenden Raffineriestandorten im Emsland, in Hamburg und in Wilhelmshaven gegeben sind. Im Hinblick auf die Absatzmöglichkeiten von synthetischem Biodiesel 105 wird eine unter Distributionsgesichtspunkten gute Positionierung der Standorte verstanden. In Voruntersuchungen konnten Aurich, Gifhorn und Nienburg als zusätzliche potenzielle Standorte ermittelt werden. Aurich und Gifhorn liegen 104
Die Standortfaktoren Arbeitskräfte und Umweltschutz werden aufgrund der regionalen Betrachtung nicht berücksichtigt. Da für diese strategische Planung eine Betrachtung auf Landkreisebene vorgenommen wird, erfolgt keine Suche nach konkreten Bauflächen. Steuern und Gebühren für die Produktionsanlagen können auf Landkreisebene variieren. Grundsätzlich wird jedoch allen Landkreisen ein Interesse zugesprochen, so dass von Steuer- und Gebührenvergünstigungen ausgegangen wird. Die tatsächliche Höhe von Steuern und Gebühren wird jedoch erst in Verhandlungen festgelegt werden. Hier können keine begründeten Annahmen getroffen werden, daher wird dieser Faktor ebenfalls nicht berücksichtigt.
105
Die Absatzmöglichkeiten von Nebenprodukten werden nicht berücksichtigt, da diese in dem entwickelten Planungsansatz implizit erfasst werden. Aufgrund der Bevölkerungsdichte in der Region Niedersachen wird von bestehenden Absatzmöglichkeiten ausgegangen.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
185
am äußeren Rand der betrachteten Region. Sie können als Ergänzung zu zentral positionierten Anlagen gewählt werden. Von Aurich aus wird dann die nord-westliche Region Niedersachsen beliefert, von Gifhorn aus die östliche Region Niedersachsen. Nienburg nimmt hingegen eine zentrale Position für die Distribution ein. Die Ergebnisse der Standortvorauswahl sind in nachstehender Abbildung 5.10 dargestellt. Die gewählten zehn Standorte bzw. Städte sind als schwarze Punkte in der Karte eingezeichnet. Die dazugehörigen Landkreise sind rot hinterlegt.
Abbildung 5.10: Standortvorauswahl in der Region Niedersachsen
5.3.3.3 Implementierung und Lösung des Planungsansatzes Die mathematischen Modelle des Planungsansatzes zur Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischem Biodiesel werden in ILOG OPL implementiert und auf einem 64 Bit Windows Rechner mit einem Arbeitsspeicher von 12 GB RAM gelöst. Die resultierenden Größenordnungen der Modelle liegen für das angepasste Planungsmodell (vgl. Abschnitt 5.3.3.1) bei 11.865 Nebenbedingungen, 4.760 ganzzahligen Entscheidungsvariablen und 729.701 Nicht-Null-Koeffizienten. Die Modelle der szenariobasierten Erweiterung weisen eine Größenordnung von ca. 21.610 Nebenbedingungen, 1.200 ganzzahligen Entscheidungsvariablen und 1.932.180 Nicht-NullKoeffizienten auf. Erste Untersuchungen dieser Probleminstanzen haben ergeben, dass trotz der Modellanpassung und der Standortvorauswahl sehr lange Rechenzeiten resultieren. Daher wird zum einen eine Verkleinerung der Probleminstanz vorgenommen und zum anderen erfolgt eine spezielle Form der Initialisierung des Planungsmodells. Zur Verkleinerung der Probleminstanz wird die Erkenntnisse aus der separaten Betrachtung der Szenarien genutzt,
186
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
dass zentrale Anlagenkonzepte in der betrachteten Region vorteilhaft sind. So werden bei den szenarienübergreifenden Untersuchungen in den erweiterten Planungsmodellen ausschließlich zentrale Anlagenkonzepte berücksichtigt. Im Rahmen der Initialisierung von den Planungsmodellen der szenariobasierten Erweiterung wird bereits eine gute zulässige Lösung vorgegeben. Diese gute zulässige Lösung stellt eine Lösung aus der Anwendung des deterministischen Modells dar: Die Errichtung des Moduls 3 am Standort Nienburg in der ersten Periode. Das maximal zulässige MIP-Gap wurde auf 1 % festgelegt. Da mit dem langfristigen Charakter von realen Standortentscheidungen und der Technologieauswahl Unsicherheiten in der Datenbasis einhergehen, können möglich Abweichungen der gefunden Lösung von der optimalen Lösung in dieser Größenordnung vernachlässigt werden [CORDEAU ET AL. 2006]. Die erforderlichen Rechenzeiten der Planungsmodelle liegen zwischen ca. 4,5 Stunden und mehreren Tagen. 5.3.4
Ergebnisse
Die folgenden Ergebnisse gliedern sich in die Netzwerkkonfigurationen für die einzelnen Szenarien bei separater Betrachtung sowie die Netzwerkkonfigurationen für unterschiedliche Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger bei simultaner Berücksichtigung der Szenarien im szenariobasierten Ansatz. Diese Unterteilung wird durchgeführt, um zunächst im Rahmen der separaten Betrachtung Analysen hinsichtlich der gewählten Module und Produktionsstandorte zu ermöglichen und so ein Verständnis der entscheidenden Einflussgrößen zu erlangen. Netzwerkkonfigurationen für die einzelnen Szenarien
Die resultierenden Netzwerkkonfigurationen für die einzelnen Szenarien sind in Abbildung 5.11 für das Ende des Planungszeitraums von 20 Jahren dargestellt. Gemein ist den gefundenen Lösungen, dass ausschließlich das zentrale Anlagenkonzept nach Choren jeweils in der ersten Planungsperiode errichtet wird. In diesem zentralen Anlagenkonzept kommen Größendegressionseffekte in der Produktion zum Tragen. Mit Ausnahme des Szenarios „niedrige Nachfrage“ werden Module mit der Fischer-Tropsch-Synthese errichtet. Die Fischer-Tropsch-Synthese weist im Vergleich zur Methanolsynthese geringere Prozessausbeuten auf, geht jedoch auch mit geringeren Investitionen einher. Diese Eigenschaften erweisen sich in der betrachteten Region vielfach als vorteilhaft. Die Region ist durch ein hohes Biomassepotenzial gekennzeichnet, so sind weite Transporte von Biomasse nicht erforderlich und Biomasse kann relativ günstig bezogen werden. Die höhere Investition für eine Anlage mit der Methanolsynthese wird nicht durch Einsparungen beim Biomassebezug kompensiert. Die Auswahl einer zentralen Produktionsanlage mit der Methanolsynthese in dem Szenario „niedrige Nachfrage“ wird sowohl durch die Nachfrage bedingt, die mit einer 500 MW Anlage nicht vollständig befriedigt werden kann (vgl. hierzu auch Abbildung 5.12), als auch durch den Standort Rotenburg, der für den Fall eines ökologischen Biomasseanbaus
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
187
im Hinblick auf die Biomassebereitstellung weniger vorteilhaft ist. Diese beiden Faktoren führen dazu, dass die höheren Prozessausbeuten in Modulen mit der Methanolsynthese vorteilhaft sind. In Abhängigkeit der vorhandenen Nachfrage werden Module mit einer Kapazität von 500 MW und 2 GW errichtet. Im Vergleich der Kapazitätsklassen können bei einer Kapazität von 2 GW Größendegressionseffekte erzielt werden. Die räumliche Verteilung der errichteten Produktionsmodule ist für alle Szenarien ähnlich. Die Produktionsstandorte konzentriert sich auf die Landkreise Diepholz, Nienburg, Rotenburg und die Region Hannover. Diese Landkreise sind durch ein hohes Biomasseaufkommen in der Umgebung gekennzeichnet und nehmen unter Distributionsgesichtspunkten eine relativ zentrale Position in der betrachteten Region ein. Die Landkreise Diepholz, Nienburg und die Region Hannover zeichnen sich insbesondere durch eine gute Position bei der Beschaffung von Biomasse aus. Rotenburg ist aufgrund der Lage zwischen den großen Kraftstoffsenken Hamburg und Bremen vorteilhaft.
Rotenburg 1 Diepholz 1
Rotenburg 1
Diepholz 1
RegionHannover 1
Basis(NPV:200Mio.€) Niedrige Investitionen (NPV:Mio.378Mio.€)
Nienburg 1
Hohes Biomassepotenzial (NPV:254Mio.€)
Niedrige Nachfrage (NPV:202Mio.€)
x
CHOREN(FischerͲTropschͲS.)500 MW,Eröffnung inPeriode x
x
CHOREN(Methanols.)500 MW,Eröffnung inPeriode x
x
CHOREN(FischerͲTropschͲS.)2 GW,Eröffnung inPeriode x
Hohe Nachfrage (NPV:1.755Mio.€)
Abbildung 5.11: Resultierende Netzwerkkonfigurationen der einzelnen Szenarien
Anhand dieser Ergebnisse wird deutlich, dass die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel einen wesentlichen Einfluss auf die vorteilhafte Modulanzahl und die Kapazität der Produktionsmodule aufweist. Die Entwicklungen des verfügbaren Biomassepotenzials
188
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
beeinflussen die Wahl der vorteilhaften Produktionsstandorte und gegebenenfalls die Wahl des Syntheseverfahrens. In Abbildung 5.12 sind die anteiligen Zusammensetzungen der diskontierten Auszahlungen für die einzelnen Szenarien dargestellt. Hierbei handelt es sich um eine spezifische Zusammensetzung für einen Planungshorizont von 20 Jahren. Eine Betrachtung der Anlagennutzungsdauer über diesen Planungshorizont hinaus wird die anteilige Zusammensetzung der Zahlungen entsprechend verändern. In allen Szenarien wird die Nachfrage nicht ausschließlich durch den im Netzwerk produzierten synthetischen Biodiesel bedient. So fallen Strafzahlungen für eine externe Beschaffung an, deren Anteile an den gesamten diskontierten Auszahlungen für das Szenario „Basis“ am geringsten und für das Szenario „hohe Nachfrage“ am höchsten sind. Die Anteile der diskontierten Zahlungen für Transporte sind in allen Szenarien am geringsten. Aufgrund des hohen Biomassepotenzials in der Region ist das Sourcing aus der nahen Umgebung möglich. Die Anteile der diskontierten Zahlungen für Biomasse bewegen sich in einem Bereich zwischen 17 % und 21 %. Die Investitionen für Produktionsanlagen und damit ebenfalls der fixe Anteil der prozessbedingten Zahlungen bilden insgesamt einen großen Anteil am resultierenden Kapitalwert. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Investitionen im Vergleich zu anderen Studien auf Basis aktueller Preisindizes relativ hoch geschätzt wurden. Zum anderen sind sie der Beschränkung des Planungshorizonts geschuldet, durch die eine Nutzung der Produktionskapazitäten von lediglich 20 Jahren impliziert wird. Eine entsprechend längere Nutzungsdauer wird die Anteile reduzieren. 100% 9,42%
9,22%
9,01%
8,92%
90%
14,13%
80% 70%
33,52%
33,18%
33,85%
34,80%
29,21%
60% 50%
3,03% 17,56%
3,13%
2,68% 17,12%
18,16%
40%
4,30%
3,67% 17,21%
21,23%
ZahlungenfürProduktion ZahlungenfürTransport ZahlungenfürdenBiomasseankauf
30% 20%
ZahlungenZukauf
Investition 36,97%
37,35%
36,31%
34,90%
31,12%
10% 0% Basis
Hohes NiedrigeInvestition NiedrigeNachfrage Biomassepotenzial
HoheNachfrage
Abbildung 5.12: Anteilige Zusammensetzung der diskontierten Auszahlungen und Investitionen für einen Planungszeitraum von 20 Jahren
Die gesamten diskontierten Zahlungsströme in den einzelnen Perioden sind für den Planungshorizont von 20 Perioden in der nachstehender Abbildung 5.13 angegeben. Insbesondere eine Verlängerung der Nutzungsdauer wird die erzielbaren Kapitalwerte weiter erhöhen. Eine längere Nutzungsdauer der Produktionsmodule kann im Rahmen einer rollierenden Planung berücksichtigt werden. Hierfür sind jedoch Informationen über die erwarteten Änderungen der Rahmenbedingungen in einem zukünftigen Zeitpunkt erforderlich. Da diese Informationen
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
189
zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorliegen, wird an dieser Stelle lediglich auf den Einsatz der rollierenden Planung zur Berücksichtigung eines beschränkten Planungshorizonts verwiesen.
Basis
HohesBiomassepotenzial
NiedrigeInvestition
NiedrigeNachfrage
HoheNachfrage
Abbildung 5.13: Summe der diskontierten Zahlungen in den einzelnen Perioden für die verschiedenen Szenarien
280.000.000 180.000.000
Ͳ120.000.000
Einzahlungen
2026
Ͳ20.000.000
2017
80.000.000
2008
DiskontierteZahlungen inEuro
Die Schwankungen der Summe der diskontierten Zahlungen zwischen den einzelnen Perioden sind in hohem Maße auf Schwankungen in der Nachfrage zurückzuführen. Zudem treten Strafzahlungen für den externen Zukauf von synthetischem Biodiesel auf. In Abbildung 5.14 sind exemplarisch die Einzahlungen durch den Verkauf von im Netzwerk produziertem Biodiesel sowie die Strafzahlungen aus dem Szenario „Basis“ dargestellt.
Jahr
Strafzahlungenfürexternzugekauften syn.Biodiesel
Abbildung 5.14: Diskontierte Einzahlungen und diskontierte Strafzahlungen im Szenario „Basis“
Netzwerkkonfigurationen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Risikoeinstellungen
Im Folgenden werden die Gestaltungsoptionen für das Produktionsnetzwerk vor dem Hintergrund unterschiedlicher Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern identifiziert. Die resultierenden Netzwerkkonfigurationen sind in Abbildung 5.15 dargestellt. Im Hinblick auf die gewählten Anlagenkonzepte und Standorte der Produktionsanlagen resultieren ähnliche Ergebnisse im Vergleich zu den Einzelbetrachtungen: Es werden ausschließlich zentrale Anlagenkonzepte nach Choren errichtet und die Menge der ausgewählten Standorte umfasst Diepholz, Nienburg, Rotenburg und die Region Hannover. Es zeigt sich jedoch, dass die Wahl des Syntheseverfahrens, der Anlagenkapazität und der Errichtungsperioden in Abhängigkeit der Risikoeinstellung der Entscheidungsträger variieren können.
190
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Bei der Anwendung des Maxmin-Kriteriums und des Hodges-Lehmann-Kriteriums wird jeweils die gleiche Netzwerkkonfiguration ermittelt. In diesem Netzwerk werden zwei zentrale Produktionsanlagen mit der Fischer-Tropsch-Synthese errichtet. Eine Anlage mit einer Kapazität von 500 MW wird in der ersten Planungsperiode im Landkreis Nienburg angesiedelt. Eine zweite Anlage mit einer Kapazität von 2 GW wird in der neunten Planungsperiode in Rotenburg eröffnet. Das Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriterium wird als Ersatzzielfunktion mit einem zu den Ergebnissen der Einzelszenarien vergleichsweise niedrigen Anspruchsniveau von 100 Mio. € und einer einfachen Gewichtung der ungünstigen Abweichungen modelliert. Mit dieser Ersatzzielfunktion ergibt sich eine Netzwerkstruktur mit insgesamt 3 zentralen Anlagen, in denen die Fischer-Tropsch-Synthese zum Einsatz kommt. Zwei der Anlagen werden in der ersten Planungsperiode eröffnet, die dritte Anlage in der neunten Planungsperiode. Der Einsatz des Erwartungswert-Kriteriums führt zu der Errichtung einer zentralen Produktionsanlage. Die Anlage umfasst die Fischer-Tropsch-Synthese und weist die Kapazität 2 GW auf. Als Standort der Anlage wird Rotenburg gewählt.
Rotenburg 9
Rotenburg 9
Nienburg 1
Diepholz 1 RegionHannover 1
Maxmin (Mio.Ͳ2.102€) HodgesͲLehmann,ʅ =0,2 (Ͳ2.011Mio.€)
Rotenburg 1
Erwartungswert Ͳ Misserfolgserwartungswert, ʘ =1 (Ͳ5.358Mio.€)
x
x
CHOREN(FischerͲTropschͲS.) 500MW, Eröffnung inPeriode x
CHOREN(FischerͲTropschͲS.) 2GW, Eröffnung inPeriode x
Erwartungswert (Ͳ595Mio.€)
Abbildung 5.15: Netzwerkkonfigurationen der szenarienübergreifenden Untersuchung 106
106
Obwohl die angegebenen Zielfunktionswerte in der Geldeinheit Euro angegebenen sind, handelt es sich bei diesen Werten nicht um Kapitalwerte. Negative Ausprägungen dieser Werte sind damit nicht einer unvorteilhaften Investition gleichzusetzen.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
191
Den ermittelten Netzwerkkonfigurationen liegen jeweils unterschiedliche Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern zugrunde. Die Netzwerkkonfigurationen, die mit dem MaxminKriterium, dem Hodges-Lehmann-Kriterium und dem Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriterium bestimmt werden, sind risikoaversen Entscheidungsträgern zu empfehlen. Hingegen wird mit dem Erwartungswert-Kriterium eine Netzwerkkonfiguration für risikofreudige Entscheidungsträger festgelegt. Der Vorteil der erst genannten Netzwerkkonfigurationen liegt für risikoaverse Entscheidungsträger darin, dass die Produktionskapazitäten im Zeitverlauf aufgebaut werden. Hierdurch wird der in vier Szenarien ansteigenden Nachfrage nach synthetischem Biodiesel Rechnung getragen. Zudem wirken sich bei der Bewertung der in späteren Planungsperioden errichteten Anlagen Diskontierungseffekte auf die Investitionen für die Produktionsanlagen aus. Dieser sukzessive Aufbau der Produktionskapazitäten ermöglicht Entscheidungsträgern, aktuellen Entwicklungen der Rahmenbedingungen im Zeitverlauf Rechnung zu tragen. So kann insbesondere dem Risiko der Errichtung von Überkapazitäten begegnet werden. Die Pläne weisen somit insgesamt eine hohe Anpassungsfähigkeit auf. Eine starke Risikoaversion wird in dieser Fallstudie durch das Maxmin-Kriterium und das Hodges-Lehmann-Kriterium beschrieben. Die resultierende Netzwerkkonfiguration sieht in der ersten Planungsperiode im Vergleich die geringsten Investitionen vor. Je nach dem welche Entwicklungen sich in den folgenden Planungsperioden tatsächlich abzeichnen, können im weiteren Verlauf entweder keine weiteren Anlagen, weitere Anlagen mit einer Kapazität von 500 MW oder Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW errichtet werden. Durch die Errichtung von zwei Anlagen in der ersten Planungsperiode (Netzwerkkonfiguration bei Anwendung des Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriteriums) werden vergleichsweise höhere Investitionen erforderlich und das Risiko von Überkapazitäten steigt an. Überkapazitäten werden in den betrachteten Szenarien jedoch lediglich im Falle einer niedrigen Nachfrage nach synthetischem Biodiesel entstehen. Gleichzeitig steigen mit der Errichtung von zwei Anlagen in der ersten Periode die Chancen, die Potenziale der anderen drei Szenarien durch eine höhere Befriedigung der Nachfrage auszuschöpfen. Ein weiterer Aufbau von Produktionskapazitäten ist auch für diese Ausgangslage in Abhängigkeit der weiteren Entwicklungen möglich. Eine risikofreudige Einstellung von Entscheidungsträgern wird durch das ErwartungswertKriterium und damit letztere Netzwerkkonfiguration repräsentiert. Durch die Errichtung einer Anlage mit einer Kapazität von 2 GW in der ersten Periode bestehen geringe Anpassungsmöglichkeiten an Änderungen der Rahmenbedingungen. Diese Netzwerkkonfiguration wird zudem nur für den Fall einer hohen Nachfrageentwicklung vorteilhaft sein. In den anderen Szenarien werden Überkapazitäten entstehen. Im Vorangegangenen wurden Netzwerkkonfigurationen für die Errichtung eines regionalen Produktionsnetzwerks für die Region Niedersachsen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern ermittel. In der folgenden Fallstudie werden
192
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
nun Netzwerkkonfigurationen eines überregionalen Produktionsnetzwerks für Westeuropa bestimmt. Die Ergebnisse beider Fallstudien werden abschließend in Abschnitt 5.5 ausgewertet. 5.4
Überregionale Fallstudie für Westeuropa
Durch die Verpflichtung von Mineralölkonzernen, bestimmte Quoten von Biokraftstoffen in den Verkehr zu bringen, kann Mineralölkonzernen ein besonderes Interesse an der Einführung synthetischer Biokraftstoffe zugeschrieben werden (vgl. Abschnitt 2.3). Zudem verfügen die Mineralölkonzerne über die finanziellen Mittel für die hohen Investitionen in Produktionsnetzwerke für synthetische Biokraftstoffe. Im Rahmen dieser Investitionen werden die Mineralölkonzerne daran interessiert sein, die Produktionsanlagen für synthetischen Biodiesel in bestehende überregionale Produktions- und Distributionsstrukturen von Raffinerien zu integrieren. Diese Integration erlaubt es ihnen, Synergieeffekte zu nutzen. [PANICHELLI/ GNANSOUNOU 2008] Diese Synergieeffekte betreffen Verbundvorteile, die durch eine teilweise gemeinsame Nutzung der bestehenden Infrastruktur erzielt werden können. Zu der gemeinsam nutzbaren Infrastruktur zählen Nebenanlagen, Betriebseinrichtungen und die Distributionsstruktur [PETERS ET AL. 2002]. Aufgrund der langfristig endlichen Erdölreserven haben die Mineralölkonzerne über die Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Biokraftstoffanteile hinaus ein großes Interesse an der Entwicklung von Technologien zur Konversion von Biomasse in Erdölsubstitute. Aus diesen Gründen kann den Mineralölkonzernen eine Bereitschaft zugeschrieben werden, Risiken für die Errichtung von Produktionsnetzwerken für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen einzugehen. Daher werden in der vorliegenden Fallstudie Netzwerkkonstellationen für die Produktion von synthetischem Biodiesel an bereits bestehenden Raffineriestandorten ermittelt. Ziel dieser Untersuchungen ist, zu überprüfen, ob aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen grundsätzlich andere Aussagen zu vorteilhaften Anlagenkonzepten und zum Kapazitätsaufbau auf überregionaler Ebene abzuleiten sind. Mit dem Ziel allgemeingültige Erkenntnisse abzuleiten, wird dabei in dieser Fallstudie eine konzernübergreifende Perspektive eingenommen. Bevor in Abschnitt 5.4.1 die Ermittlung der Datenbasis beschrieben wird, wird zunächst die untersuchte Planungssituation genauer dargestellt. Das vorliegende Planungsproblem besteht in der Auswahl von Anlagenkonzepten, Kapazitäten und Standorten sowie der Allokation von Stoffströmen in bestehenden Erdölraffineriestrukturen. Schematisch ist die Struktur des modellierten Produktionsnetzwerks in Abbildung 5.16 dargestellt. Das Produktionsnetzwerk weist die drei Bereiche Produktion des synthetischen Biodiesels, Transport des produzierten synthetischen Biodiesels und Nachfrage nach synthetischem Biodiesel auf. Die Produktion des synthetischen Biodiesels erfolgt in Anlagen, die an bestehende Raffinerien angegliedert werden, um oben dargestellte Synergieeffekte zu nutzen. Da in dieser Fallstudie eine überregionale Netzwerkgestaltung untersucht wird, werden bezüglich der Produktion von synthetischen Biokraftstoffen zwei Vereinfachungen vorgenommen. Erstens
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
193
wird eine dezentrale Vorbehandlung der Biomasse in Pyrolyseeinheiten nicht explizit berücksichtigt. Daher werden die beiden Module der dezentralen Anlagenkonzepte zusammengefasst und im Folgenden, wie auch die zentralen Anlagenkonzepte, als Anlagen beschrieben. Sofern als Ergebnis dieser überregionalen Netzwerkgestaltung Raffineriestandorte für weiterverarbeitende Einheiten von dezentralen Anlagenkonzepten gefunden werden, kann die Standortwahl für die dezentralen Einheiten in einem folgenden Planungsschritt entsprechend der regionalen Fallstudie erfolgen. Zweitens wird eine direkte Bereitstellung der Biomasse an den Produktionsanlagen modelliert. Die Berücksichtigung einer dezentralen Bereitstellung der Biomassen an Sammelstellen erfolgt nicht für diese überregionale Betrachtung. Zahlungen für den Transport von Biomassen und gegebenenfalls Zwischenprodukten werden jedoch indirekt in den Zahlungen für Biomasse frei Anlage berücksichtigt. Durch diese beiden vorgenommen Vereinfachungen kann der Problemgröße einer überregionalen Netzwerkgestaltung Rechnung getragen werden. Der Transport des produzierten synthetischen Biodiesels erfolgt von den Produktionsanlagen zu den anderen im Netzwerk befindlichen Raffinerien, um dort die bestehende Nachfrage zu befriedigen. Als Transportmittel wird in diesem Produktionsnetzwerk der Bahntransport eingesetzt. Der Vorteil des Bahntransports sind die im Vergleich zum Transport mit Tankwagen auf langen Distanzen geringeren spezifischen Kosten. Zudem verfügen Raffinerien über Bahnanschlüsse und somit sind keine Wechsel zwischen unterschiedlichen Transportmitteln erforderlich. Die Senken des Netzwerks stellen ebenfalls Raffineriestandorte dar. In den Raffinerien besteht eine Nachfrage nach synthetischem Biodiesel. Diese Nachfrage ist in Westeuropa aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zu Mindestanteilen von Biokraftstoffen gegeben. Diese Anteile können durch ein Blending der fossilen Kraftstoffe mit Biokraftstoffen oder durch den direkten Vertrieb der Biokraftstoffe erfolgen (vgl. Abschnitt 2.3.3). Die Höhe der Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in den betrachteten Raffinerien ist somit ein bestimmter Anteil von der in den einzelnen Raffinerien produzierten Masse an fossilem Diesel.
194
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel Standortefür Produktionsanlagen
Senken
TransportvonsynthetischemBiodiesel
Strukturvariablen
…
…
Ausgewählte Entscheidungsvariablen:
Nachfragenach synthetischem Biodiesel
BiomasseͲ transformation
Errichtung von Produktionsanlagen (Standort, Kapazität, Anlagenkonzept, Periode)
Materialtransport
Synthetischer Biodiesel (Quelle, bereitstellendes oder aufnehmendes Modul, Standort, Senke, Periode)
Abbildung 5.16: Schematische Darstellung des überregionalen Planungsproblems
Die in dieser Fallstudie betrachtete Region Westeuropa umfasst die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande. In diesen Ländern bestehen insgesamt 29 Raffinerien [A BARREL FUEL 2009]. In Abbildung 5.17 ist die betrachtete Region Westeuropa mit den in dieser Fallstudie berücksichtigten Raffinerien dargestellt.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
195
17 Ingolstadt Refinery (Bayernoil), Ingolstadt 1 Total Antwerp Refinery, Exxon Mobil Refinery (Petroplus) Antwerp, Antwerp N.V. Refinery, BRC Antwerp 2 Berre L'Etang Refinery
18 Miro Karlsruhe Refinery
3 Buna SOW Leuna Refinery
19 Emsland Lingen Refinery
4 Botlek Refinery
20 Provence Refinery
5 Burghausen Refinery
21 Lavera Marseilles Refinery
6 Donges Refinery
22 Fort de France Refinery
7 Flandres Refinery
23 Petit Couronne Refinery
8 Feyzin Refinery
24 Reichstett Refinery
9 Fos sur Mer Refinery
25 Shell Pernis Refinery, BP Refinery Rotterdam, Kuwait Petroleum Europoort Refinery
10 Ruhr Oel Refinery 11 Rheinland Werk Godorf Cologne Refinery 12 Gonfreville l'Orcher Refinery 13 Grandpuits Refinery 14 Port Jerome Gravenchon Refinery
26 Schwedt Refinery 27 Mitteldeutschland Spergau Refinery 28 Vlissingen Refinery
29 Wilhelmshaven Refinery 15 Elbe Mineralölwerke Hamburg-Harburg Refinery 16 Erdölwerk Holstein Heide Refinery
Abbildung 5.17: Verteilung der Raffinerien und Raffineriekapazitäten in Westeuropa (Datenquellen: [A BARREL FUEL 2009], [MWV 2009], [CALTEX 2009])
196
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Entsprechend dem beschriebenen Fallstudiendesign wird im Folgenden zunächst die Ermittlung der relevanten Datenbasis beschrieben. 5.4.1
Datenermittlung
5.4.1.1 Biomassebereitstellung In der vorliegenden Fallstudie wird eine Biomassebereitstellung frei Anlage modelliert. Die Biomasse kann sowohl aus biomassereichen Regionen außerhalb Westeuropas geliefert als auch aus der umliegenden Region einer Anlage107 bezogen werden. Die Biomassekapazität, die von außerhalb Westeuropas bezogen werden kann, wird als unbeschränkt angenommen. Als Biomasseart wird in dieser Fallstudie holzartige Biomasse bezogen. Die Zahlungen für die Beschaffung der holzartigen Biomasse sind Suurs [SUURS 2002] entlehnt und werden mit 164 €/tTM angenommen. Dies entspricht den ermittelten Zahlungen für die Beschaffung von Holz aus Osteuropa, speziell aus den Baltischen Staaten. Das Biomasseaufkommen in Westeuropa weist regionale Unterschiede auf. Auf Basis der Ergebnisse des EU-Projekts Renew [RENEW D 5.1.7 2004], [RENEW D 5.1.3 2004] wird die Verteilung der Biomasse in den einzelnen Ländern auf Ebene von Provinzen bzw. Bundesländern betrachtet. In dieser Fallstudie werden als Biomassen, wie bereits in der regionalen Fallstudie, Stroh, Waldrestholz und Energiepflanzen berücksichtigt. Eine Zusammenfassung von Waldrestholz und Energiepflanzen erfolgt an dieser Stelle nicht, da die Daten zur regionalen Verteilung von Waldrestholz und Energiepflanzen auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus vorliegen. Das Energiepflanzenaufkommen ist für die einzelnen Länder für das Jahr 2020 in Abbildung 5.18 und Abbildung 5.19 dargestellt. In diesen Abbildungen werden die beiden unterschiedlichen Anbauarten ökologischer Biomasseanbau sowie ein Biomasseanbau, der auf eine Maximierung der Flächenerträge zielt, unterschieden.
107
Für Stroh und Energiepflanzen sind diese „umliegenden Regionen einer Anlage“ in Deutschland und Frankreich durch die Bundesländer und Provinzen gegeben. Aufgrund der Größe von Belgien und den Niederlanden werden für diese beiden Biomassearten die gesamten Länder als Region betrachtet. Da keine differenzierte Verteilung des Restholzaufkommens vorliegt, werden bezüglich der Restholzpotenziale ebenfalls Länder als Regionen angenommen.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Ökologischer Biomasseanbau
197
Hohe Flächenausbeuten
[PJ/a]
Abbildung 5.18: Energiepflanzenpotenziale im Jahr 2020 für Deutschland und Frankreich (Daten: [RENEW D 5.1.7 2004])
198
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Ökologischer Biomasseanbau
Hohe Flächenausbeuten
[PJ/a]
[PJ/a]
Abbildung 5.19: Energiepflanzenpotenziale im Jahr 2020 für Belgien, Luxemburg und die Niederlande (Daten: [RENEW D 5.1.7 2004])
Die resultierenden Strohpotenziale sind für die einzelnen Länder in Abbildung 5.20 und Abbildung 5.21 exemplarisch für das Jahr 2020 angegeben. Die Höhe des Strohpotenzials für die beiden Anbauarten unterscheidet sich im Gegensatz zum Energiepflanzenpotenzial nicht stark.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Ökologischer Biomasseanbau
199
Hohe Flächenausbeuten
[PJ/a]
[PJ/a]
Abbildung 5.20: Strohpotenziale im Jahr 2020 für Deutschland und Frankreich
200
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Ökologischer Biomasseanbau
Hohe Flächenausbeuten
[PJ/a]
Abbildung 5.21: Strohpotenziale im Jahr 2020 für Belgien, Luxemburg und die Niederlande
Ausgehend von dem Biomasseaufkommen und den in Westeuropa durchschnittlichen Zahlungen für die Bereitstellung der Biomasse können die Zahlungen für Biomasse frei Anlage abgeleitet werden. Die durchschnittlichen Zahlungen für die Bereitstellung der verschiedenen Biomassen wurden im Projekt Renew für unterschiedliche Transportmodi, für zentrale und dezentrale Anlagen sowie für Anlagenkapazitäten von 50 MW und 500 MW bestimmt [MÜLLER-LANGER ET AL. 2007]. Diese setzen sich aus Zahlungen für die Biomasse ab Sammelstelle, aus den distanzabhängigen Transportzahlungen sowie den Zahlungen für den Güterumschlag zusammen. Für Stroh fallen zusätzlich Zahlungen für eine Lagerung an. Zudem wurde in Sensitivitätsanalysen der Einfluss des regional verfügbaren Biomassepotenzials auf die Summe dieser Zahlungen untersucht. Die durchschnittliche Höhe der Zahlungen für eine Masseneinheit Biomasse frei Anlage wird durch zwei Faktoren beeinflusst. Zum einen ist dies das vorliegende Biomasseaufkommen in der Umgebung einer Produktionsanlage, zum anderen die Kapazität der Produktionsanlage. Beide Faktoren beeinflussen maßgeblich den Umfang der erforderlichen Transporte. Ein niedriges Biomasseaufkommen sowie große Anlagenkapazitäten erfordern die Beschaffung von Biomasse von weiter entfernten Quellen. Dies resultiert in höheren distanzabhängigen
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
201
Transportzahlungen und damit ebenfalls in höheren Zahlungen für die Biomasse frei Anlage. Die Höhe der Zahlungen für Biomasse frei Anlage ist somit abhängig von der Anlagenkapazität, vom Anlagenkonzept und vom Biomasseaufkommen in der umliegenden Region. Die Höhe der Zahlungen für die meisten der Kombinationen dieser drei Einflussgrößen liegt jedoch nicht vor. Daher werden auf Grundlage der angestellten Überlegungen zum einen die regional spezifischen Biomassezahlungen frei Anlage bestimmt. Zum anderen wird ein Korrekturfaktor ermittelt, der den Einfluss der Anlagenkapazität erfasst. Die Datengrundlage sowie das Vorgehen im Rahmen der Ermittlung werden im Folgenden beschrieben. Zahlungen für die Bereitstellung von Biomassen in Abhängigkeit des regionalen Biomassepotenzials
12
11,50
20,94 1,96
10
1,53
1,40
8 6 4 2 0
Transportzahlungen[€/GJ]
Transportzahlungen[€/GJ]
Der Einfluss des in der Umgebung der Produktionsanlagen vorhandenen Biomassepotenzials wird auf Grundlage der Ergebnisse der im Projekt Renew durchgeführten Sensitivitätsanalysen bestimmt. In diesen wird der Einfluss des Biomasseaufkommens von 0 GJ/(ha·a) bis 25 GJ/(ha·a) für Stroh und von 0 GJ/(ha·a) bis 50 GJ/(ha·a) für Energiepflanzen auf die Biomassetransportzahlungen für eine 500 MW Anlage untersucht. Resultierende Zahlungen sind in Abbildung 5.22 dargestellt. Desweiteren sind in den Studien die Flächen der jeweiligen Provinzen bzw. Bundesländer gegeben.
20
2,15
1,92
15 10 5 0
0
2
4
6
8
10 12 14 16 18 20 22 24
SpezifischesStrohpotenzial[GJ/(haͼa)]
0
4
8
12 16 20 24 28 32 36 40 44 48
SpezifischesEnergiepflanzenpotenzial[GJ/(haͼa)]
Abbildung 5.22: Transportzahlungen für Biomassen in Abhängigkeit des regional verfügbaren Biomassepotenzials
In einem ersten Schritt werden die spezifischen Biomassepotenziale der betrachteten Provinzen bzw. Bundesländer kategorisiert. Da mit steigendem spezifischen Biomasseaufkommen die Reduktion der erforderlichen Transportzahlungen gering ist (vgl. Abbildung 5.22), werden vereinfachend Klassen für das spezifische Biomasseaufkommen gebildet und für diese Klassen durchschnittliche Transportzahlungssätze bestimmt. Die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Zahlungssatz und den durchschnittlichen Zahlungssätzen der entsprechenden Klassen einer Region wird zur Ermittlung der regionsspezifischen Zahlungen für die Biomassen Stroh und Energiepflanzen verwendet. Diese regionsspezifischen Zahlungen für die Biomassen werden entsprechend den Untersuchungen des Projekts Renew für den Ausgangspunkt sowie für die Entwicklungen im Jahr 2020 für den ökologischen Biomasseanbau und für einen auf eine Maximierung der Erträge ausgerichteten
202
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Biomasseanbau bestimmt. Zahlungssätze zwischen diesen Planungsperioden werden linear interpoliert. Ab dem Jahr 2020 werden konstante Zahlungsfunktionen angenommen. Da bezüglich des Waldrestholzes keine regionale Verteilung ermittelt werden konnte, werden für Waldrestholz allgemeingültige Zahlungssätze angesetzt. Zahlungen für die Bereitstellung von Biomassen in Abhängigkeit der Anlagenkapazitäten
Neben dem vorhandenen Biomassepotenzial hat die Kapazität der Anlagen einen Einfluss auf die durchschnittlich zurückzulegende Strecke im Rahmen der Anlieferung der Biomassen. Auf Grundlage der Untersuchungen der Zahlungen für die Bereitstellung von Biomassen für Anlagenkapazitäten von 50 MW und 500 MW im Projekt Renew werden, wie nachstehend beschrieben, Zahlungen für die Bereitstellung für Anlagenkonzepte mit Kapazitäten von 500 MW und 2 GW abgeleitet. Bereitstellungspreise der Biomassen für zentrale Anlagenkonzepte mit einer Kapazität von 500 MW entsprechen den in [MÜLLER-LANGER ET AL. 2007] ermittelten Werten. Eine Vervierfachung der Anlagenkapazität hat zur Folge, dass die durchschnittliche Transportstrecke der Biomassen ansteigt. In Untersuchungen wird davon ausgegangen, dass der Biomassebezug innerhalb eines bestimmten Radius um die Anlage erfolgt. Eine Vervierfachung der Einzugsfläche A einer Anlage wird aufgrund des Verhältnisses ݎ̱ܣଶ lediglich eine Verdopplung des durchschnittlichen Einzugsradius r erfordern. Vor diesem Hintergrund wird für zentrale Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW vereinfachend eine Verdopplung der distanzabhängigen Zahlungen vorgenommen. Dezentrale Produktionsanlagen umfassen den Transport der Biomassen zu den dezentralen Pyrolyseeinheiten mit einer Kapazität von 100 MW sowie den Transport von dem produzierten Slurry zu den zentralen Syntheseeinheiten. Die Zahlungen für den Transport von Biomassen zu den Pyrolyseanlagen werden aufgrund der konstanten Kapazität der Pyrolyseeinheiten von 100 MW für dezentrale Anlagenkonzepte mit einer Synthesekapazität von 500 MW und 2 GW identisch sein. Für die Belieferung der Pyrolyseeinheiten wird ein Transport der Biomasse auf der Straße angenommen. Die Zahlungen für den Transport der Biomassen von den Sammelstellen zu den Pyrolyseeinheiten sowie die Zahlungen für den Stoffumschlag sind in Tabelle 5.13 dargestellt. Ebenfalls sind die Zahlungen für die Biomassen ab Sammelstelle angegeben. Zahlungen für die Bereitstellung der erforderlichen Energie beziehen sich auf die eingesetzte Biomasse. Diese werden auf Grundlage der Ergebnisse von Müller-Langer et al. [MÜLLER-LANGER ET AL. 2007] zu den Zahlungen der Bereitstellung einer Energieeinheit von Slurry in der Syntheseeinheit der dezentralen Konzepte bestimmt. Die distanzabhängigen Zahlungen für den Transport des Slurries sind abhängig von der Anlagenkapazität der Syntheseeinheiten. Hier wird ebenfalls vereinfachend von einer Verdopplung des durchschnittlichen Einzugsradius ausgegangen. Der Transport erfolgt mit
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
203
einem Transportmodimix auf Straße und Schiene. Zahlungen für den Stoffumschlag werden für beide Anlagenkapazitäten identisch sein. Die resultierenden Zahlungen für ein GJ der unterschiedlichen Biomassen sind ebenfalls in Tabelle 5.13 gegeben. Tabelle 5.13: Zahlungen für die Bereitstellung unterschiedlicher Biomassearten im Jahr 2020 im Falle eines ökologischen Biomasseanbaus in [€/GJ] (Datengrundlage: [MÜLLER-LANGER ET AL. 2007])
Zentral
Zentral
Dezentral
Dezentral
500 MW
2 GW
500 MW
2GW
Zahlungen für Biomasse ab Sammelstelle
3,44
3,44
3,41
3,41
Zahlungen für Lagerung
0,12
0,12
-
-
Distanzabhängige Transportzahlungen (Biomasse)
0,87
1,74
0,96
0,96
Zahlungen für Stoffumschlag (Biomasse)
0,87
0,87
0,12
0,12
Distanzabhängige Transportzahlungen (Slurry)
-
-
0,15
0,30
Zahlungen für Stoffumschlag (Slurry)
-
-
0,18
0,18
Summe
5,3
6,17
4,82
4,96
Stroh
Kurzumtriebshölzer Zahlungen für Biomasse ab Sammelstelle
5,18
5,18
5,18
5,18
Zahlungen für Lagerung
-
-
-
-
Distanzabhängige Transportzahlungen (Biomasse)
1,6
3,2
1,14
1,14
Zahlungen für Stoffumschlag (Biomasse)
0,86
0,86
0,16
0,16
Distanzabhängige Transportzahlungen (Slurry)
-
-
0,63
1,27
Zahlungen für Stoffumschlag (Slurry)
-
-
0,15
0,15
Summe
7,64
9,24
7,27
7,90
Waldrestholz Zahlungen für Biomasse ab Sammelstelle
3,06
3,06
3,06
3,06
Zahlungen für Lagerung
-
-
-
-
Distanzabhängige Transportzahlungen (Biomasse)
0,72
1,44
0,79
0,79
Zahlungen für Stoffumschlag (Biomasse)
1,16
1,16
0,23
0,23
Distanzabhängige Transportzahlungen (Slurry)
-
-
0,15
0,30
Zahlungen für Stoffumschlag (Slurry)
-
-
0,14
0,14
Summe
4,94
5,66
4,37
4,52
Auf Grundlage dieser Werte werden spezifische Zuschläge pro GJ Input-Biomasse für die Anlagenkonzepte in unterschiedlichen Kapazitäten ermittelt. Diese sind in Tabelle 5.14 angegeben.
204
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Tabelle 5.14: Zuschläge für Biomassezahlungen in Abhängigkeit des Anlagenkonzepts und der Anlagenkapazität für den Fall eines ökologischen Biomasseanbaus in [€/GJ]
Anlagenkonzept, Kapazität
Stroh
Energiepflanzen
Waldrestholz
Zentral, 500 MW
0
0
0
Zentral, 2 GW
0,87
1,6
0,72
Dezentral, 500 MW
- 0,48
- 0,37
- 0,57
Dezentral, 2 GW
- 0,34
0,26
- 0,42
In gleicher Weise wurde für die Bestimmung der Zuschläge für Biomassezahlungen in Abhängigkeit des Anlagenkonzepts und der Anlagenkapazität für den Fall eines Biomasseanbaus vorgegangen, der auf hohe Flächenausbeuten zielt. Die Werte sind in Tabelle 5.15 geben. Tabelle 5.15: Zuschläge für Biomassezahlungen in Abhängigkeit des Anlagenkonzepts und der Anlagenkapazität für den Fall eines Biomasseanbaus, der auf hohe Flächenausbeuten abzielt, in [€/GJ]
Anlagenkonzept, Kapazität
Stroh
Energiepflanzen
Waldrestholz
Zentral, 500 MW
0
0
0
Zentral, 2 GW
0,84
1,28
1,1
Dezentral, 500 MW
-0,50
-1,05
-1,02
Dezentral, 2 GW
-0,22
-0,92
-0,85
5.4.1.2 Investitionen der Produktionstechnologien an bestehenden Raffineriestandorten Die Errichtung von Produktionsanlagen für die Herstellung von synthetischem Biodiesel erfolgt in dieser Fallstudie an bestehenden Raffineriestandorten. Dies hat den Vorteil, dass Infrastrukturen und Betriebsanlagen der Raffinerien im Betrieb der Anlagen genutzt werden können. So kann bei der Errichtung der Anlagen auf einzelne Betriebseinrichtungen und Nebenanlagen verzichtet werden. Dies führt nach Peters et al. [PETERS ET AL. 2002] zu einer Reduzierung der erforderlichen Investitionen für Betriebseinrichtungen und Nebenanlagen auf 29 % bezogen auf die Hauptkomponenten. Die resultierenden Zuschlagsfaktoren zur Schätzung der Investitionen sind in Tabelle 5.16 angeben.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
205
Tabelle 5.16: Zuschlagsfaktoren zur Ermittlung der Investition der Produktionsmodule bei Ansiedlung an einem bestehenden Produktionsstandort in [%]
Position
Empirisch ermittelte Spanne der Anteile
Anteile bezogen auf Hauptkomponenten
Anteile bezogen auf installierte Hauptkomponenten
Apparate und Maschinen
15 – 40
100
Installation der Apparate und Maschinen
6 – 14
39
Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (installiert)
2–8
26
18,7
Rohrleitungen (installiert)
3 – 20
31
22,3
Elektrik (installiert)
2 – 10
10
7,2
Direkte Investitionen 100
Bauwerke
3 – 18
39
28,1
Geländeerschließung
2–5
12
8,6
Betriebseinrichtungen u. Nebenanlagen
8 – 20
29
20,9
Land
1–2
4
108
2,9
Zuschlagsfaktor direkte Investitionen
209
Zuschlagsfaktor indirekte Investitionen
91
Zuschlagsfaktor Anlagekapital
299
Zuschlagsfaktor Betriebskapital
73
53
489
353
(15 % der Gesamtinvestition) Zuschlagsfaktor Gesamtinvestition
5.4.1.3 Transport In dem vorliegenden Planungsproblem wird der Transport von synthetischem Biodiesel zwischen zwei Raffineriestandorten per Bahn explizit berücksichtigt. Die Distanzen in dem betrachteten Netzwerk werden mit Hilfe der Software Mappoint ermittelt.109 Die Bestimmung der Zahlungssätze erfolgt auf Grundlage von Untersuchungen von Suurs. Hier werden Zahlungssätze für den Transport von flüssigen Kraftstoffen für unterschiedliche Distanzen ermittelt. Diese sind in Tabelle 5.17 angeführt. Tabelle 5.17: Transportzahlungen für flüssigen Kraftstoff nach [SUURS 2002]
Transportdistanz in [km]
500
1000
1500
2000
Transportzahlungen für flüssigen Kraftstoff in [€/t]
31,7
45,2
58,7
72,2
108
Nach [BEIERMANN 2009].
109
Als Netzwerkdistanzen werden vereinfachend Straßendistanzen ermittelt, da nicht für sämtliche Länder entsprechende Daten zu den Schienendistanzen ausfindig gemacht werden konnten.
206
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Transportzahlungenfürflüssigen Kraftstoffin[€/t]
Diese Werte beschreiben eine lineare Zahlungsfunktion für den Bahntransport von flüssigen Kraftstoffen. Diese Zahlungsfunktion ist in nachfolgender Abbildung 5.23 dargestellt. Der Transport des produzierten synthetischen Biodiesels wird durch eine Nachfrage in den Senken des Netzwerks bedingt. 80 70 y=0,027x+18,2
60 50
Transportzahlungenfürflüssigen Kraftstoff
40 30 20
Linear(Transportzahlungenfür flüssigenKraftstoff)
10 0 0
500
1000
1500
2000
2500
Transportdistanzin[km]
Abbildung 5.23: Zahlungsfunktion für den Transport von flüssigen Kraftstoffen (Daten: [SUURS 2002])
5.4.1.4 Nachfrage nach synthetischem Biodiesel Ausgehend von der Verpflichtung von Mineralölkonzernen, einen Teil des fossilen Kraftstoffabsatzes durch synthetischen Biodiesel zu substituieren, wird die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in den Raffineriestandorten in Höhe eines bestimmten Anteils des dort produzierten fossilen Biodiesels angenommen. Rohölraffinerien weisen eine Dieselausbeute zwischen 20 % und 23 % bezogen auf das eingesetzte Rohöl auf [MINERALÖLWIRTSCHAFTSVERBAND 2009]. Die grundsätzliche Kapazität der Raffinerien sowie eine Dieselproduktion von 21 % werden über den Planungshorizont als statisch und auf Grundlage der Erhebung von [A BARREL FUEL 2009] angenommen. In Anhang A 2 wird die räumliche Verteilung der betrachteten Raffinerien in den einzelnen Ländern Westeuropas sowie die Produktionskapazitäten bezogen auf die Dieselproduktion dieser Raffinerien dargestellt. 5.4.2
Szenarienerstellung
Im Folgenden werden zunächst die Ausprägungen der alternativen Deskriptoren als Grundlage der verschiedenen Szenarien beschrieben. Im anschließenden Abschnitt erfolgt die Kombination der Deskriptoren zu Szenarien. 5.4.2.1 Ausprägungen alternativer Deskriptoren Als alternative Deskriptoren werden in dieser Fallstudie Parameter bezüglich der Biomassebereitstellung sowie der Nachfrageentwicklung nach synthetischem Biodiesel identifiziert. Unsicherheiten bezüglich der Investitionen für die Produktionstechnologien werden in dieser überregionalen Fallstudie nicht berücksichtigt. In der regionalen Fallstudie konnte aufgezeigt werden, dass eine Reduzierung der Investitionen in Höhe von 5 % lediglich den
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
207
Zielfunktionswert beeinflusst, nicht jedoch die daraus resultierende Netzwerkkonfiguration. Die durchgeführten Fallstudien zielen auf die Ermittlung von Netzwerkkonfigurationen und Strategien zum Kapazitätsaufbau ab, wobei die Summe aus den diskontierten Zahlungen und den diskontierten Investitionen zur Bewertung herangezogen wird. Es wird nicht der Anspruch erhoben, möglichst gute Prognosen dieser Werte der Netzwerkkonfigurationen zu ermitteln. Biomassebereitstellung
Bezüglich der Biomassebereitstellung werden Biomassepotenziale und Zahlungen für die Biomassen, die aus Westeuropa bezogen werden, in Anlehnung an die Untersuchungen des Projekts Renew angenommen. Eine Ausprägung beschreibt hier den ökologischen Anbau der Biomasse. Die zweite Ausprägung beschreibt einen Biomasseanbau, der auf eine Maximierung der Erträge ausgerichtet ist (vgl. auch Abschnitt 5.4.1.1). Nachfrage nach synthetischem Biodiesel
Nachfrage nach synthetischem Biodiesel besteht in den Raffinerien. Die Höhe der Nachfrage wird durch drei verschiedene Anteile an der Dieselproduktion beschrieben: Ein Basis-Anteil, ein niedriger Anteil sowie ein hoher Anteil. Bei der Ermittlung der unterschiedlichen Anteile wird davon ausgegangen, dass zukünftig im Rahmen einer überregionalen Betrachtung in Westeuropa weiterhin ein Anteil des eingesetzten Biodiesels durch Biodiesel der ersten Generation gestellt wird.110 In der Vergangenheit wurden Produktionskapazitäten errichtet, die auch in Zukunft betrieben werden, sofern sie wirtschaftlich vorteilhaft bleiben. Vor diesem Hintergrund wird zur Bestimmung der Basisnachfrage nach synthetischem Biodiesel zu Beginn des Planungshorizonts ein Anteil von 1 % bezogen auf die produzierte Masse von fossilem Diesel angenommen. Diese steigt bis zum Ende des Planungshorizonts auf 2 % an. Als niedriger Anteil wird zu Beginn des Planungshorizonts ein Anteil von 0,5 % angenommen, der ebenfalls linear auf 1 % zum Ende des Planungshorizonts ansteigt. Die Ausprägung „hohe Nachfrage“ nach synthetischem Biodiesel repräsentiert den Fall, dass der geforderte Mindestanteil von Biodiesel für das Jahr 2010 in den einzelnen Ländern allein durch synthetischen Biodiesel abgedeckt wird. Die entsprechenden gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanteile sind für die Länder, in denen sich Raffinerien befinden, in Tabelle 5.18 angeführt. Tabelle 5.18: Energetische Mindestanteile von Biodiesel in Westeuropa für das Jahr 2010 (Daten: [UFOP 2009])
Land
Belgien
Deutschland
Frankreich
Niederlande
Energetischer Mindestanteil
4% (vol.) 111
4,4 %
7%
3,5 %
110
Bei regional ausgerichteten Produktionsnetzwerken kann hingegen davon ausgegangen werden, dass der regional produzierte synthetische Biodiesel zur Erfüllung der Biodieselanteile genutzt wird.
111
In Belgien sind im Gegensatz zu den anderen betrachteten Ländern Vol.-Anteile der Biokraftstoffe vorgesehen
208
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
5.4.2.2 Szenarien Die Szenarien werden durch Kombinationen der beschriebenen alternativen Deskriptoren erstellt. Ausgangspunkt ist auch in dieser Fallstudie ein Basisszenario. Dieses Basisszenario beschreibt im Sinne einer nachhaltigen Herstellung des synthetischen Biodiesels einen ökologisch verträglichen Biomasseanbau sowie eine mittlere Entwicklung der Biomasseanteile. Ausgehend von diesem Basisszenario werden die alternativen Deskriptoren einzeln variiert, wie in Tabelle 5.19 zusammengefasst.
X
X
Hohe Nachfrage
5.4.3
X
Niedrige Nachfrage Basis Nachfrage
Biomassepotenzial
X
Hohe Flächenausbeute [RENEW D 5.1.1 2004] Nachfrageentwicklung
Hohes
Niedrige Nachfrage
Ausprägung
Biomassebereitstellung Ökologischer Anbau [RENEW D 5.1.1 2004]
Hohe Nachfrage
Parameter
Basis
Tabelle 5.19: Szenarien
X X
X X
Anpassungen des Planungsmodells
Im Folgenden werden die Anpassungen des in Abschnitt 4.3 beschriebenen Planungsmodells an die vorliegende Problemstellung beschrieben. Dabei sind nachfolgende Überlegungen eingeflossen. Diese Fallstudie ist auf die Erstellung internationaler Produktionsnetzwerke für die Herstellung von synthetischem Biodiesel ausgerichtet. Daher wird die regionale Bereitstellung der Biomasse an Sammelstellen sowie eine dezentrale Vorbehandlung der Biomasse in dezentralen Pyrolyseeinheiten nicht explizit modelliert. So werden die beiden Module der dezentralen Anlagenkonzepte zusammengefasst und im Folgenden, wie auch die zentralen Anlagenkonzepte, als Anlagen beschrieben. Die Bereitstellung der unterschiedlichen Biomassen erfolgt frei Anlage. Somit wird in dem Netzwerk nur der produzierte synthetische Biodiesel transportiert. Der n-stufige Modellierungsansatz des allgemeinen Modells kann daher auf eine Transportstufe reduziert werden.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
209
Auch in dieser Fallstudie wird von einer steigenden bzw. konstanten Nachfrage nach synthetischem Biodiesel ausgegangen. Daher wird die Möglichkeit der Außerbetriebnahme von Produktionskapazitäten nicht modelliert. Für die angepasste Modellformulierung wird nachstehende Notation gewählt. Indizes: ܶ
Indexmenge der Perioden; ܶ א ݐ
ܴ
Indexmenge von Raffineriestandorten; ݎǡ ܴ א כ ݎ
ܨ
Indexmenge der Anlagen; ݂ ܨ א
ܤ
Indexmenge der Biomassen; ܾ ܤ א
ܷ
Indexmenge der Regionen; ܷ א ݑ
Parameter und Koeffizienten: ߪ௨
Faktor, der den Wert 1 annimmt, wenn Raffineriestandort r in der Region u liegt, sonst 0
݀ כ
Distanz zwischen Raffineriestandort r und Raffineriestandort r*
݉݅ܤ௨௧
in der Region u verfügbare Masse der Biomasse b in Periode t
݀݊ܽ݉݁ܦ כ௧
Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in Raffineriestandort r* in Periode t
ௗ௦ ߛො
Transformationskoeffizient der Anlage f, der die Transformation von einer Energieeinheit der Biomasse b in synthetischen Biodiesel beschreibt
ߛොௗ௦
Transformationskoeffizient der Anlage f, der die Transformation von einer Energieeinheit der extern bezogenen Biomasse in synthetischen Biodiesel beschreibt
ߝƸ௦௦
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Energieeinheit der Biomasse b in die Kapazitätseinheit der Anlagen beschreibt
ߝƸ௦௦
Kapazitätseinheitenkoeffizient, der die Umwandlung einer Energieeinheit der extern bezogenen Biomasse in die Kapazitätseinheit der Anlagen beschreibt
݉ܽܽܿݔ
maximale Aufnahmekapazität von Anlage f
ܿ ௧௦
distanzabhängige Zahlungen für den Bahntransport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel
ܿ ௗ
fixe Zahlungen für den Bahntransport einer Masseneinheit von synthetischem Biodiesel
Ƹ௧
Zahlungen für eine Energieeinheit der Biomasse b in Periode t
Ƹ௧
Zahlungen für den Kauf einer Energieeinheit Biomasse außerhalb des Netzwerks in Periode t
௧ Ƹ
Zahlungskorrektur für eine Energieeinheit der Biomasse b in Abhängigkeit der Anlagenkapazität der Anlage f
ܫ௧
Summe der Investitionen in Periode t
ݐݏ݁ݒ݊ܫ
Investition für Anlage f
௧௪ ܥ௧ ௦௦ ܥ௧
Summe der Zahlungen für den Stofffluss in Periode t Summe der prozessbedingten Zahlungen in Periode t
210
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
ݔ݅ܨ
betriebsbedingte fixe Zahlungen für Anlage f
ܲܿݎ
betriebsbedingte Zahlungen für die Transformation einer Kapazitätseinheit Biomasse in Anlage f
݅
Kalkulationszinsfuß
Entscheidungsvariablen: ݔ௧
binäre Entscheidungsvariable, die den Wert 1 annimmt, wenn Anlage f an Raffineriestandort r in Periode t angegliedert wird, sonst 0
ݖ௧
Anzahl der Anlagen f, die an Raffinerie r bis einschließlich Periode t angegliedert wurden
௦௦ ݕො ௧
Energie der in der Region beschafften Biomasse b, die in Anlage f am Raffineriestandort r in Periode t zu synthetischem Biodiesel verarbeitet wird
௦௦ ݕො௧
Energie der extern beschafften Biomasse, die in Anlage f am Raffineriestandort r und Periode t zu synthetischem Biodiesel umgewandelt wird
ௗ௦ ݕ כ௧
Masse des synthetischen Biodiesels, die von Anlage f von Raffinerie r zu Raffinerie r* in Periode t transportiert wird
Zielfunktion
Da keine Einzahlungen aus dem Verkauf von synthetischem Biodiesel berücksichtigt werden, wird die Summe aus den diskontierten Investitionen sowie den diskontierten stoffflussbedingten Zahlungen und prozessbedingten Zahlungen minimiert. ௧ ௪
݊݅ܯൣܫ௧ ܥ௧
௦௦
ܥ௧
൧ ȉ ሺͳ ݅ሻି௧
(5.15)
௧்א
Investitionen sind für die Errichtung der Produktionsanlagen erforderlich.
ܫ௧ ൌ ݐݏ݁ݒ݊ܫ ȉ ݔ௧
ܶ א ݐ
(5.16)
אி אோ
Änderungen ergeben sich hier bezüglich der stoffflussbedingten Zahlungen. Biomassen werden frei Anlage gekauft. Zum einen kann Biomasse aus Westeuropa bezogen werden. Die Höhe der erforderlichen Zahlungen hängt hierbei von der bezogenen Masse und Art der Biomasse ab und wird zudem durch das Biomassepotenzial in der Umgebung der Anlage sowie durch die Anlagenkapazität und das Anlagenkonzept bestimmt. Die Anlagenkapazität und das Anlagenkonzept (zentral oder dezentral) gehen über eine anlagenspezifische ௧ bezogen auf eine Energieeinheit der Biomasse b ein. Zum anderen Zahlungskorrektur Ƹ kann holzartige Biomasse von außerhalb Westeuropas bezogen werden. Hierfür fallen Zahlungen in Höhe von Ƹ ௧ pro Energieeinheit an. Die Einzahlungen durch den Verkauf von Kraftstoffen werden in dieser Fallstudie nicht berücksichtigt, da in dieser Fallstudie allein ein Beitrag zur Einhaltung der rechtlichen Forderungen untersucht wird. Zahlungen für den Transport beschränken sich auf den Transport von synthetischem Biodiesel von einem
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
211
Raffineriestandort zu einem anderen. Transporte von Biomassen sind implizit in den Zahlungen für Biomasse enthalten (vgl. Abschnitt 5.4.1.1). ௧௪
ܥ௧
௦௦ ௧ ൌ െ ݕො௧ ȉ ሺƸ ௧ Ƹ ሻ א אி אோ ௦௦ െ ݕො௧ ȉ Ƹ ௧ אி אோ
െ
( ܶ א ݐ5.17) ௗ௦ ݕ כ௧
ȉ ൫ܿ
௧௦
ȉ݀
כ
ܿ
ௗ
൯
אி ǡ א כோ
Die prozessbedingten Zahlungen setzen sich, wie zuvor, aus einem fixen Anteil und einem kapazitätsauslastungsabhängigen Anteil zusammen. Die Umwandlung in die Kapazitätseinheit der Anlagen wird durch einen biomassespezifischen Kapazitätseinheitenkoeffizienten ߝƸ௦௦ für Biomasse aus dem Netzwerk sowie ߝƸ ௦௦ für extern bezogene Biomasse beschrieben.
௦௦
ܥ௧
ൌ െ ݔ݅ܨ ȉ ݖ௧ ܲܿݎ אி אோ ௦௦ ௦௦ ȉ ൭ ݕො௧ ȉ ߝƸ௦௦ ݕො௧ ȉ ߝƸ௦௦ ൱൩
ܶ א ݐ
(5.18)
א
Massenbilanzen
Synthetischer Biodiesel wird in den Anlagen f durch die Transformation der Biomasse aus dem Netzwerk oder durch die Transformation extern bezogener Biomasse hergestellt. Die ௗ௦ Transformation wird durch einen Transformationskoeffizientenߛො bzw. ߛොௗ௦ beschrieben. Der produzierte synthetische Biodiesel wird zur Befriedigung der Nachfrage an die Raffinerie r* geliefert.
ௗ௦ ௦௦ ௗ௦ ௦௦ ݕො௧ ȉ ߛො ݕො௧ ȉ ߛොௗ௦ ൌ ݕ כ௧ א
ܨ א ݂ Ǣ ܴ א ݎǢ ( ܶ א ݐ5.19)
א כோ
Kapazitätsrestriktionen
Nebenbedingungen (5.20) beschränken die von Produktionsanlagen r bezogene und umzuwandelnde Biomasse b auf die Masse ݉݅ܤ௨௧ , die in der umgebenden Region u verfügbar ist. Eine Zuweisung von Raffineriestandorten zu Regionen erfolgt über den Faktor ߪ௨ . Dieser hat den Wert 1 an, wenn Raffineriestandort r in Region u liegt, sonst 0.
212
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
௦௦ ݕො௧ ȉ ߪ௨ ݉݅ܤ௨௧
ܤ א ܾ Ǣ ܷ א ݑǢ ܶ א ݐ
(5.20)
אி אோ
Die Produktionsanlagen sind durch eine maximale Aufnahmekapazität ݉ܽܽܿݔ gekennzeichnet. ௦௦ ௦௦ ݕො௧ ȉ ߝƸ௦௦ ݕො௧ ȉ ߝƸ௦௦ ݉ܽܽܿݔ ȉ ݖ௧
ܨ א ݂ Ǣ ܴ א ݎǢ ܶ א ݐ
א
(5.21)
Eine Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in den Raffineriestandorten erfordert den Aufbau von Produktionskapazitäten sowie den Transport von synthetischem Biodiesel in dem Netzwerk.
ௗ௦ ݀݊ܽ݉݁ܦ כ௧ ൌ ݕ כ௧
ܴ א כ ݎ Ǣ ܶ א ݐ
(5.22)
אி אோ
Variablendeklaration
Die folgenden Binärvariablen beschreiben die Entscheidung, eine Anlage f am Raffineriestandort r in Periode t zu eröffnen. ݔ௧ אሼͲǡͳሽ
ܨ א ݂ Ǣ ܴ א ݎǢ ܶ א ݐ
(5.23)
Die Anzahl der Anlagen, die bis einschließlich Periode t an einem Raffineriestandort errichtet werden, wird durch Zählvariablen determiniert. ݖ௧ ൌ ൜
ݔ௧ ǡ ݂ò ݐݎൌ ͳ ݖ௧ିଵ ݔ௧ ǡ ݐݏ݊ݏ
ܨ א ݂ Ǣ ܴ א ݎǢ ܶ א ݐ
(5.24)
Stoffflüsse können in dem Produktionsnetzwerk nur positive Werte annehmen. ௦௦ ݕො௧ Ͳ
ܤ א ܾ Ǣ ݂ ܨ אǢ ܴ א ݎǢ ܶ א ݐ
(5.25)
௦௦ Ͳ ݕො௧
ܨ א ݂ Ǣ ܴ א ݎǢ ܶ א ݐ
(5.26)
ௗ௦ Ͳ ݕ כ௧
ܨ א ݂ Ǣ ݎǡ ܴ א כ ݎǢ ܶ א ݐ
(5.27)
Änderungen an dem szenariobasierten Planungsansatz (vgl. Abschnitt 4.4) sind in gleicher Weise vorzunehmen. Zusätzlich werden die Nebenbedingungen (5.22) um die Möglichkeit einer Kompensation von nicht befriedigter Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in den
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
213
Raffinerien erweitert. Diese Erweiterung erfolgt, da so nicht zwingend in jeder Netzwerkkonfiguration Produktionskapazitäten zur Befriedigung der Nachfrage aus dem Szenario „hohe Nachfrage“ errichtet werden müssen. Eine Kompensation der Nachfrage wird ebenfalls in der Zielfunktion der szenariobasierten Erweiterung bewertet. Hierzu werden Strafzahlungen wie in der Fallstudie für Niedersachsen angesetzt (vgl. Gleichung (5.3)). Nachfolgend wird die Implementierung und Lösung des Planungsansatzes beschrieben. Ein Preprocessing im Sinne einer Standortvorauswahl wird in dieser Fallstudie nicht vorgenommen. 5.4.4
Implementierung und Lösung des Planungsansatzes
Wie bereits in der regionalen Fallstudie wurden das zuvor beschriebene Planungsmodell sowie die daraus resultierenden szenariobasierten Erweiterungen in ILOG OPL implementiert und auf einem 64 Bit Windows Rechner mit einem Arbeitsspeicher von 12 GB RAM gelöst. Für das deterministische Modell resultieren für die vorliegende Instanz Größenordnungen der Modelle von 275.720 Nebenbedingungen, 8.120 ganzzahligen Entscheidungsvariablen, und 8.682.604 Nicht-Nullkoeffizienten. Die Modelle des szenariobasierten Planungsansatzes umfassen ca. 470.812 Nebenbedingungen, 3.480 ganzzahlige Entscheidungsvariablen und 16.006.248 Nicht-Nullkoeffizienten. In diesen Modellen wird die Erkenntnis aus den Anwendungen des deterministischen Modells für die einzelnen Szenarien genutzt, dass Produktionsanlagen an Raffineriestandorten errichtet werden, die durch ein hohes Biomasseaufkommen in der umgebenden Region gekennzeichnet sind. An diesen Raffineriestandorten sind zentrale Anlagen vorteilhaft. Im nachfolgenden Abschnitt werden die resultierenden Netzwerkkonstellationen für die einzelnen Szenarien bei Anwendung des beschriebenen Planungsmodells und des szenariobasierten Planungsansatzes vorgestellt. 5.4.5
Ergebnisse
Nachstehend sind die Netzwerkkonstellationen für die Untersuchungen der einzelnen Szenarien dargestellt. Dem schließen sich die Ergebnisse der szenarienübergreifenden Analyse an. Netzwerkkonfigurationen für die einzelnen Szenarien
Die resultierenden Netzwerkkonfigurationen für die einzelnen Szenarien sind für das Ende des Planungszeitraums von 20 Jahren in Abbildung 5.24 dargestellt. Es wird deutlich, dass in den Netzwerkkonfigurationen für Westeuropa ebenfalls ausschließlich zentrale Produktionsanlagen genutzt werden. Dabei werden alle drei möglichen zentralen Produktionsanlagen errichtet: Das zentrale Anlagenkonzept mit der Fischer-Tropsch-Synthese mit einer Kapazität von 500 MW und 2 GW sowie das zentrale Anlagenkonzept mit der Methanolsynthese mit
214
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
einer Kapazität von 500 MW. Die Anzahl der errichteten Anlagen und die gewählten Raffineriestandorte unterscheiden sich teilweise zwischen den Szenarien. In dem Szenario „Basis“ werden neun Anlagen jeweils mit einer Kapazität von 500 MW errichtet. Abgesehen von einer Anlage in Ingolstadt, die in Periode 16 eröffnet wird, wird in allen Anlagen die Fischer-Tropsch-Synthese eingesetzt. In dem Szenario „hohe Nachfrage“ werden insgesamt 15 Anlagen jeweils in der ersten Periode errichtet. Drei der Anlagen, die in Böhlen und Ingolstadt (Deutschland) sowie in Vlissingen (Niederlande) positioniert werden, weisen eine Kapazität von 2 GW auf. Zwei weitere Anlagen mit einer Kapazität von 500 MW sind mit der Methanolsynthese ausgestattet. Diese werden in Donges und in Petit Couronne (Frankreich) errichtet. Die restlichen zehn 500 MW-Anlagen verfügen über die FischerTropsch-Synthese. Im Falle einer niedrigen Nachfrage bietet sich die Errichtung von fünf 500 MW-Anlagen mit der Fischer-Tropsch-Synthese an. Diese werden in Deutschland in Böhlen sowie in Frankreich in Grandpuits Bailly Carrois, Monthéry und in Petit Couronne errichtet. Für den Fall, dass der zukünftige Biomasseanbau auf eine Maximierung der Erträge ausgerichtet ist und damit ein hohes Biomassepotenzial zur Verfügung steht, werden in Westeuropa sechs Anlagen eröffnet. Eine Anlage mit einer Kapazität von 2 GW ist ab der ersten Planungsperiode in Vlissingen (Niederlande) angesiedelt. Eine weitere Anlage mit der Methanolsynthese wird in Periode 16 in Böhlen eröffnet. Vier weitere Anlagen mit der Fischer-Tropsch-Synthese werden in Donges, Grandpuits Bailly, Montlhéry und Petit Couronne angesiedelt.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
215
1
1
1
1
4 1 8
1
1 1
16
1
1 1
1 1
1
1
1 1
1
12
1
1
Basis(Ͳ 16.965Mio.€)
Hohe Nachfrage (Ͳ 60.715Mio.€)
1
1
16 1
4 8
1
16
12 1
8
Hohes Biomassepotenzial (Ͳ 16.551Mio.€)
Niedrige Nachfrage (Ͳ 8.907Mio.€)
x
CHOREN(FischerͲTropschͲS.) 500MW,Eröffnung inPeriode x
x
CHOREN(Methanols.) 500MW,Eröffnung inPeriode x
x
CHOREN(FischerͲTropschͲS.) 2GW,Eröffnung inPeriode x
Abbildung 5.24: Netzwerkkonfigurationen der einzelnen Szenarien in Westeuropa
Für eine Analyse dieser Netzwerkkonfigurationen werden die Ergebnisse in Tabelle 5.20 zusammengefasst. In dieser Tabelle werden für die einzelnen Szenarien die Art der errichteten Anlage sowie die Planungsperiode der Eröffnung den Standorten zugeordnet. Dabei wird folgende Notation genutzt: (Anlagenart und Anlagenkapazität/ Eröffnungsperiode), FTS: Fischer-Tropsch-Synthese, MS: Methanolsynthese, 0,5: 500 MW, 2: 2 GW. Insgesamt sind von den 29 potenziellen Raffineriestandorten 17 Raffineriestandorte Teil der ermittelten Lösungen.
216
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Tabelle 5.20: Standort- und Anlagenauswahl
Standort
Basis
Hohe Nachfrage Niedrige Nachfrage
Hohes Biomassepotenzial
Böhlen
FTS0,5/1
FTS2/1
MS0,5/16
FTS0,5/1
MS0,5/1; FTS0,5/1
Donges Dunkerque (Dünkirchen)
FTS0,5/8
FTS0,5/1
Feyzin
FTS0,5/12
FTS0,5/1
Gelsenkirchen
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Godorf, Köln
FTS0,5/1
Gonfreville l‘Orcher
FTS0,5/8
Grandpuits Bailly Carrois
FTS0,5/1
Ingolstadt
MS0,5/16
Martigues
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/8
FTS0,5/12
MS0,5/1; FTS0,5/1
FTS0,5/1; FTS0,5/16
FTS0,5/4
FTS2/1 FTS0,5/1
Montlhéry FTS0,5/1 Petit Couronne Rotterdam
FTS0,5/1
Schwedt (Oder)
FTS0,5/1
Vlissingen
FTS0,5/1
FTS0,5/4
FTS2/1
FTS2/1
Zentrale Anlagenkonzepte sind auch in dieser Fallstudie vorteilhaft. In den zentralen Anlagenkonzepten kommen sowohl die Fischer-Tropsch-Synthese als auch die Methanolsynthese zum Einsatz. Der Einsatz der Methanolsynthese ermöglicht es, im Vergleich zur Fischer-Tropsch-Synthese höhere Prozessausbeuten zu erzielen. Für die Errichtung von Anlagen mit der Methanolsynthese sind jedoch höhere Investitionen erforderlich. Die Methanolsynthese wird daher an Standorten eingesetzt, die nach der Versorgung bereits bestehender Anlagen durch ein geringes restliches Biomasseaufkommen gekennzeichnet sind (beispielsweise Petit Couronne), oder sie wird an Standorten genutzt, von denen größere Massen des synthetischen Biodiesels nachgefragt werden. Die gewählten Anlagenkapazitäten variieren zwischen den Szenarien. So werden auch bei gleicher Nachfrage im Szenario „Basis“ und im Szenario „hohes Biomassepotenzial“ unterschiedlich viele Anlagen errichtet. In den Szenarien „Basis“ und „niedrige Nachfrage“ werden ausschließlich Anlagen mit einer Kapazität von 500 MW eingesetzt. Somit werden eine höhere Anlagenanzahl und damit ebenfalls eine weite räumliche Verteilung der Anlagen ermöglicht. Die daraus resultierenden geringeren Zahlungen für Biomassen und für Transporte des synthetischen Biodiesels zu anderen Raffinerien überwiegen die Größendegressionseffekte, die in Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW erzielt werden können. Das höhere flächenspezifische Biomasseaufkommen in dem Szenario „hohes Biomassepotenzial“
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
217
führt zu niedrigeren Zahlungen für die Beschaffung von Biomassen in den Anlagen. Durch diese Änderung des Wertegerüsts wird die Errichtung einer Anlage mit einer Kapazität von 2 GW vorteilhaft. In dem Szenario „hohe Nachfrage“ werden insgesamt 13 unterschiedliche Standorte für Produktionsanlagen ausgewählt. Somit ist eine weite räumliche Abdeckung gegeben und die durchschnittlichen Transportdistanzen für den synthetischen Biodiesel sind im Vergleich zum Szenario „Basis“ geringer. Aus diesem Grund können in diesem Szenario Größendegressionseffekte durch die Errichtung von drei 2 GW-Anlagen ausgenutzt werden. Die Standortwahl wird durch die Höhe der Zahlungen für die Beschaffung der Biomasse, durch das in der Region verfügbare Biomassepotenzial sowie durch die Zahlungen für die Distribution des produzierten synthetischen Biodiesels bestimmt. Die Standorte Böhlen und Petit Couronne sind Bestandteil der Lösungen von allen betrachteten Szenarien. Die Standorte Donges, Gelsenkirchen und Monthéry werden in drei der vier Szenarien als Anlagenstandorte gewählt. Diese Standorte weisen ein mittleres bis hohes flächenspezifisches Biomasseaufkommen auf. Das in der umliegenden Region verfügbare Biomasseaufkommen wird nicht voll ausgeschöpft. In keinem Szenario sind Importe von Biomasse von außerhalb Westeuropas erforderlich. In Abbildung 5.24 ist zudem zu erkennen, dass sich die gewählten Standorte in Westeuropa räumlich verteilen und so relativ kurze Transportdistanzen zur Belieferung der weiteren Raffineriestandorte auftreten. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Distribution des produzierten synthetischen Biodiesels ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Standortwahl nimmt. Der Aufbau der Produktionsanlagen erfolgt im Zeitverlauf und beschreibt eine Anpassung an die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in den Raffinerien. Da im Szenario „hohe Nachfrage“ eine konstante Nachfrage im Planungszeitraum unterstellt wird, werden sämtliche Produktionsanlagen in der ersten Planungsperiode eröffnet. Anlagen mit der Methanolsynthese werden in den Szenarien „Basis“ und „ hohes Biomassepotenzial“ nicht in den ersten Planungsperioden errichtet. Dies ist auf die vergleichsweise hohen Investitionen zurückzuführen. In späteren Planungsperioden wirken sich Diskontierungseffekte stärker aus. In Abbildung 5.25 sind die anteiligen Zusammensetzungen der Summen der diskontierten Zahlungen und der diskontierten Investitionen für die Produktionsnetzwerke in den einzelnen Szenarien für einen Planungshorizont von 20 Jahren dargestellt. Der Anteil der diskontierten Investitionen ist in den Szenarien „Basis“, „niedrige Nachfrage“ und „hohes Biomassepotenzial“ jeweils am höchsten. Eine Ausnahme stellt das Szenario „hohe Nachfrage“ dar, in dem Zahlungen für Biomasse den größten Anteil ausmachen. In diesem Szenario ist der Einsatz von Biomassen mit höheren spezifischen Zahlungen frei Anlage aufgrund des beschränkten Biomassepotenzials erforderlich (vgl. Abbildung 5.26). Die anteiligen Zahlungen für Transporte sind in allen Szenarien gering. Diese geringen Anteile, auch im Vergleich zu den Anteilen in der regionalen Fallstudie, sind darin begründet, dass sie ausschließlich den Transport von synthetischem Biodiesel betreffen. Die Zahlungen für den Transport von Biomassen sind in den Zahlungen für Biomasse enthalten. Die anteiligen Zahlungen für Biomasse sind entsprechend gegenüber den Anteilen in der regionalen
218
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Fallstudie höher (vgl. Abbildung 5.12). Die Anteile der Zahlungen für die Produktion liegen in allen Szenarien unter denen für Investitionen. 100% 90% 80%
32,16%
38,65%
34,24%
40,11%
70% 60% 50%
Investitionen
35,39%
26,41%
34,20%
24,27%
ZahlungenfürBiomasse
40% 1,41%
30% 20%
ZahlungenfürTransport
1,48%
1,21%
1,59%
33,53%
31,25%
34,14%
29,97%
Basis
Hohe Nachfarge
Niedrige Nachfrage
Hohes Biomassepotenzial
10%
ZahlungenfürProduktion
0%
Abbildung 5.25: Anteilige Zusammensetzung der Summe der diskontierten Zahlungen in den einzelnen Szenarien
Eine detailliertere Darstellung der Zahlungen für Biomasse ist in Abbildung 5.26 dargestellt. In allen Szenarien wird die Nachfrage der Produktion nach Biomasse durch Stroh, Energiepflanzen oder Waldrestholz bedient, welche aus der umliegenden Region der Anlagen bezogen werden. Biomasse von außerhalb Westeuropas wird in der Produktion nicht verwendet. Der größte Anteil der Zahlungen für Biomasse fällt in den Szenarien „Basis“, „niedrige Nachfrage“ und „hohes Biomassepotential“ auf Stroh zurück. Stroh weist bei einem Vergleich der betrachteten Biomassen für den Fall eines ökologischen Biomasseanbaus in der Regel die geringsten Zahlungen für die Bereitstellung einer Energieeinheit in den Anlagen auf (vgl. Tabelle 5.13). In dem Szenario „hohe Nachfrage“ geht der größte Anteil der Zahlungen für Biomasse auf den Ankauf von Energiepflanzen zurück. Zudem wird Waldrestholz eingesetzt. Der Einsatz von Energiepflanzen und Waldrestholz ist erforderlich, da das Strohpotenzial begrenzt ist. In dem Szenario „hohes Biomassepotenzial“ werden Energiepflanzen ebenfalls in größerem Umfang eingesetzt. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die spezifischen Zahlungen für Energiepflanzen frei Anlage niedriger sind112 . Zum anderen ist die Biomassenachfrage von 2 GW-Anlagen groß und kann aus der umliegenden Region nicht allein durch Stroh bedient werden. Der niedrigste Anteil der Zahlungen fällt in allen Szenarien auf Waldrestholz zurück.
112
Auch in der Produktion der Energiepflanzen werden Größendegressionseffekte erzielt. Zudem sind die eingesetzten Pflanzensamen und Dünger in vielen Fällen günstiger.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel 100%
0,35%
0,91%
0,17%
219
0,46%
8,33%
90% 80%
49,38%
70%
49,36%
60% 50%
ZahlungenfürWaldrestholz
99,37%
98,74%
ZahlungenfürEnergiepflanzen
40%
ZahlungenfürStroh
30%
50,62%
42,31%
20% 10% 0% Basis
Hohe Nachfarge
Niedrige Nachfrage
Hohes Biomassepotenzial
Abbildung 5.26: Anteilige Zusammensetzung der Zahlungen für Biomasse in den einzelnen Szenarien
Netzwerkkonfigurationen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Risikoeinstellungen
Aus der Anwendung des szenariobasierten Planungsansatzes resultieren drei Netzwerkkonfigurationen für unterschiedliche Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern. Diese Netzwerkkonfigurationen sind in Abbildung 5.27 dargestellt. In beiden Fällen werden ausschließlich zentrale Produktionsanlagen eingesetzt. Die errichteten Produktionskapazitäten sind ausreichend, um die Nachfrage in allen Szenarien zu befriedigen. Eine Kompensation der Nachfrage nach synthetischem Biodiesel durch zugekauften synthetischen Biokraftstoff findet entsprechend nicht statt. Bei Anwendung des Maxmin-Kriteriums resultiert erwartungsgemäß die Netzwerkkonstellation I entsprechend dem Szenario „hohe Nachfrage“. In diesem Szenario wird die größte Summe aus diskontierten Investitionen und diskontierten Zahlungen erreicht. Weniger stark risikoaverse Einstellungen von Entscheidungsträgern werden durch die anderen Zielfunktionen repräsentiert. Für diese ergeben sich zwei weitere Netzwerkekonstellationen II und III. In diesen Netzwerken werden ausschließlich Anlagen mit der Fischer-TropschSynthese eingesetzt. Zudem werden im Vergleich zur Netzwerkkonstellation I jeweils vier Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW errichtet. Der Vorteil einer vierten Anlage mit einer Kapazität von 2 GW liegt in Größendegressionseffekten, die bezüglich der Investitionen und fixen betriebsbedingten Zahlungen erzielt werden können. Diese Größendegressionseffekte kommen in den drei Szenarien „Basis“, „niedrige Nachfrage“ und „hohes Biomassepotenzial“ zum Tragen, da weniger Biomasse zur Befriedigung der Nachfrage verarbeitet wird.
220
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Netzwerkkonfiguration I
Netzwerkkonfiguration II 1
1 1
1
1
1 1 1 1 1
1
1
1
1
1
1
1
1
1 1
1
1
1
1
1
1
1
1
Maxmin (Ͳ 60.715Mio.€)
ErwartungswertͲMisserfolgserwartungswert,ʘ =2 (Ͳ 1.652.314Mio.€,Anspruchsniveau Ͳ17Mio.€) HodgesͲLehmann,μ=0,2(Ͳ 169.691Mio.€)
Netzwerkkonfiguration III 1 1
1 1
1 1
1 1
x
CHOREN(Methanols.) 500MW,Eröffnung inPeriode x
x
CHOREN(FischerͲTropschͲS.) 500MW,Eröffnung inPeriode x
1
1
x
1
CHOREN(FischerͲTropschͲS.) 2GW,Eröffnung inPeriode x
1
1
Erwartungswert (Ͳ 44.394Mio.€) HodgesͲLehmann,μ=0,8(Ͳ 75.743Mio.€)
Abbildung 5.27: Netzwerkkonfigurationen der szenarienübergreifenden Untersuchungen für Westeuropa
Netzwerkkonfiguration II ergibt sich bei Anwendung des Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriteriums mit einem Anspruchsniveau von -17 Mio. € und Ȧ=2 sowie bei Anwendung des Hodges-Lehmann-Kriterium mit ȝ=0,2. Eine höhere Risikobereitschaft wird durch das Erwartungswert-Kriterium sowie das Hodges-Lehman-Kriterium mit ȝ=0,8 repräsentiert. Unterschiede zwischen diesen beiden Netzwerkkonfigurationen liegen in der Standortwahl für einzelne Anlagen (vgl. Tabelle 5.21). So wird in Netzwerk II der Standort Donges für die vierte Anlage mit einer Kapazität von 2 GW gewählt. In Netzwerk III wird diese in Godorf bei Köln errichtet. Aufgrund des so bestehenden großen Kapazitätsangebots in dieser Region wird in Netzwerk III keine Anlage in Gelsenkirchen errichtet. In Donges wird in Netzwerkkonfiguration III eine Anlage mit kleiner Kapazität eröffnet. Zusammen-
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
221
gefasst werden die gewählten Anlagenarten, Standorte und Eröffnungsperioden in Tabelle 5.21. Hierbei wird die in Tabelle 5.20 genutzte Notation verwendet. Tabelle 5.21: Netzwerkkonfigurationen der szenarienübergreifenden Analyse in Westeuropa
Standort
Maxmin
Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert, Ȧ=2, Anspruchsniveau -17 Mio. €
Erwartungswert Hodges-Lehmann, μ=0,8
Hodges-Lehmann, μ=0,2 Böhlen
FTS2/1
FTS2/1
FTS2/1
FTS2/1
FTS0,5/1
Donges
MS0,5/1; FTS0,5/1
Dunkerque (Dünkirchen)
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Feyzin
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Gelsenkirchen
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Godorf, Köln
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Grandpuits Bailly Carrois
FTS2/1 FTS0,5/1
Ingolstadt
FTS2/1
FTS2/1
Martigues
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS2/1 FTS0,5/1
Montlhéry
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/1
MS0,5/1; FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Petit Couronne Rotterdam
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Schwedt (Oder)
FTS0,5/1
FTS0,5/1
FTS0,5/1
Vlissingen
FTS2/1
FTS2/1
FTS2/1
Aus den gewonnenen Erkenntnissen zur Errichtung von Produktionsnetzwerken in bestehenden Raffineriestrukturen werden im nachfolgenden Abschnitt Handlungsempfehlungen abgeleitet. 5.5
Handlungsempfehlungen
Im Folgenden werden aus der regionalen Fallstudie für Norddeutschland und der überregionalen Fallstudie für Westeuropa Handlungsempfehlungen abgeleitet. Diese richten sich an potenzielle Investoren. Zudem werden Handlungsempfehlungen an umweltpolitische Entscheidungsträger ausgesprochen. Dies hat zwei wesentliche Gründe. Erstens hat sich in den Fallstudien gezeigt, dass die produzierte Masse des synthetischen Biodiesels maßgeblich die vorteilhafte Netzwerkstruktur beeinflusst. Diese produzierte Masse wird stark durch gesetzliche Vorgaben zu Mindestanteilen von Biodiesel am gesamten Dieselabsatz bestimmt. Zweitens üben umweltpolitische Entscheidungsträger einen entscheidenden Einfluss auf die Rahmenbedingungen im Kontext der Nachhaltigkeit aus.
222
5.5.1
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
Handlungsempfehlungen an potenzielle Investoren
Aufgrund bestehender und zukünftiger Vorgaben zu Biokraftstoffanteilen im Verkehr sowie zur Senkung von CO2-Emmissionen wird verschiedenen Akteuren ein besonderes Interesse an der großindustriellen Produktion von synthetischen Biokraftstoffen zugesprochen. Hierbei sind die verschiedenen Akteure durch unterschiedliche Motive und damit einhergehend ebenfalls unterschiedliche Risikoeinstellungen charakterisiert. Vor diesem Hintergrund wurden in den vorangegangenen Fallstudien sowohl für ein regionales Produktionsnetzwerk als auch für ein Produktionsnetzwerk in bestehenden Raffineriestrukturen Gestaltungsoptionen ermittelt. Ausgehend von den Ergebnissen dieser beiden Fallstudien werden im Folgenden zum einen Handlungsempfehlungen an potenzielle Investoren abgeleitet, die an einer regionalen Netzwerkgestaltung interessiert sind. Zum anderen richten sich die Erkenntnisse aus der überregionalen Fallstudie an Mineralölkonzerne, denen sich die Möglichkeit bietet, Anlagen zur Produktion von synthetischen Biokraftstoffen in bestehende Strukturen zur Herstellung von Erdölprodukten zu integrieren. Handlungsempfehlungen für eine regionale Netzwerkgestaltung
Im Rahmen der regionalen Fallstudie konnte ermittelt werden, dass derzeit zentrale Anlagenkonzepte vorteilhaft sind. Der Einsatz der Fischer-Tropsch-Synthese bietet sich bei einem hohen Biomasseaufkommen in der Umgebung an. Bei verhältnismäßig niedrigem Biomasseaufkommen kann hingegen der Einsatz der Methanolsynthese in den Produktionsanlagen vorteilhaft sein. Die Kapazität der errichteten Anlagen wird durch die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel bestimmt. Im Hinblick auf die modellierten Risikoeinstellungen hat sich für risikoaverse Einstellungen die Errichtung von ein oder zwei Anlagen mit kleinerer Kapazität in der ersten Planungsperiode als vorteilhaft erwiesen, gefolgt von der Errichtung einer weiteren Anlage in einer späteren Planungsperiode. Für eine höhere Risikobereitschaft ist die Errichtung einer Produktionsanlage mit der Fischer-Tropsch-Synthese mit einer Kapazität von 2 GW in der ersten Planungsperiode vorteilhaft. Aus diesen Ergebnissen können Handlungsempfehlungen an potenzielle Investoren zur Auswahl von Anlagenkonzepten, Anlagenkapazitäten und Standorten abgeleitet werden. Diese Handlungsempfehlungen werden dann zu einer Strategie zum Kapazitätsaufbau zusammengeführt. In Regionen mit einem hohen Biomassepotenzial, wie sie durch die betrachtete Region Niedersachsen repräsentiert werden, ist die Errichtung von zentralen Anlagen mit der FischerTropsch-Synthese derzeit vorteilhaft. Der Einsatz der Methanolsynthese verspricht zwar höhere Dieselausbeuten, diese können jedoch in den meisten Fällen die höheren Investitionen für die Synthesetechnologie nicht kompensieren. Mit technischem Fortschritt und in Regionen mit niedrigerem Biomassepotenzial kann dieser Vorteil jedoch verloren gehen und sollte entsprechend untersucht werden. Die Wahl der Anlagenkapazität ist abhängig von der modellierten Risikoeinstellung. Für risikoaverse Entscheidungsträger bietet sich der Einsatz von Anlagen mit einer Kapazität von 500 MW an. Diese Anlagen stellen einen guten Kompromiss zwischen der Nutzung von
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
223
Größendegressionseffekten und der Reduktion von Biomassetransporten dar. Zudem geht mit diesen Anlagen eine größere Flexibilität im Rahmen des Kapazitätsaufbaus einher, wie nachfolgend unter dem Punkt „Strategie zum Kapazitätsaufbau“ beschrieben wird. Für Investoren mit einer höheren Risikobereitschaft bietet sich die Errichtung von zentralen Anlagen mit größerer Kapazität an. Die gewählten Standorte für die Produktionsmodule werden in dem Planungsansatz in Bezug auf die anfallenden Zahlungen für den Transport von Biomassen und den produzierten synthetischen Biodiesel bewertet. In Regionen mit einem hohen Biomassepotenzial, wie Niedersachsen, ist eine unter Distributionsgesichtspunkten gute Positionierung jedoch bedeutender. Aufgrund der geringen Anzahl an gewählten Standorten und der großen Schnittmenge der Standorte zwischen den ermittelten Netzwerkkonfigurationen kann zudem abgeleitet werden, dass die Standortwahl nur indirekt durch die Anlagenwahl von den unterschiedlichen Risikoeinstellungen beeinflusst wird. Für risikoavers eingestellte Entscheidungsträger kann als Strategie zum Kapazitätsaufbau die sukzessive Errichtung von zentralen Produktionsanlagen kleinerer Kapazität in den ersten Planungsperioden empfohlen werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Produktionskapazitäten an sich ändernde Rahmenbedingungen im Zeitverlauf anzupassen, insbesondere an Änderungen der prognostizierten Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen. Umgesetzt werden sollte die Netzwerkgestaltung daher im Rahmen einer revolvierenden Planung. In dieser werden Entscheidungen auf die ersten Planungsperioden beschränkt und nach einer gewissen Zeitspanne die Planungsmodelle unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Strukturen erneut angewendet (vgl. Abschnitt 3.3.2). Dies erlaubt, neue Informationen bei den Entscheidungen zu berücksichtigt und Risiken weiter zu reduzieren. Zudem wird der Problematik des beschränkten Planungshorizonts begegnet. Die Problematik des beschränkten Planungshorizonts besteht darin, dass vorteilhafte Investitionen nicht getätigt werden, da aus diesen Investitionen resultierende Zahlungsrückflüsse nach dem Ende des Planungshorizonts anfallen und somit nicht mehr in der Bewertung berücksichtigt werden. Als Standorte für die Errichtung von ersten Produktionsanlagen sollten die Standorte gewählt werden, die Bestandteil der Schnittmenge von vielen der ermittelten Netzwerkkonfigurationen sind. Das gleiche Vorgehen im Rahmen eines Kapazitätsausbaus bietet sich ebenfalls für risikofreudige Investoren an, die Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW errichten. Voraussichtlich sind in diesen Fällen jedoch keine oder weniger Kapazitätserweiterungen erforderlich. Die in der Fallstudie gefundenen Lösungen gilt es bei einer Umsetzung in weiteren Schritten zu konkretisieren. In der durchgeführten Fallstudie werden die potenziellen Produktionsstandorte vereinfachend durch einzelne Städte repräsentiert. Entsprechend sind hier in einer weiteren Planung konkrete Grundstücke für die Errichtung von Produktionsanlagen zu identifizieren. Hierbei sind spezifische Standortfaktoren anzuwenden. Neben den üblichen Standortfaktoren (z.B. Infrastruktur, Subventionen, Personal etc.) wird für die Standorte insbesondere das bereits angeführte Kriterium der langfristigen Sicherung der Biomasse-
224
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
versorgung von Bedeutung sein. Diese Sicherung der Biomasseversorgung kann beispielsweise durch langfristige Verträge mit regional ansässigen Landwirten sichergestellt werden. Handlungsempfehlungen für eine Netzwerkgestaltung in bestehenden Raffineriestrukturen
Auch in der Fallstudie zur Netzwerkgestaltung in bestehenden Raffineriestrukturen in Westeuropa sind zentrale Anlagenkonzepte vorteilhaft. Das eingesetzte Syntheseverfahren, die Kapazität der Anlagen und die Anzahl der gewählten Standorte variieren in den untersuchten Szenarien. Anlagen mit der Methanolsynthese werden weitaus seltener und in den meisten Fällen in späteren Planungsperioden eingesetzt, um eine höhere Ausbeute von synthetischem Biodiesel zu generieren. Sind die durchschnittlichen Transportdistanzen des synthetischen Biodiesels auf ein bestimmtes Maß reduziert und/oder sind die Zahlungen für Biomassen gering, ist die Errichtung von einzelnen Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW vorteilhaft. Die Wahl der Anlagenstandorte zielt wesentlich auf eine räumlich verteilte Abdeckung der Nachfrage in den einzelnen Raffineriestandorten ab. Ergebnisse der szenarienübergreifenden Untersuchungen sind Netzwerke, in denen die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel in allen Szenarien aus Netzwerkkapazitäten bedient werden kann. Aus den Fallstudienergebnissen werden nachstehende Handlungsempfehlungen für eine Netzwerkgestaltung in bestehenden Raffineriestrukturen abgeleitet. Für die Angliederung von Anlagen für die Produktion von synthetischem Biodiesel an bestehende Raffinerien bieten sich derzeit zentrale Anlagenkonzepte mit der Fischer-TropschSynthese an. Die Errichtung von Anlagen mit der Methanolsynthese ist nur empfehlenswert, wenn Regionen durch ein niedriges Biomassepotenzial gekennzeichnet sind oder höhere Ausbeuten von synthetischem Biodiesel gefragt sind. Zentrale Anlagen mit einer Kapazität von 500 MW weisen für Netzwerke in bestehenden Raffineriestrukturen den Vorteil auf, dass das Einzugsgebiet der Biomasse im Vergleich zu Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW kleiner ist und somit niedrigere Zahlungen für die Beschaffung der Biomasse erforderlich sind. Zudem ermöglichen sie, die erforderlichen Produktionskapazitäten räumlich verteilt aufzubauen und so Transporte des produzierten synthetischen Biodiesels zu reduzieren. Sofern bereits eine hohe räumliche Abdeckung der Nachfrageregion gegeben ist und/oder potenzielle Standorte durch ein hohes Biomasseaufkommen gekennzeichnet sind, bietet sich die Errichtung von zentralen Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW an. Zur Errichtung der Produktionsanlagen sollten Raffineriestandorte gewählt werden, die räumlich im Produktionsnetzwerk verteilt liegen. So können Transporte von synthetischem Biodiesel zur Befriedigung der Nachfrage in den einzelnen Raffineriestandorten reduziert werden. Zudem sollten ausschließlich Raffineriestandorte für die Produktion von synthetischem Biodiesel genutzt werden, deren jeweils umliegende Region ein hohes
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
225
Biomassepotenzial aufweist. Standorte, die lange Transporte für die Belieferung mit Biomasse erfordern, sind nicht vorteilhaft. Der Kapazitätsaufbau sollte auch in bestehenden Raffineriestrukturen sukzessive über die Zeit erfolgen. In den Untersuchungen konnten Raffineriestandorte für die Produktionsanlagen ausgemacht werden, die Bestandteil von allen oder vielen der ermittelten Lösungen sind. Dies sind in der Fallstudie für Westeuropa beispielsweise die Standorte Böhlen, Donges, Grandpuits Bailly Carrois, Montlhéry, Petit Couronne und Vlissingen. Diese Standorte bieten sich für die Errichtung von ersten Produktionsanlagen an. Stark risikoaverse Entscheidungsträger sollten mit der Errichtung von Anlagen mit kleiner Kapazität an diesen Standorten beginnen. Abhängig von den weiteren Entwicklungen können dann weitere Anlagen aufgebaut werden. Zeichnet sich ein Trend zu einer hohen Nachfrage nach synthetischem Biodiesel ab, kann ebenfalls der Aufbau von Anlagen mit einer großen Kapazität empfohlen werden. Entscheidungsträger mit einer höheren Risikobereitschaft können bereits in den ersten Planungsperioden einen umfangreicheren Kapazitätsaufbau vornehmen. Im Hinblick auf die Anlagen sollten dann jedoch von Anfang an auch einzelne Anlagen mit einer Kapazität von 2 GW errichtet werden. Umgesetzt werden sollte auch die Netzwerkgestaltung in bestehenden Raffineriestrukturen im Rahmen einer revolvierenden Planung In der durchgeführten Fallstudie für Westeuropa wird ein Produktionsnetzwerk in bestehenden Raffineriestrukturen geplant. Unterschiedliche Mineralölkonzerne werden dabei nicht differenziert berücksichtigt, da aus dieser Fallstudie zunächst allgemeine Erkenntnisse zu vorteilhaften Anlagenkonzepten und zu Strategien zum Kapazitätsaufbau abgeleitet werden sollen. Plant ein Mineralölkonzern den Aufbau von Produktionskapazitäten für synthetische Biokraftstoffe, kann das in dieser Arbeit beschriebene und für die Netzwerkgestaltung in Raffineriestrukturen angepasste Planungswerkzeug verwendet werden. Entsprechend der vorliegenden Planungssituation sind dann geeignete Raffineriestandorte und gegebenenfalls Raffineriestandorte von Kooperationspartnern zu identifizieren. So können auch andere Regionen abgedeckt und Standorte in Übersee in die Planung einbezogen werden. 5.5.2
Handlungsempfehlungen an umweltpolitische Entscheidungsträger
Die Handlungsempfehlungen an umweltpolitische Entscheidungsträger werden aus den Ergebnissen der durchgeführten Fallstudien sowie aus den Analysen der Rahmenbedingungen in Kapitel zwei abgeleitet. Die Handlungsempfehlungen richten sich an umweltpolitische Entscheidungsträger auf nationaler Ebene in Deutschland sowie an politische Entscheidungsträger auf internationaler Ebene. Auf nationaler Ebene in Deutschland wird die Schaffung von langfristig stabilen politischen Rahmenbedingungen für Netzwerke zur Produktion von synthetischen Biokraftstoffen empfohlen. Diese politischen Rahmenbedingungen betreffen zwei wesentliche Bereiche: Die Quotenvorgaben für Biokraftstoffe sowie die Subventionen für Biokraftstoffe. Die Gesetzgebung übt in diesen beiden Bereichen einen entscheidenden Einfluss auf die Nachfrage nach
226
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
synthetischen Biokraftstoffen aus. In den beiden Fallstudien konnte aufgezeigt werden, dass insbesondere die Nachfrage nach synthetischem Biodiesel bzw. die Masse des produzierten synthetischen Biodiesels wesentlich die vorteilhafte Netzwerkkonfiguration bestimmt. Sowohl die Quotenvorgaben für Biokraftstoffe als auch die Subventionierung von Biokraftstoffen wurden jedoch in der Vergangenheit geändert, wie in Kapitel zwei beschrieben und in den folgenden beiden Absätzen zusammengefasst wird. Die ursprünglich im Jahr 2006 in Deutschland festgelegten Biokraftstoffanteile sahen bis zum Jahr 2015 einen Mindestanteil von 8 % vor. Mit einer Revision des Biokraftstoffquotengesetzes im Juni 2009 wurde dieser Gesamtanteil ab dem Jahr 2009 reduziert 113 . Zudem wird ab dem Jahr 2015 eine neue Maßeinheit vorgegeben durch Prozentsätze für Treibhausgaseinsparungen, die durch den Einsatz von Biokraftstoffen erreicht werden müssen. Diese Änderungen erfolgten mit dem Ziel, eine ökologisch und sozial verträgliche Herstellung der Biokraftstoffe zu fördern (vgl. Abschnitt 2.3). Gleichzeitig wurde durch diese Änderungen jedoch auch Unsicherheit bei den betroffenen Akteuren am Markt geschaffen. So sind drei wesentliche Entwicklungen ungewiss. Erstens ist ungewiss, ob auch in Zukunft mit weiteren Änderungen der Biokraftstoffanteile gerechnet werden muss. Zweitens ob nach 2020 ansteigende gesetzlich vorgeschriebene Biokraftstoffanteile bzw. Treibhausgas-Einsparungen zu erwarten sind. Drittens welche Biokraftstoffe zur Erreichung der Treibhausgaseinsparungen eingesetzt werden sollen. Die in Deutschland vom Bundesfinanzministerium im August 2006 eingeführten Sondersteuern auf Biodiesel der ersten Generation und Pflanzenöle führte dazu, dass diese Biokraftstoffe am Markt nicht mehr konkurrenzfähig sind. Ölmühlen und Anlagen zur Herstellung von Biodiesel wurden daher nach erst kurzer Laufzeit wieder geschlossen, ohne eine Amortisation der Investitionen erreicht zu haben. Als Konsequenz dieser Änderungen und aufgrund der vielfachen negativen Erfahrungen von Investoren in Produktionstechnologien für Biodiesel der ersten Generation stehen potenzielle Investoren den hohen Investitionen in Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe kritisch gegenüber. Dies kann dazu führen, dass die Technologieentwicklung in diesem Bereich in Deutschland nicht weiter vorangetrieben wird, Deutschland aus der Gruppe der Technologieführer ausscheidet und Exportmöglichkeiten aufgibt. Zur Deckung der gesetzlich vorgeschriebenen Biokraftstoffanteile werden dann voraussichtlich Biokraftstoffe aus Entwicklungsländern, zum Beispiel aus Brasilien, importiert, deren ökologische sowie sozialverträgliche Herstellung mittelfristig schwer garantiert werden kann. Als Handlungsempfehlungen an umweltpolitische Entscheidungsträger kann daher abgleitet werden, dass langfristig stabile nationale Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um das Vertrauen potenzieller Investoren zu gewinnen. Dies betrifft sowohl die langfristige Festlegung der Biokraftstoffanteile auch über das Jahr 2020 hinaus als auch langfristige Zusicherungen im Hinblick auf die Besteuerung von synthetischen Biokraftstoffen.
113
Die vorgenommenen Änderungen werden im Einzelnen in Tabelle 2.4 dargestellt.
Fallstudien zur Netzwerkgestaltung für synthetischen Biodiesel
227
Auf internationaler Ebene sind Standards bezogen auf den Biomasseanbau gefordert. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Ressource Biomasse in der weltweiten Energieversorgung wird ein vermehrter internationaler Handel mit Biomasse erwartet (vgl. Abschnitt 2.2.5.1). Voraussetzung für die Teilhabe von Entwicklungsländern an diesem Markt ist, dass diese Biomasse zu Weltmarktpreisen produzieren. Aktuell erfolgt dies häufig auf Kosten der Umwelt und durch die Ausbeutung von bestimmten Bevölkerungsgruppen. In diesem Zusammenhang sind internationale Standards in Form von Zertifizierungssystemen festzulegen. Derartige Zertifizierungssysteme sind bereits im Aufbau, wie beispielsweise das International Sustainability and Carbon Certification (ISCC) [ISCC 2010]. In ihnen sind standardisierte Zertifizierungskriterien festzulegen, die international anerkannt und zur Bewertung des Biomasseanbaus herangezogen werden. Damit diese Standards von Entwicklungsländern erreicht werden können, ist desweiteren erforderlich, sowohl landwirtschaftliche Technologie als auch Wissen im Bereich des Pflanzenanbaus gezielt in diese Länder zu transferieren. In diesem internationalen Kontext können an umweltpolitische Entscheidungsträger in entwickelten Ländern die Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, Rahmenbedingungen für eine international nachhaltige Biomasseherstellung durch gezielte Entwicklungshilfe und Zertifizierungssysteme zu schaffen.
6
Würdigung und Ausblick
In dieser Arbeit erfolgen die Konzeption und die Modellierung eines Ansatzes zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung im Rahmen der strategischen Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen der zweiten Generation. Validiert werden die entwickelten Planungsmodelle anhand von Fallstudien zur regionalen und überregionalen Netzwerkgestaltung. Im Nachfolgenden wird zunächst eine kritische Würdigung vorgenommen. Dem schließt sich eine Diskussion der Übertragbarkeit des entwickelten Planungsansatzes auf Problemstellungen in der Prozessindustrie an. Abschließend wird ein Ausblick auf weiterführenden Forschungsbedarf gegeben. 6.1
Würdigung des entwickelten Planungsansatzes
Die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für die Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen ist ein aktuelles und relevantes Thema, das mit der Entwicklung entsprechender Produktionstechnologien sowie der umweltpolitischen Gesetzgebung zur Minderung von CO2-Emissionen einhergeht. Dies zeigt sich an der Publikation erster Planungsansätze in der jüngsten Vergangenheit (vgl. z.B. [LEDUC ET AL. 2010], [KERDONCUFF 2008]). In diesen Planungsansätzen werden ausgewählte Aspekte und Charakteristika der grundsätzlichen Problemstellung behandelt. Diese Planungsansätze decken jedoch die wesentlichen Anforderungen, die sich aus der Planungssituation an einen Planungsansatz zur Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe ergeben, nicht umfassend ab. Hier setzt die vorliegende Arbeit an und stellt einen Planungsansatz zur integrierten Technologie-, Kapazitäts-, und Standortplanung bereit. In diesem Planungsansatz werden erstmals unterschiedliche Anlagenkonzepte und Anlagenkapazitäten sowie Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern berücksichtigt. Die Anforderungen an den Planungsansatz werden in dieser Arbeit in einer umfangreichen Analyse der Rahmenbedingungen ermittelt. Als ein wesentliches Ergebnis dieser Analyse wird aufgezeigt, dass die Planung von Technologien, Kapazitäten und Standorten für die Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen maßgeblich durch die Biomassebereitstellung, die in der Entwicklung befindlichen Produktionstechnologien sowie die Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen am Kraftstoffmarkt bestimmt wird. Zudem werden die Neuartigkeit der Problemstellung und die damit einhergehenden Unsicherheiten in allen Netzwerkbereichen herausgearbeitet. Auf Grundlage dieser ermittelten Erkenntnisse werden als Anforderungen an den Planungsansatz die Berücksichtigung von in der Entwicklung befindlichen komplexen verfahrenstechnischen Produktionsprozesse, von zentralen und dezentralen Anlagenkonzepten, von Größendegressionseffekten, von dynamischen Entwicklungen, von Unsicherheiten, von anpassungsfähigen Netzwerkstrukturen sowie von Risikoeinstellungen unterschiedlicher Akteure aufgestellt. Die Umsetzung dieser Anforderungen im Rahmen der modellseitigen Ausgestaltung des Planungsansatzes wird in den folgenden Abschnitten gewürdigt.
A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
230
Würdigung und Ausblick
Eine besondere Herausforderung bei der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe stellen die in der Entwicklung befindlichen komplexen verfahrenstechnischen Produktionsprozesse dar. Diese sind durch nichtlineare Stofftransformationen und substitutionale Beziehungen zwischen Inputstoffen und Prozessparametern gekennzeichnet. Betriebsdaten zu den Stoff- und Energiebilanzen der einzelnen Produktionsprozesse liegen noch nicht vor. In dieser Arbeit wird sowohl konzeptionell als auch beispielhaft aufgezeigt, wie die Stoff- und Energiebilanzen in verfahrenstechnischen Simulationsmodellen ermittelt sowie geeignet aggregiert und bewertet in die betriebswirtschaftliche Planung integriert werden können. Ebenfalls wird das Vorgehen zur Schätzung der erforderlichen Investitionen und weiterer betriebsbedingter Zahlungen aufgezeigt. Erst diese Verknüpfung der technisch ermittelten Stoff- und Energieströme sowie der erforderlichen Anlagenausrüstungen mit betriebswirtschaftlichen Bewertungsansätzen erlaubt eine Bewertung von Netzwerkkonfigurationen für die Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen. Der entwickelte Planungsansatz erlaubt erstmals, zentrale und dezentrale Anlagenkonzepte für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen in einem Netzwerk zu berücksichtigen. 114 Die simultane Berücksichtigung wird in dem Planungsansatz durch eine Modularisierung der Produktionstechnologien ermöglicht. Hierbei werden in der technischen Analyse für die unterschiedlichen Produktionsprozesse Entkopplungspunkte identifiziert, in denen eine zeitliche und örtliche Entkopplung des Produktionsprozesses möglich ist. Produktionsschritte zwischen diesen Entkopplungspunkten werden zu Modulen zusammengefasst. Größendegressionseffekte werden in den Modellen durch Module in unterschiedlichen Kapazitätsklassen berücksichtigt. Die Bildung von Kapazitätsklassen erlaubt es zudem, nichtlineare Funktionen in den Modellen zu umgehen. Die Modularisierung der Produktionstechnologien sowie eine unbeschränkte Anzahl der Transportstufen in dem Netzwerk ermöglichen es, ohne Änderungen neue Entwicklungen in den Anlagenkonzepten in den Planungsansatz zu integrieren. Der Planungsansatz ist somit durch ein hohes Maß an Flexibilität bezüglich der Integration neuer Produktionstechnologien und neuer Anlagenkonzepte gekennzeichnet. Zukünftige Änderungen der Rahmenbedingungen erfordern gegebenenfalls eine Anpassung der Produktionskapazitäten im Zeitverlauf. Zudem geht die Entscheidung über die Errichtung von Produktionskapazitäten mit großen Investitionen einher, deren zeitlicher Anfall im Rahmen der Bewertung von Bedeutung ist. In dem entwickelten mehrperiodigen Planungsansatz können Produktionskapazitäten daher über die Zeit aufgebaut werden. Desweiteren kann in jeder Periode entschieden werden, ob bestehende Produktionsanlagen betrieben werden oder nicht. Die Möglichkeit eines Anlagenrückbaus ist in dem Planungsansatz nicht abgebildet, da in Zukunft mit einer steigenden Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen gerechnet wird.
114
Bisherige Arbeiten beschränken sich auf die Planung lediglich eines der Anlagenkonzepte.
Würdigung und Ausblick
231
Mit der langfristigen Planung gehen Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Entwicklungen einher. Gleichzeitig können verschiedene potenzielle Investoren ermittelt werden, die durch unterschiedliche Risikoeinstellungen gekennzeichnet sind. Derartige Risikoeinstellungen von unterschiedlichen Entscheidungsträgern werden in dem entwickelten Planungsansatz bei der Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe berücksichtigt. In diesem Planungsansatz werden mögliche zukünftige Entwicklungen durch verschiedene Szenarien beschrieben. Für diese Szenarien werden von Experten subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten festgelegt. Aufgrund der Neuartigkeit der Planungssituation und des langfristigen Charakters der Netzwerkgestaltung liegt keine Datenbasis zur Bestimmung objektiver Eintrittswahrscheinlichkeiten der Szenarien oder zur Bestimmung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen einzelner unsicherer Parameter vor. Durch den entwickelten szenariobasierten Planungsansatz gelingt es erstmalig, in der Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe sowohl Unsicherheiten direkt in Planungsmodellen als auch Risikoeinstellungen unterschiedlicher Entscheidungsträger zu berücksichtigen. Die aus dieser umfassenden Umsetzung der ermittelten Anforderungen resultierenden gemischt ganzzahligen Planungsmodelle sind durch eine große Komplexität gekennzeichnet. Daher kann die Lösung der Planungsmodelle mit Standardsolvern in Anhängigkeit der Probleminstanz lange Rechenzeiten erfordern. Vor diesem Hintergrund wird in der Arbeit ein problemspezifisches Preprocessing für die regionale und überregionale Netzwerkgestaltung entwickelt, das erlaubt, die untersuchten Probleminstanzen in vertretbarer Zeit zu lösen. Dieses Preprocessing wird in dieser Arbeit exemplarisch durchgeführt und umfasst eine Anpassung der Planungsmodelle an die spezifische Problemstellung sowie eine Standortvorauswahl für einzelne Produktionsmodule. Werden in Zukunft andere Probleminstanzen untersucht, die mit einem höheren Lösungsaufwand einhergehen, kann es gegebenenfalls zusätzlich erforderlich sein, spezifische Lösungsalgorithmen zu entwickeln. Hier liefert die vorliegende Arbeit auch einen ersten Ansatzpunkt, indem ein Überblick über spezielle Lösungsverfahren für Standortplanungsprobleme gegeben wird. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in dieser Arbeit erstmals ein generischer Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation konzipiert und ausgestaltet wird, in dem die bestehenden Rahmenbedingungen adäquat berücksichtigt werden. So werden in dem Planungsansatz Kapazitätsanpassungen über die Zeit, verschiedene Anlagenkonzepte und Anlagenkapazitäten, flexible Netzwerkstrukturen, Unsicherheiten sowie unterschiedliche Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger simultan einbezogen. Zudem wird die Integration der Ergebnisse verfahrenstechnischer Untersuchungen in den Planungsansatz zur Generierung der erforderlichen produktionsseitigen Datenbasis umfangreich aufgezeigt und angewendet.
232
6.2
Würdigung und Ausblick
Würdigung der Erkenntnisse und weiterer Anwendungsmöglichkeiten für industrielle Entscheidungsträger
Der entwickelte generische Planungsansatz stellt ein Werkzeug für Entscheidungsträger zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe dar. In dieser Arbeit wird das Werkzeug im Rahmen von zwei Fallstudien angewendet. Aus dieser Anwendung werden Erfahrungen und Erkenntnisse für potenzielle Investoren gewonnen. Darüber hinaus kann das entwickelte Planungswerkzeug auch auf andere Planungsprobleme übertragen werden und hier Entscheidungen unterstützen. Im Folgenden werden zunächst die gewonnen Erkenntnisse für industrielle Entscheidungsträger gewürdigt. Im Anschluss wird die Übertragparkeit auf weitere industrielle Planungsprobleme beschrieben. Das Planungswerkzeug wird in dieser Arbeit in zwei Fallstudien eingesetzt. Die erste Fallstudie richtet sich an potenzielle Investoren, die an einer regionalen Förderung interessiert sind. Die zweite Fallstudie ist speziell auf Mineralölkonzerne ausgerichtet, die eine Integration der Produktionsanlagen in bestehende Raffineriestrukturen anstreben. Die aus diesem Einsatz des Planungswerkzeugs gewonnenen Erkenntnisse beziehen sich zum einen auf die Anwendung und zum anderen auf die gewonnenen Ergebnisse. Für die Anwendung des Planungswerkzeuges wird in den Fallstudien zunächst sehr detailliert und umfassend die erforderliche Datenbasis ermittelt. Hierzu werden in der vorliegenden Arbeit unter anderem Biomassepotenzialstudien, Ergebnisse verfahrenstechnischer Simulationsstudien, technische Konzeptionen der Produktionsprozesse, gesetzliche Vorgaben zu Biokraftstoffanteilen und Kraftstoffabsatzprognosen herangezogen. Erst auf Basis einer derart umfangreichen Datenbasis kann das Planungswerkzeug angewendet werden. Zudem ist es erforderlich, Szenarien zu erstellen, die zukünftige unsichere Entwicklungen repräsentieren. Die Ausprägungen der unsicheren Parameter in den Szenarien werden in den durchgeführten Fallstudien bewusst so gewählt, dass sie ein breites Spektrum möglicher zukünftiger Entwicklungen abdecken. Aus den mit dem Planungswerkzeug ermittelten Ergebnissen können klare Erkenntnisse zu den derzeit vorteilhaften Anlagenkonzepten sowie zu Strategien zum Kapazitätsaufbau für unterschiedliche Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern ermittelt werden. Dabei wird jedoch auch deutlich, dass die resultierenden Netzwerkkonstellationen stark von den Rahmenbedingungen und insbesondere der Nachfrage in den Senken sowie den Technologieentwicklungen bestimmt werden. So kann gegebenenfalls eine extrem abweichende Nachfrage und/oder technologischer Fortschritt bezüglich der Produktionsanlagen zu grundsätzlich anderen vorteilhaften Konstellationen führen. Neben der Gestaltung der beschriebenen regionalen und überregionalen Netzwerke für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe kann das entwickelte Planungswerkzeug auch für die Netzwerkgestaltung in anderen Regionen sowie für die Netzwerkgestaltung in weiteren Branchen der Prozessindustrie genutzt werden. Dabei können Anpassungen des Planungsansatzes an die dort vorliegenden Anforderungen vorgenommen werden.
Würdigung und Ausblick
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Eine Anwendung des Planungswerkzeugs auf andere Regionen ist möglich. In den Fallstudien werden Untersuchungen für die Region Niedersachsen und für Westeuropa durchgeführt. Für die Region Niedersachsen wird ein Netzwerk mit dem Fokus auf eine regionale Beschaffung der Biomasse und einen regionalen Absatz des produzierten synthetischen Biodiesels geplant. Fallstudien für ein Land, einen Wirtschaftsraum oder einen Naturraum sind ebenfalls vorstellbar. Unterschiede bezüglich des Biomasseaufkommens und der Nachfrageverteilung von synthetischen Biokraftstoffen können grundsätzlich zu anderen vorteilhaften Anlagenkonzepten und empfehlenswerten Strategien zum Kapazitätsaufbau führen. In der überregionalen Fallstudie erfolgt die Netzwerkgestaltung innerhalb bestehender Raffineriestrukturen für die Mineralölindustrie mit dem Ziel, Synergieeffekte zu erzielen. Im Hinblick auf weitere Investoren ist ebenfalls eine Integration in andere Strukturen der Prozessindustrie, wie beispielsweise in Chemieparks, zur Erzielung von Synergieeffekten denkbar. Der Planungsansatz kann auch bei der Gestaltung von Netzwerken in anderen Branchen der Prozessindustrie eingesetzt werden. Als besondere Charakteristika des vorliegenden Planungsansatzes sind die Berücksichtigung von mehrstufigen Produktionsprozessen, von nichtlinearen und substitutionalen Transformationsprozessen, von einem räumlich stark verteilten Rohstoffaufkommen, von Unsicherheiten in den einzelnen Netzwerkbereichen sowie von unterschiedlichen Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger anzuführen. Diese Eigenschaften sind im Einzelnen in einer Reihe von Netzwerkgestaltungsproblemen in der Prozessindustrie gefordert, wie bei Produktions- und Recyclingnetzwerken für Lithium-Ionen Batterien. Dabei gehen mit strategischen Entscheidungen Unsicherheiten einher und Entscheidungsträger stehen diesen Unsicherheiten in der Regel risikoavers gegenüber. 6.3
Würdigung der Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger
Diese Arbeit liefert für politische Entscheidungsträger Erkenntnisse in zweierlei Hinsicht. Zum einen werden die Rahmenbedingungen der Produktion und Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen erstmals ausführlich über alle Dimensionen der Nachhaltigkeit sowie im Hinblick auf Produktionstechnologien und gesetzliche Vorgaben dargestellt. Zum anderen wird in diesen Beschreibungen sowie in den durchgeführten Fallstudien der große Einfluss politischer Entscheidungen auf die Erreichung nachhaltiger Zielsetzungen herausgearbeitet. Bislang wurden in Studien einzelne Aspekte der Produktion und Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen untersucht, wie zum Beispiel die ökologischen Auswirkungen. Eine Darstellung der relevanten Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken existiert jedoch nicht. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit werden daher Rahmenbedingungen im Kontext der Nachhaltigkeit, relevante rechtliche Rahmenbedingungen sowie aktuelle Entwicklungen bei den Produktionstechnologien angeführt und analysiert. Erst durch diese umfassende Analyse gelingt es, die Herstellung und Nutzung von synthetischen Biokraftstoffen im Hinblick auf die Erreichung von Zielsetzungen der Nachhaltigkeit zu bewerten sowie Chancen und Risiken für nationale und internationale Produktionsnetzwerke aufzuzeigen. Insgesamt wird aufgezeigt, dass synthetische Biokraftstoffe grundsätzlich einen
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Würdigung und Ausblick
wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung im Verkehrssektor leisten können. Auf Grundlage dieser Analysen der Rahmenbedingungen und anhand der Ergebnisse der durchgeführten Fallstudien wird in der vorliegenden Arbeit desweiteren der große Einfluss politischer Entscheidungen auf die nachhaltige Produktion synthetischer Biokraftstoffe aufgedeckt. Hierbei werden zwei wesentliche Handlungsfelder für politische Entscheidungsträger identifiziert. Zum einen sind auf nationaler Ebene in Deutschland langfristig stabile gesetzliche Rahmenbedingungen für Investoren zu schaffen. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen betreffen die Biokraftstoffanteile am gesamten Kraftstoffabsatz und die gewährten Subventionen. Durch diese politischen Instrumente wird wesentlicher Einfluss auf die Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen genommen. Diese Nachfrage bestimmt maßgeblich die vorteilhaften Netzwerkstrukturen. Zum anderen müssen international Standards zum Anbau der Biomasse eingeführt werden. Durch den Biomasseanbau wird insbesondere die ökologische und soziale Vorteilhaftigkeit der synthetischen Biokraftstoffe entschieden. Vor diesem Hintergrund sind von politischen Entscheidungsträgern sowohl international anerkannte Zertifizierungssysteme zu etablieren als auch landwirtschaftliche Technologie und Wissen in Entwicklungsländer zu transferieren, um dort ganze Bevölkerungsgruppen an den Chancen eines verstärkten Biomasseanbaus partizipieren zu lassen. 6.4
Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf
In Abhängigkeit der Ausrichtung des zu planenden Produktionsnetzwerks können die Systemgrenzen in zukünftigen Forschungsvorhaben erweitert werden. In aktuellen Forschungsarbeiten zur Entwicklung neuer Anlagenkonzepte wird ein besonderes Augenmerk auf die Erzeugung und Nutzung der Kuppelprodukte Strom und Wärme gerichtet (vgl. z.B. [BERNDES ET AL. 2009]). Während Strom in der Regel einfach in ein bestehendes Netz eingespeist werden kann, erfordert die Nutzung der Wärme eine Nachfrage in der näheren Umgebung sowie die Installation eines entsprechenden Fernwärmenetzes. Eine Bewertung dieser Anlagenkonzepte erfordert somit die explizite Modellierung der Kuppelprodukte und der substitutionalen Beziehungen in der Produktion bzw. in der Wandlung der Energie. Zudem sind auch die Investitionen für die erforderliche Infrastruktur zum Absatz der Energieformen zu berücksichtigen. In dieser Arbeit wird ein Planungsansatz für die Anwendung in einer Zoll- und Währungsunion entwickelt, da Zölle und unterschiedliche Währungen nicht berücksichtigt werden. Insbesondere die globale Verteilung der zukünftigen Biomassepotenziale lässt jedoch erwarten, dass ein vermehrter internationaler Handel mit Biomasse über diese Grenzen hinaus eintreten wird. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, unterschiedliche Währungen sowie Zölle in dem entwickelten Planungsansatz direkt in den Zahlungen für Biomasse zu berücksichtigen. Der Mehrwert einer expliziten Modellierung von Währungen und Zöllen,
Würdigung und Ausblick
wie sie in dem Literaturstrang zur internationalen Standortplanung erfolgt Zusammenhang in Zukunft zu prüfen.
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, ist in diesem
Mit diesen Erweiterungen und auch der Anwendung auf größere Probleminstanzen geht eine Steigerung der Komplexität der Planungsmodelle einher. Die bereits in den Fallstudien hohen Rechenzeiten sowie der hohe Speicherplatzbedarf lassen erwarten, dass eine Lösung solch komplexer Planungsprobleme nicht mehr mit den in kommerzieller Software bereitgestellten Lösungsverfahren möglich ist. Vor diesem Hintergrund kann als weiterer Forschungsbedarf die Entwicklung von speziellen Lösungsverfahren für die hier entwickelte integrierte Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung abgeleitet werden. Im Rahmen der Literaturanalyse zu Lösungsverfahren in Abschnitt 3.2.2.2 konnte bereits aufgezeigt werden, dass Lösungsansätze für das mehrperiodige, n-stufige Planungsproblem, in dem zusätzlich Größendegressionseffekte berücksichtigt werden, bislang nicht existieren. Im Hinblick auf eine weitere Ausgestaltung des Instrumentariums zur Planung und Lenkung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe schließt sich an den in dieser Arbeit entwickelten Planungsansatz zur strategischen Netzwerkgestaltung die Entwicklung von Instrumenten zur Entscheidungsunterstützung auf taktischer Ebene an. Auch hier wird eine Integration von technischen Informationen in die betriebswirtschaftlichen Bewertungsmodelle erforderlich sein. Beschaffungsseitig stellt sich das Planungsproblem der mittelfristigen Allokation der Biomassen auf die einzelnen Anlagen in einem Produktionsnetzwerk. Durch die Modellierung und die Analyse der verfahrenstechnischen Produktionsprozesse werden bereits in der vorliegenden Arbeit die komplexen nichtlinearen Transformationsfunktionen in Abhängigkeit unterschiedlicher Betriebszustände veranschaulicht. Aus diesen resultieren ebenfalls komplexe Kostenfunktionen in Abhängigkeit der Betriebszustände. Wesentliche Einflussgrößen auf die Betriebszustände sind in diesem Zusammenhang die Anlagenauslastung sowie die Qualität der eingesetzten Biomassen. Vor diesem Hintergrund sind Planungsansätze gefordert, die eine anlagenübergreifende Allokation der verfügbaren Biomassen unter Berücksichtigung der Betriebszustände der Anlagen mit dem Ziel unterstützen, eine Reduktion der Summe der anlagenspezifischen prozessbedingten Kosten und der Transportkosten zu erreichen. Zur Bestimmung dieser Kostenfunktionen in Abhängigkeit der Betriebszustände wird die Integration technischer Informationen erforderlich sein. Zudem sind in einem zukünftigen Produktionsnetzwerk sowohl ein zentraler Netzwerkbetreiber als auch unabhängige Anlagenbetreiber denkbar. Für den Fall unabhängiger Anlagenbetreiber sind desweiteren Koordinationsmechanismen für die Allokation der Biomassen erforderlich. Der entwickelte Planungsansatz unterstützt die Entscheidung über das grundlegende Anlagenkonzept (zentral oder dezentral), die Anlagenkapazität sowie das eingesetzte Syntheseverfahren als ein wesentliches technologisches Unterscheidungsmerkmal. Diese 115
Modelle zur internationalen Standortplanung werden beispielsweise in [ARNTZEN ET AL. 1995], [BHUTTA ET AL. 2003], [HÜBNER 2007] und [PAPAGEORGIOU ET AL. 2001] entwickelt.
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Würdigung und Ausblick
Entscheidungen sind im Rahmen der mittelfristigen standortbezogenen Prozessgestaltung weiter zu konkretisieren. Neben einer reinen technischen Gestaltung der Prozesse und Auswahl von Unit Operations sind hierbei auch Überlegungen bezüglich der Flexibilität und der Zuverlässigkeit der Produktionsanlagen anzustellen. Die Anlagenflexibilität bezieht sich beispielsweise auf die Möglichkeiten, unterschiedliche Biomassearten zu verarbeiten und auf saisonale Schwankungen in der Biomasseverfügbarkeit reagieren zu können. Eine Erhöhung der Anlagenzuverlässigkeit kann durch eine redundante Auslegung von Unit Operations oder durch den Einsatz von Unit Operations mit einer geringeren Ausfallrate erreicht werden. Eine Steigerung der Flexibilität sowie eine Erhöhung der Zuverlässigkeit von Anlagen gehen jedoch in der Regel mit höheren Investitionen einher. Vor diesem Hintergrund sind Planungsansätze zu entwickeln, in denen als weitere Bewertungskriterien die Flexibilität sowie die Zuverlässigkeit der Prozesse berücksichtigt werden.
7
Zusammenfassung
Zur Sicherung einer langfristigen Energieversorgung sowie zur Senkung von CO2-Emissionen fordert die Europäische Union in der Richtlinie 2009/28/EG, bis zum Jahr 2020 10 % der Energienachfrage im Verkehrssektor durch erneuerbare Energien zu substituieren. Zur Erreichung dieser Vorgaben werden derzeit Biokraftstoffe der ersten Generation eingesetzt. Deren Herstellung und Nutzung geht jedoch mit sozialen, ökologischen und technischen Nachteilen einher. Diesen Nachteilen kann zukünftig durch den Einsatz von synthetischen Biokraftstoffen der zweiten Generation begegnet werden. Für die Investition und den Aufbau entsprechender Produktionsanlagen kommen grundsätzlich verschiedene Investoren in Frage, wie zum Beispiel Mineralölkonzerne und Automobilhersteller. Die potenziellen Investoren sehen sich jedoch mit unsicheren Rahmenbedingungen konfrontiert und weisen unterschiedliche Risikoeinstellungen auf. Instrumente zur Unterstützung der Investitionsentscheidung für den Aufbau von Produktionsanlagen, die diesen Umständen Rechnung tragen, fehlen bislang. In dieser Arbeit wird daher ein neuartiger Planungsansatz zur integrierten Technologie-, Kapazitäts-, und Standortplanung von Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe der zweiten Generation entwickelt, der die Berücksichtigung von Risikoeinstellungen unterschiedlicher Entscheidungsträger erlaubt. Aus der Anwendung dieses Planungsansatzes im Rahmen von zwei Fallstudien werden Erkenntnisse zu vorteilhaften Anlagenkonzepten und Strategien zum Kapazitätsaufbau abgeleitet. In einem ersten Schritt werden hierzu bestehende und zukünftig erwartete Rahmenbedingungen der Produktion von synthetischen Biokraftstoffen der zweiten Generation analysiert. Nach einer Einordnung in das Spektrum alternativer flüssiger Kraftstoffe erfolgt eine Untersuchung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Herstellung und des Einsatzes von synthetischen Biokraftstoffen. Als Ergebnis dieser durchgeführten Untersuchung kann abgeleitet werden, dass synthetische Biokraftstoffe grundsätzlich positive ökonomische, ökologische und soziale Auswirkungen haben können. Dies hängt jedoch maßgeblich von der Art der Biomasseproduktion ab. Die genutzten Anbauflächen, die Bewirtschaftungsintensität sowie die Arbeitsbedingungen und die Partizipation von bestimmten Bevölkerungsschichten stellen wesentliche Erfolgsfaktoren dar. Diese Erfolgsfaktoren gilt es frühzeitig durch Regulierung durch gesetzliche Vorgaben im Sinne der Nachhaltigkeit zu beeinflussen. Die durchgeführte Analyse der gesetzlichen Vorgaben in Deutschland ergibt, dass hier mit der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung bereits ein erster Ansatz zur Sicherung der Nachhaltigkeit besteht. Gleichzeitig wird jedoch auch aufgedeckt, dass für potenzielle Investoren Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen besteht. Die Nachfrage wird wesentlich durch die gesetzlich vorgeschriebenen Biokraftstoffanteile sowie gewährte Steuerbegünstigungen bestimmt. In der Vergangenheit wurden hier bereits Änderungen vorgenommen. In der Untersuchung der verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen werden die Vielzahl der technischen Ausgestaltungsmöglichkeiten für die einzelnen Verfahrensschritte sowie Gesamtanlagenkonzepte vorgestellt und der aktuelle Entwicklungsstand beschrieben.
A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Auf Grundlage der durchgeführten Analysen der Rahmenbedingungen werden am Ende des zweiten Kapitels Anforderungen an einen Planungsansatz zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken ermittelt. Zu diesen Anforderungen zählt die Berücksichtigung von Änderungen der rohstoffseitigen und nachfrageseitigen Rahmenbedingungen im Zeitverlauf. Rohstoffseitig wird bedingt durch eine steigende Nachfrage nach Biomasse von einem zunehmenden Biomasseanbau ausgegangen. Nachfrageseitig ist in Zukunft mit einer steigenden Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen zu rechnen. Eine zukünftig steigende Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen erfordert wiederum die Möglichkeit der Planung eines sukzessiven Aufbaus der Produktionskapazitäten. Mit dem langfristigen Charakter dieser Investitionsentscheidungen gehen rohstoffseitige, marktseitige und produktionsseitige Unsicherheiten einher, die es bei der Planung ebenfalls zu berücksichtigen gilt. Rohstoffseitig ist unsicher, wie sich das zukünftige Biomassepotenzial entwickeln wird. Marktseitig ist die Entwicklung der Höhe der Nachfrage nach synthetischen Biokraftstoffen unsicher. Produktionsseitig sind neue Entwicklungen bei den Produktionstechnologien möglich. Die Entwicklungen bei den Produktionstechnologien verlangen flexible Netzwerkstrukturen, in denen unterschiedlich viele Produktionsstufen vorgesehen werden können. Im Hinblick auf die Produktionstechnologien sind desweiteren Größendegressionseffekte zu erwarten. So sind im Rahmen der Planung Zielkonflikte zwischen Größendegressionseffekten und Zahlungen für den Transport von Biomasse sowie der Kapitalbindung in Überkapazitäten zu lösen. Für die strategische Netzwerkgestaltung sind die komplexen verfahrenstechnischen Produktionsprozesse geeignet zu aggregieren, aber dennoch die planungsrelevanten Merkmale abzubilden. Potenzielle Investoren sind durch unterschiedliche Risikoeinstellungen charakterisiert, die es bei der Planung ebenfalls zu berücksichtigen gilt. Die in Kapitel zwei ermittelten Anforderungen sind Ausgangspunkt für die Diskussion von Modellierungs- und Bewertungsansätzen für die Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie im dritten Kapitel. Aufgrund des Entwicklungsstadiums der Produktionstechnologien können Informationen zu Stoff- und Energieströmen nicht dem laufenden Betrieb von Anlagen entnommen werden. Im Rahmen einer Diskussion bestehender verfahrenstechnischer Ansätze zur Ermittlung dieser Informationen werden Flowsheeting Modelle als geeigneter Ansatz ermittelt. In diesen Flowsheeting Modellen sind umfangreiche Stoffdatenbanken und Zustandsgleichungen für Transformationsvorgänge hinterlegt. Zudem besteht die Möglichkeit, benutzerspezifische Modelle und Funktionen in diese Flowsheeting Modelle zu integrieren. Für die betriebswirtschaftliche Modellierung der Produktionstechnologien für synthetische Biokraftstoffe im Rahmen der strategischen Netzwerkgestaltung werden Input/Output Modelle als geeignete Modellierungsform ermittelt. In diese lassen sich aggregierte Daten aus technischen Simulationsstudien integrieren; insbesondere erlauben sie die Abbildung von substitutionalen Beziehungen zwischen Rohstoffen. In einem nächsten Schritt werden Modelle zur Standortplanung für die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für (synthetische) Biokraftstoffe analysiert. Aus den Analaysen können drei wesentliche Erkenntnisse abgeleitet werden. Erstens kann ein potenzielles Produktionsnetzwerk für synthetische Biokraftstoffe als spezielles Facility Location Problem modelliert werden. Zweitens ermöglicht eine Standortvorauswahl im Rahmen eines Preprocessings, die Modell-
Zusammenfassung
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komplexität zu reduzieren. Für die Standortvorauswahl werden spezifische Faktoren ermittelt. Drittens genügen die bestehenden Modelle zur Standortplanung von Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe den Anforderungen an einen Planungsansatz nicht. Daher werden im Hinblick auf die nicht erfüllten Anforderungen weitere Modellierungsmöglichkeiten dargestellt. Besonders ausführlich wird hierbei der Umgang mit Unsicherheiten analysiert. Ergebnis dieser Analyse ist, dass Unsicherheiten modellimplizit in szenariobasierten Ansätzen in Anlehnung an die robuste Optimierung in die Planung einbezogen werden können. Dies erlaubt gleichzeitig die Berücksichtigung unterschiedlicher Risikoeinstellungen von Entscheidungsträgern. Zudem wird aufgezeigt, dass in einem mehrjährigen Planungsprozess die revolvierende Planung eingesetzt werden kann, um Unsicherheiten weiter zu reduzieren. Auf Grundlage der durchgeführten Literaturanalysen wird am Ende des dritten Kapitels ein Konzept zur Netzwerkgestaltung für die Produktion synthetischer Biokraftstoffe erstellt. Die Überführung dieses Konzepts in konkrete Planungsmodelle erfolgt in Kapitel vier. Hier wird zunächst exemplarisch ein verfahrenstechnisches Flowsheeting Modell für den Prozessschritt der Vergasung erstellt. In folgenden Simulationsstudien werden die Komplexität der Transformationen in der Vergasung und die substitutionalen Beziehungen von Prozessparametern sowie Einsatzstoffen aufgezeigt. Dem schließt sich die betriebswirtschaftliche Modellierung und Bewertung der Produktionsprozesse an. Für die Abbildung dezentraler Netzwerkstrukturen wird ein Vorgehen zur Modularisierung der Produktionsprozesse entwickelt. Die so gebildeten Produktionsmodule werden hierbei in einem zweistufigen Vorgehen bewertet. In einem ersten Schritt werden Investitionen für die Einzelaggregate geschätzt. Im zweiten Schritt wird die erforderliche Gesamtinvestition mittels Zuschlagsfaktoren bestimmt. Zudem wird das Vorgehen zur Ermittlung der prozessbedingten Zahlungen dargestellt. Die modellierten und bewerteten Produktionsmodule werden dann in der Formulierung eines gemischt-ganzzahligen Modells zur integrierten Technologie-, Kapazitäts- und Standortplanung verwendet. Bei diesem Modell handelt es sich um ein mehrperiodiges, n-stufiges, kapazitiertes Facility Location Problem, in dem Stofftransformationen in unterschiedlichen Produktionsmodulen modelliert werden. Zur Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten und der Risikoeinstellungen von unterschiedlichen Entscheidungsträgern wird dieses Planungsmodell dann in einen szenariobasierten Ansatz überführt. Dabei werden vier lineare Ersatzzielfunktionen erstellt. Als Entscheidungskriterien werden das Maxmin-Kriterium, das Erwartungswert-Kriterium, das Hodges-LehmannKriterium sowie das Erwartungswert-Misserfolgserwartungswert-Kriterium verwendet. Der entwickelte Planungsansatz wird im fünften Kapitel in zwei Fallstudien angewendet. In der einen Fallstudie wird die regionale Netzwerkgestaltung für Norddeutschland beschrieben, in der anderen Fallstudie die überregionale Netzwerkgestaltung in bestehenden Raffineriestrukturen für Westeuropa. In den beiden Fallstudien wird zunächst die erforderliche Datenbasis ermittelt und es werden Szenarien erstellt, die Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Entwicklungen beschreiben. Zudem wird der Planungsansatz an die jeweilige Planungssituation angepasst. Als Ergebnis für das regional ausgerichtete Produktionsnetzwerk wird für risikoaverse Entscheidungsträger eine zentrale Anlage mit kleiner Kapazität als vorteilhaftes
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Zusammenfassung
Anlagenkonzept ermittelt. Diese Anlagen stellen einen guten Kompromiss zwischen der Nutzung von Größendegressionseffekten und einer Reduktion von Biomassetransporten dar. Als Ergebnis der überregionalen Fallstudie, in der die Ansiedlung von Produktionsanlagen in bestehende Raffineriestandorte untersucht wird, bietet sich ebenfalls der Einsatz von zentralen Produktionsanlagen mit kleiner Kapazität an. Diese Produktionsanlagen ermöglichen eine verteilte räumliche Abdeckung der Nachfrage. Ein hohes Biomassepotenzial und/oder eine hohe Nachfrage nach synthetischem Biodiesel machen zudem die Errichtung von einzelnen Anlagen mit großer Kapazität vorteilhaft. Zudem wird aus beiden Fallstudien die Handlungsempfehlung abgeleitet, den Aufbau von Produktionsanlagen im Laufe der Zeit vorzunehmen, um auf Änderungen in den Rahmenbedingungen reagieren zu können. In den Fallstudien wird aufgezeigt, dass sich der entwickelte Planungsansatz sowohl zur regionalen als auch zur überregionalen Netzwerkgestaltung für die Produktion von synthetischen Biokraftstoffen eignet. Der entwickelte Planungsansatz kann zudem auf andere Regionen angewendet werden. Ebenfalls ist die Übertragung auf andere Branchen in der Prozessindustrie möglich. Besonders eignen sich hier Planungsprobleme, die durch mehrstufige, komplexe Stofftransformationen, Neuartigkeiten der Produktionstechnologien und Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Entwicklungen der Rahmenbedingungen gekennzeichnet sind. Eine mögliche Erweiterung des entwickelten Planungsansatzes wird im Hinblick auf den expliziten Einbezug von Kuppelprodukten aufgezeigt. Eine damit verbundene weitere Steigerung der Problemkomplexität erfordert die Entwicklung von spezifischen Lösungsansätzen. Im Anschluss an die Netzwerkgestaltung wird Entscheidungsunterstützung auf taktischer Ebene in der standortbezogenen Prozessgestaltung sowie der mittelfristigen Allokation der Biomassen auf bestehende Produktionsanlagen gefordert. Der in dieser Arbeit entwickelte Planungsansatz stellt ein Werkzeug für Entscheidungsträger dar, das die Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe unterstützt. Dabei werden Risikoeinstellungen von unterschiedlichen Entscheidungsträgern berücksichtigt. Hiermit steht potenziellen Investoren erstmals ein Werkzeug zur Verfügung, in dem die Besonderheiten der Produktion von synthetischen Biokraftsoffen adäquat berücksichtigt werden. Diese Arbeit legt somit einen wesentlichen Grundstein für die zukünftige Errichtung von Produktionsanlagen für synthetische Biokraftstoffe und damit für eine nachhaltige Energiebereitstellung im Verkehrssektor.
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A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Anhang A 1: Klassifikation von Modellen zur Netzwerkgestaltung ................................................... 266 A 2: Kapazitäten der betrachteten Raffinerien in Westeuropa ............................................... 272
A. Schatka, Strategische Netzwerkgestaltung in der Prozessindustrie, DOI 10.1007/978-3-8349-6717-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
266
Anhang
A 1: Klassifikation von Modellen zur Netzwerkgestaltung Zur Klassifikation von Modellen der Standortplanung bzw. Netzwerkgestaltung auch außerhalb des Kontexts der Produktion von Biokraftstoffen werden allgemeinere Kriterien eingeführt. Zu diesen Kriterien zählen: Der Planungshorizont, die Qualität der verfügbaren Informationen, die Netzwerkstruktur, die Möglichkeiten der Kapazitätsanpassung, die Materialien bzw. Produkte, die angewendeten Lösungsverfahren sowie der Bezug zu Branchen. Die Auswahl dieser Kriterien orientiert sich somit auch an den in Abschnitt 2.5 formulierten Anforderungen. Weitere häufig verwendete Kriterien, wie die Systemgrenze (national versus international) und integrative Ansätze, in denen weitere Planungsfunktionen einbezogen werden, werden an dieser Stelle nicht weiter betrachtet. Hier sei auf die in Abschnitt 2.5 angeführten Übersichtsartikel verwiesen. Planungshorizont: Modelle zur Netzwerkgestaltung können hinsichtlich der Anzahl der betrachteten Planungsperioden unterschieden werden. In statischen Modellen (1) wird lediglich eine repräsentative Periode herangezogen, auf deren Grundlage die Netzwerkgestaltung erfolgt. Dagegen werden in mehrperiodigen Modellen (M) planungsrelevante Entwicklungen im Zeitverlauf berücksichtigt. Qualität der verfügbaren Informationen: Im Rahmen der Netzwerkgestaltung sind langfristige Entwicklungen der Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Informationen, die diese Entwicklungen betreffen, sind jedoch in vielen Fällen zum Zeitpunkt der Planung nicht bekannt. So gibt es neben Planungsmodellen, in denen vollkommene Informationen angenommen werden (D), auch Modelle, in denen Unsicherheiten explizit berücksichtigt werden (U). Netzwerkstruktur: Die modellierte Netzwerkstruktur kann hinsichtlich der geplanten Transportstufen unterschieden werden. Im Rahmen dieser Klassifikation wird die Anzahl der Transportstufen zur Gliederung herangezogen (1-stufiges Modell (1), …) 116 . Modelle, in denen keine feste Anzahl an Transportstufen vorgesehen ist, werden als n-stufige Modelle (n) bezeichnet. Materialien: Während in Distributionsnetzwerken ein Material (1) oder mehrere Materialen (M) betrachtet werden, erfolgt in mehrstufigen Produktionsnetzwerken in den Produktionsstufen zusätzlich eine Transformation der Materialien. Kapazitätsanpassung: Grundsätzlich wird bei Standortplanungsmodellen zwischen kapazitierten (K) und unkapazitierten (-) Modellen unterschieden. Kapazitierte, mehrperiodige Standortplanungsprobleme können desweiteren dahingehend differenziert werden, ob im Zeitverlauf ein Ausbau (A) und/oder eine Reduktion (R) von Kapazitäten vorgenommen werden oder ob lediglich in der ersten Planungsperiode Standort116
Hier wird auf die gängige Beschreibung der Stufigkeit des Modells durch die Transportstufen zurückgegriffen.
Anhang
267
entscheidungen getroffen werden können. Zudem können grundsätzlich auch Verlagerungen (V) bestehender Kapazitäten auf einen anderen Standort betrachtet werden. Lösungsverfahren: Die Planungsmodelle zur Netzwerkgestaltung führen für realistische Instanzen in vielen Fällen zu komplexen Problemen, die nicht in polynomialer Zeit lösbar sind. Vor diesem Hintergrund werden von vielen Autoren problemspezifische Heuristiken (H) oder Lösungsalgorithmen zur exakten Lösung (A) entwickelt und angewendet. Andere Autoren nutzen zur Lösung der Probleme kommerzielle Solver (S), wie Cplex oder XpressMP. Anwendungsbezug: Einige der Planungsmodelle wurden für konkrete Problemstellungen aus der Praxis entwickelt. Es erfolgt eine Zuordnung zu nachstehenden Branchen: (P) – Pharmaindustrie, (S) – Eisen- und stahlerzeugende Industrie, (C) – Chemische Industrie, (E) – Elektronikgeräte, (A) – Automobilindustrie, (R) – Recycling/ Reverse Logistics/ Abfallentsorgung, (Ö) öffentliche Einrichtungen, (T) Textilien, (L) – Lebensmittel sowie landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Produkte sowie (B) Biokraftstoffherstellung.
1
2
D
1 118
D
2
1
K, A
A
M
K, A
A
1
K, A, R
H
1
K
H
Anwendungsbezug
[AMIRI 2006]
U
Lösungsverfahren
M
3
Kapazitätsanpassung
1
[ANTUNES/ PEETERS 2001]
U 117
Materialien
[ALONSO-AYUSO ET AL. 2003]
Netzwerkstruktur
M
[AGHEZZAF 2005]
Qualität der verfügbaren Informationen
Planungshorizont
In nachstehender Tabelle ist eine Auswahl an Modellen zur Standortplanung in Netzwerken angeführt. Die Modelle werden entsprechend der oben beschriebenen Kriterien klassifiziert. Diese Klassifikation wird zur Diskussion geeigneter Modellierungsoptionen für ein Planungsmodells zur Gestaltung von Produktionsnetzwerken für synthetische Biokraftstoffe genutzt.
[BARROS ET AL. 1998]
1
D
4
M
K
H
[BHUTTA ET AL. 2003]
M
D
1
M
K, A, R
-
R
[BILLINGTON/ DAVIS 1992]
M
D
-
M
-
-
E
[BLOEMHOF-RUWAARD ET AL. 1996]
1
D
2
M
K
H
R
[BROWN ET AL. 1987]
1
D
1
M
K
A
F
117
Eine Transportstufe umfasst den Transport zwischen Lagern.
118
Der Transport wird nicht ausdrücklich modelliert. Es erfolgt eine Zuweisung von Kunden zu einer Einrichtung, die mit Kosten bewertet wird.
3
[CANEL/ DAS 1999]
M
D
1
[CANEL/ DAS 2002]
M
D
1
[CANEL/ KHUMAWALA 1996]
M
D
[CANEL/ KHUMAWALA 1997]
M
[CANEL/ KHUMAWALA 2001]
M
[CHAKRAVARTY 2005] [CHARDAIRE ET AL. 1996] [COHEN/ MOON 1991]
1
M
K, A, R
A
1
-, A
A
1
K, A
-
1
1
K
S
D
1
1
K
A
D
1
1
-
H
1
D
1
M
K
A
M
D
1
1
-
H
D
2
M
K
A
[CORDEAU ET AL. 2006]
1
D
n
M
K
A
[DASCI/ VERTER 2001]
1
D
1
1
-
H
Anwendungsbezug
D
Lösungsverfahren
M
Kapazitätsanpassung
Netzwerkstruktur
[CANEL ET AL. 2001]
Materialien
Qualität der verfügbaren Informationen
Anhang
Planungshorizont
268
in der Ebene
[DOGAN/ GOETSCHALCKX 1999]
M
D
3
M
K
A
[ERLENKOTTER 1981]
M
D
1
1
K, A
H
C, L
[FLEISCHMANN ET AL. 2006]
M
D
2
M
K, A
S
A
[FONG/ SRINIVASAN 1986]
M
D
1
1
K, A
H
[FREIWALD 2005]
1
U
3
M
K
S
119
2
E
[GEOFFRION/ GRAVES 1974]
1
D
M
K
A
[GHIANI ET AL. 2002]
1
D
1
1
K
H
[GUILLÉN-GOSLBEZ ET AL. 2009]
M
D
2
M
K, A
A
C
[HAMMERSCHMID 1990]
1
D
2
M
K
A
R
[HAUG 1985]
M
D
1
1
K, A
S
[HINDI/ PIENKOSZ 1999]
1
D
1
1
K
H
[HINOJOSA ET AL. 2000]
M
D
2
M
K, A
H
[HINOJOSA ET AL. 2008]
M
D
3
M
K, A, R
H
[HODDER/ JUCKER 1985]
1
U
1
1
-
A
[HODDER/ DINCER 1986]
1
U
1
1
K
A
[HORMOZI/ KHUMAWALA 1996]
M
D
3
1
K, A, R
A
[HÜBNER 2007]
M
D
n
M
K, A, R
S
119
C
Die Transporte eines Produktes von einer Anlage über ein Distributionscenter zu einem Kunden werden durch eine mehrdimensionale Entscheidungsvariable beschrieben.
Netzwerkstruktur
Materialien
Kapazitätsanpassung
Lösungsverfahren
[HUANG/ LI 2008]
1
D
1
M
-
A
[JACOB 2005]
M
D
n
M
K, A, R
S
[JAYARAMAN 1998]
1
D
2
M
K
S
[JAYARAMAN ET AL. 2003]
1
D
3 120
1
K
H
Anwendungsbezug
Qualität der verfügbaren Informationen
269
Planungshorizont
Anhang
R
[KALCSICS ET AL. 2000]
1
D
2
M
-
S
[KALLRATH 2002]
M
D
n
M
K, A, R
S
[KELLY/ MARUCHECK 1984]
M
D
1
1
K, A
A
[KERDONCUFF 2008]
1
D
2
M
K
S
B
[KÖKSALAN/ SÜRAL 1999]
M
D
2
M
K, A 121
-
F
[KOUVELIS ET AL. 2004]
M
D
2
M
K
S
[LEDUC ET AL. 2008]
1
D
2
M
K
-
B
[LEDUC ET AL. 2010]
1
D
2
M
K
-
B R, E
122
[LEE/ DONG 2008]
1
D
2
1
K
H
[LEE/ LUSS 1987]
M
D
-
- 123
K, A, V
A
C
1 124
U
2
1
K
H
[LIN ET AL. 2006]
1
U
4
M
-
H
[LISTES/ DEKKER 2005]
1
U
4
M
K
S
R
125
[LIECKENS/ VANDAELE 2007]
[LU/ BOSTEL 2007]
1
D
1
-
H
R
[MARTEL ET AL. 2005]
1
D
3
3
M
K
S
P
[MAZZOLA/ NEEBE 1999]
1
D
1
M
K
A, H
[MELACHRINOUDIS/ MIN 2000]
M
D
1
1
K, A, R, V
S
120
Die drei Transportstufen umfassen den Transport von einer Quelle zu einer Sammelstelle, von einer Sammelstelle zu einer Aufarbeitung oder direkt von der Quelle zu der Aufarbeitung. Sie werden jedoch durch lediglich eine mehrdimensionale Entscheidungsvariable beschrieben.
121
Die Autoren Köksalan und Süreal [KÖKSALAN/ SÜRAL 1999] erlauben in dem Modell die Eröffnung von Anlagen in Planungsperioden, die im Vorhinein festgelegt werden. Eine Entscheidung über die Eröffnungsperiode wird nicht unterstützt.
122
Sowohl abzusetzende als auch zurück genommene Produkte.
123
Eine kundenseitige Nachfrage wird nur indirekt über einen Kapazitätsbedarf ermittelt.
124
In dem Modell erfolgt eine Kombination mit einem Warteschlagenmodell, so dass dynamische Effekte in dem einperiodigen Modell berücksichtigt werden.
125
Der zweistufige Rückfluss alter Geräte wird durch eine mehrdimensionale Entscheidungsvariable beschrieben.
Netzwerkstruktur
Materialien
Kapazitätsanpassung
Lösungsverfahren
M
D
n
M
K, A, R, V
S H
Anwendungsbezug
Qualität der verfügbaren Informationen
[MELO ET AL. 2006]
Anhang
Planungshorizont
270
[MUDCHANATONGSUK ET AL. 2008]
1
U
1
M
K
[NICKEL ET AL. 2006]
M
D
n
M
K, A, R, V
S
S
[PAPAGEORGIOU ET AL. 2001]
M
D
0 126
M
K, A
S
C
[PAQUET ET AL. 2004]
1
D
n
M
K
A
[PIRKUL/ JAYARAMAN 1998]
1
D
2
M
K
H
[POOLEY 1994]
1
D
2
M
K
S
F
[POPP 1983]
M
D
1
M
K, A
S
P
[PÜCHERT 1996]
1
D
n
M
K
S
S, A 127
[RAUSCH 2006]
1
U
2
1
K
S
A
[ROMEIJN ET AL. 2007]
1
D
2 128
1
K
A
[SABRI/ BEAMON 2000]
1
U
3
M
K
A,S
[SALEMA ET AL. 2006]
1
D
4
1
K
S
[SALEMA ET AL. 2007]
1
U
4
M
K
S
R R 129
[SANKARAN/ RAGHAVAN 1997]
1
D
1
1
K
S, H
[SANTOSO ET AL. 2005]
1
U
n
M
K
H
[SCHULTMANN ET AL. 2003]
1
D
2
M
K
S
R
[SERRA/ MARIANOV 1998]
1
U
1
1
K
H
Ö
[SHULMAN 1991]
M
D
1
1
K, A
H
[SNYDER/ DASKIN 2006]
1
U
1
1
-
H
[SNYDER ET AL. 2007]
1
U
2
1
-
H
[SRIVASTAVA 2008]
M
D
1 130
M
K, A
-
R
[SPENGLER ET AL. 1997]
1
D
n
M
K
S
R, S
[TSIAKIS ET AL. 2001]
1
R
3
M
K
S
[VERTER/ DINCER 1995]
1
D
2
1
K
A
126
Es werden keine Transporte zwischen den Produktionsstätten und den Vertriebsgesellschaften berücksichtigt.
127
Recycling von Automobilen
128
Die beiden Transportstufen werden durch eine mehrdimensionale Entscheidungsvariable beschrieben.
129
Zur Lösung eines reduzierten Problems wird die Software LINDO eingesetzt.
130
Eine formale mathematische Formulierung des Planungsproblems wird nicht gegeben. Die Stufenanzahl wird daher auf Basis der Informationen aus der Problemstellung abgeleitet.
Netzwerkstruktur
Materialien
Kapazitätsanpassung
Lösungsverfahren
1
D
3
M
K
A, H
Anwendungsbezug
Qualität der verfügbaren Informationen
[VERTER/ DASCI 2002]
271
Planungshorizont
Anhang
[VIDAL/ GOETSCHALCKX 2001]
1
D
3
M
K
H
[VILA ET AL. 2006]
M
D
n
M
K, A, R
S
L
[WALTHER ET AL. 2008]
1
D
1
M
K
S
R
[WEN/ IWAMURA 2008]
1
U
1
1
K
H
[WOLLENWEBER 2008]
1
D
n
M
K
H
R, A
D
131
M
K
S
F
[WOUDA ET AL. 2002]
131
1
3
Eine Transportstufe beschreibt den Transport zwischen Produktionsanlagen.
272
Anhang
A 2: Kapazitäten der betrachteten Raffinerien in Westeuropa
in [Barrel Rohöl/d]