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Samuel Falk: Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation in der Praxis Personal- und Organisationsentwicklung, hrsg. von Prof. Dr. Michael Müller-Vorbrüggen, Band 2 ISBN 978-3-86618-119-9, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering, 2. Aufl. 2007, 117 S., € 24.80
Dieses Buch zeigt anhand von mehreren in Interviews erhobenen Fallbeispielen, wie Konzepte der Personalentwicklung, des Wissensmanagements und der Lernenden Organisation in der Praxis in Unternehmen implementiert sind und welche Potenziale aktuell noch ungenutzt bleiben. Erfolgsversprechendes Entwicklungspotenzial der Personalentwicklung ist hierbei auszumachen in den Feldern: - aktive Gestaltung von Unternehmens- und Lernkultur, - stärkere strategische Orientierung, - Nutzung von neuen IuK-Technologien auch für die Personal(entwicklungs)arbeit, - integrierte Betrachtung der Personalentwicklung unter Einbezug von Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung, - sowie stärkere Verantwortung von Mitarbeitern und Führungskräften für die (eigene) Personalentwicklung. Darüber hinaus wird mit der Entwicklung eines ganzheitlichen Modells der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen für eine synergetische Verknüpfung der Personalentwicklung mit Konzepten des Wissensmanagements und der Lernenden Organisation plädiert. Hieraus resultieren vielfältige neue Aufgabenfelder für die Personalentwicklung, insbesondere - die Gestaltung von Wissenstransformationen zwischen implizitem und explizitem Wissen im Unternehmen, - Aufgaben der Identifikation und Entwicklung von Kernkompetenzen - und die Speicherung von strategischem Wissen. Eine derart betriebene, ganzheitliche Personalentwicklung steht den Herausforderungen der Zukunft nicht hilflos gegenüber, sondern wird zum Motor der Unternehmenszukunft. Schlüsselwörter: Ganzheitliche Personalenwicklung, Wissensmanagement, Organisationale Wissensbasis, Organisationales Lernen, Wissenstransformation Samuel Falk (Jg. 1979) ist Betriebspädagoge, M. A., Studium der Betriebspädagogik an der RWTH Aachen mit den Nebenfächern ABO-Psychologie und Soziologie. Beschäftigt seit 2007 als Jugendreferent bei der EFG Aachen.
Personal- und Organisationsentwicklung Band 2 Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Müller-Vorbrüggen
Samuel Falk
Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation in der Praxis Zusammenhänge – Synergien – Gestaltungsempfehlungen 2. Auflage
Rainer Hampp Verlag
München und Mering 2007
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN: 978-3-86618-119-9 Personal- und Organisationsentwicklung: ISSN 1860-3165 1. Auflage, 2006 2. Auflage, 2007 © 2007
Rainer Hampp Verlag Meringerzeller Str. 10
München und Mering D – 86415 Mering
www.Hampp-Verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. ∞
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Für meine liebste Frau Claudia
Aachen, im Februar 2007
VI
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis
VI VIII
Tabellenverzeichnis
IX
Abkürzungsverzeichnis
X
1
Einleitung
11
1.1
Zielsetzung
11
1.2
Aufbau der Arbeit
13
2
Theoretische Grundlagen
14
2.1
Personalentwicklung
14
2.1.1
Definition und Ziel
14
2.1.2
System der Personalentwicklung
17
2.2
Wissensmanagement und Wissen
19
2.2.1
Wissen – Information – Daten (Wissenstreppe)
19
2.2.2
Wissens-Typologien
21
2.2.3
Wissensmanagement-Konzepte
23
2.2.3.1
Organisationale Wissensbasis nach Pautzke
24
2.2.3.2
Wissenstransformation nach Nonaka/ Takeuchi
28
2.2.3.3
Wissensbausteine nach Probst/ Raub/ Romhardt
30
2.3
Lernen und Lernende Organisation
33
2.3.1
Individuelles Lernen
34
2.3.2
Kollektives Lernen
35
2.3.3
Organisationales Lernen und Lernende Organisation
36
3
Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
40
3.1
Zusammenhang zwischen Personalentwicklung – Wissensmanagement – Lernende Organisation
40
Zusammenhang zwischen Lernender Organisation und Personalentwicklung
40
Zusammenhang zwischen Wissensmanagement und Lernender Organisation
41
Zusammenhang zwischen Wissensmanagement und Personalentwicklung
42
3.2
Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung
43
3.2.1
Entwicklungsstufen der Personalentwicklung
43
3.2.2
Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen
45
3.1.1 3.1.2 3.1.3
Inhaltsverzeichnis
3.2.3
VII
Neue Erwartungen an die Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
47
Ganzheitliches Modell der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
57
4
Praxis: Fallstudie
60
4.1
Qualitative Forschung: Einführung
60
4.2
Qualitatives Interview: Aufbau und Ablauf
62
4.3
Auswertung der qualitativen Interviews
66
4.4
Ergebnisse der qualitativen Interviews
67
5
Diskussion der empirischen Ergebnisse
77
6
Fazit und offene Forschungsfragen
82
3.3
Literaturverzeichnis
85
Anhang 1: Interviewleitfaden
91
Anhang 2: Protokoll 1 vom 15.08.2005
98
Anhang 3: Protokoll 2 vom 16.08.2005
101
Anhang 4: Protokoll 3 vom 18.08.2005
105
Anhang 5: Protokoll 4 vom 25.08.2005
108
Anhang 6: Protokoll 5 vom 01.09.2005
112
Anhang 7: Protokoll 6 vom 06.09.2005
115
VIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1
System der Personalentwicklung
18
Abbildung 2
Die Wissenstreppe
20
Abbildung 3
Schichtenmodell der organisatorischen Wissensbasis
25
Abbildung 4
Arten organisatorischer Lernprozesse
27
Abbildung 5
Die Wissensspirale
28
Abbildung 6
Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen
29
Abbildung 7
Bausteine des Wissensmanagements
30
Abbildung 8
Entwicklungsstufen der Personalentwicklung
44
Abbildung 9
Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen - Felder neuer (An)Forderungen an die Personalentwicklung
48
Ganzheitliches Modell der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
58
Abbildung 11
Säulen qualitativen Denkens
61
Abbildung 12
Ablaufmodell des problemzentrierten Interviews
63
Abbildung 13
Auswertungsschema qualitativer Erhebungen
66
Abbildung 10
Tabellenverzeichnis
IX
Tabellenverzeichnis Tab. 1
Inhalte der Personalentwicklung
15
Tab. 2
Portfolio Wissenstypologien
22
Tab. 3
Interviewte Unternehmen (Daten und Fakten)
67
Tab. 4
Interviewpartner (Daten und Fakten)
68
Tab. 5
Organisation der Personalentwicklung (Praxis)
69
Tab. 6
Aufgaben der Personalentwicklung (Praxis)
69
Tab. 7
Ziele der Personalentwicklung (Praxis)
70
Tab. 8
Verständnis und Aufbau von Wissensmanagement (Praxis)
70
Tab. 9
Zuständig für Wissensmanagement (Praxis)
71
Tab. 10
Aufgaben des Wissensmanagements (Praxis)
71
Tab. 11
Ziele des Wissensmanagements (Praxis)
72
Tab. 12
Verständnis und Aufbau von Konzepten Lernender Organisation (Praxis)
72
Tab. 13
Zuständig für Konzepte Lernender Organisation (Praxis)
73
Tab. 14
Aufgaben der Konzepte Lernender Organisation (Praxis)
73
Tab. 15
Ziele der Konzepte Lernender Organisation (Praxis)
74
Tab. 16
Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in Bezug auf Wissensmanagement (Praxis)
75
Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung bezüglich Lernender Organisation (Praxis)
75
Erwartete Veränderungen der Personalentwicklung (Praxis)
76
Tab. 17
Tab. 18
X
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Abb. ABO-Psychologie bzw. ca. d. h. ebd. et al. etc. evtl. f. ff. HR Hrsg. IuK-Technologien IT LO MA MbO MbKO Mio. Mrd. n OE OF PA PE S. s. s. a. u. a. Stellv. Tab. vgl. WM
Abbildung Arbeits-, Betriebs- und Organisations-Psychologie beziehungsweise circa das heißt ebenda et alteri et cetera eventuell (die) folgende (die) folgenden Human Ressource Herausgeber Informations- und Kommunikationstechnologien Informationstechnik Lernende Organisation Mitarbeiter Management by Objective Management by Knowledge Objective Million(en) Milliarde(n) Variabel Organisationsentwicklung Originalformat Personalabteilung Personalentwicklung Seite siehe siehe auch unter anderem Stellvertretender Tabelle vergleiche Wissensmanagement
z. B.
zum Beispiel
1. Einleitung
1
11
Einleitung
Längst ist Wirklichkeit geworden, was bereits seit einigen Jahrzehnten von Wissenschaftlern wie Drucker (1969), Bell (1996) oder Castell (2004)1 diskutiert wird: die Industriegesellschaft wird von einer Informations- bzw. Wissensgesellschaft abgelöst. Diese Umwandlung bringt in vielerlei Hinsicht Veränderungen mit sich. Willke (1998a) sieht in Bezug auf die Erwerbsarbeit strukturelle Veränderungen in den Bereichen Technik (Automation), Weltwirtschaft (Globalisierung), Demographie und Werte, die wiederum zu Veränderungen der Erwerbsarbeit und hierbei vor allen Dingen der Beschäftigungsstruktur, der Tätigkeiten, der Arbeitszeiten, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumwelt führen (vgl. Willke 1998a).2 Auch Doppler/ Lauterburg (2002) unterscheiden diesbezüglich fünf veränderte Rahmenbedingungen, erstens Innovationssprünge in der Informatik und Telekommunikation, zweitens die daraus resultierende Verknappung der Ressource Zeit, drittens die notwendig gewordene interkulturelle Zusammenarbeit in einer globalen Ökonomie, viertens die Verknappung der Ressource Geld und fünftens die dramatische Steigerung der Komplexität (vgl. Doppler/ Lauterburg 2002: 21 ff.; vgl. Probst 1995: 164 ff.). Motoren all dieser Veränderungen sind unter anderem die rasante Entwicklung und Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien und die Globalisierung. All diese Veränderungen mag man begrüßen oder nicht, als Chance oder Gefahr empfinden, Fakt ist: „es wird nie mehr so sein, wie es einmal war.“ (Doppler/ Lauterburg 2002: 36, OF).
1.1
Zielsetzung
Die heutige Wissensgesellschaft stellt alle vor neue Herausforderungen, sie zwingt Unternehmen dazu Modelle, Strategien und Instrumente die jahrzehntelang Garantie für Wachstum und Produktivität waren, zu überdenken, gegebenenfalls zu verwerfen und sich mutig den neuen Herausforderungen zu stellen. Dabei können Organisationen den neuen Herausforderungen dieser Zeit nicht (nur) durch Optimierung der klassischen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital begegnen, da eine solch traditionelle Management-Strategie den gesellschaftlichen Veränderungen immer nur reaktiv gegenübersteht, der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherläuft und schlussendlich seine Wettbewerbsfähigkeit verliert. Viele Organisationen haben mittlerweile erkannt, dass Wissen als Hebel fungieren kann, der es ermöglicht, den gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen (pro)aktiv entgegenzutreten und sich hierdurch langfristig seine Position am Markt zu sichern. Wissen wird hierbei als vierter Produktionsfaktor angesehen, der Boden, Ar1
Die hier aufgeführten drei Autoren haben gemeinsam, dass sie alle (wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Schwerpunkten und unterschiedlichen Titeln) das Ende der Industriegesellschaft und den Beginn einer neuen, postindustriellen Zeit prognostizieren. Drucker (1969) spricht von einer Wissensgesellschaft; Bell (1996) allgemein von einer postindustriellen Gesellschaft und Castell (2004) von einem Informationszeitalter. 2
Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den Veränderungen der Erwerbsarbeit durch den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden, es geht hierbei vielmehr darum, die Spanne der von Veränderungen betroffenen Bereiche aufzuzeigen.
12
1. Einleitung
beit und Kapital an Wichtigkeit längst übertrifft (vgl. Bell 1996; vgl. Willke 1998b). Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass Organisationen ihr Wissen nicht dem Zufall überlassen wollen, sondern beginnen, dieses aktiv zu managen. Ein weiterer Hebel, als Antwort auf die neuen Herausforderungen, wird in Konzepten der Lernenden Organisation gesehen, bei denen kontinuierliches Lernen von Individuen, Gruppen und selbst der Organisation zu einer besseren Anpassung an die veränderten Umweltbedingungen, zu einer (pro)aktiveren Gestaltung dieser und somit zu einer erhöhten Problemlösungs- und Handlungskompetenz des Unternehmens führen soll (vgl. Probst 1995: 164 ff.). Hierbei ist zu beachten, dass diese, häufig auch in Folge von Modeerscheinungen verwendeten Begrifflichkeiten „Wissensmanagement“ und „Lernende Organisation“ nicht zwangsläufig die Antwort auf die neuen Herausforderungen darstellen und somit eine bessere Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens garantieren. Diese tragen nur dann zum Erfolg der Organisation bei, wenn es gelingt, diese Begrifflichkeiten nicht nur zu kommunizieren, sondern mit Leben im Organisationsalltag zu füllen. Die recht bescheiden ausfallenden Erfolge dieser Konzepte deuten darauf hin, das die praktische Umsetzung dieser Begriffe bisher nicht oder nur unzureichend stattgefunden hat. Ein wichtiger Baustein hierzu könnte die Personalentwicklung sein, die bereits in der Vergangenheit, richtig eingesetzt, einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistete (vgl. Walsh/ Papmehl 1991: 13). Den neuen Herausforderungen der Wissensgesellschaft ist diese aber, mit ihrer Ausgestaltung vergangener Tage nicht oder nur unzureichend gewachsen (ebd.: 17). Deshalb löst diese Arbeit die Personalentwicklung von ihrem alten Selbstverständnis in traditionellen Unternehmen und konstruiert ein, an den neuen Herausforderungen angepasstes, neues Selbstverständnis der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen.3 Der Personalentwicklung wird hierbei eine wichtige gestalterische und unterstützende Rolle im Bezug auf das Wissensmanagement und auf dem Weg zur Lernenden Organisation zugewiesen. Diese Arbeit zeigt, welche Rolle Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen spielt, welches Selbstverständnis der Personalentwicklung hierfür benötigt wird, welche (An)forderungen an diese gestellt werden (sollten) und welche neuen und veränderten Aufgaben daraus für diese resultieren. Des weiteren wird gezeigt, wie Wissensmanagement und Lernende Organisation zu verstehen sind, damit diese einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Hierbei geht es in Bezug auf das Wissensmanagement weniger um die informations- und kommunikationstechnische Implementierung von Datenbanken, Knowledge-Management-Systemen etc., sondern um den eigentlichen Urheber und Träger des Wissens: den Menschen. Kern der Arbeit ist die Entwicklung einer ganzheitlichen, systematischen Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen, die gemeinsam und integriert mit Konzepten des Wissensmanagements und der Lernenden Organisation die Fähigkeit
3
Mit wissensorientierten Unternehmen sind in diesem Kontext Organisationen gemeint, die Wissen als Produktionsfaktor ansehen, die die neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen annehmen, eine diesbezügliche Transformation ihrer Personalentwicklung mit der Vision von einer Lernenden Organisation anstreben und Wissensmanagement als ein notwendiges Werkzeug verstehen.
1. Einleitung
13
besitzt, den Herausforderungen der Zukunft nicht nur gut gerüstet entgegenzutreten, sondern deren Chancen auch zu nutzen weiß. Damit diese Ergebnisse nicht nur den theoretischen Diskurs bereichen, sondern auch konkrete Hinweise für die Praxis geben können, ist die Spiegelung und Verzahnung der Ergebnisse direkt an und mit der Praxis notwendig, was hier mit Hilfe einer qualitativen Analyse fallstudienartig erfolgt.
1.2
Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit ist in sechs Kapitel aufgeteilt; dieses Kapitel (das erste) beschäftigt sich mit der Zielsetzung und dem Aufbau der Arbeit. Im zweiten Kapitel werden die benötigten Begriffe eingeführt, definiert und für diese Arbeit abgegrenzt. Im Einzelnen sind dies die Begriffe: Personalentwicklung, Wissen, Wissensmanagement, Lernende Organisation und als Bindeglied dieser Begriffe: das Lernen. Das dritte Kapitel zeigt zunächst Zusammenhänge zwischen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation auf, um daran anschließend, in Abgrenzung zur Rolle und zum Selbstverständnis der Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen, ein neues Selbstverständnis von Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen zu konstruieren. Zur konkreten Ausgestaltung und Entwicklung dieses neuen Selbstverständnisses werden neue und veränderte Herausforderungen, Erwartungen und (An)forderungen an die Personalentwicklung aufgezeigt und zu zentralen Themenfeldern zusammengefasst. Es schließt sich die Vorstellung eines ganzheitlichen Modells der Personalentwicklung an, das sich zusammen mit dem Wissensmanagement an der Vision Lernende Organisation orientiert. Der Personalentwicklung wird somit eine zentrale Stellung als Ideengeber und Gestalter von Mensch und Organisation im wissensorientierten Unternehmen zugewiesen. Besonderes Augenmerk gilt den Zusammenhängen und somit der Rolle der Personalentwicklung im Bezug auf Wissensmanagement und Lernende Organisation. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit Aufbau und Auswertung einer fallstudienartigen, qualitativen Analyse von sechs Unternehmens-Interviews mit dem Ziel, die theoretischen Ausführungen zur Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen mit der Praxis zu vergleichen. Zunächst wird hierzu die Durchführung von qualitativer Forschung im Allgemeinen und daran anschließend die Durchführung von qualitativen Interviews im Speziellen beschrieben. Es schließt sich die Vorstellung des Untersuchungsdesigns und der Interviewergebnisse an. Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der Interviews abschließend diskutiert. Dabei ist die zentrale Fragestellung, ob und inwieweit Konzepte des Wissensmanagements und der Lernenden Organisation im Unternehmen verankert sind und welche Relevanz der Personalentwicklung in Bezug auf diese in der Praxis zugeschrieben wird. Darüber hinaus wird auch die generelle Ausgestaltung und die zukünftig erwartete Entwicklung der Personalentwicklung in den interviewten Unternehmen diskutiert. Das sechste und gleichzeitig letzte Kapitel beschließt die Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse und zeigt resultierende, sich an die Arbeit anschließende, Forschungsfragen auf.
14
2
2. Theoretische Grundlagen
Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen geschaffen. Hierbei wird neben der Definition der Begrifflichkeiten die Frage der Abgrenzung in Bezug auf das Ziel dieser Arbeit im Vordergrund stehen. Zunächst (in Kapitel 2.1) wird aufgezeigt, was unter Personalentwicklung zu verstehen ist und welche Aufgaben und Ziele von dieser verfolgt werden. Des weiteren (in Kapitel 2.2) werden theoretische Grundlagen und Konzepte des Wissensmanagements erläutert, wozu auch die Definition und Abgrenzung des Wissensbegriffs in Bezug auf Information und Daten gehört. Der letzte Teil dieses Kapitels (2.3) befasst sich dann mit dem Konstrukt der Lernenden Organisation und klärt, was unter individuellem, kollektivem und organisationalem Lernen zu verstehen ist.
2.1
Personalentwicklung
2.1.1 Definition und Ziel Wie bereits in der Einleitung dargelegt, stehen Organisationen heutzutage vor vielfältigen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen, deren Risiken und Gefahren sie sich nicht hilflos ausliefern dürfen, sondern deren Chancen es durch eine kontinuierliche, aktive Veränderung ihrer Mitarbeiter und der Organisation selbst zu nutzen gilt. Hierbei kann die Personalentwicklung eine entscheidende Rolle spielen. Was aber ist unter Personalentwicklung zu verstehen, welche Aufgaben und Ziele verfolgt diese? Personalentwicklung wurde als Begrifflichkeit erstmals in den 60er Jahren in der USA und seit den 70er Jahren in der deutschsprachigen Literatur erwähnt und etablierte sich in den folgenden Jahrzehnten sowohl theoretisch, als auch in der Praxis durch den vermehrten Aufbau von Personalentwicklungsabteilungen in Unternehmen (vgl. Mudra 2004: 5 ff.). 4 Personalentwicklung wurde und wird interdisziplinär von verschiedenen Forschungsrichtungen betrachtet, im Wesentlichen von der Betriebswirtschaftslehre (im Rahmen der Personalwirtschaft), der (ABO-)Psychologie und der (Berufs-)Pädagogik. So ist es nicht verwunderlich, dass eine einheitliche Definition des Begriffs Personalentwicklung bisher nicht gelungen ist.5 Verwendet wird hier die häufig zitierte Definition: „Personalentwicklung umfasst alle Maßnahmen der Bildung, Förderung und der Organisationsentwicklung, die zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden.“ (Becker 2002: 4). Diese spricht ein Verständnis von Personalentwicklung im weiten Sinne an (vgl. Tab. 1), das so nicht von allen Definitionen berücksichtigt wird. Einige Definitionen beschränken die Reichweite von Personalentwicklung auf den Bereich Bildung (Personalentwicklung im engen Sinne), wieder andere auf die Bereiche Bildung und Förderung (Personalentwicklung im erweiterten Sinne).
4
Ein ausführlicher Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Personalentwicklung wird von Mudra (2004) vorgenommen (vgl. ebd.: 5 ff.). 5
Mudra (2004) gibt einen ausführlichen Überblick über die Vielzahl von Definition der Personalentwicklung (vgl. ebd.: 137 ff.).
2. Theoretische Grundlagen
15
Inhalte der Personalentwicklung
Tab. 1
PE im engen Sinne
PE im erweiterten Sinne
PE im weiten Sinne
= Bildung
= Bildung
= Bildung + Förderung + OE
+ Förderung
•
Berufsausbildung
•
Weiterbildung
•
Führungsbildung
•
Arbeitsplatzwechsel
•
Anlernen
•
Nachfolgeund Karriereplanung
•
Umschulung
•
...
•
Strukturiertes Mitarbeitergespräch
•
Leistungsbeurteilung
•
Coaching, Mentoring
•
...
Quelle:
•
Auswahl und Einarbeitung
•
Teamentwicklung
•
Sozio-technische Systemgestaltung
•
Gruppenarbeit
•
...
nach Becker 2002: 6; vgl. auch Mudra 2004: 142
Unter Bildung wird sowohl die erstmalige (Berufs-)Ausbildung, als auch Weiterbildung der Mitarbeiter subsummiert. Förderung dagegen beschäftigt sich mehr mit „Aktivitäten, die auf die Position im Betrieb und die berufliche Entwicklung des Einzelnen gerichtet sind“ (Mentzel 1997: 16), wobei die Unterscheidung zwischen Bildung und Förderung nicht trennscharf ist und sich einzelne Personalentwicklungs-Maßnahmen nicht immer eindeutig zuordnen lassen. Organisationsentwicklung dagegen ist zuständig für die Anpassung der Organisation an veränderte Umweltbedingungen mit dem (idealtypischen) Ziel der gleichzeitigen Verbesserung von Effizienz und Humanität (vgl. GOE 1980). In dieser Arbeit wird „Personalentwicklung im weiten Sinne“ unter Einbezug von Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung aufgefasst, da nur eine integrierte Personal- und Organisationsentwicklung6 den Herausforderungen der Zukunft adäquat begegnen und den notwenigen Wandel von Organisationen gestalten kann (vgl. Kiefer 1997: 413 f.). 6
Viele Autoren sind sich einig, dass Personal- und Organisationsentwicklung integriert betrachtet werden muss, um eine Anpassung der Organisation an eine sich immer schneller verändernde Umwelt zu ermöglichen und die Herausforderungen der Wissensgesellschaft aktiv annehmen zu können. In den meisten Fällen wird diese Integration lediglich über die in der Praxis nachgewiesene Notwendigkeit begründet. Einige Autoren haben sich aber auch um die theoretische Fundierung der Integration von Personal- und Organisationsentwicklung verdient gemacht. Dal Zotto (2000) sieht die mediengestützten Bausteine Transparenz, Koordination individuellen Lernens und Wissensmanagement; Müller-Vorbrüggen (2001) unter Rückgriff auf Kompetenzen die Handlungsfähigkeit, als Bindeglied(er) von Personal- und Organisationsentwicklung.
16
2. Theoretische Grundlagen
Des Weiteren definiert Becker (2002: 4) Personalentwicklung als ein an den Unternehmenszielen orientierter, methodisch geplanter und evaluierter Veränderungsprozess. Personalentwicklung wird also zusammenfassend verstanden als ein Management von Veränderungen auf individueller und organisationaler Ebene. Da Veränderungen immer im engen Zusammenhang mit Lernen stehen, befasst sich die Personalentwicklung letztendlich mit dem zielgerichteten, systematischen Lernen der Mitarbeiter und der Organisation (s. a. Kapitel 2.3 Lernende Organisation und Lernen). Eine weitere Unterscheidung der verschiedenen Definitionen kann in Bezug auf die Ziele der Personalentwicklung durch die beiden divergierenden Pole Orientierung an Unternehmensinteressen und Orientierung an Mitarbeiterinteressen vorgenommen werden (vgl. Felsch 1996: 48 f.). So wird einerseits zur Befriedigung der Unternehmensinteressen „in der Personalentwicklung zunächst ein Mittel zur Steuerung und Förderung der personellen Ressourcen entsprechend der Unternehmensziele und der Unternehmensphilosophie [...].“ (Rückle/ Mutafoff/ Riekehof 1994: 18) gesehen, wo hingegen anderseits die Personalentwicklung unter stärkerem Einbezug der Mitarbeiterinteressen verstanden wird als „systematische Förderung und Weiterbildung der Mitarbeiter. Dazu zählen sämtliche Maßnahmen, die der individuellen beruflichen Entwicklung der Mitarbeiter dienen und ihnen unter Beachtung ihrer persönlichen Interessen die zur Durchführung ihrer Arbeit erforderlichen Qualifikationen vermitteln.“ (Mentzel 2001: 2).
In dieser Arbeit wird die Notwendigkeit gesehen, eine vermittelnde Perspektive der Personalentwicklung zwischen den Polen der Mitarbeiter- und der Unternehmensorientierung anzustreben und beide Orientierungen als voneinander abhängig zu begreifen. Personalentwicklung hat demzufolge zum Ziel, sowohl die ökonomischen Bedürfnisse der Organisation, als auch die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter zu berücksichtigen und diese aufeinander abzustimmen7. Eine derart orientierte Personalentwicklung, die den Mitarbeiter in seiner immer stärker werdenden Individualisierung berücksichtigt und seine individuellen Bedürfnisse und Interessen fördert, sorgt für Akzeptanz und Motivation auf Mitarbeiterseite, erhöht aber gleichzeitig auch den „Marktwert“ und die „Flexibilität“ der Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt. Um dennoch eine Bindung an das eigene Unternehmen weitestgehend zu gewährleisten, muss die Personalentwicklung auch die eigene Organisation als Veränderungsfeld begreifen (Organisationsentwicklung) und z. B. über kulturverändernde Maßnahmen, Ausgestaltung von Anreizsystemen (intrinsisch wie auch extrinsisch) sowie Delegation von Verantwortung, den Wettbewerb um die eigenen Mitarbeiter annehmen.8 Personalentwicklung wird zusammenfassend als ein ganzheitliches Konzept im weiten Sinne verstanden wird, das Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen in gleichem Masse berücksichtigt und Lernen als Bedingung für Veränderungsprozesse sieht.
7
Wohl wissend, dass in der Unternehmenspraxis die Unternehmensinteressen durch die Personalentwicklung meistens deutlich stärker betont werden. 8
Vgl. zur Individualisierung der Mitarbeiter, zu veränderten Anforderungen und Erwartungen an die eigene Arbeitsstelle Sattelberger (1998).
2. Theoretische Grundlagen
2.1.2
17
System der Personalentwicklung
Aufbauend auf die bereits vorgenommene Definition und Abgrenzung der Personalentwicklung wird hier das modifizierte System bzw. Konzept der Personalentwicklung nach Mudra (2004) 9 vorgestellt, um die einzelnen Elemente der Personalentwicklung aufeinander abzustimmen und in ihrer Wechselwirkung zu verstehen (vgl. Abb. 1). Jeweiliger Bezugs- und „Ausgangspunkt jedes Personalentwicklungsprozesses sind Informationen“ (Mudra 2004: 154, OF), sei es in Form von Anforderungs- oder Eignungsprofilen, Stellenbeschreibungen, Informationen über die Systemumwelt oder bezüglich Unternehmenszielen.10 Die zentrale Aufgabe der Personalentwicklung ist es, mit Hilfe geeigneter Analyseinstrumente einen Personalentwicklungsbedarf zu ermitteln und diesen über geeignete Maßnahmen der Bildung und Förderung zu kompensieren. Der Personalentwicklungsbedarf setzt sich zusammen aus dem unternehmensbezogenen Bedarf, der sowohl gegenwarts- und zukunftsbezogen, als auch qualitativ und quantitativ sein kann und aus mitarbeiterbezogenen Komponenten, die sich auf individuelle Entwicklungspotenziale und -bedürfnisse beziehen. Ausgehend von dem ermittelten Bedarf müssen Entscheidungen über die zu erreichenden Entwicklungsziele und die hierfür notwendigen Maßnahmen getroffen werden. Um den Entwicklungsbedarf tatsächlich zu decken, müssen sie systematisch geplant, durchgeführt und anschließend in Bezug auf die aufgestellten Ziele evaluiert werden. Eine integrierte Betrachtung der Personalentwicklung schließt darüber hinaus auch die Umweltbedingungen der Personalentwicklung mit ein, die sich grob in Unternehmens-, Führungs-, Lernkultur und Personalpolitik einordnen lassen und über Maßnahmen der Organisationsentwicklung zu beeinflussen sind.11 Zuständig für einzelne Aufgaben der Personalentwicklung, d. h. Träger (Institutionen) der Personalentwicklung sind nach Mudra (2004) das Management, die Personalabteilung (bzw. die in ihr verortete Personalentwicklung), die Führungskräfte, der Betriebsrat und auch die Mitarbeiter, die „Verantwortung für ihre eigene Personalentwicklung [...] übernehmen.“ (Kiefer 1997: 428; s. a. Kapitel 3.2.3). Wird das vorgestellte System der Personalentwicklung nicht nur einmalig durchlaufen, sondern erfährt es kontinuierliche Anwendung in der Organisation, ist diese in der Lage, ihren gegenwärtigen und insbesondere den zukünftigen Bedarf zu decken, um schneller und flexibler auf rasch wandelnde Umweltbedingungen zu reagieren und diesen aktiv zu begegnen. „Personalentwicklung wird zum Motor des Fortschritts und der Erneuerung der Wissensbasis der Unternehmen.“ (Becker 2002: 1).
9
Mudra (2004) selbst bezeichnet sein System der Personalentwicklung als heuristisches Modell, das lediglich „ein näheres/ differenzierteres Verständnis (...) herbeiführen“ (ebd.: 152 Anhang) soll, ohne „eine ‚abschließende’ wissenschaftliche Schlüssigkeit in sich tragen zu müssen.“ (ebd.). 10
Eine ausführliche Auflistung über notwenige Informationen, Informationsgewinnung und Informationsquellen der Personalentwicklung findet sich bei Mudra (2004: 154 ff.). 11
Das System von Mudra (2004) sieht in den Umweltbedingungen eher die Rahmenbedingungen, in denen Personalentwicklungs-Maßnahmen eingebettet sind. Ergänzend dazu sollen hier die Umweltbedingungen auch als Gestaltungsfeld für Veränderungen einer integrierten Personal- und Organisationsentwicklung aufgefasst werden.
18
2. Theoretische Grundlagen
System der Personalentwicklung
Abbildung 1
Informationen Anforderungen an die Personalstruktur
Mitarbeiterbezogene Komponenten
Institutionen
(gegenwarts- und zukunftsbezogen) quantitativer Personalbedarf qualitativer Personal bedarf
Qualifikation/ Eignung Entwicklungspotenzial
Abgleich
Entwicklungsbedürfnisse (Motivation)
PEBedarf
Analyse-Instrumente
Analyse-Instrumente Festlegung von PE-
Entscheidungen
Maßnahmen
Förderung
Bildung
Trainee-Programm Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse 360° Feedback Assessment Center Moderation Coaching und Supervision Mentoring Verhaltenstrainings Förderkreis, Karrieremanagement
Berufsausbildung Einarbeitung, Integration neuer Mitarbeiter Training into the job Outplacement Training on und near the job Training off the job E-Learning, Web Based Learning, Telelearning, Blended Learning Selbstgesteuertes Lernen Corporate University
Arbeitsstrukturierung
Telearbeit Job Rotation Job Enlargement Job Enrichment Teilautonome Arbeitsgruppe Qualitätszirkel Projektgruppe Stellvertretung Beförderung Auslandseinsatz
Planung Durchführung
Maßnahmen Organisationsentwicklung Anpassung an Umweltbedingungen Teamarbeit Kulturveränderung Change Management Gestaltung von Veränderungsprozessen
Umweltbedingungen/ -maßnahmen
Quelle:
in Anlehnung an Mudra 2004: 153; konkretisiert durch Bröckermann/ Müller-Vorbrüggen 2006
2. Theoretische Grundlagen
2.2
19
Wissensmanagement und Wissen
Wissensmanagement meint das Managen von Wissen. Um Wissensmanagement zu begreifen und wirkungsvoll anzuwenden ist vorab die Entwicklung des Wissensbegriffs notwendig (vgl. Willke 1998b: 17). Hierzu muss geklärt werden, was Wissen überhaupt ist, wie es entsteht und wie es sich von Daten und Informationen unterscheiden lässt (ebd.). Wissen ist zu einem wichtigen und zentralen Begriff unserer Zeit geworden. Begriffe wie Wissensgesellschaft, Wissensarbeit, explosionsartige Wissensvermehrung, sinkende Halbwertzeit von Wissen sind nicht nur in aller Munde, sondern Wissen verändert auch die bisherigen Gesellschafts- und Arbeitsstrukturen. Ganze Volkswirtschaften, wie beispielsweise Indien, sind in kürzester Zeit durch konsequente Wissensorientierung mittels Investitionen und Innovationen im Bildungsbereich zu führenden Wirtschaftsnationen in wissensorientierten Branchen aufgestiegen (vgl. Wüllenweber/ Steger 2005: 70 ff.). „Die Produktion von Wissen hat eine vielfach höhere Wertschöpfung als die Produktion von Nahrungsmitteln, Textilien oder Maschinen.“ (Wüllenweber/ Steger 2005: 80) und ist gegenwärtig dabei, „die herkömmlichen Produktivkräfte (Land, Arbeit, Kapital) in ihrer Bedeutung zu überflügeln.“ (Willke 1998b: 19 ff.). Doch trotz der Häufigkeit des sprachlichen Gebrauchs und der unbestrittenen praktischen Relevanz von Wissen in unserer Zeit ist es bisher nicht gelungen, eine einheitliche Definition von Wissen zu finden. Daraus folgt, dass nicht alle die von Wissen sprechen, dabei auch das Gleiche meinen (vgl. Al-Laham 2003: 23 ff.). Unter dem Begriff Wissen wird alltagssprachlich all das subsummiert, was auch nur im entferntesten mit Wissen zu tun hat, seien es Daten, Informationen, Können oder Kompetenzen. Auch die Wissenschaften betrachten Wissen häufig aus dem Blickwinkel der eigenen Disziplin, was zu unterschiedlichen Sichtweisen und Definitionen von Wissen führt. Deshalb wird hier im Folgenden eine Wissensdefinition in Abgrenzung zu Informationen und Daten eingeführt (Kapitel 2.2.1), um sich daran anschließend mit verschiedenen Wissens-Typologien wie implizites- und explizites-, individuelles- und kollektives Wissen zu beschäftigen (Kapitel 2.2.2). Darauf aufbauend wird die organisationale Wissensbasis nach Pautzke (1989) eingeführt und die einschlägigsten Wissensmanagementansätze zur gezielten Gestaltung dieser vorgestellt (Kapitel 2.2.3).
2.2.1
Wissen – Information – Daten (Wissenstreppe)
Wissen, Informationen und Daten meinen zwar nicht das Gleiche, stehen aber dennoch in engem Abhängigkeitsverhältnis zueinander, wobei Wissen häufig über einen „Anreicherungsprozess“ ausgehend von Zeichen, über Daten und Informationen definiert wird (vgl. Al-Laham 2003: 29). Dieser Anreicherungsprozess um den Begriff Wissen herum wird häufig hierarchisch in der „Wissenstreppe“ (vgl. Abb. 2) dargestellt. „Dabei ist nicht von einer streng hierarchischen Untergliederung als vielmehr von einem Kontinuum auszugehen.“ (Seidel 2003: 34). Die kleinste Einheit von Wissen sind Zeichen, die aus einem Zeichenvorrat gewonnen werden (vgl. Rehäuser/ Krcmar 1996: 6) und über Syntaxregeln zu Daten zusammengefasst werden (vgl. Al-Laham 2003: 29).
20
2. Theoretische Grundlagen
Daten besitzen zunächst keinen direkten Verwendungszweck und entfalten ihren Wert erst, wenn sie „in einen Problembezug (Kontext) eingeordnet wurden und zur Erreichung eines Zieles verwendet werden.“ (Al-Laham 2003: 28; vgl. Rehäuser/ Krcmar 1996: 4). In diesem Fall wird von Informationen gesprochen. Werden diese Informationen miteinander vernetzt und von Personen in einen Sinnzusammenhang (vgl. Davenport/ Prusak 1998: 32 f.) gebracht, d. h. durch eigene Erfahrungen und Erwartungen interpretiert und in diese integriert, spricht man von Wissen. Allerdings kann von Wissen nur dann gesprochen werden, wenn diese Informationsvernetzungen, -interpretationen und -integrationen zu einer Erhöhung des Handlungspotentials und somit der Problemlösungsfähigkeit führt (vgl. Al-Laham 2003: 28). Wissen wird also als Ergebnis eines Erkenntnisprozesses (Amelingmeyer 1999: 42) bzw. als Ergebnis eines Lernprozesses (vgl. Al-Laham 2003: 28) verstanden. Abbildung 2
Die Wissenstreppe
Wettbewerbsfähigkeit Kompetenz Daten-, Informationsund Wissensmanagement (operativ)
Handeln
Können
Wissen
+ Einzigartigkeit „besser sein als andere“
+ richtig handeln
+ Wollen
+ Anwendungsbezug
Informationen
+ Vernetzung (Kontext, Erfahrungen, Erwartungen) + Bedeutung
Daten
Strategisches Wissensmanagement
Zeichen + Syntax
Quelle:
nach North 1999: 41
Zusammenfassend lässt sich Wissen somit definieren als „die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse, als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Information und Daten, ist
2. Theoretische Grundlagen
21
12
im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-WirkungsZusammenhänge.“ (Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 22),
wobei die Konstruktion von Wissen als Ergebnis eines Lernprozesses verstanden werden muss (vgl. Al-Laham 2003: 28) oder um es mit Willke (1998b: 39) zu sagen: „Lernen ist der Prozeß, Wissen das Ergebnis.“ Dieser Wissensbegriff wird von North (1999: 42 f.) noch weiter angereichert, indem er oberhalb von Wissen die Stufen Können, Handeln, Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit ansiedelt.13 Von Können kann gesprochen werden, wenn das Wissen durch einen konkreten Problembezug die Fähigkeit zur Anwendung besitzt und durch Wollen zum Handeln wird. Handeln wird dann zur Kompetenz, wenn richtig (im Sinne des Problems) gehandelt wird. Besitzt diese Kompetenz darüber hinaus Einzigartigkeit bzw. ist diese schwer zu imitieren, leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit. Eine Einordnung von Wissen lässt sich nicht nur, wie gerade geschehen, vertikal (quasi hierarchisch) vornehmen, sondern auch horizontal in Bezug auf verschiedene Wissens-Typologien.
2.2.2 Wissens-Typologien In einem alten asiatischen Sprichwort heißt es: „Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.“ Wissen scheint also nicht gleich Wissen zu sein. Typologisch werden in der Literatur verschiedene Wissensarten, und -kategorien unterschieden, die (wie bereits der Wissensbegriff) sehr heterogen sind und sich je nach Forschungsrichtung unterscheiden bzw. verschiedene Bezeichnungen für die gleiche Kategorie aufweisen.14 Dennoch haben sich einige Kategorisierungen herausgebildet, die immer wieder genannt und sich als relativ haltbar herausgestellt haben; im Einzelnen sind das die Einteilung in implizites und explizites Wissen, sowie die Unterscheidung zwischen individuellem, kollektivem und organisationalem (oder institutionellem) Wissen.15 Explizites Wissen kennzeichnet, dass es aussprechbar und bewusst ist und die Möglichkeit besitzt, durch Kommunikation (mit)geteilt zu werden. Die Wissensteilung führt hierbei zu keinem Wissensverlust beim Wissensträger, da Wissen die einzige Ressource ist, die sich bei Gebrauch vermehrt (vgl. Seidel 2003: 6). Es findet also eine Wissensmultiplikation statt. Anders verhält es sich mit dem impliziten Wissen, dass sehr häufig kaum oder nur mit großem Aufwand zu kommunizieren und weiterzugeben ist und häufig selbst dem 12
Al-Laham (2003) weißt darauf hin, dass „eine Beschränkung des Wissensbegriffs auf den ‚Wissensträger Mensch’(...) zu restriktiv“ sei (ebd.: 30, OF). 13
Die oberhalb des Wissens liegenden Begriffe (vor allem der Kompetenzbegriff) erfahren aktuell größte Aufmerksamkeit. Auch wenn hier nicht näher auf die einzelnen Begriffe eingegangen werden soll, ist es meiner Meinung nach notwendig diese Begriffe immer ausgehend von Informationen und Wissen zu verwenden. 14
Vgl. dazu einen Überblick verschiedener Klassifikationsansätze bei Al-Laham (2003: 31 f.); Seidel (2003: 37 f.). 15
Einige Autoren differenzieren nicht näher zwischen kollektivem und organisationalem Wissen.
22
2. Theoretische Grundlagen
Träger des Wissens allenfalls vorbewusst in Form einer Ahnung vorliegt. Polanyi (1966), der zuerst von einem impliziten Wissen sprach, beschreibt dieses mit den Worten „(...) that we can know more than we can tell.“ (ebd.: 4, OF geändert). „Subjektive Einsichten, Ahnungen und Intuitionen fallen in diese Wissenskategorie.“ (Nonaka 1997: 18). Implizites Wissen ist hierbei häufig ein direkt aus Erfahrungen gewonnenes Wissen, z. B. die Fähigkeit eine komplizierte Maschine zu bedienen. Die Person besitzt implizites Wissen über jede hierfür notwenige Handlung, kann aber dieses Wissen schwer mit anderen teilen. Der Unterscheidung zwischen individuellem, kollektivem und organisationalem Wissen liegt im Wesentlichen ein Anreicherungsprozess auf ontologischer Ebene zugrunde (vgl. Nonaka 1997: 86 f.). Wie eingangs bereits gezeigt, ist Wissen grundsätzlich immer an Personen gebunden, d. h. jede Person verfügt über eine individuelle Wissensbasis, die sich aus dem gesamten Wissen (implizit wie explizit) der Person zusammensetzt. Interagieren Personen mit ihren individuellen Wissensbasen über die Zeit miteinander, z. B. durch die Zusammenarbeit in Gruppen, kann ein kollektives Wissens (welches ebenfalls implizit und explizit sein kann) in Form einer Gruppenkultur, gemeinsamen Prozessen, (Spiel-)Regeln, Werten und Mustern der Zusammenarbeit innerhalb dieser Gruppe entstehen. Findet dieses kollektive Wissen durch Teilung mit anderen (Gruppen) Eingang in die Organisation (z. B. durch BestPractise-Sharing) und kann somit auch an anderen Stellen der Organisation genutzt werden, spricht man von einem organisationalem Wissen. Die Personen bleiben zwar Träger des Wissens, und das kollektive Wissen ist auch nach wie vor nicht losgelöst von den jeweiligen Personen und ihrer individuellen Wissensbasis, dennoch entsteht auf einer übergeordneten Ebene ein kollektives und/ oder organisationales Wissen, das mehr ist, als die Summe ihrer Teile (vgl. Al-Laham 2003: 39 f.; vgl. Probst 2003: 20 f.). Diese Wissens-Typologien können noch derart miteinander kombiniert werden, dass ein Portfolio aus Wissensart und -ebene entsteht (vgl. Tab. 2). Tab. 2
Portfolio Wissenstypologien Individuelle Ebene z. B.
Explizites Wissen
Fachwissen
•
Gruppenregeln
•
Wissen über Kunden
•
Handbücher
•
...
...
z. B.
z. B.
•
Erfahrungswissen
•
Gruppenkultur
•
Persönliche Einstellungen
•
Prozesse
•
...
•
Quelle:
z. B.
•
•
Implizites Wissen
Kollektive Ebene
Organisationale Ebene z. B. •
Organisationsvision
•
Patente
•
...
z. B. •
Organisationskultur
•
(geheime) Spielregeln
•
...
...
in Anlehnung an Götz/ Schmid 2004: 204
2. Theoretische Grundlagen
23
Diese vorgestellte Wissens-Typologie wird im nächsten Kapitel erneut aufgegriffen; sie dient als Grundlage für das Transformationsmodell von Wissen nach Nonaka/ Takeuchi (1997) und ist ein wesentlicher theoretischer Unterbau für das Verständnis der organisationalen Wissensbasis, deren gezielte Gestaltung durch Interventionen als Wissensmanagement bezeichnet wird.
2.2.3 Wissensmanagement-Konzepte Management von Wissen bzw. Wissensmanagement, verfolgt nach Amelingmeyer (2000) zwei Ziele, erstens „Wissen in der erforderlichen Menge und Qualität zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort in effektiver und effizienter Weise verfügbar zu machen.“ (ebd.: 21) und zweitens die gezielte Gestaltung der organisationalen Wissensbasis durch Interventionen (vgl. auch Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 23) bzw. die Sicherstellung der „Dynamik der Wissensbasis“ (ebd.: 21) zu ermöglichen; beide Ziele mit dem Zweck den langfristigen Unternehmenserfolg zu gewährleisten und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen. Dabei ist ein durch Management von Wissen gewonnener Wettbewerbsvorteil deutlich nachhaltiger, als ein einmaliger technologischer Vorsprung durch ein innovatives Produkt, da ersteres von der Konkurrenz viel schwerer imitiert werden kann (vgl. Davenport/ Prusak 1998: 49 ff.). Wissensmanagement bezieht sich also auf die organisationale Wissensbasis. Diese „setzt sich aus individuellen und kollektiven Wissensbeständen zusammen, auf die eine Organisationen zur Lösung ihrer Aufgaben zurückgreifen kann. Sie umfasst darüber hinaus die Daten- und Informationsbestände, auf welchen individuelles und organisationales Wissen aufbaut.“ (Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 22).
Probst/ Raub/ Romhardt (2003) sehen also in der organisationalen Wissensbasis einen Zusammenschluss, ein Nebeneinander von kollektivem und individuellem Wissen, bzw. von Wissen(-sbasen), auf die eine Organisation im Organisationsalltag zur Erfüllung ihrer Aufgaben zurückgreifen kann, wobei die Nutzbarkeit des Wissens in Bezug auf die Aufgaben und Probleme des Unternehmens entscheidend ist. Ergänzt wird diese Sicht von Willke (1998b: 16): „Organisationales oder institutionelles Wissen steckt in den personen-unabhängigen, anonymisierten Regelsystemen, welche die Operationsweise eines Sozialsystems definieren.“ Das organisationale Wissen wird hierbei von der Person gelöst und beeinflusst in Form von Organisationskultur, Leitlinien, geheimen Spielregeln etc. das Organisationshandeln. Zusammengenommen ergibt sich somit eine Definition der organisationalen Wissensbasis, die alle individuellen und kollektiven Wissensbasen, wie auch das personen-unabhängige, organisationale Wissen beinhaltet, auf das Organisationen zur Erreichung von Organisationszielen und zur Lösung von Problemen und Aufgaben zurückgreifen können. Wissensmanagement wird also in dieser Arbeit im Sinne der Definition „Wissensmanagement bildet ein integriertes Interventionskonzept, das sich mit den Möglichkeiten der Gestaltung der organisationalen Wissensbasis befasst.“ (Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 23) verstanden. Im Folgenden werden drei Interventionskonzepte zur Gestaltung der organisationalen Wissensbasis vorgestellt: zunächst das Schichtenmodell von Pautzke (1989), das
24
2. Theoretische Grundlagen
sich mit der Erhöhung der Nutzungswahrscheinlichkeit der Wissensbasis durch Lernprozesse beschäftigt; dann das Transformationsmodell von Nonaka/ Takeuchi (1997), das den Schwerpunkt auf Wissensumwandlungsprozesse legt und drittens das Wissensmanagementkonzept von Probst/ Raub/ Romhardt (2003), welches sich mit der ganzheitlichen und in die Unternehmensstrategie eingepassten Gestaltung der organisationalen Wissensbasis beschäftigt.
2.2.3.1 Organisationale Wissensbasis nach Pautzke Pautzke (1989) sieht seinen Ansatz, der von Veränderungen der organisationalen Wissensbasis ausgeht, insbesondere als Konzept des organisationalen Lernens. Hier soll sein Ansatz gleichzeitig auch als Wissensmanagement-Ansatz gesehen und verstanden werden, da er über Lernprozesse Gestaltungsmöglichkeiten der und Interventionen in die organisationale Wissensbasis, bezogen auf Menschen und Organisationen, aufzeigt. Die Grenze zwischen Wissensmanagement und organisationalem Lernen ist hierbei fließend (s. a. Kapitel 3.1.2), d. h. Gestaltung der und Intervention in die organisationale Wissensbasis können letztendlich zu organisationalem Lernen führen. Wissensmanagement kann dann als Weg, organisationales Lernen als das Ergebnis betrachtet werden. In seinem Schichtenmodell (vgl. Abb. 3) beschäftigt sich Pautzke (1989) ausführlicher und umfassender16 mit der organisationalen Wissensbasis; er benennt fünf verschiedene Schichten, die sich nach der „Nutzungswahrscheinlichkeit des in den einzelnen Schichten enthaltenen Wissens in organisatorischen Entscheidungsprozessen“ (Al-Laham 2003: 71 f., OF) unterscheiden lassen. Schicht (1) Schicht (1) meint das von allen Organisationsmitgliedern geteilte bzw. problemlos zu teilende Wissen in Form von Organisationskultur, Regelsystemen, Artefakten etc., kurz: das organisationale Wissen, das mehr ist als die Summe ihrer Teile. Schicht (2) Die Schicht (2) enthält all das Wissen, das Individuen ihrer Organisation zur Verfügung stellen. Dies zur Verfügung gestellte Wissen kann individuelles Fachwissen, individuelle Erfahrungen oder ähnliches sein. Zusammen mit der Schicht (1) bildet die Schicht (2) die aktuelle Wissensbasis. Schicht (3) Auch Schicht (3) beinhaltet individuelles Wissen, im Gegensatz zur Schicht (2) aber solches, das Individuen der Organisation nicht zur Verfügung stellen, sei es, weil dieses der Organisation nichts nützt oder Willens- und/ oder Transferbarrieren einem Zugang zu diesem Wissen im Wege stehen. Willensbarrieren können beispielsweise dann vorliegen, wenn Mitarbeiter innerlich gekündigt haben. Transferbarrieren dage-
16
Probst/ Raub/ Romhardt (2003); Willke (1998); Amelingmeyer (2000) und anderen gilt die organisationale Wissensbasis häufig (lediglich) als Grundlage für ein eigenes Wissensmanagement-Konzept. Pautzke (1989) dagegen entwickelt mit dem Schichtenmodell, unter Hinzunahme von Lernprozessen zwischen den verschiedenen Schichten der Wissensbasis, ein direkt aus der Wissensbasis resultierendes, eigenständiges Konzept.
2. Theoretische Grundlagen
25
gen kennzeichnen die Rahmenbedingungen, die die Weitergabe von Informationen und Wissen erschweren bzw. sogar unmöglich machen. Abbildung 3
Schichtenmodell der organisatorischen Wissensbasis
Latente Wissensbasis
Aktuelle Wissensbasis
Von allen geteiltes Wissen (1) Der Organisation zugängliches individuelles Wissen (2)
Der Organisation nicht zugängliches individuelles Wissen (3)
Wissen der Umwelt, über das ein Metawissen in der Organisation vorhanden ist (4)
Sonstiges kosmisches Wissen (5)
Quelle:
Pautzke 1989: 79
26
2. Theoretische Grundlagen
Schicht (4) Zusammen mit Schicht (3) bildet die Schicht (4) die latente Wissensbasis von Organisationen und beinhaltet ein Metawissen über Wissen der Umwelt oder über Wissen das aktuell nicht Teil der Wissensbasis ist, welches die Individuen der Organisation besitzen. Dieses kann als potenzielle aktuelle Wissensbasis verstanden werden. Schicht (5) Die Schicht (5) kennzeichnet sonstiges kosmisches Wissen und meint solches Wissen, über das in der Organisation zur Zeit nicht einmal ein Meta-Wissen vorhanden ist. Gründe hierfür können strukturelle Barrieren oder Weltbilder, aber auch beschränkte Informationsverarbeitungskapazitäten sein, die ein Aneignen von MetaWissen über bestimmtes Wissen verhindern. Eine Veränderung der organisationalen Wissensbasis ist nach Pautzke (1989) mit Hilfe von Lernprozessen zwischen den einzelnen Schichten der Wissensbasis möglich. Er unterscheidet fünf verschiedenen Lernprozesse17, die jeweils zu einer Veränderung bzw. Erweiterung der organisationalen Wissensbasis führen (vgl. Abb. 4) und die Nutzungswahrscheinlichkeit des Wissens dieser erhöhen (vgl. ebd.: 113 ff.). Lernprozess (1) Durch Kollektivierung von bereits zur Verfügung gestelltem individuellem Wissen entsteht neues, von allen geteiltes, Wissen. Diese Kollektivierung vollzieht sich durch den interaktiven Austausch in z. B. Gruppen. Lernprozess (2) Neues, von allen geteiltes, Wissen entsteht auch durch den Lernprozess (2), bei dem Individuen ihr bisher nicht zur Verfügung gestelltes Wissen zur Verfügung stellen und in, von allen geteiltes, Wissen überführen. Lernprozess (3) Durch Abbau von Willens- und Transferbarrieren können Individuen ihr bisher noch nicht zur Verfügung gestelltes Wissen in die Organisation einbringen. Willensbarrieren können beispielsweise durch Anreizsysteme zur Wissensteilung, aber auch durch eine verstärkte Unterstützung von Employability auf Mitarbeiterseite abgebaut werden. Transferbarrieren dagegen werden beispielweise durch Verschlankung der Unternehmenshierarchie und durch die Schaffung von Communitys beseitigt. Lernprozess (4) Dadurch, dass Individuen neues Wissen aus und über die Umwelt aufnehmen, sei es durch individuelle Qualifizierungen, Lebenserfahrung etc., erweitern sie ihre individu-
17
Bei der Beschreibung der Lernprozesse bedient Pautzke (1989) sich bei verschiedenen Modellen organisatorischen Lernens anderer Autoren (s. a. Kapitel 2.3 Lernende Organisation). Sowohl March/ Olsen (1976) für die Lernprozesse (1) und (2), als auch Argyris/ Schön (1978) für Lernen höherer Ordnung, wie beim Lernprozess (5), integriert er in sein Modell der organisationalen Wissensbasis.
2. Theoretische Grundlagen
27
elle Wissensbasis. Das Wissen dieser können sie der Organisation zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stellen. Abbildung 4
Arten organisatorischer Lernprozesse
5
Erhöhung der Nutzungswahrscheinlichkeit
5
1
2
3
4
Quelle:
nach Pautzke 1989: 113
Lernprozess (5) Lernprozesse höherer Ordnung (z. B. double-loop-learning nach Agyris/ Schön (1978) - s. a. Kapitel 2.3.3), also eine Veränderung des zugrundeliegenden Paradigmas, kurz: „Lernen zu lernen“ kennzeichnet den Lernprozess (5).
28
2. Theoretische Grundlagen
2.2.3.2 Wissenstransformation nach Nonaka/ Takeuchi Die Wissenstransformation18 und die darauf aufbauende Wissensspirale (vgl. Abb. 5) von Nonaka/ Takeuchi (1997) basiert auf den bereits vorgestellten verschiedenen Wissenstypologien (Kapitel 2.2.2). Nonaka/ Takeuchi (1997) benutzen diese, um zu zeigen, dass Wissensschaffung und -verteilung das Produkt von Transformationsprozessen zwischen impliziten und expliziten Wissen ist. Sie unterscheiden hierbei vier Umwandlungsprozesse. Sozialisation: Die Sozialisation kennzeichnet den Prozess der (unbewussten) Übernahme von (impliziten) Wissen anderer durch gemeinsame Tätigkeiten, Beobachtung und Nachahmung. Hierbei findet Beobachtungslernen, Lernen durch Erfahrung und Nachahmung statt. Externalisierung: Bei der Externalisierung wird implizites Wissen in explizites Wissen umgewandelt. Notwendig hierfür ist eine dialogische Kommunikation, die das implizite Wissen mit Hilfe von Analogien, Methapern etc. verdeutlicht und so schwer artikulierbares implizites Wissen in explizites Wissen übersetzt. Abbildung 5
Die Wissensspirale Dialog
Sozialisation
Externalisierung Verbindung von explizitem Wissen
Feldaufbau
Internalisierung
Kombination
Learning by doing Quelle:
Nonaka/ Takeuchi 1997: 84
Kombination: Der Prozess der Kombination kennzeichnet die Verknüpfung von explizitem mit explizitem Wissen durch beispielsweise fachlichen Austausch. Durch die Kombination von bereits bestehendem explizitem Wissen kann neues Wissen entstehen. Nach Nonaka/ Takeuchi (1997) die der westlichen Welt geläufigste Form des Umgangs mit Wissen.
18
Zur Kritik am Ansatz von Nonaka/ Takeuchi (1997) vergleiche Seidel (2003: 42).
2. Theoretische Grundlagen
29
Internalisierung: Mit Internalisierung wird der Prozess beschrieben, der eine Verinnerlichung von erlerntem expliziten Wissen durch Routinisierung (vgl. Willke 1998b: 14 f.) bewirkt. Der Internalisierung geht also eine Phase der individuelle Erfahrung und des individuellen Erlebens mit dem neuen expliziten Wissen voraus. Werden diese Prozesse immer wieder durchlaufen, entsteht eine Wissensspirale. Lernen Mitarbeiter eines Unternehmens im Arbeitskontext unbewusst voneinander (Sozialisation), gelingt es diesen Mitarbeitern ihr Wissen zu externalisieren, d. h. dieses mit bestehendem Wissen anderer Mitarbeiter zu kombinieren und das auf diese Weise neu erworbene Wissen in ihre individuelle Wissensbasis zu integrieren, kann von einem kontinuierlichen Prozess der Wissensentstehung gesprochen werden. Nonaka/ Takeuchi (1997) ergänzen diese epistemologische Dimension noch um die ontologische Dimension (vgl. Abb. 6). Wissensschaffung im Unternehmen bzw. kontinuierliches Organisationslernen gelingt erst dann, wenn diese Prozesse nicht nur zwischen Individuen, sondern auch auf ontologisch höheren Organisationsebenen wie Gruppen, der Gesamtorganisation etc. ablaufen (vgl. Nonaka/ Takeuchi 1997: 86). Abbildung 6
Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen
Epistemologische Dimension
Externalisierung
Dimension Explizites
Kombination
Wissen
Implizites Wissen
Sozialisation
Individuum
Gruppe
Unternehmen
Internalisierung Ontologische Unternehmens- Dimension interaktion
Wissensebene Quelle:
nach Nonaka/ Takeuchi 1997: 87
Wissensmanagement bedeutet nach Nonaka/ Takeuchi (1997) demzufolge die Schaffung von denjenigen Rahmenbedingungen, die einen Prozess der Wissensan-
30
2. Theoretische Grundlagen
reicherung sowohl auf epistemologischer, als auch auf ontologischer Dimension initiieren und unterstützen.
2.2.3.3 Wissensbausteine nach Probst/ Raub/ Romhardt Probst/ Raub/ Romhardt (2003) erweitern das Konzept von Nonaka/ Takeuchi (1997) zu einem ganzheitlichen Management-Ansatz. Haben sich Nonaka/ Takeuchi (1997) vornehmlich den Interventionsfeldern Wissensentwicklung und Wissens(ver)teilung durch Wissenstransformation gewidmet, sieht das Wissensmanagementkonzept von Probst/ Raub/ Romhardt (2003) sechs Bausteine19 bzw. Felder vor, in denen Interventionen in Bezug auf die organisationale Wissensbasis möglich sind. Diese sechs Bausteine werden durch die Ergänzung von „Wissenszielen“ und „Wissensbewertung“ zu einem Management-Regelkreis ausgebaut (vgl. Abb. 7). Eine separate Intervention in einzelnen Bausteinen ist zwar denkbar und möglich, steht aber immer in Wechselwirkung mit den anderen Bausteinen und ist deshalbhäufig wenig zielführend (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 28). Abbildung 7
Bausteine des Wissensmanagements
Wissensziele
Feedback
Wissensidentifikation
Wissensbewertung
Wissensbewahrung
Wissenserwerb
Wissensnutzung
Wissensentwicklung
Quelle:
Wissens(ver)teilung
nach Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 32
Im folgenden werden die einzelnen Bausteine nach Probst/ Raub/ Romhardt (2003: 35-232) vorgestellt.
19
Seidel (2003: 43 f.) gibt eine Übersicht über weitere Autoren, die Kernprozesse des Wissensmanagement beschreiben.
2. Theoretische Grundlagen
31
Wissensziele Wissensziele geben die Richtung des Wissensmanagements vor, sie müssen sich unbedingt aus den Unternehmenszielen ableiten und sollten sowohl auf normativer, als auch auf strategischer und operativer Ebene aufgestellt werden. Insbesondere zur Identifikation von strategischen Zielen kann eine Fähigkeitsmatrix hilfreich sein, mit deren Hilfe sich Hebelfähigkeiten, Basisfähigkeiten, brachliegende Fähigkeiten und wertlose Fähigkeiten unterscheiden lassen und als Ausgangspunkt einer möglichen Strategie dienen können. Wissensidentifikation Das bestehende Wissen einer Organisation ist häufig nicht oder nicht ausreichend bekannt. Auch Davenport/ Prusak (1998) weisen bereits im Titel ihres Buches mit den Worten: „Wenn ihr Unternehmen wüsste, was es alles weiß...“ (ebd.: Titel) auf die Notwendigkeit der Wissensidentifikation hin. Bei dieser wird (Kern-)Wissen im Unternehmen mit dem Ziel der Wissenstransparenz lokalisiert und bestehende Wissenslücken aufgedeckt. Auch die Identifikation von extern vorhandenem Wissen bei Wettbewerbern, Hochschulen etc. ist wichtig für ein erfolgreiches Wissensmanagement. Wissenserwerb Stellt sich im Anschluss an die Wissensidentifikation ein Wissensdefizit in Bezug auf die Wissensziele heraus und ist dieses Wissens extern verfügbar, kann diese Wissenslücke durch Wissenserwerb geschlossen werden. Externer Wissenserwerb ist möglich durch: Rekrutierung externer Wissensträger, Unternehmensallianzen und übernahmen, Erschließung von Stakeholderwissen, Erwerb von Patenten und Handbüchern oder Erschließung von in Produkten gespeicherten Wissens. Zu beachten ist auch das als „not-invented-here-Syndrom“ bezeichnete Problem der Integration von fremden Wissen in das eigene Unternehmen, da fremdes Wissen häufig nicht von den eigenen Mitarbeitern angenommen und sich aufgrund seiner Kontextualität schwer ins Unternehmen transferieren lässt. Wissensentwicklung Die Wissenslücken des Unternehmens können nicht nur durch externen Wissenserwerb, sondern auch durch interne Wissensentwicklung geschlossen werden. Hauptsächlich dann, wenn benötigtes Wissens extern nicht oder nicht rentabel verfügbar ist oder es sich um, für die eigene Wettbewerbsfähigkeit zentrales Wissen handelt, ist die Wissensentwicklung häufig die bessere Wahl. Unterschieden wird zwischen individueller und kollektiver Wissensentwicklung. Hierbei ist die Explizierung von implizitem Wissen ebenso wichtig für die individuelle Wissensentwicklung, wie eine Unternehmenskultur, die Werte der Interaktion, Kommunikation und Transparenz unterstützt, wesentlich ist für die kollektive Wissensentwicklung. Wissens(ver)teilung Im Unternehmen vorhandenes Wissen kann erst dann effektiv genutzt werden, wenn es nicht isoliert einigen wenigen Wissensträgern zur Verfügung steht. Wissen im Unternehmen muss deshalb geteilt und miteinander verknüpft werden. Probst/ Raub/ Romhardt (2003) unterscheiden die interpersonelle Wissens(mit)teilung und die vom Management angeordnete und durchgeführte Wissens(ver)teilung (Top-Down). In je-
32
2. Theoretische Grundlagen
dem Fall ist das Ziel des Bausteins Wissens(ver)teilung, dass Individuen und Gruppen über das zur Aufgabenerfüllung relevante Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügen können. Wissensnutzung Wissensnutzung, „der produktive Einsatz organisationalen Wissens zum Nutzen des Unternehmens ist Ziel und Zweck des Wissensmanagements“ (Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 30), hierbei gilt es das Bewusstsein jedes einzelnen Mitarbeiters für Wissensnutzung zu wecken und Barrieren der Wissensnutzung abzubauen. Wissensmanagement scheitert häufig daran, dass die Wissensnutzung vernachlässigt wird. Wissensbewahrung Identifiziertes, erworbenes, entwickeltes, verteiltes und bestenfalls auch noch genutztes Wissen gilt es für spätere Prozesse zu bewahren. Da nur das Wissen bewahrungswürdig ist, das in Abstimmung mit der Unternehmensstrategie auch für spätere Prozesse benötigt werden kann, empfehlen Probst/ Raub/ Romhardt (2003) einen Dreischritt der Wissensbewahrung aus Selektion - Speicherung - Aktualisierung, wobei zunächst für das Unternehmen wesentliches Wissen selektiert und anschließend die Wissensspeicherung auf individueller, kollektiver oder elektronischer Ebene durchgeführt wird. Vorwiegend für die elektronische Wissensbewahrung ist die Aktualisierung des Wissens wesentlich. Wissensbewertung Durch die anschließende Wissensbewertung in Bezug auf die aufgestellten Wissensziele auf normativer, strategischer und operativer Ebene schließt sich der Wissensmanagementkreis. Dies garantiert einen Feedback-Prozess, der auf die neu aufzustellenden Wissensziele zurückwirkt. Zur Zeit gibt es erste Bemühungen Tools wie die Balance-Scorecard zur Wissensbewertung einzusetzen und neue Tools wie beispielsweise den Skandia-Navigator20 hierfür zu erstellen. Wissensmanagement meint nach Probst/ Raub/ Romhardt (2003) zusammenfassend also die zielgerichtete, an den Unternehmenszielen ausgerichtete Gestaltung der organisationalen Wissensbasis des Unternehmens, wobei die Interventionsmöglichkeiten sich auf die sechs Wissensmanagementbaussteine beziehen (vgl. ebd.: 23). Die konkrete Ausgestaltung der Interventionen bleibt letztendlich jedem Unternehmen selbst überlassen, und somit ist ein nicht standardisiertes, sondern individuelles, an den Gegebenheiten der Organisation orientiertes Wissensmanagement mit diesem Konzept erreichbar.
20
Mit Hilfe des Skandia-Navigators werden Kennzahlen in den Bereichen finanzieller Fokus, Kundenfokus, Humanfokus, Prozessfokus, und Innovations-/ Entwicklungsfokus ermittelt. Innovativ an diesem Ansatz ist, in die Berechnung des Marktwerts neben dem Finanzkapitals auch das intellektuelle Kapital des Unternehmens mit einfließen zu lassen und hiervon ausgehend neue Benchmarkmöglichkeiten und strategische Prognosefähigkeiten für das Unternehmen zu erschließen (vgl. Edvinsson 2002; vgl. Edvinsson 2003: 46f.).
2. Theoretische Grundlagen
33
Zusammenfassung Die drei vorgestellten Wissensmanagement-Konzepte von Pautzke (1989); Probst/ Raub/ Romhardt (2003) und Nonaka/ Takeuchi (1997) überschneiden sich in vielerlei Hinsicht, zeichnen sich aber ebenfalls durch verschiedene Perspektiven, Schwerpunkte und Herangehensweisen aus. Pautzke (1989) beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit verschiedenen Lernprozessen und deren Rahmenbedingungen, die eine Erhöhung des Nutzungspotenzials der organisatorischen Wissensbasis zur Folge haben, Nonaka/ Takeuchi (1997) sehen einen Mehrwert für Organisationen insbesondere in Transformationsprozessen von Wissen und Probst/ Raub/ Romhardt (2003) beschäftigen sich intensiver mit verschiedenen Bausteinen in denen Interventionen möglich und nötig sind und verzahnen Wissensmanagement mit den Unternehmenszielen. Hier liegt der Fokus weniger auf den unterschiedlichen Herangehensweisen der Wissensmanagement-Konzepte (bzw. eine Bewertung dieser), sondern vielmehr besitzt die Frage Relevanz, welche Funktion/ Rolle, welches Selbstverständnis und die daraus resultierenden Aufgaben der Personalentwicklung in Bezug auf Wissensmanagement zugedacht werden. Gerade durch die breite und vielfältige Betrachtung von Wissensmanagement durch obige drei ausgewählte Konzepte kann auf verschiedenen Feldern gezeigt werden, wie Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen zu gestalten ist. Konkret bedeutet dies, den Einfluss und die Aufgaben der Personalentwicklung bei der Gestaltung von Lernprozessen und deren Rahmenbedingungen im Sinne Pautzkes (1989) nachzuweisen, im gesamten Möglichkeitsfeld des Managementregelkreises von Probst/ Raub/ Romhardt (2003) Gestaltungsmöglichkeiten der Funktion Personalentwicklung im weiten Sinne aufzuzeigen, mit Leben zu füllen und die Wissenstransformationsprozesse nach Nonaka/ Takeuchi (1997) zu unterstützen und zu ermöglichen. Wie durch die Auswahl der vorgestellten Wissensmanagement-Konzepte deutlich wird, steht weniger ein technikbasiertes Wissensmanagement, sondern vielmehr ein Wissensmanagement, das Individuen und Organisationen und besonders deren Lernprozesse ins Auge fasst (vgl. Pawlowsky 1998) im Vordergrund dieser Arbeit. Unter der Prämisse, dass „Lernen der Prozeß, Wissen das Ergebnis“ (Willke 1998b: 39) ist, werden im nächsten Kapitel die theoretischen Grundlagen dieses Prozesses, ausgehend vom individuellen Lernen über das kollektive Lernen (von Gruppen), bis hin zum organisationalen Lernen betrachtet und diese im Konzept der Lernenden Organisation zusammengeführt.
2.3
Lernen und Lernende Organisation
Nicht nur für die Vision der Lernenden Organisation ist Lernen zentrales Element, auch die in Kapitel 2.1 vorgestellte Personalentwicklung als Gestalter von Lernprozessen und deren Rahmenbedingungen, sowie das Wissensmanagement (Kapitel 2.2) sind ohne Lernen nicht denkbar. Lernen scheint hierbei das Bindeglied zwischen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation zu sein und wird deshalb in diesem Kapitel ausführlicher betrachtet. In diesem Zusammenhang darf Lernen nicht separiert als individuelles Lernen verstanden werden, sondern kollektives und organisationales Lernen muss mit in die Betrachtung einbezogen werden.
34
2. Theoretische Grundlagen
Allgemein wird Lernen als eine aus Erfahrung resultierende, relativ dauerhafte Verhaltensänderung definiert (vgl. Trummer 2001: 192). Verhaltenveränderung bezieht sich hierbei auf Wissen, Werte, Normen, Fertigkeiten und Fähigkeiten und nicht auf biologisch bedingte Wachstums- und Reifungsprozesse. Erfahrung meint in diesem Zusammenhang die Entstehung von neuem Verhalten aus der Interaktion mit der Umwelt, d. h. der kognitiven Verarbeitung, Bewertung und Integration von (neuen) Informationen und das Reagieren auf diese (vgl. Edelmann 1996: 5; vgl. Trummer 2001: 192 f.; vgl. Mudra 2004: 342 f.).
2.3.1 Individuelles Lernen Individuelles Lernen bezeichnet somit die Veränderung des Verhaltens von Personen, die durch die Interaktion mit ihrer Umwelt neue Informationen aufnehmen, verarbeiten und in ihre bestehende Wissensbasis integrieren, um somit ihre Handlungsfähigkeiten in Bezug auf die Lösung von Problemen (des Alltags) zu erhöhen (vgl. Geißler 2001: 84). Um diese Veränderungsprozesse menschlichen Verhaltens nachzuvollziehen, wurden sowohl aus pädagogischer, als auch aus psychologischer Sicht verschiedene Lerntheorien entwickelt. Allgemein können verschiedene Gruppen von Lerntheorien unterschieden werden, dieses sind erstens die behavioristischen Lerntheorien; zweitens Lerntheorien, die kognitive und soziale Elemente in den Vordergrund zur Erklärung von Lernen stellen und drittens neuere Lerntheorien, die sich auf ein konstruktivistisches Weltbild stützen (vgl. Edelmann 1996: 7 ff.; vgl. Trummer 2003: 203 ff.). Behavioristischen Lerntheorien Die behavioristischen Lerntheorien betrachten schwerpunktmäßig den In- und Output von Lernprozessen und versuchen Lernen durch ein Reiz-Reaktions-Modell zu erklären. Das Reiz-Reaktions-Modell beschreibt als Input des Lernprozesses einen bestimmten Reiz (Stimulus), auf den als Output des Lernprozesses eine unmittelbare Reaktion (Response) erfolgt (vgl. Edelmann 1996: 63 ff.). Diese Lerntheorien erklären aber lediglich einen kleinen Teil von dem, wie Lernprozesse ablaufen. Kognitive und soziale Lerntheorien Kognitive Lerntheorien widmen sich im Gegensatz zu den behavioristischen Lerntheorien dem Prozess des Lernens, konkret der Frage, was zwischen Input und Output von Lernprozessen tatsächlich passiert. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt demnach auf den kognitiven Verarbeitungs- und Integrationsprozessen die einer Verhaltensänderung vorangehen. Die sozialen Lerntheorien sehen die Verarbeitungs- und Integrationsprozesse in der sozialen Situation verortet; Lernen kann dabei auch durch Beobachtung und Nachahmung erfolgen. Nach ihnen sind Lernprozesse immer situativ und vollziehen sich im sozialen Kontext (vgl. Edelmann 1996: 282 ff.). Konstruktivistische Lerntheorien Die konstruktivistischen Lerntheorien legen das Prinzip der Umweltorientierung von Lernprozessen weitestgehend ab und bauen ihre Lerntheorie darauf auf, dass jedes Individuum seine eigene Wirklichkeit subjektiv konstruiert. Zentrale Erklärungselemente dieser Lerntheorien sind demnach sowohl ein starker Subjektbezug des Ler-
2. Theoretische Grundlagen
35
nens, als auch Interaktionsprozesse beim Lernprozess. Lernen ist also in erster Linie selbstorganisiertes Lernen und aktive Gestaltung von Lernumgebungen (vgl. Mudra 2004: 345). Lernen ist demnach ein komplexer und vielschichtiger Prozess, der nicht eindimensional betrachtet werden kann. Die hier vorgestellten Lerntheorien können lediglich als einseitige Herangehensweise an ein großes Ganzes verstanden werden, welches zusammengenommen das Feld absteckt, in dem Lernprozesse ablaufen. Die Lerntheorien vermitteln eine Ahnung davon, was Lernen bedeutet, welche Elemente an Lernprozessen beteiligt sind und wie diese ablaufen.
2.3.2 Kollektives Lernen Kollektives Lernen oder auch Gruppenlernen 21 fungiert in der Literatur häufig als Bindeglied zwischen individuellem und organisationalem Lernen, da mit Hilfe kollektiven Wissens individuelles Wissen in die Organisation eingepflegt werden kann und dieses somit „[...] unmittelbar zum ‚organisationalen Lernen’ beiträgt.“ (AlLaham 2003: 54, OF). Zur Erklärung des kollektiven Lernens wird insbesondere auf soziale Lerntheorien22 zurückgegriffen. Kollektives Lernen vollzieht sich somit im sozialen Prozess und orientiert und bezieht sich dabei auf die anderen Gruppenmitglieder. Müller-Stewens/ Pautzke (1991) beschreiben in ihrem organisatorischen Lernzirkel23 diese Form des Lernens als Kollektivierung von individuellem Lernen und Wissen (vgl. MüllerStewens/ Pautzke 1991: 194 f.). Diese Kollektivierung wird in den meisten Fällen durch gemeinsame Erfahrung realisiert, wobei Gruppenmitglieder ihr eigenes Wissen der Gruppe über Handlungen und Kommunikation wechselseitig zur Verfügung stellen. Insbesondere der Kommunikation bzw. dem Dialog scheint bei kollektiven Lernprozessen eine entscheidende Rolle zuzukommen, oder wie Senge (1998) feststellt: „[...] Team-Lernen24 beginnt mit dem ‚Dialog’, mit der Fähigkeit der Teammitglieder, eigene Annahmen ‚aufzudecken’ und sich auf ein echtes ‚gemeinsames Denken’ einzulassen.“ (ebd.: 19, OF). Findet dieses neue Wissen Eingang in den Alltag der Gruppe, sei es, dass es sich als explizite oder implizite Regel oder Norm manifestiert oder einfach nur als kollektives Wissens handlungsleitend für die Gruppe ist, kann von kollektivem Lernen gesprochen werden. Diesem neuen, aus der Interaktion gewonnenen kollektiven Wissen, wird zugesprochen, als Ganzes mehr als die Summe seiner Teile zu sein, d. h. kollektives Wissen ist mehr als die Summe des in der Gruppe verfügbaren, individuellen Wissens (vgl. Götz/ Schmid 2004: 188; vgl. Probst 2003: 20 f.; vgl. Amelingmeyer 2000: 64 f.).
21
Unter einer Gruppe, einem Team wird in diesem Zusammenhang eine begrenzte Anzahl an Personen verstanden, die über einen längeren Zeitraum in einem direkten Interaktionsverhältnis stehen und gemeinsame Aufgaben und Ziele verfolgen (vgl. Doppler/ Lauterburg 2002: 433 f.). 22
Z. B. das Beobachtungslernen von Bandura.
23
Der organisationale Lernzirkel von Müller-Stewens/ Pautzke (1991) weist konzeptionell große Ähnlichkeit zur Wissensspirale von Nonaka/ Takeuchi (1997) auf. 24
Zwischen Gruppe und Team soll in dieser Arbeit nicht näher unterschieden werden.
36
2. Theoretische Grundlagen
2.3.3 Organisationales Lernen und Lernende Organisation Die meisten Autoren und Unternehmen sind sich einig, das die Lernende Organisation das Potenzial hat, einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg von Unternehmen beizutragen (vgl. exemplarisch Pedler/ Boydell/ Burgoyne 1991: 61 f.). Obwohl auf wissenschaftlicher, theoretischer Ebene eine intensive und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit organisationalen Lernprozessen und der Implementierung von Lernenden Organisationen stattfindet bzw. stattgefunden hat, gelang es in der Vergangenheit wenigen Unternehmen diesen theoretischen Überlegungen in der Praxis zu folgen.25 Im folgenden werden die drei einschlägigsten Ansätze zum organisationalen Lernen bzw. zur Konzeption Lernender Organisation in Anlehnung an die Strukturierung von Shrivastava (1983) vorgestellt. Da in dieser Arbeit eine weitergehende theoretische Betrachtung zur Lernenden Organisation nicht im Fordergrund steht, wird hierbei aber auf eine allumfassende theoretische Abgrenzung des Begriffs Lernende Organisation verzichtet.26 Organisationslernen als ‚adaptive learning’ nach March/ Olsen (1975) Die Lernende Organisation wird über Anpassungslernen der Organisation an ihre Umwelt konstruiert, wobei diese Anpassung an die eigene Umwelt immer von einzelnen Individuen ausgeht. „Im Mittelpunkt des Modells steht das Individuum mit seinem Wissen (cognitions) und Wollen (preferences). Es ist die Grundlage für sein Handeln, das durch das Feedback der Umwelt ständig auf seine Angemessenheit überprüft und ggf. erweitert und korrigiert wird. Auf diese Weise vollzieht sich Lernen.“ (Geißler 1994: 43, OF).
Ausgangspunkt dieses Lernens sind Individuen, die eine Diskrepanz zwischen der gewünschten und der erlebten Welt empfinden und diese Diskrepanz als Basis für anpassendes Lernen nutzen (Felsch 1996: 90). Individuen konstruieren hierbei als Produkt ihres Lernens eine „soziale Welt“ der eigenen Organisation, die wiederum anderen Organisationsmitgliedern als Ausgangspunkt ihres Lernens bzw. als Lerngegenstand dient. (vgl. Geißler 1994: 56 f.). Die Weiterentwicklung der so kontinuierlich in Bewegung bleibenden „sozialen Welt“ kann somit als Organisationslernen bezeichnet werden, dessen Ziel es ist, eine bestmögliche organisationale Anpassung an die Organisationsumwelt zu gewährleisten. Organisationales Lernen als adaptives Lernen wird also in behavioristischer Tradition, angereichert mit einigen Elementen sozialer Lerntheorien, konstituiert. Organisationslernen als ‚sharing of assumptions’ nach Argyris/ Schön (1978) Dieser Ansatz einer Lernenden Organisation von Argyris und Schön (1978) gilt als einer der bekanntesten und differenziertesten Ansätze (vgl. Geißler 1994: 76 f.; vgl. Felsch 1995: 96) und bezieht sich auf die Veränderung von Wissen und Wissensstrukturen in Organisationen. In der Tradition der kognitiven Lerntheorien befasst
25
In Senge (2000) kommen einige Unternehmen zu Wort, die sich selbst bzw. die vom Autorenteam als Lernende Organisation bzw. als auf dem Weg dorthin, bezeichnet werden. 26
Vgl. Seidel (2003: 29 f.) für solch eine Übersicht organisationaler Lernansätze.
2. Theoretische Grundlagen
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sich dieser mit dem Prozess des Lernens. Argyris/ Schön (1978) legen jedem Handeln eine ‚theory of action’ zugrunde, die aus Werten, Normen und Mustern besteht und neben der Grundlage für Handlungen gleichzeitig auch das Bewertungsmuster für diese darstellt. Die ‚theory of action’ beinhaltet sowohl die ‚theory-in-use’ (diejenigen Anteile der Theorie die wirklich handlungsleitend sind), als auch die ‚expoused theory’ (diejenigen Anteile die über Kommunikation nach außen dargestellt werden, z. B. Leitlinien). „These organizational theories-in-use or theories of action result from sharing assumptions and cognitive maps among organizational members.” (Shrivastava 1983: 11). Durch gegenseitigen (sozialen) Austausch werden Annahmen geteilt. Hierbei versucht jedes Organisationsmitglied sein eigenes unvollständiges Bild der ‚organizational theory-in-use’ zu vervollständigen, wodurch er gleichzeitig die ‚organizational theory-in-use’ beeinflusst und verändert (vgl. Felsch 1996: 96 f.). Diese beinhaltet die organisationale Identität und wirkt meistens stillschweigend auf das Verhalten ihrer Organisationsmitglieder ein (vgl. ebd.: 96). Durch die wechselseitige Beeinflussung der individuellen ‚theories-in-use’ und der ‚organizational theory-inuse’ entsteht ein selbstreferentielles System27 (vgl. Geißler 1994: 87 f.). Die Veränderungsprozesse der ‚theory-in-use’ werden von Argyris/ Schön (1978) als Lernprozesse beschrieben und nach ihrem Lernniveau unterschieden in single-looplearning, double-loop-learning und deutero-learning (vgl. auch Felsch 1996: 97 f.). Single-loop-learning meint Prozesse der Anpassung von Erwartungen auf sich verändernde Umweltbedingungen innerhalb gegebener Rahmenbedingungen; hierbei wird die ‚theory-in-use’ nicht verändert. Double-loop-learning dagegen hinterfragt darüber hinaus die dem eigenen Handeln zugrundeliegende ‚theory-in-use’ und passt diese gegebenenfalls an. Es findet also ein Veränderungslernen statt, bei dem „scheinbar unüberwindbare organisationale Normen und Werte hinterfragt werden, neue Prioritäten und Gewichtungen gesetzt werden oder sogar die Restrukturierung von Werten herbeigeführt werden muß.“ (Probst 1995: 173). Dieses Lernen wird häufig dann notwendig, wenn z. B. Krisen oder Konflikte mit den bestehenden Normen bzw. der bestehenden ‚theory-in-use’ nicht behoben werden können. Deutero-learning kann als Lernen auf einer höheren Ebene bezeichnet werden, hierbei wird Lernen gelernt. Die eigenen Lernprozesse des single- und double-looplearnings werden reflektiert und wenn notwenig verändert. Organisationslernen als ‘development of a knowledge base’ nach Duncan/ Weiss (1979) Dieser Ansatz beschreibt die Lernende Organisation über deren Wissen. Lernende Organisationen sind demzufolge Wissenssysteme, die über individuelle und organisationale Lernprozesse neues Wissen generieren bzw. bekanntes Wissen redefinieren.28 Oder mit den Worten von Shrivastava (1983) gesagt:
27
Der Begriff der selbstreferentiellen Systeme geht auf die von Luhmann entwickelte Systemtheorie zurück und meint ein System, das sich in seinem Handeln auf sich selbst bezieht und somit operativ geschlossen ist. 28
Dieser Ansatz zeigt eine ähnliche Richtung auf, wie das von Pautzke (1989) entwickelte Konzept der organisationalen Wissensbasis.
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2. Theoretische Grundlagen
„It is knowledge that is the outcome of the learning prozess-knowledge that accurately describes the action-outcome relationships relevant to organizational activities, knowledge that is distributed across the organization, is communicable among members, has consensual validity, and is integrated into the working procedures and administrative structures of the organization.” (Shrivastava 1983: 13).
Dieses oben beschriebene Wissen wird über individuelle Lernprozesse generiert, macht aber für sich genommen einen qualitativen Unterschied zur Addition des individuellen Lernens und kann somit nicht als Fortführung oder einfache Übertragung von individuellem und kollektivem Lernen beschrieben werden. Auch Geißler (1994) konstatiert, dass „Organisationslernen grundsätzlich nicht ohne Bezug auf das individuelle Lernen der einzelnen Organisationsmitglieder konzipiert werden kann, daß anderseits aber Organisationslernen etwas qualitativ Eigenständiges ist, das sich deutlich von der Summe der individuellen Lernprozesse der einzelnen Organisationsmitglieder unterscheidet.“ (Geißler 1994: 15).
Organisationales Lernen wird also prozesshaft, als fortwährende soziale Konstruktion von Wirklichkeit aus der Bewertung und Integration individuellen Wissens erklärt (vgl. Felsch 1996: 106). Um überhaupt als organisationales Wissen in Frage zu kommen, muss dieses kommunizierbar, konsensfähig und integrierbar sein (vgl. Al-Laham 2003: 70). Ziel dieser Konstruktion ist die Erhöhung der Effektivität des organisationalen Handelns (vgl. ebd.: 104 ff.). Organisationales Lernen als ‚development of a knowledge base’ findet zusammenfassend also in Bezug auf Wissen in Prozessen der Wissensidentifikation, -entwicklung, -teilung und kommunikation statt. Organisationslernen als Vision Lernende Organisation Aufbauend auf den oben gezeigten Theorien soll die Lernende Organisation hier als Zielsystem Lernende Organisation konstruiert werden. Es ist daher notwenig, ein gemeinsames Verständnis darüber zu entwickeln, was unter einem Zielsystem Lernende Organisation zu verstehen ist. Allgemein lässt sich mit Senge29 (1998), der durch sein Buch „die fünfte Disziplin“ einen systemischen, praxisorientierten und ganzheitlichen Ansatz der Lernenden Organisation durch (Aus)Übung der fünf Disziplinen Personal Mastery, Mentale Modelle, gemeinsame Vision, Team-Lernen und systemisches Denken vorgestellt hat (vgl. ebd.; vgl. Willke 1998b: 46 ff.), sagen: „Ein Ding, dass da heißt ‚lernende Organisation’ gibt es nicht“ (Senge 1998: 501 f., OF). Vielmehr bezeichnet der Begriff Lernende Organisation eine Vision, die eine Richtung vorgibt, die Unternehmen ein Ziel vor Augen malt, an dem sie ihre eigenen Prozesse, Fortschritte etc. messen können (vgl. Burgheim 1996: 59; vgl. Senge 1998: 501 f.; vgl. Senge 2000: 6). Unternehmen, die den Begriff Lernende Organisation dergestalt verstehen, dürfen also diese Vision nicht aus den Augen verlieren, müssen alle Prozesse und Aktivitäten am Zielsystems Lernende Organisation messen und sich kontinuierlich diesem Ziel entgegenzustrecken. Doch was kennzeichnet die Vision Lernende Organisation, was macht sie nach Senge (1998) so einzigartig, so begehrenswert und warum wird ihr das Potential zuge-
29
Nach Trummler (2001) erweitert Senge den Ansatz von Argyris/ Schön (1978) um die beiden Faktoren System- und Teamlernen.
2. Theoretische Grundlagen
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schrieben, einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung von Unternehmen zu leisten? Nach Senge (1998) ist eine Lernende Organisation „eine Organisation, die kontinuierlich die Fähigkeit ausweitet, ihre eigene Zukunft schöpferisch zu gestalten. Eine solche Organisation gibt sich nicht damit zufrieden, einfach nur zu überleben. ‚Überlebenstraining’, häufig auch als ‚adaptives Lernen’ bezeichnet, ist wichtig und sogar notwendig. Aber bei einer lernenden Organisation muss sich zu diesem adaptiven ein schöpferisches Lernen hinzufügen, ein Lernen das unsere kreative Kraft fördert.“ (Senge 1998: 24).
Wichtig hierbei ist, dass „there is no organizational learning without individuell learning“ (Argyris/ Schön 1978: 20). Individuelles Lernen ist also Bedingung, wenn auch nicht Garantie, für organisationales Lernen (vgl. Argyris/ Schön 1978: 20; Senge 1998: 171). Ergänzt werden muss dieses individuelle Lernen durch „lernfähige Teams“ (vgl. Senge 1998: 20). Eine Lernende Organisation bzw. eine Organisation, die ihr Handeln an dieser Vision orientiert, ist also diejenige, die das kreative Potenzial ihrer Mitarbeiter weckt, die nicht reaktiv auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen reagiert, sich selbst immer wieder aktiv re-definiert und so die Bedingungen dafür schafft, seine Zukunft selbstbestimmt zu gestalten. Dies setzt Lernen und „Verlernen“ von Individuen, Gruppen, aber auch der Organisation selbst voraus, wozu die Überwindung vorhandener Lernbarrieren30, die Gestaltung einer geeigneten (durch Offenheit und Vertrauen geprägten) Unternehmenskultur und der transparente Umgang mit Wissen notwendig ist. Burgheim (1996) ergänzt obige Charakteristika der Vision Lernende Organisation (bzw. fasst diese zusammen) um acht Lernpfade, die es auf dem Weg zur Lernenden Organisation zu beschreiten gilt. Er zeigt, dass zunächst mit Hilfe der Unternehmenshermeneutik ein Verstehen des eigenen Unternehmens (auch in Bezug auf die Historizität des Unternehmens) notwendig ist. Dieses Verstehen schließt auch das Aufdecken von Alltagsregeln, geheimen Spielregeln und Deutungsmustern mit ein (s. a. Kapitel 3.2.4 Abschnitt Unternehmenskultur). Des weiteren werden die Lernpfade der gemeinsamen Visionen und des aufeinander abgestimmten Handelns hervorgehoben, beide bieten dem einzelnen Akteur Identifikation, sorgen für Motivation und Begeisterung für das eigenen Handeln. Reflexionen über das eigene Handeln, ganz im Sinne des double-loop-learning von Agryris/ Schön (1978) konstruiert er als sehr wichtigen, sechsten Lernpfad der Lernenden Organisation. Abschließend gehören für Burgheim (1996), als Lernpfade sieben und acht, das gemeinsame Erleben von Erfolgen und die gemeinsame Trauer bei Misserfolgen unbedingt zum Weg in Richtung Lernende Organisation dazu.
30
Vgl. hierzu auch die „Defensive Routinen“ von Argyris/ Schön (1978).
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3
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Dieses Kapitel entwickelt zunächst den Zusammenhang zwischen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation (Kapitel 3.1). Daran anschließend werden über die Darstellung von verschiedenen Entwicklungsstufen der Personalentwicklung in Abgrenzung zur Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen neue Erwartungen und (An)forderungen an die Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen aufgezeigt (Kapitel 3.2). Aus diesen wird unter Ergänzung der entwickelten Zusammenhänge von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation ein ganzheitliches Modell der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen konstruiert. Die organisationale Wissensbasis dient dabei als gemeinsamer Bezugspunkt von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation (Kapitel 3.3).
3.1
Zusammenhang zwischen Personalentwicklung – Wissensmanagement – Lernende Organisation
Jedes dieser Begriffe für sich allein genommen, im Unternehmen gelebt und richtig eingesetzt, ist (wie bereits gezeigt) entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und somit auch für den Unternehmenserfolg. Gelänge es jedoch diese drei Themen gemeinsam im Unternehmen zu verankern, sowie integriert zu betrachten und in den Dienst des Unternehmens zu stellen, würden diese als außerordentlicher Hebel für den Unternehmenserfolg dienen und dem Unternehmen einen schwer imitierbaren Wettbewerbsvorteil verschaffen.
3.1.1 Zusammenhang zwischen Lernender Organisation und Personalentwicklung Die Zusammenhänge von Personalentwicklung und Lernender Organisation sind in der Literatur schon in vielen Publikationen beschrieben worden31, wobei der Personalentwicklung meistens ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zur Lernenden Organisation zugesprochen wurde. Wie aber bereits im Kapitel 2.3.3 beschrieben, ist es bisher nur sehr wenigen Unternehmen in der Praxis gelungen, das Potenzial einer Lernenden Organisation erschöpfend zu nutzen. Zwei Gründe sind hierbei von entscheidender Bedeutung. Erstens bleibt das Konstrukt Lernende Organisation im Sinne einer Verdinglichung, eines Zustandes (siehe Kapitel 2.3.3) recht abstrakt und eignet sich daher eher als Schlagwort für die externe Kommunikation (Marketing) des Unternehmens bzw. lässt Unternehmen schnell davon reden, nun endlich eine Lernende Organisation zu sein, als das es wirkliche Veränderungen in Unternehmen zu initiieren vermag. Zweitens ist es der Personalentwicklung bisher, trotz vielerlei theoretischer Forderungen diesbezüglich, nicht gelungen, wirklich entscheidenden Einfluss im Unternehmen auszuüben, ihre strategischen Aufgaben im Unternehmen ernst und vor allen Dingen anzunehmen, wie auch Krautwurst (2001) bilanziert: 31
Vgl. hierzu exemplarisch die beiden Sammelbände Arnold/ Bloh (2001) und Freimuth/ Haritz/ Kiefer (1997).
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
41
„Der Notwendigkeit und Bedeutung des kontinuierlichen organisatorischen Lernens in und von Unternehmen ist man sich in der Wissenschaft und Praxis zwar (scheinbar) bewusst, aus Sicht der Personalentwicklung wurde an dieses Problem allerdings noch nicht konsequent herangegangen.“ (ebd.: 189, OF).
Insofern bleibt der Einfluss der Personalentwicklung in Bezug auf organisationales Lernen trotz vieler guter Ansätze und Potenziale bisher weitestgehend ungenutzt. Aus obigen Gründen wird die Lernende Organisation in dieser Arbeit nicht als Verdinglichung, sondern vielmehr als Fixstern, als Vision unternehmerischen Handelns gesehen. Außerdem wird eine Re-Definition der Personalentwicklung vorgeschlagen, damit diese organisationales Lernen aktiver als bisher gestalten und den Herausforderungen der Zukunft besser begegnen kann.
3.1.2 Zusammenhang zwischen Wissensmanagement und Lernender Organisation Obwohl in der Literatur eine intensive Auseinandersetzung mit den Begriffen Wissensmanagement und Lernende Organisation stattgefunden hat (exemplarisch: vgl. Al-Laham 2003; vgl. Willke 1998), fällt in vielen Fällen eine strikte Trennung zwischen beiden Begriffen recht schwer; beide beschäftigen sich mit der organisationalen Wissensbasis, stellen sich die Frage, wie im Unternehmen Wissen bestmöglich erworben, verteilt etc. wird und gestalten Lernprozesse und deren Rahmenbedingungen. Dennoch meinen beide Begriffe nicht das Selbe; viele Autoren haben Unterschiede zwischen Wissensmanagement und Lernender Organisation herausgearbeitet (vgl. exemplarisch Fried/ Baitsch 2000). Der entscheidende Unterschied ist, dass organisationales Lernen und somit auch die Lernende Organisation sich mit „Veränderungsprozessen der organisationalen Wert- und Wissensbasis“ (Arnold/ Bloh 2001: 28; vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 23) beschäftigt, wohingegen sich „’Wissensmanagement’ auf die Gesamtheit der Möglichkeiten und Strategien zur Realisierung bzw. Gestaltung dieser organisationalen Wissensbasis“ (ebd.) bezieht. Wissensmanagement setzt mehr auf den Erhalt und die Reproduktion von Wissen (vgl. Fried/ Baitsch 2000: 43) und ist somit besser plan- und kontrollierbar wie organisationales Lernen (vgl. ebd.: 35 f.). Dieses dagegen reflektiert bestehende organisationale Prozesse und stößt schwer kontrollierbare und noch schwerer zu planende Organisationsveränderungen an (vgl. ebd.: 43). Wissensmanagement kann also als Mittel zur Lernenden Organisation verstanden werden, d. h. Wissensmanagement ist das Werkzeug, mit dem die Vision Lernende Organisation verwirklicht werden kann (vgl. Freimuth/ Haritz 1997: 23). Gelingt es Unternehmen mit Hilfe der Instrumente des Wissensmanagements Interventionen in ihrer eigene Wissensbasis vorzunehmen und diese Intervention nicht nur einmalig, sondern kontinuierlich auf die Wissensbasis anzuwenden, besitzt das Wissensmanagement das Potenzial „der schon lange bestehenden Metapher der ‚lernenden Organisation’ zur Realisierung zu verhelfen, die ihr bislang versagt geblieben ist.“ (Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1999: 20, OF; vgl. Geißler 1994). Hierzu ist es aber notwendig, dass Wissensmanagement nicht nur einseitig, kurzfristig und reproduzierend verwendet wird, sondern das kontinuierlich in allen Feldern des Wissensmanagements interveniert wird (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2003: 25 ff.) und sich das Wissensmanagement Konzepten Lernender Organisation annähert (vgl. Fried/
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3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Baitsch 2000: 43). Nur so kann die Wissensbasis dauerhaft verändert und ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil generiert werden. Wie bei allen Veränderungsprozessen braucht diese Veränderung der organisationalen Wissensbasis Zeit, demzufolge stellen sich Erfolge in diesem Bereich erst langfristig ein. Außerdem kann die organisationale Wissensbasis nicht monokausal nach vorgegebenen Ursache-WirkungsZusammenhängen verändert werden, sondern die Veränderungen werden im Sinne von komplexen Systemen lediglich durch Interventionen von Außen angestoßen und unterstützt.
3.1.3 Zusammenhang zwischen Wissensmanagement und Personalentwicklung Das Werkzeug Wissensmanagement wird in der Praxis häufig nur sehr einseitig genutzt, d. h. als reines Informationsmanagement betrieben, in manchen Fällen sogar so eindimensional, dass Severing (2001) behauptet: "Wissensmanagement scheint vielfach als Methode interessant zu sein, geistige Tätigkeit zu taylorisieren, das heißt, zu entpersonalisieren und zu formalisieren." (ebd.: 142, OF). Im Gegensatz dazu liegt hier der Schwerpunkt auf den beiden Säulen Mensch und Organisation, mit dem Ziel, Personalentwicklung als Unterstützer und Gestalter dieser zu konzipieren. Die Säule Technik im Sinne eines Daten- oder Informationsmanagement wird dagegen in den meisten Fällen unterstützt und gestaltet von den ITbzw. Datenverarbeitungsabteilungen. Nach Severing (2001) muss Wissensmanagement integriert mit Personal- und Organisationsentwicklung, Weiterbildung, Qualitätssicherung und Umfeldbeziehungen konzipiert werden (vgl. ebd.: 144), denn ein technisches Wissensmanagement ohne Lernprozesse von Individuen und Organisationen produziert lediglich entpersonalisiertes, totes Wissen (vgl. ebd.: 141). Bildungsabteilungen dagegen, die sich hauptsächlich ohne Orientierung am Wissensmanagement auf Seminarmanagement beschränken, sind häufig nicht in der Lage „Wissen im lebendigen Kontext der Unternehmensorganisation“ (ebd.: 147) zu vermitteln und beschränken sich somit auf den Transfer von externem Expertenwissen ins Unternehmen. Nur ein integriertes Wissensmanagement berücksichtigt ganzheitlich die drei Säulen Mensch, Organisation und Technik (vgl. Pawlowsky 1998), nutzt bereits bestehende Prozesse und Wissensbasen (vgl. Severing 2001: 144) und kann so seine volle gestalterische Kraft im Unternehmen entfalten. Gerade zur Gestaltung der beiden Wissensmanagementsäulen Mensch und Organisation wird die Personalentwicklung zwingend benötigt. Der Zusammenhang bzw. das Zusammenwirken von Personalentwicklung und Wissensmanagement ist in der Literatur bisher zu kurz gekommen, was vermutlich hauptsächlich daran liegt, dass die in traditionellen Unternehmen betriebene Personalentwicklung in ihrer jetzigen Form, mit ihrem jetzigen Selbstverständnis nur einen geringen Beitrag zum Wissensmanagement leisten kann und umgekehrt auch das in der Praxis häufig betriebene technische Wissensmanagement keine entscheidenden Impulse für eine Veränderung der Personalentwicklung liefert. Deshalb ist das Wissensmanagement für die Personalentwicklung ebenso wie für die Lernende Organisation eine neue Chance, sich selbst neu zu finden, vielleicht sogar neu zu erfinden, um somit den dringend benötigten Beitrag zu einem wissensorientierten Unternehmen leisten zu können. Hierzu ist es erforderlich, dass die Personalentwicklung sich neuen (An)forderungen stellt und unterstützende Aufgaben in Be-
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
43
zug auf das Wissensmanagement wahrnimmt (vgl. Kapitel 3.2.3). Nur durch eine derartige wechselseitige Bereicherung zwischen Personalentwicklung und Wissensmanagement ist es Unternehmen möglich, aus der Metapher eine Vision Lernende Organisation zu machen (vgl. Kapitel 3.3).
3.2
Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung
Wie bereits im Kapitel 2.1 gezeigt, wird Personalentwicklung hier unter Einbezug von Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung im weiten Sinne verstanden. Mit der Erweiterung des Aufgabenspektrums reagiert die Personalentwicklung auf den immer größeren Anpassungsdruck einer globalisierten, sich immer schneller verändernden und Veränderung erzwingenden Gesellschaft. Auch die Ziele der Personalentwicklung wurden mit gleichzeitiger Berücksichtigung von und Orientierung an Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen aufgezeigt. Dagegen unerwähnt blieb, welche Rolle die Personalentwicklung bisher in traditionellen Unternehmen spielt, welches Selbstverständnis sie in Bezug auf sich selbst an den Tag legt und für welche Aufgaben diese sich verantwortlich sieht. Die Personalentwicklung von innen heraus zu definieren ist bisher unterlassen worden und soll, mit dem Ziel der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen eine neue Rolle und neue Aufgaben zuzuweisen, nachgeholt werden, wie es auch Freimuth/ Haritz (1997) fordern: „Die Rolle der Personalentwicklung muss auf den Prüfstand“ (ebd.: 9) und weiter „Diese Reflexion um die Definition ihrer Rolle (der Personalentwicklung, Anmerkung des Verfassers) kommt nur mühsam in Gang und ist noch lange nicht beendet.“ (ebd.: 21). Aufgrund neuer Aufgaben(-felder), neuer Herausforderungen etc. steht die Personalentwicklung vor großen Veränderungen. Die Personalentwicklung hat hierbei die große Chance sich dahingehend zu verändern, eine nicht nur reaktive, bedürfnisorientierte Rolle im Unternehmen zu spielen, sondern die Unternehmenszukunft maßgeblich und aktiv mitzugestalten und so auch strategischen Anteil am Unternehmen zu übernehmen. Hierzu ist eine Ausrichtung der Personalentwicklung an der Vision Lernende Organisation und ein Zusammenspiel mit dem Management von Wissen notwendig.
3.2.1 Entwicklungsstufen der Personalentwicklung In der Theorie wird zwischen drei Entwicklungsstufen der Personalentwicklung unterschieden, die hier noch ergänzt werden um die zu entwickelnde Perspektive dieser Arbeit, d. h. durch die Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen (vgl. Abb. 8). Die Entwicklungsstufen lassen sich zwar nach ihrer theoretischen Entstehung datieren und in eine Reihenfolge bringen, kennzeichnen in vielen Fällen jedoch nicht den jeweiligen Entwicklungsstand der Personalentwicklung in der Unternehmenspraxis. Personalentwicklung findet in der Praxis auf unterschiedlichsten Niveaus statt; somit sind heutzutage in der Unternehmenspraxis alle hier vorgestellten theoretischen Entwicklungsstufen auffindbar. Die Stufen eins und zwei werden hier unter der vorher schon verwendeten Begrifflichkeit Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen zusammengefasst, die
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3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Stufe drei dagegen als Ausgangspunkt für eine Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen angesehen. Diese Stufen unterscheiden sich hauptsächlich durch den Zweck des personalentwicklerischen Handelns, welcher durch die beiden Merkmale „des zu vermittelnden Qualifikationsniveaus“ (Mudra 2004: 289) und „den Zeitpunkt der Versorgung mit Qualifikationen“ (ebd.) beschrieben wird. Abbildung 8
Entwicklungsstufen der Personalentwicklung
PE in wissensorientierten Unternehmen
(pro)aktive/ innovationsorientierte PE Innovation; technischer/ organisatorischer Fortschritt
Interdependenz
PE
synchronisierte PE
Orientierung an geplantem technischen/ organisatorischen Stand
Dependenz
PE
reaktive PE
Orientierung an vorhandenem technischen/ organisatorischen Stand
Dependenz
PE in traditionellen Unternehmen
Quelle:
PE
PE in wissensorientierten Unternehmen
Weiterentwicklung in Anlehnung an Mudra 2004: 292
Reaktive Personalentwicklung Diese ist ausgerichtet auf bereits bestehende Qualifikationsdefizite, deren vorliegende Aufgabe es demnach ist, diese zu identifizieren und bestmöglich zu beheben. Synchronisierte Personalentwicklung Die synchronisierte Personalentwicklung orientiert sich bei ihrer Bedarfsplanung an der Unternehmensplanung, ihr „Ausgangspunkt ist hierbei der geplante technische und der sonstige Wandel“ (Mudra 2004: 290).
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
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(Pro)aktive/ innovationsorientierte Personalentwicklung Die Personalentwicklung befreit sich vom deterministischen Selbstverständnis der traditionellen Personalentwicklung, indem diese eine interdependente Verknüpfung mit dem technischen und organisationalen Wandel eingeht und somit (pro)aktiv das Unternehmensgeschehen mitgestaltet. Sie übernimmt somit strategische Verantwortung im Unternehmen, bezieht ihr Handeln auf die Zukunft, trägt der Dynamik der Wissensgesellschaft Rechnung und versucht Qualifikationen für potenzielle und zukünftige Veränderungen auf Vorrat anzulegen (vgl. Mudra 2004: 291 ff.). Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen Die hier angestrebte Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen kann dabei nicht als neue Entwicklungs-Stufe der Personalentwicklung angesehen werden, sondern baut auf der Stufe (pro)aktive/ innovationsorientierte Personalentwicklung insofern auf, als dass sie diese durch die Nutzung von Wissensmanagement und durch die Orientierung an der Vision Lernende Organisation anreichert und somit einen entscheidenden Beitrag zur Ausgestaltung und Konkretisierung dieser leistet.
3.2.2 Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen Abgrenzend zur neu zu entwickelnden Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen (Kapitel 3.2.3) wird hier exemplarisch und pointiert die Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen (Entwicklungsstufen 1 + 2) als „Kompensator von Qualifikationsdefiziten“, als „Gestalter der individuellen Entwicklung“ und als „Dienstbote“ dargestellt. An diesen kann gezeigt werden, dass die Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen ein gewachsenes Gebilde ist und diese durch ihr Handeln in den letzten Jahren ein Selbstverständnis ausgebildet hat, welches einer schnellen Veränderung und Re-Definition von Personalentwicklung entgegen stehen kann. Das Selbstverständnis der Personalentwicklung entsteht durch Erwartungen z. B. von Unternehmensseite, die an die Personalentwicklung gerichtet werden. Durch häufiges, diesen (An)forderungen entsprechendes Verhalten, verinnerlicht die Personalentwicklung die an sie gestellten Erwartungen in einem zunehmenden Maße dergestalt, dass diese ihr zueigen werden und letztendlich zu einem von den Erwartungen beeinflussten Selbstverständnis32 führen; dieses wiederum wirkt auf das Handeln der Personalentwicklung zurück. Kompensator von Qualifikationsdefiziten Aufgabe der Personalentwicklung als Kompensator von Qualifikationsdefiziten ist es, den aus den Aufgaben der Arbeitsstellen resultierenden Qualifizierungsbedarf zu ermitteln, diesen durch geeignete (Seminar-)Maßnahmen zu schließen und gegebenenfalls den Transfer der Maßnahme zu fördern. Eine Personalentwicklung als Kompensator von Qualifikationsdefiziten kann somit immer nur reaktiv sein und führt zu 32
In diesem Zusammenhang könnte auch von verschiedenen Rollen der Personalentwicklung gesprochen werden, die diese durch Verinnerlichung der an sie gestellten Erwartungen ausbildet (vgl. hierzu auch Goffmann (1978), der Rollen definiert als die Ausübung von Rechten und Pflichten, die mit einem gewissen Status verknüpft sind (ebd.: 18)). In dieser Arbeit soll der soziologische Rollenbegriff, da im Sinne dieser Arbeit nicht zielführend, aber nicht näher ausgeführt werden.
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einer zeitlichen Verzögerung der Qualifikationsentwicklung in Bezug auf die Bedarfsentwicklung (vgl. Pawlowsky 1995: 441). Die Personalentwicklung als Kompensator von Qualifikationsdefiziten sieht sich also den Erwartungen ausgesetzt, Qualifikationsdefizite durch geeignete SeminarMaßnahmen zu schließen. Ein (pro-)aktives Vorgehen, das Maßnahmen ohne gemeldeten Bedarf durchführt, wird nicht verlangt bzw. als Ressourcenverschwendung möglicherweise sogar sanktioniert. Wenn heutzutage von der Personalentwicklung ein schnelleres, aktiveres Anpassen an verändernde Umweltbedingungen bzw. häufig sogar Mitwirken an der Unternehmensstrategie gefordert wird, stehen diese Erwartungen konträr zur bisher praktizierten Personalentwicklung. Diese neuen (An)forderungen führen zu Dissonanzen zwischen neuem Anspruch an und alter Wirklichkeit der Personalentwicklung. Nur wenn die neu gestellten Erwartungen über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten und häufiger wiederholt werden, wird sich das Selbstverständnis der Personalentwicklung mit der Zeit in Richtung dieser entwickeln, um die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen. Gestalter der individuellen Entwicklung Ziel der Maßnahmen der Personalentwicklung als Gestalter der individuellen Entwicklung ist das Individuum. Die Personalentwicklung richtet ihre Aktivitäten direkt (und ausschließlich) an den Individuen im Unternehmen aus (vgl. Krautwurst 2001: 189) und unterstützt, bildet und fördert diese bei Bedarf (s. o.). Durch diese einseitige Orientierung, die kollektive und organisationale Gestaltungsmöglichkeiten ausschließt, kann die Personalentwicklung vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten nicht nutzen. Eine ganzheitliche Herangehensweise, die Personalentwicklung sowohl im weiten Sinne versteht, als auch Teams und Organisation als Gestaltungsfeld der Personalentwicklung sieht, wird heutzutage immer wieder gefordert und besitzt großes, bisher häufig ungenutztes Potential. Dennoch wird eine Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen diese neuen Erwartungen nicht von heute auf morgen erfüllen können, da sie jahrelang lediglich das Individuum als Ziel ihrer Bemühungen in den Blick genommen hat. Deshalb gilt es in einem ersten Schritt Teams und Organisation als Aufgabe wahrzunehmen, Kompetenzen zur Veränderung und Gestaltung von Teams und Organisation aufzubauen und das eigene Selbstverständnis in Richtung Personalentwicklung im weiten Sinne zu verändern. Dienstbote Die Personalentwicklung als Dienstbote steht in deterministischer Abhängigkeit in Bezug auf externe Veränderungen und Ziele des Unternehmens und ist somit gezwungen, Standard-Maßnahmen (Stufe 1) oder Maßnahmen auf Basis linearer Trendexplorationen (Stufe 2) zu generieren und durchzuführen (vgl. Kurtz et al. 1997: 51). Es bestehen keine Rückkopplungsschleifen hin zu den Unternehmenszielen, eine direkte Anpassung der Personalentwicklung an zukünftige Veränderung ist ebenso nicht möglich, wie eine Veränderung der Gesamtorganisation durch Reflexion über deren Handeln im Sinne des Double-loop-Learnings von Argyris/ Schön (1978). Auch die Personalentwicklung als Dienstbote hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen neue Erwartungen umzusetzen. War sie bisher lediglich dazu da, die von der Unter-
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nehmensführung gemachten Vorgaben bezüglich der Qualifizierung der Mitarbeiter umzusetzen, wird heutzutage von ihr gefordert, z. B. als Profit-Center33 in den Wettbewerb zu treten oder Verantwortung für die Gesamt-Unternehmensstrategie zu übernehmen. Auch in diesem Fall braucht es einige Zeit, bis das Selbstverständnis der Personalentwicklung sich vom Dienstboten zum Gestalter von Wandel (s. a. Kapitel 3.2.3 Abschnitt Lernende Organisation), d. h. zur innovationsorientierten Personalentwicklung und zum strategischen Partner des Unternehmens entwickeln kann. Bereits an diesen drei exemplarischen und pointierten Aufgaben der Personalentwicklung kann gezeigt werden, dass eine kurzfristige Veränderung der Personalentwicklung nicht möglich ist, da die Personalentwicklung durch ihr Handeln in der Vergangenheit ein diesbezügliches Selbstverständnis ausgebildet hat. Dieses steht einem neuen Selbstverständnis möglicherweise im Wege. Eine gewünschte und notwendige Veränderung der Personalentwicklung kann demzufolge nur durch die Formulierung von erneuerten (An)forderungen an diese erfolgen. Solche neuen Erwartungen für eine Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen werden im nächsten Kapitel entwickelt. Dabei gilt es nicht eine revolutionäre Umwälzung der Personalentwicklung vorzunehmen, d. h. das alte Selbstverständnis der Personalentwicklung komplett durch ein Neues zu ersetzen, sondern dieses evolutionär zu redefinieren und durch Ergänzung neuer Aufgaben, Erwartungen und (An)forderungen an die neuen Herausforderungen von wissensorientierten Unternehmen anzupassen.
3.2.3 Neue Erwartungen an die Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen34 Zum bereits erwähnten Aufbruch des traditionellen Selbstverständnisses der Personalentwicklung müssen zunächst die von der Unternehmensseite an die Personalentwicklung gestellten Erwartungen geändert werden. Wie bei fast allen Veränderungsprozessen in Unternehmen ist hierbei also in erster Linie das Top-Management gefordert, die eigene Personalentwicklung durch ihre (An)Forderungen und Erwartungen zum Wandel zu bewegen. Diese neu gestellten Erwartungen führen zu einer notwendigen Kluft zwischen Anspruchsdenken und Erwartung des Unternehmens auf der einen und dem altem Selbstverständnis der Personalentwicklung auf der anderen Seite. Durch das Erleben dieser Dissonanz können Veränderungen angestoßen, Veränderungspotenziale aktiviert und somit das Selbstverständnis der Personalentwicklung evolutionär, in einigen Fällen evtl. auch revolutionär, verändert werden. Der Anteil der Personalentwicklung an diesen Veränderungen ist, die Herausforderung anzunehmen, sich selbst als nicht fertig zu erleben und sensibel auf neue Erwartungen zu reagieren. 33
Personalentwicklung als Profit-Center meint, dass die Personalentwicklung sich dem Wettbewerb des Marktes stellen muss. Auf der einen Seite wird hierdurch ermöglicht, dass die Personalentwicklung ihre Maßnahmen am Markt anbieten kann, auf der anderen Seite werden externe Personalentwicklungs-Maßnahmen, die günstiger, rentabler und besser sind am Markt eingekauft. 34
Bei den nun kommenden Ausführungen soll nur noch von der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen gesprochen werden; da diese aber keine vollständig neue Stufe im Entwicklungsmodell der Personalentwicklung einnimmt, sondern nur einige neue Elemente ergänzt, beziehen sich die folgenden Ausführungen indirekt auch auf die (pro)aktive/ innovationsorientierte Personalentwicklung.
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Welche Erwartungen stellen nun aber Unternehmen heutzutage und zukünftig an die Personalentwicklung bzw. welche sollten Unternehmen stellen? In der Literatur lassen sich hierzu viele Forderungen, teilweise aus unterschiedlichen Blickwinkeln, mit unterschiedlichen Zielen und Schwerpunkten finden.35 Hier wird ein Überblick über die Spanne der (An)forderungen und zu formulierenden Erwartungen an eine zukünftige Personalentwicklung gegeben und diese auf acht zentrale Felder neuer (An)forderungen an die Personalentwicklung verdichtet (vgl. Abb. 9). Insbesondere (An)Forderungen und Erwartungen, die der Personalentwicklung helfen sich in Richtung Wissensmanagement und/ oder Lernende Organisation zu entfalten, sind hierbei von Interesse. Diese (An)forderungen sind zunächst einmal separat zu sehen und können alle einen kleinen Schritt zur Veränderung der Personalentwicklung beitragen, ihre ganze Kraft kann aber erst dann freigesetzt werden, wenn sie im Zusammenspiel miteinander und in Bezug auf das Wissensmanagement und die Lernende Organisation Synergie-Effekte generieren. Ein ganzheitliches Modell der Personalentwicklung, in diesem Sinne, wird in Kapitel 3.3 konstruiert. Abbildung 9
Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen Felder neuer (An)Forderungen an die Personalentwicklung
Lernende Organisation
Unternehmenskultur
Integrative Personalentwicklung
Quelle:
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Lernkultur und Lernprozesse
Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen - Felder neuer (An)forderungen an die Personalentwicklung -
Träger der Personalentwicklung
Strategische Orientierung
Management von Wissen
IuK-Technologien
Eigenentwicklung
Viele Ansätzen, die neue Erwartungen, Aufgaben und Rollen der Personalentwicklung beschreiben, beschränken sich auf einzelne Teilbereiche der Personalentwicklung oder betrachten allgemein den gesamten Bereich des Personalmanagement; außerdem verzahnen die wenigsten ihre Ausführungen konsequent sowohl mit den neuen Herausforderungen einer Wissensgesellschaft, als auch mit Wissensmanagement und/ oder Lernender Organisation.
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Integrative Personalentwicklung Eine integrative Personalentwicklung wird häufig gefordert und ist in einigen Unternehmen auch schon länger verwirklicht worden. Integration bezieht sich erstens auf die integrative Betrachtung nicht nur des Individuums, sondern auch der Gruppe und Organisation als Ansatzpunkt und Ziel der Personalentwicklung und zweitens infolgedessen auf die schon in der Definition dieser Arbeit vorweggenommene Integration von Organisationsentwicklung.36 Hierbei geht es nicht nur um eine Öffnung des Blickwinkels von einer „traditionell individuumszentrierten Personalentwicklung“ (Krautwurst 2001: 189) zu einer Personal- und Organisationsentwicklung, sondern auch darum, Instrumente und Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung ebenenspezifisch in Bezug auf Individuen, Gruppen und Organisation einzusetzen, wofür in vielen Fällen die bestehenden Instrumente angepasst werden müssen (vgl. ebd.: 191 f.). Beide Forderungen werden unter Ergänzung der Gesellschaft als Ziel der Personalentwicklung gut zusammengefasst durch das Zitat „Veränderungsprozesse in Unternehmen, die die Mikroebene menschlichen Verhaltens, die Mesoebene der Gruppe und die Makroebene gesellschaftlicher Zusammenhänge berücksichtigen wollen, werden aus aufeinander wohlabgestimmten Personal-, Team- und Organisationsentwicklungs-Maßnahmen bestehen müssen.“ (Kurtz et al. 1997: 50).
So kann beispielsweise ein für Individuen gut geeignetes Instrument bzw. eine gut geeignete Maßnahme auf Teamebene wirkungslos bleiben und/ oder umgekehrt. Die Integration und Abstimmung von Organisationsentwicklung und nach einigen Autoren auch der Strategieentwicklung (vgl. Oechsler 2000; s. a. Abschnitt Strategische Orientierung) in bzw. mit der Personalentwicklung ist notwenig, um dem Druck einer immer komplexeren Unternehmensumwelt besser begegnen zu können. Nach Oechsler (2000) ist eine Auflösung des eingangs beschriebenen reaktiven Charakters der Personalentwicklung in traditionellen Unternehmen nur durch eine systematische Abstimmung zwischen Strategie-, Organisations- und Personalentwicklung möglich (ebd.: 556). Nur eine derart integrierte Personalentwicklung kann ein integriertes Wissensmanagement (siehe Kapitel 3.1.3) auch wirklich unterstützen. IuK-Technologien Durch die rasante Entwicklung der IuK-Technologien ist das, was heute als Wissensgesellschaft bezeichnet wird, erst ermöglicht worden. Das IuK-Technologien aber auch einen Beitrag zur Personalentwicklung leisten können, wurde bisher noch wenig beschrieben. So sehen beispielsweise Bellmann/ Bürger (2002) in sogenannten „e-Personnel-Ansätzen“ ein geeignetes Werkzeug des Personalmanagements (und der in dieser enthaltenen Personalentwicklung) um Wissensmanagement bzw. die Transformation von Wissen, zu unterstützen oder sogar erst zu ermöglichen (vgl. ebd.: 125 f.). Diese „e-Personnel-Lösungen“37 unterstützen Führungskräfte und Mitarbeiter, helfen Komplexität zu reduzieren und unterstützen Personalentwicklungs36 37
Vgl. hierzu auch Becker 2002; Bröckermann/ Müller-Vorbrüggen 2006; Mudra 2004.
Bellmann/ Bürger (2002: 127) beschreibt einige dieser „e-Personnel-Lösungen“, die ihm zufolge bei Siemens wesentliche Fortschritte gebracht hätten. Er führt hierbei „Management Learning“ als Instrument zur Führungskräfteentwicklung; „e-start“ zu Integration neuer Mitarbeiter; „Opinion Poll“ zur regelmäßigen Mitarbeiterbefragung und „Pers24“ zur Vernetzung der Personalorganisation an.
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programme in globalisierten Unternehmen über nationale Grenzen hinweg. „EPersonnel-Lösungen“ können aber nicht vollständiger Ersatz für direkte Personalentwicklung sein, sondern lediglich dort sinnvoll eingesetzt werden, wo sie administrative Tätigkeiten der Personalentwicklung erleichtern, Komplexität reduzieren helfen und Personalentwicklung (z. B. Entwicklung der Unternehmenskultur) durch internationale Verknüpfung überhaupt erst ermöglichen. So eingesetzt leisten sie dann auch einen wichtigen Beitrag zum Wissensmanagement, da hierdurch Personalentwicklung einheitlicher und über Grenzen hinweg betrieben werden kann und somit die Bildung einer gemeinsamen Unternehmenskultur begünstigt wird. Auch Nonaka/ Takeuchi (1997) sehen unter dem Begriff der „Notwendigen Vielfalt“ die Wichtigkeit des gleichberechtigten Zugangs zu Informationen als Bedingung für Interaktionen und somit für dialogische Neudefinition von Information und Wissen (vgl. ebd.: 98 f.). Die Gleichberechtigung des Zugang lässt sich mit Hilfe von IuK-Technologien (gerade in einem globalisierten Unternehmen) deutlich verbessern. Zweitens wird erst durch die Nutzung von IuK-Technologien der Einsatz von neuen Lernformen ermöglicht. Durch E-Learning, Web based Training, Telelearning, Fernunterricht und Blended Learning (vgl. Bröckermann/ Müller-Vorbrüggen 2006) können nicht nur Kosten gespart, sondern noch viel wichtiger „Lerninhalte in standardisierter Qualität, schnell, simultan [...] und an vielen Orten und leicht artikulierbar bereitgestellt werden.“ (Severing 2001: 151). Diese neuen Lernformen gilt es durch die Personalentwicklung mit zu gestalten. Hierbei ist insbesondere wichtig, den Entwicklern dieser Programme aus den IT-Bereichen didaktische Hilfestellung zu geben und die Mitarbeiter beim selbstorganisierten Lernen mit den neuen Medien zu unterstützen. Vor allem der Abbau von Lernbarrieren und Ängsten beim selbstorganisierten Lernen mit neuen Medien, die Schaffung von zeitlichen Freiräumen zur Nutzung dieser, fällt hierbei in den Aufgabenbereich der Personalentwicklung. Gelingt es der Personalentwicklung die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Lernen mit neuen Medien konsequent und richtig genutzt wird, unterstützt es damit Prozesse des Wissensmanagements. Gerade durch die Möglichkeiten arbeitsplatznah und selbstbestimmt Lernen zu können, werden Prozesse des Wissenserwerbs unterstützt und Prozesse der Wissensteilung durch die standardisierbaren Lerninhalte im Sinne der „Notwenigen Vielfalt“ (vgl. Nonaka/ Takeuchi 1997: 97 f.) ermöglicht. Unternehmenskultur „Mit Normen, Wertvorstellungen, Denkhaltungen und Handlungsmustern, die in ihrer Gesamtheit ein Unternehmen prägen und repräsentieren, wird im allgemeinen Unternehmenskultur umschrieben, die in einem langjährigen und vielschichtigen Lernprozeß entstanden ist.“ (Sonntag 1996: 41). Diese gewachsene Unternehmenskultur ist in Form von geheimen Spielregeln, ungeschriebenen Gesetzen etc. häufig verantwortlich für vielfältige Barrieren, die Veränderungsprozesse ebenso wie ein erfolgreiches Wissensmanagements behindern, sei es durch Machtstrukturen, fehlende Interaktionsmöglichkeit, -bereitschaft etc.. Durch die Unternehmenskultur entstehen aber auch viele positive Effekte, wie beispielsweise ein als angenehm beschriebenes Unternehmensklima, die kooperative Zusammenarbeit in Teams oder das Verbleiben von Mitarbeitern im Unternehmen trotz geringerer Entlohnung aufgrund intrinsischer und/ oder sozialer Motivation. Die Personalentwicklung ist in einem viel stärkeren Masse gefordert Verantwortung zu übernehmen für Kultur und Werte des Unternehmens, denn in der Veränderung
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dieser organisationalen Rahmenbedingungen liegt viel ungenutztes Potenzial der Personalentwicklung brach, weil mögliche Erfolge in diesen Bereichen langfristig zu sehen und schlecht monetär zu bewerten sind. Dies führt gerade in Zeiten der Rezession zu einem Rechtfertigungsdruck der Personalentwicklung. Dennoch muss die Personalentwicklung dieses Handlungsfeld annehmen, da insbesondere für ein erfolgreiches Wissensmanagement die zielführende Veränderung der Unternehmenskultur entscheidend ist. Ebenso ist auch für die Lernende Organisation die Aufdeckung von geheimen Spielregeln, Alltagsregeln etc. wesentlich, um die eigenen Abläufe im Unternehmen zu verstehen und verbessern zu können (Burgheim 1996: 56 ff.; vgl. Kapitel 2.3.3). In diesem Zusammenhang sollen speziell die organisationalen Rahmenbedingungen der Führung und der Unternehmenswerte als Gestaltungsfelder der Personalentwicklung näher betrachtet werden. Führung ist in vielen Unternehmen immer noch zu sehr mit Hierarchie und Macht verbunden (vgl. Rückle/ Mutafoff/ Riekehof 1994: 59) und blockiert somit häufig Entwicklungen, die in Bezug auf das Wissensmanagement wesentlich sind. Wie soll beispielsweise plausibel erklärt werden, dass von heute an nicht mehr gilt: „Wissen ist Macht“, sondern „Wissensteilung ist Macht“, wenn die organisationalen Rahmenbedingungen dem völlig widersprechen. Hier ist die Personalentwicklung gefordert, Führung im Unternehmen partizipativer zu gestalten. Durch die Delegation von Verantwortung und die so erlebbare Identifikation mit dem Unternehmen kann die Selbstständigkeit der Mitarbeiter gefördert werden und sich „employability“ entwickeln, was zur freiwilligen Investition von Zeit und Motivation auch ohne hierarchischen Druck führen kann (vgl. Sattelberger 1998: 27 ff.). Außerdem wird durch die Reduktion von Hierarchiestufen und die Miteinbeziehung von Meinungen der Mitarbeitern in Entscheidungsprozesse die betriebliche Kommunikation verbessert und somit ein wesentlicher Beitrag für den Austausch und die Weitergabe von subjektivem Wissen geleistet. Wenn alle Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden, müssen sich die Führungskräfte verstärkt als „Lernhelfer“ dieser verstehen (vgl. Burgheim 1996: 56). In Bezug auf die Unternehmenswerte erscheinen diejenigen Maßnahmen als unterstützungswürdig durch die Personalentwicklung, die den gemeinsamen Dialog im Unternehmen unterstützen, (Vertrauens-)Kommunikation fördern, einen Umgang mit Fehlern als Ausgangspunkt von Lernprozessen pflegen und eine gemeinsame Identität aufbauen und erhalten (vgl. Schüßler/ Weiss 2001: 273 ff.). Wichtig hierbei ist, dass diese Werte nicht kommuniziert, sondern auch im Unternehmensalltag verankert und gelebt werden (vgl. Arnold 1995: 359). Gerade der Dialog sollte als Gesprächsform von der Personalentwicklung eingeführt und gemeinsam im Unternehmen eingeübt werden, da dieser sich insbesondere für Veränderungsprozesse deutlich besser eignet als Gesprächsformen wie beispielsweise die Diskussion oder die Debatte. Mit dem Dialog ist „eine Gesprächsform, die zum Ziel hat ‚gemeinsam zu denken’ “ (Fatzer 2003: 226, OF) gemeint und kann demzufolge als die gemeinsame, kommunikative Suche nach Lösungen aufgefasst werden. Der Dialog setzt sich aus vier Grundfähigkeiten zusammen: dem „Listening“, dem „Voicing“, dem „Respecting“ und dem „Suspending“ (vgl. Fatzer 2003). Im Gegensatz zu anderen Gesprächsformen werden bei der dialogischen Kommunikation „defensive Routinen“ im Sinne von Argyris/ Schön (1978) weitestgehend vermieden. Somit ist die dialogische Gesprächsform als „allumfassende neue Praxis, die gewinnbringend zur Reflexion von Veränderungsprozessen bei Personen, Teams und Organisationen eingesetzt werden kann“ (Fatzer 2003: 233 f.) zu verstehen und ein
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3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
unterstützungswürdiger Baustein auf dem Weg zur Lernenden Organisation. Aber auch das Wissensmanagement und hier konkret der Baustein Wissens(mit)teilung und der Baustein Wissensentwicklung werden durch dialogische Kommunikation unterstützt (vgl. Stieler-Lorenz et al. 2003: 36). Die dialogische Kommunikation ermöglicht die Freisetzung und Verteilung von impliziten Wissen. Im Dialog verbindet sich also konstruktiv das Erfahrungswissen der Kommunizierenden und neues Wissen kann entstehen; es findet kommunizierendes Lernen statt (vgl. ebd.: 37). Der Bereich der Kommunikation bietet neben der Einführung der dialogischen Gesprächsform weitere Gestaltungsmöglichkeiten für die Personalentwicklung, die in Bezug auf das Wissensmanagement eine Schlüsselrolle einnehmen. Schüßler/ Weiss (2001) schlagen drei weitere Handlungsfelder der Personalentwicklung zur Gestaltung von Kommunikationsprozessen im Unternehmen vor: erstens die Schaffung einer zwischenmenschlichen (Vertrauens-)Kommunikation und Interaktion als Grundlage für Informationsaustausch und Wissensteilung, zweitens die Förderung einer transkulturellen Kommunikation und Interaktion zum Abbau von Kommunikationsbarrieren und zur Verknüpfung interkultureller Perspektiven in einer globalisierten Unternehmenswelt und drittens den Aufbau von informationsmethologischen Kompetenzen durch die Entwicklung einer Mensch-Maschine-Kommunikation und Interaktion (vgl. Schüßler/ Weiss 2001: 277 ff.; s. a. Abschnitt IuK-Technologien). Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass eine offene, direkte und barrierearme Kommunikation auf interpersoneller, kultureller und technischer Ebene als Unternehmenswert gefördert werden sollte. Diese kommt dann auch einem an der Vision Lernende Organisation ausgerichteten Wissensmanagement zugute und unterstützt dieses bei der Gestaltung der organisationalen Wissensbasis, indem die Fähigkeit und Bereitschaft der Mitarbeiter beispielsweise zur Wissens(mit)teilung erhöht und Reibungsverluste durch Kommunikationsbarrieren vermieden werden38. Als weiterer Ansatzpunkt zur Werteveränderung der Personalentwicklung erscheint der Umgang mit Fehlern im Unternehmen ein gerade auch mit Blick auf das Wissensmanagement und die Lernende Organisation wichtiger Baustein zu sein. So besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen Unternehmen, die Fehler sanktionieren und Unternehmen die Fehler als Teil des Prozesses und Ausgangspunkt von Veränderungen ansehen und nutzen. Letztere bekommen durch die konstruktive Nutzung von Fehlern kostenloses Feedback bezüglich der Funktionsweise der eigenen Abläufe und Prozesse und besitzen somit einen wichtigen Hebel für kontinuierliche Organisationsveränderung, während in den ersten Unternehmen das Bemühen vorherrscht, gemachte Fehler zu vertuschen und wichtige Informationen zurückzuhalten. Ein weiterer, unterstützungswürdiger Wert durch die Personalentwicklung ist die Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Die Identifikation mit dem Unternehmen macht die Mitarbeiter zu Teilhabern des Unternehmens und lässt sie Verantwortung für die eigene Arbeit und die eigene Qualifizierung übernehmen. Träger der Personalentwicklung Wie bereits in Kapitel 2.1.2 unter dem Begriff der Institutionen aufgezeigt, kann die Personalentwicklung nicht als bloße Aufgabe der Institution Personalentwicklung,
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S. a. Willens- und Transferbarrieren in den Schichten der organisationalen Wissensbasis (Kapitel 2.2.3.1).
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d. h. der Personal- und Organisationsentwickler, angesehen werden. Dieses klassische Selbstverständnis der Personalentwicklung gilt es zu revidieren, die Personalentwicklungsaufgaben wieder zu dezentralisieren (vgl. Rückle/ Mutafoff/ Riekehoff 1994: 57) und sowohl die Führungskräfte, als auch die Mitarbeiter von Objekten zu Subjekten der Personalentwicklung zu machen. Das bedeutet diesen als Träger der Personalentwicklung einerseits Gestaltungsfreiräume einzuräumen und anderseits auch Gestaltungspflichten einzufordern. In zunehmenden Masse kommt hierbei der Personal- und Organisationsentwicklung eine beratende und unterstützende Funktion zu. In Zukunft muss nach dem Motto „Personalarbeit ist nicht delegierbare Führungsaufgabe“ (Kiefer 1997: 429) die ausführende Personalentwicklung (im Tagesgeschäft) wieder von den Führungskräften für ihre Mitarbeiter wahrgenommen werden. Deren Aufgaben sind die Ermittlung des Personalentwicklungsbedarfs, die Aktivierung der Mitarbeiter mit dem Ziel, im gemeinsamen Dialog PersonalentwicklungsMaßnahmen zu planen, durchzusetzen und gegebenenfalls zu begleiten und zu betreuen (vgl. Berthel 2002: 312 ff.). Eine so verstandene Personalentwicklung bezieht den Mitarbeiter mit ein, gibt Anstoß zur Selbstentwicklung und Selbstorganisation der Mitarbeiter (vgl. Berthel 2002: 312; Arnold 1995: 359 f.), wird der gestiegenen Individualisierung der Mitarbeiter gerecht und führt zur Übernahme von Verantwortung der Mitarbeiter für die Unternehmensentwicklung (vgl. Bellmann/ Bürger 2002: 125). Außerdem vollbringt eine solche Personalentwicklung, die alle Organisationsmitglieder mit einbezieht und durch die gemeinsame Aufgabe der (indirekten) Unternehmensentwicklung kollektive Orientierung schafft (z. B. in Richtung Vision Lernende Organisation), wichtige Integrations- und Identifikationsarbeit (s. a. Abschnitt Unternehmenskultur). Lernkultur und Lernprozesse Lernen ist, wie bereits in Kapitel 2.3 gezeigt, ein wichtiges Bindeglied zwischen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation, aber auch zwischen Individuum, Gruppe und Organisation. Gerade deswegen ist die Gestaltung von Lernkultur und von Lernprozessen durch die Personalentwicklung wesentlich für die Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen. In Zukunft gilt es für die Personalentwicklung weniger Seminarmanagement zu betreiben und die Mitarbeiter durch Aneignung von externem Wissen zu qualifizieren, sondern ihr kommt eine zentrale Rolle als Gestalter von neuen Formen des Lernens und deren kulturellen Rahmenbedingungen, als Berater und Coach der Führungskräfte, als Entwickler von Personalentwicklungsinstrumenten, als Prozessbegleiter und als Motivator beispielsweise durch Anreizsysteme und Veränderung der Unternehmenskultur zu. Neben den im Abschnitt IuK-Technologien bereits angesprochenen Lernformen mit neuen Medien, wird Lernen in Zukunft verstärkt im Unternehmen, direkt am Arbeitsplatz und eher prozessorientiert stattfinden müssen und über den direkten Qualifikationsbedarf am aktuellen Arbeitsplatz hinausgehen. Hierdurch wird die für Wissenstransformationen notwendige Redundanz geschaffen (vgl. Nonaka/ Takeuchi 1997: 95 ff.), des weiteren die Flexibilität der Mitarbeiter erhöht und letztendlich betriebliche Innovation ermöglicht (vgl. Severing 2001: 149). Auch Sattelberger (1991) sieht neben oben beschriebenen Lernformen weitere neue Lernformen in Organisationen, die seiner Meinung nach wesentlich auf dem Weg zur Lernenden Organisation sind. Im Einzelnen hebt er das begleitete Lernen (z. B. beim Mentoring) und die Gestaltung von kulturellen Rahmenbedingungen als Unterstützung von Lernprozessen her-
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vor (vgl. Sattelberger 1991: 16 ff.). Hiermit sind einerseits allgemein die im Abschnitt Unternehmenskultur angesprochenen kulturellen Rahmenbedingungen der Führung, der Werte und der Kommunikation gemeint und speziell in Bezug auf die Lernprozesse die aktive Gestaltung einer Lernkultur angesprochen. Unter Lernkultur39 ist nach Sonntag (1996) ganz allgemein die „Pflege des Lernens“ zu verstehen (vgl. Sonntag 1996: 42). Für die Personalentwicklung geht es also darum, nicht nur neue Lernformen einzuführen und zu unterstützen, sondern aktiv Verantwortung für die Rahmenbedingungen des Lernens im Unternehmen zu übernehmen. Pflege des Lernens meint in diesem Zusammenhang, dass die Personalentwicklung sich mit Fragen zur Wertigkeit und zum Selbstverständnis von Lernen im Unternehmen auseinandersetzen, Neugier auf (neues) Wissen wecken und Motivation und Freiräume zum Lernen schaffen muss. Da Lernen aber immer ein individueller Akt bleibt und nicht durch Interventionen von Außen verordnet werden kann, konstatiert Berthel (2002) in Bezug auf die einzelnen Mitarbeiter, „daß PE ‚nur’ Anstoß, inhaltliche Lenkung und Unterstützung von Selbstentwicklung der betroffenen Personen leisten kann.“ (Berthel 2002: 312, OF). Wie bereits im Abschnitt Träger der Personalentwicklung wird hier also das einzelne Subjekt stärker in die Verantwortung, in diesem Fall für das eigenen Lernen, genommen und die Personalentwicklung lediglich als „Hilfe zur Selbsthilfe“ (vgl. Doppler/ Lauterburg 2002: 155 ff.) konstruiert, d. h. sie sollte sich wie bei allen Veränderungsprozessen gefordert „immer mit einem Bein auf dem Rückzug befinden“ (vgl. Doppler/ Lauterburg 2002: 157). Zusammenfassend kann mit Severing (2001) gesagt werden, dass die Personalentwicklung die „Lernautonomie der Akteure“, „die Lerneignung des physischen Umfelds“ und die „Lernkompetenz der Akteure“ sicherstellen (vgl. ebd.: 150) sollte. Gelingt dieses, steht „nicht mehr ein traditionelles Bildungsmanagement als Reaktion auf technische Anforderungen im Mittelpunkt [...], sondern das ‚Management von Wissen’ auf unterschiedlichen Ebenen [...]. Ein derartiges Selbstverständnis kann der Funktionsbereich der Personalentwicklung [...] jedoch nur dann entwickeln, wenn hier eine neue Querschnittsfunktion gesehen wird, deren Aufgabe es ist, Lernfähigkeit auf allen Ebenen zu fördern.“ (Pawlowsky 1995: 452).
Lernende Organisation bzw. Organisationales Lernen In Bezug auf die Lernende Organisation lassen sich zwei direkte Aufgabenfelder für die Personalentwicklung aufzeigen,40 erstens die Ausrichtung des Unternehmens auf das Ziel Lernende Organisation und zweitens die hierfür nötige Unterstützung als „Funktion des Wandels“. Die Lernende Organisation ist in diesem Sinne zunächst als Ziel der Bemühungen sowohl von Personal- und Organisationsentwicklung (vgl. Kurtz et al. 1997: 50), als auch des Wissensmanagements (Pawlowsky 1995: 443 ff.) zu verstehen und sollte von diesen als Vision Lernende Organisation im und mit 39
Eine Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen herkömmlicher und zukunftsorientierter, innovativen Lernkultur findet sich bei Schüßler/ Weiss (2002: 268). 40
Nach dem Verständnis dieser Arbeit können alle hier beschriebenen Aufgaben der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen einen Beitrag zur Lernenden Organisation leisten, hier geht es lediglich um die Aufgaben, die einen direkten Einfluss auf die Lernende Organisation aufweisen.
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
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dem Unternehmen entwickelt, kommuniziert und letztendlich als handlungsleitendes Paradigma verankert werden. Des weiteren muss die Personalentwicklung die Rolle „Funktion des Wandels“ (vgl. Walsh, Papmehl 1991: 17) annehmen und zukünftige Szenarien berücksichtigen, neue Entwicklungen anstoßen, diese durchführen und kontrollieren (vgl. Krautwurst 2001: 192). Kurtz et al. (1997) beschreiben diese „Funktion des Wandels“ mit der etwas pointierten Rolle des Chaos-Piloten. Dieser „besitzt die Fähigkeit, Veränderungen im Chaos wahrzunehmen, erkennt Gefahren und Chancen aus der jeweiligen Situation und ändert gegebenenfalls den Kurs.“ (ebd.: 46). Solch ein Chaos-Pilot wird in wissensorientierten Unternehmen benötigt, als Motor der Veränderung, als „Spinner-Stelle“ (vgl. Probst/ Raub 2001: 133). Gebraucht wird also eine Personalentwicklung, die mutig neue Wege beschreitet, alte Muster und Werte hinterfragt und dabei einen wachsamen Blick auf den eigenen Prozess wirft, also sich auch selbst hinterfragt, verändert, re-definiert und kontinuierlich neu erfindet. Strategische Orientierung Schon länger wird gefordert, dass die Personalentwicklung eine strategische Orientierung an und Abstimmung mit den Unternehmenszielen benötigt, um erstens den an sie gerichteten Erwartungen gerecht zu werden und somit ihren Part im Unternehmen besser ausfüllen zu können und zweitens, um weg von einer bedarfsorientierten, reaktiven Personalentwicklung, hin zu einer sich mit den Zielen des Unternehmens im Einklang befindlichen Personalentwicklung zu kommen. Mit anderen Worten: die Personalentwicklung benötigt eine doppelte strategische Orientierung. Sie muss sowohl ihr eigenes Handeln mit der Unternehmens-Strategie abstimmen, als auch selber strategisch im Unternehmen tätig werden und somit direkt Verantwortung übernehmen für den Unternehmenserfolg. Berthel (2001) behauptet in Bezug auf die strategische Orientierung der Personalentwicklung: „Davor [vor dem Part der Beratung und Begleitung von Führungskräften, Anmerkung des Verfassers] aber liegt noch ein weiterer - für den Gesamterfolg viel wesentlicherer - Part: nämlich der als mit der Unternehmensleitung interaktiv tätiger Strategie- und Systeminitiator und -implementierer.“ (Berthel 2001: 312).
Dieser Aufgabe kann die Personalentwicklung nur dann gerecht werden, wenn sie, wie im Abschnitt Integrative Personalentwicklung bereits beschrieben, mit der Organisations- und Strategieentwicklung in enger Abstimmung agiert bzw. diese integriert. Denn nur durch eine so verstandene Personalentwicklung kommt es zu „einem erhöhten Problemlösungsbeitrag der Personalentwicklung“ (Oechsler 2000: 556). Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch noch, dass die Personalentwicklung bereit sein muss, den eigenen Anteil am Unternehmenserfolg nicht nur zu leisten, sondern auch zu überprüfen und zu explizieren bzw. zu transpirieren. Das Wissensmanagement bietet in beiden Fällen Orientierungshilfe. Durch die mit Hilfe des Wissensmanagement vorgenommene Fokussierung auf die Unternehmensziele (s. a. nächster Abschnitt Management von Wissen) werden für den Unternehmenserfolg wesentliche und relevante Qualifizierungs-, Förderungs- und Veränderungsbedarfe auf individueller, kollektiver und organisationaler Ebene beschrieben und die durch die Personalentwicklung ergriffenen Maßnahmen rückwirkend an diesen überprüfbar.
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3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Management von Wissen Auch in Bezug auf das Management von Wissen werden neue Forderungen an die Personalentwicklung gestellt.41 Die Personalentwicklung sollte sich in ihrem Handeln nicht nur an den Unternehmenszielen orientieren (s. o.), sondern auch an den, mit der Unternehmensstrategie abgestimmten, Wissenszielen (s. a. Kapitel 2.2 Wissensmanagement nach Probst/ Raub/ Romhardt 2003). Bildungs- und Förderungsbedarfsermittlung ergibt sich somit direkt aus den für das Unternehmen und einzelnen Unternehmensbereichen aufgestellten Wissenszielen. Probst/ Raub (2001) nennen dieses Konzept in Anlehnung an den bekannten MBO-Ansatz „Management by Knowledge Objektives“ (MbKO) (vgl. Probst/ Raub 2001: 134). Eine weitere zentrale Forderung bezieht sich auf die Wissensbasis; der Personalentwicklung wird hierbei die Aufgabe zugeschrieben die organisationale Wissensbasis zu gestalten. So wird „sich die betriebliche Personalentwicklung in Zukunft stärker um die Veränderung, Nutzung und Fortentwicklung der organisatorischen Wissensbasis [...] und hier im Speziellen des Wissenspotenzials der betrieblichen Humanressourcen bemühen müssen." (Krautwurst
2001: 193). Die Personalentwicklung muss sich also der Herausforderung stellen, das Wissenspotenzial der Mitarbeiter zu verändern, zu nutzen und fortzuentwickeln. Wie eingangs bei der Definition von Wissen (Kapitel 2.2.1) gezeigt, wird Wissen von Individuen zielorientiert konstruiert; insbesondere in Abhängigkeit von benötigten Informationen und Interaktionen, Alltagsregeln und subjektiven Ursache-WirkungsZusammenhängen. Der Personalentwicklung kommen in diesem Kontext die Aufgaben zu, die Mitarbeiter dabei zu unterstützen die richtigen Annahmen zu treffen, eine wissensfreundliche Kultur zu schaffen und die für die Wissenskonstruktion relevanten Daten und Informationen zur Verfügung zu stellen. Außerdem hat die Personalentwicklung Wissen als Produktivkraft zu begreifen und deren Potenzial zu entfalten (vgl. Schüßler/ Weiss 2001: 282). Auch eine wichtige Rolle hat die Personalentwicklung bei der Transformation von Wissen einzunehmen (s. a. Kapitel 2.2 Wissenstransformation). Hierbei ist die Personalentwicklung angehalten, die nötige Unterstützung zu leisten, eine Vertrauenskultur aufzubauen und Anreizsysteme für Wissenstransformationen zu schaffen. Ebenso gehört die Unterstützung von Rahmenbedingungen bzw. Vorrausetzungen für die Wissensentstehung durch Wissenstransformationen zum Aufgabenbereich der Personalentwicklung. Nonaka/ Takeuchi (1997) sehen Vorraussetzungen für Wissenstransformationen in Bezug auf Intention, Autonomie, Fluktuation und kreatives Chaos, Redundanz und Notwendige Vielfalt (ebd.: 88 f.), wobei insbesondere die Intention, d. h. die Formulierung von Unternehmenszielen und -Visionen und die Redundanz, also Informationsüberschneidungen, welche über die operative Notwendigkeit hinausgehen, als unterstützungswürdig durch die Personalentwicklung erscheinen. Es konnte gezeigt werden, dass die Personalentwicklung in vielen Feldern auf vielfältige Weise herausgefordert werden kann und es viele konkrete Ansätze zur Neugestaltung, zur Re-Definition der Aufgaben der Personalentwicklung gibt. Dennoch be41
Ebenso wie oben bei der Lernenden Organisation beschrieben, können alle hier beschriebenen (neuen) Aufgaben der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen einen Beitrag zum Wissensmanagement leisten, hier geht es dagegen lediglich um die Aufgaben, die sich für die Personalentwicklung direkt aus der Beschäftigung mit dem Wissensmanagement ergeben.
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
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wegt sich die Personalentwicklung in der Praxis nur sehr zögerlich auf diese neuen Aufgaben zu oder lässt Veränderungen häufig lediglich in einzelnen Bereichen zu.
3.3
Ganzheitliches Modell der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Die bisherigen Ergebnisse zur Personalentwicklung werden nun abschließend zu einem ganzheitlichen Modell der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen zusammengefasst (vgl. Abb. 10). Hierzu werden unter Rückgriff auf die organisationale Wissensbasis (Kapitel 2.2.3.1) die Ausführungen zu den Zusammenhängen von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation (Kapitels 3.1) kombiniert mit den Ausführungen zu den neuen Erwartungen und (An)forderungen an die Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen (Kapitel 3.2.4). Die organisationale Wissensbasis wurde beschrieben als die Gesamtheit des Wissens, das Organisationen für Handlungen bzw. zur Problemlösung nutzen können, wobei sich diese zusammensetzt aus individuellem, kollektivem und organisationalem Wissen und sich über Lernprozesse auf unterschiedlichen Ebenen verändern lässt (Pautzke 1998) bzw. deren Nutzungswahrscheinlichkeit über Lernprozesse erhöht werden kann. Dem Wissensmanagement kommt demzufolge die Aufgabe zu, mit Hilfe von Interventionen diese organisationale Wissensbasis im Sinne der und abgestimmt mit den Unternehmenszielen auf allen Ebenen dauerhaft zu gestalten. Als Interventionsfelder wurden sechs Bausteine (Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens(ver)teilung, Wissensnutzung, Wissensbewahrung), die ergänzt um Wissensziele und -bewertung zu einem Managementkreis ausgebaut wurden, vorgestellt (nach Probst/ Raub/ Romhardt 2003). In Bezug auf die konkrete Umwandlung von Wissen zwischen impliziten und expliziten, sowie individuellen und kollektiven Wissen, wurde die Wissensspirale von Nonaka/ Takeuchi (1997) eingeführt. Zusammenfassend ergibt sich hieraus ein recht konkretes Bild, wie die Gestaltung der organisationalen Wissensbasis ermöglicht werden kann. Das Wissensmanagement ist zuständig die Nutzungswahrscheinlichkeit (und quantitative Menge) des organisational zur Verfügung stehenden Wissens zu erhöhen. Um dieses zu erreichen, kann es Lernprozesse auf verschiedenen Ebenen fördern, Wissenstransformationen gestalten, aber auch konkrete Interventionen in den einzelnen Wissensbausteinen vornehmen (vgl. Kapitel 2.2.2).42 Das Wissensmanagements gilt es dabei nicht einseitig als neue technische Lösung, als Informations- oder Dokumentenmanagement zu begreifen, sondern als Ganzes unter Einbezug sowohl von Mensch, Organisation und Technik aufzufassen, um dessen gestalterisches Potenzial auch ganzheitlich nutzen zu können. Die Lernende Organisation wurde in dieser Arbeit nicht als Zustand einer Organisation, als ein „so Sein“ definiert, sondern vielmehr als Vision, als Fixstern für das organisationale Handeln (Kapitel 2.3.3).
42
Das die Konzepte nicht nur nebeneinander existieren, sondern hierbei auch Überschneidungen dieser in einzelnen Bereichen denkbar sind, versteht sich von selber.
58
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Abbildung 10
Ganzheitliches Modell der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Vision Lernende Organisation
Kontinuierliche Erweiterung und Re-Definition der organisationalen Wissensbasis
Wissensbasis
Gestaltung der organisationalen Wissensbasis
Wissensbasis Gestaltung von Rahmenbedingungen individueller und kollektiver Lernprozessen
Lernende Organisation
Eigenentwicklung
IuKTechnologien
Direkte Unterstützung der Wissensmanagementinterventionen (Säulen Mensch + Organisation)
Technik
Quelle:
Träger der PE
Management von Wissen
Organisation
Integrative PE
Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
Strategische Orientierung Mensch
Unternehmenskultur
Lernkultur u. Lernprozesse
Ganzheitliches Wissensmanagement
Informationsmanagement
3. Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen
59
Dieses muss sich an der Vision Lernende Organisation messen, d. h. Reflexion und Veränderung von organisationalen Prozessen und organisationalem Handeln sind nur in Bezug auf dieses Ziel durchzuführen. Auf diese Weise nähert sich die Organisation dieser Stück für Stück, ganz nach dem Motto: „Der Weg ist das Ziel“ und sichert und erhöht somit die eigene Wettbewerbsfähigkeit. In sofern leistet das Wissensmanagement einen bedeutenden Beitrag zur Vision Lernende Organisation. Dadurch, dass die Gestaltung der organisationalen Wissensbasis durch das Wissensmanagement auf den Prüfstand der Vision Lernende Organisation kommt, also alle Prozesse, alle Interventionen des Wissensmanagement daraufhin reflektiert werden, was sie in Bezug auf diese Vision gebracht haben, kann mit gegebenenfalls notwenigen Veränderungen und Anpassungen der Prozesse Lernen im Sinne des doubleloop- und deutero-learnings (vgl. Agyris/ Schön 1978) bzw. des Lernprozesses (5) (Pautzke 1989) auf einer höheren Ebene, ausgelöst werden. Durch Reflexion über und Veränderung des eigenen Wissensmanagements erfolgt eine kontinuierliche Anpassung des Werkzeugs Wissensmanagement in Richtung Vision Lernende Organisation und somit langfristig auch eine kontinuierliche Veränderung, Erweiterung und Re-Definition der organisationalen Wissensbasis. Das Ergebnis dieser Entwicklung wurde eingangs als Lernende Organisation definiert. Der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen, die die neuen Erwartungen und (An)Forderungen verinnerlicht, hieraus ein neues Selbstverständnis generiert, kommt in diesem Prozess insbesondere unterstützende Funktion zu. Aufgabe der Personalentwicklung ist es in diesem Fall, das Wissensmanagement bezüglich der Säulen Mensch und Organisation hauptsächlich durch die Schaffung von Rahmenbedingungen zu unterstützen. So betrachtet, existieren die neuen Erwartungen an die Personalentwicklung nicht separat, denn durch den Fokus auf Wissensmanagement und Lernende Organisation fügen sich die einzelnen Felder neuer (An)forderungen (Kapitel 3.2.3) zusammen zu einer, den neuen Herausforderungen gewachsenen, ganzheitlichen Personalentwicklung.
60
4
4. Praxis: Fallstudie
Praxis: Fallstudie
In den obigen theoretischen Ausführungen wurde gezeigt, in welche Richtung sich die Personalentwicklung verändern muss, welche neuen Erwartungen an diese zu stellen sind und das eine solche veränderte und ganzheitliche Personalentwicklung einen wichtigen Beitrag sowohl zum Wissensmanagement, als auch zu Konzepten Lernender Organisation leisten kann. In diesem Kapitel werden obige theoretische Ergebnisse nun mit Hilfe von qualitativen Interviews fallstudienartig an der Praxis verglichen. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Praxistauglichkeit des theoretisch hergestellten Zusammenhanges zwischen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation aufzuzeigen, die Relevanz der Personalentwicklung in den Unternehmen für letztere zu testen und auszumachen, was in der Praxis unter den Begriffen Wissensmanagement und Lernende Organisation verstanden bzw. wie diese in den Unternehmen implementiert sind.
4.1
Qualitative Forschung: Einführung
Eine qualitative Analyse im Allgemeinen und ein qualitatives Interview im Besonderen sind insbesondere bei offenen Fragestellungen gut geeignet. Gerade wenn eine repräsentative (quantitative) Befragung nicht möglich oder rentabel ist und die Forschungsfrage eher explorativen Charakter hat, ist die qualitative Analyse ein geeignetes Mittel, um direkt im und am Forschungsgegenstand zu forschen; beides trifft auf diese Arbeit zu. Nach Mayring (1993) kennzeichnet die qualitative Forschung im Gegensatz zur quantitativen Forschung eine zugrundeliegende qualitative Denkhaltung. Er formuliert hierzu 13 Säulen, die diese Denkhaltung beschreiben und bündelt diese zu vier Postulaten des qualitativen Denkens (vgl. Abb. 11), die auch handlungsleitend für die Untersuchung dieser Arbeit waren. Postulat der Orientierung am Subjekt Durch dieses Postulat wird das Subjekt in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt. „Die von der Forschungsfrage betroffenen Subjekte müssen Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung sein.“ (Mayring 1993: 9). Diese Herangehensweise erlaubt und fordert die Wahrnehmung des Subjekts in seiner konkreten Alltagsituation, in seinem „So-geworden-sein“ (Historizität), und vor allen Dingen, in Bezug auf die Forschungsfrage, eine Problemorientierung auch und gerade aus Sicht des Subjekts (vgl. Mayring 1993: 13.; 21 f.). Postulat der sorgfältigen Deskription Dieses Postulat fordert eine der Analyse vorgelagerte sorgfältige Beschreibung des Gegenstandsbereiches (vgl. Mayring 1993: 11) und ihrer Umgebungsvariabeln, da nur so gewährleistet werden kann, dass die anschließende Interpretation der Daten alle bzw. möglichst viele Faktoren der Wirklichkeit berücksichtigt. Um der sorgfältigen Deskription gerecht zu werden, muss die Forschung sich immer auch am Einzelfall orientieren und ihr Vorgehen an diesem kontrollieren. Des Weiteren ist Offenheit (dem Subjekt gegenüber), welche die Möglichkeit der Neuformulierung von Hypothesen, Forschungsfragen etc. zulässt, bei gleichzeitiger Kontrolle der methodischen Schritte notwendig (vgl. Mayring 1993: 13; 15 ff.).
4. Praxis: Fallstudie
Abbildung 11
61
Säulen qualitativen Denkens
Induktion
12
13 Quantifizierbarkeit
11
Regelbegriff
10 Argumentative Verallgemeinerung
Verallgemeinerungsprozeß
7
8
9
Ganzheit
Historizität
Problemorientierung
Subjekt
Quelle:
2
3
4
5
Methodenkontrolle
Vorverständnis
Introspektion
6
ForscherGegenstands-
1
Offenheit
Interpretation
Einzelfallbezogenheit
Deskription
Nach Mayring 1993: 14
Postulat der Interpretation Dieses Postulat impliziert, dass der Forschungsgegenstand niemals vollständig zu erklären und darum im Forschungsprozess immer auch die Interpretation der gewonnenen Daten notwendig ist. Da gerade in der Interpretation der Daten das größte Risiko der qualitativen Forschung besteht, ist es notwendig, dass der Forscher sowohl sein eigenes Vorverständnis in Bezug auf den Gegenstandsbereich, als auch seine in den Forschungsprozess miteingebrachte Subjektivität expliziert. Werden diese subjektiven Einsichten offengelegt, kann qualitative Forschung als Interaktionsprozess zwischen Forscher und Gegenstand konstruiert werden, woraus sich
62
4. Praxis: Fallstudie
deutlich tiefere Einblicke in den Gegenstandsbereich ergeben als bei der quantitativen Forschung (vgl. Mayring 1993: 13; 17 ff.). Postulat der schrittweisen Verallgemeinerung Dieses Postulat meint, dass die gewonnenen Daten der qualitativen Forschung Schritt für Schritt verallgemeinert werden können. Auch wenn generell gilt, dass diese Daten nur Gültigkeit für den untersuchten Gegenstandbereich besitzen, können diese dennoch für andere Bereiche genutzt werden. Wichtig bei der Verallgemeinerung der Daten ist die argumentative Absicherung des Verallgemeinerungsprozesses. Möglich und gewünscht ist hierbei im Gegensatz zur quantitativen Forschung ein induktives Verfahren (vom Besonderen zum Allgemeinen), welches aber ebenso erklärt wie begründet werden muss. Auch die Möglichkeit der quantitativen Überprüfung von Ergebnissen muss im Rahmen der Verallgemeinerung geprüft werden. Ziel der Verallgemeinerung ist es, Regelmäßigkeiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Untersuchungseinheiten auszumachen und diese als Ausgangspunkt für die Interpretation der Daten zu nehmen (vgl. Mayring 1993: 13; 22 ff.). Mögliche Methoden und Techniken der qualitativen Forschung sind die teilnehmende Beobachtung, das qualitative (problemzentrierte oder narrative) Interview, die qualitative Inhaltsanalyse und die Gruppendiskussion (vgl. ebd.: 44 ff.). In dieser Arbeit werden die Daten mit Hilfe eines qualitativen Interviews erhoben.
4.2
Qualitatives Interview: Aufbau und Ablauf
Das qualitative Interview eignet sich am Besten für die Untersuchung dieser Arbeit. Durch die Forscher-Gegenstands-Interaktion in Form eines direkten Dialogs kann sich den zu untersuchenden Fragestellungen nach der Rolle und den Aufgaben der Personalentwicklung und ihrer Relevanz für Wissensmanagement und für Konzepte Lernender Organisation von Innen heraus angenähert werden. Um dieses zu gewährleisten, ist es notwendig bei der Auswahl der Interviewpartner darauf zu achten, Personen auszuwählen, die direkt mit den Fragestellungen zu tun haben. Beim Interview selbst muss dem Interviewpartner im Sinne des ersten Postulats qualitativer Forschung genügend Raum zur persönlichen Darstellung und Einschätzung in Bezug auf das Forschungsthema gegeben werden. Qualitative Interviews43 bedienen sich nach Lamnek (1989) offenen Fragen, auf die der Interviewpartner offen antworten kann. Nur so wird gewährleistet, dass der Interviewte seine eigenen subjektiven Einschätzungen abgeben kann. Die Reihenfolge der Fragen und die konkrete Ausformulierung dieser ist häufig nicht vorgegeben und auch nicht unbedingt notwendig. Um eine bessere Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten, stützt sich das Interview meistens auf einen Interviewleitfaden, der je nach Untersuchungsgegenstand und Fragestellung unterschiedlich stark strukturiert sein kann. Eine sorgfältige Aufzeichnung des Interviews in Form eines begleitenden Protokolls oder mit Hilfe eines Tonbandgerätes ist notwendig (vgl. Lamnek 1989: 35 ff.). Solch ein offenes, halbstrukturiertes Interview mit Hilfe eines Interviewleitfadens wird hier durchgeführt. Mayring (1993) schlägt bei der Durchführung eines qualitativen In43
Vgl. Lamnek (1989: 35 ff.) für eine ausführliche Auseinandersetzung mit qualitativen Interviews.
4. Praxis: Fallstudie
63
terviews44 nachstehende aufeinanderfolgende Schritte vor (hier noch ergänzt um die Auswahl der Stichprobe; vgl. ebd.: 46 ff.), die auch bei der Untersuchung dieser Arbeit berücksichtigt wurden (vgl. Abb. 12). Abbildung 12
Ablaufmodell des problemzentrierten Interviews
Problemanalyse
Auswahl der Stichprobe
Leitfadenkonstruktion
Pilotphase Leitfadenerprobung, Interviewerschulung
Interviewdurchführung Sondierungsfragen, Leitfadenfragen, Ad-hoc-Fragen
Aufzeichnung (Protokollierung)
Quelle:
Nach Mayring 1993: 48
Problemanalyse Die mit Hilfe des qualitativen Interviews zu untersuchenden Fragestellungen wurden in den vorangegangen Kapiteln bereits entwickelt und vorgestellt. Konkretes Interesse gilt insbesondere den Fragen: 1. Wie sieht der Interviewte die eigene Personalentwicklung im Unternehmen. Insbesondere der organisatorische Aufbau und die schwerpunktmäßigen Aufgaben und Ziele der Personalentwicklung sind hierbei von Interesse. 2. Was wird in der Unternehmenspraxis unter Wissensmanagement und was unter Konzepten Lernender Organisation verstanden und sind beide Begriffe im Unternehmen verankert.
44
Mayring (1993) fasst hierbei alle offenen, halbstrukturierten Interviews unter dem Begriff des problemzentrierten Interviews zusammen, nach Lamnek (1989) ist darunter ein Interview zu verstehen, das Induktion und Deduktion durch ein vorher bestehendes wissenschaftliches Konzept kombiniert (vgl. ebd.: 74 ff.).
64
4. Praxis: Fallstudie
3. Inwieweit leistet die Personalentwicklung der befragten Unternehmen bisher einen Beitrag zum Wissensmanagement und/ oder zu Konzepten Lernender Organisation. 4. Wie sieht die Zukunft der Personalentwicklung in den interviewten Unternehmen aus.
Da mit Hilfe einer qualitativen Untersuchung eine Überprüfung von Hypothesen nicht abschließend zu leisten ist, wird als Ziel dieser Untersuchung die stichprobenartige Überprüfung, Untermauerung und/ oder Widerlegung der theoretisch erarbeiteten Ergebnisse ausgegeben. Im Einzelnen sollen die Interviews Auskunft zu folgenden Ergebnissen dieser Arbeit geben. 1. Personalentwicklung sollte im weiten Sinne unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen praktiziert werden. 2. Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation sollten im Unternehmen implementiert sein. 3. Personalentwicklung sollte einen wichtigen Beitrag sowohl zum Wissensmanagement, als auch zu Konzepten Lernender Organisation leisten. 4. Personalentwicklung sollte sich in Zukunft der theoretisch vorgestellten Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen annähern.
Auswahl der Stichprobe Bei der Auswahl der Stichprobe d. h. der für die Interviews in Frage kommenden Unternehmen spielen zwei Kriterien eine wichtige Rolle. Zum einen sollen die Unternehmen eine, wie auch immer geartete Personalentwicklung besitzen und zum anderen aus einer Branche sein, die von hartem Wettbewerb geprägt ist. Hinter dieser Auswahl steckt die Vermutung, dass Unternehmen, die starkem Wettbewerb ausgeliefert sind, am ehesten die Notwendigkeit sowohl für Personalentwicklung, als auch für Wissensmanagement und für Konzepte Lernender Organisation erkennen und somit als Trendsetter d. h. Vorreiter für diese gelten können. Im Einzelnen wurden deshalb hauptsächlich Unternehmen aus der Automobil-, aber auch aus der Versicherungsbranche ausgewählt. Als Interviewpartner wurden Personen ausgesucht, die direkt mit der Personalentwicklung zu tun haben und diese somit auch von innen heraus, als Betroffene, bewerten können. Leitfadenkonstruktion Der dem Interview zugrunde liegende Interviewleitfaden (s. a. Anhang 1) ist strukturiert in drei Bereiche: 1. Daten und Fakten zum Unternehmen und zum Interview-Partner 2. Personalentwicklung, Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation im Unternehmen (Unternehmenspraxis) 3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in Bezug auf Wissensmanagement und Lernende Organisation Jeder Bereich beinhaltet die für die Untersuchungsfragen wichtigsten Leit- bzw. Schlüsselfragen und gegebenenfalls benötigte Eventualfragen. Wie bereits gezeigt, wird das Interview mit Hilfe von offenen Fragen und lediglich halbstrukturiert durchgeführt. Der Leitfaden dient demzufolge lediglich dazu die Vollständigkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen und diese zur einfacheren Auswertung vorzustrukturieren.
4. Praxis: Fallstudie
65
Pilotphase Um zu kontrollieren, ob mit den im Interviewleitfaden festgelegten Bereichen und Leitfragen ein dem Untersuchungsziel adäquates Interview möglich ist, wurde dieser vorab direkt am Untersuchungsgegenstand erprobt. In der Pilotphase stellte sich heraus, dass die bisher aufgestellten Leitfragen in einigen Fällen zu Allgemein formuliert waren, woraufhin diese präzisiert wurden. Auch der Umfang und somit die für das Interview benötigte Zeit bedurfte einer Korrektur. So wurde ein vierter Bereich gestrichen; dieser beschäftigte sich mit dem subjektiven Verständnis des Interviewpartners zu den drei Begriffen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation. Durch die Präzisierung und Kürzung des Leitfadens können die Interviews nun mit stärkerer Konzentration auf die Kernfragen durchgeführt werden, was insgesamt eine Verbesserung der so erhobenen Daten bedeutet. Interviewdurchführung Die Durchführung des Interviews wird von mir persönlich vorgenommen, was eine Interviewerschulung in diesem Falle überflüssig macht. Durchgeführt werden alle Interviews mit Hilfe des Interviewleitfadens entweder „view-a-view“ oder telefonisch. Um im Vorfeld alle offenen Fragen beim Interviewpartner zu klären, ein gemeinsames Verständnis bezüglich des Interviews aufzubauen und sanft in die Interviewsituation einzusteigen, beginnen die Interviews mit der Begrüßung des Interviewpartners und dem Dank für die Bereitschaft zum Interview zur Verfügung zu stehen. Darauf folgt die Vorstellung der eigenen Person, des Studienganges und der Magisterarbeit, in deren Rahmen das Interview stattfindet. Hieran schließt sich die Erklärung an, aufgrund welcher Bedingungen die Auswahl der Unternehmen für die Interviews erfolgte; außerdem wird noch die anonymisierte Verwendung der Daten lediglich im Rahmen der Magisterarbeit zugesichert. Der Einleitungsteil wird abgeschlossen mit der Vorstellung der Gliederung des Interviews und der Möglichkeit, noch offene Fragen im Vorfeld zu klären. Der erste Bereich der „Daten und Fakten bezüglich des Unternehmens und des Interviewpartners“ dient einerseits dem besseren Einstieg ins Interview und anderseits zur Klärung, ob die teilweise bereits im Vorfeld gewonnenen Daten über das Unternehmen und den Interviewpartner zutreffend sind. Der zweite Bereich beginnt mit der Aufforderung an den Interviewten Personalentwicklung, Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation seines Unternehmens in eigenen Worten vorzustellen. An einigen Stellen wird vertiefend z. B. bezüglich der Implementierung dieser Begriffe im Unternehmen, den wahrgenommenen Aufgaben und bezüglich deren Ziele nachgefragt. Die Ergebnisse des zweiten Bereichs über das unternehmensinterne Verständnis und den Aufbau von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Konzepten Lernender Organisation bilden die Basis für die Fragen des dritten Bereichs. Hierbei interessiert sowohl die Verknüpfung von Personalentwicklung und Wissensmanagement als auch von Personalentwicklung und Konzepten Lernender Organisation im Unternehmen. Mit der subjektiven Einschätzung des Interviewpartners bezüglich der Zukunft der unternehmenseigenen Personalentwicklung endet das Interview. Neben der erneuten Danksagung und Verabschiedung gibt es am Schluss noch Raum für offene Fragen, Klärungen etc..
66
4. Praxis: Fallstudie
Aufzeichnung Die Aufzeichnung der Interviews erfolgt durch eine interviewbegleitende Protokollierung und anschließende Niederschrift von Interviewprotokollen (s. a. Anlage 2-7). Das fertige Protokoll wird außerdem vor der Auswertung den Interviewpartnern mit der Bitte zur Verifizierung der erhobenen Daten zugesandt.
4.3
Auswertung der qualitativen Interviews
Die Auswertung der Interviews bezieht sich auf das von Lamnek (1989: 104 ff.) entwickelte allgemeine Schema zur Auswertung von qualitativen Interviews (vgl. Abb. 13), welches in der konkreten Ausgestaltung leicht modifiziert dem Zweck dieser Untersuchung angepasst wurde. Dieses Schema sieht vier Phasen vor, durch welche die Auswertung der Daten im Sinne des Postulats der schrittweisen Verallgemeinerung (s. a. Kapitel 4.2) erfolgt. Abbildung 13
Auswertungsschema qualitativer Erhebungen
Transkription (im weiten Sinne) Quelle:
Einzelanalyse
Generalisierende Analyse
Kontrollphase
Eigenentwicklung nach Lamnek 1989: 104 ff.
Transkription (im weiten Sinne) Bei den gemachten Interviews wird auf eine Tonbandaufnahme verzichtet, in dieser Phase erfolgt direkt im Anschluss an das Interview eine inhaltsgetreue Gedächtnisprotokollierung unter Zuhilfenahme der interviewbegleitenden Protokollierung. Um eine fehlerlose Transkription zu erreichen, wird das Protokoll abschließend erneut mir dieser verglichen. Einzelanalyse In dieser Phase erfolgt die Untersuchung der jeweiligen Interviewprotokolle auf prägnante Aussagen und Inhalte im Sinne der Fragestellungen; diese werden zur besseren Auffindbarkeit hervorgehoben. Gegebenfalls werden die einzelnen Interviews zusätzlich kommentiert und deren Charakteristika beschrieben. Nicht relevante Passagen werden gekürzt bzw. nicht beachtet und somit eine Vorstrukturierung für die weitere Interpretation geleistet. Generalisierende Analyse Die jeweiligen in der Einzelanalyse vorbereiteten Interviewprotokolle werden nun mit dem Ziel, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausfindig zu machen, miteinander in Verbindung gebracht. Hierzu erfolgt eine konkrete Zuordnung der jeweiligen prägnanten Aussagen in ein Kategoriensystem, deren grobes Raster in diesem Fall durch die drei Bereiche des Interviews bereits gegeben ist. Durch Bündelung von inhaltlich gleichen Aussagen und Passagen und deren repräsentative und zusammenfassende Beschreibungen ergeben sich verschiedene Kategorien bzw. Typen, die als Operationalisierung des Kategoriensystems durch das Interview gelten kann und die Vergleichbarkeit und Interpretation der Interviews erleichtern.
4. Praxis: Fallstudie
67
Kontrollphase Die vollständige Auswertung wird erneut mit den Originaldaten abgeglichen, um Übertragungs- und Interpretationsfehler zu vermeiden.
4.4
Ergebnisse der qualitativen Interviews
Die Darstellung der Interviewergebnisse ist in die gleichen drei Bereiche wie beim Interviewleitfaden gegliedert. Da den Interviewpartnern die anonyme Verwendung der Daten zugesichert wurde, werden die Interviewprotokolle lediglich durch die Variabel „n“ mit einer fortlaufenden Nummer gekennzeichnet. In den folgenden Tabellen werden die Ergebnisse dargestellt. Als Legende gilt: „x“ = trifft zu = 1; „(x)“ = trifft teilweise zu = 0,5; „k“ = trifft nicht zu = 0. 1. Daten und Fakten zum Unternehmen und zum Interviewpartner Tab. 3
Interviewte Unternehmen (Daten und Fakten) n1
n2
Versicherung
Automobil
4.500
345.000
1.200
850
30.000
81.000
MA am interviewten Standort
450
1.800
900
650
2.000
1.800
Umsatz in Mio. Euro
4.400
162.400
160
140
1.300
12.600
Leitbild zur Außendarstellung
x
x
x
x
x
x
Leitbild als Vision
x
x
x
(x)
x
Branche MA Gesamt:
n3
n4
n5
n6
Automobil- Automobil- Automobil- Automobilzulieferer zulieferer zulieferer zulieferer
68
4. Praxis: Fallstudie
Wie bereits bei der Stichprobenauswahl begründet, sind für die Interviews Unternehmen ausgewählt worden, die in einer durch harten Wettbewerb gekennzeichneten Branche tätig sind (vgl. Tab. 3). In Bezug auf die Unternehmensgröße erfolgte die Auswahl bewusst heterogen, um eine möglichst große Bandbreite von Erfahrungen zu erfassen; vertreten sind sowohl große mittelständische Unternehmen (z. B. n4), weltweite Konzerne (z. B. n2) und ein einzelner Standort eines Konzerns (n645). Die von fast allen bejahte Frage nach einem Unternehmensleitbild diente sowohl dem Einstieg in den Themenbereich, als auch als Indikator für personalentwicklerisches Bewusstsein und personalentwicklerische Aktivitäten im Unternehmen. Tab. 4
Interviewpartner (Daten und Fakten) n1
Leiter Personal; Position
Stellv. Abteilungsleiter
Ausbildung
Jahre im Unternehmen
n2
Supervisior HR Operation PTO Europe
n3
n4
n5
n6
Abteilungsleiterin Personal
Referentin Personalentwicklung
Mitarbeiterin Personalentwicklung
Personalentwickler
Dipl. Psychologin
Dipl. Psychologin
Dipl. Wirtschaftsingenieur
8
1,5
13
Kauffrau; Personalkauffrau;
Dipl. Sozialpädagoge
Dipl. Betriebswirt; Sozialwissenschaftler
Personalwirtin (FH)
14
10
5
Als Interviewpartner standen ausnahmslos Experten zur Verfügung, die entweder direkt in der Personalentwicklung beschäftigt sind oder eine leitende Funktion im Personalbereich inne haben (vgl. Tab. 4). Die Qualifikationen der Interviewpartner sind ziemlich heterogen; auch die Länge ihrer Unternehmenszugehörigkeit variiert stark. 2. Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation im Unternehmen (Praxis) Der zweite Bereich beschäftigt sich mit den drei Begriffen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation in der Unternehmenspraxis; vor allem wie diese drei Begriffe verstanden werden, im Unternehmen verankert sind und welche Aufgaben und Ziele schwerpunktmäßig in diesem Rahmen durchgeführt werden.
45
Die Daten des „Interviews n6“ beziehen sich lediglich auf den interviewten Standort (Produktionsstandort) eines großen Konzerns. Im Gesamtkonzern sind weitere Maßnahmen der Personalentwicklung, des Wissensmanagements und der Lernenden Organisation verwirklicht, die aber im interviewten Standort (noch) keine Anwendung gefunden haben und demnach auch nicht erfasst werden konnten. Demzufolge zeigen die Ergebnisse des Interviews tendenziell eine weniger konzeptionelle und eher ausführende Personalentwicklung.
4. Praxis: Fallstudie
Tab. 5
69
Organisation der Personalentwicklung (Praxis) n1
n2
n3
n4
n5
n6
Eigene PE-Abteilung
Seit 1991
Immer
Nein
Seit 2001
Seit 2002
nein
Anzahl MA in der PE
20
200
/
2
5
1
Untergruppe
Stabstelle
/
Untergruppe
Untergruppe
PA
der PA
des HR
der PA
der PA
Aufbau der PE
Platz im Organigramm Zuständig für PE
Anzahl
Personalabteilung
x
X
2
Personalentwickler
x
x
x
x
x
5
Führungskräfte
x
x
X
x
(x)
x
5,5
Mitarbeiter
x
(x)
1,5
Externe Anbieter
x
X
2
Vier von sechs Unternehmen haben eine eigene Abteilung für ihre Personalentwicklung, in der, entsprechend der Unternehmensgröße, unterschiedlich viele Mitarbeiter arbeiten. Die vorhandenen Personalentwicklungsabteilungen sind bei allen Unternehmen als Untergruppe oder Stabstelle in die Personalabteilung bzw. in die Human Ressource Abteilung, eingebunden (vgl. Tab. 5). Hauptsächlich zuständig für die Personalentwicklung im Unternehmen sind die Personalentwickler (5 Nennungen) und die Führungskräfte (5,5 Nennungen). Aber auch die übergeordnete Personalabteilung (2 Nennungen), die eigenen Mitarbeiter (1,5 Nennungen) und externe Anbietern (2 Nennungen) werden von einigen Unternehmen als zuständig für die Personalentwicklung beschrieben. Tab. 6
Aufgaben der Personalentwicklung (Praxis) n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
Aufgaben der PE PE im engen Sinne PE im erweiterten Sinne PE im weiten Sinne
x x
x
1 X
x
x
5
Die meisten Unternehmen (5 Nennungen) betreiben Personalentwicklung im weiten Sinne unter Einbezug von Aus- und Weiterbildung, Förderung und Organisationsentwicklung. Eine singuläre Personalentwicklung im engen Sinne betreibt kein Unternehmen (vgl. Tab. 6).
70
Tab. 7
4. Praxis: Fallstudie
Ziele der Personalentwicklung (Praxis) n1
n2
n3
n4
x
x
X
n5
n6
Anzahl
x
4
Ziele der PE Richtiger MA zur richtigen Zeit am richtigen Platz Wettbewerbsvorteil des Unternehmens
x
MA-Zufriedenheit (sicherstellen, erhöhen) MA-Entwicklung (Potenziale erkennen, fördern)
x
X
2
X
1
X
Vorbereitung auf demographische Veränderungen Abstimmung von PE-Einzelmaßnahmen zu PE-Systemen
x
3
x
1
x
1
Die Ziele der personalentwicklerischen Bemühungen (vgl. Tab. 7) hängen eng zusammen. So trägt das von vier Unternehmen genannte Ziel des adäquaten Mitarbeitereinsatz direkt zum Ziel des Wettbewerbsvorteils (2 Nennungen) bei. Die Personalentwicklung in den interviewten Unternehmen hat mit ihren Zielen aber auch die Mitarbeiter im Blick; konkret dabei deren Entwicklung (3 Nennungen) und Zufriedenheit (1 Nennung). Des weiteren nannten zwei Unternehmen Ziele, die kein anderes Unternehmen teilte: erstens die Vorbereitung auf kommende demographische Veränderungen und zweitens die Systematisierung von Einzelmaßnahmen der Personalentwicklung. Tab. 8
Verständnis und Aufbau von Wissensmanagement (Praxis) n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
x
x
x
x
x
x
6
x
x
Wissensmanagement im Unternehmen Vorhanden Begriff WM verwendet Anderer Begriff für WM
2 x
1
Verständnis von Wissensmanagement WM in Bezug auf MA (Säule Mensch)
x
WM in Bezug auf Strukturen (Säule Organisation) WM in Bezug auf Daten-/ Informationen (Säule Technik)
x
x
x
x
x
x
x
x
(x)
(x)
4,5
3 x
x
4,5
Maßnahmen des Wissensmanagements werden in allen interviewten Unternehmen durchgeführt; wenn auch selten (2 Nennungen) unter dem Begriff Wissensmanagement (vgl. Tab. 8).
4. Praxis: Fallstudie
71
Hierbei wird Wissensmanagement sehr unterschiedlich verstanden, einige wenige Unternehmen betrachten Wissensmanagement integriert unter gleichzeitiger Beachtung der Säulen Mensch, Organisation und Technik (1,5 Nennungen), andere beschränken sich auf unterschiedliche Teilbereiche (4,5 Nennungen). Tab. 9
Zuständig für Wissensmanagement (Praxis) n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
Zuständig für Wissensmanagement Stabstelle WM IT-Abteilung
x x
1
x
Personalentwicklung Führungskräfte
x
Mitarbeiter
x
(x)
x
x
(x)
3,5 x
2,5
x
2 1
Die Zuständigkeit für Maßnahmen des Wissensmanagements (vgl. Tab. 9) divergiert stark in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße und dem Verständnis von Wissensmanagement, wobei den IT-Abteilungen (3,5 Nennungen) in mehr als der Hälfte der interviewten Unternehmen Zuständigkeiten in Bezug auf das Wissensmanagement zugeschrieben werden. Tab. 10 Aufgaben des Wissensmanagements (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
Aufgaben des Wissensmanagements Identifizierung von Wissen
x
Explizierung von MA-Wissen
x
Bewahrung von Wissen
x
x
Aufbau von Sozialkompetenzen bei den MA
x
3
x
2
(Neu)erwerb von Wissen Entwicklung von Wissen
1
x x
x
x
1
x
3
x
2
Wissensnetzwerke (Communities) bilden/ unterstützen
x
1
Nutzung von Wissen
x
1
Bereitstellen von Informationen Initiierung von e-Lösungen/ Intranet
x
x x
x
x
x
4
x
x
4
Die Betrachtung der Aufgaben (vgl. Tab. 10) und Ziele (vgl. Tab. 11) des Wissensmanagement zeichnet bereits ein klareres Bild von Wissensmanagement in den Unternehmen. Hier dominieren Aufgaben der Informationsbereitstellung (4 Nennungen) mit Hilfe von e-Lösungen und Intranet (4 Nennungen) und mitarbeiterorientierten Aufgaben wie (Neu)erwerb von Wissen (1 Nennung), Entwicklung von Wissen (3
72
4. Praxis: Fallstudie
Nennungen) und Aufbau von Sozialkompetenzen (2 Nennungen). Aber auch organisationale Maßnahmen des Wissensmanagement wie die Explizierung von Mitarbeiterwissen (3 Nennungen) und die Bewahrung von Wissen (2 Nennungen) spielen in den Unternehmen eine Rolle. Tab. 11 Ziele des Wissensmanagements (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
Ziele des Wissensmanagements Kundenorientierung
x
Verfügbarkeit relevanter Informationen
x
Informelle (Wissens-)netzwerke
x
2
x
x
x
x
Innovation
4 1
x
1
Erhöhung der Handlungskompetenz von MA
x
1
Entwicklung/ Einsatz von Unternehmenswissen
x
1
Neben einigen Einzelzielen von Wissensmanagement ist die Verfügbarkeit relevanter Informationen (4 Nennungen) als gemeinsames Ziel (vgl. Tab. 11) der Maßnahmen des Wissensmanagements in den interviewten Unternehmen zu nennen. Tab. 12 Verständnis und Aufbau von Konzepten Lernender Organisation (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
x
x
x
x
(x)
x
5,5
Konzepte Lernender Organisation im Unternehmen Maßnahmen vorhanden Begriff LO verwendet
x
x
2
Verständnis von Lernender Organisation Einzelmaßnahmen organisationalen Lernens
x
Adaptives Organisationslernen (Organisationsentwicklung)
x
Ziel Lernende Organisation: kontinuierlich – (pro)aktiv - schöpferisch
x
(x)
2,5 1
x
x
x
3
Auch Konzepte Lernender Organisation sind in allen Unternehmen (5,5 Nennungen) vorhanden, benannt werden diese aber lediglich von 2 Unternehmen als Konzepte Lernender Organisation (vgl. Tab. 12). Die Maßnahmen dieser Konzepte werden in etwa gleichverteilt von der jeweiligen Hälfte der Unternehmen entweder mit dem konkreten Ziel der Lernenden Organisation, die eine schöpferische, (pro)aktive und kontinuierliche Veränderung der Organisation vorsieht oder als nicht aufeinander abgestimmte Einzelmaßnahmen durchgeführt.
4. Praxis: Fallstudie
73
Tab. 13 Zuständig für Konzepte Lernender Organisation (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
Zuständig für Konzepte Lernender Organisation Stabstelle Organisationales Lernen Abteilung Personal & Organisation
x
1
x
x
2
Personalentwicklung
x
1
Bildungswerk (extern)
x
1
Teams
x
x
Abteilung Qualitätsmanagement
x
Führungskräfte
2 1
x
1
Die Zuständigkeit für Konzepte Lernender Organisation (vgl. Tab. 13) ist durch starke Heterogenität geprägt, hierbei reicht die Spanne von eher dezentralen Zuständigkeiten wie Teams und Führungskräfte über verschiedene Abteilungen bis hin zur eigenen Stabstelle für organisationales Lernen. Tab. 14 Aufgaben der Konzepte Lernender Organisation (Praxis)
n1
n2
n3
n4
x
x
x
x
n5
n6
Anzahl
x
5
Aufgaben von Konzepten Lernender Organisation Prozesse reflektieren und verändern Kernprozesse ermitteln und nutzen Change Management/ Organisationsentwicklung
x
Kulturveränderung
x
Mitarbeiterförderung
x
x
x
x
x
3,5 2
x
2 x
Förderung von lebenslangem Lernen
x x
(x)
x
Forderung/ Förderung von selbstgesteuertem Lernen der MA
Ermittlung von innovationsfördernden Informationen
2
1 x
2 1
Auch bei den Aufgaben von Konzepten Lernender Organisation setzen die Unternehmen unterschiedliche Schwerpunkte (vgl. Tab. 14). Einigkeit herrscht darüber, dass zentrale Aufgabe von Konzepten Lernender Organisation die Reflektion und Veränderung von Prozessen (5 Nennungen) ist. Zwei weitere Schwerpunkte werden in den weit gefassten Feldern Organisationsentwicklung bzw. Kulturveränderung (insgesamt 4,5 Nennungen) und Organisation von Lernprozessen wie selbstgesteuertes Lernen, lebenslanges Lernen und Förderung von Mitarbeitern (insgesamt 4 Nennungen) gesehen.
74
4. Praxis: Fallstudie
Tab. 15 Ziele der Konzepte Lernender Organisation (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen/ erhöhen
x
x
x
x
x
x
6
Gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen
x
x
Kundenorientierung
x
Ziele von Konzepten Lernender Organisation
x
3 1
Mitarbeiterorientierung (MA-Zufriedenheit; MA-Individualität)
x
Umwelt/ Umfeldorientierung
x
x
x
3 1
Alle Aufgaben der Konzepte Lernender Organisation werden von den Unternehmen mit dem Ziel (vgl. Tab. 15) der Erhöhung und Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit durchgeführt (6 Nennungen). Aber auch die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung (3 Nennungen) und die Mitarbeiterorientierung wird durch Konzepte Lernender Organisation geleistet (3 Nennungen).
3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in Bezug auf Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation (Praxis) Der dritte Bereich beschäftigt sich mit der Relevanz der Personalentwicklung für Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation in der Unternehmenspraxis. Der Personalentwicklung wird von allen Unternehmen entweder eine wichtige (3,5 Nennungen) oder sehr wichtige Rolle (2,5 Nennungen) in Bezug auf das Wissensmanagement im Unternehmen zugewiesen (vgl. Tab. 16). Wichtigste unterstützende Maßnahmen der Personalentwicklung in Bezug auf das Wissensmanagement sind die Einwicklung des Wissens von Mitarbeitern (5 Nennungen), deren Förderung (3 Nennungen) und die Schaffung von Rahmenbedingungen für das Wissensmanagement (5 Nennungen). Zwei Unternehmen sehen die Abhängigkeiten von Wissensmanagement und Personalentwicklung umgekehrt und behaupten, dass Wissensmanagement als Handwerkszeug bzw. Instrument der Personalentwicklung zu betrachten sei und dieser demzufolge unterstützende Funktion für die Personalentwicklung zukommen.
4. Praxis: Fallstudie
75
Tab. 16 Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in Bezug auf Wissensmanagement (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
x
x
3,5
Wichtigkeit der PE für Wissensmanagement Überhaupt nicht wichtig Wenig wichtig Etwas wichtig Wichtig
x
Sehr wichtig
(x) x
(x)
x
x
x
2,5
PE unterstützt Wissensmanagement durch... Entwicklung des MA-Wissens
x
Fördernde Maßnahmen (Projekte; Qualifizierung „on the job“; etc.) Schaffung von Rahmenbedingungen
x x
Individuelle Laufbahn-/ Karriereplanung
x
x x
x
x
x
5
x
3
x
5
x
1
Strategische Orientierung an Unternehmenszielen
x
WM als Handwerkszeug der PE
x
1
x
2
Tab. 17 Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung bezüglich Lernender Organisation (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
Anzahl
x
1
Wichtigkeit der PE für Konzepte Lernender Organisation Überhaupt nicht wichtig Wenig wichtig Etwas wichtig Wichtig Sehr wichtig
(x) x
x
(x)
x
x
x
0,5 x
x
4,5
PE unterstützt Konzepte Lernender Organisation durch... Gestaltung von Unternehmenskultur (z. B. Grundwerte; Umgang mit Fehlern; Offenheit für Neues)
3
Prozessberatung/ Prozessreflektion
x
Vermittlung von Zielen und Visionen
x
Gestaltung von Lernprozessen/ Rahmenbedingungen
x
Teamentwicklung
1 x x
Führungskräfteentwicklung und -begleitung Forderung/ Förderung von selbstgesteuertem Lernen
1
x
x x
(x)
3,5 2
x
1
x
2
76
4. Praxis: Fallstudie
Mit einer Ausnahme wird der Beitrag der Personalentwicklung zu Konzepten Lernender Organisation als sehr wichtig beschrieben (vgl. Tab. 17), zentrale Gestaltungsfelder der Personalentwicklung werden einerseits in Bezug auf Lernprozesse (auch selbstgesteuertes Lernen) und deren Rahmenbedingungen (vier ein halb Unternehmen von sechs) und anderseits in der Gestaltung der Unternehmenskultur gesehen (3 Nennungen). Aber auch durch Team- und Führungskräfteentwicklung (2 Nennungen), Prozessberatung (1 Nennung) und die Vermittlung von Zielen und Visionen (1 Nennung) werden Konzepte Lernender Organisation in einigen wenigen Unternehmen durch die Personalentwicklung unterstützt. Tab. 18 Erwartete Veränderungen der Personalentwicklung (Praxis)
n1
n2
n3
n4
n5
n6
n7 Anzahl
Konzentration auf Kernfunktionen
x
x
Ausrichtung der PE auf Unternehmensziele
x
Outsourcing standardisierbarer Qualifizierungen
x
x
2
Stärkere Verantwortung der MA für eigene PE
x
x
2
Stärkere Verantwortung der Führungskräfte für PE
x
1
Automatisierung administrativer PE-Prozesse
x
1
Erwartete Veränderungen der PE
Stärker arbeitsplatznahe/ prozessorientierte PE
x
Transparenz über Beitrag der PE zum Unternehmenserfolg
x
Systematisierung/ Institutionalisierung von PE
2 1
x
2 1
x
x
2
(Pro)aktivere Rolle der PE
x
1
Internationalisierung von PE
x
1
Die von den Interviewpartnern erwarteten Entwicklungen der unternehmenseigenen Personalentwicklung sind recht heterogen, da sich die Personalentwicklung in den einzelnen Unternehmen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befindet und somit Veränderung und Entwicklung individuell verschieden sind (vgl. Tab. 18). Alle Veränderungen zusammengenommen wird in Zukunft die Personalentwicklung in den Unternehmen stärkere Verantwortung in Bezug auf die Unternehmensziele übernehmen; die Mitarbeiter und Führungskräfte stärker in die Verantwortung für Personalentwicklung nehmen; administrative Personalentwicklungsprozesse und standardisierbare Qualifizierungen automatisieren oder outsourcen; Personalentwicklung (pro)aktiver, arbeitsplatznäher und prozessorientierter durchführen und diese systematisieren und internationalisieren. Diese von einigen Unternehmen erwarteten Veränderungen der Personalentwicklung sind zum Teil in anderen Unternehmen bereits seit Jahren umgesetzt.
5. Diskussion der empirischen Ergebnisse
5
77
Diskussion der empirischen Ergebnisse
Wie bereits in Kapitel 3.2.2 in Bezug auf die Entwicklungsstufen von Personalentwicklung angeführt, wird diese in der Praxis sehr unterschiedlich und auf unterschiedlichsten Niveaus durchgeführt. Die Niveaus der hier interviewten Unternehmen bewegen sich zwischen den beiden Stufen synchronisierte und (pro)aktive/ innovationsorientierte Personalentwicklung. Dabei gehören die interviewten Unternehmen, was die Umsetzung von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation betrifft, zumindest der Branche nach zu den Führenden (s. a. Kapitel 4.2 Auswahl der Stichprobe). Eine Generalisierung der obigen Ergebnisse ist aufgrund der heterogenen Stichprobe und der qualitativen Forschungsmethodik zwar nicht möglich, dennoch liefern die interviewten Unternehmen einen konkreten Hinweis auf die gelebte Unternehmenspraxis in Bezug auf die in dieser Arbeit theoretisch untersuchten Fragestellungen. Personalentwicklung Personalentwicklung wird von fast allen interviewten Unternehmen im weiten Sinne unter Einbezug von Weiterbildung, Förderung und Organisationsentwicklung verstanden (vgl. Kapitel 2.2.1). Ebenso werden sowohl die Mitarbeiter- als auch die Unternehmensinteressen berücksichtigt, wenn auch von den einzelnen Unternehmen mit durchaus unterschiedlichen Schwerpunkten und tendenziell leichtem Übergewicht auf den Unternehmensinteressen (vgl. Tab. 7; vgl. Kapitel 2.2.1). Die Wichtigkeit der Personalentwicklung wird in den meisten Unternehmen durch eine eigene Abteilung Personalentwicklung, die in der Personalabteilung verortet ist, unterstrichen (vgl. Tab. 6). Der neuen (An)forderung an die Personalentwicklung, die Führungskräfte und Mitarbeiter als aktive Träger der Personalentwicklung mit einzubeziehen (s. a. Kapitel 3.2.3 Abschnitt Träger der Personalentwicklung), kommt die Praxis in Bezug auf die Führungskräfte voll und ganz nach. Die Mitarbeiter ebenfalls als Träger und Verantwortliche für die Personalentwicklung sehen dagegen bisher (noch) wenige Unternehmen (vgl. Tab. 6). Zusammenfassend kann zur Personalentwicklung gesagt werden, dass das Verständnis der Personalentwicklung in den interviewten Unternehmen mit den theoretischen Ausführungen weitestgehend übereinstimmt. Ergänzend zu den theoretischen Ausführungen wies ein Unternehmen als Ziel der Personalentwicklung auf den zukünftig interessanten Aspekt der Vorbereitung auf den demographischen Wandel hin (vgl. Tab. 7). Auf die Personalentwicklung kommen in diesem Zusammenhang Aufgaben, wie beispielsweise die altersgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen und Qualifizierungen zu. Wissensmanagement Maßnahmen des Wissensmanagements sind in allen interviewten Unternehmen vorhanden (vgl. Tab. 8), insofern ist der formulierten Fragestellung nach der Implementierung von Wissensmanagement in der Praxis grundsätzlich zuzustimmen (vgl. Kapitel 4.2). Hierbei muss jedoch zwischen verschiedenen Implementierungsebenen unterschieden werden. Einige Unternehmen (n2; n4) verstehen Wissensmanagement integrativ unter gleichzeitiger Betrachtung und Beachtung der Säulen Mensch, Organisation und Technik (vgl. Kapitel 3.1.3; vgl. Kapitel 3.3), andere dagegen sehen
78
5. Diskussion der empirischen Ergebnisse
Wissensmanagement lediglich in Bezug auf zwei dieser Säulen (n1; n3) und wieder andere verstehen Wissensmanagement eher als Informations- und Datenmanagement (n5; n6). Auch die häufig nicht verwendete Begrifflichkeit Wissensmanagement muss zwar nichts über das Verständnis von Wissensmanagement in den Unternehmen aussagen, mag aber als weiteres Indiz gelten für die teilweise nicht vollständige Implementierung von Wissensmanagement im Sinne der theoretischen Ausführungen (vgl. Tab. 8). Auch die Zuständigkeit für Wissensmanagement in der Praxis ist nicht einheitlich geregelt, wobei die schwerpunktmäßige Zuständigkeit von IT-Abteilungen und das von den meisten Unternehmen genannte Ziel der „Verfügbarkeit von relevanten Informationen“ in Richtung des von Severing (2001) hauptsächlich gesehenen zur Zeit noch eher daten- und informationslastigen Wissensmanagements weisen kann (vgl. Kapitel 3.1.3; vgl. Tab. 8). Interessant ist die auffallend große Heterogenität in Bezug auf Verständnis, Aufgabe und Ziel des Wissensmanagements. Möglicherweise gründet dieses auf einem nicht einheitlichen Wissensbegriff (vgl. Kapitel 2.2.1). Die in den Interviews ermittelten Schwerpunkte der Wissensmanagementmaßnahmen (vgl. Tab. 9) lassen sich zwar nahtlos in die theoretischen Ausführungen zum Wissensmanagement von Probst/ Raub/ Romhardt (2004), Nonaka/ Takeuchi (1997) und Pautzke (1998) einfügen (vgl. Kapitel 2.2.3), decken aber jeweils nur einen kleinen Ausschnitt der theoretisch erarbeiteten Aufgabenfelder des Wissensmanagements ab. Keines der interviewten Unternehmen interveniert gleichzeitig in allen Feldern/ Bausteinen des Wissensmanagements, kein interviewtes Unternehmen gestaltet alle möglichen und nötigen Wissenstransformationen und kaum ein interviewtes Unternehmen kommt über die Gestaltung von individuellen Lernprozessen hinaus. Dennoch werden einzelne Maßnahmen in allen diesen Bereichen durchgeführt. So greifen die meisten Unternehmen aus den Wissenstransformationen von Nonaka/ Takeuchi (1997) die Explizierung von Mitarbeiterwissen heraus und erhöhen die Nutzungswahrscheinlichkeit der Wissensbasis durch Gestaltung von individueller Wissensentwicklung bzw. individuellem Wissenserwerb (vgl. Tab. 9). Wissensmanagement bzw. Maßnahmen des Wissensmanagements sind nach Aussage der Unternehmen zwar vorhanden, der Grad der Implementierung in der Praxis weicht aber sowohl in Bezug auf das Verständnis, die Aufgaben und die Ziele von Wissensmanagement von den theoretisch geforderten ab, d. h. hier liegt noch viel ungenutztes Potenzial in den Unternehmen brach. Lernende Organisation Konzepte Lernender Organisation sind nach Aussage der Interviewpartner in allen Unternehmen vorhanden (vgl. Tab. 10). Das hinter diesen Konzepten stehende Verständnis von Lernender Organisation divergiert aber stark. Als Ziel Lernende Organisation mit schöpferischen, (pro)aktiven und kontinuierlichen Maßnahmen (vgl. Kapitel 2.3.3) versteht die Hälfte der Unternehmen ihr eigenes Konzept Lernender Organisation, dagegen werden von der anderen Hälfte der Unternehmen lediglich Einzelmaßnahmen organisationalen Lernens bzw. adaptiven Organisationslernens als Konzept Lernende Organisation angeführt (vgl. Tab. 10). Interessant ist, dass dieses unterschiedliche Verständnis von Lernender Organisation anscheinend nichts mit der Unternehmensgröße zu tun hat, da sowohl das größte untersuchte Unternehmen (n2),
5. Diskussion der empirischen Ergebnisse
79
als auch das kleinste untersuchte Unternehmen (n4) ihr Konzept am Ziel Lernende Organisation orientieren. Die Aufgaben und Ziele der Konzepte Lernender Organisation in der Praxis decken sich größtenteils mit dem theoretisch entwickelten Verständnis von Lernender Organisation (vgl. Kapitel 2.3.3). Insbesondere die Reflektion und Veränderung von Prozessen, Strukturen und Kulturen und die Gestaltung von Lernprozessen im Unternehmen wird als Aufgabe genannt. Dass Konzepte Lernender Organisation neben der Erhöhung und Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auch einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft und in Bezug auf die eigenen Mitarbeiter leisten können, sehen vor allem die Unternehmen, die ihr Konzept Lernende Organisation schöpferisch, (pro)aktiv und kontinuierlich konzipiert haben (vgl. Tab. 10 und Tab. 11). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Konzepte Lernender Organisation in den Unternehmen überwiegend implementiert sind, jedoch häufig nicht unter dem Begriff Lernende Organisation, und auch nicht in Richtung Ziel Lernende Organisation. Die implementierten Konzepte Lernender Organisation unterscheiden sich in einigen Unternehmen nicht wesentlich von adaptiver Personal- und Organisationsentwicklung, in anderen Unternehmen dagegen ist eine inhaltliche Nähe zur theoretisch beschriebenen Lernenden Organisation vorhanden (vgl. Kapitel 2.3.3). Zusammenhang von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation Der Zusammenhang von Personalentwicklung und Wissensmanagement einerseits und Personalentwicklung und Lernender Organisation anderseits wird, so scheint es, in der Praxis viel eher gesehen als in der Literatur (vgl. Kapitel 3.1). Vielfach wurden Maßnahmen des Wissensmanagements und der Lernenden Organisation als im Unternehmen gegeben beschrieben, ohne direkt mit dem Namen Wissensmanagement und/ oder Lernende Organisation bezeichnet zu werden. Vielmehr scheint in der Praxis häufig ein individuelles Maßnahmenbündel aus Personal- und Organisationsentwicklung und Maßnahmen des Wissensmanagement und der Lernenden Organisation vorzuherrschen. Die Trennung und Differenzierungen zwischen den Begriffen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation findet verstärkt auf theoretischer Ebene statt. Hier wird einerseits die notwendige Definitionsleistung, Abgrenzung und Einordnung obiger Begriffe betrieben, anderseits aber häufig nicht praxistauglich genug über den eigenen Forschungstellerrand gesehen. Die Praxis sieht diese Begriffe und deren Zusammenspiel viel pragmatischer, da hier ein Verständnis vorherrscht, das weniger durch Differenzierung, Definition und Abgrenzung gekennzeichnet ist, sondern vielmehr danach fragt, welche Elemente einzelner Konzepte zum langfristigen Unternehmenserfolg beitragen können. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass die in dieser Arbeit entwickelte Rolle der Personalentwicklung für das Wissensmanagement und für Konzepte der Lernenden Organisation (vgl. Kapitel 3.2.3; vgl. Kapitel 3.3) von fast allen Interviewpartner bestätigt wird. Mit einer Ausnahme wird die Wichtigkeit der Personalentwicklung in Bezug auf die Lernende Organisation (vgl. Tab. 13) dabei noch etwas höher eingeschätzt, als deren Wichtigkeit in Bezug auf das Wissensmanagement (vgl. Tab. 12). Auch wenn der generelle Beitrag der Personalentwicklung zum Wissensmanagement und zu Konzepten Lernender Organisation in der Praxis erkannt wird (vgl. Kapitel 4.2), könnte die Personalentwicklung diese in der Praxis noch deutlich stärker unter-
80
5. Diskussion der empirischen Ergebnisse
stützen. Grund für die noch ausbaufähige Unterstützung ist einerseits die oben bereits angesprochene nicht ausreichende Implementierung von Wissensmanagement und Konzepten Lernender Organisation in der Praxis und anderseits das Selbstverständnis und die Aufgaben der Personalentwicklung in den Unternehmen. Unterstützende Maßnahmen der Personalentwicklung in Bezug auf das Wissensmanagement werden zwar in den Feldern der Wissensentwicklung (Lernprozesse) und allgemein in der Schaffung von Rahmenbedingungen gesehen (vgl. Tab. 12), aber die vielfältigen in dieser Arbeit formulierten Möglichkeiten der Unterstützung durch die Personalentwicklung werden in der Praxis (noch) nicht konsequent genutzt (vgl. Kapitel 3.2.3). Ähnlich, wenn auch weniger stark, verhält es sich in Bezug auf Konzepte Lernender Organisation. Unterstützung erfährt diese in der Unternehmenspraxis hauptsächlich bei der Gestaltung von (lediglich individuellen) Lernprozessen und deren Rahmenbedingungen und bei der Gestaltung der Unternehmenskultur (vgl. Tab. 13). Auch in Bezug auf Konzepte Lernender Organisation nimmt die Personalentwicklung demzufolge bisher viele mögliche Aufgaben (noch) nicht wahr (vgl. Kapitel 3.2.3). Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist noch die von zwei Interviewpartnern genannte Umkehrung der Beziehung zwischen Personalentwicklung und Wissensmanagement, wonach Wissensmanagement als Handwerkszeug und weiteres Instrument der Personalentwicklung gesehen wird und die Frage gestellt werden muss, inwieweit Wissensmanagement einen Beitrag leisten kann bzw. eine Bereicherung sein kann für die Personalentwicklung. Ansatzweise wurde sich in dieser Arbeit mit dieser Frage auseinandergesetzt und dem Wissensmanagement hierbei die Rolle zugewiesen, treibende Kraft zur Veränderung der Personalentwicklung (vgl. Kapitel 3.1.3) und zur Realisierung der Metapher Lernende Organisation zu sein (vgl. Kapitel 3.1.2). Erwartete Veränderung der Personalentwicklung Eine Interpretation der erwarteten Veränderung der Personalentwicklung (vgl. Tab. 14) kann aufgrund der Heterogenität der interviewten Unternehmen nur begrenzt erfolgen, insbesondere da es sich um individuell gesehene Veränderungen, ausgehend von unterschiedlichen Niveaus der Personalentwicklung handelt. Zu sehen ist dennoch, dass fast jedes interviewte Unternehmen (außer vielleicht n4) eine (notwendige) Veränderung der eigenen Personalentwicklung in der Zukunft sieht und dass diese Änderungen zusammengenommen ein zukünftiges Bild von Personalentwicklung in Unternehmen malen. Dieses Bild ist zwar nicht vollständig in Deckung zu bringen mit der in dieser Arbeit entwickelten Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen (vgl. Kapitel 3.3), dennoch lässt sich eine große Schnittmenge zwischen beiden ausmachen. Zusammenfassung Personalentwicklung wird zusammenfassend im Sinne der theoretischen Ausarbeitung dieser Arbeit in der Praxis weitestgehend im weiten Sinne unter Berücksichtigung von Mitarbeiter- und Unternehmensinteressen durchgeführt und leistet in den interviewten Unternehmen einen wichtigen, wenn auch noch nicht ausreichenden Beitrag zum Wissensmanagement und zu Konzepten Lernender Organisation. Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation sind in der Praxis wohl bekannt und umgesetzt, hierbei fehlt es in einigen Unternehmen jedoch noch an Professionalisierung und Systematisierung dieser. Die Notwenigkeit der Veränderung und Re-Definition der jeweils eigenen Personalentwicklung wird von den meisten in-
5. Diskussion der empirischen Ergebnisse
81
terviewten Unternehmen erkannt, die eingeschlagene Richtung besitzt viele (Einzel)elemente der hier vorgestellten Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen, wird aber nicht annähernd so systematisch und so abgestimmt mit Wissensmanagement und Konzepten Lernender Organisation betrieben (vgl. Kapitel 4.2).
82
6
6. Fazit und offene Forschungsfragen
Fazit und offene Forschungsfragen
Eingangs dieser Arbeit wurde die These aufgestellt, dass die heutigen und zukünftigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen zu neuen Herausforderungen für Gesellschaft und für Unternehmen führen. Die Unternehmen sollten hierbei den herausfordernden Veränderungen nicht reaktiv entgegentreten, sondern danach streben deren Chancen aktiv zu nutzen. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Zukunft von Unternehmen mit Hilfe von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernender Organisation aktiv zu gestalten ist. Die Ergebnisse des theoretischen Teils wurden in qualitativen Interviews fallstudienartig an der Praxis gespiegelt und somit zusammenfassend ein ganzheitliches theoretisches und praktisches Bild in Bezug auf die zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten von Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation geschaffen. Kern der Arbeit war hierbei die drei Begrifflichkeiten Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation konstruktiv miteinander zu verknüpfen und Möglichkeiten aufzuzeigen, diese im Unternehmensalltag mit Leben zu füllen, wobei der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen eine zentrale Rolle zugewiesen wurde. Dies gipfelte in der Konstruktion eines ganzheitlichen Modells der Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen in Bezug auf die organisationale Wissensbasis. In diesem Modell enthalten und zusammengefasst sind alle Ergebnisse dieser Arbeit; im einzelnen: 1. Personalentwicklung muss in den Unternehmen an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Hierfür ist es notwendig, dass das jahrelang gewachsene Selbstverständnis und die hieraus resultierenden Aufgaben der Personalentwicklung revidiert bzw. re-definiert werden. 2. Es konnte gezeigt werden, dass durch die Formulierung von acht Feldern neuer (An)forderungen an die Personalentwicklung die Neufindung der Personalentwicklung angestoßen werden kann. Diese neuen (An)forderungen zeichnen gleichzeitig ein Bild einer für die Zukunft aufgestellten Personalentwicklung in wissensorientierten Unternehmen. Die einzelnen Felder neuer (An)forderungen sind Organisationales Lernen, Lernkultur und -prozesse, Strategische Orientierung, Management von Wissen, IuK-Technologien, Träger der Personalentwicklung, Integrative Personalentwicklung und Unternehmenskultur. 3. Die Personalentwicklung kann durch die Ausrichtung an obigen (An)forderungen wertvolle Gestaltungs- und Unterstützungshilfe für das Wissensmanagement und für Konzepte der Lernenden Organisation geben und diese mit Leben im Unternehmensalltag füllen. Zusammengenommen erhöhen diese kontinuierlich die Nutzungswahrscheinlichkeit der organisationalen Wissensbasis, sorgen für eine notwendige (pro)aktive, schöpferische Gestaltung der Unternehmenszukunft und somit für einen schwer zu imitierenden Wettbewerbsvorteil.
6. Fazit und offene Forschungsfragen
83
4. Des weiteren wurde dargestellt, dass Wissensmanagement nur dann einen wirklichen Nutzen für das Unternehmen bringen kann, wenn dieses integriert unter gleichzeitiger Beachtung der Säulen Mensch, Organisation und Technik verstanden und im Unternehmen verankert ist. Diese Integration wird nur dann erreicht, wenn gezielte Interventionen in allen Wissensbausteinen durchführt werden, Lernprozesse auf allen ontologischen Ebenen stattfinden und Wissenstransformationen zwischen implizitem und explizitem Wissen gestaltet werden. 5. Lernende Organisation, so wurde gezeigt, entfaltet ihre ganze gestalterische Kraft erst dann, wenn diese als Wegweiser in die Zukunft dient und alle individuellen und organisationalen Prozesse, Abläufe und Maßnahmen an dieser Vision, an diesem Ziel ausgerichtet werden. Mit Blick auf die Praxis kann gesagt werden, dass viele Elemente und Ergebnisse dieser Arbeit bereits in den interviewten Unternehmen umgesetzt sind, wenn auch längst nicht so systematisch und abgestimmt wie in dieser Arbeit entwickelt. Es ist zu wünschen, dass Unternehmen die Wichtigkeit der Personalentwicklung für die Zukunft ihres Unternehmens sehen und diese durch die Formulierung neuer (An)forderungen in Richtung Wissensmanagement und Lernende Organisation kontinuierlich zu verändern trachten. Auch Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation werden in den interviewten Unternehmen noch zu unsystematisch und zu wenig integriert betrieben, hierdurch gehen mögliche Synergieeffekte verloren und Potenzial liegt ungenutzt brach. Ob diese Maßnahmen unter den Begriffen Wissensmanagement und/ oder Lernende Organisation oder unter dem Namen der Personal- und Organisationsentwicklung durchgeführt werden, erscheint mir in diesem Zusammenhang eher sekundär. Viel wichtiger ist es, dass die, sich hinter diesen Begriffen verbergenden Gestaltungsmöglichkeiten, im Unternehmen gezielt genutzt werden und somit einen wesentlichen Beitrag zum langfristigen Unternehmenserfolg leisten können. Durch die Auswahl von Unternehmen aus Branchen, die durch besonders hohen Wettbewerbsdruck gekennzeichnet sind, ergibt sich die Vermutung, dass viele Unternehmen anderer Branchen Maßnahmen der Personalentwicklung, des Wissensmanagements und der Lernenden Organisation noch nicht oder zumindest noch nicht auf dem Niveau der interviewten Unternehmen nutzen. Vor allem diesen, aber auch den interviewten Unternehmen, mag diese Arbeit als Handlungsempfehlung dienen. Handlungsempfehlung in dem Sinne, die Ergebnisse dieser Arbeit nicht als Rezept zu verstehen, sondern die Wertigkeit und Wichtigkeit der eigenen Personalentwicklung für den zukünftigen Unternehmenserfolg zu erkennen und kontinuierlich nach zielführenden Feldern neuer (An)forderungen an diese Ausschau zu halten. Offene Fragen bzw. sich an diese Arbeit anschließende Forschungsfragen, sind zum einen die von zwei Unternehmen aufgeworfene und hier nur ansatzweise bearbeitete Frage, inwieweit nicht umgekehrt als in dieser Arbeit konzipiert, Wissensmanagement eher als Werkzeug und Instrument der Personalentwicklung zu begreifen sei und zum anderen eine repräsentative, quantitative Untersuchung der in Unterneh-
84
6. Fazit und offene Forschungsfragen
men auch verschiedenster Branchen praktizierten Personalentwicklung, um verallgemeinerbare Ergebnisse zu erhalten.
Literaturverzeichnis
85
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Anhang 1: Interviewleitfaden
Anhang 1: Interviewleitfaden Datum Art des Interviews (telefonisch/ persönlich) Gliederung des Interviews I: Daten und Fakten zum Unternehmen und zum Interview-Partner II: Unternehmens-Praxis (Personalentwicklung, Wissensmanagement, Konzepte Lernender Organisation) III: Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in Bezug auf Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation
Begrüßung und Einleitung Begrüßung Vorstellung der eigenen Person Magisterarbeit erklären Zweck des Interviews Erklärung der Unternehmensauswahl (Stichprobe) Infos zum Interview (qualitativ) Infos zum Interview (Verwendung)
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Anhang 1: Interviewleitfaden
I: Daten und Fakten zum Unternehmen und zum Interview-Partner
Interviewpartner Name Position Betriebszugehörigkeit (in Jahren) Ausbildung (Abschluss) Unternehmen Name Branche Kennzahlen Anzahl Mitarbeiter (interviewter Standort) Anzahl Mitarbeiter (Gesamtunternehmen) Umsatz Unternehmensleitlinie Leitfrage: „Besitzt Ihr Unternehmen ein internes Leitbild? Wenn ja, bitte ich Sie, mir die zentralen Inhalte Ihres Leitbildes vorzustellen“
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II: Unternehmens-Praxis
Einleitung: „In diesem Kapitel möchte ich Sie bitten, mir vorzustellen, was in Ihrem Unternehmen unter den drei Begriffen Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation verstanden wird und wie diese in Ihrem Unternehmen implementiert sind.“ II.a: Unternehmens-Praxis Personalentwicklung
Einleitung: „Lassen Sie uns zunächst mit der Personalentwicklung beginnen. Ich bitte Sie, mir die Personalentwicklung Ihres Unternehmens näher zu bringen.“ Leitfrage: „Wie ist die Personalentwicklung in Ihrem Unternehmen aufgestellt/ organisiert?“ Ergänzungsfrage: „Wie ist die Personalentwicklung in die Ablauforganisation Ihres Unternehmens eingebunden?“ Ergänzungsfrage: „Wer ist für Personalentwicklung in Ihrem Unternehmen zuständig?“ Filter EIN: Nur dann nachfragen, wenn es im Unternehmen eine eigene Abteilung für Personalentwicklung gibt... Ergänzungsfrage: „Wie viele Mitarbeiter arbeiten in Ihrer Abteilung für Personalentwicklung?“ Ergänzungsfrage: „Seit wann besteht die Abteilung für Personalentwicklung?“ Filter AUS: Leitfrage: „Was sind die zentralen Ziele Ihrer Personalentwicklung?“
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Anhang 1: Interviewleitfaden
Leitfrage: „Welche Aufgaben nimmt Ihre Personalentwicklung schwerpunktmäßig wahr bzw. welche Maßnahmen werden hauptsächlich von dieser durchgeführt?“ II.b: Unternehmens-Praxis Wissensmanagement Einleitung: „Betrachten wir nun den Begriff Wissensmanagement. Ich bitte Sie, mir das Wissensmanagement Ihres Unternehmens näher zu bringen.“ Leitfrage: „Was wird in Ihrem Unternehmen unter dem Begriff Wissensmanagement verstanden?“ Leitfrage: „Inwieweit besitzt Ihr Unternehmen ein Wissensmanagement bzw. inwieweit sind Wissensmanagementmaßnahmen in Ihrem Unternehmen realisiert?“ Ergänzungsfrage: „Wie ist das Wissensmanagement in Ihrem Unternehmen aufgestellt/ organisiert?“ Ergänzungsfrage: „Wer ist für Personalentwicklung in Ihrem Unternehmen zuständig?“ Leitfrage: „Was sind die zentralen Ziele Ihres Wissensmanagements?“ Leitfrage: „Welche Aufgaben nimmt Ihr Wissensmanagement schwerpunktmäßig wahr bzw. welche Maßnahmen werden von diesem hauptsächlich durchgeführt?“ II.c: Unternehmens-Praxis Lernende Organisation
Einleitung: „Betrachten wir abschließend den Begriff der Lernenden Organisation. Ich bitte Sie, mir das Konzept Lernende Organisation Ihres Unternehmens näher zu bringen.“
Anhang 1: Interviewleitfaden
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Leitfrage: „Was wird in Ihrem Unternehmen unter dem Begriff Lernende Organisation verstanden?“ Leitfrage: „In wie weit besitzt Ihr Unternehmen ein Konzept Lernende Organisation bzw. sind Maßnahmen in Richtung Lernende Organisation in Ihrem Unternehmen realisiert?“ Ergänzungsfrage: „Wie ist Ihr Konzept Lernende Organisation in Ihrem Unternehmen aufgestellt/ organisiert?“ Ergänzungsfrage: „Wer ist für das Konzept Lernende Organisation in Ihrem Unternehmen zuständig?“ Leitfrage: „Was sind die zentralen Ziele Ihres Konzepts Lernender Organisation?“ Leitfrage: „Welche Aufgaben nimmt Ihr Konzept Lernender Organisation schwerpunktmäßig wahr bzw. welche Maßnahmen werden hauptsächlich von diesem durchgeführt?“
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Anhang 1: Interviewleitfaden
III: Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung in Bezug auf Wissensmanagement und Konzepte Lernender Organisation
Einleitung: „Abschließend würde ich gerne von Ihnen wissen, welche Relevanz die Personalentwicklung für Ihr Wissensmanagement und Ihr Konzept Lernender Organisation spielt und welche Aufgaben diese hierbei schwerpunktmäßig wahrnimmt.“ Leitfrage: „Wie wichtig ist Ihre Personalentwicklung für Ihr Wissensmanagement?“
o Überhaupt nicht wichtig o Wenig wichtig o Etwas wichtig o Wichtig o Sehr wichtig Leitfrage: „Wie wichtig ist Ihre Personalentwicklung für Ihr Konzept Lernende Organisation?“
o Überhaupt nicht wichtig o Wenig wichtig o Etwas wichtig o Wichtig o Sehr wichtig Leitfrage: „Durch welche Maßnahmen bzw. in welchen Bereichen unterstützt die Personalentwicklung Ihr Wissensmanagement?“ Leitfrage: „Durch welche Maßnahmen bzw. in welchen Bereichen unterstützt die Personalentwicklung Ihr Konzept Lernende Organisation?
Anhang 1: Interviewleitfaden
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Einleitung: „Lassen sie uns abschließend noch einen Blick auf die Zukunft Ihrer Personalentwicklung werfen.“ Leitfrage: „In welche Richtung wird sich Ihrer Meinung nach Ihre Personalentwicklung in Zukunft entwickeln?“ Klärung noch offener Fragen, Dank und Verabschiedung
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Anhang 2: Protokoll 1 vom 15.08.2005
Anhang 2: Protokoll 1 vom 15.08.2005 1. Daten und Fakten Das Unternehmen ist in der Versicherungsbrache tätig und erwirtschaftete im Jahr 2004 mit mehr als 4500 Mitarbeitern (450 am interviewten Standort) allein durch Beitragszahlungen der Versicherten fast 4.400 Mio. €. Der Interviewte ist Dipl. Sozialpädagoge, seit 1991 im Betrieb und aktuell als Gruppenleiter Personal im Aus- und Weiterbildungsbereich und als Stellvertretender Abteilungsleiter beschäftigt. Das im Jahr 2004 entwickelte Unternehmensleitbild setzt sich zusammen aus gemeinsamen Grundwerten, Höheren und Gewagten Zielen (Visionen) und soll die Zukunft des Unternehmens nachdrücklich gestalten helfen. 2. Unternehmens-Praxis a. Personalentwicklung Personalentwicklung wird im Unternehmen seit 1989 zunächst als eigenständige Abteilung „Aus- und Weiterbildung“ geführt. Vor zwei Jahren ist die Personalentwicklung dann als Gruppe in die Personalabteilung integriert und in zwei Bereiche aufgeteilt worden: erstens in die Aus- und Weiterbildung und zweitens in die Personal- und Organisationsentwicklung. Insgesamt arbeiten in der Personalentwicklung 20 Mitarbeiter, die sich relativ gleichmäßig auf die beiden Bereiche verteilen. Personalentwicklung wird außer von den beiden Personalentwicklungsgruppen vor allem im Tagesgeschäft von den jeweiligen Führungskräften wahrgenommen. Diese nutzen die von den Personalentwicklungsgruppen entwickelten und eingeführten PEInstrumente und holen sich gegebenenfalls Unterstützung in Form von Coaching und Seminaren der hauseigenen Akademie. Hauptaufgabe der Gruppe Aus- und Weiterbildung ist es, unterstützt von den Führungskräften und mit Hilfe von Mitarbeiterjahresgesprächen, den Qualifikationsbedarf im Unternehmen zu ermitteln. Anschließend gilt es diesen Qualifikationsbedarf in etwa gleichverteilt, sowohl über ein ständiges Seminarprogramm, als auch über maßgeschneiderte Trainingsmaßnahmen zu decken. Hierbei werden alle Seminare intern geplant und von den Personalentwicklern selbstständig realisiert. Die Gruppe der Personal- und Organisationsentwicklung dagegen steuert und begleitet organisationale Veränderungsprozesse. Die Initiierung hierzu geht aber in den meisten Fällen von fachübergreifenden Veränderungsprojekten aus. Ziel der Personalentwicklung ist laut dem Interviewten einen messbaren Beitrag in Bezug auf die Unternehmensziele zu leisten.
Anhang 2: Protokoll 1 vom 15.08.2005
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b. Wissensmanagement Auch wenn das Unternehmen den Begriff Wissensmanagement nicht verwendet, werden einzelne Maßnahmen meistens durch die IT-Abteilung im Bereich des Datenund Informationsmanagements durchgeführt. So wird Sorge dafür getragen, dass relevante Informationen zur rechten Zeit am rechten Ort zur Verfügung stehen, z. B. Informationen darüber, welche Versicherungspolicen der Versicherte abgeschlossen hat. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Vertriebsmitarbeiter den Wert des Kunden für das Unternehmen richtig einschätzen kann und ein adäquates Verhalten, z. B. bei Kulanzfragen, an den Tag legen kann. Hierzu gehört auch, dass er die, aus statistischen Werten gewonnenen Beiträge für die Versicherungen expliziert, d. h. dem Kunden plausibel und vor allen Dingen nachvollziehbar kommunizieren kann; das Kennen und Hineinversetzen in den Kunden ist hierfür zwingend erforderlich. Unterstützt wird dieses durch eine Qualifizierungsstrategie, die zusätzlich zur Vermittlung von benötigten Fachkompetenzen auch Sozialkompetenzen schult und darauf achtet, dass im Unternehmen keine „Kopfmonopole“ entstehen. Um Wissensverluste durch Mitarbeiterabgänge vorzubeugen, besitzt die Mitarbeiterbindung höchste Priorität. Wenn dennoch Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, wird versucht, deren (auch implizites) Wissen durch Einarbeitung des Nachfolgers und Dokumentation seines Wissens etc. weitestgehend im Unternehmen zu halten. Ziel des so gelebten Wissensmanagements ist in erster Linie die Bereitstellung von Informationen mit dem Ziel der Kundenorientierung und -bindung. c. Organisationales Lernen und Lernende Organisation Auch die Begrifflichkeiten organisationales Lernen oder Lernende Organisation werden im Unternehmen nicht direkt verwendet. Dennoch wird versucht, die eigenen Prozesse zu reflektieren und mit dem Fokus auf die Kundenorientierung (intern wie extern) gegebenenfalls zu verändern. Für die Initiierung und Begleitung der Veränderungsprozesse ist im wesentlichen die Abteilung Personal zuständig. Häufiger Ansatzpunkt von Veränderungen ist die über Jahrzehnte gewachsene Unternehmenskultur. So wurde beispielsweise früher jeder einzelne Schadensfall bis ins Kleinste juristisch geprüft. Heutzutage werden kleinere Beträge deutlich schneller ausbezahlt, da so Kosten gespart und die Kundenzufriedenheit erhöht werden kann. Für diesen Wandel ist eine Kulturveränderung notwendig. Auch die Verbesserung der Kommunikation im Unternehmen und der lernende Umgang mit Fehlern rückt in diesem Rahmen in den Fokus. Organisationale Veränderungen werden hauptsächlich mit dem Ziel der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durchgeführt; gleichzeitig wird aber auch die gesellschaftliche Verantwortung gesehen. Der Interviewte wies darauf hin, dass das Unternehmen zwar die Begrifflichkeit der Lernenden Organisation nicht verwende, aber durchaus diesbezügliche Inhalte im Unternehmen bestehen und diesbezügliche Maßnahmen durchgeführt werden.
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3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung a. In Bezug auf das Wissensmanagement Nach dem Interviewten ist die Personalentwicklung für Maßnahmen des Wissensmanagements wichtig. Gerade die fachübergreifende Qualifizierung und die Gestaltung von Rahmenbedingungen zur verbesserten Kundenorientierung sind in Bezug auf das Wissensmanagement wichtige Aufgabenfelder der Personalentwicklung. b. In Bezug auf organisationales Lernen bzw. die Lernende Organisation Auch wenn die Begrifflichkeit Lernende Organisation im Unternehmen nicht verwendet wird, ist die Personalentwicklung sehr wichtig für das organisationale Lernen. Wie bereits anhand des Leitbildes gezeigt, kommt der Personalentwicklung die Aufgabe zu, Grundwerte des Unternehmen zu entwickeln und zu kommunizieren und Ziele und Visionen im Unternehmensalltag zu verankern. Wesentlich ist hierzu eine integrierte Personalentwicklung, die Organisationsentwicklung mit einbezieht und individuelles Lernen und Lernprozesse steuert. c. Entwicklung der Personalentwicklung Die Personalentwicklung wird nach Meinung des Interviewten in Zukunft noch mehr Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen und von sich aus stärkere Transparenz über ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg schaffen müssen. Hierzu ist sowohl eine Ausrichtung der Personalentwicklung auf die Unternehmensziele notwendig, als auch die Konzentration auf die eigenen Kernfunktionen. Des weiteren glaubt der Interviewte, dass in Zukunft Outsourcing standardisierbarer Qualifizierungen notwendig ist (z. B. PC-Schulungen). Außerdem wird der Bereich der arbeitsplatzbezogenen und prozessorientierten Personalentwicklung ausgebaut und der einzelne Mitarbeiter noch mehr in die Verantwortung, auch für die eigene Personalentwicklung, genommen.
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Anhang 3: Protokoll 2 vom 16.08.2005 1. Daten und Fakten Das Unternehmen ist eines der führenden Unternehmen in der Automobilbranche und agiert weltweit. Im interviewten Werk arbeiten ca. 1800 Mitarbeiter, in Deutschland insgesamt ca. 38.000 und weltweit ca. 345.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen hatte im letzen Jahr einen Gesamtumsatz von über 162,4 Mrd. €. Als Interviewpartner zur Verfügung stand der Supervisior HROperation PTO Europe, der zuständig ist für die Personalentwicklung in sechs europäischen Werken aus Deutschland, Spanien, Frankreich und England. Der Interviewte ist Sozialwissenschaftler und Dipl. Betriebwirt und seit 10 Jahren im Unternehmen tätig; die ersten Jahre hiervon hat er in der Aus- und Weiterbildung gearbeitet. Die Visionen des amerikanischen Firmeninhabers von einer hohen Produktqualität und einem familiären Charakter des Arbeitens im Unternehmen bestimmen das Leitbild des Unternehmens. In diesem wird jeder Mitarbeiter nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als Weltbürger wahrgenommen, der in und mit der Umwelt lebt und sich seiner sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein sollte. Das Leitbild und die Visionen werden an den jeweiligen internationalen Standorten konkretisiert. 2. Unternehmens-Praxis a. Personalentwicklung Personalentwicklung spielt im Unternehmen schon immer eine wichtige Rolle, auch wenn die Bezeichnungen hierfür im Laufe der Jahre immer mal wieder geändert wurden. Heutzutage gibt es eine eigene HR-Abteilung, welche Stabstellen sowohl für den Aus- und Weiterbildungsbereich, als auch für Förderung, Organisationsentwicklung und organisationales Lernen enthält und insgesamt ca. 200 Mitarbeiter beschäftigt. Die Mitarbeiterqualifizierung durch Aus- und Weiterbildung wird weitestgehend durchgeführt von externen Trainings- und Beratungsunternehmen, welche das Unternehmen über Anteile kontrolliert. Die Aufgaben und auch die Verantwortung für Personalentwicklung im Unternehmen wird auf mehrere Schultern verteilt. Die Mitarbeiter und die Führungskräfte ermitteln gemeinschaftlich den Qualifizierungs- und Förderungsbedarf in Entwicklungsgesprächen, die Stabstelle Personalentwicklung gestaltet Instrumente, initiiert und begleitet Entwicklungs-Prozesse und die Personalabteilung kümmert sich um die hierfür nötigen Strukturen. So kann einerseits gewährleistet werden, dass die Mitarbeiter mit ihren Bedürfnissen ernst genommen werden und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden, anderseits wird der einzelne Mitarbeiter in die Pflicht genommen, die eigene Entwicklung auch als seine eigene Aufgabe zu betrachten. Oberstes Ziel der Personalentwicklung ist es dabei dafür zu sorgen, dass sich die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz befindet.
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Anhang 3: Protokoll 2 vom 16.08.2005
b. Wissensmanagement Das Unternehmen betreibt Wissensmanagement in erster Linie als Daten- und Informationsmanagement, dementsprechend zuständig für das Wissensmanagement ist hauptsächlich die Stabstelle Wissensmanagement in der IT-Abteilung. Ziel des so praktizierten Wissensmanagements ist es, die richtige Information zur richtigen Zeit der Person, die diese Information benötigt, zur Verfügung zu stellen. Neben Knowledge-Datenbank-Lösungen und sogenannten „e-rooms“ hob der Interviewte in diesem Kontext die zentrale Bedeutung des eigenen Intranets hervor, welches er als das wahrscheinlich immer noch weltgrößte Intranet beschrieb. Insgesamt wird Wissensmanagement aber deutlich vielfältiger als lediglich auf Daten- und Informationsmanagement beschränkt betrachtet. Das Unternehmen unternimmt darüber hinaus große Anstrengungen vor allen Dingen in den Bereichen Wissens(mit)teilung und -entwicklung. So versucht das Unternehmen nicht nur einzelnen Daten miteinander zu verknüpfen, sondern in erster Linie Menschen zusammenzuführen. Dies zeigt sich in diversen Communities, die sich während der Arbeitszeit treffen (dürfen). Das Unternehmen besitzt Communities of Practice, in denen sich Experten mit ähnlichen Tätigkeiten bereichsübergreifend zusammenfinden, Communities of Interest, in denen sich verschiedene Personengruppen mit gleichen Interessen (z. B. Schwule) treffen und Communities, in denen Mitarbeiter wie beispielweise Trainees oder Graduates, die zur Zeit die gleichen oder ähnliche Laufbahn-Schritte absolvieren, zusammengeschlossen werden. Ganz im Sinne der Familienidee des Leitbildes ist die Entstehung von informellen (Wissens-)Netzwerken das Ziel dieser Bemühungen. Außerdem werden auch Wissensbewahrung und die daraus resultierende Wissensnutzung zu einem späteren Zeitpunkt durch beispielsweise lessons learned im Unternehmen praktiziert. c. Organisationales Lernen und Lernende Organisation Eine Stabstelle der HR-Abteilung betreibt organisationales Lernen im Unternehmen; diese ist hauptsächlich als Prozessberater und im Bereich Change Management gefragt. Neben der Herausarbeitung von Kernprozessen und deren Nutzung und Veränderung sind es vor allen Dingen zwei Elemente, die dafür sorgen, dass das Unternehmen offen bleibt für neue interne wie auch externe Impulse. Das bereits im Leitbild angesprochene Selbstverständnis die Mitarbeiter nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als Weltbürger zu verstehen, d. h. dass diese sowohl Impulse für die Umwelt setzen, als auch Impulse der Umwelt aufnehmen sollen, ist das erste Element zur Offenheit für mögliche Veränderungen des Unternehmens. Das zweite Element ist die Betonung von Vielfalt, die Betonung der Diversity im Unternehmen. Diese praktizierte Diversity wird als Abbild der Gesellschaft verstanden, hilft dem Unternehmen, sich in unterschiedliche Zielgruppen besser hineinzuversetzen und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. In diesem Bewusstsein fördert das Unternehmen seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren individuellen Fähigkeiten und schätzt ihre persönlichen Eigenschaften und Besonderheiten als wichtige Werte für das Unternehmen. Ziele des organisationalen Lernens sind demzufolge die gesellschaftliche Verantwortung, die Wettbewerbsfähigkeit, die Mitarbeiterindividualität und -zufriedenheit.
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Neben den oben angesprochenen wesentlichen Elementen des organisationalen Lernens ist das Unternehmen bemüht durch beispielsweise interne und externe Benchmarks, Lebensfeldanalysen, der Nutzung von systemtheoretischen Theorien, aber auch durch kulturellen Austausch zwischen den verschiedenen Nationalitäten und Automarken im Unternehmen offen für neue Ideen zu bleiben, eigene Prozesse kontinuierlich zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern. 3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung a. Im Bezug auf das Wissensmanagement Die Personalentwicklung ist für das Wissensmanagement des Unternehmens sehr wichtig. Unterstützt wird das Wissensmanagement vor allem durch eine individuelle Karriere- und Laufbahnplanung, die Mitarbeiter und deren Wissen zu entwickeln hilft und diese langfristig an das Unternehmen bindet. Darüber hinaus ist die Personalentwicklung dafür zuständig, die Rahmenbedingungen für und die Entstehung von den bereits oben unter dem Punkt Wissensmanagement angesprochenen (Wissens)Netzwerken und vielfältigen Communities zu unterstützen. Außerdem bemerkte der Interviewpartner, dass aus seiner Sicht Personalentwicklung die zentrale Unternehmensaufgabe sei und demzufolge eher die Frage gestellt werden müsse, in wieweit das Wissensmanagement einen Beitrag zur Personalentwicklung leisten könne. Verbesserungsmöglichkeiten wurden daher darin gesehen, das Thema Wissensmanagement als Handwerkszeug der Personalentwicklung stärker in den Fokus zu nehmen und deren Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Personalentwicklung besser zu nutzen. b. Im Bezug auf organisationales Lernen bzw. die Lernende Organisation Auch für das organisationale Lernen ist die Personalentwicklung nach Meinung des Interviewten sehr wichtig. Dies wird allein schon durch die Integration der Stabstelle für organisationales Lernen in die Abteilung HR unterstrichen. Die Personalentwicklung unterstützt organisationales Lernen speziell durch die Gestaltung von Diversity und durch Kulturentwicklung und -vermittlung in Richtung Weltbürger. Aber auch die Kultur der Offenheit, die eine kontinuierliche Aufnahme neuer Informationen und Generierung neuer Ideen ermöglicht, wird aktiv von der Personalentwicklung gefördert. c. Entwicklung der Personalentwicklung Nach Meinung des Interviewten wird sich die Personalentwicklung des Unternehmens verstärkt in Richtung selbstgesteuertes Lernen in Gruppen durch Verantwortungsdelegation hin zum Mitarbeiter verändern. Hierbei kommt den einzelnen Mitarbeitern und deren Führungskräften eine stärkere Rolle als Träger der Personalentwicklung zu. Außerdem werden hauptsächlich administrative Personalentwicklungs-Prozesse wie Seminarbuchung etc. weitestgehend mit Hilfe von IuK-Technologien automatisiert
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und standardisierbare Seminare wie beispielsweise Office-Schulungen vermehrt aus dem Unternehmen ausgelagert. All diese Veränderungen führen zu einer Verschlankung der Personalentwicklung und ermöglichen eine stärkere Konzentration und Betonung der Kernbereiche erfolgreicher Personalentwicklung.
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Anhang 4: Protokoll 3 vom 18.08.2005 1. Daten und Fakten Das Unternehmen ist ein weltweit tätiger Automobilzulieferer und entwickelt und produziert Filtersysteme sowohl für die Automobil- und Motorenindustrie, als auch für den Bereich der Industrie- und Umwelttechnik. Am interviewten Hauptstandort arbeiten zur Zeit ca. 900 Mitarbeiter; weltweit sind es etwas 1200 Mitarbeiter. Das Unternehmen hatte im letzen Jahr einen Gesamtumsatz von über 160 Mio. €. Zum Interview zur Verfügung stand die Abteilungsleiterin der Personalabteilung, die seit über fünf Jahren im Unternehmen arbeitet. Diese absolvierte Ausbildungen zur Kauffrau, zur Personalkauffrau und zur Personalwirtin (FH). „Mit uns in eine sichere Zukunft“ gilt im Sinne eines Leitbildes als Selbstverständnis und Qualitätsmerkmal des Unternehmens. Dieses Leitbild wird hauptsächlich identitätsstiftend für die eigenen Auszubildenden, aber auch als Werbebotschaft verwendet. 2. Unternehmens-Praxis a. Personalentwicklung Eine institutionalisierte Personalentwicklung gibt es im Unternehmen nicht. Personalentwicklung wird eher aus funktionaler Sicht betrachtet und basisnah in den Fachabteilungen von den jeweiligen Führungskräften für und mit den eigenen Mitarbeitern gestaltet. Das jährlich stattfindende Mitarbeitergespräch mit integrierter Zielvereinbarung ist ein wichtiges Hilfsmittel zur bedarfsgerechten Qualifizierung und Förderung, die entweder durch externe Anbieter oder „on the job“ durchgeführt werden. Die Führungskräfte als Verantwortliche für die Personalentwicklung werden von der Personalabteilung, die aus sechs Personen besteht, bei Bedarf durch Beratung und Seminarorganisation nach Kräften unterstützt. Ziel der so praktizierten Personalentwicklung ist es, die Potenziale der Mitarbeiter zu erkennen, diese ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen und Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern. Personalentwicklung findet hierbei häufig „on the job“ statt, sei es am eigenen Arbeitsplatz oder im Rahmen von Projektarbeit. Gerade durch die Übernahme und Leitung von Projekten werden die Mitarbeiter in vielerlei Hinsicht gefordert und gefördert. b. Wissensmanagement Auch für Wissensmanagement gibt es im Unternehmen keine eigene Abteilung, ebenso wie bei der Personalentwicklung sind die Führungskräfte, aber auch die Mitarbeiter selbst zuständig. Wissensmanagement wird nicht im Sinne eines Daten- und
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Informationsmanagements betrieben, sondern bezieht sich direkt auf die eigenen Mitarbeiter und deren Wissen. Aufgabe der Führungskräfte ist es dabei schwerpunktmäßig das bei den Mitarbeitern vorhandene Wissen zu identifizieren. Dieses Wissen ist dabei nicht immer direkt abrufbar, sondern muss erst mühsam ermittelt und expliziert werden. Ziel dieser Maßnahmen ist die Gewährleistung, dass Projekte angenommen und erfolgreich bearbeitet werden können. Gerade durch die Projektarbeit bieten sich Möglichkeiten eigenes Wissen einzusetzen und praxisrelevant zu erproben. Vielfältige Anstrengungen werden auch im Bereich der Wissensentwicklung unternommen. Dadurch das Mitarbeiter bereit sind, ihr Wissen dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen und immer wieder innovativ Neues ausprobieren, konnte das Unternehmen in der Vergangenheit viele Patente erwerben. c. Organisationales Lernen und Lernende Organisation Auch wenn es in Bezug auf das organisationale Lernen diverse Ziele gibt, wird dieses im Unternehmen nicht systematisch betrieben. Einer der Gründe hierfür ist, dass eine eigene Abteilung für organisationales Lernen aufgrund der flachen Hierarchien mit nur drei Ebenen nicht notwendig erscheint. Als Ziel des organisationalen Lernens wird im Unternehmen neben der Steigerung der Effektivität des Arbeitens vor allen Dingen ein veränderter Umgang mit Fehlern gesehen, d. h. Fehler nicht nur als vermeidungswürdig zu betrachten, sondern diese immer auch als Ausgangspunkt für Entwicklung wichtig zu nehmen. Anstatt eine eigene Abteilung für die Reflektion von Prozessen zu besitzen oder Veränderungen mit Hilfe von externen Seminaren angehen zu wollen, wird im Unternehmen den jeweiligen Teams diese Verantwortung übertragen. Das Team ist der Ort, wo der einzelne Mitarbeiter über die eigene Selbstverantwortung zur Veränderung hinaus Hilfe finden kann. Auch soziales Lernen findet durch die Zusammenarbeit in Teams statt. 3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung a. Im Bezug auf das Wissensmanagement Auch wenn das Unternehmen keine eigene Personalentwicklungsabteilung besitzt, ist die Funktion Personalentwicklung laut der Interviewten wichtig bis sehr wichtig. Die Personalentwicklung unterstützt das Wissensmanagement hierbei durch interne wie externe Benchmarks, gestaltet den zwischenmenschlichen Austausch und qualifiziert mit Hilfe von Seminaren. Außerdem werden die Mitarbeiter durch Projektübernahmen gefördert und gefordert. Alle Maßnahmen werden durchgeführt mit dem Ziel, das Wissen der Mitarbeiter in Zukunft noch besser einsetzen zu können.
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b. Im Bezug auf organisationales Lernen bzw. die Lernende Organisation Was oben bereits für das Wissensmanagement gegolten hat, gilt auch für das organisationale Lernen. Auch hierfür ist die Funktion Personalentwicklung wichtig bis sehr wichtig für das eigene Wissensmanagement. Diese unterstützt Teams und Teamentwicklung, da gerade Teams im Unternehmen als Ort der Veränderung gelten. Außerdem fordert die Personalentwicklung von den Mitarbeitern selbstgesteuerte Entwicklung und Veränderung. Vor allem die unterstützungswürdige Kultur des entwicklungsorientierten Umgangs mit Projekten und mit Fehlern kann als wichtiges Gestaltungsfeld der Personalentwicklung in Bezug auf das organisationale Lernen gesehen werden. c. Entwicklung der Personalentwicklung Nach Meinung der Interviewpartnerin muss sich in Zukunft auf Grund des schnellen Mitarbeiterwachstums und des starken Wettbewerbs, dem das Unternehmen ausgeliefert ist, noch intensiver mit der Personalentwicklung auseinandergesetzt werden. Es gilt die Personalentwicklung näher und gezielter zu betrachten und systematischer einzusetzen, was wahrscheinlich auch zu einer Institutionalisierung dieser in Form einer eigenen Abteilung führen wird. Die Interviewte hofft, dass hierunter das jetzige, gut funktionierende System der Personalentwicklung mit der Verantwortung bei Fachabteilungen und Vorgesetzen nicht leidet.
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Anhang 5: Protokoll 4 vom 25.08.2005 1. Daten und Fakten Das interviewte Unternehmen ist ein weltweiter Automobilzulieferer und führend bei der Herstellung von Präzisionsketten. Am interviewten Hauptstandort arbeiten 650 Mitarbeiter; insgesamt ca. 850 Mitarbeiter. Diese erwirtschafteten im Jahr 2004 einen Gesamtumsatz von über 140 Mio. Euro. Die Interviewpartnerin ist Diplom Psychologin und bereits seit acht Jahren im Unternehmen. Dort arbeitet sie mit einer Kollegin zusammen als Referentin Personalentwicklung. Das Unternehmensleitbild setzt sich zusammen aus der übergeordneten Vision „Mit Begeisterung die Welt bewegen“ und vier konkreten Führungsleitlinien, die sowohl motivationale und kooperative Elemente beinhalten, als auch den individuellen Bereich der kritischen Selbstbetrachtung mit dem Ziel der kontinuierlichen Entwicklung und das Vorbildsein von Führungskräften thematisieren. 2. Unternehmens-Praxis a. Personalentwicklung Personalentwicklung wird im Unternehmen ernsthaft seit dem Jahr 2001 betrieben und ist eine eigenständige Unterabteilung der Abteilung Personal & Organisation. Zur Zeit arbeiten in der Personalentwicklung zwei Personen. Diese sind zuständig sowohl für die Initiierung, Konzeption und Durchführung von Personalentwicklungsmaßnahmen. Unterstützt werden sie hierbei in den Bereichen Konzeption und Durchführung von den bewusst aktiv in die Personalentwicklung mit eingebundenen Führungskräften. Die Personalentwicklung übernimmt Aufgaben des bedarfsorientierten Trainings, der individuellen Beratung und fördert und begleitet Maßnahmen der Kompetenz-, Führungskräfte- Team-, und Organisationsentwicklung. Außerdem wird versucht, durch enge Kooperation mit Schulen und Hochschulen, Nachwuchs zu gewinnen. Auch die Entwicklung von Nachwuchsführungskräften wird von der Personalentwicklung betrieben. Übergeordnetes Ziel der so betriebenen Personalentwicklung ist es, dafür zu sorgen, dass der richtige Mitarbeiter mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit am richtigen Platz ist. Nur so kann die Leistungsfähigkeit und Wertschöpfung der Mitarbeiter erhöht und ein Wettbewerbsvorteil des Unternehmens generiert werden. Weiteres Ziel ist die Erhöhung und Sicherstellung der Mitarbeiterzufriedenheit. Darüber hinaus werden jährliche Zwischenziele entwickelt, die sich direkt aus den Gesamtzielen der Abteilung Personal & Organisation ergeben.
b. Wissensmanagement
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Das Unternehmen betreibt Wissensmanagement insbesondere im Bezug auf die eigenen Mitarbeiter und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Dieser Schwerpunkt wird durch den hierfür anstatt Wissensmanagement verwendeten Begriff des Kompetenzmanagements unterstrichen. Wissensmanagement setzt also beim Mitarbeiter, dem Träger des Wissens, an. Eine eigene Abteilung gibt es für das Kompetenzmanagement nicht, hierfür zuständig ist die Personalentwicklung, die bei diesem Thema eng mit den jeweiligen Führungskräften zusammenarbeitet. Das Wissensmanagement besitzt so verstanden die Aufgaben, bestehende Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter zu analysieren, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu schaffen und beim Mitarbeiter die Bereitschaft zu wecken, diese in die eigene Arbeitstätigkeit einzubringen. Besonders hervorzuheben ist nach Meinung der Interviewten, dass sich diese Maßnahmen des Wissensmanagements nicht nur auf den Angestelltenbereich beschränken, sondern auch die gewerblichen Mitarbeiter mit einbeziehen. Unterstützt wird das Wissensmanagement von der Abteilung Datenverarbeitung, die digitale Soll-Ist-Vergleiche der Mitarbeiterkompetenzen mit Hilfe von SAP/ HR zur Verfügung stellt; hierzu wurde im Vorfeld ein digitaler Kompetenzkatalog aufgebaut. Im Rahmen des 2005 gegründeten Bildungswerkes gibt es einen Baustein mit dem Namen „Denkschmiede“, der als offenes Forum interdisziplinär konzipiert ist und auch ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens z. B. als Mentoren mit einbezieht. Ziel des Forums ist die Koordination des Wissenstransfers (von interdisziplinären Experten und Mitarbeitern aus Hochschulen und anderen Unternehmen) ins eigene Unternehmen. Die bearbeiteten Themen des Forums beziehen sich im Wesentlichen auf zukünftige Entwicklungen von Arbeit, Lernen und Leistung. Ziel all dieser Bemühungen ist erstens die Umwandlung von Mitarbeiter- und Führungskräfte-Potenzialen in Leistung und somit die Erhöhung der beruflichen Handlungsfähigkeit, die durch gleichzeitige Fach-, Sozial-, Methoden- und Selbstkompetenz gekennzeichnet ist und zweitens die konsequente Erweiterung und Nutzung des Unternehmenswissens. c. Organisationales Lernen und Lernende Organisation Mit dem Thema Lernende Organisation setzt sich das Unternehmen seit ca. 1 Jahr intensiver im Rahmen der Gründung eines eigenen Bildungswerkes auseinander. Lernende Organisation wird vom Unternehmen verstanden als kontinuierliche Organisationsentwicklung. Außerdem ist jeder Mitarbeiter immer wieder gefordert, das eigene Selbstkonzept, sein Handeln und die daraus resultierenden Ergebnisse zu reflektieren und gegebenenfalls zu verändern. Das gegründete Bildungswerk, dass sich als Ziel die Lernende Organisation gesetzt hat, schafft Rahmenbedingungen für ein lebenslanges Lernen vor allem der Organisationsmitglieder. Das Bildungswerk spannt den Bogen von der vorschulischen Ausbildung über die Schulausbildung, Universität, Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung bis hin zu arbeitsplatzbezogenem und selbstorganisiertem Lernen.
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Zuständig für Initiierung und Konzeption von Maßnahmen des organisationalen Lernens und Aufgaben des Bildungswerkes ist die Abteilung Personal & Organisation. Diese wird bei der Ausführung von Einzelmaßnahmen durch die Personalentwicklung unterstützt. Ziel des organisationalen Lernens bzw. auch des Bildungswerks, ist in erster Linie die fortwährende schöpferische Anpassung der Organisation an veränderte Marktbedingungen. Außerdem will das Unternehmen durch ihr Konzept der Lernenden Organisation seine Verantwortung für Mitarbeiter und Gesellschaft wahrnehmen. 3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung a. Im Bezug auf das Wissensmanagement Die Personalentwicklung ist für das Wissensmanagement des Unternehmens sehr wichtig, was sich bereits daran festmachen lässt, dass die Personalentwicklung zusammen mit den Führungskräften insbesondere für die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter zuständig ist. Die Interviewte wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Wissensmanagement nicht unbedingt als etwas Eigenständiges betrachtet werden muss; sondern vielmehr als eines von vielen Konzepten und Instrumenten der Personalentwicklung. Um Prozesse der Identifizierung, Entwicklung und des Einsatzes von Wissen mit dem Ziel der Erhöhung der beruflichen Handlungsfähigkeit zu initiieren, versucht die Personalentwicklung alternative Möglichkeiten der Personalentwicklung zu suchen und umzusetzen. Durch die Übernahme von Projektverantwortung bzw. die Teilnahme an Projekten, durch die Förderung des Lernens direkt am Arbeitsplatz und durch Herausforderungen neu übertragener Aufgaben sollen Kompetenzen der Mitarbeiter ganzheitlich entwickelt werden. b. Im Bezug auf organisationales Lernen bzw. die Lernende Organisation Nach Meinung der Interviewten ist die Personalentwicklung auch für die Lernende Organisation sehr wichtig. Vor allen Dingen durch das Formulieren und Einführen von Führungsleitlinien und die Unterstützung der Führungskräfte beim Leben mit diesen wurde von der Interviewten als entscheidender Beitrag der Personalentwicklung zum Konzept der Lernenden Organisation genannt. Dadurch, dass die Führungskräfte als Vorbilder ihre eigene Entwicklung durch Selbstreflexion aktiv angehen, soll in Zukunft eine Kultur der kontinuierlichen, teilweise selbstgesteuerten Entwicklung entstehen. Aber auch durch die Gestaltung von Lernprozessen und deren Rahmenbedingungen leistet die Personalentwicklung wichtige Unterstützungsarbeit in Richtung Lernende Organisation. In Zukunft sollen in Bezug auf organisationales Lernen Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen individuellen und organisationalen Kompetenzen noch näher angesehen, beachtet und gestaltet werden. c. Entwicklung der Personalentwicklung
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Die eigene Personalentwicklung sieht die Interviewte in Zukunft nicht allzu stark verändert. Da diese bereits einen hohen Standard besitzt, gelten die Anstrengungen eher der Erhaltung des erreichten Niveaus, was nur durch lebenslanges Lernen und kontinuierliche Neuentwicklung von bestehenden Konzepten möglich ist. Lediglich der bereits eingeschlagene Weg, weg von der Qualifizierung durch externe Seminare hin zu arbeitsplatznäherem Lernen, wird in Zukunft mit Sicherheit verstärkt eingeschlagen werden.
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Anhang 6: Protokoll 5 vom 01.09.2005 1. Daten und Fakten Das interviewte Unternehmen ist ein weltweit führender Automobilzulieferer im Bereich Interieur und Elektrik/ Elektronik mit weltweit ca. 30000 Mitarbeitern. Im letzten Jahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von ca. 1300 Mio. Euro. Am interviewten Hauptstandort in Deutschland arbeiten zur Zeit 2000 Mitarbeiter. Die Interviewte ist Dipl. Psychologin und seit über anderthalb Jahren als Mitarbeiterin der Personalentwicklung im Unternehmen beschäftigt. Eine Projektgruppe (der Visionsarbeitskreis) arbeitet seit gut einem Jahr an einem konkreten Unternehmensleitbild. Zur Zeit besitzt das Unternehmen handlungsleitende Unternehmensgrundsätze bezüglich Mitarbeiter, Führung, Kunde, Produkt, Qualität, Flexibilität, Umwelt und Wettbewerb. 2. Unternehmens-Praxis a. Personalentwicklung Seit drei Jahren ist die vorher dezentral organisierte Personalentwicklung als Untergruppe in die Abteilung Group Center Personal, unter der Bezeichnung „Personalentwicklung/ Grundsatzfragen“, eingegliedert. Zu dieser gehören sowohl die Gruppe Rekrutierung, als auch die Gruppe Personalentwicklung und das für die Qualifizierung zuständige Seminarzentrum. Maßnahmen der Personalentwicklung werden direkt von den Personalentwicklern konzipiert und initiiert. Die konkrete Ausgestaltung dieser soll dann durch die Führungskräfte erfolgen, die aber zur Zeit aufgrund vieler neuer Konzepte noch auf die Hilfe, Unterstützung und Beratung der Personalentwickler angewiesen sind. Ziel der Personalentwicklung ist es, insbesondere weg von einzelnen Personalentwicklungsprojekten, hin zu Personalentwicklungssystemen zu kommen, d. h. die Einzelmaßnahmen der Personalentwicklung dauerhaft aufeinander abzustimmen und diese Systeme dann im Unternehmen zu implementieren. Die schwerpunktmäßigen Aufgaben der Personalentwicklung sind neben der Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs im Mitarbeiterjahresgespräch und deren Bedarfsdeckung durch das eigene Seminarcenter, sowohl begleitende Maßnahmen wie Coaching und Mentoring als auch Führungskräfteentwicklung, Stellenbeschreibungen und Change Management. b. Wissensmanagement Der Begriff Wissensmanagement wird im Unternehmen nicht verwendet, dennoch werden einzelne Wissensmanagementmaßnahmen im Unternehmen durchgeführt. Schwerpunkt dieser Maßnahmen ist die Informationsverteilung und -bereitstellung mit dem Ziel, im Unternehmen Transparenz bezüglich relevanter Informationen zu
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schaffen. Demzufolge liegt die Zuständigkeit für Maßnahmen des Wissensmanagements hauptsächlich bei der IuK-Abteilung, die eng mit den Abteilungen zusammenarbeitet. Der Personalentwicklung kommt in diesem Rahmen unterstützende und beratende Funktion zu. Eine der Maßnahmen des Wissensmanagements ist die Gestaltung des unternehmensweiten und in den Abteilungen individualisierten Intranets als Ort der Informationsverteilung. Außerdem wird den Mitarbeitern ein Skillkatalog zum Abgleich von eigenen Qualifizierungen und Stellenprofilen zur Verfügung gestellt. c. Organisationales Lernen und Lernende Organisation Der Begriff der Lernenden Organisation wird so im Unternehmen nicht verwendet und auch Maßnahmen, die eine Lernende Organisation zum Ziel haben, sind im Unternehmen zur Zeit noch in den Anfängen. Viele der durchgeführten Maßnahmen gelten weniger der organisationalen Veränderung, sondern vielmehr der externen Kundenpräsentation. Zuständig für die vorhandenen Qualitätsmanagement.
Maßnahmen
ist
vor
allem
die
Abteilung
Schwerpunkt der Tätigkeit ist das Ausarbeiten von Leitlinien und Konzepten zu Organisationsveränderungen, die aber bisher selten praktische Relevanz für die Organisation haben. Die Initiierung von kontinuierlichen Veränderungsprozessen und die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit sind die langfristigen Ziele dieser Bemühungen.
3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung a. Im Bezug auf das Wissensmanagement Für das Wissensmanagement ist die Personalentwicklung wichtig. Auch wenn zur Zeit Wissensmanagement verstärkt als Informationsmanagement betrieben wird, kommt der Personalentwicklung in Bezug auf das Management des Wissens im Unternehmen eine wichtige Rolle zu. Diese gestaltet individuelle Lernprozesse und sorgt für die Ausrichtung der Mitarbeiterqualifizierungen an den Unternehmenszielen. Außerdem zieht sie die Führungskräfte mit ein und schafft durch organisationsentwickelnde Maßnahmen die für Wissensmanagement benötigten Rahmenbedingungen. b. Im Bezug auf organisationales Lernen bzw. die Lernende Organisation Gerade für Konzepte der Lernenden Organisation ist die Personalentwicklung sehr wichtig. Diese übernimmt Aufgaben der Initiierung von Teamlernen und der Förderung von Projektkulturen als Ort des Lernens und der individuellen Veränderung. Aber auch das Anbieten von Prozess- und Lösungsberatung und die Moderation bei
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Anhang 6: Protokoll 5 vom 01.09.2005
Umstrukturierungsmaßnahmen hilft Prozesse und Strukturen zu reflektieren und ständig weiterzuentwickeln. c. Entwicklung der Personalentwicklung Die eigene Personalentwicklung sieht die Interviewpartnerin in Zukunft internationaler aufgestellt. Aber auch durch die Entwicklung hin zu einer (pro)aktiveren Rolle wird die Personalentwicklung in Zukunft geprägt sein. Eine Verbesserung erwartet die Interviewte bezüglich der innerbetrieblichen Akzeptanz der Personalentwicklung von Seiten der Führungskräfte.
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Anhang 7: Protokoll 6 vom 06.09.2005 1. Daten und Fakten Interviewt wurde der produzierende Standort (Produktion von Reifen) eines weltweit führenden Automobilzulieferers im Bereich Reifen, Bremsen, Fahrdynamik, Elektronik und Sensorik. Am Standort arbeiten ca. 1400 Mitarbeiter, im Gesamtunternehmen ca. 81000 Mitarbeiter. Diese erwirtschafteten im letzten Jahr 12600 Mio. Euro. Der Interviewpartner ist Dipl. Wirtschaftingenieur, seit 13 Jahren im Betrieb und seit 2 Jahren als Personalentwickler am Standort tätig. Das Unternehmensleitbild orientiert sich an der Balance Scorecard, wobei die Bereiche Kunde, Finanzen, Mitarbeiter und Prozesse bedacht werden. Auf Konzernebene werden auf dieser Grundlage Visionen für das Gesamtunternehmen formuliert, die dann auf die einzelnen Standorte heruntergebrochen und dort individualisiert und konkretisiert werden. 2. Unternehmens-Praxis a. Personalentwicklung Die Personalentwicklung besitzt am Standort keine eigene Abteilung, sondern ist neben dem Personalleiter, den Personalreferenten und dem Lohn und Gehalt integriert in die Personalabteilung. Im Bereich Personalentwicklung arbeitet lediglich der Interviewpartner. Die Initiierung und Konzeption von Personalentwicklungsmaßnahmen wird hierbei zentral am Hauptstandort geleistet, am Standort selber dagegen sind vor allem die Führungskräften mit Unterstützung des Personalentwicklers zuständig für die Umsetzung der Personalentwicklungsmaßnahmen. Von dieser werden vielfältige Maßnahmen durchgeführt: von der Ausbildung und Einarbeitung gewerblicher Mitarbeiter über die Erfassung des Qualifizierungsbedarfs mittels Mitarbeiter- und Potenzialgesprächen und deren Deckung mit Hilfe eines ständigen Seminarprogramms bis hin zu Strukturveränderungen auf Teamebene. Hierzu gehört auch die Unterstützung von lebenslangem Lernen. Ziel der Personalentwicklung am Standort ist die bedarfsgerechte Qualifizierung und der bedarfsgerechte Einsatz von Mitarbeitern, was auch die Identifikation und Förderung von Mitarbeiter-Potenzialen mit einschließt. Aber auch die aktive Vorbereitung auf die demographische Entwicklung durch Förderung von lebenslangem Lernen und Strukturierung der Arbeit auch für Ältere etc. ist als Ziel der Personalentwicklung zu nennen. b. Wissensmanagement Wissensmanagement wird am Standort, wenn auch nicht explizit unter diesem Namen, vor allen Dingen als Informationsmanagement betrieben.
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Anhang 7: Protokoll 6 vom 06.09.2005
Zuständig für dieses sind hauptsächlich die Führungskräfte, aber auch die Personalentwicklung. Ziel des so gelebten Wissensmanagements ist die Informationsweitergabe von oben nach unten, wobei immer versucht wird, mehr Informationen zu geben als unbedingt notwendig und somit Informationsredundanz auf Seiten der Mitarbeiter zu schaffen. Maßnahmen hierfür sind das hauseigene Intranet, wo Informationen schnell abgerufen werden können und Einführungs- und Mentorenprogramme für neue Mitarbeiter inklusive Werksrundgängen. Aber auch Maßnahmen des „job enlargements“ und Seminare, die den Mitarbeitern die produzierten Produkte und Abläufe näher bringen sollen, helfen ein besseres Verständnis der Mitarbeiter für den Gesamtprozess zu entwickeln und auch intern in Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu denken und zu handeln. c. Organisationales Lernen und Lernende Organisation Auch der Begriff der Lernenden Organisation wird am Standort so nicht verwendet, obwohl es durchaus Maßnahmen in diese Richtung gibt. Zuständig für diese sind hauptsächlich die einzelnen Gruppen und Teams mit ihren Führungskräften. Dieser Teambereich ist am Standort sehr dynamisch. Die Gruppen überprüfen eigenständig ihre laufenden Prozesse und Abläufe und passen diese kontinuierlich an. Da diese Prozessveränderungen direkt aus den Gruppen kommen, gibt es am Standort verschiedene, auch deutlich voneinander abweichende Gruppenstrukturen und Abläufe. Auch die Notwendigkeit von lebenslangem Lernen im Zuge der demographischen Entwicklung wird durch Maßnahmen des organisationalen Lernens betont. Ziel obiger Maßnahmen ist die kontinuierliche Verbesserung von Prozessen und somit die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf Mitbewerber, aber vor allen Dingen auch die Sicherstellung von Wettbewerbsfähigkeit im konzerneigenen Vergleich. 3. Rolle und Aufgaben der Personalentwicklung a. Im Bezug auf das Wissensmanagement Für das Wissensmanagement ist die Personalentwicklung wichtig. Gerade durch das Angebot von informationsredundanzfördernden Maßnahmen kommt der Personalentwicklung als Anbieter von Qualifizierungen eine zentrale Rolle in Bezug auf das Wissensmanagement des Standorts zu. Auch die schnelle Integration von neuen Mitarbeitern und die Unterstützung von Kunden-Lieferanten-Beziehungen sind wichtige Maßnahmen der Personalentwicklung für das Wissensmanagement. b. Im Bezug auf organisationales Lernen bzw. die Lernende Organisation Für Konzepte Lernender Organisation ist die Personalentwicklung am Standort weniger wichtig. Die Anstöße zur Veränderung kommen hier meistens direkt aus der
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Gruppe. Allenfalls in Bezug auf die Förderung und Forderung von lebenslangem Lernen kommt der Personalentwicklung hierbei eine aktivere Rolle zu. c. Entwicklung der Personalentwicklung In Bezug auf zukünftige Veränderung der Personalentwicklung sieht der Interviewpartner insbesondere eine personelle Aufstockung und somit auch die Erhöhung des Stellenwertes der Personalentwicklung am Standort. Resultat dieser wäre eine verstärkte Konzentration und möglicher Ausbau von Coaching, persönlichem Gespräch und Prozessberatung.
Personal- und Organisationsentwicklung Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Müller-Vorbrüggen Birgit Hanen: Die Bedeutung der Personalentwicklung für das Turnaround-Management Band 1, ISBN 3-87988-912-0, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2005, 98 S., € 19.80
Samuel Falk: Personalentwicklung, Wissensmanagement und Lernende Organisation in der Praxis. Zusammenhänge – Synergien – Gestaltungsempfehlungen Band 2, ISBN 978-3-86618-119-9, Rainer Hampp Verlag, München und Mering, 2. Aufl. 2007, 117 S., € 24.80
Silke Kromrei: Zur Bedeutung und Praxis von Kompetenzmodellen für Unternehmen Band 3, ISBN 3-86618-004-7, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2006, 126 S. 19.80
Nicole Schlosser: Strategisches Management unter Einbezug eines strategischen Personalmanagements. Strategieentwicklung und empirische Untersuchung Band 4, ISBN 3-86618-053-5, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2006, 114 S. 19.80
Silke Kromrei: Zur Bedeutung und Praxis von Kompetenzmodellen für Unternehmen Band 3, ISBN 3-86618-004-7, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2006, 126 S. 19.80
In der heutigen Zeit hoher Arbeitslosigkeit zeigt es sich, dass trotz eines hohen Angebots an Arbeitskräften mit guten Grundqualifikationen die Unternehmen sich schwer tun, den richtigen Mitarbeiter auszumachen. Hilfreich für ein Unternehmen ist es, ein Instrument einzuführen, das für alle Personalprozesse herangezogen wird. Das Instrument ermöglicht, den passenden Mitarbeiter zu rekrutieren, seine erbrachten Leistungen angemessen und möglichst objektiv zu beurteilen und ihn durch Personalentwicklungsmaßnahmen in seinen sozialen-, methodischen-, fachlichen- und persönlichen Kompetenzen zu fördern. In der vorliegenden Arbeit werden Erfahrungen mit Kompetenzmodellen von neun namhaften Unternehmen unterschiedlichster Branchen aus Deutschland verglichen. Es werden u.a. Hintergründe für die Einführung eines Kompetenzmodells beleuchtet, Inhalte und Anwendungsgebiete gegenübergestellt, Verbesserungspotenziale aufgedeckt und Handlungsoptionen für andere Unternehmen aufgezeigt. Aus den Resultaten der neun geführten Interviews wurden Empfehlungen entwickelt, die Unternehmen sowohl bei der Einführung eines Kompetenzmodells als auch bei ihrer erfolgreichen Aufrechterhaltung nützlich sein sollen. Hierbei werden die drei Zeitdimensionen vor der Einführung, während der Einführung und in der Prozessphase zum einen aus dem Blickwinkel der Mitarbeiter, zum anderen aus Unternehmenssicht betrachtet. Den praxisbezogenen Interviews wird eine Darstellung der wissenschaftstheoretischen Ansätze vorangestellt. Das Kompetenzmodell wird im Personalmanagementkontext verortet, grenzt Kompetenz zu verwandten Begriffen wie Qualifikation und Schlüsselqualifikation ab und geht ausführlich auf die Kompetenzentwicklung in der Personalentwicklung unter dem Aspekt der Besonderheiten Lernen Erwachsener ein.
Nicole Schlosser: Strategisches Management unter Einbezug eines strategischen Personalmanagements. Strategieentwicklung und empirische Untersuchung Band 4, ISBN 3-86618-053-5, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2006, 114 S. 19.80
Unternehmen aller Branchen sind in der heutigen Zeit einem massiven Wettbewerb ausgesetzt. Um mit den Entwicklungen am Markt mitzuhalten, ist von den Unternehmen Anpassungsfähigkeit und Flexibilität gefordert. Davon betroffen sind auch die Mitarbeiter, die oft eine nur ungenaue Vorstellung dessen haben, was die Unternehmung zu Veränderungen zwingt und welche Faktoren für den Unternehmenserfolg ausschlaggebend sind. In der Schaffung eines einheitlichen Verständnisses und transparenter Zusammenhänge, die alle Mitarbeiter auf den gleichen Kurs bringen und auf die gleichen Ziele fokussieren, liegt oftmals die Schwierigkeit für viele Unternehmen. Das Buch untersucht die Frage, welche Instrumente Unternehmen zur Verfügung stehen, eine umsetzbare Unternehmensstrategie unter Beteiligung aller Betroffenen mit konkreten handlungsweisenden Zielvereinbarungen zu entwickeln und deren Umsetzung zu gewährleisten. Es wird dazu ein Konzept entwickelt, welches die vier Instrumente SWOT-Analyse, Portfolio-Analyse, Balanced Scorecard und Zielvereinbarungen kombiniert. Mit deren Hilfe gelingt es, von der umfassenden Unternehmens- und Umfeldanalyse bis hin zur Sicherung der Zielerreichung einen systematischen Prozess zu initiieren, der die ganzheitliche strategische Ausrichtung der Unternehmung ermöglicht und über die Partizipation der Mitarbeiter größtmögliche Transparenz und ein einheitliches strategisches Verständnis in allen Unternehmensbereichen schafft. Die im Rahmen der Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung zur Strategieentwicklungspraxis in deutschen Unternehmen zeigt, dass strategisches Management heute unabhängig von Branche und Größe ein wichtiges Thema ist, die konsequente Anwendung von Strategieentwicklungskonzepten in den befragten Unternehmen bisher jedoch nur begrenzt stattfindet.