Konzepte der Humanwissenschaften
John Grinder, Richard Bandler Therapie in Trance Neurolmguistisches Programmieren (NLP...
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Konzepte der Humanwissenschaften
John Grinder, Richard Bandler Therapie in Trance Neurolmguistisches Programmieren (NLP) und die Struktur hypnotischer Kommunikation Herausgegeben von Connirae Andreas Aus dem Amerikanischen übersetzt von Sabine Behrens
Klett-Cotta
Klett-Cotta Die Originalausgabe erschien unter dem Titel 'TRANCE-Formations. Neuro Linguistic Programming™ and the Structur of Hypnosis" © 1981 by Real People Press, Moab/Utah Für die deutsche Ausgabe © J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart 1984 Fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlags Printed in Germany Umschlag: Philippa Walz, Böblingen Auf säure- und holzfreiem Werkdruckpapier gedruckt und gebunden von Ludwig Auer GmbH, Donauwörth Neunte Auflage, 1998 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Grinder, John: Therapie in Trance : Neurolinguistisches Programmieren (NLP) und die Struktur hypnotischer Kommunikation / John Grinder; Richard Bandler. Hrsg. von Connirae Andreas. Aus dem Amerikan. übers, von Sabine Behrens. 9. Aufl. - Stuttgart: Klett-Cotta, 1998 (Konzepte der Humanwissenschaften) Einheitssacht.: Trance formations
ISBN 3-608-95140-7 NE: Bandler, Richard:
Inhalt Vorwort... 9 1 Einführung... 15 Übung 1 . . . 18 Übung 2 . . . 23 Übung 3 . . . 44 Zusammenfassung... 51 2 Einfache Induktionen... 53 Verbales Pacing und Führen: Die 5-4-3-2-1-Übung... 54 Nonverbales Pacing und Führen... 64 Von einem Wahrnehmungssystem zum anderen... 65 Rückgriffe auf frühere Trancezustände... 72 Spontane Trancezustände... 73 Ü b u n g 4 . . . 78 Diskussion... 80 Trancezustände verankern... 87 Analoges Markieren/Kennzeichnen... 90 Übung 5 . . . 93 Diskussion: Verneinte Befehle und polare Reaktionen... 94 3 Induktionen für Fortgeschrittene... 98
Die Autoren: John Grinder und Richard Bandler waren Schüler von Milton H. Erickson und haben die Methode der „Neurolinguistischen Programmierung" entwickelt. Sie sind Autoren verschiedener Bücher über Trance induzierende Kommunikationsprozesse.
Hebelinduktionen und Handlungsunterbrechung... 98 Überladen... 110 Die Macht der persönlichen Ausstrahlung... 116 Verschachtelte Realitäten... 117 Übung 6 . . . 121 Inkorporation und der Umgang mit Abreaktionen... 123 Schlußwort am Abend... 132
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Anhang I: Augenbewegungen bei der Informationsverarbeitung... 313
4 Therapeutische Nutzung... 135 Prozeß-Instruktionen... 135 Schöpferische Veränderung: Hypnotische Träume... 156 Übung 7 . . . 159 Abschlußformeln... 161 Generalisierungen aufbauen... 163
Anhang II: Hypnotische Sprachmuster DasMilton-Modell... 316 Anmerkung... 330 Literatur... 331
5 Veränderung des Bezugsrahmens (Reframing) im Trancezustand... 182 Einführung... 182 Reframing... 194 Grundzüge des Reframing (Übersicht)... 209 Diskussion... 211 6 Spezielle Techniken der therapeutischen Nutzung
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Neues Verhalten herstellen... 236 Identifikation in tiefer Trance... 244 Schmerzbekämpfung... 250 Amnesie... 254 Reaktivierung verdrängter Erlebnisse... 260 7 Feinabstimmung... 266 Übung 8 . . . 268 Ü b u n g 9 . . . 270 Übung 1 0 . . . 271 Die Kristallkugel-Übung... 272 8 Selbsthypnose... 281 Diskussion... 289 9 Fragen... 295 Schlußwort... 309 6
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Vorwort Wo immer das Wort »Hypnose« fällt - meistens ruft es heftige Stellungnahmen hervor, positive wie negative. Für viele ist sie reiner Schwindel oder eine Methode, Menschen zu Marionetten zu machen. Andere glauben, sie sei ein Allheilmittel (»gegen Kopfschuppen und Plattfüße...«), und wieder anderen erscheint sie so gefährlich, daß man am besten einen großen Bogen darum macht. Seit Jahrhunderten sind Trance-Erfahrungen in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen ein bekanntes Phänomen, und meistens umgibt sie der Mythos des Magischen und Unerklärlichen. Dieses Buch jedoch eröffnet uns, daß das vermeintlich »Magische« an der Hypnose lediglich eine ganz bestimmte Vorgehensweise ist - ein durchaus verständliches Verfahren, das man nicht nur für die Hypnose im eigentlichen Sinn, sondern auch in der Alltagskommunikation anwenden kann. Immer, wenn John Grinder und Richard Bandler gemeinsam ein Hypnose-Seminar leiten, sagt irgendwann einer von beiden: »Eigentlich ist jede Kommunikation Hypnose«, und der andere antwortet: »Da muß ich widersprechen. Nichts ist Hypnose - so etwas wie Hypnose gibt es gar nicht.« In einem gewissen Sinn sagen sie damit aber beide dasselbe, und jeder von ihnen hat recht. Wenn ich Ihnen zum Beispiel davon erzähle, daß ich kürzlich während meiner Flitterwochen auf der Halbinsel Yucatan zum Schnorcheln war, wenn ich Ihnen die leichtfließenden Bewegungen der Tropenfische mit ihren leuchtenden Farben schildere, das rhythmische Rauschen der sanften Dünung am Strand, das Gefühl, wie mich die warmen Wellen wiegen, während meine Blicke durch die Szenerie unter Wasser wandern - so will ich wohl damit Ihren Bewußtseinszustand verändern, nämlich in der Weise, daß Sie etwas fühlen und empfinden, das Ihnen einen Eindruck von dem vermittelt, was ich empfunden habe. Wenn Sie dann am liebsten so schnell wie möglich auch dorthin fahren möchten, habe ich dieselben Kommunikationsmuster benutzt wie ein erfolgreicher Hypnotiseur - oder ein erfolgreicher Dichter, Verkäufer, Erzieher, Politiker, Religionsführer usw. Wenn man also unter Hypnose versteht, daß jemand den Bewußtseinszustand des anderen verändert 9
oder beeinflußt, dann ist in der Tat jede gelungene Kommunikation »Hypnose«. Zu den einfacheren hypnotischen Kommunikationsmustern gehört zum Beispiel der »verneinte Befehl«. Wenn ich sage: »Denken Sie nicht an die Farbe >blau<«, dann müssen Sie an die Farbe >blau< denken, um meine Äußerung erst einmal zu verstehen. Wenn ein Hypnotiseur sagt: »Ich möchte nicht, daß Sie sich allzu schnell entspannen«, dann bemerkt der Angesprochene oft, daß er doch dabei ist, sich zu entspannen - einfach, weil er sich klarmacht, was diese Worte bedeuten. Man macht es dem Betroffenen also nahezu unmöglich, adäquat zu reagieren, wenn man mit einem >verneinten Befehl< beginnt. Nach demselben Muster, wenn auch weniger offensichtlich, wird kommuniziert, um >unerwünschte< Reaktionen zu provozieren. So sagt die Mutter, in bester Absicht, zu ihrem Kind: »Klekker nicht mit der Milch!« oder: »... daß du mir nicht stolperst!« Ebenso sagt der Ehemann, der es gut meint, zu seiner Frau: »Mach dir keine Sorgen« oder: »Bitte mach dir keine Gedanken, was wohl passiert, während du weg bist.« Der Angesprochene muß sich das unerwünschte Verhalten vergegenwärtigen, um zu verstehen, was da gesagt wurde, und eben damit wird das unerwünschte Verhalten wahrscheinlicher; unbewußt, ohne es zu wissen, »hypnotisiert« der Sprecher das Kind oder den Ehepartner dazu, gerade in der unerwünschten Weise zu reagieren. Ebenso dienen solche Wendungen aber auch dazu, beim Adressaten sinnvolleres Verhalten zu bewirken, sei er >in Trance< oder nicht. Zum Beispiel: »Schrauben Sie Ihre Erwartungen nicht allzu hoch, wenn Sie dieses Buch zu lesen beginnen.« Oder: »Sie sollten jetzt nicht allzu gespannt beobachten, ob Sie sich in den kommenden Wochen ändern.« Da sich die Hypnose also nicht grundlegend von irgendeiner anderen Kommunikation unterscheidet, gibt es so etwas wie Hypnose gar nicht als abgrenzbares Phänomen. In den meisten Büchern erscheint Hypnose als etwas, wozu man sich hinsetzt und in einer bestimmten Zeitspanne mit sich selbst oder anderen etwas Bestimmtes tut, meistens, um irgendwelche Probleme zu lösen: danach steht man dann auf und tut etwas anderes. Wenn Sie nach der Lektüre dieses Buches weiterhin so über Hypnose denken, berauben Sie sich damit der wichtigsten Möglichkeiten, sie als »Werkzeug« im täglichen Leben zu nut10
zen. Die Kommunikationsmuster, die dieses Buch beschreibt, sind viel zu nützlich, um sie im Arsenal der klassischen Hypnose verstauben zu lassen. Das, was ein erfülltes Leben ausmacht, findet ja keineswegs auf dem Hypnosestuhl statt; wir erleben es mit den Menschen, die wir lieben, bei der Arbeit und im Spiel, oder wenn wir einfach unser Leben genießen. Die Kenntnisse, die dieses Buch vermittelt, sind vielseitig verwendbar, für das persönliche Leben ebenso wie für die berufliche Tätigkeit. So können damit Probleme gelöst und Einschränkungen aufgehoben werden - was heilsame Veränderungen nach sich zieht. In diesem Sinn wird die Hypnose meistens eingesetzt, um sich das Rauchen abzugewöhnen, zur Gewichtsabnahme, zur Bewältigung irrationaler Ängste und für vieles andere. Man kann diese Kenntnisse aber auch zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit benutzen, das heißt, mit ihnen die eigenen Fähigkeiten und Lebensmöglichkeiten kontinuierlich weiterentwikkeln. Man lernt, etwas, was man bereits gut kann, noch besser zu machen. Zum Beispiel: sich in der Familie und am Arbeitsplatz besser zu verständigen, die Liebe befriedigender zu gestalten, neue Fertigkeiten zu erwerben und so weiter. Ebenso kann man lernen, einschneidende Veränderungen in der eigenen Lebensführung vorzunehmen. Das Material zu diesem Buch stammt zum großen Teil aus Bandler und Grinders sorgfältiger und systematischer Beobachtung der Arbeit Milton H. Ericksons. Erickson galt bis zu seinem Tod 1980 in weiten Kreisen als der beste ärztliche Hypnotiseur der Welt. Seine erfolgreiche und oft an Wunder grenzende Arbeit mit »hoffnungslosen Fällen« und seine umfangreichen Schriften zum Thema Hypnose haben ihn weltweit bekannt gemacht. Als ich vor einigen Jahren Milton Erickson in seinem Haus in Phoenix besuchte, schilderte er mir einige Fälle aus seiner Arbeit, und ich fragte, woher er eigentlich wisse, daß er bei zwei Patienten mit denselben Problemen die Behandlung im einen Fall so und im anderen Fall genau umgekehrt ansetzen muß. Er antwortete: »Man muß sich eben auf seine Intuition verlassen.«* * i. 0.: »unconcious mind«, hier mit »Intuition« übersetzt, um bewußte Zielsetzung und unbewußten Entscheidungsprozeß in einem Begriff zu erfassen. Im weiteren Verlauf wird »unconcious mind« in der Regel mit »Unbewußtes« übersetzt. (Anm. d. Übers.)
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Man kann auf diese Weise sicherlich erfolgreich mit der Hypnose arbeiten - wenn man Milton Ericksons Intuition hat. Aber wie kann man lernen, so automatisch-unbewußt und so wirkungsvoll wie Erickson auf dieser Ebene zu reagieren? Bandler und Grinder haben die geniale Fähigkeit, jemanden wie Erickson genau zu beobachten und detailliert zu beschreiben, was er tut - auf welche Signale er reagiert und wie all die Einzelheiten schließlich als Ganzes zusammenwirken. Dadurch können jetzt auch andere lernen, genauso vorzugehen und ähnliche Ergebnisse zu erzielen. Wenn man das eine Zeitlang übt und damit arbeitet, können diese Reaktionsmuster so automatisch werden, wie die Bewegungen der Muskeln, wenn man nach einem Glas auf dem Tisch greift. Im Vorwort zu Bandler und Grinders Buch »The Patterns of the Hypnotic Techniques of Milton H. Erickson, M. D.« schrieb Erickson: »Das Buch von Richard Bandler und John Grinder ist bei weitem keine vollständige Darstellung meiner Methoden, aber es ist, wie sie so treffend feststellen, eine wesentlich bessere Erklärung meiner Arbeitsweise, als ich sie geben könnte. Ich weiß wohl, was ich tue, aber zu erklären, wie ich das alles tue - das wäre viel zu schwierig für mich.« Das, was Bandler und Grinder bei ihrer Lehrtätigkeit an andere weitergeben, umfaßt nicht nur die Verhaltensmodelle solcher »Magier« wie Milton Erickson, sondern auch ihren eigenen reichen Schatz kommunikativer Fähigkeiten. Zwei Menschen, die so dynamisch und wirkungsvoll miteinander und mit anderen kommunizieren, findet man nicht alle Tage. Noch seltener trifft man zwei Leute, die das, was sie so exzellent beherrschen, auch in so effektiver Weise an andere weitergeben können. Der Stoff des Buches ist sorgfältig in kleine, genau erklärte Schritte unterteilt. Es beginnt mit einfachen Begriffen und Übungen und geht stufenweise zu fortgeschritteneren Verfahrensweisen über. Die wörtlichen Protokolle von zehn Hypnose-Seminaren wurden so zusammengestellt und bearbeitet, daß sie hier wie ein einziger Workshop wirken. Zwischen den Äußerungen von Richard und John wird nicht unterschieden, die Namen der meisten Teilnehmer sind geändert. Wenn Sie dieses Buch lesen, sollten Sie im Hinterkopf behalten, daß Bandler und Grinder in der Regel das, wovon sie sprechen, auch tun. Manchmal sagen sie das ausdrücklich, manchmal aber
auch nicht. Ein scharfsinniger Leser wird daher aus dem Text sehr viel mehr erfahren als nur das, was auf dem Papier steht. Wir haben das Buch so gestaltet, daß Überschneidungen mit anderen Neuro-Linguistic Programming (NLP)-Büchern auf ein Minimum beschränkt sind. Aus den Original-Workshops wurde einiges weggelassen, weil es bereits in anderen Büchern zu finden ist. Als wertvolle Ergänzung zu dem, was dieses Buch an Informationen enthält, empfehlen wir folgende Titel zur Lektüre: »Neue Wege der Kurzzeittherapie«, »Patterns of the Hypnotic Techniques of Milton H. Erickson, M. D., Vol. I«, und »They Lived Happily Ever After«. Wenn Sie sich mit Hilfe dieses Buches hypnotische Fähigkeiten erarbeiten wollen, ist es am sinnvollsten, wenn Sie sich die Zeit nehmen, jeden einzelnen der angeführten Lernschritte selbst zu üben. So bauen Sie Ihr Können systematisch auf. Wem diese Übungen zu umfangreich sind, der kann sie sich auch in kleinere, leichter verdauliche »Häppchen« unterteilen. Sollten Sie dieses Buch zur Unterhaltung oder aus reiner Neugier lesen - genießen Sie es! Grinder und Bandlers Unterricht ist weit interessanter als die meisten Darbietungen irgendwelcher Komiker. Connirae Andreas
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1 Einführung U n s e r Thema ist die Hypnose. Natürlich könnten wir jetzt anfangen zu diskutieren, ob es so etwas überhaupt gibt, und wenn ja, was das eigentlich ist. Da Sie jedoch Ihre Teilnahmegebühren bezahlt haben und zu einem Hypnose-Seminar hierhergekommen sind, werden wir diese Diskussion zunächst beiseite lassen. Ich hoffe, in den drei Tagen, die wir hier zusammen sind, werden Sie dann allmählich verstehen, in welchem Sinn eine solche Diskussion fruchtbar sein kann. Ich hoffe auch, daß Sie merken, wie vieles aus dem Bereich der Hypnose Ihnen bereits bekannt ist, wenn auch unter anderem Namen oder ohne je eine Bezeichnung erhalten zu haben. Sie werden entdecken, daß gewisse Erfahrungen, die viele von Ihnen schon gemacht haben, in der Tat ausgezeichnete Beispiele für einen veränderten Bewußtseinszustand sind. Mein Anliegen an jeden von Ihnen ist nun, daß Ihnen diese drei Tage mit allem, was hier passiert, Spaß machen, und daß Sie daraus etwas für sich selbst lernen können. Ich nehme an, jeder von Ihnen ist mit mindestens zwei Absichten hierhergekommen. Die eine ist: Sie wollen herausfinden, wie Sie Kommunikationsmuster der Hypnose in Ihrem Arbeitsbereich sinnvoll anwenden können, sei es in der Psychotherapie, im Management, in der Bildungsarbeit, in der Kinderbetreuung, im Verkauf oder wo auch immer. Ich nehme an, Sie wollen wissen, welche neuen Möglichkeiten die Sprache der Hypnose Ihnen bietet; Möglichkeiten, die Sie in Ihr Repertoire aufnehmen können, um Ihre Tätigkeit wirkungsvoller zu gestalten. Außerdem bin ich sicher, daß einige von Ihnen sich anhand Ihrer Erfahrungen hier in mancher Hinsicht persönlich verändern möchten. Bitte behalten Sie, während Sie hier teilnehmen, beide Ziele deutlich im Auge. Sie sind das Material, mit dem wir hier arbeiten wollen, bei unseren Demonstrationen und in den Diskussionen über das, was passiert. Wir werden Sie auch bitten, unter unserer Anleitung einige Übungen zu machen - nachdem wir erklärt haben, was Sie tun sollen. Die Sprache der Hypnose kann, wie jede andere Fähigkeit, 15
erlernt werden. Um sie gründlich zu lernen, muß man sie üben und anwenden. Vermutlich sind die meisten von Ihnen Autofahrer. Wer keiner ist, kann vielleicht an eine vergleichbare Fertigkeit denken, die die Koordination von Wahrnehmung und Motorik erfordert - Fahrradfahren, Rollschuhlaufen oder sonst eine Sportart. Wenn Sie sich daran erinnern, wie Sie das erste Mal versucht haben, den komplexen Vorgang des Autofahrens zu bewältigen, fällt Ihnen sicher ein, an wie viele Dinge Sie gleichzeitig denken mußten: Die Hände hatten viel zu tun; zumindest eine war wahrscheinlich am Lenkrad, und die andere bediente die Gangschaltung, wenn Ihr Fahrschulwagen eine hatte. Gleichzeitig mußten Sie sich voll auf Ihre Füße konzentrieren, die hatten nämlich drei verschiedene Sachen zu tun, und davon mußte einiges auch noch koordiniert werden. Vielleicht erinnern Sie sich daran, wie Sie auf die Bremse traten und die Kupplung vergaßen und welche katastrophalen Folgen das hatte. All das mußten Sie also gleichzeitig beachten und außerdem noch im Auge behalten, was draußen auf der Straße vor sich ging. Wie bei jeder Fertigkeit, bei der Wahrnehmung und Motorik zu koordinieren sind, muß man die Aufgabe in kleine Schritte zerlegen, so daß man jeden Schritt einzeln üben kann, bis man ihn beherrscht. Hat man dann jeden Einzelschritt soweit geübt, daß es ohne Nachdenken automatisch klappt, kann man zu den anderen Bestandteilen der Aufgabe übergehen. Diese übt man dann ebenso, bis auch sie zu einer automatisch funktionierenden Koordination von Wahrnehmung und Motorik werden, man also in keiner Weise mehr bewußt auf sie achten muß. Am einfachsten lernt man die Hypnose also, wenn man zunächst immer nur einen Lernschritt übt, genauso, wie Sie vieles andere, zum Beispiel Autofahren, gelernt haben. Die Abschlußprüfung für Ihr hypnotisches Können wäre es dann, wenn Sie, ohne nachzudenken und bewußt zu planen, so mit jemand umgehen könnten, daß Sie damit den in diesem Fall erwünschten Hypnose-Effekt erreichen. Diese drei Tage hier sind sicher zu wenig, um das eingängige, systematische und intuitive Funktionieren, das einen guten Hypnotiseur ausmacht, zu entwickeln. Wir haben uns für diese drei Tage jedoch die Aufgabe gestellt, den Block »Hypnose« in Einzelschritte aufzuteilen und Sie diese verschiedenen Teile üben zu lassen. Wir müssen abwägen, wie lange wir Sie die einzelnen
Übungen machen lassen und welche Zeit wir uns nehmen, das Ganze zu einer Einheit zusammenzufassen, damit Sie sich eine übergreifende Hypnose-Strategie aneignen können. Ich vertraue darauf, daß Sie und speziell Ihr Unbewußtes auch nach dem Seminar diese Fähigkeiten praktisch anwenden. Außerdem hoffe ich, daß Sie dem Repertoire, das Sie sich hier erarbeiten, später laufend Alternativen hinzufügen, mit denen Sie dann dasselbe auch auf anderen Wegen erreichen. Um unser Leben zu bewältigen, tun wir tagtäglich etwas Merkwürdiges: wir bilden uns Modelle. Das heißt, wir versuchen, Beschreibungen dafür zu finden, wie etwas zu tun sei. Wenn wir solche Denkmodelle bilden, interessieren uns zwei Dinge: zunächst müssen wir uns genau fragen, welche Informationen wir benötigen, und dann brauchen wir Vorstellungen darüber, wie wir sinnvoll vorgehen können. Es ist so ähnlich, wie wenn man ein Kochbuch schreibt. Wir wollen Ihnen in den kommenden drei Tagen ein Modell zur praktischen Anwendung der Hypnose vermitteln. Das ist keineswegs die letzte Wahrheit, nicht die Antwort auf alle Fragen und auch keine »Wirklichkeit«. Wenn jemand meint, daß er weiß, was »wirklich« ist und mit mir darüber diskutieren will, werde ich in diese Diskussion nicht einsteigen können, denn ich weiß nicht, was »wirklich« ist. Andererseits gibt es aber Sachen, über die ich sehr wohl Bescheid weiß, zum Beispiel, wie man Hypnose praktiziert. Warum es funktioniert, weiß ich nicht; aber ich weiß, daß bei der Hypnose dieselben Prozesse ablaufen wie beim Lernen und Erinnern. Es sind die gleichen Vorgänge wie beim Verstehen von Sprache. Obwohl die Hypnose also von vielen anderen Dingen kaum zu unterscheiden ist, ist sie in der Form, wie wir sie lehren, ein sehr wirkungsvolles Instrument. Bitte verstehen Sie sie als ein Werkzeug, mit dem Sie etwas ganz Spezielles bewirken können; sie ist quasi ein Verstärker Egal, ob Sie Autos verkaufen, Psychotherapie machen oder mit irgendwelchen Entscheidungsgremien zu tun haben: Wenn Sie die Hypnose anwenden, werden Sie von den Leuten intensivere Reaktionen bekommen als gewöhnlich. Was immer * i. 0.: »amplifier«. Das Verb »to amplify« wurde auch mit »ausweiten« und »vertiefen« (wenn es um Trance geht) übersetzt. (Anm. d. Übers.)
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Sie tun, die Hypnose wird Ihnen helfen, dabei eine größere Wirkung zu erzielen. Allein jedoch, für sich genommen, bewirkt die Hypnose überhaupt nichts. Weiterhin möchte ich darauf hinweisen, daß die Hypnose kein Allheilmittel ist. Ich wende sie nun seit sieben Jahren an, aber auch ich schlafe manchmal schlecht. Da ich kein Kaffeetrinker bin, werde ich nach wie vor am ganzen Körper zittrig, wenn ich trotzdem morgens eine Tasse Kaffee trinke. Wenn ich stürze, habe ich danach, wie früher auch, Schrammen und blaue Flecke; und wenn ich Zahnschmerzen habe, kann ich zwar die Schmerzen mit Hypnose beseitigen, aber trotzdem muß ich zum Zahnarzt gehen, damit er meinen Zahn in Ordnung bringt. Diese Grenzen liegen meiner Meinung nach nicht in der Hypnose als Instrument, sondern primär in mir selbst. Schließlich steckt die Hypnose - und die Kunst der Kommunikation ganz allgemein - als Lehrfach heute noch in den Kinderschuhen. Das Erlernen der Hypnose verläuft etwas ungewöhnlich, denn im Gegensatz zu den meisten Sachen, die Sie lernen, wissen Sie eigentlich schon, wie es geht. Das Problem ist nur, daß Sie es merken müssen. Deshalb will ich Sie heute morgen, anstatt lang und breit zu referieren, bitten, eine Übung zu machen, die wir hinterher gemeinsam besprechen. Übung l
es ist ja eigentlich sowieso alles >als ob<. Die anderen beiden sollen dann in Aussagen über sinnliche Wahrnehmungen das beschreiben, was unbedingt zur Situation gehören würde, wenn sie sie erleben würden. Das entscheidende Wort dabei ist »unbedingt«: Wenn nämlich jemand einen Dauerlauf macht, und Sie sagen: »Die Sonne scheint warm auf Deinen Körper«, dann ist das nichts, was unbedingt dazugehört. Einen Dauerlauf kann man auch nachts oder an einem bewölkten Tag machen. Aber man hat zum Beispiel eine gewisse Hauttemperatur. Sie müssen also bei Ihren Formulierungen auf geschickte Weise unbestimmt und vage bleiben. B und C sollen abwechselnd jeder zwei solche Sätze sagen. Der eine sagt vielleicht: »Du spürst die Temperatur der Luft auf deiner Haut und wie deine Füße den Boden berühren.« Der andere könnte dann sagen: »Du spürst Deinen Herzschlag und die Temperatur auf der Körperoberfläche.« Das sind Dinge, die unbedingt zum Erleben in dieser Situation gehören. Mehr Anweisungen gebe ich nicht - außer der, daß Sie jetzt anfangen sollen. Jeder soll einmal drankommen, und bitte beobachten Sie die Person, die die Augen geschlossen hat, und achten Sie darauf, wie sie auf das, was Sie sagen, reagiert. Wenn Sie selbst die Person mit geschlossenen Augen sind, achten Sie bitte darauf, bei welchen Äußerungen Sie tiefer in das Erleben Ihrer Situation hineingleiten, und welche es eher schwierig machen, dabeizubleiben. Lassen wir es also dabei und probieren Sie selbst, wie Sie mit der Lehrerrolle zurechtkommen. Fangen Sie an. Jeder soll fünf Minuten lang >dran sein<.
Ich möchte Sie bitten, Dreiergruppen zu bilden. Einer von Ihnen, Person A, soll an etwas denken, auf das folgende Beschreibung paßt: Eine Situation, an der Sie innerlich sehr beteiligt sind, und in der sich Ihre Aufmerksamkeit auf einen begrenzten Bereich konzentrirt. Für manche Leute ist das zum Beispiel Jogging. Andere denken vielleicht an das Lesen eines Buches. Es kann Schreiben sein, Fernsehen, ins Kino gehen, eine lange Autofahrt - irgend etwas, auf das diese Beschreibung zutrifft. Die Person A soll dann den anderen beiden in der Gruppe, B und C, sagen, welche Situation sie meint, aber nur mit einer einfachen Bezeichnung, also »Jogging« oder »Segeln« - nur ein Wort. Wenn Sie zu viele Einzelheiten verraten, machen Sie's ihnen zu leicht. Sagen Sie nur dieses eine Wort; dann lehnen Sie sich zurück, schließen die Augen und tun so, als wären Sie in Hypnose -
Ich wollte Ihnen für den Anfang nicht zuviel erzählen, denn immer wenn ich so einen Hypnosekurs leite, muß ich mich am Anfang ein bißchen zurückhalten, damit ich nicht gleich alles auf einmal vorführe. Ich bat Sie, darauf zu achten, was es Ihnen leichter macht, wieder in den Bewußtseinszustand zu kommen, in dem Sie bei dem erwähnten Erlebnis waren, und was Sie umgekehrt eher daran hindert. Was hat Sie eher gestört, und was schien die Entspannung zu fördern? Was paßte nicht, und was ließ Sie ein bißchen vergessen, wo Sie waren? Teilnehmerin: Alles, was mit meinem Körper zu tun hatte, hat mich weiter reingebracht; und alles, was über den Kopf ging, also
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was ich dachte, oder wie ich darauf reagierte, das brachte mich ein bißchen raus. Ich würde gern genau wissen, was Ihr Partner konkret gemacht hat. Geben Sie mir ein paar Beispiele. Teilnehmerin: Ich habe Klavier gespielt. Als einer dann sagte: »Du fühlst, wie deine Finger die Tasten berühren«, das brachte mich weiter rein. Aber als er sowas wie »Du denkst, die Musik, das bist du« sagte, brachte mich das raus. Teilnehmer: Für mich war es leichter, wenn seine Stimme dasselbe Tempo hatte wie mein Atemrhythmus. Und wodurch wurde es schwieriger? Teilnehmer. Wenn er etwas sagte, was nicht zu dem paßte, was ich gerade dachte. Ich hab mich selbst in einer Halle auf einer Kunsteisbahn gesehen, und es brachte mich total raus, als jemand etwas sagte, das unter freiem Himmel ablief. Ja, Sie sind in einer Halle und laufen Schlittschuh, und da sagt jemand: »Du schaust hoch und siehst, wie schön der Himmel über dir ist.« Teilnehmerin: Meine Partnerin sagte zu mir: »Du kannst deinen Atem hören und fühlen.« Das ging mir ziemlich gegen den Strich, weil ich ja nicht beides gleichzeitig konnte. Ich dachte: »Nein, Moment mal, das kann ich nicht.« Und welche Sachen haben's leichter gemacht? Teilnehmerin: Wenn sie immer nur eine Sache nannte, zum Beispiel: »Du kannst deinen Atem hören.« Teilnehmerin: Ich bin gerade unter Wasser geschwommen, als einer sagte: »Du kannst fühlen, wie Deine Hand ins Wasser klatscht.« Da dachte ich: »Nein, kann ich nicht, ich bin doch unter Wasser!« Teilnehmerin: Wir sprachen über Musik, und an einer Stelle sagte er irgend etwas von »mit der Welt in Einklang stehen« - und das hat mich weiter reingebracht. Und was hat's schwieriger gemacht? Teilnehmerin: Er hat nichts gesagt, was es schwieriger gemacht hätte. Dann kann er jetzt nach Hause gehen. Teilnehmerin: Eine Sache fällt mir noch ein: Wenn der eine mit der Stimme langsamer geworden war und der andere dann schneller wurde, dann hat mich das wieder rausgebracht. 20
Wenn also der eine sagt (langsam): »und du fühlst dich... sehr entspannt«, und der andere (schnell): »und immer m e h r und mehr entspannt«. Teilnehmer: Mir ist aufgefallen, daß meine Partner nur davon sprachen, wie ich etwas spüre. Zuerst war es dadurch ziemlich leicht, weil ich nur einen meiner Sinne benutzte, aber nach einiger Zeit hörte ich mich sagen: »Ich möchte auch etwas sehen.« Gesehen habe ich überhaupt nichts. Da hat also etwas gefehlt. Mit der Zeit wiederholten sich also die Instruktionen, sie wurden redundant. Teilnehmer: Eine Sache hat mich wirklich durcheinandergebracht, und dann war ich raus, obwohl ich ziemlich in dem Gefühl dringewesen war: Es war der Satz: »Alles, was sonst um dich herum ist, verblaßt.« Als er das gesagt hatte, plötzlich - peng! war ich wieder voll hier. Um es verblassen zu lassen, mußten Sie sich klarmachen, was um Sie herum war. Was hat es dann leichter gemacht? Teilnehmer: Sinneswahrnehmungen; die Gitarre fühlen, meine Finger, die sich bewegen, auf die Noten schauen. Teilnehmerin: Mir hat das Weglassen von etwas ganz Offensichtlichem Schwierigkeiten gemacht. Ich habe ein Bild gemalt, und keiner meiner Partner hat erwähnt, wie ich spüre, daß ich den Pinsel in der Hand halte. Und inwiefern wurde es dadurch schwierig? Was ging Ihnen durch den Kopf, als die anderen nichts darüber sagten? Teilnehmerin: Ich hatte dauernd ein Gefühl von Unvollständigkeit, die ich ausfüllen müßte. Sie sprachen über das Farbenmischen und die Aussicht, und wie schön das Bild voranging. Und das war nicht das, was Sie gerade taten? Teilnehmerin: Nun ja, nach dem Farbenmischen muß ich ja erst mal einen Pinsel in die Hand nehmen und malen, bevor ich dann einen Schritt zurückgehe und das Bild betrachte. Also war das kein natürlicher Übergang für Sie. So ähnlich wie »Du stehst am Strand und fühlst die warme Sonne auf deinem Körper, und du schaust zum Strand zurück und siehst, wie weit du schon geschwommen bist.« Nun, ich hoffe, im Laufe der nächsten drei Tage wird Ihnen klar werden, daß es viele mögliche Antworten auf die Frage gibt, was jemanden tiefer in einen anderen Bewußtseinszustand versinken 21
läßt, und daß etliche davon hier gerade genannt wurden. Die Probleme, die die Leute mit der Hypnose haben, sind nicht angeboren. Es stimmt nicht, daß manche Leute es einfach nicht können. In Wirklichkeit tut es jeder - dauernd. Das Problem ist nur, daß es niemand richtig merkt. Hypnose ist ein ganz natürlicher Vorgang, Hypnose ist nur ein Wort, mit dem wir Methoden kennzeichnen, die man systematisch anwendet, um jemanden in einen anderen Bewußtseinszustand zu versetzen. Jeder wechselt ja dauernd seinen Bewußtseinszustand. Zum Mittagessen werden Sie vielleicht im Fahrstuhl mit fremden Leuten zum obersten Stockwerk des Hotels fahren; und passen Sie auf, was mit denen passiert. Leute, die in einen Fahrstuhl gestiegen sind, verhalten sich nicht mehr normal. Irgendwie erstarren sie und sehen nur die Stockwerke vorbeiziehen. Wenn sich die Tür öffnet, bevor sie eigentlich aussteigen wollen, wachen sie oft abrupt auf und stürzen hinaus. Wer von Ihnen ist noch nie im falschen Stockwerk aus dem Fahrstuhl gestiegen? Diese Erfahrung hat eine gewisse Universalität. Allgemein-menschliche Erlebnisweisen zu finden, Erfahrungen, die jeder macht - das ist der Schlüssel, mit dem man eine Hypnose einleitet und sie nutzt, mit welchem Ziel auch immer. Eine andere wichtige Sache ist, daß Sie natürliche Abläufe ein-" halten. Jemand sagt Ihnen: »Also, ich fuhr eine Straße lang, ich wollte nach Texas, und ich schaute aus dem Fenster und sah die anderen Autos vorbeifahren, und es war ein wunderschöner, sonniger Tag, und ich sagte mir, >Daß es aber auch so regnen muß!<« Der letzte Satz wird Sie aus dem Zuhören völlig herausreißen. Normalerweise fragt man an so einer Stelle nach oder fängt an zu diskutieren oder zu streiten. Natürliche Übergänge hingegen führen jemanden in einen anderen Bewußtseinszustand, ohne ihn zu irritieren. Andererseits gibt es in der Tat Methoden, jemanden in einen anderen Bewußtseinszustand zu versetzen, indem man ihn durcheinanderbringt. Veränderte Bewußtseinszustände kann man so oder so hervorrufen. Die sogenannte Vewirrungstechnik (confusion technique) wird oft als Induktionsverfahren verwendet. Man benutzt dabei gezielt unlogische Übergänge. Erst bringt man die Leute ein bißchen durcheinander, und wenn sie in einem Zustand leichter Verwirrtheit sind, dann fängt man an, logisch und schlüssig vorzugehen. Dazu kommen wir später.
Sie haben also gehört, was die Leute irritiert hat. Meistens waren es Äußerungen, die keine sinnliche Wahrnehmung ansprachen oder solche, die nicht essentiell zu dem Erleben gehörten, um das es gerade ging. Sie können zum Beispiel nicht Klavier spielen, ohne mit den Fingern die Tasten zu berühren. Aber es ist nicht gesagt, daß Sie das Gefühl haben müssen »Die Musik, das bin ich.« - Wenn man Mikado spielt, fühlt man sich auch nicht unbedingt wie ein Stäbchen, oder? Übung 2
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Ich möchte Sie gleich bitten, das Ganze noch einmal zu machen, aber diesmal sollen Sie sich beim Sprechen darauf beschränken, nur Sinneswahrnehmungen zu nennen und solche Dinge, die auf die genannte Situation in jedem Falle zutreffen müssen. Außerdem sollten Sie in Ihren Formulierungen unbedingt allgemein bleiben. Wenn Sie sagen: »Du hörst Wasser plätschern«, und die Person ist gerade unter Wasser, dann geht's schief. Aber Sie können sagen: »Du hörst die Geräusche, die das Wasser macht.« - Denn irgendwelche Geräusche wird es auch unter Wasser geben. Außerdem soll noch ein weiterer wichtiger Schritt hinzukommen: Bitte sprechen Sie in einem möglichst gleichmäßigen Tempo und nehmen Sie den Atemrhythmus des anderen als das Zeitmaß . . . und den Takt... nach dem S i e . . . sich richten. Wenn Sie sich in irgendeinem Verhalten dem Atemrhythmus des anderen anpassen - sei es mit dem eigenen Atmen, dem Sprechtempo oder sonst etwas - hat dies einen gewaltigen Effekt. Probieren Sie es, und stellen Sie fest, welche beeindruckende Wirkung es hat. Bitte nehmen Sie jeder noch einmal dieselbe Situation wie vorhin, und bleiben Sie in den selben Gruppen zusammen. Jeder ist zwei Minuten lang dran, und bitte sprechen Sie zunächst nicht darüber. Es sollte nicht länger als acht bis zehn Minuten dauern, bis alle in der Gruppe dran waren. Und achten Sie darauf, ob diesmal etwas anders ist. Jetzt wüßte ich gern, ob Sie nach diesen wenigen zusätzhchen Instruktionen irgendeinen Unterschied im Erleben wahrgenommen haben - war es überhaupt anders für Sie? Einige nicken. Irgend jemand, der keinen Unterschied festgestellt h a t ? . . . Einer. - Also, mit dieser ganz geringen Veränderung, diesen spärli-
chen Anweisungen, hat sich das Erleben für alle - bis auf einen verändert. Dieser Unterschied ist für mich so wichtig, weil meine Anweisungen von eben nur ein winziger Teil von dem sind, was tatsächlich machbar ist. Meines Erachtens bedeutet Hypnose einfach, daß man sich selbst als Biofeedback-Mechanismus einsetzt. Zum Beispiel, wenn Sie Ihr Sprechtempo auf den Atemrhythmus Ihres Partners abstimmen, dann wird Ihr Verhalten zum stetigen Rückmeldungsmechanismus für sein Verhalten. Egal, warum Sie einen anderen Bewußtseinszustand erreichen wollen: um sich selbst zu ändern, aus medizinischen Gründen, zur Entspannung oder als eine Art Meditation - die Fähigkeit, mit einem Verändern des Bewußtseinszustandes auf andere zu reagieren, ist nicht angeboren oder erblich. Das sind Kommunikationsmechanismen. Wenn ich jetzt sage, daß Sie darüber nachdenken sollen, (schnell sprechend) und-zwar-ganz-langsam-und-bedächtig!, dann stecken in der Widersprüchlichkeit zwischen dem, was ich sage, und dem, wie ich es sage, zwei entgegengesetzte Anweisungen. Wenn ich aber sage, Sie sollen jetzt innehalten... und ganz langsam . . . überlegen... was genau... in Ihrem Erleben... nun anders w a r . . . dann sind das Tempo... und der Rhythmus... meiner Sprache... und meiner Bewegungen... (pendelt die ganze Zeit leicht mit dem Körper) in Einklang mit dem, was ich sage. Sie unterstreichen es sozusagen und verstärken damit seine Wirkung. Vorhin habe ich gehört, wie jemand »hinauf« sagte und dabei seine Stimme senkte. Das ist eine Inkongruenz: die beiden Sachen passen nicht zusammen. Das ist, als würden Sie mit monotoner Stimme darüber reden, wie es ist, furchtbar aufgeregt zu sein. Manche Hypnotiseure machen das. Es gibt ja die alte Auffassung, man solle möglichst monoton sprechen, wenn man hypnotisiert. Wenn Sie aber jemanden in eine aufregende Situation zurückversetzen wollen, ist es viel wirksamer, wenn Sie auch aufgeregt sprechen. Wenn man in Trance ist, heißt das ja nicht, daß man abgestorben ist. Viele Leute sagen: »Ich glaube, ich war gar nicht in Trance, ich konnte ja noch alles mögliche hören und fühlen.« Wenn man gar nichts mehr hört und sieht, dann ist man tot. Das ist aber etwas ganz anderes. Unter Hypnose ist sogar meistens alles, was Sie hören, sehen oder fühlen, viel intensiver als sonst.
Ich meine, man hat unter Hypnose viel mehr Kontrolle über sich selbst, als man glaubt. Hypnose bedeutet nicht, daß man jemanden unter seine Kontrolle bringt. Man ermöglicht jemandem mehr Selbstkontrolle, indem man ihm ein Feedback liefert, das er normalerweise nicht bekommt. Ich weiß, daß jeder hier in diesem Raum sich in jeden beliebigen Trancezustand versetzen kann - selbst wenn die Wissenschaft »bewiesen« haben will, daß das nicht stimmt. Nach ihrer Art der Beweisführung haben die Forscher allerdings recht: Wenn man für eine ganze Gruppe von Leuten dieselbe Hypnose-Induktion benutzt, werden wirklich nur einige von ihnen in Trance fallen. So arbeiten traditionelle Hypnotiseure, aber das ist nicht das, was uns hier interessiert. Bei uns geht es um die Hypnose nach Milton H. Erickson. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß man seine hypnotischen Fähigkeiten soweit entwickelt, daß man jemanden während eines Gesprächs in Trance versetzen kann - ohne das Wort Hypnose auch nur ein einziges Mal zu erwähnen. Schon längere Zeit ist mir klargeworden, daß es weniger darauf ankommt, was man sagt, als darauf, wie man es sagt. Wenn Sie bewußt versuchen, jemanden von etwas zu überzeugen und ihn dabei regelrecht überrollen, bewirken Sie bei ihm eine Abwehrreaktion. Es gibt auch Leute, die sich nieht wehren, wenn man sie so überrollt - die geraten dann in Trance. Aber sowohl Abwehr wie Gefügigkeit signalisieren beide nichts anderes als die Tatsache, daß der andere ansprechbar ist und auf mich reagiert.* Jeder Mensch ist auf diese Weise ansprechbar - die Frage ist nur: wie und womit? Wenn Sie mit Hypnose arbeiten, ist genau das Ihre Aufgabe: herauszufinden, worauf jemand von Natur aus anspricht. Manche Leute kommen zu mir in die Praxis und sagen: »Seit Jahren haben alle möglichen Leute versucht, mich zu hypnotisieren, aber nie hat es funktioniert.« Dann setzen Sie sich hin und sagen: »Also bitte, versuchen Sie mal, mich zu hypnotisieren.« Ich antworte dann: »Da kann ich auch nichts machen. Ich könnte höch-
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* i. 0.: »the ability of people to respond«. Für den Begriff »response« und das dazugehörige Verb gibt es im Deutschen keine Entsprechung; »antworten« beschränkt sich auf Verbalisierungen, »reagieren« auf Verhalten. »Response« ist der zentrale Begriff bei B. und G. und umfaßt im Englischen sowohl beobachtbare als auch innere reaktive Prozesse. (Anm. d. Übers.)
stens versuchen, Sie zu zwingen, die Augen offen zu halten. Könnte sein, daß Sie die Augen dann tatsächlich geöffnet halten. Kann ich ja mal probieren. Öffnen Sie bitte die Augen ganz weit. Bleiben Sie absolut wach und aufmerksam. Alles, was Sie tun, läßt Sie ganz im Hier und Jetzt sein.« So versetzt ihn sein Widerstand langsam in Trance. * Dabei habe ich einfach das Prinzip angewandt, zuerst festzustellen, wofür dieser Mensch mir gegenüber empfänglich ist, worauf er anspricht, und ihm dann eine Situation zu schaffen, in der er in genau der Weise reagieren kann, die ihm gemäß ist. Die meisten Menschen haben bei weitem nicht solche gravierenden Widerstände, aber ab und zu trifft man schon auf so jemanden. Wenn Sie erkennen, was da abläuft und sich in Ihrem Verhalten darauf einstellen können, ist es ganz einfach. Ein Schauhypnotiseur macht es meistens so, daß er aus dem Publikum 20 Leute auf die Bühne holt und ihnen eine Reihe von Befehlen erteilt. Dann schickt er die Leute weg, die eigentlich gute Hypnosefälle wären, und behält die Leute da, die lediglich besonders gut gehorchen. Das ist für mich kein Zeichen von großem Können. Auf diese Weise betreibt man Hypnose nach dem Prinzip der Zufallstreffer. Bei uns hingegen sollen Sie lernen zu erkennen, wie und womit jemand anzusprechen ist, damit Sie Ihr Verhalten darauf einstellen und so eine Situation herstellen können, in der es Ihrem Gegenüber möglich ist, sich auf seine persönliche Art und Weise auf Sie einzulassen. Wenn Sie das beherrschen, können Sie eigentlich jeden in einen anderen Bewußtseinszustand hinübergleiten lassen und ihm dann all das vermitteln, was er Ihrer Vorstellung nach lernen soll. Eins habe ich außerdem festgestellt: Besonders empfänglich für hypnotische Prozesse sind Personen dann, wenn sie in einem Zustand sind, den wir Hypnotiseure »Rapport« nennen. So ein Rapport beruht höchstwahrscheinlich darauf, daß man sein Verhalten mit dem des anderen sozusagen gleichschaltet. Also wird sich kein Rapport bilden können, wenn zwei Leute sich uneins sind oder wenn man schneller redet als der andere zuhören kann. Ebensowenig, wenn Sie über Gefühle reden, während jemand gerade bildhaften Vorstellungen nachhängt. Wenn Sie aber ihr Sprechtempo auf * i. 0.: »Then they resist me right into trance.« (Anm. d. Übers.)
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den Atemrhythmus des anderen abstimmen, wenn sie, so oft er blinzelt, auch blinzeln und so oft er mit dem Kopf nickt, dasselbe tun, wenn Sie sich zur gleichen Zeit wie er zurechtrücken und wenn Sie nur Dinge sagen, die unbedingt zutreffend sind oder von denen Sie sehen, daß sie tatsächlich zutreffen, dann bauen Sie diesen Rapport auf. Wenn Sie sagen: »Sie spüren die Wärme Ihrer Hände, hören die Geräusche hier im Raum und spüren, wie sich Ihr Körper beim Atmen bewegt«, dann entsprechen Ihre Worte dem Erleben der Person, weil alle diese' Dinge wirklich so sind. Diese Art des Sich-Einstellens auf den anderen nennen wir »Pacing«*. Es ist eine übliche Erfahrung in unserem Land, daß man auf einer Autobahn mit dem Auto unterwegs ist und plötzlich merkt: jemand fährt mit genau derselben Geschwindigkeit neben mir. Wenn ich Gas gebe, wird er auch schneller, wenn ich die Geschwindigkeit drossele, wird er ebenfalls langsamer. Wenn man sich so auf jemanden einstellt, baut man eine unbewußte BiofeedbackSchleife auf, und in den anderen entsteht die Tendenz, alles, was man tut oder sagt - egal, was - auch zu tun. Wenn Sie Sprechtempo und -rhythmus auf den Atemrhythmus des anderen abstimmen und dann behutsam anfangen, im Rhythmus langsamer zu werden, wird sich sein Atemrhythmus ebenfalls verlangsamen. Wenn Sie plötzlich... einhalten, wird auch er den Atem anhalten. Wenn Sie also am Anfang Ihr Verhalten an das des anderen anpassen, verbal oder nonverbal, können Sie, indem Sie Ihr Verhalten variieren, das Verhalten des anderen beeinflussen. Wenn Sie das nächste Mal diese Übung machen, hätte ich gern, daß Sie sich am Anfang auf das momentane Erleben Ihres Partners einstellen. Vorhin haben Sie beschrieben, was zum Erleben einer vergangenen Situation gehören würde. Nun sollen Sie also anfangen zu beschreiben, was Ihr Gegenüber hier und jetzt erlebt. Wenn ich also bei Charlie in der Gruppe wäre, würde ich so etwas sagen wie: »Und Sie hören den Klang meiner Stimme und meine W o r t e . . . und Sie spüren die Wärme Ihrer linken Hand dort, wo sie auf dem Oberschenkel r u h t . . . « * »Pacing« bedeutet soviel wie »im gleichen Takt mitgehen« und wurde, um umständliche Formulierungen zu vermeiden, als Fachausdruck übernommen, im Text aber, wenn als Verb gebraucht, mit »den Atemrhythmus aufnehmen« oder »mitgehen« übersetzt. (Anm. d. Übers.)
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* »Positive and negative hallucinations« wurde wörtlich übersetzt, obwohl es im Deutschen diese Terminologie bisher nicht gibt. (Anm. d. Übers.)
positive und negative Halluzinationen, Schmerzdämpfung und so weiter. Hier im Raum gibt es bestimmt auch jemanden, der so etwas im Wachzustand kann. Ist hier jemand, der noch heute einen Freund oder ein Haustier aus seiner Kindheit regelrecht vor sich sehen kann? Keiner? Sie können sich ruhig melden, wir sperren keinen deswegen ein. (Jemand hebt die Hand) - Sie können also im Wachzustand halluzinieren. Es sind Halluzinationen, was Sie sehen, ich hoffe, darüber sind Sie sich im klaren? Viele von Ihnen können negativ halluzinieren, zum Beispiel, indem sie jemanden anschauen, aber ihn dabei doch nicht wahrnehmen. Sicher haben Sie schon oft auf einem Tisch herumgeschaut und etwas gesucht - ganz genau hingeschaut und es doch nicht gefunden -, obwohl es die ganze Zeit da lag. Nicht viel anders verhält sich jemand, der in tiefer Trance ist. Auch Kinder halluzinieren ihre Eltern negativ, während diese die ganze Zeit auf sie einreden. Wer von Ihnen kann den Duft einer Rose riechen, ohne daß eine da ist? Nach Hypnosemaßstäben hieße das, Sie sind bereits zu drei Vierteln in der tiefsten Trance, die überhaupt möglich ist. Entweder muß man dann annehmen, daß Sie niemals einen wirklichen Wachzustand erlebt haben, oder daß die Leute, die solche Maßstäbe setzen, keine Ahnung haben, wovon sie reden. Wie gesagt, die Tiefe der Trance ist nicht das Problem. Falls hier irgendwer von Ihnen in der Lage wäre, auch nur einen Moment lang den Bewußtseinszustand seines Nebenmannes voll zu erleben - dagegen wäre jeder LSD-Trip langweilig. Trance entsteht, indem man vom bewußten Erleben ausgeht und dieses zu etwas anderem umwandelt. In Kalifornien wird gerade ein Gesetz erlassen, daß nur Hypnotiseure mit behördlicher Genehmigung veränderte Bewußtseinszustände einleiten dürfen. Die Feinheiten dieses Gesetzes dürften interessant werden: Auch wenn Leute miteinander ins Bett gehen, versetzen sie sich gegenseitig sicherlich in einen anderen Bewußtseinszustand. Ich hoffe zumindest, daß es für die meisten nicht dasselbe ist wie Rasenmähen. Ich bin gespannt, wie man die Einhaltung dieses Gesetzes überwachen will. Vielleicht muß man dann, wenn man heiraten will, vorher eine staatliche Hypnoselizenz erwerben. Nun zurück zu Ihrer Aufgabe. Zusätzlich dazu, daß Ihre Aussagen über das Erleben Ihres Partners zutreffen sollen, um einen
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Es ist schon eine gewisse Kunst, diese Aussagen richtig zu formulieren: »Solange ich diesen Satz nicht sage, spüren Sie nichts von der Temperatur und dem Gefühl in Ihrem linken Ohr.« - Und plötzlich nehmen Sie es deutlich wahr. Wenn ich zu Ann sage: »Sie spüren die Wärme Ihrer Hand, dort, wo sie das Kinn berührt«, dann hat sie das vorher wohl kaum gespürt - bis ich diesen Satz sagte. Aber als er heraus war, konnte sie sofort feststellen, daß er tatsächlich eine genaue Wiedergabe ihres Erlebens war. So gewinne ich an Glaubwürdigkeit und hebe Dinge hervor, die zutreffend sind, aber ihr nicht bewußt waren - bis ich sie erwähnte. Wenn ich dann noch auf weitere Körperwahrnehmungen eingehe und sage: »Und Sie hören, wie die Leute hier im Raum mit Papier rascheln«, wird sie ihre Aufmerksamkeit abermals auf etwas anderes richten, um zu prüfen, ob das, was ich sage, zu ihrem Erleben paßt. Ich mache sie also auf Dinge aufmerksam, die zu ihrem Erleben dazugehören, aber normalerweise außerhalb ihrer Wahrnehmung liegen. So baue ich mit diesem Vorgehen einen Rapport auf und verändere gleichzeitig ihren Bewußtseinszustand. Heute nehmen wir nur die Grundregeln durch, die wir brauchen, um einen veränderten Bewußtseinszustand einzuleiten. Wie man ihn dann therapeutisch nutzt, ist eine andere Sache - dazu kommen wir morgen. Wir Hypnotiseure haben lange Zeit gemeint, es sei wichtig, wie »tief« jemand in Trance ist. Man glaubte, daran erkennen zu können, was man mit dem Patienten machen kann und was nicht. Soweit ich das sagen kann, ist die »Tiefe« kein brauchbarer Begriff, wenn man über Trancezustände reden will. Es gibt veränderte Bewußtseinszustände, in denen einige hypnotischen Phänomene möglich sind und andere nicht. Aber hypnotische Phänomene an sich haben nichts zu sagen. Die Fähigkeit, positiv oder negativ zu halluzinieren, hat, für sich genommen, keinerlei Bedeutung. Man kann Halluzinationen als Werkzeug benutzen, um bestimmte Zwecke zu verfolgen - als Selbstzweck aber haben Halluzinationen wenig Wert.* Wie ich festgestellt habe, kann man jemandem sogar beibringen, im Wachzustand hypnotische Phänomene zu produzieren -
Rapport herzustellen, müssen Sie ja in der Lage sein, mit diesem Rapport etwas anzufangen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die richtigen Übergänge* zwischen den Aussagen. Sie müssen eine sanfte, angenehme Art haben, jemanden von seinem momentanen Wachzustand in die Trance zu geleiten, indem Sie vom Beschreiben seines momentanen Erlebens dazu übergehen, den Zustand zu beschreiben, in den Sie ihn versetzen wollen. Das kann man fast unmerklich tun, indem man Konjunktionen gebraucht, zum Beispiel »während« oder »wenn« und andere. Solche Wörter implizieren, daß es zwischen zwei Aussagen einen sinnvollen Zusammenhang gibt: »Und wenn Sie so dasitzen, spüren Sie, daß ich Ihnen gleich etwas erzählen möchte.« Eigentlich gibt es keinen Zusammenhang zwischen »dasitzen« und »etwas spüren«. Es klingt aber sinnvoll, und es sind der Tonfall und die Konjunktionen »Und wenn...«, die dem ganzen einen gemeinsamen Sinn geben. Wenn man mit sinnlichen Wahrnehmungen anfängt, kann man solche Übergänge gut formulieren und beim anderen Reaktionen bewirken, die langsam ein verändertes Bewußtsein einleiten. Diese grundlegenden Sinneseindrücke, die Sie für die Übergänge brauchen, müssen für Ihr Gegenüber gut realisierbar sein. Es braucht nichts zu sein, was er bereits wahrnimmt, aber etwas, was er nachvollziehen kann. Etwa so, wenn ich zu Stan hinüberschaue und sage: »Stan, Sie spüren Ihre Schnurrbarthaare zwischen den Fingerspitzen, und wenn Sie darüberstreichen, spüren Sie, wie Sie lächeln und damit aufhören; Sie spüren außerdem mit der anderen Hand Ihren Ellbogen und fühlen, wie sich Ihr Brustkorb beim Atmen hebt und senkt. Und vielleicht wissen Sie jetzt noch gar nichts davon - aber gleich werden Sie ganz deutlich die Temperatur in Ihrem rechten Fuß spüren können.« Joe: Ich verstehe immer noch nicht, was Sie mit dem Begriff »Übergänge« meinen. Wenn ich sage: »Sie haben eine Frage gestellt und dabei im Sessel gesessen«, dann stelle ich einen solchen Übergang her. Ich benutze den Ausdruck »und dabei«, um damit zu zeigen, daß diese zwei Sachen zusammengehören. »Sie haben diese Frage gestellt, weil Sie etwas Wichtiges wissen wollen.« Die meisten Dinge haben
nicht notwendigerweise etwas miteinander zu tun, aber durch das Wort weil werden sie in Beziehung zueinander gesetzt. Wenn ich sage: »Sie atmen ein und aus, während Sie im Sessel sitzen«, werden die zwei Aussagen zeitlich miteinander verknüpft. Sie haben gar nicht unbedingt etwas miteinander zu tun, aber wenn ich »während« sage, stelle ich einen zeitlichen Zusammenhang zwischen ihnen her. Es geht also darum, daß man Aussagen miteinander verknüpft, indem man Konjunktionen verwendet. Wenn ich zu jemand sage: »Sie sitzen auf Ihrem Stuhl. Sie zwinkern mit den Augen. Sie warten« -, dann hat das nicht im Entferntesten einen so fließenden Charakter, wie wenn ich sage: »Sie sitzen auf Ihrem Stuhl und zwinkern mit den Augen, und Sie überlegen, worauf das alles hier wohl hinauslaufen mag.« - Wörter wie »und«, »während«, »weil« und »wenn« haben alle die Eigenschaft, daß sie zwischen zwei Satzteilen einen Zusammenhang herstellen. Einer der wichtigsten ist dabei der zeitliche Zusammenhang. Mit seiner Hilfe kann man von einem Gedankengang zum andern übergehen, ohne daß es einen Bruch gibt. Zum Beispiel kann man sagen: »Sie stehen an einem Strand und fühlen die warme Sonne auf der Haut, und Sie blicken zum Strand zurück, während Sie zum nächsten Schwimmzug ausholen.« Obwohl die beiden Gedanken nicht zusammengehören, bekommen sie anscheinend einen Zusammenhang, wenn man einfach nur diese verbindenden Wörter einfügt. Auf diese Weise kann man Gedanken, die inhaltlich gar nicht zusammenpassen, in Beziehung zueinander bringen. Wenn man einem Sprecher zuhört, sind solche Wörter eine wichtige Voraussetzung dafür, den Übergang von einem Gedanken zum nächsten mitzuvollziehen. Und Sie sind hier, weil Sie lernen wollen, mit einem bestimmten Phänomen, der Hypnose, umzugehen. Und wenn Sie die nächsten drei Tage hier mitmachen, werde ich Ihnen vieles vermitteln, was Ihnen die Sache leichter macht. Warum es funktioniert, weiß ich nicht. Aber wenn Sie anfangen, einiges auszuprobieren, werden Sie durch eigene Erfahrung feststellen, daß es funktioniert. Sogar während ich so mit Ihnen rede, benutze ich diese Wörter, und das macht das, was ich sage, viel einleuchtender.
* »Transitions« - »Übergänge« wurde gelegentlich auch mit »Überleitungen« übersetzt. (Anm. d. Übers.)
Joe: Ist das »sogar während«, das Sie eben benutzten, auch so ein Übergang? Ja.
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* Im amerikanischen Text ist eines der häufigsten Übergangs-Wörter »as«. Es kann sowohl im Sinne von »da, weil« wie auch im Sinne von »während« gebraucht werden. B. u. G. ordnen es zusammen mit »while« (während) bei den Konjunktionen ein, die einen zeitlichen Zusammenhang herstellen, verzichten also auf die kausale Komponente. (Anm. d. Übers.)
Lernen verknüpfen. Dadurch wird es nicht nur glaubhaft, sondern es ist auch kein Gedankensprung mehr dorthin. Früher dachte ich immer, die große Wirkung der Übergänge läge darin, daß sie eine Aussage glaubhafter erscheinen lassen. Hinzu kommt aber noch, daß man keine Gedankensprünge mehr machen muß. Das erleichtert es den Leuten, sich auf das ganze einzulassen und mitzumachen. In der praktischen Arbeit, etwa bei der Schmerzbekämpfung, habe ich immer auf Sachen aufgebaut, die für die Leute verifizierbar waren, etwa: »Sie spüren den Schmerz im Arm, und es tut sehr weh. Aber Sie spüren auch Ihr Herz schlagen und Ihre Zehen, wie sie sich bewegen. Sie spüren die Brille auf der Nase, und nach und nach können Sie auch Ihre andere Hand spüren, immer intensiver; jeden einzelnen Finger können Sie spüren, und nun ist es möglich, daß Sie alle Empfindungen in die eine Hand nehmen und sie dann alle in die andere verlagern.« Ich habe immer geglaubt, es sei die Logik, die solche Aussagen so überzeugend macht. In der Tat ist diese sogenannte Logik ein Teil von dem, was solche Sätze effektiv macht. Aber außer, daß sie logisch und überzeugend sind, sind diese Aussagen auch Anweisungen darüber, was als plausibel aufzufassen ist. Auf diese Plausibilität können sich die Leute leichter einlassen, wenn sie ohne Unterbrechung in ein und demselben Bewußtseinszustand bleiben. Sehen Sie, man kann mit Hypnose seinen eigenen Herzschlag regulieren. Aber wenn jemand so etwas selbst probiert, sieht das meistens so aus, daß er sich erst einmal die Anweisungen vorsagt; dann fällt ihm aber Tante Susi ein, und dann denkt er sich: »Ich bin mal gespannt, ob's funktioniert...« An solchen Gedankensprüngen erkennt man, daß sich der Bewußtseinszustand dauernd ändert, auch wenn es keine tiefgreifenden, sondern eher geringfügige Veränderungen sind. Wenn man jedoch die Übergänge richtig formuliert, gibt man den Sätzen einen stetigen Zusammenhang, so daß man nicht von einem Bewußtseinszustand zum andern springt, sondern sanft gleitet. Und während man so sanft hinübergleitet, können einem bestimmte Dinge leichter fallen, vor allem solche, die unwillkürliche Funktionen wie Herzschlag, Blutdruck und so weiter betreffen. Es geht also nicht darum, jemanden von irgendwas zu überzeugen - es geht einfach darum, etwas leichter zu machen.
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Joe: Dann habe ich's jetzt verstanden. Sie meinen, wir sollen auf die Wörter achten, mit denen Sie beim Reden sozusagen Brücken zwischen zwei verschiedenen Aussagen bauen. Ja. Ich könnte zum Beispiel sagen: »Während Sie so auf Ihrem Stuhl sitzen, fühlen Sie Ihre Hand warm auf dem Arm hegen und spüren das Schreibheft auf dem Schoß. Wenn Sie genau hinhören, können Sie sogar Ihr Herz schlagen hören, und Sie wissen noch gar nicht... genau... was Sie hier in den nächsten drei Tagen lernen, aber Sie können sich schon denken, daß es viele neue Gedanken, Erfahrungen und Einsichten sein werden, die Ihnen vielleicht etwas bringen.« Also, diese Dinge hängen nicht unbedingt logisch zusammen: Wenn Sie Ihre Hand auf den Arm legen und ein Schreibheft auf den Knien haben, heißt das noch lange nicht, daß Sie hier wirklich etwas lernen. Trotzdem - es klingt sinnvoll und erfüllt seinen Zweck; es geht dabei nicht etwa darum, jemanden zu täuschen, sondern darum, fließende Übergänge zu schaffen. Viele Leute sehen in der Hypnose eine Art Gegeneinander, aber solche Gedanken sind reine Zeitverschwendung. Die Frage ist vielmehr: Wie kann ich meine Kommunikation so strukturieren, daß jemand so leicht wie möglich das erreicht, was er sich vorgestellt hat? Wenn jemand zu mir kommt, der in Trance therapeutische Veränderungsprozesse durchleben will, oder wenn ich die Hypnose für medizinische Zwecke einsetze, dann achte ich darauf, daß es für mich so einfach wie möglich geht - und auch für den, mit dem ich gerade arbeite. In der Kommunikation benutze ich dann solche Wörter wie »wenn ...«*, um meine Aussagen miteinander zu verbinden, damit mein Gegenüber keine Gedankensprünge machen muß. Teilnehmer: Das heißt also, um glaubwürdiger zu wirken, versuchen Sie, die Suggestion mit etwas zu verknüpfen, was tatsächlich vorhanden ist? Absolut. Sie fühlen ja wirklich Ihre Hand auf dem Arm und das Heft auf dem Schoß; und damit kann ich dann etwas über das
Eins meiner Hauptkriterien für den Wert einer Angelegenheit ist nicht, ob etwas funktioniert, sondern wie gut es funktioniert. Ich finde nicht, daß Therapie für den Klienten oder den Therapeuten anstrengend sein muß. Wenn etwas anstrengend ist, heißt das nur, daß wir irgend etwas noch nicht verstanden haben. Hypnose soll nie schwierig sein oder gezwungen wirken, sie sollte eigentlich das Natürlichste von der Welt sein. Immer wenn Sie dabei jemanden irgendwie zwingen müssen oder lange herumprobieren, heißt das, daß Ihre Technik nicht ausgefeilt genug ist. Es muß nicht heißen, daß alles verkehrt ist, aber es ist ein Hinweis darauf, daß es noch viel herauszufinden gibt. Ist das einleuchtend? Teilnehmer: Ich habe den letzten Satz nicht ganz mitbekommen. Danke - das haben Sie prima gemacht. Was ich da sage, ist nämlich gar nicht so einleuchtend; aber es funktioniert. Wenn ich aufhöre, »wenn«, »während« und so weiter zu verwenden, und statt dessen einen disjunktiven Satz wie »Ist das einleuchtend?« bringe, gibt es bei Ihnen plötzlich ganz andere Reaktionen. Sie fangen an, alles, was ich vorher gesagt habe, nochmal durchzugehen, und kriegen Schwierigkeiten, den Übergang zum letzten Satz zu finden - weil's gar keinen gab. Während ich Ihnen nun diesen Vorgang beschreibe - sofern Sie sich klarmachen, was in eben diesem Moment, in dem ich zu Ihnen spreche, in Ihrem Erleben* abläuft -, bewegen Sie sich von einem Gedanken zum anderen. Und die Leichtigkeit, mit der Sie von einem Gedanken zum anderen gleiten - das ist es, wovon wir hier die ganze Zeit reden. Und wenn ich wissen will, ob Sie das rational verstehen (was etwas anderes ist, als es nur aufzunehmen oder anwenden zu können), muß ich in der Lage sein, einen fließenden .Übergang zu Ihrem rationalen Erfassen zu finden. Wenn Sie jetzt hier so sitzen und sich das durch den Kopf gehen lassen, - scheint es Ihnen jetzt eher einsichtig? Teilnehmer: Mir scheint, Sie reden darüber, wie man verschiedene Arten von Brücken baut und sie benutzt, zum Beispiel, daß man sich wie der Patient verhält oder vielleicht seine persönlichen Angewohnheiten (Manierismen) übernimmt. * »Tb experience« und »the experience« sind bei den Tranceanweisungen sehr wichtige Begriffe, die mit »erleben«, »erfahren« und »empfinden« übersetzt wurden. »Experience« enthält jedoch in einem Wort die kognitive Komponente von »erfahren« und die emotionale von »erleben«. (Anm. d. Übers.)
Nein, persönliche Angewohnheiten oder Manierismen habe ich nicht gesagt. Sie können versuchen, die Körperhaltung als Ganzes zu spiegeln, aber wenn Ihr Gegenüber sich kratzt, brauchen Sie sich nicht auch zu kratzen. Wenn Sie so offensichtlich Einzelheiten des Verhaltens übernehmen, kann das leicht ins Bewußtsein dringen, und was ein Hypnotiseur auf jeden Fall vermeiden will, ist, störend in das Bewußtsein des andern einzudringen. Wir brauchen subtilere Mittel, zum Beispiel das Atmen im gleichen Rhythmus. So etwas wird normalerweise nicht bewußt registriert, aber unbewußt wird es wahrgenommen und bewirkt bestimmte Reaktionen. Teilnehmer: Also auch mit diesen Dingen kann man zwischen den Gedanken, die man vermitteln will, Übergänge schaffen. Ich weiß nicht recht, wie ich mich ausdrücken soll: Irgendwie kann man also jemanden besser überreden, wenn man sich bezüglich verschiedener subtiler Aspekte ähnlich verhält? Ja. Und noch etwas, was das Arbeiten als Hypnotiseur leichter und erfolgreicher macht: Ich fasse es nicht als »Überreden« auf. Viele, die mit Hypnose arbeiten oder darüber schreiben, stellen es als »Überreden« dar und fühlen sich selbst als darüberstehend, in einer »Meta-Position« oder »haben die Situation unter Kontrolle«. Manchmal reden sie von sich selbst auch als »Operateur«, was mir schon immer als bezeichnende Selbsttitulierung der Hypnotiseure erschien. Leute, die in diesen Kategorien denken, sprechen auch von »Widerstand«, denn wer Hypnose als Machtausübung auffaßt, wird allerdings mit Widerständen zu rechnen haben. Man kann wohl das, was ich dargestellt habe, so beschreiben, daß man sagt: »So kann man jemanden besser überreden.« Man kann aber auch sagen, daß es so einfach organischer ist. Es ist einfach natürlicher für den anderen, sich auf Dinge einzulassen, die einen sinnvollen Zusammenhang ergeben, als auf solche, die nicht zusammenpassen. Sie können das ausprobieren. Schließen Sie für eine Minute die Augen. Die meisten von Ihnen haben bestimmt schon einmal am Rande eines lichten Gehölzes gestanden. Und als Sie da so standen und an den Bäumen hinaufsahen, konnten Sie die Blätter und die Zweige sehen und den Duft riechen, der von den Bäumen ausging. Sie spürten das Wetter, die Luft, und vielleicht hören Sie sogar, wie jetzt eine leichte Brise aufkommt und wie sich dabei die Blätter zu bewegen beginnen und die Zweige sich im Wind neigen. Und
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dann wenden Sie sich vielleicht einmal nach links und sehen ein riesiges Nashorn, das wütend auf Sie zustampft. Wenn Sie das nicht aus allem herausreißt, wird Sie überhaupt nichts mehr erschüttern können. Ein solches Störmanöver kann durchaus sinnvoll sein und seine Funktion haben, wenn man bewußtseinsverändernd wirken will; das ist aber eine ganz andere Funktionsweise als das sanfte Hinübergleiten, von dem wir bisher sprachen. In der Familientherapie ist zum Beispiel die paradoxe Kommunikation eine sehr effektive Methode. Wenn jemand kommt und sagt: »Wenn mich meine Frau bloß in Ruhe lassen würde!«, dann antworte ich: »Gut, sperren Sie sie doch ins Klo!« »Nein, das will ich nicht.« »Was wollen Sie dann?« »Ich will nur, daß sie mir nicht mehr dauernd sagt, was sie alles haben will.« »Soll sie Ihnen vielleicht Briefe schreiben?« Da gibt es keine sanften Übergänge, und darauf reagieren die Menschen sehr unterschiedlich. Bei der Familientherapie ist so etwas sehr nützlich, vor allem, wenn es darauf ankommt, daß schnell etwas geschieht. Und oft muß man dann bis an die Grenzen dessen gehen, was das Bewußtsein verkraften kann, wenn es durch die Widersprüchlichkeiten hin und her gestoßen wird. Wenn man das Fehlen von Zusammenhängen bewußt einsetzt, kann man damit sehr tiefgreifende Reaktionen hervorrufen; hier sprechen wir aber über die sanfte Einleitung veränderter Bewußtseinszustände. Es gibt auch Methoden, jemanden ziemlich schnell in ein verändertes Bewußtsein hineinzukatapultieren, indem man ohne logische, fließende Übergänge spricht. Dazu kommen wir später. Es ist eine viel radikalere Methode, und ich will Ihnen nicht beides gleichzeitig vermitteln, sondern erst das eine, dann das andere. Wenn man sich die Dinge einteilt, sind sie meistens leichter zu lernen. Beim Unterrichten ist mir etwas aufgefallen, was ich Ihnen mitteilen möchte. Lernen ist eine komische Sache, und ebenso die Art und Weise, wie die Leute ihre Schlüsse ziehen. Wenn Sie zu jemanden sagen: »Also, Kansas City gefällt mir als Stadt gut«, wird er antworten: »Und wie finden Sie Dallas?« Das ist eine alltägliche Erscheinung, nicht etwa ein Paradebeispiel aus der Psy-
chologie oder Kommunikationswissenschaft. Überall im Land, wo ich Kurse abgehalten habe, war es immer das gleiche: Wenn ich sage: »Das ist etwas, was gut funktioniert«, kommen die Leute gleich irgendwie auf die Idee, daß etwas anderes nicht funktioniert. Aber ich behaupte keineswegs, daß es nicht funktioniert, wenn Sie zwischen den Aussagen keine Überleitungen benutzen. Ich sage, daß solche Übergänge hilfreich sind. Sie verstärken die Wirkung dessen, was Sie tun. Das Gegenteil kann aber genausogut funktionieren, nur muß man es anders anwenden. Wenn es um Hypnose geht, kommt man nicht schneller voran, wenn man hetzt. Sie kommen schneller voran, wenn Sie langsam vorgehen. Man hält das Bewußtsein des anderen in der Schwebe. Man könnte auch sagen, die Inhalte seines Wachbewußtseins werden ausgeschaltet, indem man ihn in einen anderen Bewußtseinsraum führt. Nicht, daß er seinen klaren Verstand aufgibt und nichts mehr hören, sehen oder denken kann; es heißt lediglich: das Begriffssystem, das seinen Wachzustand steuert, ist außer Kraft gesetzt. Es ist nicht einfach weg, sondern nach wie vor vorhanden. Aber in diesem Zustand können Sie dann neue Lernprozesse aufbauen, und zwar auf logische, systematische und durchgreifende Weise. Und der erste Schritt dazu ist, daß Sie lernen, Ihr Gegenüber mit fließenden Übergängen von einem Satz zum andern in einen solchen. veränderten Bewußtseinszustand zu geleiten. Teilnehmer: Daß solche Übergänge nützlich sind, leuchtet mir ein, besonders, wenn man mit relativ unzusammenhängenden Begriffen arbeitet. Sind sie denn auch nötig, wenn es sich um mehr zusammengehörige Dinge handelt -, zum Beispiel bei Entspannungsanweisungen, wenn man sagt: »Ein Gefühl von Ruhe, Friedlichkeit, Sie fühlen sich innerlich ruhig - richtig wohl...« - Ist es notwendig, solche Sätze dann auch noch mit Übergängen zu verbinden? Nun ja, »notwendig« ist so ein Wort... »Notwendig« bezieht sich immer auf ein Ergebnis, das man erreichen will. Die Frage ist, was Sie erreichen wollen. Teilnehmer: Wie kann man denn erkennen, wann und wie oft man solche Übergänge am sinnvollsten verwendet? Mit den Augen. Sie werden bald feststellen, daß die Leute im Trancezustand anders aussehen als im normalen Wachzustand. Und wenn Sie das erkennen, werden Sie auch merken, wann Sie
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etwas tun, was jemanden in der Kontinuität seines Erlebens stört. Für die Arbeit mit Hypnose braucht man eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, denn Sie bekommen ja die meiste Zeit nicht so viele Rückmeldungen von den Leuten, wie wenn sie im Wachzustand sind; sie sprechen weniger und verhalten sich nicht so deutlich. In gewissem Sinn vereinfacht das die Sache, denn dann gjbt es nicht soviel, was sie ablenkt; aber es erfordert von Ihrer Seite eine genauere Beobachtung. Wenn Sie dazu nicht fähig sind, werden Sie da landen, wo heute viele Hypnotiseure sind: Dann begnügt man sich mit Fingerzeichen als Antwort auf Ja/Nein-Fragen. Das muß nicht sein. Es ist gut, wenn man das kann, falls Sie mal das Feedback, das Sie brauchen, nicht bekommen, oder wenn Sie ihre Sensibilität schulen wollen. Aber wenn Sie gut beobachten können, bekommen Sie jedes gewünschte Feedback, ohne solche künstlichen Mechanismen einzubauen. Alle Menschen reagieren auf das, was in ihnen vorgeht, mit äußerlich sichtbaren Regungen. Wenn jemand einen inneren Widerspruch spürt, während Sie ihm sagen, er sei ruhig, entspannt und fühle sich wohl - weil er sich nicht so fühlt, werden Sie nonverbale Reaktionen beobachten können, die das erkennen lassen. Und wenn Sie so etwas beobachten, ist es gut, es zu verbalisieren: »Da sagt jemand, Sie sollen sich entspannen, und Sie versuchen es auch, aber so einfach ist es nicht, und Sie sagen sich: >Wenn ich's nur könnte!< Ich könnte, Ihnen jetzt sagen, daß Sie sich ganz locker und wohl fühlen sollen, aber es ist schwierig, sich auf Kommando entspannt zu fühlen. Es ist aber leicht, sich einen Regentropfen vorzustellen, der auf einem Blatt ruht.« Obwohl die beiden Sachen nicht inhaltlich zusammenhängen, wird sich jemand bei der Vorstellung vom Regentropfen sehr viel besser entspannen können, als wenn er krampfhaft versucht, entspannt zu sein. Etwas, was mich mehr als alles andere an Milton Erickson beeindruckt hat, war, daß er eine Hypnose nie mit direkten Befehlen durchführte; wenn er wollte, daß jemand farbenblind wurde, sagte er nicht: »Sie werden jetzt farbenblind.« Er begann etwa so: »Haben Sie schon mal ein Buch gelesen? Was bedeutet das: man hat ein Buch gelesen?* Es bedeutet gar nichts. Mir hat mal jemand etwas
von einem >blauen Montag< erzählt; da habe ich mir gesagt >blauer Montag< - das ergibt überhaupt keinen Sinn. Irgendwie sagt man das vielleicht so, aber es hat nicht die geringste Bedeutung. Mir bedeuten diese Dinge nicht das geringste. Auch Ihnen brauchen sie überhaupt nichts zu bedeuten.« Den Unterschied zwischen Erickson und den anderen Hypnotiseuren, bei denen ich studiert und die ich beobachtet habe, ist der, daß es bei Erickson nie einen Patienten gab, der irgendwelche Widerstände hatte. Entweder hat er sich seine Patienten sehr geschickt ausgewählt, oder er hat irgend etwas Wichtiges getan, was andere nicht tun. Er beobachtete jedenfalls genau, wie und worauf jemand reagierte, und er bot jedem das an, was für ihn adäquat war. Die Übergangswörter sind für jeden adäquat, dessen Muttersprache Englisch ist, denn solche Wörter gehören zur Grundstruktur des Englischen und sind wichtige Bausteine unserer Sprache.* Und wenn Sie Hypnose praktizieren, werden Ihnen diese Wörter, wenn Sie sie verwenden, immer hilfreich sein. Ich habe einmal erlebt, wie Erickson öffentlich jemanden in Trance versetzte, was er äußerst selten tat. Meistens verHefen die Veranstaltungen so, daß die Leute begannen, ihn in irgendwelche intellektuellen Diskussionen zu verwickeln, und plötzlich war dann die Zeit um. Aber einmal hat er in so einer Veranstaltung öffentlich eine Trance induziert. Er ließ die Person Platz nehmen und sagte: »Und wenn Sie da sitzen, blicken Sie bitte starr auf einen Punkt an der Wand; und während Sie auf diesen Punkt starren, fühlen Sie allmählich, daß Sie nun dasselbe tun wie damals, als Sie das allererste Mal zur Schule gingen und lernen sollten, Zahlen und Buchstaben zu schreiben. Sie lernen..., lernen etwas, das Sie gar nicht richtig verstehen. Und obwohl Sie es noch gar nicht bemerkt haben, hat sich ihr Atem verändert (seine Stimme wurde langsamer), und Sie werden ruhiger und entspannter.« Die Übergangswörter stellen eine Kontinuität her und halten sie aufrecht; ursprünglich hat ja das Lernen von Zahlen und Buchstaben in der Schule herzlich wenig mit Ruhe und Entspannung zu tun. Was Sie auch kommunizieren - nicht nur in der Hypnose, sondern auch sonst - es bedeutet nicht das, was Sie damit meinen;
* i.O.:».. .tohavea'bookread(red)?«-ÜberdieHomonymitätvon>read< = >gelesen< und >red< = >rot< führt er das Thema Farbe unterschwellig ein. (Anm. d. Übers.)
* Das gilt ebenso, eventuell in noch stärkerem Maß, für das Deutsche. (Anm. d. Übers.)
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vielmehr ergibt sich die Bedeutung dessen, was Sie sagen, aus der Reaktion des anderen. Wenn Sie jemandem ein Kompliment machen wollen, und der ist daraufhin beleidigt, dann war das, was Sie ihm mitgeteilt haben, eine Beleidigung. In solchen Fällen kann man sich entweder rechtfertigen und alles irgendwie erklären, oder man zieht eine Lehre daraus; ich für meinen Teil ziehe es vor, etwas daraus zu lernen. Wenn ich also kommuniziere, und jemand faßt es als Beleidigung auf, werde ich es das nächste Mal anders formulieren. Und wenn ich in Zukunft einmal jemanden beleidigen will - dann weiß ich genau, was ich zu tun habe! Natürlich sind die Übergangswörter nicht die ganze Hypnose; aber sie sind eine nützliche Hilfe. Beim Hypnotisieren gibt es keine festen Regeln oder Formulierungen. Das einzige, worauf Sie sich verlassen können, ist, daß der andere auf jede Kommunikation von Ihnen irgendwie reagiert. Wenn Sie genug verschiedene Arten von Kommunikation anbieten, können Sie herausfinden, worauf Ihr Gegenüber am besten anspricht. Was ich Ihnen bis jetzt erzählt habe, ist nur der Anfang. Achten Sie übrigens bitte auch auf Ihr Sprechtempo; es ist ein sehr, sehr einflußreicher Faktor. Ein ziemlich traditionell orientierter Hypnotiseur, Ernest Hilgard, will nach 40 Jahren Forschung bewiesen haben, daß es zwischen dem Sprechtempo des Hypnotiseurs und der Fähigkeit des anderen, seinen Bewußtseinszustand zu verändern, keinen Zusammenhang gibt. Er hat statistische Beweise dafür. Aber wenn Sie auf Ihr eigenes Erleben achten, während ich jetzt mit Ihnen spreche, und w e n n . . . ich mein Sprechtempo... verändere,... so daß es deutlich anders... und langsamer..'. w i r d , . . . hat das einen spürbaren Effekt. Und solange es diese spürbare Wirkung gibt, ist mir das, was »die Wissenschaft« sagt, ziemlich egal. Ich habe zu Anfang gesagt, ich gebe nur Beschreibungen. Solche Beschreibungen dienen nur dazu, Ihre Aufmerksamkeit auf gewisse Dinge zu lenken. Die folgende Beschreibung soll nun Ihre Aufmerksamkeit auf Tonfall und Sprechtempo lenken. Der allererste Hypnotiseur, mit dem ich zu tun hatte, war gerade dabei, jemanden in Trance zu versetzen, als ich hereinkam. Von ihm sollte ich lernen, wie man hypnotisiert. Er sagte gerade mit einer unangenehm hohen, näselnden Stimme: »Fühlen Sie sich jetzt bitte ganz entspannt!« Sogar ich spürte, daß ich mich niemals würde »
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entspannen können, wenn jemand so auf mich einwinselt. Aber er »wußte« ja, daß das einzig Wichtige, was man zu tun hat, ein gleichbleibender Tonfall ist - schließlich steht in allen einschlägigen Büchern, daß man so monoton wie möglich sprechen soll. Er war der Überzeugung, es sei egal, welchen Klang die Stimme hat, Hauptsache, er bleibt immer gleich. Soweit ich sagen kann, ist das monotone Sprechen lediglich ein Mittel, um zu vermeiden, daß man widersprüchlich wirkt. Wenn Sie die ganze Zeit dieselbe Stimmlage beibehalten, werden Sie wahrscheinlich auch die ganze Zeit über gleich wirken. Falls Sie sich widersprüchlich fühlen, wird es niemand merken, weil sich Ihre Stimme nicht verändert. Andererseits kann es aber auch Ihr Vorhaben unterstützen, wenn Sie Ihre Stimme variieren. Teilnehmer: Mir ist etwas aufgefallen: Wenn Sie Suggestionen geben, benutzen Sie manchmal bestimmende Formulierungen wie »Sie werden spüren...« oder »jetzt spüren Sie...«, und manchmal offene Formulierungen wie »das und das kann vielleicht geschehen«. Machen Sie da einen Unterschied, ob Sie offene oder bestimmende Formulierungen anwenden? Ja. Mein Grundgedanke dabei ist: Ich möchte, daß niemand, mit dem ich Hypnose mache, ein Gefühl von Mißerfolg bekommt. Bei der Suggestion von etwas, was leicht zu überprüfen ist, benutze ich eher offene Formulierungen und Wörter wie »vielleicht« oder »möglicherweise«; wir nennen sie »Möglichkeitsoperatoren«. Etwa: »Und vielleicht beginnt Ihr Arm, sich langsam zu heben . . . « So daß für den Fall, daß das, was ich sage, nicht eintritt, derjenige nicht das Gefühl bekommt, etwas nicht zu können. Wenn ich Suggestionen gebe, die etwas völlig Unüberprüfbares beinhalten, nehme ich eher bestimmende Formulierungen, die kausale Zusammenhänge implizieren: »Und dadurch sinken Sie tiefer in Trance...«, oder »Und das bewirkt, daß Sie viel entspannter werden. « Wenn nämlich die Suggestion nicht überprüfbar ist, kann niemand auf die Idee kommen, er habe irgend etwas nicht geschafft. Wenn jemand auf fünf oder sechs Möglichkeitsoperatoren, die ich nacheinander benutzt habe, positiv reagiert hat, kann ich mit einiger Sicherheit auf bestimmende Formulierungen umschalten. Allerdings - falls meine nächste Suggestion eine ziemlich kritische ist, arbeite ich vielleicht erst einmal weiter mit Möglichkeitsopera41
toren. Der Grundgedanke ist eben, ganz sicherzugehen, daß nie jemand an irgendeiner Stelle das Gefühl hat, versagt zu haben. Manche Hypnotiseure treiben die Leute bis an die Grenze dessen, was möglich ist, indem sie mit ihnen sogenannte »Suggestibilitätstests« machen. Sie versetzen ihre Klienten in Trance und testen an ihnen eine Reihe von abgestuften Hypnoseübungen durch; einiges davon schaffen die Klienten, anderes nicht. Das normale Ergebnis ist dann, daß beide, Hypnotiseur und Klient, schließlich das Gefühl haben, daß es Dinge gibt, die sie nicht bewältigen können. Als ich an der Universität Abendkurse über Hypnose gab, kamen viele Leute, die sagten: »Ich war schon oft in Trance, aber irgendwie schaffe ich es immer nur bis zu einer bestimmten Stufe.« - Ich weiß nicht, woher diese Vorstellung von Stufen kommt. Irgendwie will man wohl die Qualität der hypnotischen Trance mit einer Meßlatte messen - das Selbstwertgefühl soll mögüchst hoch sein, und die Trance mögüchst tief. Ich sehe das so: Manche Leute brauchen einen regelrecht veränderten Bewußtseinszustand, um positive Halluzinationen zu produzieren, andere haben sie auch so dauernd - und nennen das ihre Gedanken. Wenn ich als Hypnotiseur jemanden zu etwas dränge, ist das die beste Gewähr dafür, daß es nicht klappt. Wenn ich zum Beispiel sage »Sie werden Ihre Augen öffnen und einen zwei Meter großen französischen Pudel sehen«, und er öffnet seine Augen und sieht keineswegs einen solchen Pudel, dann kommt er vielleicht auf den Gedanken: »Ich habe einfach keine bildliche Vorstellungskraft.« Wenn er das Scheitern der Instruktion mehr auf sich bezieht als auf den Hypnotiseur, dann wird er wahrscheinlich glauben, es handele sich um seine persönliche Unfähigkeit. Ein typischer Fall: Ein Klient kommt und sagt: »Also, ich wollte schon immer mal richtige Halluzinationen haben, aber es geht einfach nicht.« Ich weiß, daß jeder das kann und es wohl auch schon oft genug erlebt hat. Wenn mir jemand sagt, er kann es nicht, deutet das darauf hin, daß ihn irgend etwas davon überzeugt hat, daß so etwas außerhalb seiner Fähigkeiten hegt -, was es mir lediglich um einiges schwerer macht. Ich muß mich um seine Überzeugung herummogeln, um ihm eine solche Erfahrung möglich zu machen. Ich kann aber auch diesen Glauben einfach akzeptieren und sagen: »Ja, wissen Sie, das ist wohl eine erbliche Belastung, 42
aber man braucht es auch nicht unbedingt, um im Leben vorwärtszukommen, es sei denn, Sie sind Bauingenieur.« Positive Halluzinationen sind nämlich das, womit Bauingenieure ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie fahren irgendwohin und schauen in ein Tal, wo es nichts zu sehen gibt, und dann halluzinieren sie Dämme und Autobahnen dazu. Und erst anschließend messen sie alles aus. Allerdings müssen sie ganz bestimmte Halluzinationen haben, diese und keine anderen. Eine Autobahn zu sehen, wo in Wirklichkeit keine ist, ist also normal - das nennen wir Arbeit. Aber wenn ein Bauingenieur kleine blaue Männchen auf der Autobahn herumlaufen sieht, dann kriegt er Schwierigkeiten. Da ich nicht möchte, daß jemand Mißerfolge erlebt oder unzutreffende Generalisierungen vornimmt, gehe ich sehr, sehr langsam vor, wenn ich überprüfbare Effekte wie etwa die klassischen Hypnose-Phänomene herbeiführe. Ich habe auch nicht viele Leute getroffen, für die es unbedingt wichtig war, negativ zu halluzinieren oder ihren Arm in der Schwebe zu halten. Die meisten Menschen haben sowieso dauernd etwas in der Art, nur ist es ihnen nicht bewußt. Diese Phänomene haben, wie gesagt, keinen Wert an sich. Mir geht es darum, den Leuten Erfahrungen zu vermitteln, die ihnen klarmachen, daß jeder in der Lage ist, sich selbst so zu ändern, wie er es sich vorstellt. Sei es, daß Sie ihre Schmerzen unter Kontrolle halten wollen, wenn Sie zum Zahnarzt gehen, sei es, daß Sie Ihre Schlafgewohnheiten ändern wollen oder tiefgreifende Persönlichkeitsveränderungen anstreben: ich möchte Ihnen helfen, diese Ziele zu erreichen. Hypnose ist in der Tat ein sehr wirksames psychotherapeutisches Instrument. Oft werde ich gefragt: »Für welche Zwecke kann man die Hypnose einsetzen?« Die Frage ist aber nicht: »Was kann man mit Hypnose Besonderes machen?«, sondern: »Wie kann man Hypnose nutzen, bei allem, was man tut?« Hypnose ist keine Heilbehandlung, sie ist so etwas wie ein Werkzeugkasten. Wenn Sie einen Satz Schraubenschlüssel haben, heißt das noch nicht, daß Sie ein Auto reparieren können; Sie müssen zusätzlich noch wissen, wie man richtig mit den Schraubenschlüsseln umgeht. Und da liegt das häufigste Mißverständnis in bezug auf die Hypnose: Sie wird als Gegenstand betrachtet. Sie ist aber kein Gegenstand, sondern ein Bündel von Vorgehensweisen, die man benutzen kann, um jeman43
den in einen veränderten Bewußtseinszustand zu versetzen. Eine andere Sache ist die Frage, welchen Bewußtseinszustand Sie verwenden, um ein bestimmtes Problem zu bearbeiten. Das ist eine sehr wichtige Frage; wir werden sie später noch behandeln. Aber das erste, was Sie lernen sollen, ist, jemanden sanft und schnell von einem Bewußtseinszustand zum anderen zu führen.
Bitte führen Sie in den nächsten zehn Minuten mit derselben Dreiergruppe noch einmal dieselbe Übung durch. Und fügen Sie dieses Mal die Feinheiten hinzu, die wir besprochen haben. Es ist jetzt schon eine Weile her, daß ich sie erläutert habe, deshalb gehen wir sie noch einmal einzeln durch. Bevor Sie anfangen, das Erleben des anderen zu beschreiben, achten Sie darauf, daß er sich zurücklehnt und die Augen schließt. Und dann beginnen Sie, schrittweise das zu beschreiben, was er im Moment erlebt. Bitte benutzen Sie dabei drei Aussagen, die Pacing sind, also überprüfbares Erleben beinhalten: »Sie sitzen auf einem Stuhl... Sie fühlen, wie Ihr Körper den Stuhl berührt... Sie fühlen Ihre Arme, die Sie untergeschlagen haben, Ihre Füße berühren den Boden... Sie spüren die Temperatur in Ihrem Gesicht, spüren, wie Ihre Finger sich bewegen... Sie hören die anderen im R a u m . . . Sie spüren die Lufttemperatur, Sie hören meine Stimme...« Alle diese Aussagen sind überprüfbar. Bitte sagen Sie drei solcher Sätze, und dann schließen Sie daran etwas an, was nicht ohne weiteres zu überprüfen ist: irgendeine Aussage, die in die Richtung geht, in die Sie Ihr Gegenüber leiten wollen, » . . . und Sie werden immer entspannter... und so fühlen Sie sich immer wohl e r . . . und Sie wissen nicht, was ich als nächstes sagen werde.« Also: drei Pacing-Aussagen, ein Übergangswort, und dann ein Satz, der Ihren Partner in die gewünschte Richtung lenkt. Etwa: »Sie atmen ruhig... Im Raum sind Geräusche zu hören... Sie hören, wie andere sich bewegen... und Sie wissen gar nicht genau, was Sie hier eigentlich tun.« Lassen Sie die Übergänge so natürlich wie möglich klingen. Einer ist Klient, die anderen beiden machen abwechselnd drei Pacing- und drei lenkende Aussagen. Wenn jeder zwei solche Satzfolgen gesagt hat, fangen Sie bitte an, wieder die Situation, die Sie bei den ersten beiden Malen als The-
ma hatten,; einzubeziehen, und zwar sowohl in den Pacing- als auch in den lenkenden Aussagen, ungefähr so: »Lassen Sie sich viel Zeit und versetzen Sie sich nun langsam in die Situation zurück, als Sie Ihren Waldlauf machten.« - Achten Sie darauf, inwiefern es diesmal anders ist als vorher! Wieder wird es Ihnen helfen, wenn Sie auch nonverbal »mitgehen,«. Atmen Sie im selben Rhythmus wie Ihr Gegenüber, oder nehmen Sie mit Ihrem Sprechtempo seinen Atemrhythmus auf. Und es ist unerläßlich, daß das, was Sie sagen, übereinstimmt mit der Art, vne Sie es sagen. Wenn Sie den Eindruck haben, Ihr Partner ist genauso tief oder tiefer im Erleben der Situation als die beiden Male davor, fangen Sie bitte an, gegen die Prinzipien - eins nach dem anderen - zu verstoßen. Verändern Sie abrupt Ihr Sprechtempo, und beobachten Sie, ob das eine Wirkung hat oder nicht. Dann gehen Sie wieder zurück zur alten Sprechweise, und dann ändern Sie den Klang Ihrer Stimme. Und danach sprechen Sie einmal ohne Übergangswörter: »Sie sitzen auf dem Stuhl. Sie fühlen sich wohl. Sie sind entspannt. Sie wissen nicht, was nun geschehen wird.« Achten Sie darauf, was passiert, wenn Sie das tun. Und dann versuchen Sie, Dinge einzuflechten, die nicht dazugehören: »Sie spüren Ihre Finger auf den Klaviertasten... und Sie wissen genau, irgendwo im Haus gibt es auch eine Küche.« Oder: »Sie fühlen, wie Ihre Füße den Boden berühren... und spüren, wie begeistert und engagiert die Politiker in Washington arbeiten.« Konzentrieren Sie sich vor allem darauf, alle die Elemente, über die wir gesprochen haben, zu verwenden. Wenn Sie bei Ihrem Partner einen guten, stabilen Trancezustand erreicht haben, variieren Sie, aber immer nur einen kleinen Teilbereich, und beobachten Sie, was passiert. Dann benutzen Sie wieder alle Elemente so, wie wir es besprochen haben, und dann variieren Sie das nächste Element. Schauen Sie, was sich im Gesicht Ihres Partners abspielt, was mit dem Atem, der Hautfarbe, der Unterlippe und den Augenlidern passiert. Leute, die in Trance sind, sprechen nicht viel, deshalb müssen Sie sich Ihre Rückmeldung irgendwie anders holen. Wenn Sie erst hinterher daran denken, ist es zu spät. Sie müssen es aufnehmen, während Sie arbeiten, in jedem einzelnen Augenblick, und das beste Werkzeug dafür ist die optische Wahrnehmung.
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Übung 3
Haben Sie nun gemerkt, daß diese Art, die Übung durchzuführen, den Prozeß der Versenkung wesentlich verstärkt? Heute morgen habe ich Ihnen diese Dinge schrittweise vermittelt - ich ließ Sie üben, gab dann ein paar zusätzliche Anweisungen und ließ Sie wieder üben. Auf diese Weise sollte Ihnen deutlich werden, daß man sich die Hypnose als einen Prozeß des Verstärkens (amplification) vorstellen muß. Wenn Sie meinen, bei der Hypnose ginge es darum, Macht auszuüben oder jemanden zu überreden, werden Sie bei weitem nicht soviel damit erreichen können. Wir haben uns aus dem Erleben eines Menschen eine bestimmte Situation herausgegriffen, in der er in bestimmter Weise reagiert, und diese Reaktionen konnten Sie mit der Anwendung unserer speziellen Techniken verstärken. Teilnehmerin: Und was hat es dann mit der Armlevitation und ähnlichen Dingen auf sich? Ist das auch eine Verstärkung? Hypnotiseure sind sehr geschickt darin, Reaktionen hervorzurufen, von denen sie wissen, daß sie auf jeden Fall eintreten. Der schwebende Arm ist bei den Hypnotiseuren sehr beliebt; eine der ersten Anweisungen, um den Arm zum Schweben zu bringen, lautet: »Achten Sie auf Ihre Hand, und Sie werden spüren, wie sie immer leichter wird.« Versuchen Sie mal einzuatmen, und achten Sie dabei auf das Gefühl in Ihren Händen. Sie wirken tatsächlich etwas leichter, denn wenn Sie einatmen, hebt sich Ihr Brustkorb und zieht Arme und Hände aufwärts. Wenn Sie also die Instruktion mit den leichten Händen geben, während der Betreffende einatmet, wird sie unbedingt zutreffen. Bei solchen Dingen setzen gute Hypnotiseure an: Reaktionen, die mit Sicherheit eintreffen. Allerdings ist ihnen nicht immer bewußt, daß sie es tun. Sie kennen diese alte Methode, jemanden in Trance zu versetzen, wie man es im Film sieht: Der Hypnotiseur läßt seine Taschenuhr pendeln und sagt: »Vor Ihren Augen bewegt sich die Uhr, und Sie sehen sie vor sich, während langsam die Zeit vergeht. Und wenn Sie so der Uhr zuschauen, wie sie hin- und herpendelt, werden Ihre Augen langsam müde.« Natürlich werden die Augen müde! Immer, wenn Sie lange genug auf etwas x-Beliebiges starren, werden Ihre Augen müde.
Um die Jahrhundertwende praktizierte man die Hypnose so, daß sich die Person hinsetzen mußte, während der Hypnotiseur vor ihr stand, zwei Finger in die Höhe hielt und sagte: »Blicken Sie jetzt starr auf diese zwei Finger, und wenn Sie sie anschauen, beobachten Sie sie ganz genau,... und wenn Ihre Augen müde werden, werden Ihre Augenlider schwer und Sie wissen, daß Sie nun langsam in eine hypnotische Trance fallen.« Wenn Sie lange genug auf irgend etwas starren, was über Ihnen ist, werden Ihre Augen mit Sicherheit müde. »Und indem Ihre Augen müde werden, spüren Sie, daß Sie nicht mehr alles deutlich erkennen können. « Wenn Sie lange genug irgendwohin starren, wird mit Sicherheit alles vor Ihren Augen verschwimmen. »Und Ihre Augenlider werden langsam schwerer werden. Sie werden das Bedürfnis haben, Sie zu schließen.« Natürlich haben Sie das, jeder hat es, dauernd. Wir nennen es zwinkern. Wenn ich Ihnen dann sage: »Und wenn Sie die Augen schließen, werden Sie sie nicht wieder öffnen«, stehen die Chancen ziemlich gut, daß Sie das wirklich tun. Ich habe dreimal gut überprüfbare Wahrnehmungen angesprochen und sie dann verbunden mit einer, die nicht überprüfbar ist, und das habe ich mit einem passenden Übergang und einer Gedankenfolge getan, der Ihrem gegenwärtigen Erleben in allen Punkten entspricht. Ich habe einen Prozeß eingeleitet, der Schritt für Schritt zum gewünschten Ergebnis führte. Ich sage: »Sie erleben jetzt dies, und das läßt Sie jenes spüren, und daraufhin spüren Sie dieses«, - und diese drei sind gut überprüfbar. Ihre Augen werden müde, Ihre Augenlider werden schwer, und vor Ihren Augen verschwimmt tatsächlich alles. Ihnen ist nicht bewußt, daß diese Dinge natürliche Bestandteile Ihres Erlebens sind, aber wenn ich sie beschreibe, führt das eine naturgemäß zum andern. Wenn ich dann etwas hinzufüge, das kein notwendiger Bestandteil Ihres Erlebens ist, sind Sie mir schon seit einer Weile Schritt für Schritt gefolgt und folgen mir einfach weiter. Das heißt nicht, daß ich Sie überzeugt habe - Sie haben ja nie überlegt, ob es richtig oder falsch ist. Sie folgen mir einfach. Wenn man die Übergänge auf diese Weise verwendet, kann der andere ganz leicht mitgehen. Wenn Sie Hypnose als eine Art Machtausübung oder als Überreden auffassen, werden Sie sich viele Möglichkeiten selbst ver-
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Also, jeder ist drei bis vier Minuten lang dran. Bitte beginnen Sie nun.
bauen. Sie werden damit die Zahl der Leute, mit denen Sie arbeiten können, verringern. Außerdem wird Ihr persönliches Leben verarmen: Sie werden sich zunehmend Gedanken machen, wer über Sie die Macht ausübt. Nach meiner Erfahrung haben Menschen im Trancezustand wesentlich mehr Selbstachtung als im Wachzustand. Wenn ich jemanden einen negativen, schadenbringenden Auftrag gebe, wird er ihn im Wachzustand wahrscheinlich eher ausführen, als wenn er in Trance ist. Wenn Sie an all das denken, was man Ihnen Unangenehmes aufgetragen hat, und was Sie trotzdem ausgeführt haben - wahrscheinlich waren Sie dabei jedes Mal bei vollem Bewußtsein. Es ist sehr schwierig, jemanden in Trance dazu zu bewegen, etwas zu tun, was nicht gut und sinnvoll für ihn ist. Anscheinend sind die Menschen in Trance scharfsinniger und kritischer als sonst. Es ist viel einfacher, jemanden im Wachzustand auszutricksen oder zu übervorteilen, als wenn er in irgendeinem anderen mir bekannten Bewußtseinszustand ist. Nach meiner Überzeugung ist Hypnose reines Biofeedback. Allerdings sagt Ihnen ein Biofeedback-Gerät nicht, Sie sollen Ihren Pulsschlag verlangsamen, sondern nur, wie schnell er im Moment ist. Sie müssen selber zusehen, wie Sie Ihren Puls verlangsamen oder Ihren Blutdruck verändern können, das Gerät gibt nur das Feedback. Als Hypnotiseur können Sie aber beides: Sie können den Leuten mit Ihrer Kommunikation den Ist-Zustand mitteilen, genau wie ein Biofeedback-Gerät, und zusätzlich können Sie Schritt für Schritt Neues hinzufügen, so daß Veränderungsprozesse einsetzen, denen der andere von ganz allein und ohne Schwierigkeiten folgen kann. Sie können Situationen herstellen, in denen der Klient nichts anderes tun muß als reagieren - das, was Menschen sowieso dauernd tun und besser können als alles andere. Im Trancezustand lassen sich Persönlichkeitsveränderungen viel einfacher als im Wachbewußtsein durchführen. Die Tatsache, daß Sie nicht die Entscheidungsfreiheiten haben, die Sie sich wünschen, ist eine Funktion Ihres derzeitigen Bewußtseinszustandes. Der normale Wachzustand ist per definitionem das, was Sie an Fähigkeiten und Grenzen haben. Wenn Sie im Wachzustand erleben, daß Sie nur begrenzte Möglichkeiten haben, und Sie versuchen, an diesen Einschränkungen im normalen Wachzustand etwas
* »Catch 22« ist ein amerikanischer Spielfilm der 70er Jahre, in dem ein USSoldat während des Zweiten Weltkrieges versucht, sich »verrückt« zu stellen, um aus dem Militärdienst entlassen zu werden. Allerdings - jede Verrücktheit, die er sich ausdenkt, wird sogleich von der Realität übertroffen, so daß es auf diese Weise kein Entkommen aus dem System gibt. (Anm. d. Übers.)
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zu ändern, haben Sie eine »Catch-22«-Situation.* Diese Begrenztheiten werden Sie behindern, wenn Sie versuchen, sich mit Ihren Grenzen auseinanderzusetzen, und Sie werden eine Menge Schwierigkeiten bekommen. Wenn Sie sich aber in einen veränderten Bewußtseinszustand versetzen, werden Sie die Grenzen des Normalzustandes nicht mehr haben. Auch dann wird es Grenzen geben, aber andere als vorher. Wenn Sie zwischen verschiedenen veränderten Bewußtseinszuständen pendeln, können Sie Ihre Persönlichkeit so tiefgreifend verändern, daß Sie sich hinterher selbst kaum im Wachzustand wiedererkennen. Wie viele Ärzte sind hier? - Wer von Ihnen hat sich schon einmal so sehr geändert, daß er nie wieder so wie vorher war? . . . Und wer von Ihnen hat sich noch nie so verändert...? Ich hatte gehofft, einer von Ihnen würde sich melden, dann hätte ich sagen können: »Und Sie wagen es, Arzt zu sein!« Jemand, der nur auf Veränderungen hinarbeitet und nicht in der Lage ist, sich selbst zu ändern - das wäre der Gipfel der Heuchelei. Für mich ist die Hypnose nichts als eine Möglichkeit, Veränderungen zu erleichtern. Und unsere ganze Arbeit hier im Kurs ist, zu lernen, wie man bei Veränderungen auf natürliche Weise fließende Übergänge von einem Zustand zum anderen herstellt. Teilnehmer: Ich weiß noch immer nicht, woran Sie erkennen, daß jemand in Trance fällt. Sie haben gesagt, wir sollen auf Veränderungen achten, und ich habe auch einige gesehen, aber woher weiß ich, ob die bedeuten, daß jetzt der Trancezustand beginnt? Welche Veränderungen haben Sie während der Induktion festgestellt? Ich bat Sie, darauf zu achten, welchen Effekt die Veränderungen haben. Was hat sich verändert? Teilnehmerin: Die Gesichtsmuskulatur schien sich zu entspannen, und das Gesicht wurde flacher. Das ist durchaus charakteristisch. In Trance stellt sich eine Verflachung der Gesichtszüge ein, sie werden weicher, und das Gesicht wird viel symmetrischer als im Wachzustand. Nach meiner Erfahrung intensiviert sich zu Beginn der Trance die Asymmetrie
des Gesichtes, und wenn sich dann wieder eine Symmetrie der Gesichtszüge einstellt, wissen Sie, daß die Trance jetzt ziemlich tief ist; es handelt sich um eine Symmetrie, die sehr viel ausgeglichener wirkt als die des normalen Wachzustandes. Wenn jemand aus der Trance zurückkommt, kann man an seinem Gesicht feststellen, wie weit er gerade ist: Es wandelt sich von einer extremen Symmetrie über einen recht asymmetrischen Zustand bis hin zu dem, was bei ihm die normale Symmetrie des Wachzustandes ist. Was haben Sie noch beobachtet? Teilnehmer: Leichtes Zucken in den Fingern und anderen Körperteilen. Alle unbewußten Bewegungen - zuckende, unwillkürliche Bewegungen oder leichtes Erschauern - sind gute Anzeichen dafür, daß sich ein Trancezustand entwickelt. Teilnehmerin: Und die Atmung hat sich sehr verändert. Ich bin froh, daß Sie es so formuliert haben. Im Wachbewußtsein unterscheiden sich die Menschen erheblich dadurch, wie sie atmen, und wenn sie ihr Bewußtsein verändern, ändert sich gleichzeitig die für jeden charakteristische Atmung. Wenn Sie einen visuell orientierten Klienten haben, der im normalen Wachbewußtsein flach und nur oben im Brustkorb atmet, wird er in Trance wahrscheinlich zu einem viel tieferen Atmen aus dem Bauch heraus übergehen. Wenn Sie es mit einer sehr kinästhetisch orientierten Person zu tun haben, die normalerweise langsam und vom Bauch her atmet, wird sie zu einer anderen Atmungsweise hinüberwechseln. Atmungsgewohnheiten sind an bestimmte Sinnesmodalitäten geknüpft, und diese werden verändert, wenn jemand den Bewußtseinszustand ändert. Teilnehmerin: Wenn jemand asymmetrische Gesichtszüge hat, heißt das, daß es viele Widersprüche oder zumindest Unterschiede zwischen seinem Bewußtsein und seinem Unbewußten gibt? Diesen Schluß würde ich nicht ziehen. Wenn die Gesichtszüge sehr asymmetrisch sind, weiß man jedenfalls, daß etwas Ungewöhnliches abläuft. Ich schließe daraus immer, daß es sich um irgendeine Art von Ungleichgewicht handelt, entweder ein biochemisches oder eins im Verhalten, oder beides. Als Unterschied zwischen Bewußtsein und Unbewußtem würde ich es aber nicht bezeichnen. Teilnehmer: Ich habe beobachtet, daß bei manchen die Hände warm wurden und sich röteten, wenn die Trance tiefer ging.
Besonders, wenn man tiefere Stadien der Trance erreicht, entspannen sich die Muskeln mehr und mehr, und dadurch werden die Extremitäten besser durchblutet. Teilnehmer: Welche Beziehung gibt es zwischen der Bewußtseinsveränderung und dem völligen Zurückrollen der Augäpfel? Soweit ich weiß, keine. Wenn jemand die Augäpfel ganz nach oben rollt, ist das ein Anzeichen dafür, daß die Trance recht tief ist. Andererseits gibt es etliche Leute, die mit offenen Augen in tiefe Trance fallen können, es ist also kein notwendiger Bestandteil des Trancezustandes. Teilnehmer: Was bedeuten die Augenbewegungen? Es gibt zwei Arten von Augenbewegungen: die eine ist das Lidflattern, die andere ist die Bewegung des Augapfels hinter dem geschlossenen Lid. Letztere sind die »Rapid Eye Movements«, ein Anzeichen für bildliche Vorstellungen.* Das sind also die allgemeinen Anzeichen für die beginnende Trance. Zusätzlich werden Sie etliche andere Veränderungen beobachten, die aber typisch für denjenigen sind, den Sie gerade vor sich haben. Diese Veränderungen sind einfach Anzeichen dafür, daß er von einem Bewußtseinszustand zum andern hinübergleitet. Wenn Sie fragen, wie ein Trancezustand aussieht, dann ist die Frage: »Welcher Trancezustand?« und »Bei wem?« Wenn Sie den Muskeltonus, die Tönung der Haut und das Atmen der Person vor der Induktion einer Trance genau beobachten, wissen Sie, wie ihr Normalzustand aussieht. Wenn Sie dann während der Induktion Veränderungen hinsichtlich dieser Parameter beobachten, können Sie davon ausgehen, daß sich nun der Bewußtseinszustand ändert. Während Sie auf die allgemeinen Anzeichen der Bewußtseinsveränderung achten, müssen Sie zusätzlich auf das achten, was anzeigt, ob Sie mit der Person im Rapport stehen oder nicht. Entweder reagiert sie kongruent auf das, was Sie ihr auftragen, oder sie reagiert nicht dementsprechend, und daran können Sie beurteilen, wie gut der Rapport ist. Wenn Sie den Rapport verlieren, wird der andere natürlich beginnen, wieder zum Wachzustand zurückzukehren.
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* Im Deutschen ist in der Neurophysiologie die Abkürzung REM üblich. (Anm. d. Übers.)
Zusammenfassung A. Trance kann man als eine Verstärkung von Reaktionen und Erleben auffassen. Wenn Sie ein Erleben beschreiben und von den Dingen sprechen, die unbedingt dazugehören, wird es dem Betreffenden helfen, sein Erleben und Reagieren zu verstärken. B. Eine Übereinstimmung (Kongruenz) in bestimmten Verhaltensaspekten baut einen Rapport auf und ist die Grundlage dafür, daß man jemanden zu einem veränderten Bewußtsein führen kann. Man kann irgendeinen Aspekt des beobachtbaren Verhaltens des anderen aufgreifen und sich ihm darin anpassen. Besonders wirksam ist es, etwa den Atemrhythmus zu übernehmen, der immer zu beobachten, dem Betreffenden aber wahrscheinlich nicht bewußt ist. Wenn Sie sich mit Ihrem Sprechtempo nach dem Atemrhythmus richten, brauchen Sie nur einfach beim Sprechen langsamer zu werden, und auch die Atmung des anderen wird sich verlangsamen. Eine weitere Möglichkeit, diesen Gleichklang herzustellen, ist, das gegenwärtige Erleben der Person zu verbalisiereh: »Sie sehen mich an und lächeln, Sie hören meine Stimme, wenn ich spreche...« C. Sanfte Überleitungen ermöglichen einen leichten Übergang zum veränderten Bewußtsein. Bindewörter wie »wenn«, »während« und »und« machen Ihre Überleitungen fließend. D. Allgemeine Anzeichen von Trance: Zunächst Asymmetrie der Gesichtszüge, dann eine stärkere Symmetrie als normal. Allgemeine Entspannung der Muskulatur, kleine unwillkürliche Muskelbewegungen, Rötungen, Veränderung der Atmung.
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2 Einfache Induktionen Heute nachmittag wollen wir ganz systematisch eine Reihe spezieller Hypnoseinduktionen erklären, demonstrieren und mit Ihnen üben. Dann können Sie schon zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen, wenn Sie eine Trance induzieren wollen. Mag sein, daß das, was wir heute morgen machten, für einige Ihrer Klienten bereits ausreicht, aber wenn Ihr Repertoire sich darauf beschränkt, werden Sie bei etlichen anderen keinen Erfolg haben. Traditionelle Hypnotiseure haben Forschungen angestellt, die angeblich beweisen, daß nur ein gewisser Prozentsatz aller Menschen hypnotisierbar sei. Ihre Beweise sind aber so entstanden, daß sie für alle Versuchspersonen exakt dieselbe Induktion nahmen. Wenn man nur eine Induktion hat, klappt es bei einigen Personen - und bei anderen nicht. Die Mehrzahl der traditionell arbeitenden Hypnotiseure kümmert sich nicht im geringsten um auch nur einen unserer grundlegenden Aspekte von heute morgen, wie etwa das Sprechen im Atemrhythmus des anderen. Aber je breiter die Palette Ihrer Induktionsmöglichkeiten ist, desto mehr Leute können Sie hypnotisieren. Heute morgen haben wir eine ganze Weile über die physiologischen Begleiterscheinungen einer Bewußtseinsveränderung diskutiert. Sie konnten an Ihrem Partner zumindest einige charakteristische Veränderungen von Muskeltonus, Hauttönung und Atmung feststellen. Diese charakteristischen Anzeichen für verändertes Bewußtsein sind genau das, worauf Sie heute nachmittag, wenn Sie mehr über Induktionen lernen, besonders achten sollen. Das Grundprinzip der Hypnose-Induktion ist, daß man auf diese physiologischen Anzeichen veränderten Bewußtseins genau achtet und alles unternimmt, um sie zu verstärken. Außerdem gibt es spezielle Vorgehensweisen. Es gibt zum Beispiel Generalisierungen - das sind Sprachmuster, mit denen Sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen können, daß jemand seinen Bewußtseinszustand verändert. Ich erinnere Sie aber daran, daß alle Generalisierungen, die wir hier bringen, letztlich Lügen sind: Sie funktionieren keineswegs bei jedem und bei jeder Gelegenheit. Sie sollen Sie dazu 53
Zwingen, auf alles Wahrnehmbare zu achten und genau zu erfassen, was abläuft. Falls sich Ihnen aber ein aktuell beobachtbares Feedback darstellt, sollten Sie eine Generalisierung immer hintanstellen. Wir geben diese Regeln an, damit Sie für Ihr Vorgehen bestimmte Möglichkeiten haben. Und wenn Sie so vorgehen und feststellen, beim andern entwickelt sich eine gute Trance, bleiben Sie dabei; das was Sie tun, funktioniert. Falls Sie nicht feststellen können, daß sich eine Trance entwickelt - tun Sie irgend etwas anderes. Die zwei ersten Methoden, die ich jetzt vorstellen will, ähneln dem, was Sie schon heute morgen kennengelernt haben; trotzdem sind sie wichtig und wirksam genug, um in leichter Abwandlung gesondert dargestellt zu werden. Verbales Pacing und Führen: Die 5-4-3-2-1-Übung Heute morgen haben Sie verbales Pacing und Führen geübt, als Sie drei verifizierbare Aussagen, ein Übergangswort und eine anschließende nicht verifizierbare Aussage benutzten. Sie können diese Methode etwas eleganter gestalten, indem Sie Ihre Anfangssätze fast ausschließlich auf die Wahrnehmung der Außenwelt beziehen und dann schrittweise die Anzahl der Aussagen erhöhen, die sich auf inneres Erleben beziehen, also nicht verifizierbar sind. Milton Erickson hat die Trance oft als Zustand erhöhter innerer Aufmerksamkeit beschrieben. Wenn Sie schrittweise die Anzahl der innenorientierten Aussagen erhöhen, können Sie mit Hilfe von Pacing und führenden Sätzen nach und nach die Aufmerksamkeit der Person auf ihre Innenwelt konzentrieren. Beginnen Sie also, wenn Sie diese Methode üben, mit fünf Aussagen: vier, die sich auf sinnlich Wahrnehmbares beziehen, und eine, die inneres Erleben anspricht. Verbinden Sie beide mit Übergangswörtern wie »und« oder »während«: »Sie hören den Klang meiner Stimme und sehen die Farben im Raum, während Sie spüren, wie Ihr Arm auf der Stuhllehne ruht, und langsam bekommen Sie ein Gefühl der Zufriedenheit.« - Dann schließen Sie wieder überprüfbare Äußerungen an, diesmal drei; darauf folgen zwei Aussagen über innere Prozesse, dann zwei und drei, eins und vier, und an dem Punkt entwickelt sich mit aller Wahrscheinlichkeit schon eine ziemlich gute Trance. 54
Bitte überlegen Sie sich alle einen Augenblick lang: Worin könnte eine solche innenorientierte, also nicht überprüfbare Aussage bestehen, die Sie mit Ihren verifizierbaren Aussagen verbinden könnten? Ich möchte sichergehen, daß alle verstanden haben, was eine solche Beschreibung inneren Erlebens ohne Bezug zu Außenreizen charakterisiert. Teilnehmer: Und Sie werden sich zusehends wohler fühlen. Teilnehmerin: Und Sie werden ein Gefühl von Freude empfinden. Teilnehmerin: Befriedigt. »Und Sie werden Zufriedenheit empfinden über die guten Fortschritte, die Sie machen.« Teilnehmer: Und Sie werden spüren, daß sich einiges geändert hat. Teilnehmer: Und Erinnerungen an angenehme Erlebnisse steigen in Ihnen auf. »Und eine ganz bestimmte angenehme Erinnerung wird in Ihnen aufsteigen.« Teilnehmer: Ist es Absicht, daß Sie immer das Futur benutzen? Genaugenommen würde ich vorschlagen, daß Sie fürs erste das Partizip verwenden.* Zum Beispiel: »Und Sie beginnen langsam, das angenehme Gefühl wahrzunehmen...«. Oder: »Und nun beginnt eine Erinnerung in Ihnen aufzusteigen...«; »und nun wird Ihnen nach und nach klar, welchen Sinn es haben kann, etwas über Hypnose zu lernen.« Würden Sie bitte zu mir heraufkommen, Barbara? Ich möchte etwas demonstrieren. Die anderen achten bitte besonders auf zwei Dinge: Das eine sind die physiologischen Veränderungen, die Sie an Barbara beobachten können, während sich ihr Bewußtsein verändert. Das andere ist, daß Sie mein verbales Verhalten verfolgen, denn ich werde genau die Kombination von Aussagen benutzen, von der ich eben sprach. Auf diese Weise können Sie im Zusammenhang beobachten, wie ich mit ihren Reaktionen umgehe. Also Barbara, Sie können Ihre Augen offenhalten oder schlie* Im Englischen ist das die -ing-Form, die dem Verb prozeßhaften Charakter verleiht und im Deutschen nicht existiert. In der Übersetzung wurde sie meistens durch Formulierungen umschrieben wie «... und nach und nach...«, »langsam spüren Sie...« u. ä. (Anm. d. Übers.)
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ßen, ganz so, wie es für Sie am angenehmsten ist. Setzen Sie sich bitte dorthin und erlauben Sie mir, Ihnen ein paar Dinge zu beschreiben. Ich möchte Sie bitten, dann auf etwas zu achten, und zwar, ob die Beschreibungen, die ich Ihnen gebe, dem entsprechen, was Sie gerade fühlen und erleben. Im Moment zum Beispiel sitzen Sie hier und können den Klang meiner Stimme hören. Und Sie spüren die Wärme Ihrer Finger, die Sie ineinander verschränkt haben. Was ist gerade passiert? Ich hoffe, Sie haben es mitbekommen, denn Barbaras Reaktion von eben ist ein wichtiger Anfang. Teilnehmer: Sie hat genickt. Ja, aber noch etwas Wesentlicheres. Teilnehmer: Sie hat die Augen geschlossen und wieder geöffnet. Also, Ihre Pupillen haben sich geweitet. Eigentlich meinte ich aber etwas, was man sicherlich auch in der letzten Reihe erkennen konnte: die Entspannung und Glättung der Gesichtsmuskulatur. Kennen Sie alle das Phänomen, das wir »ins Leere starren« nennen? Wenn Sie mit jemanden sprechen und plötzlich das Gefühl haben, der andere ist überhaupt nicht da? Ich habe Barbara zwei Dinge gesagt, die sie sofort verifizieren konnte. Als sie feststellte, daß beide richtig waren - besonders beim zweiten -, gab es plötzlich eine Kongruenz zwischen dem, was sie hörte, und dem, was sie spürte, und von da an konnte sie die Welt um sich herum anders als gewöhnlich wahrnehmen. Sie war auf dem Weg in einen anderen Bewußtseinszustand. Lassen Sie mich nun fortfahren, damit Sie das weiter verfolgen können. Wie gesagt, Barbara, die Augen können Sie offenlassen oder schließen, was Ihnen gerade am angenehmsten ist. Und während Sie so sitzen, spüren Sie, wie der Stuhl Sie trägt und stützt, und Sie spüren die Stelle, wo die Querstrebe direkt vor Ihren Fersen die Füße abstützt. Und während Sie da sitzen, spüren Sie die Wärme Ihrer Hände, wo sie auf den Beinen und Oberschenkeln ruhen, und Sie fühlen, wie Sie sich zunehmend wohler fühlen. Und wenn sich die Augen das nächste Mal schließen wollen, lassen Sie das einfach zu und genießen Sie es, wie Sie sich auch innerlich wohl und wohler fühlen. (Jemand niest.) Sie hören ein Niesen, das Geräusch erreicht Sie und entfernt sich wieder, und nun fühlen Sie sich noch entspannter. Und wie Sie so sitzen und einatmen... und wieder ausatmen... fühlen Sie sich mehr und m e h r . . . gelöst und
entspannt... hören ein paar Geräusche... und genießen das wachsende Gefühl von Sicherheit, daß das, was wir hier vorhaben, gut gelingt... Und nun, Barbara, möchte ich, daß Ihr Unbewußtes eine Wahl trifft: ob Sie sich erfrischt... und erholt fühlen wollen... wie Sie so dasitzen und auf den Klang meiner Stimme genauso hören... wie auf das leise Klappern des Porzellans... aber Sie empfinden eine wachsende Unabhängigkeit von Ihrer Umwelt... und fühlen sich... innerlich gelöst... Und für das, was wir hier vorhaben . . . nämlich, etwas zu demonstrieren... sind Sie schon recht weit gekommen... Und nun werde ich Ihr Unbewußtes auffordern... e i n e . . . oder beide... Hände und A r m e . . . langsam sich heben zu lassen . . . wenn es wirklich... angemessen i s t . . . in kleinen... unwillkürlichen . . . und unbewußten... Bewegungen... Und während Sie so dasitzen... und einatmen... und ausatmen... können Sie sich fragen... ob gerade diese Reaktion... das ist, wofür sich Ihr Unbewußtes entschieden h a t . . . oder ob Sie lieber was zu unserem Vorhaben genausogut paßt - . . . mit einem Gefühl von Gelöstheit... oder eher mit innerem Erfrischtsein... wieder langsam zurückkommen wollen... Dann können Sie nach und n a c h . . . hierher zu uns in den Raum zurückkehren... und sich freuen... wie schnell Sie diese Anfangsphase der Bewußtseinsveränderung . . . gelernt haben... In jedem F a l l . . . würde ich bei dieser Gelegenheit... gern Ihr Unbewußtes bitten... nun einiges Material aufzunehmen: . . . Wenn ein Zimmermann daran g e h t . . . ein Haus zu bauen... braucht er vor allem... Balken, Nägel und sein Werkzeug... Die Balken und die Nägel... haben keine Funktion, solange sie nicht... in bestimmter Weise zusammengefügt... und aneinander befestigt sind... Genauso ist e s . . . mit Zeichen auf dem Papier . . . Die Zeichen auf dem Papier, die wir Buchstaben nennen . . . werden auch..". aus kleinen Balken zusammengefügt... und es ist viel einfacher 4,.. am fertigen Gebäude zu erkennen, was es i s t . . . ein H a u s . . . oder eine Garage... als wenn die Balken und Nägel... noch unverbunden... nebeneinander liegen... Es gibt natürliche Arten der Wahrnehmung... und d i e . . . kann man lernen... Aus der Luft... kann man die ganze Skyline einer S t a d t . . . zum Beispiel... die Küstenfront von San Francis-
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c o . . . mit einem einzigen Blick erfassen... und in allen Einzelheiten erkennen... Und in der Tat ist es vom Flugzeug a u s . . . viel leichter... solche Dinge zu überblicken... und Einzelheiten der San Francisco Skyline... ebenso wie das Gesamtbild . . . zu erfassen . . . als wenn m a n . . . unten zwischen den Gebäuden herumläuft . . . Und dasselbe gilt für viele andere Lebensbereiche... Ob sich nun Ihr Unbewußtes entscheidet... Sie mit einem Gefühl der Erfrischung zurückkehren zu lassen... oder Sie veranlaßt, noch tiefer zu gehen... zeigen Sie es mir, indem Sie entweder einen oder beide Arme heben... Die Entscheidung überlasse ich ganz Ihrem Unbewußten... Aber wie auch immer es sich entscheidet, ich möchte, daß es die Materialien... die ich vorhin genannt h a b e . . . zusammenzufügen beginnt... so daß Ihre Wahrnehmungen n e u . . . und sinnvoller geordnet werden. (Sie öffnet die Augen und streckt sich.) Wie immer, wenn ich etwas vorführen will, bin ich nur ungefähr die ersten vier Sätze bei dem geblieben, was ich angekündigt hatte; dann bin ich zu dem übergegangen, was ich gerade angebracht fand. Ich begann mit Aussagen, die Barbara unmittelbar nachprüfen konnte. Wir alle haben zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine unendliche "Vielfalt von möglichen Sinneswahrnehmungen und entsprechenden Empfindungen.* Die eigentliche Kunst ist, zu wissen, welche man auswählt und anspricht. Besonders nützlich ist es beim Hypnotisieren, etwas auszuwählen, von dem Sie glauben, daß die Person es noch nicht wahrgenommen hat - bis Sie es erwähnen. Ich war zum Beispiel ziemlich sicher, daß ihr der Klang meiner Stimme durchaus bewußt war, und das stimmte auch, es hat sie nicht überrascht, als ich davon sprach. Weniger bewußt war ihr, wie unten die Querstrebe des Stuhls ihren Füßen Halt gab; deshalb waren, als ich das erwähnte, mehr Veränderungen an ihr zu beobachten. Um festzustellen, ob das, was ich sagte, stimmte, mußte sie die momentane Ausrichtung ihres Bewußtseins ändern. Zwei Dinge sind durch diese Manöver passiert. Erstens gewann ich an Glaubwürdigkeit: was ich sagte, stimmte mit ihrem Erleben überein. Zweitens: Da sie auf ihre Füße nicht geachtet hatte, be* Für die Wahrnehmung des Hypnotiseurs ist der Begriff »sensory experience« ganz zentral. Eine griffige deutsche Übersetzung ohne Bedeutungsverlust erscheint kaum möglich, daher wurde der Begriff häufiger in Klammern erwähnt. (Anm. d. Übers.)
vor ich sie erwähnte, war dies auch eine verdeckte Anweisung (covert Instruction), ihr momentanes Bewußtsein zu verändern in diesem Fall in Richtung auf Wahrnehmung eines bestimmten Körpergefühls. Ich habe etwa ein halbes Dutzend solcher Dinge genannt. Und dann habe ich die Äußerungen, die an Barbara gerichtet waren, plötzlich verändert. Was habe ich getan? Teilnehmerin: Sie haben in Metaphern gesprochen. Vorher habe ich noch etwas anderes getan. Teilnehmer: Sie haben angefangen zu führen. Ja. Zuerst bin ich nur beim Pacing geblieben: Aussagen über ihr augenblickliches Erleben. Und was für eine Art von Sätzen habe ich dann gebracht? Teilnehmer: Suggestionen, daß sie die Augen schließen soll. Ich gab Suggestionen, sie solle die Augen schließen, aber sie tat es ja bereits. Wir nennen das >Inkorporation^ Sie tat etwas, und ich nahm es in meine Aussagen auf, inkorporierte es. Gleich nachdem sie die Augen geschlossen hatte, begann ich, von innerseelischen Prozessen zu sprechen, die sich bei ihr einstellen sollten. Ich sagte etwas von einem »zunehmenden Gefühl von Gelöstheit und Sicherheit, wie Sie hier sitzen«. Für mich haben ihre nonverbalen Signale - langsameres Atmen, entspannte Muskulatur - den Namen »Gelöstheit« oder »sich wohl fühlen«, für Barbara vielleicht nicht. »Sich wohl fühlen« (comfort) hat so viele verschiedene Bedeutungen wie hier Personen im Raum sind. Wenn ich dieses Wort gebrauche, spreche ich nicht mehr von Sinneswahrnehmungen, sondern ich suggeriere, daß solche Befindlichkeiten in ihr entstehen - was auch immer es für sie beinhaltet. Ich hoffe, Sie alle haben eine ungefähre Vorstellung von dem, was der Rest meiner Aussagen enthielt. Dazu muß ich erklären, daß Barbara mich kurze Zeit vorher angesprochen hatte, weil sie sich in einem bestimmten Punkt ändern möchte, und zwar hinsichtlich einer bestimmten intellektuellen Fähigkeit, die sie gern besäße. Ich habe eine Reihe von Metaphern gebraucht, die in Richtung auf eine solche künftige Veränderung zielen. Vielleicht können Sie sich daraus etwas zusammenreimen, vielleicht auch nicht. Barbara jedenfalls wird wissen, welchen Sinn das alles hatte, und darauf kommt es mir an. Barbara: Als Sie es sagten, habe ich es nicht verstanden. Es
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waren so viele Wörter auf einmal. Ich habe dann einfach aufgehört, alles rational erfassen zu wollen. Genau. Das ist eine der Reaktionen, die mir sehr wichtig sind. »Es waren einfach so viele Wörter auf einmal, daß ich aufgehört habe, mir alles klarzumachen. Worüber zum Teufel, reden Sie eigentlich? Zimmerleute und die Skyline von San Francisco... Und vom Flugzeug aus ist es anders, als wenn man zwischen den Hochhäusern herumläuft.« Mit anderen Worten, der letzte Teil war maßgeschneidert für das Anliegen, das sie mir vorher mitgeteilt hatte. Als ich so sprach, hat ihr Kopf das nicht verstanden, aber ich habe Anzeichen dafür gesehen, daß ihr Unbewußtes sehr wohl den Bezug herstellen konnte und mit den Einstellungsänderungen begann, die ich von ihm erwartete. Gibt es dazu Fragen? Teilnehmer: Sie haben davon abgesehen, die Armlevitation weiter zu verfolgen? Nein, die Entscheidung habe ich ihr überlassen. Das tue ich immer. Teilnehmer: War es nicht so, daß sie beim Heben der Hand Widerstände hatte, und dann haben Sie ihr eine Alternative angeboten? Widerstände hatte sie keine. Ihre Hand begann durchaus, sich zu heben. Finger und Daumen bewegten sich schon. Dann bot ich eine zweite Möglichkeit an, und ihr Unbewußtes entschied sich für diese. Hätte ich ihr die Alternative nicht angeboten, hätte sich ihre Hand weiter gehoben. Auf meine Suggestion hin, die Hand und den Arm zu heben, gab es kleine, unwillkürliche Zuckungen, die fast immer der vollständigen Bewegung vorausgehen. In dem Moment fiel mir aber ein, daß ich ja Induktionen und nicht hypnotische Phänomene demonstrieren sollte, also bot ich ihr an, sie könne sich nun erfrischt und erholt fühlen und froh sein über soviel Erfolg in so kurzer Zeit. Ein guter Hypnotiseur ist wie eine gute Regierung: Er macht seine Sache um so besser, je weniger er intervenieren muß, um seine Ziele zu erreichen. Was zwischen Barbara und mir abgelaufen ist, würde ich so beschreiben: Sie hat mir erlaubt, mit ihr in einen Austausch zu treten, bei dem ich ihr einiges von ihrem Erleben widerspiegeln konnte, worauf sie in der Lage war, ihr Bewußtsein radikal zu ändern. Aber eigentlich hat sie die ganze Zeit
geführt, und zwar in dem Sinne, daß ich auf die Veränderungen bei ihr reagierte, diese interpretierte und dann den nächsten Schritt vorschlug. Und sie akzeptierte alles, was ich ihr anbot. Wenn sie mir an irgendeiner Stelle signalisiert hätte, daß ich Dinge vorschlage, die ihr nicht angemessen sind, hätte ich Alternativen angeboten. Teilnehmer: Woran hätten Sie denn gemerkt, daß eine Suggestion unangemessen ist? Das sieht man an einem Nachlassen all der Erscheinungen, die eine zunehmende Trance anzeigen. Jedes Nachlassen der Muskelrelaxation, jede Änderung des Atems, der Unterlippe oder der Hauttönung hätte mir angezeigt, daß ich etwas vorgeschlagen habe, was ihrem Zustand nicht entsprach. Teilnehmer: Ich wüßte gerne, was Sie gedacht haben, als sie am Anfang so nervös gelacht hat. Das war, nachdem Sie von der Wärme ihrer Hände geredet hatten. Sie hat gelacht, aber Sie haben das ignoriert. Das war bei der kurzen Unterbrechung, als ich sagte: »Ich hoffe, Sie sehen jetzt alle die Reaktion.« Ich meinte die Muskelentspannung, Pupillenerweiterung und den kurzen Schauer, der durch ihren Körper lief. Sie lachte unmittelbar nach diesem Kommentar; wenn ich mit der Induktion weitergemacht hätte, hätte sie sicher nicht gelacht. Es kam, weil sie gemerkt hatte, daß es funktioniert. Ich hatte erst zwei Sätze gesagt, und schon ging's los, sie konnte die Veränderungen deutlich wahrnehmen. War es so, Barbara? Barbara: Ja. Das Lachen wäre nie vorgekommen, wenn ich die Induktion ohne Unterbrechung weitergeführt hätte. Aber weil ihre Reaktion so prompt und deutlich war, wollte ich sichergehen, daß Sie es alle mitbekommen. Teilnehmerin: Mir ist etwas Seltsames passiert, als Sie die Induktion machten. Ich versuchte, Sie zu beobachten, das war ja meine Aufgabe, aber stattdessen habe ich das Ganze selbst mitvollzogen. Ich war ziemlich verwirrt, weil meine Hand auch begann, sich zu heben, u n d . . . Nun, da sind Sie nicht die einzige. Ungefähr dreißig Leuten hier ist es genauso gegangen. Sie brauchen also gar nicht verwirrt zu sein.
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Larry: Können Sie uns nicht noch mehr Begriffe für solche inneren Gefühlsreaktionen nennen? Ich meine, für die Empfindungen, die sie bei ihr vermutet haben? Vermutet habe ich nicht, an der Stelle habe ich geführt. Ich habe sie aufgefordert, solche Gefühle selbst zu entwickeln. Die Wörter »Sicherheit« und »Entspannung« habe ich nicht aufgrund dessen genannt, was ich sah, denn ich weiß nicht, ob das, was ich an ihr beobachten konnte, für sie Sicherheit und Entspannung bedeutet. Ich weiß nur, das sind allgemeine Begriffe, die im Zusammenhang mit Muskelrelaxation oft gebraucht werden. Larry: Stimmt, und ich würde gern wissen, was für Wörter Sie außerdem noch dafür haben. Es gibt viele. Man kann sagen: »Sie fühlen sich leicht« oder »friedlich«, nian kann von »Ruhe« sprechen oder sagen: »Sie ruhen in sich selbst«. Aber das sind alles nur Wörter. Sie haben keine feste Bedeutung, jeder interpretiert sie auf seine Weise - nach seinen eigenen Bedürfnissen. Ich betone noch einmal, daß man deutlich unterscheiden muß zwischen den Sätzen, die die Wahrnehmung von Außenreizen beschreiben, und solchen, die mit Sinneswahrnehmungen nichts zu tun haben.* Die sensorischen Beschreibungen haben mir geholfen, mit Barbara eine Synchronizität herzustellen, mit den anderen konnte ich ihr sehr allgemeine Prozesse anbieten, die sie auf ganz persönliche Weise benutzen konnte. Ihre Interpretationen dazu werden vielschichtig, bedeutungsvoll und individuell sein. Ich habe keine Ahnung, wie sie aussehen, und das ist auch gut so. Der Inhalt gehört ihr allein, meine Aufgabe ist nur, den Prozeß als solchen weiterzuführen. Das also war eine recht einfache verbale Induktion, und darauf können Sie immer zurückgreifen, das funktioniert immer. Es dauert nur etwas länger als die anderen, eleganteren Methoden. Wenn sie diese einfache Induktion verwenden, denken Sie daran, die Beschreibungen der Sinneswahrnehmungen mit den innenorientierten Aussagen zu verbinden. Wir nennen das »kausales Gestalten« (causal modeling). Die einfachste und schwächste Art von Verbindung ist das Wort »und«. »Sie hören den Klang meiner * i. 0.: »sensory-grounded descriptions and non-sensory-grounded descriptions«. (Anm. d. Übers.)
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Stimme und spüren die Wärme Ihrer Hände auf den Schenkeln und ein zunehmendes Gefühl von Gelöstheit und...« Als ich die Induktion mit Barbara machte, habe ich am Anfang meine Aussagen mit dem Wort »und« verbunden und bin dann zu einer stärkeren Art von Verknüpfung übergegangen: »Das Gefühl von Wärme und Getragensein während Ihr Körper auf dem Stuhl ruht, wird es Ihnen möglich machen, sich noch wohler zu fühlen.« Es gibt drei Arten, Aussagen miteinander zu verknüpfen: die einfachste ist »X und Y«. Die nächststärkere ist »während« (oder: »wenn«) X, dann Y«. Etwa: »Wenn Sie den Klang meiner Stimme hören, werden Sie zusehends entspannter...« oder: »Wenn ich meine Hand ausstrecke und Ihr Knie berühre, werden Sie das Gefühl haben, in einen noch tiefer entspannten Zustand zu sinken.« Die stärkste Art von Verbindung ist »X verursacht Y«; man verwendet Begriffe wie »veranlassen«, »das bewirkt« oder »macht Ihnen möglich...«. »Das Schweben Ihres Armes bringt Sie dazu, einer angenehmen Erinnerung nachzuhängen...« Das Grundmuster sieht also so aus, daß man vier Sachen sagt, die sofort verifizierbar sind und sie dann mit einem »und« an eine innenorientierte Aussage anbindet - erst Pacing, dann Führen. Im weiteren können Sie die Anzahl der innenorientierten Aussagen schrittweise erhöhen und ebenso schrittweise von schwächeren Verknüpfungsformen zu stärkeren übergehen. Verknüpfungen können sehr viel bewirken. Es ist verblüffend, wie sie dem bewußten Verstand glatt entgehen und trotzdem so starke Wirkungen haben können. Mir ist es einmal passiert, daß jemand in einem Seminar buchstäblich erblindete. Ich wollte etwas demonstrieren und hatte gesagt: »Alles, was Sie dazu an Fähigkeiten brauchen, ist das Sehen.« Ich hatte also das Sehen mit der Fähigkeit verknüpft, diese eine Aufgabe zu erfüllen. Als ich mit der Demonstration fertig war, meldete sich eine Frau und sagte: »Ich habe eine Frage.« Ich fragte, welche, und sie antwortete: »Was machen Sie denn, wenn Sie überhaupt nichts sehen können?« Ich dachte, sie meinte, bei der Demonstration habe sie an der Versuchsperson keine Veränderungen bemerkt, deshalb sagte ich: »Sie haben keine einzige der Reaktionen erkennen können?« Sie antwortete: »Nein, das meine ich nicht - es ist total dunkel.« Sie schien darüber keineswegs beunruhigt zu sein, aber ich dachte: »Hey - Moment mal!« Dann ging ich zu ihr und sagte: »Sie 63
brauchen das nicht zu lernen!* und - zack! konnte sie wieder sehen. Diese Frau reagierte sehr ungewöhnlich. Bei den meisten Leuten werden die Verknüpfungen umgekehrt funktionieren. Da sie sehen können, werden sie in der Lage sein, die Aufgabe zu erfüllen. Solange Ihnen klar ist, was Sie womit verknüpfen, werden Sie allen Situationen gewachsen sein. Nonverbales Pacing und Führen Sinnvollerweise ist jede Hypnose als Feedback anzusehen. Im Moment zum Beispiel sitzt Bob genau vor mir. Zwischen uns gehen viele Informationen hin und her,, verbale und nonverbale. Von all den Signalen, die wir austauschen, sind uns einige bewußt - das heißt, wir wissen, daß wir sie aussenden -, andere aber sind es nicht. Ich kann mit Bobs Botschaften allerlei machen, zum Beispiel die aussuchen, die ihm offensichtlich nicht bewußt sind, und ihm Rückmeldung geben, indem ich sie mit meiner Körperhaltung spiegele. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sein Bewußtsein verändert sich, und er wird sich dieser Dinge bewußt, oder seine unbewußten Reaktionen werden einfach verstärkt, so daß immer mehr Reaktionen unbewußt werden und immer weniger bewußt bleiben. Wenn Sie eine unbewußte Reaktion des anderen mit Ihrem Verhalten aufgegriffen haben, können Sie anfangen, sie zu verstärken oder ihn langsam zu einer anderen Reaktion führen. Ich kann aus Bobs nonverbalem Verhalten einen beliebigen Aspekt herausgreifen und das tun. Nehme ich seine Pupillendilatation, weite ich meine Pupillen ebenfalls und beginne, während ich ihn ansehe, meinen Blick ins Leere gehen zu lassen, aber nur so schnell, wie er mir dabei folgen kann. Der Blick, der ins Leere geht, ist übrigens ein gutes Zeichen für Trancezustände, denn er stellt sich mir bei inneren Wahrnehmungsprozessen ein - während, wenn der Blick auf etwas Konkretes gerichtet ist, Wahrnehmungen der Außenwelt im Vordergrund stehen. Ich kann auch sein Augenzwinkern aufgreifen und nach und nach häufiger und verlangsamt zwinkern, bis er seine Augen ganz schließt. Ich kann auch seinen Muskeltonus spiegeln und dann 64
langsam meine eigenen Muskeln entspannen, um ihm die Entspannung leichter zu machen. Beim nonverbalen Pacing und Führen brauchen Sie nicht zu sprechen. Sie spiegeln einfach, um den Rapport herzustellen, und versetzen sich dann langsam selbst in einen anderen Bewußtseinszustand, immer darauf achtend, daß der andere mitgehen kann. Pacing und Führen sind universelle Strukturen: Sie gehören zu wirklich jeder Art von Induktionen, die wir Ihnen vermitteln. Nonverbales Pacing und Führen können Sie entweder separat oder im Rahmen einer anderen Induktionsmethode einsetzen. Ich empfehle Ihnen, daß Sie irgendwann einmal eine rein nonverbale Induktion üben; ohne Worte, nehmen Sie einfach nur eine Haltung ein, in der Sie ganz Spiegel sind. Und dann können Sie sich, sehr langsam und immer darauf achtend, daß der andere Ihnen folgt, selbst in eine tiefe Trance versetzen. Aber sorgen Sie vorher dafür, daß Sie wissen, wie Sie da wieder herauskommen. Von einemWahrnehmungssystem Für die, die nicht wissen, was Wahrnehmungssysteme sind, will ich es kurz erklären. Vor einiger Zeit fiel uns auf, daß sich die Menschen hinsichtlich der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen spezialisieren. Wenn Sie eine Erfahrung in Informationen der einzelnen Sinnesorgane aufteilen, dann haben Sie einen visuellen, einen auditiven und einen kinästhetischen Informationsanteil. Es gibt auch noch einen olfaktorischen (Geruch) und einen gustatorischen (Geschmack), aber diese beiden Kanäle sind normalerweise für das Erleben nicht sehr wichtig, es sei denn, Sie kochen oder essen gerade. Einige von uns nehmen im normalen Wachzustand primär visuelle Sinneseindrücke wahr, andere auditive, und wieder andere kinästhetische. Dafür haben wir den Begriff »Wahrnehmungssysteme«, denn durch diese Systeme formen sich unsere Vorstellungen von der Umwelt. Die Wörter, mit denen * i. 0.: »Overlapping Representational Systems«. Das wörtlich übersetzte »Überlappen« wurde als wenig glückliche Formulierung verworfen, statt dessen der Begriff »verschränken« gewählt. - In »Die Struktur der Magie« haben die Übersetzer den Begriff »Repräsentationssysteme« verwandt. Wegen der besseren Lesbarkeit und dem relativ geringen semantischen Verlust wurde hier das Wort »Wahrnehmungssysteme« dafür benutzt. (Anm. d. Übers.)
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wir unser Erleben beschreiben, sind Hinweise darauf, welcher Sinneskanal im Wachbewußtsein dominiert. Interessant daran ist nun: Wenn Sie jemanden seinen normalen Bewußtseinszustand beschreiben lassen, benutzt er meistens ein anderes Wahrnehmungssystem, als wenn er beschreibt, wie er sich im Trancezustand fühlt. Er kann zum Beispiel seinen Normalzustand so beschreiben: »Ich habe ein klares, deutliches Bild von dem, was ich bin« (visuelle Begriffe). Vom Trance-Zustand sagte er dann: »Ich habe das Universum gespürt« (kinästhetische Begriffe). ' Das heißt, wenn Sie bei einer Person herausfinden, welche Sinnesmodalität die Wahrnehmung im Normalzustand dominiert, sind Sie ausgezeichnet informiert über das, was verändertes Bewußtsein für sie ist - nämlich alles Übrige. Wenn eine Frau zu Ihnen kommt und sagt, daß sie ihre Gefühle ganz genau spürt, und daß sie ihr Leben fest in der Hand habe, können Sie sie zum Beispiel in einen Bewußtseinszustand versetzen, in dem sie primär visuelle Erfahrungen macht. Wenn sie hereinkommt und sagt »Ich spüre einfach, daß ich jetzt einen Trancezustand brauche, ich merke nämlich, daß mir viel fehlt, und manchmal bin ich ziemlich durcheinander, deshalb möchte ich mich mal entspannen und irgendwie meine Lebensprobleme wieder ausbügeln...«, dann haben Sie deutliche Anzeichen dafür, daß sie ihre Umwelt primär kinästhetisch wahrnimmt. Jane, würden Sie bitte für einen Moment herkommen? Erzählen Sie uns etwas über Ihr Haus. Jane: Nun, es hat eine sehr schöne Aussicht. Ich habe einen weiten Blick über das Meer - es ist einfach wunderschön. Sie gibt mir visuelle Informationen, also weiß ich, daß mir nichts passieren kann, wenn ich mit visuellen Aussagen beginne. Damit passe ich mich ihrem Erleben an (Pacing). Denken Sie daran, die allgemeine Regel lautet >Pacing und Führen<: Sich dem anpassen, was der Klient tut, und ihn langsam zu etwas anderem hinführen. Dieses >Andere< bedeutet, auf Ebenen überzuwechseln, die er normalerweise nicht benutzt. Das ist dann für ihn ein anderer Bewußtseinszustand. Ich frage die Leute am Anfang meistens, welchen Anblick sie als besonders wohltuend empfinden. Ich weiß bereits, daß Jane gern auf's Meer hinausschaut. Sind Sie auch gern am Strand?
Jane: 0 ja! Ich würde Sie gern einladen - mit offenen oder geschlossenen Augen - mir zu folgen, wenn ich Ihnen jetzt beschreibe... wie es i s t . . . am Meer zu s e i n . . . Wenn Sie tatsächlich... an einem Tag wie diesem... ans Meer gehen könnten... ist eins der ersten Dinge, die Sie wahrnehmen... wenn Sie aufschauen... der tiefblaue Himmel... Vielleicht können Sie ein paar Wolken sehen, die über den Himmel ziehen,... und wenn Sie sich umsehen... können Sie sich freuen... über die Klarheit der Luft.".. und Sie blicken nach u n t e n . . . und sehen, wie der Strand i s t . . . und wie Sie da so stehen... und den Boden unter sich betrachten... können Sie auch Ihre Füße sehen... und Sie spüren... wie Sie mit den Füßen . . . auf dem Sand stehen... Und wenn Sie auf das Meer hinausblicken, wie eine Welle nach der anderen... vom Horizont... heranrollt... auf Sie z u . . . hat jede ihre eigene F o r m . . . und ihre eigene Farbe, wenn sie sich bricht... Und während Sie hinausblicken... auf die Wellen... die herankommen, merken S i e . . . wie der Wind von der Spitze jeder Welle etwas Gischt fortträgt, wenn sie sich an der Küste bricht... Und wie Sie dieses Sprühen beobachten, spüren S i e . . . die Feuchtigkeit in der Luft... wenn die Brise Ihnen ins Gesicht w e h t . . . und es könnte sein, daß Sie j e t z t . . . ein paar Schritte... ins Wasser gehen... und fühlen... wie das kühle Wasser... um Ihre Knöchel und Füße wirbelt... und Sie können es ausgiebig genießen... Wenn Sie nun in die eine oder andere Richtung den Strand entlangschauen, können Sie eine vertraute Gestalt erkennen... jemanden, von dem Sie nicht erwartet hatten, ihn hier zu finden . . . und Sie winken... und die Person ruft etwas zu Ihnen herüber... was Sie an eine andere Zeit und einen anderen Ort erinnert... und an etwas sehr Erfreuliches und Überraschendes, das aus dieser Erfahrung resultierte... Und Sie genießen das Erlebnis... und lernen... daraus... was immer gut für Sie sein m a g . . . Und wenn Sie dann bereit sind... und alles so genossen haben, daß es Ihnen genügt... nehmen Sie sich dafür soviel Zeit, wie Sie wollen... dann kommen Sie zurück. Nun, welche Form der Kommunikation habe ich angewandt? Teilnehmerin: Mir schien, Sie haben vor allem Visuelles angesprochen und sind viel zwischen Visuellem und Kinästhetischem
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hin und her gependelt. Oder haben Sie einen Punkt erreicht, wo Sie sich entschieden haben, nur noch Kinästhetisches zu nennen? Hätte ich, wenn ich mit der Induktion weitergemacht hätte. Wenn ich so zwischen den Systemen hin und her wechsele, teste ich, ob sie mir folgen kann. Fassen Sie das als verbale Parallele zum gleichzeitigen Atmen auf. Ich atme eine Weile wie sie, und dann ändere ich meine Atemzüge; wenn sie mitgeht, habe ich einen Rapport - ich übernehme die Führung und kann jetzt jedes Erleben aufbauen, das irgendwie angemessen ist. Übrigens - woran habe ich gemerkt, ob sie mitgeht oder nicht? Nach meinen ersten paar Äußerungen wußte ich sofort, daß Sie mitmachen konnte - woher? Teilnehmer: Ihr Kopf bewegte sich entsprechend Ihren Instruktionen. Ja. Als ich davon sprach, nach oben zu sehen, hob sie den Kopf. Als ich sagte, sie soll nach unten sehen, senkte sie ihn. Und als ich davon sprach, auf die Wellen hinauszuschauen, tat sie auch das. Ihre Körperreaktionen signalisierten, daß sie tatsächlich das erlebte, was ich vorgab. Das reichte, um zu wissen, daß ich einen Rapport mit ihr hatte. Nun war die Frage: Behalte ich ihn auch, wenn ich auf ein anderes Wahrnehmungssystem umschalte? Die Antwort heißt immer: Ausprobieren. Also ließ ich sie hinunter auf den Boden schauen und sagte dann: »Fühlen Sie Ihre Füße auf dem Sand.« Jane: Habe ich auch. Teilnehmerin: Und wenn es klappt, mit ihr zu einem anderen System übergehen, haben Sie dann vor, dabei zu bleiben? Ja. Im Folgenden habe ich dann hauptsächlich über Körperempfindungen gesprochen, wie sie ins Wasser geht und Verschiedenes spürt: das Wirbeln des Wassers. . . und die Feuchtigkeit in der Luft. . . wenn der Wind ihr ins Gesicht bläst. Ich stelle als Erstes von dem Ort, wo sie sich befindet, eine visuelle Vorstellung her, und dann suche ich einen Punkt, an dem ich die visuelle Vorstellung mit irgendeinem anderen System verschränke. Also in unserem Fall an der Stelle, wo sie auf den Boden schaut und ihre Füße im Sand sieht; dann kann sie nämlich spüren, wie ihre Füße fest auf dem Sand stehen. Wenn sie hochschaut und sieht, wie der Wind Gischt von den Kronen der sich brechenden Wellen fortträgt, dann kann sie den Windstoß in ihrem Gesicht auch fühlen.
Jedes Erleben hat eine visuelle, eine akustische und eine kinästhetische Dimension. Also fangen Sie mit dem Wahrnehmungssystem an, das die Person Ihnen anbietet. Das ist Pacing: das Modell des Klienten übernehmen. Dann kann man eine einfache Formulierung benutzen, etwa: »Sie sehen, wie die Wolken über den Himmel ziehen . . . und wenn Sie ihnen dabei zusehen, fühlen Sie den Wind in ihrem Gesicht.« Wenn man sieht, daß die Wolken sich bewegen, liegt es nahe, daß es windig ist. Der Punkt, zu dem ich sie führen möchte, wo sich nämlich die visuelle Vorstellung der wandernden Wolken, die der Wind treibt, mit dem unästhetischen System verschränkt, ist das Gefühl des Windes in ihrem Gesicht. Die Formel dafür lautet: »Während X«, das ist das Pacing, »passiert Y«, das ist Führen. Teilnehmerin: Soweit ich es erkennen konnte, haben Sie nur einmal Akustisches genannt. Sie sagten, sie könnten den Freund rufen hören. Gibt es einen Grund, warum Sie das Akustische nicht so betont haben? Es war nicht notwendig. In unserer Kultur ist das akustische Wahrnehmungssystem selten ausgeprägt, außer bei Musikern. Es gab etliche Stellen, wo ich akustische Elemente hätte einbauen können, das Wehen des Windes, oder die sich brechenden Wellen. Ich möchte noch einen Unterschied betonen, und zwar den zwischen Induktion und eigentlicher Anwendung der Hypnose. Eine Induktion, die mit drei visuellen Statements beginnt, dann das kinästhetische System einführt, und, wenn sie mitgeht, dabei bleibt, wird ihren Bewußtseinszustand radikal verändern. Wenn es erst einmal soweit ist und ich alle physiologischen Anzeichen, die wir vorhin besprochen haben, feststellen kann, dann brauche ich das Erleben nur noch bis zur Vollständigkeit auszubauen. Ich würde ihr sagen, sie soll auf die Person zugehen, ihre Hand ausstrecken und sie berühren, ihr genau ins Gesicht sehen und schauen, was sich darin ausdrückt, und dann zuhören, was die Person ihr zu sagen hat. Dann kann ich diese Phantasie mit allen drei Sinnesmodalitäten als Matrix für jede beliebige von ihr gewünschte Veränderung benutzen. Teilnehmerin: Es gab vorhin eine akustische Störung, ein Kassettenrecorder hat laut geklickt. Ich habe mich gewundert, daß Sie das nicht irgendwie eingebaut haben, es hat Sie bestimmt unterbrochen.
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Ja, mich hat es gestört, aber Jane nicht. Sie hat es nicht gestört. Das weiß ich, weil ich keine Reaktion bei ihr sehen konnte, weder Veränderungen des Atems noch der Haut oder des Muskeltonus. Und da sie nicht darauf reagiert hat, hätte ich es absurd gefunden, es zu erwähnen. Teilnehmerin: Und wenn sie es gehört hätte, wie hätten Sie es dann in die Induktion eingebaut? Vielleicht: »Und sogar hier am Strand gibt es störende Geräusche. « Teilnehmer: Sie hat mit einem Bein gebaumelt, hätte man das irgendwie inkorporieren können? Hätte man. Ich hätte sie am Strand auf eine Schaukel setzen können, das wäre sicher gut gegangen. Das mit dem Bein und ein paar andere Aspekte ihres Verhaltens hätte man gut einbauen können. Man braucht aber nicht immer alles, was sich anbietet, auch tatsächlich in die Induktion hereinzunehmen - nur soviel, wie Sie gerade brauchen, um die erwünschten Reaktionen zu erreichen. Jane: Ich weiß noch, daß ich mit dem Bein gebaumelt habe, ich wußte auch, warum, aber jetzt fällt's mir nicht mehr ein. Und wie könnte sie jetzt dieses Wissen wiederbeleben, unter Anwendung desselben Prinzips, nämlich zwei Wahrnehmungssysteme miteinander zu verschränken? . . . Jane, baumeln Sie wieder mit dem Bein, schließen Sie Ihre Augen und lassen Sie Ihr Bein einfach baumeln und achten Sie darauf, was vor Ihrem inneren Auge erscheint. . . etwas schneller. . . Jane: Nur Gesichter. Meine Interpretation wäre - wenn ich es jetzt noch einmal überdenke -, daß hier eine Altersregression stattgefunden hat. Sie war wieder ein kleines Mädchen am Strand. Jane, haben Sie eine Vorstellung, wie alt Sie da am Strand waren? Jane: Genauso alt wie jetzt. Sie sagt jetzt, sie war genauso alt wie jetzt, aber es gab auch nonverbal - im Gesicht und in der Stimme - Anhaltspunkte, die für Altersregressionen charakteristisch sind. Genauso würde ich auch die Art beschreiben, wie sie vorhin mit dem Bein gebaumelt hat. Sonst noch Fragen zu dieser Art von Induktion? Teilnehmer: Ich weiß nicht mehr, wie Sie ganz zuerst angefangen haben. Haben Sie nicht irgend etwas gefragt?
Ja. Ich habe etwas gemacht, was ich immer sehr natürlich finde, ich habe gesagt: »Gehen Sie gern an den Strand?« und habe aufmerksam beobachtet, wie sie reagiert. Wenn ich einfach automatisch angenommen hätte, daß sie gern zum Strand geht, wäre ich nicht sicher gewesen, ob sie nicht vielleicht im Alter von drei Jahren am Strand zuschauen mußte, wie ihre ganze Familie ertrank. In dem Fall wäre der Strand kein gutes Bild gewesen, um eine Entspannungsinduktion zu beginnen. Das Prinzip ist, herauszubekommen, welches Wahrnehmungssystem jemand im normalen Wachzustand hauptsächlich benutzt. Manche Menschen gebrauchen alle Systeme, und mit denen können Sie einfach irgendwo anfangen. Für Streßsituationen - dazu gehört auch eine Therapie - haben sich die Menschen in der Regel besonders spezialisiert. Das ist mit ein Grund, warum sie nicht weiterkönnen und zu Ihnen kommen, um Hilfe zu suchen. Entsprechend dem Problem, mit dem sie kommen, werden sie auch auf das eine oder andere Wahrnehmungssystem spezialisiert sein. Und oft bewirkt einfach schon die Einführung der beiden anderen Wahrnehmungssysteme, daß sie von sich aus neue Verhaltensweisen entwickeln können. Und das können Sie erreichen, indem Sie das beschriebene Verschränken von Wahrnehmungssystemen anwenden. Solche Verschränkungen gibt es immer, bei allem, was wir tun. Nicht nur zwischen zwei Wahrnehmungssystemen, sondern auch zwischen Außen- und Innenwelt. Ich kenne einen Mann, der sagte: »Ich kann auf hundert verschiedene Arten Induktionen machen.« Das hat mich interessiert, also ließ ich ihn so viele Induktionen demonstrieren, wie er sich ausdenken konnte. Formal betrachtet, waren sie alle identisch. Jedesmal war es folgende Sequenz: Außenwelt visuell, Innenwelt visuell, Außenwelt kinästhetisch, Innenwelt kinästhetisch, Außenwelt akustisch, Innenwelt akustisch. Jede seiner Induktionen hatte andere Inhalte, aber die Grundstruktur seiner sämtlichen Induktionen war jedesmal dieselbe. Und obwohl er nur mit dieser einzigen Abfolge arbeitet, ist er, verglichen mit traditionellen Hypnotiseuren, sehr erfolgreich. Bei der Arbeit hier in der Gruppe können Sie mit irgendeinem Wahrnehmungssystem beginnen, außer wenn Sie einen Partner haben, der sich als ausgesprochen spezialisiert erweist. Auf jeden Fall möchte ich, daß Sie den Anfangsschritt so machen, wie später
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auch in der Praxis: Fragen Sie die Person nach dem, was sie gerade vorher erlebt hat, achten Sie darauf, welche Prädikate sie benutzt, und mit diesem Wahrnehmungssystem fangen Sie an. Bieten Sie vier oder fünf Beschreibungen in diesem System an, und suchen Sie dann einen Punkt, an dem Sie mit einer Verschränkung zu einem anderen System wechseln. Rückgriffe auf frühere Trancezustände Die einfachste Art von Induktion ist, wenn Sie Ihren Klienten fragen, ob er schon einmal in Trance war. Wenn ja, bitten Sie ihn, ganz genau zu erzählen, was sich in welcher Reihenfolge abspielte, als er das letzte Mal in Trance fiel. Fragen Sie, wie der Raum genau aussah, wie die Stimme des Hypnotiseurs war und was der Hypnotiseur genau tat, um ihn in Trance zu versetzen. Sie werden feststellen, daß er die Erfahrungen, während er sie beschreibt, noch einmal durchlebt. Das ist ein Beispiel für automatische Regression. Wenn er sich zurückversetzt und all den Informationen nachgeht, die er braucht, um Ihre einzelnen Fragen zu beantworten, wird er den Trance-Zustand noch einmal erleben. Wenn er zu schnell darüber hinwegredet und Sie nicht die vollständige Reaktion erhalten, können Sie ihn entweder durch nonverbale Zeichen etwas bremsen oder Fragen stellen, die erfordern, daß er mehr auf Einzelheiten eingeht. »Haben Sie genauso gesessen wie jetzt?« »Nein, ganz anders.« »Aha, könnten Sie mir zeigen, wie?« - Die Körperhaltung, die er damals mit dem veränderten Bewußtseinszustand assoziiert hat, wird ihm behilflich sein, zur Tranceerfahrung zurückzukehren. »Waren Sie in einem Raum wie diesem?« »Nein, nein, die Wände waren grün.« »Lassen Sie Ihre Augen zufallen und vor Ihrem geistigen Auge den Raum entstehen, in dem Sie damals in Trance fielen . . .« So lösen Sie ihn vom gegenwärtigen Zustand, den momentanen Raum-Zeit-Koordinaten, geben ihm mehr Freiheit und damit mehr Zugang zu all den Informationen, mit denen er wieder denselben Trancezustand erreichen kann, der ihm schon einmal geholfen hat. Sie können Ihre Fragen auch mit anderen hilfreichen Techniken ergänzen, um sie wirkungsvoller zu machen, zum Beispiel mit eingebetteten Befehlen (Vgl. Anhang II). »Hat er sich nach rechts 72
oder nach links gelehnt, als sich Ihre Augen das erste Mal zu schließen begannen?« Das ist nun wirklich die einfachste aller Induktionen. Normalerweise brauchen Sie dabei nur den Klienten aufzufordern, in allen Einzelheiten der Reihe nach zu erzählen, was geschah, als er das erste Mal in einen richtigen Trance-Zustand verfiel. Wenn er den Zustand dann erreicht hat, brauchen Sie ihn nur noch in Ihrem Sinne zu benutzen. Wieviele Leute hier durften schon einmal erleben, wie es ist, Milton Erickson zu besuchen? Wenn Sie sich jetzt umsehen, können Sie genau sagen, wer bei Milton Erickson gewesen ist, denn während ich diese Frage formuliere, bildet sich bei diesen Leuten die Trance Vorstellung, bei ihm zu sein. Spontane Trancezustände Es gibt einen weiteren, ausgesprochen leichten Weg, einen Trancezustand zu induzieren: Jeder war schon einmal in einer somnambulen Trance; die Frage ist nur, ob er es gemerkt hat. Heute morgen sollten Sie sich jeder eine vertraute Situation aussuchen, in der Sie Ihre Aufmerksamkeit nur auf eine bestimmte Sache konzentrierten. Die beiden anderen aus der Gruppe haben dieses Erleben beschrieben, um es zu vertiefen. Sie können dieselbe Reaktionen hervorrufen, ohne das Geringste über diese Person zu wissen, indem Sie schlafwandlerische Trance-Zustände auswählen und beschreiben, die in unserer Kultur durchaus normal sind; diese schildern Sie dem anderen ausführlich. Was Sie dabei zu tun haben, ist ganz einfach: Sie sitzen jemandem gegenüber und sagen: »Also, bevor wir anfangen, sollten wir erstmal über ganz normale Dinge sprechen. Ich fände es gut, wenn ich einiges über Ihre persönliche Geschichte erfahren könnte, damit ich von Ihren Voraussetzungen ausgehen kann, wenn ich Sie in den Bereich der Hypnose einführe.« Dann beschreiben Sie fünf intensive Trancezustände aus dem Alltag. Sie werden feststellen, daß die Person bei dem Versuch, Sie zu verstehen und eigene Beispiele dazu zu finden, in einen veränderten Bewußtseinszustand gerät. Was geht in Ihnen vor, wenn ich schildere, wie man sich während einer langen Autofahrt fühlt? So etwas wäre ein Beispiel dafür, wie man statt direkter Anweisungen, sich in Trance zu ver73
setzen, einfach eine Alltagssituation schildert, wodurch der Trancezustand ganz von selbst entsteht. Zum Beispiel fuhr ich gestern. . . von Santa Cruz, Kalifornien . . . - dort wohne ich - . . . in die Santa Cruz Mountains hinauf . . . und auf der anderen Seite wieder hinunter . . . zum Flughafen San Jose . . . Und wie so oft. . . wenn ich Auto fahre . . . besonders, wenn ich die Strecke gut kenne . . . und sie schon viele Male gefahren bin . . . ist meine letzte Erinnerung vor der Ankunft am Flughafen . . . das Einbiegen auf den Highway Nr. 17 - das ist die Schnellstraße, auf der ich dann die ganze Strecke über die Berge gefahren bin, um zu meinem Flugzeug zu kommen . . . Und ich bin offensichtlich . . . völlig sicher gefahren . . . Ich nehme an . . . während der Fahrt. . . hat die Eintönigkeit der Landschaft und der Straße . . . dazu geführt, daß ich irgendwie automatisch. . . und quasi unbewußt reagierte. . . und mich darauf verlassen konnt e . . . daß ich sicher. . . von dort, wo ich herkam. . . dorthin gelangte . . . wo ich hinwollte . . . Und etwas sehr Ähnliches . . . was Sie und andere sicher genauso wie ich erlebt haben... ist es, wenn man in einer Vorlesung sitzt. . . weil sie obligatorisch ist. . . und Anwesenheitspflicht herrscht. . . aber der Dozent... ist leider alles andere als ein mitreißender Redner . . . er spricht einfach vor sich hin . . . so daß sich irgendwie. . . ein Gefühl von Langeweile. . . breitmacht. . . und er spricht zu den Leuten . . . ohne darauf zu achten . . . ob er sie für den Stoff interessieren kann. . . und in solchen Situationen merke ich. . . wie meine Gedanken anfangen, zu wandern... zu einem andern O r t . . . zu einer andern Z e i t . . . wo es weniger langweilig ist und anregender als in meiner momentanen Umgebung. . . Oder wenn man daran denkt. . . wie es ist. . . im Wald spazieren zu gehen . . . an einem ruhigen Tag. . . Dort, wo ich wohne . . . gehören die großartigen Redwoodwälder zu den schönsten Gegenden. Manche Leute vergleichen ihren Anblick . . . mit dem Gefühl, in einer Kathedrale zu sein . . . das Majestätische . . . die Ruhe . . . die lichte Klarheit, die sie ausstrahlen. . . Und wenn ich durch diese Wälder spazierengehe... - dazu muß man wissen, daß es dort keine anderen Bäume gibt, nur Redwoods -. . . deshalb gibt es dort. . . nicht viele Tiere . . . weder Vögel noch andere . . . und so herrscht dort oft eine feierliche Ruhe. . . und obwohl sich so wenig Abwechslung bietet. . . habe ich beim Spazierengehen. . . 74
ein Gefühl von Ruhe. . . und Entspannung. . . das mir sehr viel. . . bedeutet. Diese drei Dinge haben eins gemeinsam - und zwar? Teilnehmerin: Entspannung, Einsamkeit. Teilnehmer: Abgeklärtheit. Teilnehmerin: Wiederholungen. Sie bestehen aus Wiederholungen. Aus Monotonie. Und wenn sich jemand umgeschaut hat, während ich sprach, hat er bei den meisten von Ihnen alle physiologischen Anzeichen, die sie als zur Trance gehörend kennengelernt haben, beobachten können. Es ist eine ganz natürliche und als solche nicht erkennbare Methode, jemanden in einen anderen Bewußtseinszustand zu versetzen, wenn Sie, wie ich eben, eine Reihe von Geschichten und Episoden erzählen, auf die man normalerweise so reagiert, wie Sie es von Ihrem Gegenüber wünschen. Und dann ist nur noch entscheidend, wie genau Ihr Wahrnehmungsapparat funktioniert, um zu beurteilen, ob Sie die erwünschten Reaktionen und Wirkungen erreicht haben. Sie können so viele Geschichten erzählen, wie nötig sind, um Ihr Ziel zu erreichen. Sie können auch davon sprechen, wie es ist, mit dem Fahrstuhl zu fahren; fast jeder fällt beim Fahrstuhlfahren in Trance. Die Leute gucken hoch auf die Zahlen, dann erweitern sich ihre Pupillen und sie erstarren. Im Fahrstuhl darf man konventionellerweise nur auf die Zahlen, die Wände oder den Fußboden blicken. Was gibt es noch für Trancezustände im Alltagsleben? Teilnehmerin: Wenn man im Kino einen Film anschaut. Teilnehmer: Wenn man in der Kirche sitzt. Ja, obwohl es immer unüblicher wird, in die Kirche zu gehen . . . Viele Leute haben es nie erlebt und werden nicht viel damit anfangen können, wenn Sie davon sprechen, aber für die, die es kennen, ist es ein gutes Beispiel. Teilnehmerin: Fernsehen. Ja. Wenn Sie Ihren Kindern etwas Bestimmtes beibringen wollen, - daß sie ihre Zimmer aufräumen sollen oder etwas Ähnliches - dann sagen Sie es, wenn sie vor dem Fernseher sitzen. Wenn sie ganz weg sind, voll bei dem, was in der Fernsehshow läuft, dann setzen Sie sich zu ihnen und sagen - sanft, damit Sie sie nicht unterbrechen: ». . . Und du spürst nun den überwältigenden Drang...« 75
Teilnehmer: Chronische Psychiatriepatienten sitzen den ganzen Tag vor dem Fernseher. Ich habe aber nie den Eindruck gehabt, daß sie dabei ansprechbar sind. Sie sollten es vielleicht einmal probieren. Als wir anfingen, die Hypnose zu lernen, haben Richard Bandler und ich öfter ein Spiel miteinander gespielt: Wir haben uns eine Gruppe »naiver Versuchspersonen« zusammengestellt, von denen nie jemand offiziell in einen Trancezustand versetzt worden war. Dann ging es darum, sie mit möglichst wenigen Schritten vom jetzigen Bewußtsein in eine schlafähnliche Trance zu versetzen. Eine der ersten Sachen, um die ich immer bat, war, sich meditativ zu versenken. Im Vergleich zum normalen Bewußtsein ist Meditation ein sehr veränderter Zustand. Ich habe immer gefragt, ob sie so freundlich wären, mir zu erlauben zuzusehen, wie sie zu meditieren beginnen - ohne daß ich irgendwie eingreife. Dann begannen sie die Meditation - eine dramatische Bewußtseinsveränderung. Wenn sie soweit waren, habe ich gesagt: »Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen nun den Vorschlag machen, von diesem Meditieren, das in seiner Ganzheit voll erhalten bleibt, zu einem Zustand überzugehen, den wir allgemeine somnambule Trance nennen, und von dort ausgehend können wir dann die Veränderung vornehmen, um die es Ihnen geht.« Ich mache eine klare Unterscheidung zwischen Trance und Meditation, denn wenn man die beiden nicht auseinanderhält, werden die Leute beim Meditieren jedesmal wieder in Trance fallen. Ich möchte aber beides nicht miteinander verbunden wissen, es sei denn, ich habe einen speziellen Grund. Falls und wenn Sie offiziell eine regelrechte Hypnose vorführen, rate ich Ihnen, daß Sie damit warten, bis Sie bei dem Klienten bereits auf verdeckte Weise einige Trancezustände herstellen konnten. Das üblichste Beispiel dafür wäre, daß jemand hereinkommt und Sie bittet, mit ihm eine Hypnose durchzuführen, weil er ein bestimmtes Problem hat. Sie sagen: »Natürlich, aber bevor wir anfangen, muß ich noch ein paar Dinge wissen.« Dann induzieren Sie eine Reihe von Trancezuständen. Sie sagen etwas wie: »Also, das erste ist, daß wir probieren, wieweit Sie sich detailliert an einige zurückliegende Dinge erinnern können, die ich für Ihre Fallgeschichte brauche.« Sie fragen: »Also, wo wurden Sie geboren?« und lassen ihn in allen Einzelheiten das Haus, in dem er
aufwuchs, beschreiben; die Geräusche, die es dort gab, wie er sich dort fühlte - und, völlig klar, er ist ganz weggetreten. Die Person nimmt selbst eine Altersregression vor, um detaillierte Informationen über ihre Vergangenheit zu bekommen. - Man kann Trancezustände auch so beschreiben, daß man sagt, jemand ist unabhängig von seinen gegenwärtigen Raum/Zeit-Koordinaten. Was ich eben beschrieben habe, paßt zu dieser Definition. Die einzige Verbindung zwischen der Person und ihren gegenwärtigen Raum/ Zeit-Koordinaten ist Ihre Stimme, hinsichtlich aller anderen Dimensionen ist sie ganz woanders. Regressionen werden von traditionellen Hypnotiseuren als Phänomene der »tiefen« Trance betrachtet. In Wirklichkeit ist es etwas, was Sie dauernd haben können. Gestalttherapeuten bewirken automatisch tiefe Trancezustände, viel leichter als mancher Hypnotiseur, obwohl die meisten sich gegen das Etikett »Hypnose« wehren würden. Mittlerweile starren fn der ganzen Welt Leute auf einen leeren Stuhl und sehen dort ihre Mutter oder ihren Vater, sprechen mit ihnen und hören die Antworten. Das sind positive Halluzinationen, visuelle und auditive. Sie sind Begleiterscheinungen tiefer Trance, sind aber nicht als solche gekennzeichnet, so daß auch gar kein Widerstand aufkommt. Übrigens, falls Sie das hier anderen vermitteln wollen, lassen Sie mich eins klarstellen: Wenn Sie jemals etwas über Hypnose vortragen, werden die Zuhörer natürlich auch hin und wieder Trancezustände durchlaufen. Die Leute können aus Ihren Ausführungen nur dann klug werden, wenn sie selbst etwas erleben, was Ihren Beschreibungen entspricht. Je nachdem, wie sehr Sie Ihrer persönlichen Ausstrahlung vertrauen, können Sie vielleicht ziemlich schnell hundert Leute gleichzeitig in tiefe Trance versetzen - oder sie davon abhalten, das hängt davon ab, worauf Sie hinauswollen. Es gibt auf der ganzen Welt kein leichteres Thema für Vorträge als die Hypnose, denn das, worüber Sie sprechen, geschieht ja laufend. Außerdem können Sie, wenn Sie mit Gruppen arbeiten, die Reaktionen der Leute beobachten, um zu erkennen, wer als Versuchsperson in Frage kommt. Nehmen Sie jemanden von den zwanzig Prozent der Gruppe, die während Ihrer fünfzigminütigen Einführung bereits mindestens fünf somnambule Trancezustände durchlaufen haben.
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Wenn dieser Workshop zu Ende ist, sollten Sie eigentlich die nötige Beobachtungsgabe haben, um zu wissen, wer so auf Sie reagiert, daß er in tiefe Trance gleitet und auf dieser Ebene alles aufnimmt, was Sie ihm anbieten, wer in einem gemischten Zustand ist und sowohl bewußt als auch unbewußt reagiert, und wer völlig im Wachbewußtsein bleibt. Um bestimmte Lehrbeispiele zu demonstrieren, sollten Sie immer in der Lage sein, besonders gute Versuchspersonen auszusuchen. Wenn Sie eine bestimmte Art von Reaktion demonstrieren wollen, sprechen Sie darüber, was Sie jetzt vorhaben, unterrichten Sie die Leute, welche Reaktion Sie erwarten, und beobachten Sie, wer in der Gruppe diese Reaktion am schnellsten zeigt: das ist dann die am besten geeignete Versuchsperson. Einige von Ihnen driften vielleicht ein bißchen schneller ab, als es zum Lernen dieses Stoffes gut ist. Sie könnten vielleicht einen Moment innehalten, sich still nach innen kehren und dort einen Teil Ihres Selbst dazu auffordern, das Wachbewußtsein aufrechtzuerhalten - weil man es braucht, wenn man Lernprozesse bewältigen will. Das beste wäre eine Art Mischung zwischen gefühlsmäßigem Erleben und bewußtem Verfolgen unseres Vorgehens. Lassen Sie uns einen Moment der Stille einlegen, damit Sie sich in dieser Weise innerlich neu ordnen können. Wenn Sie das Reframing* kennen, können Sie es dafür benutzen. . . Übung 4 Wir haben Ihnen fünf Induktionsmethoden vorgestellt: 1. Verbales Pacing und Führen 2. Nonverbales Pacing und Führen 3. Verschränkung von Wahrnehmungssystemen 4. Rückgriff auf einen früheren Trancezustand 5. Trancezustände in Alltagssituationen beschreiben Teilen Sie sich wieder in Dreiergruppen auf, und jeder wählt eine Technik, die ihn interessiert und die er vorher noch nicht systematisch geübt hat. Person A sucht sich eine Induktion aus und führt sie mit B durch; B genießt es einfach nur. Veränderung des Bezugsrahmens. (Anm. d. Übers.)
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Person C setzt ihre ganze bewußte Wahrnehmungsfähigkeit ein, um die Veränderungen zu beobachten, die bei B vor sich gehen, wenn sie langsam in Trance fällt. Achten Sie darauf, welche Aussagen und Verhaltensweisen die meisten Veränderungen bewirken, oder ob es irgendwelche Aussagen oder ein Verhalten gibt, das B aus der Trance herausbringt. C soll also eine »Meta-Person« sein und genau verfolgen, was abläuft. Wenn Sie Person C sind und merken, der Hypnotiseur spricht zu schnell, bedeuten Sie ihm mit einem Handzeichen: »Langsamer.« Oder wenn er mit zu hoher Stimme spricht und Sie haben den Eindruck, das irritiert B, dann geben Sie ihm zu verstehen, daß er seine Stimme etwas senken soll. Wenn Sie A sind, geben Sie bitte, wenn Sie die Trance induziert haben, einige allgemeine Instruktionen, daß B etwas lernen soll, und dann Anweisungen zum Zurückkommen. Wenn Sie gute Trancereaktionen erreichen, etwa von der Art, wie wir sie vorhin bei Barbara beobachten konnten, dann brauchen Sie einfach nur dazusitzen, ein paarmal tief zu atmen, zu lächeln und sich im Geiste selbst auf die Schulter zu klopfen. Schauen Sie zu Ihrem Beobachter und geben Sie ihm einen kleinen Wink, daß Sie zufrieden darüber sind, daß Sie eine Trance zustandegebracht haben. Dann richten Sie sich mit dem Atmen nach Ihrem Partner, und wenn Sie sprechen, tun Sie auch das im Atemrhythmus: »Und genießen Sie . . . die außergewöhnlichen Erfahrungen . . . die Ihr Unbewußtes . . . an dieser Stelle. . . für Sie bereithält. . . ein Gefühl des Unbekannten . . . und Abenteuerlichen . . . wenn Sie in neue Möglichkeiten des Bewußtseins eintreten. . . Und aus dieser Erfahrung . . . schöpfen Sie ein Gefühl von Sicherheit. . . was Ihre eigenen Fähigkeiten . . . und Ihre Offenheit... als menschliches Wesen betrifft. . . Und wenn Sie das gründlich getan haben . . . kann Ihr Unbewußtes Sie langsam . . . und mit großer Achtung vor dem Erlebten. . . wieder hierher zurückbringen. . . und in Ihnen ein Gefühl. . . von Erfrischtsein und Erneuerung zurücklassen . . . Ich bin aufmerksam dabei. . . und wenn Sie an irgendeinem Punkt. . . möchten, daß ich Ihnen dabei helfe zurückzukommen, machen Sie eine Handbewegung.« Dann bleiben Sie sitzen und beobachten, was passiert. Es ist eine hervorragende Möglichkeit, Ihre Wahrnehmung zu schulen, wenn Sie versuchen, die Veränderungen zu erfassen, die jemand 79
durchläuft, wenn er in einen veränderten Bewußtseinszustand gerät und wieder zurückkommt. Wenn Sie ein Handzeichen sehen, passen Sie sich wieder dem Atemrhythmus an und sagen dann: »Ich werde . . . rückwärts zählen . . . langsam . . . von zehn . . . bis eins. Wenn ich bei eins angekommen bin . . . werden sich Ihre Augen öffnen . . . und Sie werden sich ganz frisch fühlen . . . und völlig im Hier und Jetzt.« Dann zählen Sie im Atemrhythmus von zehn an rückwärts, bis Sie bei eins sind. Wenn Sie fertig sind, nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit für ein Feedback. B kann A erzählen, was bei der Induktion besonders hilfreich war und was ihn eventuell bei der Entwicklung eines veränderten Bewußtseins gestört hat. C kann hinzufügen, was er als Außenstehender wahrgenommen hat, besonders die Zusammenhänge zwischen A's Suggestionen und B's Reaktionen. Das kann für A eine ausgesprochen hilfreiche Rückmeldung sein. Nach dem Feedback wechseln Sie die Rollen, und auch B und C bekommen die Möglichkeit, eine Induktion zu üben. Also, A induziert zunächst eine Trance, gibt dann allgemeine Lernanweisungen und abschließend Instruktionen, aus der Trance zurückzukommen. Fangen Sie an.
Teilnehmer: Ich habe eine Frage. Als ich anfing, Lynn in Trance zu versetzen, traten in ihrer linken Hand starke Schüttelbewegungen auf. Später sagte sie mir, daß es mit einem Nervenzentrum in ihrer Wange zusammenhängt, das vor langer Zeit wegen einer Zyste operiert worden ist, und daß dort wahrscheinlich noch immer einige Nerven geschädigt sind. Aber in dem Moment, als ich das sah, hatte ich nicht die geringste Vorstellung, wie ich - wenn überhaupt - damit umgehen sollte. Das Mindeste, was Sie tun können, wenn etwas passiert, was Sie in Ihrer Induktion nicht suggeriert haben, ist, daß Sie es sofort verbal inkorporieren. »Ja, und Sie bleiben weiterhin in diesem Erleben und spüren auch die Körpergefühle, die dazugehören.« Das gibt der Reaktion eine Berechtigung und dem anderen die Sicherheit, daß Sie aufmerksam die Zeichen verfolgen, die er Ihnen gibt, auch wenn Sie ihre Bedeutung vielleicht nicht verstehen. Auch die »Organsprache« ist eine sehr wirksame Möglichkeit,
mit jedem augenscheinlich signifikanten Phänomen umzugehen. Mit >signifikant< meine ich, daß zweifelsohne irgend etwas Ungewöhnliches vor sich geht - und ich keine Ahnung habe, was es bedeuten könnte. »Wenn jemand das erste M a l . . . in einen veränderten Bewußtseinszustand tritt. . . passiert es oft. . . daß es ihn schüttelt, ganz leicht. . . aber oft wird die Sache dadurch handlich, daß man den Teil des Problems . . . greifen kann, der vielleicht mit genau diesem Syndrom zusammenhängt, und zwar so, daß Sie einen Fingerzeig für Veränderungen erhalten . . . deren Verwirklichung sie nun fast mit Händen greifen können.« - Ich habe eben vier oder fünf Anspielungen auf den entsprechenden Körperteil und seine Bewegungen gemacht. Wenn die Person an diesem Punkt in der Trance noch irgendwelche Reste von Wachbewußtsein hat, wird sie diese Anspielung bezeichnenderweise nicht verstehen. Das Unbewußte aber wird es auf jeden Fall verstehen und als eine Botschaft auffassen, die diesem Phänomen einen eigenen Wert zuspricht. Die zwei Manöver, die ich eben dargestellt habe, sind Möglichkeiten, deutliche Reaktionen, die nicht beabsichtigt waren, zu inkorporieren und sie als berechtigt zu akzeptieren. Das ist meine Art zu sagen: »0. K., ich sehe, was Sie tun, und für mich ist es völlig in Ordnung, wenn Sie so weitermachen.« Diese Reaktion ist in solchen Fällen eigentlich immer ausreichend. Mit einer anderen Methode können Sie etwas mehr Einfluß nehmen. ». . . Und mit jeder dieser Bewegungen gleiten Sie tiefer in die Trance hinein.« Dann gibt es in der Regel zwei mögliche Reaktionen: Entweder fallen die Leute wirklich ganz tief in Trance, oder sie hören mit den Schüttelbewegungen auf. Sie können das Schütteln auch als Ansatzpunkt für Ihre therapeutische Arbeit nutzen: »Und jene Erfahrungen, die zu den starken Bewegungen Ihrer Hand gehören . . . werden Ihnen an diesem Punkt, weil es die rechte Zeit dafür ist. . . nur greifbar sein. . . wenn Sie einen entsprechend tiefen Trancezustand erreichen. . . dann können Sie diese Erlebnisse schätzen lernen . . . als Erlebnisse aus Ihrer Vergangenheit. . . die vielleicht. . . vielleicht auch nicht. . . negative Rückwirkungen auf Sie hatten. . . aber auf die Sie nun . . . gelassen zurückblicken können . . . als auf etwas, was Sie überlebt haben. . . und von dem Sie Möglichkeiten ableiten können. . . wie Sie sich... in der Gegenwart und auch in Zu-
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Diskussion
kunft. . . schützen . . . indem Sie aus der Erfahrung. . . lernen . . . denn das ist. . . der Grundstock . . . all Ihrer eigenen Möglichkeiten . . . und Fähigkeiten.« All das ist nur »Gerede« in dem Sinne, daß es inhaltlich nichts hergibt. Aber es ist insofern eine angemessene und bedeutungsvolle Kommunikation, als Sie sagen, daß der andere mit den Erfahrungen, die er macht, etwas anfangen soll, um daraus zu lernen. Teilnehmerin: Was tun Sie, wenn jemand nicht zurückkommt? Wenn Sie jemandem sagen, er soll zurückkommen, und er tut es nicht, heißt das, daß Sie den Rapport verloren haben. Also müssen Sie von vorn anfangen und ihn wieder herstellen. Vielleicht reicht es, wenn Sie wieder eine Weile mit dem Atem mitgehen. Dann bitten Sie, er soll all die erfreulichen, positiven Aspekte dieses Erlebens noch einmal sammeln, so daß er sie mit hierher zurückbringen kann, wenn er in einigen Augenblicken wiederkehrt. Zählen Sie dann langsam rückwärts von zehn bis eins, jede Zahl für den nächsten Atemzug, den er macht. Das wird Ihnen helfen, den Rapport abzusichern. Und geben Sie Instruktionen, daß, wenn Sie bei »eins« ankommen, seine Augen sich in dem Moment öffnen werden, wo das Wachbewußtsein wieder die Kontrolle übernommen hat, und daß er über das eben Erlebte erstaunt und erfreut sein wird. Teilnehmerin: Ich habe Klienten, die anscheinend während der Therapiestunde einschlafen. Ich nehme immer an, daß das Unbewußte noch zuhört, aber da bin ich keineswegs sicher. Ich bekomme keinerlei Reaktionen mehr. Zuallererst: Ihre letzte Aussage, daß die Klienten dann überhaupt nicht mehr auf Sie reagieren, glaube ich nicht. Sie können an diesem Problem einiges lernen. Ich würde dafür vorschlagen, daß Sie verschiedene einfache nonverbale Mittel ausprobieren, um herauszufinden, ob der Klient noch auf Sie reagiert. Am leichtesten wäre, so nah heranzugehen, daß er Ihren Atem hören kann, und einige Minuten lang im gleichen Rhythmus zu atmen. Ich nehme an, Sie haben soviel innere Flexibilität, daß Sie dabei nicht auch einschlafen. Sie können sich vorher selbst anweisen, daß Sie den Atem des Klienten imitieren werden, und daß Sie, obwohl solches Atmen normalerweise zum physiologischen Schlafzustand gehört, ein bestimmtes Maß an Aufmerksamkeit beibehalten werden. Nach einer oder zwei Minuten gemeinsamen Atmens ändern Sie
sachte den Atemrhythmus, und im Normalfall wird Ihnen der Klient dann auch folgen. Sie können auch Rapport bekommen, ohne zu riskieren, daß Sie einschlafen. Sie legen eine Hand auf die Schulter des Klienten und verändern den Druck Ihrer Berührung im Rhythmus seines Atems. Beim Einatmen und Ausatmen verringern und verstärken Sie den Druck. Wir nennen das Über-Kreuz-Pacing, weil Sie sich dem Atmen auf einer anderen sensorischen Ebene anpassen. Das tun Sie zwei oder drei Minuten lang, und dann ändern Sie vorsichtig den Rhythmus, mit dem Sie die Hand bewegen; währenddessen achten Sie darauf, ob der Atem des Klienten mitgeht. Teilnehmerin: Und was, wenn er nicht mitgeht? Wenn nicht, dann schläft er tatsächlich, und Sie brauchen viel mehr Zeit, um wieder einen Rapport herzustellen. Es geht immer noch, aber dann dauert es viel länger. Wir haben einmal etwas entwickelt, was wir »Schlaftherapie« nannten. Wir arbeiteten an einem psychiatrischen Krankenhaus, wo man 24 Stunden am Tag Zugang zu den Patienten hat. Wir waren schon öfter dort gewesen: dies war das dritte Mal. Das Personal war recht glücklich über die Resultate, die es mit unseren Methoden erreichte, und konnte mit allen Patienten sehr effektiv umgehen - mit Ausnahme der Anorektiker, mit denen hatten sie Probleme. Anorektiker sind Menschen, die sich selbst als viel zu übergewichtig empfinden. Der Rest der Welt sieht aber, daß sie kurz vor dem Verhungern sind. Sie sind nur noch Haut und Knochen und soweit abgemagert, daß ihre Gesundheit ernstlich bedroht ist. Eine der Anweisungen, die wir dem Personal für die Arbeit mit den Anorektikern gaben, war das, was wir »Schlaftherapie« nannten - und damit war auch diese letzte Gruppe nicht ansprechbarer Patienten erreicht. Wenn Sie mit jemandem zusammenleben, der damit einverstanden ist, können Sie es selbst ausprobieren. Gehen Sie zu ihm, wenn er schläft, und stellen Sie mit einer der beiden genannten Techniken einen Rapport her. Atmen Sie drei oder vier Minuten genau simultan. Da der andere in einem zutiefst veränderten Zustand ist, müssen Sie sich Zeit nehmen. Sie können ihn stattdessen auch anfassen und die Druckunterschiede benutzen, ebenso können Sie auch auditiv vorgehen und mit den Atemzügen kleine sanfte Töne summen oder singen. Jedes sich wieder-
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holende Verhalten, das Sie bei sich selbst steuern können, kann dazu benutzt werden, sich an seinen Atemrhythmus anzugleichen. Das verändern Sie dann sehr vorsichtig und sehr langsam, um herauszufinden, ob Sie ihn führen können. Ändern Sie Ihren Atem nicht abrupt, denn daß ein Mensch schläft und ungestört weiterschläft, hängt auch davon ab, ob er seinen Atemrhythmus beibehalten kann. Wenn Sie ihn also nicht wecken wollen, ist ein plötzliches Ändern der Atmung unangebracht. Dann gehen Sie dazu über, Fingersignale einzusetzen - das werden wir Ihnen morgen vermitteln. »Und während du weiterschläfst und völlig ruhig bleibst, kannst du auf bestimmte Fragen antworten, die ich dir stelle, und zwar, indem du einen Finger für >Ja< hebst und einen anderen für >Nein<.« Die betreffende Person befindet sich, wie gesagt, in einem zutiefst veränderten Zustand, wobei ihr die normalen Wachbewußtseinskräfte nicht zur Verfügung stehen und Ihnen daher auch nicht im Weg sind. Sie können nun versuchen, direkt an Informationen heranzukommen, indem Sie Ja/Nein-Signale erfragen, oder Sie können Veränderungen und neue Verhaltensweisen suggerieren. Auf diese Weise können Sie alles tun, was Sie mit dem anderen vorhaben, ohne seinen Schlaf zu stören. Teilnehmerin: Und was ist, wenn sein Atem sich nicht mit meinem ändert? Heißt das, daß er tatsächlich schläft? Nein. Sie können auch mit Leuten, die im physiologischen Schlafzustand sind, einen Rapport herstellen. Der Unterschied ist, daß Sie sich für das Pacing mehr Zeit nehmen müssen, bevor Sie zu führen beginnen. Wenn Sie versuchen zu führen und keine Reaktion erhalten, heißt das, daß Sie nicht lange genug mitgegangen sind. Also gehen Sie wieder auf seinen Rhythmus zurück und bleiben einfach noch eine Weile beim Pacing. Menschen, die schlafen, reagieren schon, aber langsamer und nicht so offensichtlich. Dasselbe gilt für Leute in der Narkose, während einer Operation. Viele Ärzte meinen, daß ihre Patienten völlig weggetreten sind, wenn sie auf dem Operationstisch hegen; das stimmt einfach nicht. Im Narkosezustand akzeptieren die Menschen posthypnotische Suggestionen schneller als auf irgendeine andere Weise. Wenn ihre Augen geschlossen sind und das Wachbewußtsein »abgeklemmt« ist, heißt das nicht, daß ihre Ohren nicht funktionieren.
Ich hatte einmal eine Frau in Behandlung, die ein sehr wildes und unstetes Leben führte. Einiges, was sie tat, war destruktiv für sie, also versuchte ich, sie dazu zu bringen, sich zu ändern. Ich arbeitete eine Weile mit ihr, aber ich konnte in dem, was sie tat, einfach keinen Sinn sehen. Schließlich drehte ich mich einmal zu ihr um und sagte sehr emotional: »Hören Sie, Sie müssen unbedingt aufhören, so ein wüstes Leben zu führen. Es bringt Ihnen überhaupt nichts, es ist reine Zeitverschwendung. Was bringt Sie eigentlich dazu, so zu leben?« Sofort begannen ihre Nasenflügel auffallend zu flattern, und sie sagte: »Oh, mir ist ganz schwindelig!« Ich fragte: »Was riechen Sie?« Sie roch noch einmal und sagte: »Es riecht nach Krankenhaus.« Ich fragte: »Nach was im Krankenhaus?« Und sie antwortete: »Kennen Sie diesen Äther-Geruch?« Es stellte sich heraus, daß sie vor einiger Zeit operiert worden war. Sie lag in Narkose, und da der Arzt »wußte«, daß sie nichts mitbekommt, nahm er kein Blatt vor den Mund. Er sah in ihre Bauchhöhle und sagte: »Es sieht schrecklich aus. Ich glaube nicht, daß sie es noch lange macht.« Sie hat es doch noch lange gemacht. Aber irgendwie hatte sie die Vorstellung bekommen, daß die Aussage des Arztes bedeutete, daß sie nach der Operation nicht mehr lange zu leben habe, und nicht, daß sie die Operation selbst nicht durchhalten würde. Die Aussage war doppeldeutig; der Arzt hatte nicht klargestellt: »Wenn Sie die Operation überstehen, ist alles in Ordnung.« Sie konnte seine Aussage nicht auf ihren Sinn hin überprüfen, sondern hatte einfach darauf reagiert. Sie kam mit der Meinung aus dem Operationssaal, daß sie nicht mehr lange leben würde, also war es ihr egal, daß einiges an ihrer Lebensweise für sie destruktiv war. Martha: Als wir die Übung machten und ich anfing, in Trance zu fallen, hat ein Teil von mir dauernd gefragt: »Bin ich wirklich drin?« Genau. Jetzt sprechen wir über den ganzen interessanten Bereich der sogenannten »Beweise«. Das, was Martha nämlich davon überzeugt, daß sie eine Hypnoseerfahrung macht, ist etwas anderes als das, was Bill oder sonst jemanden überzeugt. Marthas Partner: Da bin ich wirklich neugierig. Ihre Augen weiteten sich und schlössen sich auch, aber später sagte sie, sie hätte die ganze Zeit über einen inneren Dialog geführt. Also kann es kein somnambuler Zustand gewesen sein, oder?
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Verschiedene Leute haben verschiedene Auffassungen davon, was eine somnambule Trance ist. Ich kenne keine Möglichkeit, das für alle Menschen gleich zu definieren. In der Regel sind die Leute dann überzeugt, daß es Trance ist, wenn sie etwas erleben, was sehr viel anders ist als ihr normaler Wachzustand. Und das, was für den einen der Normalzustand ist, kann für den anderen eine Trance sein. Denn jemand, dessen Bewußtsein sich auf Kinästhetisches spezialisiert hat, wird vielleicht von einer Reihe visueller Imaginationen, die lebendig, farbig und stabil erscheinen, überzeugt werden. Und ein Mensch, der seit dreißig Jahren keine Körperempfindungen erlebt hat, wird vielleicht durch das Erleben einer intensiven, differenzierten kinästhetischen Empfindung überzeugt. Teilnehmer: Sie sagten vorhin, daß jemand, der in einer somnambulen Trance war, sich hinterher nicht mehr bewußt daran erinnern kann. Stimmt. Wenn Sie das Bewußtsein von jemandem so radikal verändern, läuft es normalerweise so, daß, wenn er wieder wach ist, jemand aus dem Publikum fragt: »Waren Sie richtig in Trance?« und dann antwortet er: »0 nein, ich habe die ganze Zeit gewußt, was vor sich geht.« Und wenn Sie dann einige Einzelheiten von dem erwähnen, was er während der Trance gemacht hat, wird er sagen: »Nein, das habe ich nicht gemacht, Sie machen Witze!« Das heißt, über weite Teile der Tranceerfahrung hat er eine vollständige Anmesie. Wenn ich möchte, daß jemand wirklich glauben kann, daß er in Trance war, gebe ich oft eine post-hypnotische Suggestion, die durch einen kinästhetischen Reiz ausgelöst wird. Ich nehme dann etwas, was deutlich erkennbar und unerklärlich ist, zum Beispiel einen Schuh ausziehen oder ähnliches. So merkt er, daß etwas geschehen ist, wofür er keine Erklärung hat. Sie können auch vorher herausfinden, was für jemanden das »komplexe Äquivalent« für Trance ist: welche speziellen Empfindungen und Wahrnehmungen ihm den Beweis erbringen würden, daß er in Trance war. Dann können Sie diese Art von Erleben für die Person nach und nach aufbauen. Wenn es um Persönlichkeitsveränderungen geht, ist es aber im Grunde irrelevant, ob der Betreffende glaubt, daß er in Trance war oder nicht. Wenn Sie einen veränderten Bewußtseinszustand herstellen und der Person damit helfen können, angemessene Ver-
Für diejenigen von Ihnen, die mit dem Begriff »verankern« nicht vertraut sind, wollen wir kurz demonstrieren, was es ist und wie es funktioniert. Es ist bereits in unserem Buch »Neue Wege der Kurzzeittherapie« (Kapitel II) in allen Einzelheiten beschrieben, deshalb möchten wir es hier nicht wiederholen. Trotzdem wollen wir über das Verankern sprechen, sofern es die Hypnose betrifft. Jedes Erleben setzt sich aus zahlreichen Komponenten zusammen: visuellen, auditiven, kinästhetischen, olfaktorischen und gustatorischen: Der Begriff »Verankern« bezieht sich auf die Tendenz jeder einzelnen dieser Komponenten, das gesamte Erleben zu reaktivieren. Sie haben alle einmal erlebt, daß Sie eine Straße entlanggingen und plötzlich einen bestimmten Geruch in der Nase hatten - plötzlich waren Sie zurückversetzt in eine andere Zeit und an einen anderen Ort. Der Geruch erinnerte Sie an ein früheres Erlebnis. Das ist so ein »Anker«. Liebes- oder Ehepaare haben oft ein Lied, das sie »unser Lied« nennen. Auch das ist ein »Anker«: jedesmal, wenn sie das Lied hören, werden wieder die Gefühle wach, die sie füreinander hatten, als sie es das erste Mal »unser Lied« nannten. Viele der Induktionen, die Sie gerade durchgeführt haben, bedienen sich solcher Verankerungen. Wenn Sie Ihren Partner zu einem früheren Trancezustand zurückgeleitet haben, haben Sie Anker benutzt, die bereits im Erleben Ihres Partners existierten; wenn Sie ihn gebeten haben, dieselbe Körperhaltung wie damals bei der Trance einzunehmen, die Stimme des Hypnotiseurs zu hören oder sonst irgend etwas, was mit der Trance zusammenhing,
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änderungen durchzumachen, haben Sie schließlich Ihr Ziel erreicht. Wenn Sie die Hypnose und alles was dazu gehört gründlich beherrschen, werden Sie merken, daß Sie nie wieder irgendeine >offizielle< Trance-Induktion zu machen brauchen, die Ihre Klienten als eine solche erkennen. Sie werden veränderte Bewußtseinszustände auf ganz natürliche Weise induzieren, und Sie werden sie, um Veränderungen zu erreichen, einsetzen können, ohne daß der Betreffende jemals bewußt registriert, daß so etwas wie Hypnose stattfindet. Trancezustände verankern
dann setzten Sie dabei Verankerungen ein, die sowieso vorhanden sind. Wenn Ihnen jemand anhand von Sinneseindrücken beschreiben kann, wie seine Art von Tranceerleben aussieht, können Sie diesen Zustand mit Hilfe des Verankerns für ihn herstellen. Sie müssen nur seine Tranceerfahrungen in ihre Komponenten zerlegen: die visuellen, die kinästhetischen und die auditiven Anteile. Wenn Sie mit den visuellen anfangen, können Sie fragen: »Wie würden Sie aussehen, wenn Sie in tiefer Trance wären? Zeigen Sie mir die Körperhaltung. Ich werde sie spiegeln, damit Sie ein Feedback haben, und Sie können mich mit Ihrem Körper solange korrigieren, bis das, was Sie sehen, richtig ist.« Wenn er Ihnen dann sagt, jetzt sei es richtig, dann verankern Sie es mit einer Berührung oder einem Laut. Als nächstes finden Sie heraus, ob er innere Vorstellungsbilder entwickelt, wenn er in Trance ist - und wenn ja, welche. Wenn er auch in tiefer Trance die Augen geöffnet hält, fragen Sie, was er dabei immer vor Augen hat. Wenn er dies beantworten kann, verankern Sie diesen Zustand wiederum. Dann gehen Sie zu den Empfindungen über. »Was spüren Sie, wenn Sie in tiefer Trance sind? Wie atmen Sie dann? Zeigen Sie mir genau, wie entspannt Sie dann sind.« Wenn er es demonstriert, verankern Sie diesen Zustand. Bleibt noch die auditive Komponente der »tiefen Trance«, die auch zu verankern wäre. Sie könnten fragen, ob er sich an die Stimme des Hypnotiseurs und an ihren Klang erinnern kann. Und dann finden Sie heraus, ob er etwa in der tiefen Trance irgendwelche inneren Dialoge führt oder Klangwahrnehmungen hat. Wenn Sie systematisch die Erlebniskomponenten der Trance durchgehen, sowohl die internen wie die externen, können Sie entweder jede Komponente von »Trance« mit einem eigenen Anker versehen, oder alle mit demselben. Wenn Sie für die verschiedenen Komponenten verschiedene Verankerungen wählen, können Sie dann alle Anker simultan signalisieren, um ihn daran zu »erinnern«, was eine Trance ist. Es ist auch möglich, das Verankern zum Induzieren einer Trance zu benutzen. Sie können sogar ein Erleben aufbauen, das die Person vorher noch nie gehabt hat. Sie lösen dann einfach die Erlebniskomponenten mit den entsprechenden Ankern gemeinsam aus.
Wenn Sie einmal einen Trancezustand induziert haben, können Sie Verankerungen anbringen und damit, wann immer Sie wollen, ziemlich schnell wieder eine Trance einleiten. Immer, wenn ich eine Trance induziere, ändere ich meine Stimme, meine Art, mich zu bewegen, meine Haltung und meinen Gesichtsausdruck, so daß eine Art meines Verhaltens zur Trance gehört und eine andere zum normalen Wachzustand. Wenn ich einmal bei jemandem einen veränderten Bewußtseinszustand eingeleitet habe, kann ich ihn später ziemlich schnell wieder hervorrufen, indem ich einfach mit meinem »Trance-Verhalten« beginne. Mein ganzes Verhalten funktioniert dann als unbewußtes Signal, in Trance zu fallen. Die »Reinduktionssignale«, die die Hypnotiseure benutzen, sind ein Spezialfall dieses Verankerns. Auf vielen Gebieten gebrauchen Leute, die erfolgreich kommunizieren, diese Art von Verankern bereits, ohne es zu wissen. Eines Sonntagmorgens habe ich den Fernseher angeschaltet und mir einen Prediger angeschaut. Eine Zeitlang sprach er sehr laut, und dann sagte er plötzlich: »Nun haltet inne und (sanft) schließt Eure Augen.« Die Lautstärke und der Klang seiner Stimme änderten sich völlig, und in seiner Gemeinde schlössen die Leute ihre Augen und zeigten dasselbe Verhalten, das ich sehe, wenn Leute meditieren, in tiefer Trance sind oder im Zug, im Flugzeug, im Bus oder Auto sitzen, bei Schöffen in einer Gerichtsverhandlung, Patienten in der Gruppenpsychotherapie oder bei Psychiatern, wenn sie sich Notizen zu dem machen, was ein Patient sagt. Dieser Prediger hatte eine Sprechweise für seine normale Kommunikation und eine andere für das, was er »Gebet« nannte. Mit dieser Art zu sprechen konnte er seine ganze Gemeinde ziemlich schnell in einen anderen Bewußtseinszustand versetzen. Wenn Sie den Klang Ihrer Stimme langsam verändern, während Sie sehen, daß jemand zu einem veränderten Bewußtsein übergeht, wird die Veränderung in Ihrer Stimme mit dem Übergang in das andere Bewußtsein assoziiert. Wenn Sie die veränderte Stimmlage beibehalten, nachdem der von Ihnen beabsichtigte Zustand erreicht ist, wird der Klient dazu tendieren, dabei zu bleiben. Der Klang Ihrer Stimme verankert nämlich den Trancezustand. Wenn ein Klient zu Ihnen in die Praxis kommt, und Sie lassen ihn Platz nehmen und induzieren sofort eine Trance, wobei Sie Ihre
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normale Stimmlage, normale Körperhaltung und Ihren normalen Bewegungsstil beibehalten, dann werden Sie Schwierigkeiten bekommen, wenn Sie beim nächsten Mal im Wachzustand mit ihm sprechen wollen: Die Erfahrung, die er mit Ihnen und Ihrer Praxis gemacht hat, ist ein Signal dafür, sich in Trance zu versetzen. Wenn er das nächste Mal bei Ihnen sitzt und Sie beginnen zu sprechen, wird er automatisch anfangen, in Trance zu fallen. Am Anfang meiner Karriere als Hypnotiseur hatte ich eine Menge Probleme mit Klienten, die in Trance fielen, während ich ganz normal mit ihnen reden wollte; damals habe ich meine Verhaltensweisen noch nicht genau differenziert. Und wenn man diese Unterschiede nicht macht, wird das normale Verhalten zum Reinduktionssignal, ob man es will oder nicht. Wenn Sie Ihr Verhalten ändern, je nachdem, ob Sie mit einem Klienten auf der unbewußten Ebene sprechen oder mit seinem Wachbewußtsein kommunizieren, können Sie systematisch wählen, ob Sie sein Wachbewußtsein dabei haben wollen oder nicht. Wenn Sie eine Privatpraxis haben, können Sie auch zwei Sessel benutzen: Einen für die Trancezustände, den anderen für Gespräche im Wachzustand; und bald wird es reichen, wenn Sie dem Klienten sagen, auf welchen Sessel er sich setzen soll, um eine vollständige Trance zu induzieren.
Wenn es Ihnen um hypnotische Reaktionen geht, ist eine spezielle Art von Verankern besonders wirksam: Sie heißt »analoges Markieren«; das bedeutet, daß man bestimmte Wörter während des Sprechens hervorhebt. Ich kann mit meiner Stimme, einer Geste, einem bestimmten Gesichtsausdruck oder auch einer Berührung diese Wörter als eigenständige Botschaft hervorheben. Zum Beispiel kann ich Ihnen etwas über andere Leute erzählen, die sich wirklich gut entspannen können - Leute, die sich selbst gestatten können, sich in ihrer gegenwärtigen Situation wohlzufühlen. Oder ich erzähle Ihnen die Geschichte von einem meiner Freunde: der lernt leicht in tiefe Trance zu fallen. Als ich den letzten Satz gesagt habe, habe ich »lernt leicht« und »in tiefe Trancefallen« mit einer leicht veränderten Stimmlage und einem Wink meiner rechten Hand »gekennzeichnet«. Sie bilden innerhalb der
offenkundigen Mitteilung eine eigene Botschaft, die Ihr Unbewußtes entziffern und auch angemessen beantworten wird. Hier habe ich einen bestimmten Klang meiner Stimme und eine bestimmte Geste mit den Wörtern »Entspannung« und »Trance« verbunden. Jetzt brauche ich nur diesen Ton und diese Geste immer häufiger zu verwenden, und Ihr Unbewußtes weiß, was es zu tun hat; der spezielle Klang der Stimme übermittelt die Botschaft viel besser, als wenn ich Ihnen sagen würde, Sie sollen sich in Trance versetzen, denn er umgeht Ihre bewußte Wahrnehmung. Das alles sind Verankerungen. Ein Wort wie »entspannen« ist selbst ein Anker - ein Etikett für einen Teil Ihres Erlebens. Wenn Sie mich verstehen wollen, wenn ich dieses Wort nenne, müssen Sie in ihrer Innenwelt die persönlichen Erfahrungen aktivieren, die Sie mit diesem Wort verbinden. Schon ein Fragment solchen Erlebens hilft Ihnen, dieses Wort zu verstehen. Und wenn Sie sich wohlfühlen, verbinde ich dieses Erleben mit einem bestimmten Klang meiner Stimme. Dann wird auch der Klang meiner Stimme ein Anker für diese Reaktion. Sie können dafür jeden unterscheidbaren Aspekt Ihres Verhaltens nehmen. Milton Erickson pflegte manchmal seinen Kopf nach rechts oder links zu drehen, um etwas zu kennzeichnen, was besonders beachtet werden sollte. Dieselbe Stimme klingt bereits leicht verändert, wenn sie von einer anderen Stelle im Raum kommt. Vielleicht ist der Unterschied so gering, daß Sie ihn gar nicht bewußt wahrnehmen, aber er wird ausreichen, um Sie unbewußt reagieren zu lassen, selbst wenn Sie die Augen geschlossen haben. Übrigens ist das analoge Markieren nichts Neues. Ihre Klienten tun es sowieso dauernd, und wenn Sie darauf achten, was sie Ihnen gegenüber »markieren«, können Sie eine Menge lernen. Als ich eine Privatpraxis hatte, wurde es mir nach einiger Zeit ziemlich langweilig, also schrieb ich an alle mir bekannten Psychiater einen Brief,'in dem ich sie bat, mir die ausgefallensten und schwierigsten Patienten zu überweisen. Sie schickten mir faszinierende Leute. Ein Psychiater schickte eine Frau, die mitten in der Nacht schweißgebadet und am ganzen Leibe zitternd aufwachte, und keiner hatte bis jetzt herausgefunden, was mit ihr los war. Sie war ziemlich am Ende, denn es passierte häufig, und sie war seit Jahren deswegen in Therapie, ohne daß sich die Symptomatik gebessert hätte. Der Psychiater gab ihr Pillen, um das Symptom unter
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Analoges Markieren/Kennzeichnen
Kontrolle zu bringen. Er hängte sie sogar stundenlang an den EEG-Apparat und wartete darauf, daß so ein Anfall kam, damit er ihn aufzeichnen konnte. Natürlich sind die Anfälle dann nie aufgetreten - erst als der Apparat nicht mehr angeschlossen war. Er hat sie dann wieder drangehängt, und sie mußte noch etliche Stunden länger dranbleiben - und wieder passierte gar nichts. Diese Frau war sehr konservativ und stammte aus einer reichen Gegend der Stadt. Als sie kam, hatte sie ziemlich viel Angst vor mir, denn der Psychiater hatte ihr erzählt, ich sei eine Art Hexenmeister, der mit den Leuten undurchsichtige Sachen mache. Aber sie wollte ihre Lage um jeden Preis ändern, und so war sie schließlich doch zu mir gekommen. Als ich in mein Büro trat, saß sie da und sah sehr verängstigt aus. Ich setzte mich, sah ihr direkt in die Augen und sagte: »Sie sind zu lange in Therapie gewesen. Im Hinblick auf Ihr Problem hat Ihr bewußter Verstand ebenso versagt wie der Verstand der Therapeuten. Ich möchte, daß nur Ihr Unbewußtes mir genau sagt, was ich wissen muß, um Ihre Lage zu ändern - nicht mehr und nicht weniger. Und ich wünsche nicht, daß Ihr Bewußtsein dabei störend eingreift. Sprechen Sie jetzt.« Das sind merkwürdige Anweisungen, nicht wahr? Ich hatte keine Ahnung, ob die Frau in der Lage sein würde, damit auf irgendeiner Ebene etwas anzufangen, aber ihre Antwort war sehr interessant. Sie sah mich an und sagte: »Nun, ich weiß nicht. Ich sitze immer nachts in meinem Zimmer, dann schalte ich das elektrische Licht aus und lege mich ins B e t t . . . und, wissen Sie, es ist wirklich ein Schock für mich, denn seit Jahren bin ich schon in Behandlung, und ich wache immer noch voller Panik und schweißgebadet auf.« Wenn Sie sich diese Mitteilung genau anhören, ist sie völlig eindeutig. Die Wörter, die sie betont hatte, waren »elektrischeSchock-Behandlung«. Da hatte ich die Information, die ich brauchte. Ihr gegenwärtiger Psychiater wußte nichts davon, aber ein anderer hatte sie früher einmal mit Elektroschocks behandelt. Vor einiger Zeit war ihr Mann reich geworden und mit ihr umgezogen - aus einer Gegend, wo sie sich mit den Nachbarn gut verstand und sich wohlfühlte - in ein elegantes Haus auf einem Hügel, wo es rundherum keine Menschenseele gab. Er ging arbeiten und ließ sie dort allein. Ihr wurde es langweilig, und sie war einsam; also entwickelte sie Tagträume, um sich selbst zu unter-
halten. Sie ging zu einem Psychiater, und der »wußte«: Tagträume sind »Flucht vor der Realität«, und vor der Realität zu flüchten ist etwas Schlimmes. Also unterzog er sie einer Elektroschockbehandlung, um sie zu heilen. Jedesmal, wenn sie mit der Tagträumerei begann, packte ihr Mann sie ins Auto und brachte sie hinunter ins Krankenhaus, wo die Ärzte sie an die Elektroschockapparatur hängten und Stromstöße durch ihren Körper jagten. So ging es fünfundzwanzigmal. Nach der 25. Behandlung hörte sie mit den Tagträumen auf. Aber nachts träumte sie immer noch. Sie versuchte, nicht zu träumen, aber sobald sie doch zu träumen begann, erlebte sie auch wieder den Elektrpschock. Es war eine verankerte Reaktion geworden. Sie bot alle physiologischen Anzeichen dafür. Als ich zur Schule ging, nannte man das klassische Konditionierung. Ihr Psychiater glaubte allerdings nicht an die klassische Konditionierung, also gab es so etwas für ihn auch nicht. Das ist ein Beispiel dafür, wie gutgemeinte Psychotherapie überhaupt erst Probleme schafft. Die Leute, die die Schockbehandlung mit ihr durchführten, haben ja wirklich gemeint, sie tun ihr einen Gefallen damit. Deren Überzeugung war, daß Tagträume eine Flucht vor der Realität und daher schlecht seien. Und anstatt die Phantasie der Patientin in eine sinnvolle Richtung zu lenken, behandelten sie sie mit Elektroschocks.
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Übung 5 Ich möchte, daß Sie alle üben, wie man das analoge Markieren anwendet, um bei jemandem eine bestimmte Reaktion zu bewirken. Bitte teilen Sie sich in Paare auf und nehmen Sie zunächst einige beobachtbare Reaktionen Ihres Partners auf (Pacing). Nehmen Sie etwas Einfaches, zum Beispiel wie er sich die Nase reibt, die Beine übereinanderschlägt oder aufsteht und Ihnen Kaffee holt - was Sie wollen. Dann fangen Sie an, über irgend etwas mit ihm zu sprechen und flechten in die Konversation die Instruktionen für die Reaktion ein, die Sie sich ausgesucht haben. Bauen Sie die Anweisungen so ein, daß es immer nur ein Wort oder eine Aussage ist, die Sie mit der Stimme oder einer Geste markieren, so daß Ihr Partner auf eine eindeutige Botschaft reagieren kann. Sie sehen, mit dem, was wir bis jetzt über Hypnose herausbe-
kommen haben, haben wir erst die Oberfläche angekratzt, und keiner weiß wirklich, was wir als nächstes lernen. Ich hoffe, es wird eine erhebende Erfahrung. Aber Sie sollen sie an diejenigen aushändigen, die ihren Möglichkeiten ins Gesicht sehen... Und jetzt gibt es im Raum schon etliche Leute, die ihre Hand zum Gesicht gehoben haben und sich die Nase kratzen - so einfach geht das.* Wenn Sie hypnotisieren, werden die Reaktionen der Leute oft nicht so offensichtlich sein wie bei dieser Übung. Dieses Mal sollen Sie nämlich etwas auswählen, was so deutlich ist, daß Sie beurteilen können, ob es eingetreten ist oder nicht. Wenn Ihr Partner merkt, welche Reaktionen Sie bei ihm hervorrufen wollen, baut er vielleicht die erwünschte Bewegung in eine andere ein, die er bewußt macht. Das ist in Ordnung. Achten Sie nur darauf, ob Sie die Reaktion, die Sie haben wollen, auch bekommen. Wenn nicht, können Sie ein weiteres Bündel von Instruktionen für dieselbe Reaktion in Ihre Unterhaltung einbauen, die Sie wiederum kennzeichnen. Diskussion: Verneinte Befehle und polare Reaktionen** Michael: Wie kann ich denn am geschicktesten eine überprüfbare Suggestion formulieren, wenn ich möchte, daß jemand etwas bleiben läßt, was er gerade tut? Sagen wir mal, jemand stößt mich dauernd, und ich will ihm vermitteln: »Tun Sie das nicht nochmal!« Wenn Sie sagen: »Tun Sie das nicht nochmal«, wird er es immer wieder tun, denn Sie haben ja gesagt: »Tun Sie d a s . . . « . Auch wenn Sie eine Suggestion mit vorangestellter Verneinung formulieren, wird sie eintreten. Wenn Sie jemandem sagen: »Denk nicht an die Farbe blau«, wird er an eben diese Farbe denken. * i. 0.: »You s e e , . . . we've only begun to Scratch the surface, and no one really knows what we'll learn next.« Da hier die Homonymität von »knows« und »nose« benutzt wird, um den verdeckten Befehl zu transportieren, ist eine wörtliche Übersetzung ins Deutsche der Doppeldeutigkeit beraubt. (Anm. d. Übers.) ** i. 0.: »polarity response«, in der deutschen Fachliteratur auch als »paradoxe Reaktion« bezeichnet. Der Begriff »polar« wurde beibehalten, da vom Widerspruch gegen die Anweisung des Hypnotiseurs die Rede ist, während »paradox« einen immanenten Widerspruch meint.
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Michael: Also gut. »Sie werden mich nicht noch einmal unterbrechen. « Dann wird er Sie bestimmt wieder unterbrechen. Sie geben ihm ja den hypnotischen Befehl, Sie wieder zu unterbrechen. Wenn Sie sagen: »Gehen Sie weg!«, wird er das wahrscheinlich tun, und Sie werden sofort nachprüfen können, ob es gewirkt hat: entweder er geht, oder er geht nicht. Michael: Angenommen, Sie können es so formulieren, daß es keine Probleme gibt - ich meine, die Suggestion richtig formulieren Ja. Angenommen, Sie haben es richtig formuliert, dann wird er es entweder tun oder nicht. Wenn es etwas ist, was man nicht beobachten kann, werden Sie es in dem Zusammenhang auch nicht herauskriegen. Wenn Sie sagen: »Fühlen Sie sich wohl«, können Sie nicht beurteilen, ob er das ausführt - es sei denn, Sie beobachten seine subtilsten Reaktionen. Wenn ich Sie wäre, Michael, würde ich unbedingt üben, positiv zu formulieren, denn eben haben Sie hintereinander drei negative Suggestionen gebracht. Kein einziges mir bekanntes Kommunikationsmuster verursacht so viele Störungen bei der Verständigung wie die Negation. Sie existiert nur in der Sprache, nicht aber im Erleben. Zum Beispiel, wie erleben Sie den folgenden Satz: »Der Hund jagt die Katze nicht«? Teilnehmer: Ich sehe einen Hund, der eine Katze jagt, und dann ein großes schwarzes X über dem Bild. Teilnehmerin: Ich sah, wie ein Hund eine Katze jagt, und dann standen plötzlich beide still. Richtig. Alles was negativ wird, müssen Sie sich erst vergegenwärtigen. Michael, an Ihrer Stelle würde ich versuchen, eine Woche lang alles, was Sie sagen wollen, positiv zu formulieren, ohne Verneinung. Lernen Sie, statt dessen, was Sie nicht wollen, deutlich zu machen, was Sie wollen. Die Klienten kommen fast immer mit einer langen Liste von Dingen, die sie nicht wollen, und haben in der Regel ihrer gesamten Umwelt mitgeteilt, was sie nicht wollen - was ihre Freunde dann genau darauf programmiert, so zu reagieren, daß Unerfreuliches und Unbefriedigendes passiert. »Also, ich möchte nicht, daß das, was ich dir zu erzählen habe, dich irgendwie beunruhigt.« »Bitte werde nicht böse, weil Billy das und das angestellt hat.« 95
Natürlich können Sie mit demselben Muster auch sinnvolle Ergebnisse erzielen: »Fühlen Sie sich nicht zu wohl.« »Ich möchte Sie nicht bitten, sich jetzt zu entspannen.« Besonders sinnvoll ist die Negation bei jemand, der eine »polare Reaktion« hat. Das heißt einfach, er reagiert genau gegenteilig. Wenn Sie zu David sagen: »Sie werden immer entspannter«, und er setzt sich dann noch aufrechter hin - das ist eine polare Reaktion. Manche Leute nennen so etwas »Widerstand« und gehen davon aus, daß man mit solchen Klienten nicht arbeiten kann. Aber Menschen mit intensiven polaren Reaktionen reagieren ja enorm. Sie reagieren halt nur umgekehrt. Ich muß das nur so einsetzen, daß ich ihnen sage, daß sie das, was ich an Reaktionen von ihnen haben will, nicht tun sollen. Sie werden aus dem polaren Reagieren nicht herauskönnen und alles ausführen. »Sie hören den Klang meiner Stimme, und ich möchte nicht, daß Sie sich zunehmend wohler fühlen.« Das sind Situationen, in denen verneinte Befehle eine sehr sinnvolle Sache sind. Noch eine Möglichkeit, mit polaren Reaktionen umzugehen, sind Bestätigungsfragen: »Sie beginnen, sich zu entspannen, nicht wahr?« Es handelt sich einfach um eine Verneinung in Frageform, die an das Satzende angehängt wird. »Das ist einleuchtend, oder nicht?«* Charles: Wie merkt man denn, ob jemand polar reagiert oder nicht? Betrachten Sie es einmal so, Charles: Wenn jemand Informationen verarbeitet und polar reagiert, werden Sie in seinem Gesichtsausdruck radikale Veränderungen beobachten können. Wenn seine Verarbeitungsweise so ist, daß er sich bildlich vorstellt, wie er etwas tut und sich dann sagt: »So nicht!« - werden Sie radikale Veränderungen beobachten können, wenn er innerlich von einem Inhalt auf den andern umschaltet. Diese plötzlichen Änderungen im Ausdruck unterscheiden sich deutlich von den Übergängen, die beim normalen Ablauf der Induktion zu beobachten sind. Daran erkenne ich es hauptsächlich.
Außerdem können Sie viele Widersprüche auf der Verhaltensebene beobachten. Das klassische Beispiel ist der Klient mit dem »Ja, aber...«. Zuerst Zustimmung, dann Widerspruch. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten, es festzustellen; eine davon ist, jemandem eine direkte Suggestion zu geben. Sie sehen ihn an und sagen: »Zwinkern Sie«, und beobachten, ob er sofort zwinkert, mit dem Zwinkern aufhört oder einfach nur dasitzt. Das sind ganz unterschiedliche Reaktionen auf einen einzigen Befehl. Sie können auch eine Aussage machen und die Reaktion beobachten, dann dieselbe Aussage in eine negative Formulierung verpacken und schauen, ob sich die Reaktion umkehrt: »Das können Sie verstehen.« »Nein, ich glaube, das können Sie nicht verstehen.« Wenn Sie zu beiden Statements Gegenreaktionen bekommen, wissen Sie, daß die Reaktion unabhängig vom Satzinhalt erfolgt. Soviel zum Gebrauch von Verneinungen und Bestätigungsfragen. Eine noch intensivere Wirkung können Sie erreichen, wenn Sie zusätzlich >versteckte Befehle< einsetzen. Nehmen Sie die Aussage: »Und ich möchte nicht, daß Sie noch entspannter werden, wenn Sie auf den Klang meiner Stimme hören.« Wenn ich bei »noch entspannter werden«, das Tempo, die Tonhöhe oder das Timbre meiner Stimme ändere, dann ist diese Instruktion analog markiert und wird vom Unbewußten besonders beachtet. Versteckte Befehle können Sie mit oder ohne Verneinung gebrauchen. »Wenn Sie so dasitzen, können Sie anfangen, sich zu entspannen... Schließen Sie Ihre Augen nicht, bis Ihr Unbewußtes Ihnen erlaubt, sich an eine schöne Zeit in Ihrer Vergangenheit zu erinnern, als sie sich nicht zu wohl gefühlt haben.« Wenn Sie die Instruktionen, die der andere befolgen soll, analog markieren, können Sie, ohne daß es auffällt, großen Einfluß auf ihn ausüben.
* »tag questions« wiederholen i. Engl, die Aussage des Satzes unter Verwendung von »to do« oder des Hilfsverbs im Satz, bei verneinter Aussage in bejahter Form, bei bejahter Aussage verneint. »It's a nice weather today, isn't it?« - »Tliey didn't see you, did they?« (Anm. d. Übers.)
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3 Induktionen für Fortgeschrittene Hebelinduktionen und Handlungsunterbrechung * N u n möchte ich Ihrem Repertoire von Induktionstechniken weitere Mögüchkeiten hinzufügen. AI, darf ich mir für einen Moment Ihren Arm ausleihen? (Er hebt Al's Arm, hält ihn am Handgelenk hoch und schüttelt ihn leicht, solange, bis er beim Loslassen oben bleibt. Währenddessen spricht er.) Also, ich fände es gut, wenn Sie, falls es Ihnen recht ist, Ihrem Arm einfach erlauben, sich herabzusenken, aber nur so schnell, wie Sie in Ihrer Erinnerung... einen bequemen O r t . . . und einen angenehmen Zeitpunkt... finden können... wo Sie einmal von allem Abstand nehmen konnten... und sich für einen oder zwei Augenblicke erholen konnten... so daß Ihr A r m . . . nicht schneller herabsinkt... als sich Ihre Augen... unwillkürlich, ohne Ihr Zutun schließen... und wenn die Hand sich schließlich... auf den Oberschenkel l e g t . . . nachdem sie langsam herabgesunken i s t . . . Sie mit einem Gefühl von Entspanntsein... zurückkommen... das Sie vorher nicht hatten... Sie machen das sehr g u t . . . lassen Sie sich Z e i t . . . (Al's Hand berührt seinen Oberschenkel, er öffnet die Augen und lächelt.) Danke. (John Grinder geht auf David zu und schaut auf dessen Namensschild.) David? Ich heiße - (er streckt David die Hand entgegen. Als David ebenfalls seine Hand ausstreckt, greift John mit der linken Hand nach ihr, faßt sie leicht am Gelenk, hebt sie nahe an sein Gesicht heran und deutet mit seinem rechten Zeigefinger auf Davids rechte Handfläche.) Sehen Sie Ihre Hand an. Bitte betrachten Sie sorgfältig all die Farbveränderungen und Schattierungen in Ihrer Hand. Studieren Sie aufmerksam die Linien und Fältchen, während Sie Ihrem Arm nun erlauben, langsam herabzusinken. Und ich könnte an Sie dieselbe Suggestion richten, die ich AI gege* i. 0.: »Leverage Inductions and Pattem Interruption.« (Anm. d. Übers.)
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ben habe, das heißt... wenn Ihr Arm langsam herabzusinken beginnt . . . mit willkürlichen und unbewußten Bewegungen... werden die Augenlider nach und nach schwerer... und schließen sich... Und vor Ihrer H a n d . . . die langsam die Bewegung nach unten weiterführt... werden Sie ganz deutlich etwas sehen, was Ihnen wichtig i s t . . . und was Sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben... Lassen Sie sich Z e i t . . . und genießen Sie e s . . . Und dann, wenn Ihre H a n d . . . sich auf meine l e g t . . . in eben diesem Moment... werden Sie das Gefühl haben, etwas ist nun abgeschlossen . . . und freuen sich... daß Sie sich erinnern konnten... um nun das Erinnerungsbild zu vergessen... Und Sie wissen j a . . . weil Sie vorher schon hier waren (Davids Hand berührt Johns rechte Hand und John gibt ihm jetzt wirklich die Hand. Johns Stimme, die sich während der Induktion verändert hatte, wird wieder »normal«, und er fährt fort:) -John Grinder, es freut mich sehr, Sie zu sehen. Ich weiß nicht, was Sie dazu gebracht hat, zu diesem Seminar zu kommen, aber es ist schön, daß Sie da sind. Das waren sogenannte Hebelinduktionen. Es gibt viele Phänomene, die von der öffentlichen Meinung als Anzeichen für einen veränderten Bewußtseinszustand angesehen werden. Ein solches Phänomen ist auch die Katalepsie. Katalepsie der Hand oder eines Armes sind eigentlich immer Anzeichen dafür, daß etwas Außergewöhnliches vor sich geht. Es ist ja nicht üblich, daß die Leute dasitzen und einen Arm hochhalten. Wenn Sie so etwas hervorrufen können, gewinnen Sie als Hypnotiseur beträchtliche Glaubwürdigkeit, und außerdem können Sie es als Ausgangspunkt für andere Bewußtseinsveränderungen benutzen. Ich habe AI gefragt: »Darf ich mir für einen Moment Ihren Arm ausleihen?« Kommt Ihnen diese Frage nicht reichlich unsinnig vor? Er akzeptierte sie als sinnvolle Aussage und ließ mich seinen Arm heben. Ich schüttelte ihn ein bißchen, und als ich ihn losließ, war er kataleptisch. Damit ist die Hebelwirkung eingetreten. Ich habe AI mit meiner Kommunikation in eine ungewöhnliche Situation versetzt: seine Hand und sein Arm hingen kataleptisch in der Luft. Um das im Sinne einer hypnotischen Induktion nutzbar zu machen, habe ich daran die Reaktion geknüpft, die er nach meiner Vorstellung entwickeln sollte - sich auf eine hypnotische Trance hinzubewegen -, und zwar als Möglichkeit für ihn, aus dieser Position herauszukommen: Ich forderte ihn auf, Hand und Arm mit 99
unwillkürlichen, unbewußten Bewegungen herabsinken zu lassen, aber nur so schnell, wie er seine Augen schließen und sich an ein bestimmtes Erlebnis erinnern konnte. Zusätzlich habe ich suggeriert, daß er dann, wenn seine Hand sich auf den Oberschenkel legt, zum normalen Wachbewußtsein zurückkommt und sich über das, was geschehen ist, freuen kann. Cathy: Woher wissen Sie denn, ob sein Arm kataleptisch ist? Das kann ich fühlen. Wenn ich den Arm hochhalte und leicht schüttele, wird er immer leichter und bleibt irgendwann von selbst oben. Kitty, schließen Sie mal für eine Sekunde die Augen. Und Sie, Cathy, greifen hinüber und heben ihren Arm hoch. Nehmen Sie ihn und achten Sie darauf, wie er sich anfühlt. Kitty, bitte stellen Sie sich jetzt einen Ort vor, wo Sie einmal einen besonders schönen Urlaub verbracht haben. Nicken Sie mit dem Kopf, wenn Sie ihn vor sich sehen. Und nun möchte ich, daß Sie alles, was Sie in dieser Vorstellungswelt erblicken, ganz genau anschauen. Und dann fangen Sie bitte an, uns laut all die Einzelheiten, Formen und Farben zu beschreiben, die Sie dort an Ihrem Urlaubsort sehen. Kitty: Ich bin in diesem Wald mit den Mammutbäumen. Und was speziell sehen Sie da? Kitty: Viele Bäume und dunkle Schatten. Gut. Cathy, legen Sie einen Finger unter ihr Handgelenk. Fragen Sie sie nach immer mehr Einzelheiten, und jedesmal, wenn Sie zu sprechen beginnt, bewegen Sie Ihren Finger ein bißchen auf und ab, um zu testen, ob der Arm so bleibt oder nicht. Wenn sie anfängt, ihn von selbst so zu halten, wissen Sie, daß Sie nun eine unbewußte Reaktion erreicht haben. Immer, wenn sie ganz dabei ist, ihre Imaginationen anzuschauen und zu beschreiben, wird sie sich ihres Armes nicht mehr bewußt sein. Wenn Sie das machen, merken Sie den Unterschied zwischen jemandem, der seinen Arm bewußt hochhält und jemandem, der das selbe unbewußt tut. Übrigens, wenn die betreffende Person den Arm bewußt hochhält, machen Sie weiter und tun Sie so, als täte sie es unbewußt. Eine Variation dessen ist das, was wir den »Traum-Arm« nennen. Es ist auch eine Art von Hebelinduktion. Diese Technik ist richtig nett, und eigentlich sollte sie jeder kennen, besonders die Leute, die mit Kindern arbeiten. Kinder sind vom Traum-Arm begeistert. Das erste, was ich mit dem Kind mache, ist, sein Interesse zu
wecken. Ich frage: »Weißt du, welcher dein Traum-Arm ist?« Vielleicht denkt es dann, ich sei wohl etwas komisch, also lache ich und sage: »So, du hast keine Ahnung vom Traum-Arm? Ich aber. Ich könnte dir ja etwas davon erzählen, aber wahrscheinlich erzählst du es dann gleich weiter.« Das bringt die Kinder in Gang. Bald sagt das Kind dann:« Bitte erzählen Sie's mir, ich erzähle es auch bestimmt nicht weiter, ich verspreche es Ihnen.« Darauf sage ich dann: »Ach, wahrscheinlich interessiert es dich sowieso nicht besonders. « Milton Erickson nannte so etwas den »Aufbau von Reaktionspotential«. Von dem Punkt an haben Sie's dann leicht. Sie fragen: »Welche Fernsehsendung oder welchen Kinofilm magst du denn am liebsten?« Das ist zur Zeit meistens »The Bionic Man« oder »Krieg der Sterne«. Dann sagen Sie: »Kannst du dich an die allererste Szene erinnern, wo Steve Austin dauernd weiterrennt und man hört dazu die Musik?« Während sich das Kind diese Szene in Erinnerung ruft, beobachten Sie seine Augen, um zu sehen, auf welche Weise es das tut. (Siehe Anhang I.) Wenn es nach rechts aufschaut, heben Sie seinen rechten Arm, wenn es nach links schaut, seinen linken. Der Arm wird ohne weiteres kataleptisch, denn er wird von derselben Gehirnhemisphäre gesteuert, die das Kind gerade braucht, um die Informationen zu verarbeiten, mit denen es auf Ihre Frage reagiert. Wenn jemand nach links schaut, sucht er Zugang zu Erinnerungsbildern, die in der rechten Hemisphäre des Gehirns gespeichert sind. Wenn sie dann seine linke Hand heben, die ebenfalls von der rechten Hemisphäre gesteuert wird, wird er nicht merken, was Sie mit seinem Arm machen - wenn Sie es so sanft machen, daß Sie seine Vorstellungsbilder nicht unterbrechen. Sein linker Arm wird automatisch kataleptisch, denn sein Bewußtsein ist völlig mit den bildlichen Vorstellungen beschäftigt. Er wird einfach nicht wahrnehmen, daß Sie seinen Arm heben, weil seine ganze Aufmerksamkeit bei den inneren Bildern ist. Sie können auch Musik thematisieren, speziell, wenn Sie wissen, daß eine Person stark auditiv wahrnimmt. »Wann haben Sie das letzte Mal eine wirklich gute Musikgruppe spielen gehört?« Und Sie heben einfach den Arm auf der Seite, zu der er schaut, wenn er nachdenkt. Wenn Sie dann die Armkatalepsie erst einmal haben, sagen Sie
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nur: »Schön, nun schließen Sie Ihre Augen und sehen sich die Show noch einmal in allen Einzelheiten an, Sie hören den Klang und erinnern sich, daß das Wichtigste der Teil ist, der Ihnen am besten gefallen hat - damit Sie mir später davon erzählen können. Und Ihr Arm wird nur so schnell herabsinken, wie Sie die ganze Show vor sich ablaufen sehen.« Das hat bis jetzt bei allen Kindern und Jugendlichen funktioniert, die mir begegnet sind, außer bei einem - das Kind eines Hypnotiseurs, das seit Jahren darauf programmiert worden war, nicht hypnotisierbar zu sein. Dieses Kind war bei 25 berühmten Hypnotiseuren gewesen und hatte sie alle zum Verzweifeln gebracht. Weil ich keine große Lust hatte, mit ihr dasselbe Spiel zu wiederholen, gratulierte ich ihr einfach. Ich sagte, sie sei nicht hypnotisierbar und würde wohl nie in Trance fallen. Natürlich mußte sie dann beweisen, daß auch diese Aussage falsch war, und - sie fing an, in Trance zu fallen! Wenn Sie den Arm angehoben haben und er kataleptisch ist, können Sie genau wie bei jeder anderen Hebelinduktion vorgehen. Sie können sagen: »Ich möchte dich nicht auffordern, deinen Arm schneller herunterzulassen, als dir dein Unterbewußtes eine Wiederholung des ganzen Films schenkt, so daß du es nun richtig genießen kannst... jede Szene einzeln anschaust und zuhörst... in allen Einzelheiten... und es kann viel Spaß machen, wenn du jetzt Ausschnitte siehst... die du schon vergessen hattest... und die dir nun wieder einfallen...« Teilnehmerin: Welchen Arm soll man denn nehmen, wenn jemand nur ins Leere schaut und geradeaus blickt? Das einfachste wäre, wenn Sie beide Arme heben. Es gibt ja nur zwei. Der, der dann herunterfällt, war's nicht. Teilnehmerin: Ist es möglich, daß jemand in die eine Richtung schaut und den anderen Arm kataleptisch werden läßt? Ja, möglich ist so ziemlich alles. Aber die Erklärung, die ich Ihnen vorhin gegeben habe, soll ein Leitfaden sein - eine Möglichkeit zu entscheiden, welchen Sie nehmen, wenn Sie möglichst effektiv arbeiten wollen. Aber jetzt noch einmal zurück zu dem unterbrochenen Händeschütteln, das ich mit David praktiziert habe. Das war ein Beispiel für die Klasse von Induktionen, die wir »unterbrochene Handlungsmuster« nennen. Wenn Sie bei einer Person irgendein stereo-
types Handlungsmuster herausfinden - sei es individuell oder kulturell bedingt -, brauchen Sie nur mit dieser Handlung anzufangen und sie dann zu unterbrechen. Das ergibt dieselbe Situation wie bei der Katalepsie des Armes. Das unterbrochene Händeschütteln ist ein klassisches Beispiel dafür. Ein Händedruck ist nach unserem Empfinden eine einzige, automatisch ablaufende Verhaltenseinheit. Wenn wir einander die Hand geben und hinterher jemanden fragen: »Was haben wir eben getan?« wird er antworten: »Ihr habt euch die Hand gegeben.« Diese verbale Kodierung unterstellt, daß es sich um eine geschlossene Verhaltenseinheit handelt, und das ist es auch tatsächlich. (Er reicht Susan wiederholt die Hand und zieht sie dann zurück.) Obwohl es Susan klar ist, daß ich es nicht ernst meine, wenn ich ihr die Hand entgegenstrecke, veranlaßt allein der visuelle Reiz sie dazu, ihre Hand auch auszustrecken, denn das gehört zu dieser Verhaltenseinheit, auf die sie innerlich programmiert ist. Wenn sie sich bewußt überlegen müßte, was meine ihr entgegengestreckte Hand bedeutet, um dann bewußt zu reagieren, wäre das ausgesprochen umständlich und schwerfällig. Wir alle sind auf Tausende solcher automatischen Reaktionen programmiert. Sie brauchen nur darauf zu achten, welche davon bei jemandem wirklich völlig automatisch ablaufen, und ihn dann dabei zu unterbrechen. Wenn ich ihr meine Hand hinstrecke, streckt sie ihre auch aus. Dann unterbreche ich sie, indem ich mit der linken Hand ihr Handgelenk fasse und ihre Hand sanft nach oben hebe. Im selben Moment wird sie ohne »Programm« dastehen, denn ihr fehlt der nächste Schritt. Wenn Sie eine geschlossene Verhaltenseinheit unterbrechen, hat diejenige Person keinen Anschlußschritt mehr zur Verfügung, denn sie brauchte bisher noch nie mitten im Händeschütteln eine andere Handlung anzuschließen. Jetzt sind Sie an dem Punkt, wo Sie den Hebel ansetzen können. Sie brauchen nur noch eine angemessene Anweisung einzufügen, und im Normalfall wird sie sie befolgen. Hier könnte man jetzt zum Beispiel sagen: »Lassen Sie Ihren Arm langsam herabsinken, aber nur so schnell, wie Sie in tiefe Trance sinken können...« Sue: Können Sie mir den Unterschied zwischen einer Levitationsinduktion und diesem Unterbrechen einer Handlung sagen? Der Unterschied liegt mehr in der Weise, wie Sie die Dinge
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wahrnehmen, und weniger im eigentlichen Erleben. Hebelinduktionen schaffen eine Situation, in der jemand in die ungewöhnliche Lage versetzt wird, daß er bereits ein Trancephänomen, zum Beispiel die Katalepsie, produziert. Und dann nehmen Sie verbale Verknüpfungen, um dieses Verhalten mit irgend etwas zu verbinden, was Sie hervorrufen wollen. Eine Unterbrechung beinhaltet, daß man jemanden dazu bringt, daß er eine für ihn geschlossene Verhaltenseinheit beginnt, etwa ein Händeschütteln. Dabei unterbrechen Sie ihn, und zumindest für einen Moment weiß er nicht weiter. Soweit ich weiß, ist keiner von uns hier schon einmal mitten im Händeschütteln zu einem andern Verhalten übergewechselt - ein Händeschütteln hat einfach keine »Mitte«. Früher gab es das mal, als wir drei oder vier Jahre alt waren und mit einem komplexen Lernprogramm von Wahrnehmungen und Motorik lernen mußten, wie man Erwachsenen die Hand gibt. Es gab eine Zeit, wo dieses Verhalten noch verschiedene Bestandteile hatte, so, wie sich auch das Gehen in unserem Leben früher einmal aus verschiedenen Einzelbewegungen zusammensetzte. Aber heute sind diese Dinge so gründlich eingeschliffen und geübt, daß sie eins sind und keine Mitte mehr haben. Und wenn Sie jemanden mitten in einer Handlung erwischen, die eigentlich keine Mitte hat, hält er erstmal still. An dieser Stelle können Sie dann Instruktionen einschieben, wie es aus dieser unmöglichen Situation heraus weitergehen kann, hin zu der Reaktionsweise, die Sie bewirken wollen. Der Unterschied von Hebelinduktion und Unterbrechung liegt in der Wahrnehmung des Hypnotiseurs. Beim Hebelverfahren schaffen Sie mit Ihren Manövern ein ungewöhnliches Verhalten und machen daran die erwünschten Reaktionen fest: als Möglichkeit, aus der Situation herauszukommen. Das Unterbrechen einer Handlung bedeutet: man findet eine geschlossene, automatisierte Verhaltenseinheit des Klienten heraus und unterbricht ihn dann mittendrin. Da die Handlung im Bewußtsein den Status einer geschlossenen Verhaltenseinheit hat, ist er nicht darauf programmiert, aus diesem »mittendrin« zu etwas anderem überzugehen. Und an der Stelle schiebe ich mein Programm ein. Als ich zu AI hinüberging und sagte: »Darf ich mir Ihren Arm ausleihen?« habe ich nicht auf eine bewußt formulierte Antwort gewartet. Ich habe einfach zugegriffen und seinen Arm gehoben.
Er hätte ihn herunternehmen und »Nein« sagen können. Das ist eine Möglichkeit. So eine Reaktionsmöglichkeit gibt es bei der Unterbrechung nicht, das ist ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Ansätzen. Bei der Hebelinduktion schaffe ich für jemanden eine überraschende Situation, indem ich ihn in eine ungewohnte Lage versetze, etwa eine Katalepsie. Bei einer Unterbrechung hat er keine Wahl, weil es sich um eine einzige Einheit handelt. Plötzlich ist er mittendrin, kann es aber nicht zu Ende führen. Kevin: Mir scheint, daß wir alle in diesem Raum eine Vorannahme haben, und zwar, daß jeder früher oder später in Trance fällt. Das ist aber draußen im Alltag anders. Mit anderen Worten, wenn ich jemanden auf der Straße treffe und dort das Händeschütteln mit ihm unterbreche, wird es bestimmt ein bißchen schwieriger werden. Ich stimme Ihnen zu, daß es hier andere Vorannahmen gibt als draußen im Alltagsleben. Aber ich glaube, dort wird es noch viel einfacher. Hier drin sind Sie alle darauf vorbereitet, daß ungewöhnliche Dinge passieren und achten darauf. Und wenn ich Ihr Bewußtsein darauf aufmerksam gemacht habe, erschwert mir das meine Arbeit als Hypnotiseur erheblich. Wenn Ihnen bewußt ist, daß wir hier so etwas wie Hypnose machen, dann haben Sie die Wahl, ob Sie mitmachen wollen oder nicht. Ich garantiere Ihnen: wenn Sie jetzt in die Hotelhalle gehen, jemandem überzeugend die Hand hinstrecken und dann unterbrechen - diese Person wird völlig stillhalten. Mit anderen Verhaltensmustern können Sie genau so experimentieren. Das nächste Mal, wenn Sie jemand begrüßt und sagt: »Hallo, wie geht's?« versuchen Sie zu sagen: »Furchtbar, einfach schrecklich!« und beobachten die Reaktion. In unserer Kultur ist die ritualisierte, übliche Antwort: »Danke, gut.« Die meisten Leute haben keine Möglichkeit, auf irgend etwas anderes zu reagieren und werden sich irgendwie unterbrochen fühlen, besonders im geschäftlichen oder beruflichen Umgang. Für die meisten Raucher ist es ein einziger, völlig automatischer Handlungsablauf, eine Zigarette aus der Schachtel zu nehmen und anzuzünden. Auch wenn Sie das unterbrechen, indem Sie einem die Zigarette wegnehmen, werden Sie diese Reaktionen erhalten. 105
Es ist viel leichter, so etwas mit Leuten zu machen, die nicht wissen, daß Sie mit hypnotischen Mitteln arbeiten, als mit einer Gruppe wie dieser. Wenn einige von Ihnen skeptisch sind, machen Sie sich den Spaß und üben es hier, bis Sie es können, und dann gehen Sie hinaus und testen selbst, ob es mit Fremden und Klienten leichter oder schwieriger ist. Teilnehmer: Und was sagen Sie, wenn Sie jemandem die Hand hochgehoben haben, der darauf gar nicht gefaßt war? Und wenn Sie so einfach auf der Straße auf jemanden zugehen und dann das Händeschütteln unterbrechen, wie gehen Sie dann weiter vor? Nun, was Sie eben machen wollen, worauf Sie hinauswollen; Sie versorgen ihn mit Formulierungen, die zu dem führen, was Sie vorhaben - und zwar so, daß das für ihn die Möglichkeit ist, aus der fatalen Situation, in die Sie ihn gebracht haben, herauszukommen. Teilnehmer: Nehmen wir mal an, Sie machen jetzt so ein Experiment mit jemandem. Nun, angenommen, wir lassen die Überlegung beiseite, ob es angebracht ist, draußen mit einem, der nichts davon ahnt, zu experimentieren - das wäre das Gegenteil davon, daß jemand zu Ihnen kommt und um Hilfe bittet -, dann würde ich sagen: »Und lassen Sie nun Ihre Hand herabsinken, bis sie meine berührt, und dann werden Sie sie ergreifen und mir die Hand geben, als ob nichts Ungewöhnliches passiert wäre.« Dann senkt sich seine Hand und Sie warten, bis sie kurz vor Ihrer ist. Dann ergreifen Sie sie und sagen: »Ja, sehr erfreut.« Auf diese Weise wird er sich wahrscheinlich an dieses Erlebnis nicht erinnern, und Sie werden keine negativen Reaktionen erfahren, wenn Sie das Händeschütteln beendet haben. Teilnehmerin: Wie kommt es zu der Amnesie? Nun, es ist eine einzige Verhaltenseinheit. Was kann schon während eines Händedrucks passieren? Wenn Sie solche Suggestionen geben und dann den Händedruck abschließen, als wäre nichts passiert, wird er bewußt nur wahrnehmen, daß er jemanden getroffen und ihm die Hand gegeben hat. Teilnehmer: Bei Groucho Marx habe ich in seinen alten Filmen etwas ähnliches gesehen. Er hat den Leuten immer die Hand gereicht, und dann, wenn der andere sie ihm auch geben wollte, seine weggezogen. Und sobald der andere seine Hand zurückzog, streckte er seine wieder aus. 106
Teilnehmerin: Ich hätte gedacht, daß jemand fast unmittelbar, nachdem Sie seine Hand genommen haben, zu sich kommt und sich dann fragt, was um alles in der Welt jetzt los ist. Wird er auch, wenn Sie nichts anderes tun, als nur den Händedruck zu unterbrechen. An dem Punkt müssen Sie mit verbalen Instruktionen einbringen, was als nächstes passieren soll. Wenn sie genügend Zeit haben, finden die Leute auch aus so unmöglichen Situationen wie einem unterbrochenen Händeschütteln selbst heraus. Ich habe das systematisch ausprobiert; es kann nur zehn Sekunden dauern, bis sich jemand erholt und sagt: »Das war komisch.« Es kann aber auch sein, daß jemand fünf oder zehn Minuten dasteht, bevor er aus dieser unmöglichen Situation herausfindet. David: War es Ihrer Meinung nach wichtig für mich, daß ich vergaß, was ablief, während ich in Trance war? Nein, das war mir nicht wichtig. David: Weil ich mich nämlich doch erinnere, aber ich habe nicht das Gefühl, daß das dem Ganzen irgend etwas nimmt. Ron: Ist es auch eine Unterbrechung, wenn Sie erwarten, jemanden zu hören, aber es kommt nichts; zum Beispiel wie bei Milton Ericksons Gemurmel, oder wenn die Stimme von jemandem leiser wird und überhaupt nicht mehr zu hören ist? Die Antwort gibt Ihnen das Feedback. Manche Leute würden das wohl als Unterbrechung empfinden, andere nicht. Ein unterbrochenes Händeschütteln ist für jeden eine Unterbrechung, aber bei unerwarteten auditiven Erfahrungen haben manche Leute doch Möglichkeiten, dem zu begegnen. Das werden Sie bei Leuten merken, die eine differenzierte auditive Wahrnehmung haben, die werden Sie so nicht unterbrechen. Auf jemanden, der Ihnen gerade zuhört und auditiv nicht so sehr differenziert, kann es schon als Unterbrechung wirken. Haben Sie zum Beispiel gemerkt, wie dieser Fernsehmonitor. ..? Also, die verschiedenen Zeitabstände, nach denen jetzt die Leute angefangen haben zu lachen, sind ein gutes Maß dafür, wie lange jeder gebraucht hat, um sich in einer unmöglichen auditiven Situation zurechtzufinden. Es war kein ganzer Satz, sondern nur ein Satzfragment. Als Sie das gemerkt haben und auf eine Fortsetzung warteten... Das also ist das Phänomen Unterbrechung. 107
Teilnehmer: Ist es dasselbe Verfahren wie bei Milton Erickson, wenn er einer Frau eigentlich nur die Hand gegeben hat und sie dabei in Trance versetzte? Nein. Das war kinästhetische Doppeldeutigkeit. Das ist eine andere Art von Unterbrechung. Wenn ich Ihnen ganz normal die Hand gebe, erwartet man üblicherweise, daß wir uns nach einer gewissen Zeit auch wieder loslassen. Wenn ich nicht daran denke, Ihre Hand loszulassen, oder wenn ich, wie Milton Erickson, anfange, sie loszulassen, aber nicht eindeutig, so daß Sie nicht sicher sind, wann meine Berührung mit Ihnen endet, wissen Sie nicht, wie es weitergeht. Wenn Sie den Bericht von Erickson dazu lesen, erfahren Sie, was er tat: daß er seine Hand langsam mit wechselnden Bewegungen und Berührungen von ihrer löste, so daß die Frau nicht sicher sein konnte, wann er den Kontakt ganz lösen würde. Und bevor er sie ganz losließ, hat er ihrem Handgelenk als letztes einen leichten Stoß nach oben versetzt, und das hat die Katalepsie ausgelöst. Das ist dasselbe Prinzip, wie jemandem den Arm zu heben und ihn ein bißchen zu schütteln, bis die Muskulatur alles selbst übernimmt und den Arm aufrecht hält. Norma: Und wie ist das mit Inkongruenz als Handlungsunterbrechung? Das ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür. Es ist schon komisch, daß gerade Norma das jetzt hier erwähnt. Von anderen Gelegenheiten her weiß ich, daß Norma eine außerordentlich differenzierte Strategie hat, Kongruenzen im Verhalten zu überprüfen. Für jeden, der professionell mit Kommunikation zu tun hat, ist das eine sehr wichtige Fähigkeit. Andererseits macht es sie aber für bestimmte Manipulationen anfällig. Wenn Sie etwas kongruent präsentieren und unerwartet... (Er führt Gesten und Mundbewegungen weiter, aber ohne Geräusche.) Wenn Sie also weitermachen, als ob nichts passiert wäre, aber einen Wahrnehmungskanal einfach weglassen, in diesem Fall den auditiven, dann fällt Norma fast vornüber vom Stuhl. Die Kongruenzüberprüfungsstrategie, die sie benutzt, wenn sie zuhört und beobachtet, wie jemand kommuniziert, setzt einfach voraus, daß Lippenbewegungen mit hörbaren Lauten verbunden sind, damit sie die Kongruenz überprüfen kann. Wenn aber gar nichts zu hören ist, ist ihr »Programm« unterbrochen. Wenn Sie über die Klasse von Informationen, die wir »Strate108
gien« nennen, Bescheid wissen (vgl. »Neurolinguistic Programming, Vol. I«), verfügen Sie damit über ein recht elegantes Verfahren, die Handlungsunterbrechung einzusetzen. Wenn Sie jemanden bei seiner Schlüsselstrategie unterbrechen, haben Sie eine sehr viel wirksamere Unterbrechung, die auch sehr stabil ist. Teilnehmer: Man kann den Leuten auch Zahlen, die sie in bestimmter Sprechweise gespeichert haben, eingeben - etwa die Sozialversicherungsnummer - aber die Zahlen anders hersagen. Die Sozialversicherungsnummer wird immer in drei-, zwei- und vierstelligen Zahlen ausgedrückt. Ja, auch Telefonnummern kann man so benutzen. Sieben-achtzwei-vier... drei-sechs-sieben. Anhand der Reaktion können Sie dann sagen, welche Strategie eine Person benutzt. Wer Klangmuster benutzt, um sich Telefonnummern zu merken, den wird es total unterbrechen, wenn jemand die Nummern mit anderer Betonung sagt. Wenn jemand sich nur das visuelle Bild einprägt, hat das sicher nicht diesen Effekt. Handlungsunterbrechungen kann man bei jedem Wettkampfsport einsetzen. Sie können bei jeder Bewegung, die Sie machen, feststellen, daß Sie jedes Mal eine bestimmte Reaktion erhalten. Und dann können Sie dieses Muster unterbrechen, und sich so einen Vorteil sichern. Meine Frau Judy ist zum Beispiel eine ziemlich gute Säbelfechterin. Sie entwickelt eine bestimmte Abfolge von Bewegungen und spielt sie ein halbes dutzendmal durch, um herauszufinden, wie ihr Gegner jedes Mal reagiert. Wenn sie das weiß, überlegt sie sich, wie sie auf den Gegenspieler reagieren kann, um einen Punkt zu machen. Oder sie fängt mit ihrer üblichen Bewegung an und unterbricht sie dann. Ihr Gegner hat sich schon auf die übliche Reaktion eingestellt, und das nutzt sie dann aus. Boxer machen das genauso, erst stellen sie eine bestimmte Routine her, und die unterbrechen sie dann. Wenn Sie einmal gesehen haben, wie Björn Borg Tennis spielt, wissen Sie, daß er nicht die geringste Energie verschwendet. Er organisiert seine Bewußtseinsprozesse in einem ganz engen Rahmen. Es ist ihm egal, ob die Zuschauermenge vor Begeisterung außer sich ist oder ob es Buhrufe gibt. Seine Reaktionen bleiben immer gleich, ob er nun einen Fehler oder einen Punkt gemacht hat. Er dreht sich nur um und »verankert« sich wieder - er dreht 109
Vor fünfundzwanzig Jahren hat George Miller in seiner klassischen Schrift »The Magic Number 7 ±2« eine enorme Anzahl von Forschungen zur tierischen und menschlichen Wahrnehmung zusammengefaßt. Der Mensch hat die Fähigkeit, bis zu sieben Informationsquellen gleichzeitig bewußt wahrzunehmen. Wenn es noch mehr werden, wird die Person »überladen« und fängt an, Fehler zu machen. Wenn ich Ihnen eine Zahlenreihe mit sieben Zahlen nenne, können Sie sich die wahrscheinlich merken, ohne einen Fehler zu machen. Wenn ich neun Zahlen sage, wird es Ihnen viel schwerer fallen, sie wieder in der richtigen Reihenfolge herzusagen, und Sie werden Fehler machen. Jede Zahl ist eine Informa-
tionseinheit. Wenn wir aber die neun Zahlen in drei Gruppen zu je drei Zahlen aufteilen, werden Sie sich die Zahlen viel leichter merken können. Jetzt sind es nämlich nur drei Informationseinheiten mit je drei Ziffern. Wenn man Informationen in größere Einheiten aufteilt, wird es möglich, mit dem Wachbewußtsein auf denselben 7±2 Kanälen viel mehr Information zu verarbeiten. Sie können Ihre Aufmerksamkeit auf sieben Blätter, sieben Zweige, sieben Äste, sieben Bäume oder sieben Wälder richten - wieviel Sie erfassen können, hängt davon ab, wie umfangreich Sie die Einheiten definieren, die Sie gerade benutzen. Egal, wie groß Sie die Einheiten wählen, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit bewußt auf 7±2 Informationseinheiten richten, wird alles übrige nicht bewußt verarbeitet werden. Alles, was 7±2 Einheiten übersteigt, ist Überladung und wird unbewußt verarbeitet. Ein Beispiel dafür ist mir einmal in einem anderen Workshop passiert. Ich fragte, ob es jemanden gibt, der eine sichere Methode hat, sich Namen zu merken. Eine Frau, Carla, meldete sich, ich ließ sie nach vorne kommen. Ann Teachworth saß unter den Zuhörern, und ich fragte Carla: »Kennen Sie zufällig diese Frau?« Ich zeigte auf Ann. Carla sagte: »Nein.« Immer wenn Carla jemanden kennenlernte, weiteten sich ihre Pupillen, und vor ihrem inneren Auge schrieb sie der Person den Namen auf die Stirn. Jedesmal, wenn sie diese dann wiedertraf, erweiterten sich ihre Pupillen leicht, und dann sah sie wieder den Namen auf der Stirn geschrieben. Das war die Methode, mit der sie sich immer erinnern konnte, wie jemand hieß, und es funktionierte ausgezeichnet. Da ich weiß, was in ihr abläuft, weiß ich auch, an welcher Stelle dieses Prozesses sie nicht mehr in der Lage ist, zusätzliche Informationen bewußt zu verarbeiten: dann nämlich, wenn ihre Aufmerksamkeit ganz nach innen gerichtet ist und sie sich den Namen der Person auf deren Stirn vorstellt und einprägt. Dann sind alle ihre 7±2 Kanäle mit der Visualisierung des Namens auf der Stirn des andern belegt. Ich sagte zu Carla: »Sehen Sie diese Frau dort, ihr Name ist Ann...« Ich machte eine Pause, sah, wie sich ihre Pupillen erweiterten und sagte dann: »Teachworth.« Sie hörte »Ann« und visualisierte das auf Anns Stirn. Danach fragte ich sie, wie die Frau heißt. Ihre Pupillen erweiterten sich wieder, und sie sagte: »Ann.« Dann fragte ich, ob sie den Nachnamen auch wüßte, und sie ant-
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den Griff seines Schlägers in der Hand, während er zu seiner Ausgangsposition zurückgeht. Er verschwendet absolut keine Energie und ist vollkommen auf die wesentlichen Dinge konzentriert. Das schützt ihn vor etwaigen psychologischen Manövern des Gegenspielers. Wenn Sie jemanden in seinem veränderten Bewußtseinszustand unterbrechen können - den braucht er, um gut zu spielen -, dann wird er ausgesprochen schlecht spielen, und Sie können ihn vielleicht schlagen. Das Prinzip der Handlungsunterbrechung bietet eine Menge Anwendungsmöglichkeiten. Alles, was irgendwie unerwartet ist, wird Ihnen die entsprechenden Reaktionen bringen. In dem Moment, wo die Person »ausklinkt«, weil Sie gerade etwas getan haben, was gar nicht dazugehört oder völlig unerwartet kommt, müssen Sie ihr deutliche Anweisungen geben, was sie als nächstes tun soll. Diese Techniken müssen Sie üben, bis Sie überzeugend und kongruent damit arbeiten können. Sie müssen mit Ihrem ganzen Verhalten verbal und nonverbal vermitteln, daß alles so eintreten wird, wie Sie es sagen - und es wird eintreten. Sobald Sie in der Lage sind, bei diesen Manövern völlig mit sich selbst kongruent zu wirken, ist es Ihre Aufgabe, herauszufinden, welche Reaktion Sie bekommen. Sie brauchen unbedingt Feedback, denn keine der allgemeinen Richtlinien, die wir Ihnen hier geben, funktioniert immer. Ihr Verhalten muß immer auf das Feedback, das Sie bekommen, abgestimmt werden. Überladen (Overload)
wortete: »Nein, den haben Sie mir nicht gesagt.« Wenn Ihre Beobachtungsfähigkeit und Ihr »timing« so genau sind, daß Sie feststellen können, wann eine Person ihre ganze Aufmerksamkeit nach innen gerichtet hat und wann nicht, können Sie anbringen, was Sie wollen. Wenn jemand innenorientiert ist, wird er Ihren Suggestionen bruchlos folgen, denn sie umgehen sein Bewußtsein. Solche Suggestionen kann er in keiner Weise mehr filtern oder abwehren. Dann sagte ich: »Ihr Name ist Ann Teachworth.« Und Carla sagte: »Ach ja, jetzt erinnere ich mich.« So konnte ich elegant zeigen, daß der Name in ihrem Unbewußten gespeichert war, obwohl er ihrer bewußten Wahrnehmung nicht zur Verfügung stand, weil er die Namensregistrierung nicht durchlaufen hatte. Sie erkannte Anns Nachnamen wieder, als sie ihn hörte, also war er unbewußt verarbeitet und erinnert worden. Immer, wenn die bewußte Wahrnehmung einer Person überladen wird, können Sie Informationen direkt ins Unbewußte senden, und der Betreffende wird entsprechend reagieren. Am leichtesten kann man die Aufmerksamkeit von jemandem überladen, wenn er sich auf ein komplexes inneres Erleben konzentrieren muß. Ich habe die Überladungstechnik schon benutzt, als ich überhaupt erst zum zweitenmal offiziell jemanden in Trance versetzt habe, ich werde es Ihnen vorführen. Bill, würden Sie für einen Moment nach vorne kommen und hier stehenbleiben? Würden Sie die Augen schließen? Ich hätte jetzt gern, daß Sie langsam und laut anfangen, von zweihundert an in Dreierschritten rückwärts zu zählen. Und während Sie das tun, lege ich meine Hände auf Ihre Schultern und drehe Sie im Kreis herum. Wenn Sie an irgendeiner Stelle merken, daß es angenehmer für Sie ist, einfach in eine schöne tiefe Trance zu fallen, dann tun Sie das, ganz in dem Gefühl, daß Sie hier in guten Händen sind. Auf diese Weise schaffe ich eine Überladung, weil ich seine sämtlichen Wahrnehmungssysteme beschäftige. Er benutzt visuelle Vorstellungen, um mit dem Rückwärtszählen zurechtzukommen; auditiv sind es die Zahlen, die er sich vorsagt; kinästhetisch wird er von mir desorientiert, indem ich ihn im Kreise drehe - er überlädt sich also selbst mit Dingen, auf die er achten muß - deshalb brauche ich es nicht zu tun. Ich hätte genausogut sagen können: »Und drehen Sie sich dabei im Kreis«, aber wenn ich ihn mit meinen Händen drehe, bekomme
ich eine Menge taktiles Feedback, nämlich, wann sich sein Bewußtseinszustand verändert und welcher Zustand sich bei ihm entwickelt. Und ich gebe ihm auch noch einen kinästhetischen Reiz, auf den er achtet: er fühlt meine Hände auf seinen Schultern. Um sicher zu sein, daß das Überladen klappt, sorgen Sie dafür, daß alle Wahrnehmungskanäle beteiligt sind. Wenn er damit beschäftigt ist, sich Zahlen vorzustellen und laut zu zählen, während er kinästhetisch desorientiert wird, kann ich ohne Probleme Suggestionen anbringen, die geradewegs an seinem Bewußtsein vorbei ins Unbewußte gehen. Falls ich etwas sage, was ihn dabei stört, merke ich es sofort, denn er zählt laut. In diese traditionelle Methode ist also ein Feedbackmechanismus eingebaut. Wenn er aufhört zu zählen, weiß ich, daß er entweder in tiefe Trance gefallen ist, oder er hat meine Desorientierungen abgeschüttelt und achtet bewußt auf die Suggestionen, die ich an sein Unbewußtes richten will. Entweder ich bestehe dann darauf, daß er weiterzählt, oder ich kann, wenn ich merke, daß er in tiefer Trance ist, mit den Mätzchen aufhören und mit der Arbeit anfangen. Übrigens ist das eine ganz traditionelle Trance-Induktion. Speziell von dieser Methode habe ich vor Jahren in einem Buch gelesen, und da ich keine Erfahrung damit hatte, hielt ich mich genau an die Anweisungen und tat, als ob mir klar sei, was ich tue. Erst ein paar Jahre später habe ich herausgefunden, welches Prinzip dahintersteckt, so daß ich von dieser einen Methode ausgehend verallgemeinern konnte - nämlich, daß es darum geht, jemanden vielfach zu überladen. Unser Vorgehen in diesem Workshops ist ganz genauso angelegt, weil wir Ihnen die meisten Botschaften direkt, auf unbewußter Ebene, vermitteln wollen. Sie können jede komplizierte Aufgabe nehmen, um jemanden zu beschäftigen und sein Wachbewußtsein abzulenken, indem Sie ihn desorientieren. Und dann bringen Sie eine sehr direkte, unmittelbare und leicht zu befolgende Anweisung, etwa: »Wenn es an irgendeiner Stelle für Sie leichter ist, einfach in eine tiefe Trance zu fallen, dann tun Sie das und genießen Sie es, ganz in dem Gefühl, gut aufgehoben zu sein.« Oder eine andere Variation: Ich nehme Jacks Hand und möchte ihn überladen. Also sage ich: »Sie brauchen sich nur ganz bequem hinzusetzen, ich werde nun Ihre Finger und den Daumen einzeln nacheinander berühren und Sie dabei beim Namen nennen. Ihre
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einzige Aufgabe ist dann, zu beurteilen, ob ich das richtig oder falsch mache.« Dann fange ich an, »Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger, kleiner Finger, Daumen. Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger, Daumen. (Er berührt den kleinen Finger.) Jedesmal wenn ich einen »Fehler« mache, wird er das tun, was er eben gemacht hat: die Pupillen erweitern sich, und der Atem stockt kurz. Er hat einige Zeit gebraucht, um es zu überprüfen. Um festzustellen, daß ich einen Fehler gemacht habe, braucht er länger, als er vorher brauchte, um zu entscheiden, daß ich's richtig gesagt hatte. Wenn ich damit weitermachen wollte, würde ich stufenweise immer mehr Fehler machen. Er wäre dann bald von der Komplexität der Aufgabe überfordert, und als Abwehr würde er in tiefe Trance fallen. An dem Punkt würde ich dann sagen: »Wenn ich diesesmal Ihren Ringfinger berühre« - ich würde einen falschen Finger anfassen - »werden Sie zusehends entspannter.« Ich würde weiter überladen und dann dazu übergehen, zusätzlich die Reaktionen zu suggerieren, die ich haben will - die nämlich, die zeigen, daß er in Trance fällt. Um zusammenzufassen: Ich gebe der Person auf allen drei Kanälen gleichzeitig Informationen und verlange dann, daß sie beurteilen soll, ob der auditive Input dem visuellen und dem kinästhetischen entspricht. Er wird bald aufgeben und letztlich signalisieren: »0. K., sagen Sie mir, was Sie von mir wollen, ich tue alles.« Sie können auch, anstatt alle Wahrnehmungssysteme zu überlasten, eine so komplexe Aufgabe für ein oder zwei Systeme stellen, daß damit sämtliche 7±2 Kanäle der bewußten Aufnahmefähigkeit beschäftigt sind. Sie können die Person bitten, von Eintausend in Dritteln rückwärts zu zählen, und sich dabei jeden einzelnen Bruch mit verschiedenen Farben für die obere Zahl, den Bruchstrich und die untere Zahl vorzustellen, wobei jeder folgende Bruch andere Farben haben soll. Dann können Sie Suggestionen hinzufügen, etwa: »Mit jeder Zahl sinken Sie tiefer in Trance.« Das alles sind Methoden, bei denen man jemanden in der Weise manipuliert, daß man seine Aufnahmekanäle überlastet und so die Fähigkeit außer Kraft setzt, zu erfassen, was man sonst noch tut. Teilnehmerin: Ist die Doppelinduktion, die Sie in dem Buch »Patterns II« beschreiben, ein Beispiel für dieses Überladen?
Ja, die Doppelinduktion ist ein Spezialfall dessen, was ich gerade hier gemacht habe. Dabei nimmt man zwei Leute, um eine Person zu überladen. Das funktioniert ziemlich schnell. Man bekommt sehr rasch viel Material für die Überladung, und das bewirkt eine sehr intensive Reaktion. Mit den Doppelinduktionen haben wir angefangen, nachdem wir sie ab und zu in Workshops ausprobiert und dabei gemerkt hatten, was für intensive Reaktionen es gab. Daraufhin haben wir sie auch in unserer Privatpraxis eingesetzt, um herauszufinden, wie man sie am sinnvollsten anwendet. Ungefähr sechs Monate danach kam Carlos Castanedas Buch »Reise nach Ixtlan« heraus. Gegen Ende des Buches findet sich eine recht lebendige Schilderung einer solchen Doppelinduktion: Don Juan spricht ihm ins eine Ohr, und Don Genaro gleichzeitig ins andere. Was die Leute berichteten, mit denen wir die Doppelinduktion gemacht hatten, bevor ich dieses Buch gelesen hatte, paßte genau zu dem, was Carlos schreibt: Man fühlt sich in seinem Innersten regelrecht gespalten. Aufgrund der Beschreibung in seinem Buch kann man sagen, daß Castaneda jemand ist, der, wenn er Bilder und Wörter wahrnimmt, sehr darauf achtet, welche Empfindungen sich bei ihm daraus entwickeln. Bei solch einem Menschen ruft ein doppelter auditiver Input tatsächlich das Gefühl von körperlicher Spaltung hervor. Jede Botschaft wird von der gegenüberliegenden Gehirnhälfte verarbeitet, und die daraus resultierenden Empfindungen werden in derselben Körperhälfte wie der auditive Input erlebt. Der Unterschied zwischen beiden auditiven Inputs in jeweils ein Ohr führt zu unterschiedlichem Erleben in den beiden Körperhälften. Der Unterschied zwischen den zwei Arten von Körpererleben wird auf der Mittellinie am stärksten sein, und daraus entsteht das Gefühl, aufgespalten oder zerteilt zu sein. Hebelinduktion, Handlungsunterbrechung und Überladung ähneln sich insofern, als sie Möglichkeiten sind, eine Art Keil in das Erleben des anderen zu treiben, um den Prozeß der Trance in Gang zu bringen. Man benutzt diese Techniken, um den Bewußtseinszustand, mit dem jemand zur Behandlung kommt, aufzubrechen - zugunsten eines flexibleren, flüssigeren Zustandes. Wenn Sie erst einmal überladen, unterbrochen oder eine Hebelsituation hergestellt haben, werden Sie einfach direktiv und ver-
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knüpfen diese Situation mit dem, was Sie hervorrufen möchten. »Und während das weitergeht, was gerade läuft, egal was es ist, fühlen Sie, wie Ihre Augen schläfrig werden und sich schließen wollen, und Sie werden mehr und mehr entspannt.« Sie entwickeln den Trancezustand weiter und gehen dann dazu über, die Trance als Kontext für die Veränderungsarbeit zu benutzen, die Sie vorhaben. Die Macht der persönlichen Ausstrahlung (personal power) Eine andere Induktionsmethode ist die direkte persönliche Ausstrahlung. Sie sagen jemandem einfach überzeugend, er solle in Trance versinken. Wenn er es tut - prima. Wenn nicht, warten Sie, bis er es tut. Natürlich stehen Ihnen gleichzeitig auch all die anderen Verfahren - nonverbales Spiegeln und so weiter - zur Verfügung. Wenn Sie jemanden auffordern, in Trance zu fallen, und Ihr Verhalten demonstriert die hundertprozentige Überzeugung, daß er auf jeden Fall in Trance fallen wird - dann wird er es auch tun. Damit so ein Manöver funktioniert, müssen Sie völlig überzeugend wirken. Nur wenn Ihre Erwartungen und Ihr Verhalten völlig übereinstimmen, werden Sie die erwünschte Reaktion bewirken. Es gibt weitere Manöver, die Sie hinzufügen können und die Ihnen mehr Effektivität ermöglichen. Wenn die Person erwidert: »Ich möchte ja wirklich gern, aber ich kann nicht!« dann sagen Sie: »Natürlich, Sie können das nicht. Ich warte ja auch auf t/m!« Auf diese Weise schicken Sie das Bewußtsein weg, zugunsten von etwas anderem, was statt dessen erscheinen soll. Wenn der Klient dagegen Einwände macht, Sie aber darauf nicht reagieren und nur wartend dasitzen, dann wird er wahrscheinlich immer wieder versuchen, in Trance zu fallen, bis es ihm schließlich gelingt. Um sich selbst die notwendige Kongruenz zu schaffen, können Sie als Metastrategie stets daran denken, daß es nur dann schiefgeht, wenn Sie sich unter Zeitdruck setzen. Die meisten Leute denken, sie haben versagt, wenn es ihnen nicht gelingt, jemanden augenblicklich in tiefe Trance zu versetzen. Dabei heißt das lediglich, daß man mehr tun oder etwas anderes versuchen muß. Wenn Sie bei dem, was Sie vorhaben, irgendeine persönliche Unsicherheit oder innere Unstimmigkeiten haben, gibt es ein Verfahren, mit dem Sie Ihre Kongruenz herstellen können, ein 116
Sprachverhalten, das wir »Zitieren« nennen. Sie können zum Beispiel anfangen: »Lassen Sie mich erzählen, wie ich das letzte Mal in Phoenix war und Milton Erickson besuchte. Ich ging in sein Büro, und er kam mit seinem Rollstuhl hereingerollt, sah mich an und sagte: >Versetzen Sie sich in Trance! <« Wenn Sie zitieren, geben Sie Ihrem Verhalten einen Rahmen, der so etwas aussagt wie: »Nicht ich sage das. Ich berichte nur von einem Erlebnis, das ich gehabt habe.« Dennoch bringen Sie natürlich darin jede Induktion unter, die Sie wollen, und zwar mit ihrer ganzen Wirkungskraft. Wenn Sie eine Trancereaktion merken, prima. Bauen Sie einfach weiter darauf auf. Wenn Sie keine solche Reaktion bekommen und vielleicht keine Lust haben, damit weiterzumachen, können Sie sich jederzeit davon distanzieren: »Das hat Milton zu mir gesagt. Aber ich würde das anders machen.« Das Zitieren ist eine gute Möglichkeit, neue Verhaltensweisen, bei denen Sie noch unsicher sind, auszuprobieren. Indem Sie einfach so tun, als wären Sie jemand anders, können Sie ausprobieren, wie es wäre, wenn Sie diese bereits beherrschen würden. Verschachtelte Realitäten (Die Geschichte in der Geschichte) Ein weiteres Induktionsverfahren haben wir »verschachtelte Realitäten«* genannt. Ich glaube, das kann ich Ihnen am einfachsten erläutern, wenn ich Ihnen davon erzähle, wie ich einmal in Michigan eine Gruppe geleitet habe. Ich saß in Weber's Inn und redete gerade mit einer Gruppe von Leuten über Metaphern. Und als ich anfing, mit ihnen darüber zu sprechen, erinnerte mich das Ganze an eine Geschichte, die Milton Erickson mir über eine Gruppe erzählt hatte, die er einmal an der Universität von Chicago leitete, wo eine Menge Leute genau wie hier in einem Halbkreis um ihn herumsaßen, und er stand vorne. Als er da saß und mit dieser Gruppe sprach, war die Geschichte, die gerade in dem Moment am zutreffendsten paßte, die, die sein Vater ihm über seinen Großvater erzählt hatte, der aus Schweden herübergekommen war. Sein Großvater Sven hat in Schweden ein Tagebuch geführt und herausgefunden, daß sich die Kühe viel bereitwilliger hinlegten, wenn 17 i. 0.: »stacking realities«, wörtlich: Realitäten stapeln. (Anm. d. Übers.)
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er mit ruhiger, besänftigender Stimme zu ihnen sprach - über irgend etwas, was ihm gerade in den Sinn k a m . . . Was ich getan habe, war eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte zu verpacken, bis ich die Kapazitäten Ihres Bewußtseins, im Auge zu behalten, was wohin gehört, überfordert hatte. Selbst in einer intellektuell geschulten Gruppe wie dieser wäre es schwierig für Sie, zu erkennen, auf welche der Realitätsebenen ich mich begäbe, wenn ich mit der Geschichte weitermachen und Induktionsbotschaften einflechten würde. Rede ich von Großvater Sven, der mit den Kühen redet, oder von Erickson, wie er mit Leuten in Chicago spricht, oder von Ericksons Vater, der ihm eine Geschichte erzählt, oder spreche ich zu Ihnen hier? Während Ihr Bewußtsein damit beschäftigt ist, das herauszufinden, ist Ihr Unbewußtes schon dabei, zu reagieren. Nehmen wir noch ein Beispiel, das mehr in den Bereich der Psychotherapie gehört. Eine Frau kommt zu mir in die Sprechstunde und sagt: »Ich habe Schwierigkeiten mit dem Problem X.« Ich lade Sie dann ein, aus dem Bürofenster zu schauen, wie die Wipfel der Redwoodbäume sich im Wind bewegen, und fange an, ihr eine Geschichte von einer jungen Frau zu erzählen, die einmal zu mir kam und in genau demselben Sessel saß und lange... die Wipfel derselben Redwoodbäume... angeschaut h a t . . . die ganz sanft, in demselben Wind... schwankten... vor und zurück... und diese junge Frau war dann in einen tiefen Traumzustand gesunken, und sogar, während sie dem Klang meiner Stimme lauschte, erinnerte sie sich an einen Traum, in dem sie aufs Land gefahren w a r . . . um jemanden zu besuchen... jemanden, bei dem sie sich besonders wohl fühlte... Eben habe ich in die verschachtelte Geschichte den Anfang einer Hypnoseinduktion eingebaut. Mit den verschachtelten Geschichten überfordere ich das bewußte Denken der Person, beziehungsweise ihre Fähigkeit, zu verfolgen, auf welcher Realitätsebene ich gerade operiere. Das Resultat ist dann eine Verwirrung, für die aber charakteristisch ist, daß sie viel sanfter ist als die Verwirrung beim Überladen mit Sinneseindrücken. Man kann diesen Effekt auch steigern, indem man Aspekte der gegenwärtigen Realität inkorporiert. Die Redwoodbäume existieren ja in der Gegenwart genauso wie in der Geschichte; wenn ich also von denen spreche, ist es leicht, zwischen den beiden Realitätsebenen hin-
und herzugehen. Der Klient gibt es bald auf, zu verfolgen, von welcher Realität ich gerade spreche. Dann kann ich in jede der Geschichten oder Realitätsebenen eine Anweisung für die erwünschten Veränderungen einbauen. »Und als ich zu dieser jungen Frau sprach, die zu mir gekommen w a r . . . sogar während ihres Traumes... dessen Inhalt ich nicht kannte... und auch nicht zu kennen brauchte... war es nur wichtig, daß sie ihn kannt e . . . und daß die Veränderungen, die mit solchen Träumen einhergehen . . . sich auf angenehme Weise... in ihrem zukünftigen Verhalten... niederschlugen. Und obwohl ich ihr eigentlich zusah, wie sie so träumte... fiel mir etwas e i n . . . was passiert war, als ich einmal einen alten Freund in Phoenix, Arizona, besuchte.« Jetzt mache ich zwei Dinge: Ich verschachtele wieder die Realitäten, so daß sie nicht folgen kann, und gebe ihr Instruktionen, was sie tun soll, während ich weitermache - nämlich einen Traum zu träumen, durch den sich ihr Verhalten fließend verändert. Falls zufällig noch jemand im Büro ist, stellt mich das vor die Aufgabe, nun eine direkte Induktion zu machen. Ich sehe die zweite Person an und sage: »Und Milton sah mich an und sagte: Schlaaafen S i e . . . nur so lange, wie Sie brauchen... um ausgiebig zu genießen . . . daß nun eine Veränderung in Ihnen vor sich geht, die Sie überraschen und freuen w i r d . . . Worum es dabei g e h t . . . werden Sie nicht wissen... bis Sie es irgendwann in den nächsten vierundzwanzig Stunden spüren... und in Ihrem Verhalten feststell e n . . . denn es ist immer erfreulich... wenn man von seinem Unbewußten überraschend etwas Neues erfährt... Und dann sagte Milton zu ihm, er könne natürlich... jederzeit... wenn es sinnvoll s e i . . . und wenn sein Unbewußtes zufrieden damit s e i . . . daß es für ihn nützlich sein w ü r d e . . . eine bestimmte Veränderung zu erfahren... dann könne er einfach... mit dem Gefühl, sich gründlich erholt und erfrischt zu haben... langsam zu der Realitätsebene zurückkehren... auf der er wichtige Dinge am besten lernen kann...« Bei all dem setze ich verschiedene wichtige Faktoren voraus: 1. Persönliche Ausstrahlung: Ich bin völlig kongruent in allem, was ich tue. 2. Rapport: Ich habe mich so gut auf die Person eingestellt, daß sie mir die Verantwortung für ihre Persönlichkeitsänderung übertragen hat.
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Wenn Sie soweit sind, können Sie immer einen direkten Befehl für hypnotische Reaktionen einbauen, also auch für eine tiefe Trance. Mit den verschachtelten Wirklichkeiten können Sie einen Rapport herstellen und die Reaktionen des anderen abschätzen. Bei verschachtelten Wirklichkeitsebenen ist die Überforderung viel sanfter als bei den anderen Konfusions- und Überladungstechniken. Außerdem haben Sie dabei die Möglichkeit, eine vollständige Induktion und Anwendung der Hypnose einzubauen, denn in einer Geschichte ist schließlich alles möglich. Natürlich müssen Sie sich dafür mehr Zeit nehmen als ich eben bei meinem kurzen Beispiel. Das Verschachteln von Wirklichkeitsebenen hat verschiedene Funktionen: Es gibt mir nicht nur einen Vorwand, in einer Geschichte verpackt etwas anzubringen, gegen das sich sonst das bewußte Denken des Klienten gewehrt hätte. Es kann auch in mir das Verhalten auslösen, das angemessen ist, um eine Trance zu induzieren, etwa Veränderungen im Klang meiner Stimme. Wenn ich über Erickson spreche und mich selbst so reden höre, wie er redet, sind auf der unbewußten Ebene sofort meine gesamten Erfahrungen mit ihm gegenwärtig. Und ein besseres Vorbild für Hypnoseinduktionen als Milton Erickson kann ich mir gar nicht vorstellen. Falls einige von Ihnen gern zusammenarbeiten möchten, würde ich Ihnen vorschlagen, daß Sie gemeinsam eine sehr allgemein gehaltene, offene Metapher entwickeln, mit der man eine Tranceinduktion machen kann. Konstruieren Sie so einen Satz verschachtelter Geschichten oder Realitätsebenen, in den Sie eine sehr allgemein formulierte Tranceinduktion einbauen können. »Offene Metapher« heißt, daß Sie im großen und ganzen wissen, worauf Sie hinauswollen: Sie wissen, womit Sie anfangen und kennen die Züge der einzelnen Charaktere. Einige grob strukturierte Handlungen gehören dazu, und Sie wissen einigermaßen, was in der Regel am Ende herauskommt. Andererseits halten Sie aber die Geschichte soweit offen, daß Sie jede Reaktion, die Ihnen auffällt, inkorporieren können. Sie haben dann immer die Möglichkeit, auf eine andere Realitätsebene überzugehen, wenn Sie die erwünschten Reaktionen nicht erhalten. Wenn Sie mit verschachtelten Wirklichkeitsebenen arbeiten, geben Sie Ihrem Tun einen vieldeutigen Rahmen. Innerhalb dieses
Rahmens können Sie auch alle anderen Verfahren und Techniken, die wir Ihnen hier vermitteln, anwenden.
Ich habe eben fünf weitere Induktionsmethoden vorgeführt: 1. Hebelinduktion 2. Handlungsunterbrechung 3. Überladen 4. Persönliche Ausstrahlung 5. Verschachtelte Realitäten Ich möchte Sie anschließend bitten, sich in kleine Gruppen aufzuteilen und das alles miteinander zu üben. Ich möchte empfehlen, daß Sie sich den Gefallen tun, etwas Neues auszuprobieren. Manche Leute kommen in unsere Seminare, um das, was sie sowieso schon können, noch einmal zu erlernen. Ich empfehle Ihnen aber, daß Sie sich jetzt entweder eine Induktionsmethode aussuchen, mit der Sie überhaupt noch nicht vertraut sind, oder eine, von der Sie schon gehört, die Sie aber noch nie geübt haben. Wenn Sie das tun, erweitern Sie Ihr Repertoire. Und je mehr Möglichkeiten Sie haben, ein bestimmtes Ergebnis auch wirklich zu erreichen, umso mehr Erfolg werden Sie auch bei den verschiedensten Menschen haben. Manche Methoden sind bei manchen Menschen sehr effektiv, bei anderen nicht. Wenn Sie viele Methoden beherrschen, um eine Trance zu induzieren, werden Sie feststellen, daß eigentlich jeder Mensch hypnotisierbar ist. Bitte bilden Sie nun wieder Dreiergruppen. A sucht sich eine Induktionsmethode aus, die ihm noch nicht vertraut ist, und versetzt B damit in Trance. C beobachtet bei B die Reaktionen, die eine Veränderung im Bewußtseinszustand anzeigen, also Veränderungen der Pupillen, Hauttönung, Atem, Muskeltonus und so weiter. Wenn die A-Leute die Trance induziert haben, möchte ich, daß sie vier weitere Schritte anschließen: 1. Setzen Sie ein deutliches Signal, das Ihnen anzeigt, daß Person B einen zufriedenstellenden Grad stabiler Trance erreicht hat. »Lassen Sie sich weiter... tiefer... in Trance fallen... bis zu dem P u n k t . . . wo Sie sich am angenehmsten entspannt fühlen... dann können Sie mir zeigen... daß Sie nun den Zustand erreicht
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Übung 6
haben... wo Sie gern möchten, daß es so bleibt... indem Sie einfach nur ganz unwillkürlich mit dem Kopf nicken... oder Ihren rechten oder linken A r m . . . nur ein paar Zentimeter vom Oberschenkel heben...« 2. Wenn B soweit ist, geben Sie ein paar sehr allgemein gehaltene Instruktionen, etwas zu lernen. »Nun fände ich es schön... wenn sich Ihr Unterbewußtes eine besonders positive Erfahrung aus der Vergangenheit heraussucht... an die Sie seit Jahren nicht gedacht haben... und Sie können sich freuen, das noch einmal zu sehen... und zu hören... und die Gefühle wiederzuerleben, die diese verloren geglaubte Erfahrung brachte... bei der Sie für sich selbst... soviel Positives... erlebten.« Oder Sie können auch sagen: »Es wäre schön, wenn Ihr Unbewußtes Ihnen ein Gefühl, einen Klang oder eine bildliche Vorstellung von etwas schenken könnte, was Sie sich sehr gern verschaffen würden... als eine wichtige Erfahrung... der nächsten Tag e . . . und als Vorbereitung, um Lernprozesse zu Ende zu führen . . . die hier in diesem Workshop begonnen haben.« Um welchen Inhalt es sich handelt, ist völlig egal. Geben Sie nur allgemeine Suggestionen, er solle in diesem Trancezustand etwas tun, was ihm ein Erleben vermittelt, mit dem ihm unzweideutig klar wird, daß er in einem anderen Bewußtseinszustand war. Vielleicht haben manche von Ihnen einen speziellen Wusnch, was sie tun wollen, wenn sie in Trance sind. Sagen Sie das den anderen in der Gruppe, bevor Sie anfangen. Wenn Sie die allgemeine Lerninstruktion geben, können Sie auch so etwas hinzufügen wie: »Und mit jedem Atemzug sinken S i e . . . immer tiefer... oder stabilisieren den Trancezustand, der für S i e . . . am angenehmsten i s t . . . und optimal für die Ziele, die Sie erreichen wollen.« Sprechen Sie nicht von Inhalten, die soll jeder selbst bestimmen. Sie geben nur allgemeine Instruktionen, daß der andere auf der unbewußten Ebene Entscheidungen treffen und etwas lernen soll. 3. Egal, welche Lerninstruktionen Sie geben, fügen Sie ein Statement hinzu, das Ihnen Feedback gewährleistet. »Und wenn Ihr Unbewußtes Ihnen dieses Erlebnis vollständig dargestellt hat, zeigen Sie mir das einfach, indem Sie einen oder beide Arme heben, oder Sie öffnen Ihre Augen plötzlich, während Sie sich erfrischt fühlen und erfreut darüber sind, daß Sie das, was Sie vorhatten,
auch zu Ende geführt haben.« Damit bauen Sie in das Ganze ein Zeichen ein, mit dem B Ihnen signalisieren kann, daß er die kleine Aufgabe, die er sich für den veränderten Bewußtseinszustand gestellt hatte, erledigt hat. 4. Wenn B dieses Signal gegeben hat, müssen Sie ihm den Weg zeigen, wie er wieder aus der Trance herauskommen kann. »Nun werde ich langsam rückwärts von zehn bis eins zählen«, oder: »Ich werde gleich meinen Arm ausstrecken und Ihre Schultern berühren. « So erfährt er, was als nächstes passieren wird und hat einen Moment Zeit, sich darauf einzustellen. »Und wenn ich bei eins ankomme, werden sich Ihre Augen öffnen und Sie werden aufwachen, sich über Ihr Erlebnis freuen und sich erfrischt und erholt fühlen durch das, was eben passiert ist. Und Sie sind bereit, bald wieder etwas Neues zu lernen.« Eine Alternative wäre, daß Sie seinen Arm, der kataleptisch sein wird, heben und sagen: »Und Ihr Unbewußtes kann den Arm nun sinken lassen, aber nur so schnell, wie Sie in unsere Wirklichkeit hier zurückkehren und von Ihrem Erlebnis eben die ganze Erfrischung und Erneuerung und das ganze Gefühl, etwas vollendet zu haben, mitbringen.« Oder: »Wenn ich nun Ihre Schultern berühre, werden Sie plötzlich eine Welle sanfter Energie spüren, die Ihnen ein leicht prickelndes Wohlgefühl gibt, während Ihre Augen sich öffnen und Sie sich langsam wieder in diesem Raum und in dieser Zeit zurechtfinden.« Noch irgendwelche Fragen? Teilnehmerin: Das war zuviel auf einmal! Es war sehr viel. Aber Sie werden staunen, an wie vieles Sie sich erinnern, wenn Sie Schritt für Schritt vorgehen: eine Trance induzieren, dann allgemeine Lerninstruktionen geben und den Klienten schließlich zurückholen.
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Inkorporation und der Umgang mit Abreaktionen Ein weiteres, sehr wichtiges Verfahren, das ich hier vorstellen möchte, ist das Inkorporieren. Wenn irgend etwas Auffälliges passiert, sei es innerhalb der Beziehung - eine intensive Reaktion beim Klienten -, oder etwas in der Außenwelt - eine Tür schlägt plötzlich zu, oder jemand geht vorbei und stößt an den Stuhl des
Klienten -, dann ist das Ineffektivste, was man tun kann, so zu tun, als wäre nichts passiert. Sie werden beim Klienten Ihre Glaubwürdigkeit und den Rapport verlieren, denn er braucht die Gewißheit, daß Sie aufmerksam verfolgen, was in seinem Erleben passiert. Wenn also etwas passiert, sollten Sie es mit Ihrer nächsten Verbalisierung sofort inkorporieren. In einer ihrer Übungsgruppen sprach Kathy davon, daß sie das Summen der Stimmen im Hintergrund hörte, als sie langsam in Trance fiel. Was für eine Metapher fällt Ihnen dazu ein? Teilnehmerin: Bienen. Natürlich. Sie können dieses Summen inkorporieren, indem Sie etwa sagen: »Und das Summen der Stimmen im Hintergrund erinnert Sie vielleicht an einen schönen warmen Sommertag. Sie liegen im kühlen Gras und hören die Bienen summen, und Sie spüren die warmen Sonnenstrahlen im Gesicht.« Das wäre eine Möglichkeit, so etwas zu inkorporieren. Teilnehmerin: Und wenn die Person nun eine Bienenphobie hat? Wenn Sie aufmerksam hinschauen, werden Sie an der Reaktion sofort erkennen, ob die Person eine Bienenphobie hat. Teilnehmerin: Und was würden Sie dann tun? Es sofort inkorporieren: »Und Sie wissen, diese Bienen kommen aus einer anderen Zeit, von einem anderen Ort, während Sie ganz entspannt hier in diesem Raum sitzen.« Wenn es gefährlich für ihn wird, nehmen Sie ihn aus der Situation heraus und orientieren ihn wieder auf den gegenwärtigen Raum und die jetzige Zeit. Oder lassen Sie ihn selbst zur Biene werden; lassen Sie ihn selbst ein bißchen herumsummen. »To bee or not to b e . . . « Man kann nie im voraus wissen, ob eine Metapher oder eine bestimmte Vorgehensweise, die man ausprobiert, eine Phobie oder ein anderes traumatisches Erleben anspricht. Wenn Sie wissen wollen, ob Ihr Vorgehen angemessen ist, müssen Sie auf das Feedback achten. Solange Sie den Klienten ständig beobachten, werden Sie sofort merken, wann eine Störung auftritt. Die andere wichtige Methode, etwas zu inkorporieren, sieht so aus: »Und das laute Türenschlagen, das Sie eben gehört haben, wird Sie dazu bringen, sich nun noch wohler zu fühlen, während Sie hier sitzen und auf den Klang meiner Stimme hören.« Sie stellen am Anfang einfach fest, was passiert ist, und knüpfen daran die Reaktion, die Sie haben wollen.
Im Anschluß an die letzte Übung kam ein Mann zu mir und erzählte folgendes: Als er sich in sein Erlebnis vertiefte, spürte er, wie er langsam in Trance fiel. Darauf gab es plötzlich ein Zucken in seinem ganzen Körper, worauf er sich wieder zurücknahm. Er hatte einen Grund dafür: Er sagte, es war, als ob er nicht tiefer in Trance fallen wollte. Er hätte sicherlich ganz anders reagiert, wenn derjenige, der mit ihm sprach, diese unwillkürliche Bewegung bemerkt und gesagt hätte: »Wenn man beginnt, in einen anderen Bewußtseinszustand zu fallen, fängt der Körper ein bißchen an zu zucken, so wie manchmal kurz vorm Einschlafen, wenn man sehr müde ist. Gerade wenn man anfängt wegzusinken, fängt der Körper an, unwillkürlich zu zucken. Es ist nur ein Anzeichen dafür, daß Sie nun dabei sind, wirklich in tiefe Trance zu fallen.« Sie sehen, im menschlichen Erleben gibt es nichts, was dieses oder jenes bedeuten muß. Also kann man allem die Bedeutung geben, die gerade am besten paßt. Nun zu intensiven Gefühlsreaktionen. Jeder, der als Hypnotiseur arbeitet, muß wissen, wie man vorsichtig mit dem umgeht, was wir »Abreaktionen« nennen: intensive, schmerzvolle Reaktionen, die manchmal auftreten können, wenn jemand in Trance fällt. Lassen Sie mich das etwas anschaulicher darstellen. Eine der unbewußten Motivationen, warum Menschen sich auf einen bestimmten Bewußtseinszustand spezialisieren und andere nahezu ausschließen, ist, daß sie in dem Wahrnehmungssystem, das sie von ihrem Bewußtsein quasi abgetrennt haben, eine massive Häufung unangenehmer oder widersprüchlicher Erfahrungen gespeichert haben. Wenn man sich auf einen bestimmten Bewußtseinszustand spezialisiert, hat man die Möglichkeit, sich vor Erinnerungen an schmerzliche Erfahrungen zu schützen: Man bringt sie in einem anderen Wahrnehmungssystem, das vom Bewußtsein ausgeschlossen ist, unter. Dann spürt man wenigstens auf der bewußten Ebene zeitweilig eine Erleichterung. Das Unbewußte hält dann die Inhalte zurück, die für das Bewußtsein möglicherweise nicht auszuhalten wären. Das ist auch gut so, das ist eine wichtige Aufgabe des Unbewußten. Wenn Sie also jemanden in einen anderen Bewußtseinszustand versetzen und ihm ein bisher unbewußtes Wahrnehmungssystem verfügbar machen, kann es sein, daß das Material, das zuerst aufsteigt, aus seiner seelischen Abstellkammer kommt. In Gestaltbe-
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Was ich nach dem Pacing gemacht habe, nennen wir »Erneuerung des Bezugsrahmens« (content reframe). Es verändert die Bedeutung dessen, was da aufgetaucht war. Anstatt weiterhin unangenehme Erfahrungen zu sein, sind diese Erinnerungen nun Grundlage für neues Wissen und Können.
Teilnehmer: Könnte man nach dem Pacing diesen Teil seiner Erinnerungen quasi vor ihn hinstellen und ihn beobachten lassen, was damals passierte? Ausgezeichnet. »Bitte sehen Sie sich selbst in ihrem damaligen Alter, und seien Sie neugierig darauf, was im einzelnen damals passierte... Und Ihre Augen und Ohren sind offen für das, was da abgelaufen ist, und Sie wissen, wie gut es ist, daß Sie das hinter sich haben.« Dadurch entsteht eine Dissoziation des jetzigen Erlebens von den unangenehmen Gefühlen und außerdem ein anderer Bezugsrahmen für diese Inhalte. Auf dieser Grundlage heilen wir mit der NLP-Technik Phobien; Einzelheiten dazu finden Sie in »Neue Wege der Kurzzeittherapie«. Teilnehmer: Mein Partner kam ziemlich schnell in irgend etwas hinein. Ich sah viele Rapid Eye Movements, sein Kopf bewegte sich vor und zurück, ein Arm fing an, sich zu bewegen, und um den Unterkiefer gab es eine ziemliche Anspannung der Muskulatur. Ich war ziemlich verwirrt. Ich wußte nicht, ist das jetzt eine unangenehme Erinnerung, ist es Widerstand gegen das Hypnotisiertwerden oder sonst was? Dazu hätte ich gern ein paar Ratschläge. Das bringt mich darauf, wie wichtig es ist, zwischen Interpretationen und beobachtbarem Verhalten zu unterscheiden. »Erhöhte Anspannung der Muskeln um den Unterkiefer« und »Kopf bewegt sich vor und zurück« sind Beschreibungen von Beobachtbarem, im Gegensatz zu den letzten beiden Dingen, die Sie erwähnten. »Unangenehme Erinnerung« oder »Widerstand gegen die Hypnose« stammen aus dem Bereich der Halluzinationen und Spekulationen. Halluzinationen sind prima - sie sind in der Tat ein Teil der ganzen Methodik. Aber ich bestehe ausdrücklich darauf, daß Sie beobachtbares Verhalten und Halluzinationen streng voneinander unterscheiden. Anstatt sich lange damit aufzuhalten, mit Ihrem Kopf herauszufinden, welche Interpretation die passende ist, können Sie einfach aussprechen, was Sie sehen und hören, Ihre Sinneseindrücke beschreiben. Die angespannten Muskeln, die Tränen, die Körperhaltung, den Atem und so weiter. Das hält den Rapport aufrecht, weil es Pacing ist und das Erleben der Person widerspiegelt. Sie können dann überlegen, ob Sie etwas sagen wie: »Und Sie waren etwas überrascht, was für ein intensives Erlebnis das war, nicht wahr?« Oder: »Und diese Signale, die Sie mir nach außen
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griffen sind es die »unerledigten Aufgaben«, in der TA-Terminologie ist es »Material zur Wiederentscheidung«. Das Wiedererleben schmerzvoller Erfahrungen ist in der Geschichte der offiziellen Hypnose so häufig vorgekommen, daß dieses Phänomen eine offizielle Bezeichnung erhielt, und zwar »Abreaktion«. Meines Erachtens ist eine Abreaktion die natürlichste Antwort, wenn plötzlich ein System freigelegt ist, das schmerzliches oder nicht zu verkraftendes Material aus der Vergangenheit enthält. Nun, was tut man, wenn eine »Abreaktion« eintritt? Sagen wir, jemand bricht in Tränen aus, und weil Sie ein aufmerksamer Beobachter sind, merken Sie es auch. Was tun Sie dann? Jack: Würde man dann nicht genau das tun, was Sie in Bezug auf Störungen von außen gesagt haben? Ich würde erstmal anfangen, bei dem, was ich beobachte, mitzugehen (Pacing). Absolut. Das ist genau das, was ich auch machen würde. Zuerst Pacing. Sie sagen: »Sie sind traurig, und das ist sehr schmerzlich.« Sie haben seine Reaktion also akzeptiert. Er braucht mit Ihnen nicht darum zu ringen, daß sein Erleben eine Berechtigung hat, Sie haben zu seinem Erleben eine verbal begleitende Aussage gemacht. »Und Sie weinen j e t z t . . . und diese Tränen zeigen den Schmerz und das Unglück Ihrer Vergangenheit... und Sie sind sehr unglücklich... wenn Sie sich an diese Gefühle erinnern... und während Sie das wieder in ihrem Körper spüren, möchte ich gern, daß Sie folgendes bedenken: Jeder von uns hat in seiner persönlichen Geschichte viele, viele Erlebnisse, die wir als unerfreulich bezeichnen... Solche unerfreulichen Erfahrungen sind oft die Basis... für spätere Fähigkeiten... und Fertigkeiten... und Leute, die nie durch solche Erfahrungen herausgefordert wurden . . . können solche Fähigkeiten nicht entwickeln... Wie gut ist es, solche Probleme aus der Vergangenheit zu erleben... wenn Sie sich ganz klar darüber sind... daß Sie das alles überlebt haben . . . und daß Sie nun einen reichen Schatz an Erfahrungen besitzen, aus dem Sie für die Gegenwart bessere Verhaltensmöglichkeiten entwickeln können.«
geben, haben eine starke Beziehung zu dem vielfältigen inneren Erleben, das sich gerade in Ihnen abspielt.« Wenn jemand zum ersten Mal in Trance versetzt wird, entspannen sich oft seine Muskeln, und dann können Sie sehen, wie sich in seinen Augen etwas Feuchtigkeit oder auch ein paar Tränen sammeln. Kein Grund für Halluzinationen. Vielleicht bedeutet es, daß er wirklich traurig ist, es kann aber auch nur heißen, daß er sich nun richtig entspannt. Wenn Sie das entscheiden wollen, zwingen Sie ihm damit Ihren eigenen Glauben und Ihr Wertsystem auf. Halten Sie sich aus dem Inhalt heraus und sprechen Sie einfach von dem, was Sie sehen. »Und während die Träne Ihre Wange herabrollt, fühlen Sie ein wachsendes Gefühl von Behaglichkeit und Sicherheit und wissen, daß Sie sich hier ganz geschützt fühlen können.« Zwischen der Träne, die da herunterläuft, und der Behaglichkeit gibt es keinen notwendigen Zusammenhang. Aber sowie Sie mit einer sofort überprüfbaren sinnlichen Wahrnehmung anfangen - die herablaufende Träne - und sie mit der erwünschten Reaktion verknüpfen, können Sie das, was vor sich geht, benutzen, um die Person dahin zu führen, wo Sie sie hinbringen wollen. Joan: Ich habe aus Versehen meinem Partner gegenüber ein sehr mächtiges Wort benutzt. Ich forderte ihn auf, sich seine Hände als vom Körper losgelöst vorzustellen. Er ging augenblicklich darauf ein und trug dann einen sehr schweren, abgelösten Arm mit sich herum. In dem Moment, in dem ich es sagte, merkte ich: das war falsch; aber ich wußte nicht, wie ich es korrigieren sollte. Nun, zuallererst müssen Sie Ihre Wahrnehmung neu strukturieren. Es gab nichts zu korrigieren. Sehen Sie, Joan, in der Kommunikation gibt es keine Fehler. Es gibt nur Reaktionen, die Sie auf Ihre Mitteilungen hin bekommen. Die Reaktion, die Sie bekommen haben, war nicht die, die Sie haben wollten. Das heißt nicht, daß Sie einen Fehler gemacht haben. Es ist nur die Voraussetzung für den nächsten Schritt, mit dem Sie die erwünschte Reaktion bewirken wollen. Als Sie den Ausdruck »vom Körper losgelöst« benutzt hatten, haben Sie festgestellt, daß er eine enorme Reaktion hervorrief. Wenn wir vom Prinzip des Inkorporierens ausgehen, was machen Sie dann? Sie sagen: »Und das beunruhigt Sie ziemlich.« Das ist eine Möglichkeit. Beachten Sie, daß dies keine Aussage ist, die auf Beobachtbares zurückgeht. Ich vermute einfach, daß das Erleben, 128
das ich eben hervorgerufen habe, in die allgemeine, vage Kategorie »Beunruhigung« paßt. Wenn Sie sich nicht zutrauen, solche Einschätzungen zu geben, dann bleiben Sie in Ihren Aussagen ganz allgemein: »Und Sie reagieren darauf sehr intensiv; und Sie können viele verschiedene Reaktionsweisen lernen, mit denen Sie dieser Sache begegnen können.« Sie wissen ja nicht genau, auf was er eigentlich reagiert hat, darum sagen Sie »diese Sache«. Oder: »Sie könnten überlegen, wie Ihr bester Freund auf so etwas reagieren würde - anders, als Sie es eben taten.« Auch dabei inkorporieren Sie wieder. Wenn Sie sehr allgemein bleiben wollen, sagen Sie: »Sie spüren eine sehr intensive Reaktion.« Damit begleiten Sie ihn immer angemessen. Sie sagen nichts darüber, ob das Erleben positiv oder negativ ist - nur eben, daß es aufgetreten ist. Wenn Sie so allgemein bleiben, liegen Sie eigentlich immer richtig. Wenn Sie meinen, daß der andere etwas Unangenehmes durchlebt, können Sie nach dem Pacing sagen: »Und es tut gut, wenn Sie an die unerfreulichen Erfahrungen der Vergangenheit denken und zufrieden feststellen können, daß Sie diese Dinge hinter sich haben und sie ihnen nie wieder passieren können.« Oder: »Und wie unangenehm manche Erfahrungen auch sind... wenn man weiß, daß solche Erfahrungen... die Grundlage unserer gegenwärtigen Stärke sind... dann ist es recht angenehm (Veränderung im Klang der Stimme) sich zu erinnern, wie schlimm... einige unserer vergangenen Erfahrungen waren.« Das nennen wir Veränderung des Bezugsrahmens (siehe das Buch »Reframing«). Sie nehmen eine Reaktion und stellen Sie in einen größeren Zusammenhang, in dem die Reaktion und das Erleben selbst zu einer positiven Grundlage werden, auf der andere Reaktionen aufgebaut werden können. Sie haben das Verhalten bedingungslos akzeptiert; es ist nun mal da. Versuchen Sie nicht, daran herumzuwerkeln, sondern stellen Sie es in einen Rahmen, der zeigt, wie man es konstruktiv verwenden kann. Sie können auch im voraus Maßnahmen treffen, um sicher zu gehen, daß alles, was am Anfang an unbewußtem Material aufsteigt, erfreulich ist, so daß der veränderte Bewußtseinszustand in Zukunft mit positiven Erfahrungen assoziiert wird. Später können Sie dann lernen, mit dem anderen, weniger erfreulichen Material zu arbeiten, das es vielleicht auch noch gibt. 129
Sie können die Schwierigkeiten mit den Abreaktionen vermeiden, wenn Sie, bevor Sie beginnen, den Klienten bedeutungsvoll ansehen und sagen: »Ihr Unbewußtes hat Sie Ihr ganzes Leben lang geschützt - das ist seine Bestimmung und seine Pflicht -, und zwar vor Dingen aus Ihrer Lebensgeschichte, die für Sie vielleicht schmerzlich oder einfach zuviel wären, wenn sie Ihnen bewußt würden. Ich fordere nun Ihr Unbewußtes auf, diese Aufgabe weiter wie bisher zu erfüllen. Und wenn Sie Ihr Bewußtsein verändern, wird das erste, was Sie erleben, so aussehen, daß Sie sich an einen positiven und wohltuenden Abschnitt Ihrer Vergangenheit erinnern und sich darüber freuen. Das unangenehme Material, das in diesem System auch seinen Platz hat, kann für heute erst einmal aussortiert und an einer sicheren Stelle aufbewahrt werden. Wenn Sie später einmal mit veränderten Bewußtseinszuständen umzugehen gelernt haben, können Sie auch an das unerfreuliche Material ruhig und wirkungsvoll herangehen, denn die sogenannten negativen Erfahrungen unserer Vergangenheit sind oft, (wenn wir sie auf neue Weise ansehen, anhören und erspüren), die Grundlage für die starken Kräfte, die wir in der Gegenwart besitzen.« Wenn Sie das tun, bekommen Sie einen sehr positiven Rapport mit dem Unbewußten des Klienten, denn Sie erklären eine seiner wichtigsten Funktionen - den Schutz - als berechtigt und fordern es auf, diese Aufgabe weiterhin wahrzunehmen, während Sie mit ihm arbeiten. Außerdem haben Sie sich etwas Bestimmtes gewünscht: daß das aufsteigende Material so beschaffen sein soll, daß es im bewußten Denken den Wunsch hervorruft, diese neuen Dimensionen der Erfahrung weiter zu erkunden. Übrigens, Abreaktionen sind nichts Schlimmes. Ich sage nur, daß es sinnvoll ist, zu Beginn der Trance-Arbeit einige eindrucksvolle positive Erlebnisse möglich zu machen. Viele Leute glauben, daß zur Veränderung Schmerz gehört. Wenn man beide gemeinsam verankert, werden sich die Leute gegen jede Veränderung wehren, weil sie nicht gern Schmerzen aushalten. Das heißt aber nicht, daß sie keine Veränderungen wollen - sie wollen keine Schmerzen. Wenn Sie zwischen Veränderungen und Schmerzen eine deutliche Unterscheidung treffen, können sich die Leute viel leichter ändern. Und auch Sie, deren Beruf das Verändern ist, machen sich damit Ihr Leben einfacher, denn es gibt keine zwangsläufige Verbindung zwischen Veränderungen und Schmerz.
Stan: Mit anderen Worten, Sie sagen, daß das hier »geistiges Judo« ist, nur, daß man beim Judo immer das benutzt, was jemand gegen einen einsetzt, und hier setzt man es für ihn ein. Ja. Stan, würden Sie Ihre Hände über dem Kopf aneinanderlegen und jetzt mit der rechten Hand Druck ausüben? Shirley, würden Sie mir denselben Gefallen tun? Legen Sie die Hände über dem Kopf aneinander und drücken Sie mit der rechten Hand gegen die linke. Also - alle beide haben, als ich sagte, sie sollen mit der rechten Hand drücken, auch mit der linken gedrückt! Das ist eine kinästhetische Metapher für das, was »Widerstand« genannt wird. Auch auf Menschen können Sie Druck ausüben, und wenn Sie das tun, gibt es Widerstand, mit dem Sie sich dann auseinandersetzen müssen. Oder aber Sie erkennen, daß eine Reaktion die jeweils beste Möglichkeit ist, die jemand in diesem Zusammenhang hat. Anstatt Druck dagegen auszuüben, was eine Verschwendung von Energie, Zeit und Anstrengung auf beiden Seiten und nicht die geringste Garantie für sinnvolle Reaktionen wäre, sollten Sie es einfach akzeptieren und dann für Ihre Zwecke verwenden. Denselben Unterschied sehen Sie, wenn Sie das Boxen mit den östlichen Kampfsportarten vergleichen. Bei denen versucht man nie, gegen die Kraft, die ein Gegner anwendet, anzukommen. Man fängt den Schub auf und benutzt ihn, um damit die eigene Bewegung in die beabsichtigte Richtung zu lenken und sie zu verstärken. Was ich Sie eben vorführen ließ, ist eine treffende kinästhetische Metapher für den Unterschied zwischen den traditionellen Formen der Hypnose mit ihren direkten Befehlen und der Art von Vorgehen, die wir Ihnen hier beibringen. Teilnehmer: Wenn Sie eine Abreaktion beobachten, fragen Sie den Klienten jemals nach dem Inhalt? Nein. Die Frage nach dem Inhalt ist ein Bestandteil traditioneller Psychotherapie. Ich brauche nichts Inhaltliches, deswegen frage ich auch nicht danach. Das ist mir zuviel Ballast. Was aber jeder braucht, ist Feedback und ein System von Vorstellungen über das, was angemessen und wichtig ist. Vielleicht sind Ihre Klienten durch Sie oder andere Psychotherapeuten daran gewöhnt worden, über die Inhalte ihres Erlebens zu sprechen. Wenn es so ist, sollten Sie auch Inhalte in die Interaktion miteinbeziehen, um solche Erwartungshaltungen nicht zu enttäuschen.
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Teilnehmer: Hat denn Milton Erickson jemals nach Inhalten gefragt? Ich glaube, Milton Erickson hat alles gemacht. Ich bin sicher, daß er mit manchen Klienten an manchen Stellen sehr viel über Inhalte gesprochen hat. Ich habe auch gesehen, wie er rein prozessuale, inhaltsfreie Therapie gemacht hat. Daher weiß ich, daß er wohl alle Möglichkeiten zur Verfügung hatte. Wenn Sie lernen, eine reine Prozeßarbeit zu leisten, können Sie auch mit Inhalten arbeiten, und dann haben Sie bei der Planung Ihres Vorgehens die volle Bandbreite aller Möglichkeiten. Heute nachmittag haben Sie zwei von den zehn Methoden, über die wir gesprochen haben, ausprobiert. Sie haben das gut gemacht und relativ gute Trancezustände eingeleitet. Von den anderen acht Methoden werden Sie keine einzige wirklich kennen, bevor Sie sie nicht auch geübt haben. Geben Sie sich in Ihrem eigenen Interesse für Ihre weitere Entfaltung ein kleines Versprechen. Als professioneller Kommunikator sind Sie es sich schuldig, daß Sie in der Lage sind, verschiedene Ergebnisse mit den unterschiedlichsten Techniken zu erzielen. Tun Sie sich mit Freunden und/oder Kollegen zusammen, oder nutzen Sie Ihre Privatpraxis, um zu üben, und probieren Sie systematisch neue Wege aus, um dieselben Resultate zu erlangen. Wenn Sie zehn verschiedene Techniken beherrschen, um eine Trance einzuleiten, dann klappt es immer. Sie können dann eine Meta-Strategie benutzen, die wir »Finesse« nennen. Sie beginnen mit irgendeinem Typ von Induktion, und wenn die erwünschte Reaktion nicht so schnell auftritt, daß es Sie oder den Klienten zufriedenstellt, gehen Sie fließend zu einer anderen Methode über und probieren es damit. Wenn sich die Reaktionen immer noch nicht schnell genug einstellen, gehen Sie zur nächsten Technik über. Der Klient wird es so erleben, daß Sie ihm in sanfter Folge eine Reihe von Mitteilungen machen; er wird nie erfahren, daß Sie erst eine Methode ausprobiert haben, und als diese nicht gut funktionierte, zu einer anderen übergegangen sind.
Wir haben heute versucht, Ihnen darzustellen und zu beweisen, daß jeder von Ihnen unzählige Möglichkeiten hierher mitgebracht hat. Wir wollen Ihnen behilflich sein, Zugang zu diesen Quellen zu
finden. Heute haben wir schon etliche Methoden durchgenommen, die unseres Erachtens für eine erfolgreiche Hypnose und für jede normale Kommunikation, wenn sie effektiv sein soll, wichtig sind. Wir haben eine Reihe von Induktionstechniken hinter uns gebracht. Wir bitten Sie, diese Techniken in Ihr bisheriges unbewußtes Repertoire aufzunehmen, und zwar als alternative Möglichkeiten, Vorhaben durchzuführen, für die Sie bereits andere erfolgreiche Bewältigungsstrategien haben. Wenn Sie heute das Gefühl gehabt haben, daß wir zu schnell vorgegangen sind und mehr Stoff durchgenommen haben, als Sie auf der bewußten Ebene verarbeiten konnten - seien Sie versichert, daß Sie damit durchaus recht haben. Das ist ein absichtlicher Bestandteil unserer Unterrichtstechnik, weil wir wissen, daß Ihr unbewußter Verstand all das aufnimmt, was Ihrer bewußten Wahrnehmung entgeht. Wir danken Ihrem Unbewußten für seine Aufmerksamkeit und bitten es, sich eine Reihe von natürlicherweise auftretenden Zuständen zunutze zu machen, die im Verlauf der heutigen Nacht auftreten werden. Irgendwann heute abend gehen Sie schlafen. Während Sie schlafen und träumen, laufen innerlich die ganze Zeit über natürliche Integrationsprozesse ab, die sehr dramatisch und interessant sind. Manchmal erinnert man sich später an solche Träume, manchmal nicht. Das ist im Hinblick auf die integrative Funktion des Träumens nicht relevant. Ich fordere Ihr Unbewußtes auf, heute nacht während der natürlichen Integrationsprozesse im Traum und Schlaf die Gelegenheit zu nutzen, die Erfahrungen des heutigen Tages zu ordnen. Ihr Unbewußtes kann sich Ausschnitte des Tages heraussuchen und verdeutlichen, wo wir oder jemand anderes etwas getan haben, das bei Ihnen bestimmte Verhaltensweisen bewirkte, die Sie Ihrem Repertoire gern hinzufügen möchten. Ihr Unbewußtes kann also die Erfahrungen von heute ordnen und strukturieren: diejenigen, die Sie wahrgenommen haben, und die, die außerhalb Ihrer Wahrnehmung abliefen. Dann kann es alles in sinnvoller Weise speichern, eben all die Dinge, von denen es meint, es seien nützliche Erweiterungen Ihres Repertoires. Und dann können Sie in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten entdecken, wie Sie selbst Ihr Verhalten weiterentwickeln und neue Möglichkeiten für sich selbst finden, die Ihren Bedürfnis-
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Schlußwort am Abend
sen besser entsprechen, und wie Sie Dinge tun, die Sie, ohne das geringste davon zu wissen, hier gelernt haben. Wir fordern Ihr Unbewußtes auf, dafür zu sorgen, daß Sie gleichzeitig, wenn Sie diese bizarren und ungewöhnlichen Träume haben, tief schlafen, ausgeruht und erfrischt aufwachen und morgen früh wieder zum Seminar zu uns in diesen Raum kommen. Für heute danken wir Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
4 Therapeutische Nutzung Prozeß-Instruktionen
Unser Thema heute morgen ist die therapeutische Nutzung der Trance. Wenn Sie einen veränderten Bewußtseinszustand beim Klienten hergestellt haben, wie können Sie ihn dann sinnvoll nutzen? Heute gehen wir davon aus, daß Sie bereits den notwendigen Rapport erreicht und eine Induktion durchgeführt haben, und daß Ihr Klient nun in einem veränderten Bewußtseinszustand dasitzt. Die wichtigste positive Eigenschaft dieses veränderten Bewußtseins ist, daß Sie sich nicht mit den Überzeugungen und Glaubenssätzen des anderen auseinanderzusetzen brauchen. Das Unbewußte ist, soweit ich das beurteilen kann, bereit, alles mögliche auszuprobieren, wenn es die entsprechenden Hinweise und Instruktionen bekommt. Das Bewußtsein überlegt fortwährend, was möglich sein kann und was nicht, anstatt einfach irgendein Verhalten auszuprobieren. Das Bewußtsein mit seinem beschränkten System von Überzeugungen ist hinsichtlich seiner Bereitschaft, etwas auszuprobieren, charakteristischerweise extrem eingeengt, wenn man es mit dem vergleicht, was das Unbewußte auszuprobieren bereit ist. Wenn jemand in Ihre Sprechstunde kommt und sagt: »Ich möchte das und das gerne tun, aber ich kann es nicht«, können Sie davon ausgehen, daß er bei dem Versuch, diese Veränderung zustandezubringen, bereits mit seinen bewußten Möglichkeiten alles in seinen Kräften Stehende getan hat und dabei auf der ganzen Linie gescheitert ist. Also wäre es das Uninteressanteste überhaupt, mit dem bewußten Denken dieser Person zu kommunizieren. Meinungsverschiedenheiten oder »Widerstände« kann man damit vermeiden, daß man das Bewußtsein einfach links liegen läßt und direkt »zum Chef« geht. Eine Frage, die viele von Ihnen seit Beginn dieses Workshops gestellt haben, lautet: »Wenn ich jemanden in Trance versetzt habe, was mache ich dann?« Die einfachste Möglichkeit, von der 134
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Induktion zur Nutzung überzugehen, ist es, der Person eine Reihe von inhaltsfreien Instruktionen zu geben, mit denen Sie im Grunde genommen sagen: »Lernen Sie etwas.« »Verändern Sie sich nun.« Wir nennen das Prozeß-Instruktionen, denn sie sagen sehr viel über den Prozeß aus, den die Person durchlaufen soll, um sich zu ändern und Probleme zu lösen, aber wenig oder gar nichts über den Inhalt. Das Was bleibt offen, aber das Wie wird eindeutig bestimmt. Bei vielen Induktionen, die wir bis jetzt gemacht haben, haben wir eine kurze Prozeß-Instruktion angeschlossen. Das Schlußwort, das wir Ihnen gestern am Ende des Tages gaben, war im Grunde eine Prozeß-Instruktion. Wir haben Ihnen allen dabei die Anweisung gegeben, Ihre Erfahrungen noch einmal durchzugehen, die nützlichen Teile herauszusuchen und diese in Zukunft anzuwenden. Beachten Sie, daß der Inhalt dabei ausgespart blieb. Wir haben nicht gesagt, welche Erfahrungen Sie sich heraussuchen sollen, wann Sie sie benutzen sollen oder wofür. Alle diese Einzelheiten überlassen wir dem.Unbewußten des Zuhörers. Es hat etliche Vorteile, wenn man seine Anweisungen in dieser Weise gibt: Ein ganz großer Vorteil ist, daß Sie nicht zu wissen brauchen, worüber Sie reden. Sie brauchen keine Einzelheiten über das Leben des anderen zu wissen, wenn Sie ihm sinnvolle, inhaltsfreie Prozeß-Instruktionen geben wollen. Wenn jemand mit einem Problem zu Ihnen kommt, können Sie ihm als Prozeß-Instruktion sagen: »Nehmen Sie sich Zeit und suchen Sie in Ihrer Lebensgeschichte auf der unbewußten Ebene nach einer, bestimmten Quelle*, aus der Sie nun schöpfen können, um mit diesem Problem umzugehen.« Sie sagen nichts darüber, was diese »Quelle« sein könnte, nur, daß die Person so etwas finden wird. Sie sagen auch nichts über das »Problem« - Sie brauchen nicht einmal zu wissen, worum es sich handelt! Ein zweiter Vorteil ist, daß die Prozeß-Instruktionen den Zuhörer auf aktive Weise einbeziehen und selbst arbeiten lassen, denn er muß den Inhalt, den Sie weglassen, selber einsetzen. Ein dritter Vorteil ist, daß die Integrität des anderen vollkommen gewahrt bleibt: Sie werden nie irgendwelche Inhalte einbringen, die ihm nicht angemessen sind - Sie bringen überhaupt keine Inhalte ein. Für diejenigen unter Ihnen, die das Metamodell kennen, ist es * i. 0.: resource (Anm. d. Übers.)
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vielleicht eine Hilfe, zu wissen, daß die Sprachmuster der Hypnose, auch die Prozeß-Instruktionen, die Umkehrung des Metamodells sind. Mit dem Metamodell werden Erfahrungen ganz präzise spezifiziert. Wenn ich bei einem Klienten, der zu mir sagt: »Ich habe Angst!«, das Metamodell anwende, dann ist meine Antwort: »Wovor?« Ich frage nach mehr und genaueren inhaltlichen Informationen über das, was er in seiner Aussage weggelassen hat. Wenn ich Prozeß-Instruktionen gebe, dann bin ich absichtlich unspezifisch. Ich lasse bestimmte Dinge weg, damit der Klient den größtmöglichen Spielraum hat, die fehlenden Teile so zu ergänzen, wie es für ihn am besten ist. Beispiele dazu können Sie finden, wenn Sie an das denken, was wir bei der Demonstration von Induktionen meistens zum Schluß gesagt haben. Wir haben Dinge gesagt wie: »Und Sie können sich von Ihrem Unbewußten eine Erinnerung aus der Vergangenheit schenken lassen, Sie dann genießen...« Ich hoffe, Sie haben jetzt alle eine allgemeine Vorstellung davon, was Prozeß-Instruktionen sind. (Für die speziellen Sprachstrukturen, mit denen man ProzeßInstruktionen aufbaut, siehe Anhang II.) Ein bestimmtes Sprachmuster, die Vorannahmen, sind aber so wichtig, daß ich sie hier erwähnen möchte. Jane, würden Sie für einen Moment herkommen? Wissen Sie, daß es in Ihrem Leben schon Zeiten gegeben hat, wo Sie in einem tiefen Trancezustand waren? Jane: Ich bin nicht sicher. Ich glaube, ich bin es im Moment auch. Hätten Sie es heute lieber, wenn ich eine verbale oder eine nonverbale Induktion benutze, um Sie in tiefe Trance zu versetzen? Jane: Verbal. In Ordnung. Wäre es Ihnen lieber, wenn wir gleich anfangen, oder soll ich vorher erst allen anderen hier erklären, was ich tun will? Jane: Erklären Sie es erst. Wie heißt die Technik, die ich gerade bei Jane angewendet habe? Teilnehmer: Wählen lassen. Ja, ich habe sie wählen lassen. Aber was hatten alle Wahlmöglichkeiten, die ich ihr angeboten habe, gemeinsam? 137
Teilnehmer: Daß sie dann ihr Bewußtsein verändern würde. Ja. Sie setzten das Ergebnis, an dem ich interessiert war, bereits voraus. »Soll ich Sie Heber mit einer verbalen oder mit einer nonverbalen Einleitung in tiefe Trance versetzen?« Es ist egal, was sie antwortet. Sie hat soeben eine Welt akzeptiert, in der sie sich innerhalb kürzester Zeit in einer Trance wiederfinden wird. »Soll ich gleich anfangen, oder soll ich erst den anderen Teilnehmern erklären, was ich vorhabe?« - Und wieder geht als Vorannahme ein, daß sie in Trance fallen wird. Die Frage ist nur, ob jetzt oder erst in einigen Augenblicken. Ich schaffe das, was Erickson die Illusion der Wahl nennt - scheinbare Alternativen. Das heißt, sie kann tatsächlich wählen ob verbal oder nonverbal, und ob vor oder nach der Erläuterung. Aber alle Alternativen, die ich ihr anbiete, haben gemeinsam, daß sie die Reaktion, die ich haben will, implizieren, nämlich die Trance. Wenn Sie gut beobachtet haben, wissen Sie, daß sie mit der Trance begann, bevor ich die Chance hatte, auch nur irgend etwas zu tun. In gewissem Sinn stimme ich Jane zu, sie war bereits in einem anderen Bewußtseinszustand, als sie hier vorn ankam und sich hinsetzte. Beispiel 1: Ich mache jetzt weiter und gebe Ihnen ein einfaches Beispiel für eine Prozeß-Instruktion. Ich benutze dabei weiterhin Vorannahmen und auch die anderen hypnotischen Sprachmuster. Jane, würden Sie sich bitte in Ihrer Vorstellung ein recht lebendiges Bild von einem bestimmten Ort schaffen, den Sie als besonders ruhig empfinden; vielleicht einen Ort, wo Sie einmal einen besonders schönen Urlaub verlebt haben. Und ich traue Ihrem Unbewußten zu, daß es unterscheiden kann zwischen... (Er wendet sich zu Jane) den Worten, die ich speziell an Sie richte... (Er wendet seinen Kopf in Richtung auf die anderen Teilnehmer), und denen, die ich in eine andere Richtung spreche . . . Und ich fordere Ihr Unbewußtes auf... daß es von dem, was ich sage, nur die Teile aufnimmt... die an Sie gerichtet sind... und Ihren Bedürfnissen entsprechen... und auf diese so zu reagieren, daß es genau zu den besonderen Wünschen paßt, die Sie mit der bevorstehenden Aufgabe verbinden. Und während Sie dort sind... J a n e . . . und diesen Ort und die Zeit dort genießen... fände ich es sehr schön, wenn Ihr Unbewußtes . . . sich einen Ausschnitt... eines besonders lustigen Erlebnisses aussucht... vielleicht e i n s . . . das Sie schon vergessen
hatten... so daß Sie sich in ein paar Augenblicken... wenn ich mit Ihrer Erlaubnis meine Hand ausstrecke... und Sie an der rechten Schulter berühre... erinnern, an etwas Interessantes und Erfreuliches, an das Sie seit Jahren nicht mehr gedacht haben (er berührt ihre Schulter) G e . . . n i e . . . ßen S i e . . . es. (Jane lächelt übers ganze Gesicht; die anderen lachen.) Genießen Sie es voll und ganz! Unsere früheren Erfahrungen... sind uns eine Quelle ständiger Heiterkeit. Und wenn Sie es ausführlich... genossen haben... gehen Sie weiter und erlauben sich nun, sich irgendwo bequem auszuruhen... Wenn Sie sich dann erfrischt und erholt fühlen... gleiten Sie langsam zurück und kommen wieder hierher zu u n s . . . so daß Ihr Wachbewußtsein... ebenso wie Ihr Unbewußtes... wieder an unserm Unterricht... teilnehmen k a n n . . . (Seine Stimme wechselt zum normalen Tonfall) Danke, Jane. War es deutlich, daß ich eben nur Prozeß-Anweisungen verwendet habe? Ich bat sie erst, an einen ruhigen Ort zu denken, und dann an ein erfreuliches Erlebnis aus der Vergangenheit. Aber wenn ich das einfach nur so gesagt hätte, hätte ich in Janes Gesichtsausdruck sicher nicht diese intensive Reaktion bekommen, wie wir sie gerade gesehen haben. Wie wir schon am Anfang sagten, kann man sich die Hypnose einfach so vorstellen, daß sie jedes Erleben vertieft. Beispiel 2: Jetzt wird es etwas komplizierter. Nehmen wir mal an, ich bin einfach auf Liz zugegangen, habe gesagt: »Hallo, mein Name ist Richard Bandler« und ihr die Hand hingestreckt. (Er tut es, während er das sagt) Wenn ihre Hand mir entgegenkommt, ist das bereits eine unbewußte Reaktion. Jetzt brauche ich eine Möglichkeit, um das ausweiten und anwenden zu können. Ich könnte sie am Handgelenk nehmen, ihr die Handfläche vors Gesicht halten und sagen: »Sehen Sie Ihre Hand an.« Damit hat sie ein neues Verhaltensprogramm als Ersatz für das, das ich gerade unterbrochen habe. Achten Sie darauf, wie Ihr Bück... immer weiter ins Leere g e h t . . . und wie Ihre Augenlider sich langsam herabsenken... über die Augen... nur so schnell, wie Sie das Bedürfnis verspüren . . . zu blinzeln. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, und lassen Sie langsam Ihre Hand herabsinken... nur so schnell... wie Sie nun ganz entspannt werden... auf Ihre eigene
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Art und Weise... Und es ist unwichtig... wie schnell die Hand heruntersinkt. Es ist nur wichtig, daß sie genauso schnell... herabkommt . . . wie die andere Hand beginnt... sich zu heben. Denn es gibt etwas, was Sie gern lernen möchten... und außer Ihnen braucht keiner zu wissen, um was es geht, denn Ihr Unbewußtes . . . weiß es schon längst... und wenn Sie anfangen, auf jenem Gebiet etwas zu lernen, wird es wichtig s e i n . . . Langsamer! daß es ein ausgewogenes Lernen i s t . . . Und Ihr Unbewußtes wird wissen, welche Art von Ausgewogenheit dabei notwendig i s t . . . So ist es richtig. Es bringt so v i e l . . . und ist wirklich so wichtig... wenn Sie Ihrem Unbewußten erlauben... Ihnen die Möglichkeit zu geben . . . und es in Ihrem eigenen Interessse bitten... sich zu ändern und eine Lernerfahrung zu machen... und neue Einsichten zu gewinnen... die Sie irgendwie... für sich selbst... nutzen können... und die für S i e . . . als menschliches Individuum... gut sein werden... Nun, ich weiß nicht... ob Sie vielleicht anfangen können... einen Traum zu träumen... der eine Lösung enthält... die, wie Ihr Unbewußtes w e i ß . . . Ihnen das geben wird, was Sie sich wünschen . . . Aber ich weiß genau, daß, wenn und falls Sie doch zu träumen beginnen, der Traum überhaupt keinen Sinn ergeben wird. Und es ist unwichtig, ob Sie ihn verstehen... Es ist nur wichtig, daß Sie lernen... und Sie lernen... genau das, was Sie wissen müssen. Jede Nacht... L i z . . . erleben Sie den natürlichen Prozeß des Träumens... Manche dieser Träume werden Ihnen bewußt... und manche nicht... Das ist richtig s o . . . Und ich werde jetzt langsam nach unten greifen... Ich werde Ihren Arm heben... Und werde Ihnen nicht eher sagen, daß Sie ihn herabnehmen soll e n . . . bis Sie sich all die Zeit genommen haben, die Sie brauchen . . . um ein bewußtes Verständnis davon aufzubauen, was es heißt... Ihr Unbewußtes kreativ zu nutzen. Und wenn Ihre Hand den Oberschenkel berührt, werden Sie langsam erwachen... und die neue Einsicht mit herübernehmen. Währenddessen... brauchen Sie auf gar nichts sonst... zu hören... Aber es tut so gut, innerlich zu lauschen, wie Ihr Lernen vor sich g e h t . . . Nun, können Sie mir sagen, welche ihrer Bewegungen bewußt waren und welche unbewußt? Wenn Sie mit veränderten Bewußt140
seinszuständen arbeiten wollen, ist es sehr wichtig, daß Sie das unterscheiden können. Am Anfang hat sie sehr viele Körperbewegungen gemacht. Einige hingen mit ihren bewußten Reaktionen auf das zusammen, was vor sich ging, aber einige nicht. Teilnehmerin: Als sie sich auf dem Stuhl herumgedreht hat, das schien eine bewußte Bewegung zu sein. 0. K. Als ihre linke Hand sich vom Oberschenkel hob, war das eine bewußte Bewegung? Teilnehmer: Ich würde sagen, nein. Wie kommen Sie darauf? Was war an der Bewegung anders? Teilnehmer: Sie war so fließend, es schien ganz sanft zu gehen. Können Sie noch etwas deutlicher beschreiben, was Sie beobachtet haben? Als sie ihre Füße bewegte, war das auch eine ganz flüssige Bewegung, aber eine vollkommen bewußte. Liz, wußten Sie, daß Ihre Hand sich heben würde? Liz: Da bin ich nicht sicher. (Ihre Hand hebt sich mit einer Geste, die auf den versteckten Befehl von eben reagiert.) Gerade hat sie es getan! Wie sie eben ihre Hand gehoben hat, das war eine ganz unbewußte Bewegung. Eins der Charakteristika unbewußter Bewegungen ist, daß sie oft ganz undeutlich und zögernd beginnen. Nehmen Sie einmal Ihre Hand hoch - absichtlich. Wenn Sie bewußt Ihre Hand heben, fangen Sie dann mit dem Handgelenk a n ? . . . Nein, das tun Sie nicht. Die Bewegung kommt aus dem Ellbogen oder vielleicht auch aus der Schulter. Die Könner im Kampfsport lassen sie aus dem Bauch kommen, aus ihrem Zentrum. Das ist etwas ganz anderes, als wenn sie im Handgelenk beginnt. Selbst wenn sie aus dem Ellbogen heraus kommt, hat die Bewegung ganz andere Eigenschaften, wenn sie unbewußt erfolgt. Ich würde fast sagen, es sind zuckende Bewegungen. Auf der einen Seite sind die Bewegungen viel fließender, aber andererseits eben auch zögernder; sie stocken öfter. Bewußte Bewegungen sind mehr wie ein komplettes Programm, und wenn sie einsetzen, können Sie schon erkennen, wo sie aufhören; sie sind aus einem Guß. Zwischen den Bewegungen, die Sie im veränderten Bewußtseinszustand ausführen und denen, die aus dem Normalzustand heraus gemacht werden, besteht ein großer Unterschied; als ich Jane in der Trance die Anweisung gab, ihre Hand zu heben, hat sie 141
das ganz anders gemacht als später, als sie ihre Hand absichtlich heben sollte. Wenn Sie jetzt bewußt entscheiden würde: »Ich brauche ein Taschentuch«, und nach einem greifen würde, dann würde das ganz anders aussehen, als wenn sie dasselbe in Trance täte. Es ist sehr wichtig, diese Unterschiede zu erkennen, wenn Sie wissen wollen, in welchem Zustand sich Ihr Klient gerade befindet. Als ich ihre Hand hob und sagte, sie solle sie langsam sinken lassen und so weiter, begann sich ihre Hand ganz langsam mit kleinen Pausen abwärts zu bewegen, so wie ein Blatt vom Baum fällt. Dann aber wurde sie schneller und gleichmäßiger. Ihr Bewußtsein hatte sich eingeschaltet. Ihr Arm bekam wieder Gewicht. Ich sagte dann: »Langsamer!« und es sah aus, als ob ihr Arm auf irgend etwas aufschlug oder an einer Leine hing. Er hielt an, wie von einer Leine gehalten, und sank von da an mit denselben Bewegungen wie vorher herab. Weil ich den Unterschied der beiden Bewegungsarten erkannt habe, konnte ich die eine verstärken und die andere abschwächen. So war es mir möglich, sie mehr und mehr in einen anderen Bewußtseinszustand zu versetzen. Nun zum Händeschütteln. Wenn ich hergehe und meine Hand ausstrecke, mit welcher Art von Bewegung antwortet sie dann? Wenn sich Leute auf solche automatischen, unbewußten Verhaltensprogramme wie das Händeschütteln einlassen, oder wenn sie vielleicht ein Päckchen Zigaretten herausnehmen, sieht das meistens nach einer bewußten Bewegung aus, weil man, wenn sie einsetzt, sehen kann, worauf sie hinausläuft; die Bewegung hat eine deutliche Richtung. Man kann diese Art von Bewegungen aber trotzdem von bewußten Bewegungen unterscheiden, und wenn Sie sich für beide ein Beispiel anschauen, wissen Sie, was ich meine: Bei automatisch ablaufenden Bewegungen wie Händeschütteln führen die Leute die motorische Aktivität fließend und mit Leichtigkeit aus, aber ohne ihre Aufmerksamkeit auf diese Bewegung zu richten. Es sieht automatisch aus. Was ich gerade mit Liz gemacht habe, war auch ein Beispiel für eine Prozeß-Instruktion, mit einigen zusätzlichen Sachen. Zuerst habe ich eine Zeitlang den Trancezustand hergestellt, indem ich unbewußte Reaktionen verstärkt habe. Dann habe ich ihr Anweisungen gegeben, »ein neues Verständnis« zu entwickeln und dies so zu nutzen, »daß es gut für sie ist«. Ich habe nicht gesagt, wie dieses neue Verständnis aussehen solle oder wovon es ein neues
Verständnis sein solle, und ich habe auch nicht gesagt, inwiefern es für sie gut sein könnte. Ich habe davon nichts gesagt, weil ich keine Ahnung habe, um was es sich da handeln kann. Das habe ich ganz ihrem Unbewußten überlassen. Dann habe ich sie gebeten, einen Traum zu träumen, in dem sie lernt, was es heißt, ihr Unbewußtes kreativ zu nutzen. Wieder sage ich dabei nichts, was für sich genommen einen Sinn hat. Ich überlasse es ihr, dem Ganzen den für sie optimalen Sinn zu geben. Und dann setze ich das Erfüllen dieser Aufgabe mit der Erlaubnis gleich, ihre Hand sinken zu lassen. Bei Prozeß-Instruktionen benutzt man viele Wörter wie »Verständnis« und »Neugier«. Wir nennen diese Wörter Nominalisierungen. Eigentlich sind sie Verlaufswörter (process words), die zu Nennwörtern umgewandelt wurden. Wenn Sie ein Wort wie »Verständnis« in seine Verbform zurückführen - »Sie werden verstehen . . . « - , merken Sie, daß eine Menge Information abhandengekommen ist. Sie werden verstehen - Was? Wenn jemand zu Ihnen spricht und dabei Nominalisierungen benutzt, sind Sie gezwungen, innerlich nach einer Bedeutung zu suchen. Wenn ein Klient zu Ihnen sagt: »Nun, ich suche Zufriedenheit«, können Sie aus der Zufriedenheit wieder ein Verb machen und fragen: »Und wie versuchen Sie, zufrieden zu werden?« Oder: »Worüber wären Sie gern zufrieden?« Wenn Sie das nicht tun, müssen Sie die fehlenden Teile selbst auffüllen. Das tun die meisten Therapeuten, wenn ihre Klienten etwas erzählen. Sie halluzinieren, was die Person meint. Wenn ich nur sage: »Ich brauche Unterstützung«, dann müssen Sie sich in Ihrem Kopf selbst Vorstellungen davon machen, was es bedeutet, einen anderen zu unterstützen. Jedesmal wenn ich Formulierungen wähle, die sich nicht direkt auf sensorische Wahrnehmungen beziehen, fordere ich Sie damit auf, den Prozeß des Verstehens aktiv mitzugestalten. Jedesmal, wenn Sie das tun, durchlaufen Sie einen Prozeß, den wir mit dem schwer verständlichen Begriff »transderivationales Suchen« bezeichnen. Die Menschen nehmen die Wörter, die Sie ihnen anbieten, auf und beziehen sie auf ihre persönlichen Erfahrungen. Die Tatsache, daß sie das von Natur aus tun, mache ich mir als Hypnotiseur zunutze. Ich entwickele eine Sprechweise, die von Nominalisierungen nur so strotzt. Ich habe keine Ahnung, welche Bedeutungen diese Nominalisierungen haben, aber mein Klient wird si-
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eher das einsetzen, was für ihn die größte Relevanz hat. (Näheres siehe Anhang II) Teilnehmerin: Während der Prozeß-Induktion haben Sie einige Male gesagt: »So ist es richtig.« Welchen Zweck hat es, wenn Sie das sagen? Das ist die einfachste Art, eine auftretende Reaktion zu verstärken. Ich gebe ihr zum Beispiel Prozeß-Instruktionen, etwas zu lernen, und dann sehe ich Rapid Eye Movements oder andere Veränderungen, die anzeigen, daß sie innerlich etwas verarbeitet. Dann ist mein »So ist es richtig« eine Instruktion, das zu intensivieren. Es ist ein Mitgehen mit jedem Erleben, und ich kann damit ihre Reaktion verstärken, ohne sie zu beschreiben. Beispiel 3: Noch ein Spiel. Ann, ich möchte Sie bitten, etwas zu tun. Schließen Sie Ihre Augen. Zuerst stellen Sie sich bitte ganz deutlich und in aller Klarheit eine Wand vor, und in der Wand sollen Türen sein. Sind die Türen verschieden, oder sind sie gleich? Ann: Ja, sie sind verschieden. Verschieden, aha. Also, die Tür, die am weitesten rechts ist, wird zu einem Ort führen, der Ihnen sehr vertraut ist. Sehen Sie die Türen nur weiter an. Und die Tür, die am weitesten links ist, führt zu einem Ort, der scheinbar ganz anders ist, aber am Ende werden Sie merken, daß Sie den auch schon kannten. Und dann ist da noch eine Tür, nicht wahr? Sie spüren jetzt, wie Sie zu dieser Tür gehen und Ihre Hand auf die Klinke legen, aber öffnen Sie diese Tür nicht. Ann: Irgendwie... fühle ich keine Klinke. Es ist eine Schwingtür. Sie haben nicht genau hingesehen. Untersuchen Sie sie ganz vorsichtig. Vielleicht läßt sie sich auf eine Weise öffnen, wie Sie noch nie eine Tür geöffnet haben... Entdecken Sie irgend etwas Ungewöhnliches an dieser Tür? Ann: Ja. Und Sie versuchen weiter vergeblich, die Tür aufzustoßen... Untersuchen Sie die Tür weiter... bis Sie etwas Ungewöhnliches, Charakteristisches finden... was für Sie eine persönliche Bedeutung h a t . . . und es Ihnen möglich macht, die Tür wirklich zu öffnen . . . so, wie sie noch niemals vorher geöffnet w u r d e . . . Ann: Ja, ich hab's gemacht. Nun möchte i c h . . . daß Sie ganz langsam... hindurchgehen.
Aber bevor Sie die Tür ganz aufstoßen, soll Ihnen klar s e i n . . . daß Sie sich in eine Erfahrung begeben... die gewisse Besonderheiten hat: Es werden Dinge dabei vorkommen... die in keiner Weise einen Sinn ergeben... und Sie werden keine Worte dafür finden. Aber diese Elemente werden von allen die wichtigsten s e i n . . . und sie werden... für Ihre Veränderung als Mensch die bedeutendste Rolle spielen... und zwar auf eine Weise, die Sie nicht vollständig verstehen werden. Und wenn Sie solche Dinge wahrnehmen, achten Sie ganz genau darauf. Sie werden auch gewisse andere Dinge sehen, von denen Sie dann freudig überrascht sind... wenn Sie sich jetzt umdrehen, ist dort keine Tür m e h r . . . Nun möchte ich, daß Sie Ihre Umgebung aufmerksam betrachten . . . in allen Einzelheiten... denn es gibt dort e t w a s . . . was Sie bis jetzt noch nicht gesehen haben. Etwas, was für Sie eine ganz persönliche Bedeutung hat. Und während Sie so Ihre Augen . . . in der Umgebung schweifen lassen, wissen Sie nicht, was es sein könnte - bis Sie es sehen... So ist es richtig... Nun, wenn Sie zurückgehen, ist es dort nicht mehr wie vorher. Aber wenn Sie zurückgehen, können Sie das Erlebte als eine Chance... und als ständige Mahnung... an etwas benutzen, was Sie nun wissen und eigentüch schon lange hätten wissen müssen. Während Sie das nun bewußt tun, weiß i c h . . . daß Sie auf der unbewußten E b e n e . . . etwas anderes t u n . . . Und dieses andere ist viel wichtiger... als das, womit sich Ihr Bewußtsein beschäftigt . . . Denn auf der unbewußten E b e n e . . . fangen Sie an, eine Grundlage... für eben diese Sache zu bauen. Eine Grundlage, die eine solide Struktur h a t . . . auf der man n e u e . . . und befriedigendere Verhaltensweisen... für die Zukunft aufbauen kann. Und während Ihr Bewußtsein immer noch die Umgebung auskundschaftet . . . und gerne wüßte, was das Unbewußte wohl tun wird, währenddessen wird diese Struktur weiter aufgebaut... so, wie Sie weiter mit diesem Vorgang beschäftigt sind. Diese feste Grundlage... wird Ihnen genauso als Ausgangsbasis dienen... wie die Grundlage, die Sie sich schufen... als Sie das allererste Mal auf Ihren eigenen Beinen standen... Denn vorher hatten Sie nur das Krabbeln am Boden gekannt... bis jemand Sie hochgehoben h a t . . . und Sie mit seiner Unterstützung... einen Moment l a n g . . . auf den eigenen Beinen balancierten... Aber selbst damals . . . haben Sie so eine unbewußte Grundlage geschaffen, die
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später Ausgangspunkt... für Ihr eigenes Gehen... und Laufen . . . und Stehen... und Sitzen... war. Und diese Sache h i e r . . . ist nun die erste Grundlage... für eine neue Reihe von Erfahrungen... und ich weiß, daß Ihr Unbewußtes diese Grundlage schnell schaffen k a n n . . . oder es baut sie langsam, aber in jedem Fall baut es sie gründlich und sorgfältig, damit sie später nicht zusammenstürzen k a n n . . . Denn die Entscheidungsmöglichkeiten, die Sie sich für Ihr zukünftiges Verhalten wünschen... müssen auf der unbewußten E b e n e . . . alle notwendigen Teilschritte vorfinden... Und damit sie brauchbar sind, müssen sie auf einer soliden Struktur von Einsichten beruhen... und die notwendigen Elemente enthalten... so daß Sie dieses Verhalten . . . für Ihr persönliches Leben . . . verwirklichen können. Eben j e t z t . . . stehen Sie vor einem Dilemma, das Ihnen bisher nicht bewußt w a r . . . aber nun wird es Ihnen langsam klar: . . . Entweder... Sie gehen zurück, finden die Tür und gehen hinaus . . . dann lassen Sie etwas zurück... was Sie nicht zu Ende gebracht haben, es sei denn, Sie lassen es von Ihren eigenen Prozessen zu Ende führen. Oder Sie bleiben, wo Sie s i n d . . . lassen die Welt um Sie herum einfach draußen... und nehmen sich all die Zeit, die Sie brauchen... um innerlich eine Struktur aufzubaue n . . . die alle Elemente enthält... die Sie für jene zukünftige Entwicklung brauchen werden... von der Sie nun erfahren haben, daß sie Ihnen als Mensch viel Gutes bringen würde. Und diese Entscheidung... muß allein von Ihnen kommen . . . und von Ihren unbewußten Prozessen... Sie braucht von nirgendwo anders zu kommen... während Sie so dasitzen... hat Ihr Unbewußtes dafür gesorgt, daß Ihr Herz weiterschlägt... daß Ihr Atem weitergeht... Ihr Blut weiter durch Ihre Adern pulsiert, und es hat hunderttausend andere Dinge getan, von denen Ihr Bewußtsein nicht die geringste Ahnung h a t . . . Das Wichtige daran i s t . . . daß Sie erkennen, daß Sie Ihrem Unbewußten vertrauen können... daß es gut für Sie sorgt. Wenn Sie auf einer belebten Straße gehen... und ganz in Gedanken sind, werden Sie an der roten Ampel... automatisch stehenbleiben, und selbst während Sie innerlich ganz mit Ihren Gedanken beschäftigt sind, wissen S i e . . . daß es Zeit ist, weiterzugehen, wenn die Ampel auf Grün schaltet.
Und auf die Arbeit des Unbewußten... können Sie sich immer verlassen, wenn es darum g e h t . . . etwas zu tun, was wohltut... und nützlich i s t . . . es braucht nur den Anstoß dazu. Und es ist unwichtig, warum das nicht schon früher geschehen ist. Es ist nur wichtig zu wissen... daß es nun in Zukunft möglich ist. Vor langer Zeit einmal, lange bevor ich meine ersten Therapien gemacht hatte, saß ich in einem Restaurant und beobachtete einen Mann. Das Interessante an diesem Mann w a r . . . daß er vollständig betrunken w a r . . . und doch... jedesmal, wenn sich eine Fliege auf seine Hand setzte, zuckte er instinktiv, und die Fliege flog davon. Er machte es immer wieder... und wieder... und wieder . . . und obwohl sein Kopf überhaupt nicht mehr wußte, was los war, waren seine unbewußten Aktivitäten doch systematisch... und methodisch... und schützten i h n . . . Wenn Sie weite Strecken fahren... sind manchmal die Straßen vereist, und manchmal nicht. Manchmal konzentrieren Sie sich voll auf das Fahren... und manchmal sind Sie mit den Gedanken ganz woanders. Und wenn Sie sich so Ihren Gedanken überlassen, ist mit das Wichtigste, was Sie dabei lernen können, die Tatsache... daß Ihre bewußte Aufmerksamkeit, wenn Sie sie plötzlich brauchen, sofort voll da ist. Nun, Ann, ich möchte, daß Sie sich die Zeit nehmen, die Sie brauchen... um all dieses Lernen und die Einsichten... für sich selbst zu festigen... so daß Sie Ihnen in Ihrem Leben so viel wie möglich nutzen können. Und es ist unwichtig... ob Ihr Bewußtsein etwas davon weiß. Das einzige, was wichtig ist, ist, daß Ihr Unbewußtes... sofort damit beginnt, Ihnen mit neuem Verhalten . . . seine nun umfassenderen Kräfte zu demonstrieren... und Ihr Verhalten zu ändern... jetzt und auch in Zukunft. Ich werde mich gleich wieder an Sie wenden. Und dann werde ich Ihnen ein paar Fragen stellen... von denen Sie manche gern beantworten... und einige vielleicht nicht beantworten möchten. Sie müssen es nicht. Bevor ich es tue, werde ich erst mit anderen Leuten sprechen... und Sie werden jedesmal merken... daß meine Stimme dann in eine andere Richtung geht. Dann haben Sie die Zeit für sich und können das tun, wovon Sie wissen, daß Sie es tun müssen... auch wenn Sie nicht verstehen, warum. So ist es richtig. Und seien Sie dabei so bewußt, wie Sie es für diesen Prozeß brauchen...
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Nun zu dem, was ich eben mit Ann gemacht habe: In keiner der Instruktionen war irgendein Inhalt. Auf der Prozeßebene gab es explizit eine Reihe von zusammengehörigen Instruktionen, die im Grunde zwei Kernaussagen enthielten: 1.) aktivieren Sie Ihr Unbewußtes, und 2.) lösen Sie Ihre Probleme. Bitte seien Sie sich darüber im klaren, daß wir, während wir Ihnen die Methoden zur therapeutischen Nutzung vermitteln, nach wie vor mit den Techniken arbeiten, die wir bereits besprochen haben. Ich habe damit begonnen, daß ich bei allem was ich von Ihrem Zustand erkennen konnte, mitging (Pacing). Und als sie dann langsam begann, ihr Bewußtsein zu verändern, habe ich geführt, indem ich langsam meinen Output auf allen Kanälen änderte. Zum Beispiel habe ich erst mein Sprechtempo... ihrem Atemtempo angepaßt, so d a ß . . . als ich dann anfing... langsamer zu sprechen... ihr Atem auch langsamer wurde. Ich habe bei ihr alle Verhaltensaspekte beobachtet, von denen wir gesprochen haben: die Tönung und Färbung der Haut, Atem, Pulsschlag, Augenlidbewegungen und so weiter. Diese nonverbalen Aspekte geben mir Feedback. Ich weiß, wie die Leute aussehen, wenn die Bewußtseinsveränderung immer tiefer geht. Es sind Zustände, die mit körperlicher Entspannung einhergehen. Ann, können Sie bewußt wahrnehmen, daß diese Art von Erleben eine Wirkung auf Sie hat? Ann: Ja. Ich habe also eine Menge Pacingmechanismen und Feedbackschleifen aufgebaut. Ich habe sozusagen mich selbst in ein differenziertes Biofeedbackgerät verwandelt. Ich habe die Veränderungen ihrer Hautfarbe beobachtet, und währenddessen begann ich sehr langsam, meine normale Stimme zu einer ganz anderen zu verändern. Zu Anfang änderte ich den Ton und das Tempo meiner Stimme genau so schnell wie ihre Veränderungen abliefen. Als ich meine Stimme dann noch mehr in dieselbe Richtung veränderte, konnte ich sie weiter in einen veränderten Zustand führen. Das war das Nonverbale. Außerdem habe ich ihr verbale Instruktionen gegeben, sowohl auf der bewußten wie auch auf der unbewußten Ebene. Einige dieser verbalen Äußerungen waren absichtlich so konstruiert, daß ich Feedback darüber bekam, ob sie mitgeht oder nicht. Als ich von dem Betrunkenen erzählte, der jedesmal mit seiner Hand zuckte, wenn sich eine Fliege darauf148
setzte, habe ich darauf geachtet, ob ihre Hand auch zuckt; und das tat sie. Ann: Aber haben Sie meinen Widerstand benutzt, u m . . . Widerstand kann es nicht geben. Ann: Also gut: als Sie mir sagten, daß ich mir die drei Türen vorstellen solle, habe ich zwei Türen weiter oben gesehen, und weiter unten eine, die wie ein Torbogen aussah. Als Sie mir die Instruktionen zu den beiden ersten gaben - nachdem nur die ersten paar Worte heraus waren - wußte ich, ich würde die dritte nehmen, egal was Sie sagen. Haben Sie das gewußt? Natürlich. Das gehört zum Programm. Die Frage ist, wie hat sich denn herausgestellt, daß Sie diese Tür und keine anderen nehmen würden? Ann: Das frage ich Sie. Wie haben Sie gewußt, daß ich nicht die erste Tür nehmen würde? Welche Unterschiede gab es denn bei meinen Beschreibungen von den drei Türen - abgesehen von den Formulierungen?... Ich habe gesagt (dunkler Klang mit einem leichten Ausdruck von Abneigung): »Da ist eine Tür, und wenn Sie da durchgehen, wird Ihnen alles vertraut sein.« Hören Sie auf den Ton, in dem ich das sage! Ist Ihnen jetzt klar, warum ich wußte, welche Tür Sie nehmen würden? Andererseits hätte ich sagen können: »Da ist eine Tür, durch die können Sie hindurchgehen, und alles auf der anderen Seite wird Ihnen vertraut sein.« Wenn dann Ihr Gesicht sich aufgehellt und Farbe bekommen hätte, und Sie hätten geseufzt, dann hätte ich gewußt, es ist anders. Ich hätte den Rest meiner Kommunikation danach ausgerichtet. Ann: Was hätten Sie denn anders gemacht, wenn ich die erste Tür ausgesucht hätte? Also, das Wort »ausgesucht« kann ich nicht akzeptieren. Wenn Sie auf diese Tür reagiert hätten, wenn ich unbewußte Anzeichen dafür gesehen hätte, daß Sie ein Erlebnis mit irgend etwas brauchen, was Ihnen vertraut ist, hätte ich Sie durch diese Tür gehen lassen. Auch mit solch einem Anfang kann ich immer noch alles tun, was ich mir vorgestellt habe. Ich kann es ja immer noch in etwas nicht Vertrautes transformieren: »Und wenn Sie nach dem schauen, was Sie dort erwartet haben, finden Sie überraschenderweise, 149
daß...«; »Haben Sie schon mal ein Ei aufgeschlagen und ein kleines Kaninchen ist herausgekommen?« Was ich versuche, ist, Ann eine Reihe von Instruktionen zu geben, die Veränderungen in ihrem Unbewußten ermöglichen. Also ist der wichtigste Grundsatz, auf ihre unbewußten Reaktionen zu achten. Dazu brauche ich nur eine einzige Fähigkeit - ich muß wissen, welche ihrer Reaktionen bewußt und welche unbewußt sind. Haben Sie darauf geachtet, wie ich die Wahrnehmung der dritten Tür strukturiert habe? Was, habe ich gesagt, soll sie mit der Tür tun? Sie sollte »vergeblich versuchen« sie zu öffnen. Wenn ich sage, »ich versuche die Tür zu öffnen«, ist das etwas ganz anderes, als wenn ich sage: »Ich habe vergeblich versucht, die Tür zu öffnen.« Bei »Ich versuchte, die Tür zu öffnen« kann ich es nochmal probieren. Vielleicht ist es sogar sinnvoll, es nochmal zu probieren. Aber wenn ich sage »Ich habe vergeblich die Tür zu öffnen versucht«, gibt es keine Möglichkeit mehr. Das eine Mal ist die Möglichkeit gegeben, das andere Mal nicht. Warum habe ich das gesagt?... Wenn Sie durch eine Tür gehen will, die unbekannte Dinge hinter sich birgt, dann ist es am besten, man fängt mit einer Tür an, die ungewöhnlich reagiert - eine Tür, die sich auf ungewöhnliche Weise öffnet. Damit sind die Tür selbst und das bevorstehende Erlebnis miteinander kongruent. Das, was ich sage, strukturiere ich sehr sorgfältig. Zum Beispiel, wenn ich zu Ihnen sage (er wendet sich an eine Frau im Publikum): »Versuchen Sie einmal, Ihre Hand zu heben«, impliziert das irgendwie, daß Sie es nicht können werden, daß aber noch eine gewisse Möglichkeit offen ist. Wenn ich aber sage: »Sie können vergeblich versuchen, Ihre Hand nicht zu heben... das ist eine tiefgreifende Erfahrung... Und dann überlegen Sie, welche Hand sich zuerst nicht h e b t . . . denn Sie dachten, die andere wäre es...« Hoffentlich können Sie es erkennen: diese Frau ist vollkommen erstarrt. Das ist übrigens ein Trancephänomen. Und es ist die Anund Verwendung von »Widerstand«, indem man viele Negationen verwendet. Ich bot ihr etwas an, worauf sie reagieren konnte, sah, wie sie unbewußt darauf reagierte, und habe die unbewußten Reaktionen verstärkt. Ihre unbewußte Reaktion war, daß sie erstarrte, und die Immobilität konnte ich verstärken, indem ich sie mehr 150
und mehr aufforderte, sich zu bewegen. Je mehr ich sie aufforderte, sich zu bewegen, desto mehr erstarrte sie. Der Punkt ist der, daß die Reaktion »Widerstand« genauso vorhersagbar ist wie alles andere, solange Ihre Wahrnehmung so sensibel ist, daß Sie merken, welche Reaktion die unbewußte ist. Wenn Sie mit Kommunikation arbeiten, müssen Sie zuallererst gelernt haben, Ihre Sinne bewußt zu gebrauchen.* Wenn Sie den Unterschied zwischen dem, was bewußt ist, und dem, was unbewußt ist, erkennen und dann die unbewußten Reaktionen verstärken können, dann werden Sie das Bewußtsein der betreffenden Person sicher damit verändern. Dabei ist eine MögUchkeit, wie Fritz Perls zu fragen: »Was spüren Sie?« Wenn sie dann sagt: »Also mir ist bewußt, daß ich spreche und ich spüre eine gewisse Anspannung der Muskeln um den Unterkiefer«, dann sagen Sie: »Aber Sie haben noch nicht die Wärme Ihrer Hand gespürt, dort wo sie das Gesicht berührt, und nicht, wie Ihre Füße auf dem Boden stehen, und nicht den Ellbogen auf dem Oberschenkel, und Ihren Atem, und wie sich Ihr Brustkorb hebt und senkt.« Das ist alles, was Sie tun müssen. Die Person wird langsam in einen anderen Zustand gleiten, denn Sie lenken ihre Wahrnehmung in Bereiche, wo sie normalerweise nie hingehen würde. Auch auf diese Weise kann man unbewußte Reaktionen verstärken. Es ist egal, ob das Bewußtsein an diesem Prozeß beteiligt ist. Eigentlich ist es sinnvoller, das Bewußtsein mit etwas anderem zu beschäftigen, das relativ unwichtig ist - etwa mit der Frage, durch welche der drei Türen es hindurchgehen wird. Das Entscheidende ist, daß wir den Bewußtseinszustand verändern. Wenn wir das getan haben, dann können wir der Person Erfahrungen vermitteln, mit denen sie Zugang zu ihren unbewußten Ressourcen findet. Noch immer ist ihr Bewußtsein damit beschäftigt, durch welche Tür sie ging und warum, dabei kommt es darauf gar nicht an, denn sowie sie durch irgendeine Tür geht, kann ich dahinter alles erscheinen lassen, was ich will! Wichtig ist, daß sie erlebt: sie geht durch eine Tür. Es bedeutet, daß sie ihren üblichen Bewußtseinszustand verläßt und in einen anderen übergeht, der sich von ihrer gewohnten Art, die Welt wahrzunehmen, unterscheidet. Wenn sie dann durch die Tür hindurchgegangen ist, gebe ich ihrem * Im engl. Original heißt diese Fähigkeit »sensory experience«. (Anm. d. Übers.)
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Unbewußten eine Prozeß-Instruktion - ein Programm, das positive Veränderungen einleitet. Ich habe ihr dieses Programm in sehr allgemeinen Formulierungen gegeben, und zwar aus den Gründen, die wir vorher diskutiert haben. Es ist sehr wichtig zu wissen, wann diese unspezifischen Aussagen angebracht sind und wann nicht. Wenn Sie Prozeß-Instruktionen geben, sollten Sie sehr allgemein formulieren. Wenn Sie aber von jemandem wollen, daß er etwas ganz Bestimmtes tut, etwa einen speziellen Kuchen backen oder sich mit einer Phobie auseinandersetzen, dann wird es wichtig sein, daß Sie ihm sehr konkrete Instruktionen geben, damit er weiß, was er tun soll. Nehmen wir an, jemand soll Ihnen einen Kuchen backen, und Sie sagen: »Nehmen Sie alle Zutaten, die Sie brauchen, aus dem Kühlschrank, und dann vermischen Sie diese so, wie es Ihnen am besten gefällt...« - dann bekommen Sie wahrscheinlich nicht den Kuchen, den Sie sich vorgestellt haben. Es kommt oft vor, daß die allgemeinen Formulierungen, die wir für Prozeß-Instruktionen benutzen, dann benutzt werden, wenn ein Therapeut jemand anderem etwas ganz Spezifisches mitteilen will. Und er hat keine Ahnung, daß der andere absolut nicht weiß, wie er das verstehen soll - wegen der Sprache, die der Therapeut gebraucht. In der Psychotherapie zum Beispiel reden die Leute viel davon, wie wichtig es ist, ein gutes Selbstwertgefühl oder ein positives Selbstbild statt eines negativen zu haben. Aber keiner sagt genau, wie man so etwas aufbaut, oder woran man merkt, daß man so etwas jetzt hat. Sally: Das merkt man, indem man persönliche Erfahrungen vergleicht. Was vergleicht man womit? Sally: Man vergleicht seine Gefühle aus der Kindheit mit dem, wie man das, was momentan abläuft, jetzt als Erwachsener versteht. Und wenn Sie das also vergleichen, was kommt dann dabei heraus? Sally: Dann stellen die Leute fest, daß sie ihr eigenes Selbstbild, ihr Selbstwertgefühl, verbessert haben. Wie? Sally: Das sieht man. Sehen Sie, manchmal fühlt sich jemand mies, weil das zu einer seiner Erinnerungen gehört. Wenn Sie
dann das gegenwärtige Erleben oder Wissen dieser Person nehmen und damit auf das Vergangene zurückschauen, dann helfen Sie der Person damit, sie kann dann in dieser Sitzung die Dinge aufarbeiten und ein anderes Lassen Sie mich etwas fragen. Ist Ihnen klar, daß in der Beschreibung, die Sie mir gerade geben, nichts vorkommt, aus dem ich ersehen kann, was Sie eigentlich sagen? Ich kritisiere nicht Ihre Meinung - ich denke, Sie wissen, wovon Sie reden. Aber Sie reden nicht so, daß ich die Chance habe, es zu verstehen. Sally: Vielleicht ist es die andere Wissensgrundlage, die ich habe. Unsere Kommunikation ist etwas schwierig. Also, das ist es nicht. Ich weiß sogar, was Sie mir sagen wollten. Ich weiß es, weil mir das schon oft jemand sagen wollte. Aber die Diskrepanz zwischen dem, wie Sie es mir sagen und dem, wie Sie es mir sagen müßten, um mir mitzuteilen, was Sie wissen, das ist eine wichtige Unterscheidung im Hinblick auf das, was wir hier lernen. Sehen Sie, die Art, wie Sie etwas schildern, ist genau das, was in der Hypnose wirkt. Wenn ich möchte, daß Sie etwas für sich selbst klären, Ihren eigenen Weg gehen und halluzinieren, dann benutze ich die Art von unspezifischen sprachlichen Strukturen, die Sie eben gebraucht haben. Wenn ich aber will, daß Sie etwas Bestimmtes tun, dann muß ich das auch konkret formulieren. Wenn ich Ihnen Informationen über eine bestimmte Tätigkeit vermitteln will, muß ich dafür sorgen, daß Sie über jeden einzelnen Schritt, der zu tun ist, Bescheid wissen. Wenn ich zum Beispiel ein bestimmtes geistiges Traimng anwenden will, von dem ich glaube, daß es Ihr Selbstwertgefühl verbessert, kann ich sagen: »Bitte suchen Sie sich eine besonders unangenehme Erinnerung aus Ihrer Vergangenheit aus. Eine Erinnerung, bei der Ihnen klar wurde, daß das, was Sie getan hatten... das Schlimmste war, was Sie überhaupt hätten tun können . . . Und während Sie diese Erinnerung betrachten und die Gefühle empfinden, die Sie damals hatten, spüren Sie etwas, was Ihnen bis jetzt noch nicht klar war: daß Sie ohne solche unangenehmen Erfahrungen nicht eine einzige wichtige Lebenserfahrung gemacht hätten. Wenn Sie nie erfahren hätten, wie weh es tut, wenn man sich verbrennt, wären Sie heute nicht so klug, dem Feuer aus dem Weg zu gehen.«
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Diese Instruktion ist zumindest in einigen Punkten konkret. Sie sollen eine unangenehme Erinnerung wachrufen, die Gefühle wieder erleben und die Erinnerung dann auf bestimmte Weise neu bewerten. Die Instruktion sagt zwar nichts über den Inhalt im einzelnen aus, spezifiziert aber doch, an was für eine Erinnerung Sie denken und was Sie damit machen sollen. Wenn es mir gleich ist, wie Sie eine Veränderung vollziehen, halte ich meine Formulierungen noch allgemeiner und benutze viele Nominalisierungen: »Schließen Sie für eine Minute Ihre Augen und probieren Sie etwas: Konzentrieren Sie sich auf sich selbst und suchen Sie zwei, drei oder vier angenehme Erinnerungen aus der Vergangenheit, die anscheinend nichts miteinander zu tun haben . . . Aber Ihr Unbewußtes wählt nie nach dem Zufallsprinz i p . . . denn es gibt etwas Wichtiges für Ihr persönliches Leben zu lernen... Nun, ich weiß, daß Ihre Vergangenheit reich an Erfahrungen i s t . . . und daß jede einzelne dieser Erfahrungen... die Grundlage dafür bildet, daß Sie etwas lernen oder an sich selbst verstehen... Was für S i e . . . nur heutzutage als Erwachsener... relevant i s t . . . und für Sie als Kind keine Bedeutung h a t t e . . . Aber es kann als Basis für den Aufbau von etwas dienen... was Sie gelernt haben. Lassen Sie sich nun einige Augenblicke Zeit, damit dieses erneute Lernen Gestalt annehmen k a n n . . . und sich herauskristallisiert . . . Vielleicht sehen Sie ein Bild vor sich... undeutlich... und Sie verstehen es nicht r e c h t . . . Und je mehr Sie es anschaue n . . . um so mehr wird Ihnen klar, wie wenig Sie es verstehen... und wenn Sie auf der unbewußten Ebene nun genau hinschaue n . . . können Sie einen Lernprozeß aufbauen... auf ganz spezielle Art und Weise. Das Besondere daran, wie Sie Ihren Lernprozeß aufbauen... können Sie bewußt erst dann wirklich einschätzen . . . wenn der Vorgang vollendet i s t . . . Und dann wird Ihnen plötzlich k l a r . . . daß die Vorstellungen und Einsichten, die man braucht, um sich selbst zu verändern... nun anfangen können... in Ihr Bewußtsein zu fließen... Aber diese Vorstellungen haben mit den neuen Lernprozessen nichts zu t u n . . . denn wenn Ihnen eine solche Vorstellung in den Kopf kommt... vorausgesetzt, es ist eine wirklich unbewußte... wird sie mit einem kleinen Kichern verbunden s e i n . . . Also, die Art, wie ich eben mit Sally geredet habe, ist ziemlich
ähnlich wie die, in der sie mit mir gesprochen hat. Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich versuche, dem bewußten Verstand etwas klarzumachen, oder ob ich versuche, dem Unbewußten zu vermitteln, daß es etwas tun soll. Die Beschreibung, die sie vorhin gegeben hat, würde ich wählen, wenn ich möchte, daß ein Klient etwas tut. Aber so etwas ist nicht das, was erforderlich wäre, um einem Kliniker etwas verständlich zu machen. Solche Dinge sieht man von außen immer leichter, als wenn man selbst daran beteiligt ist. Das trifft für fast alle Bereiche zu. Ein Freund von mir, ein technischer Physiker, erzählte mir, wie er einmal wochenlang ein sehr kompliziertes Problem zu lösen versucht hatte. Seine Mutter war bei ihm und versorgte seine Kinder, während er sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen hatte. Sie kam zu ihm, brachte ihm Kaffee und fragte: »Wie geht's?« Er antwortete: »Danke, gut.« Sie fragte dann: »Was machst Du da eigentlich?« Er erklärte ihr das ganze komplizierte Problem. Sie hörte zu und sagte: »Das verstehe ich nicht. Ich würde es einfach so machen: . . . « und gab ihm genau die Antwort, die er brauchte. Sie hatte keine höhere Schulbildung, aber ihre Antwort ist inzwischen Grundlage eines der kompliziertesten Digitalcomputer, die je auf den Markt gekommen sind. Wenn Sie selbst an einer Sache beteiligt sind, sind Sie darauf programmiert, bestimmte Dinge zu beachten und andere zu ignorieren. Natürlich ist das eine besondere Fähigkeit, gleichzeitig aber auch eine Beschränkung. Als ich mit der Psychotherapie anfing, sagten mir die Leute: »Alles, was man braucht, um ein guter Psychotherapeut zu sein, ist ein Gespür für die Bedürfnisse der Leute. Man hilft ihnen, ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstbild zu verbessern, und dann können sie ein erfüllteres und besseres Leben führen.« Ich sagte dann: »Wie macht man das?« Und die Antwort war: »Man muß dafür sorgen, daß die Leute die Dinge sehen, wie sie wirklich sind.« Damit bin ich nicht einverstanden; ich meine, man muß den Leuten Selbsttäuschungen schaffen, die sinnvoller sind, als die, die sie schon haben. Ich habe keine Ahnung, wie die Dinge »wirklich sind«. Der Punkt ist, daß viele Wörter klingen, als ob sie viel bedeuten, und in Wirklichkeit sind sie hohl. Nominalisierungen klingen immer bedeutungsvoll, aber das heißt nicht, daß sie es auch sind. Wenn Sie das Unbewußte eines Klienten veranlassen wollen, et-
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Als nächstes möchte ich Ihnen eine Strategie für schöpferische Veränderungen vermitteln - für diejenigen, die selbst an ihrer Persönlichkeit etwas ändern wollen, und auch für die, die als Therapeuten arbeiten. Schöpferische Veränderung heißt nicht, daß man das Rauchen aufgeben, abnehmen oder Probleme bewältigen will. Das nenne ich »abschaffende Veränderungen«. Kreative Veränderung bedeutet, daß Sie irgend etwas perfektionieren oder etwas Neues lernen wollen. Daß Sie also nicht etwas ändern wollen, was Sie falsch machen, sondern daß Sie etwas weiterentwickeln wollen, was Sie schon beherrschen. Als ich mit der Psychotherapie begann und mein sechster oder siebenter Patient zu mir kam, habe ich etwas recht Merkwürdiges erlebt. - Er begann wie alle anderen und sagte: »Ich würde gern einiges an mir verändern.« Ich fragte dann: »Und was?« Er antwortete: »Ich würde gerne den Menschen so begegnen, daß sie
mich gernhaben.« Da ich darauf programmiert war, auf solche Äußerungen in bestimmter Weise zu antworten, fragte ich weiter: »Und im Moment haben Sie damit Probleme?« Er sagte: »Nein, es geht ganz wunderbar.« Ich wußte nicht weiter; alle meine Vorannahmen waren vom Tisch gefegt. Ich fragte: »Also, was ist dann Ihr Problem?« »Ich habe kein Problem«, sagte er, »es geht einfach so gut und macht mir soviel Spaß, daß ich es gern doppelt so gut können möchte.« Ich kramte in meiner großen Therapie-Trickkiste, aber für solche Fälle hatte ich nichts! Kaum eine Therapie ist für so eine Situation angelegt. Beschränken Sie sich nicht einfach darauf, Zerbrochenes zu kitten. Wenn Sie etwas gut können, wunderbar! Vielleicht macht es Ihnen auch Spaß, es doppelt so gut zu können. Solchen Veränderungen sind keine Grenzen gesetzt. Wenn Sie genügend solcher schöpferischen Veränderungen vornehmen, ist es meistens so, daß Sie nebenbei auch viele der abzuschaffenden Probleme beseitigen. Wenn Sie sich darauf konzentrieren, in dem Bereich, wo Sie schon gut sind, noch besser zu werden, werden oft die anderen »Probleme« spontan mitbearbeitet. Ich hätte gern, daß Sie eine interessante Strategie schöpferischen Veränderns selbst ausprobieren; dabei wird der hypnotische Traum verwendet. Soweit ich das beurteilen kann, unterscheidet sich der hypnotische Traum nicht besonders vom normalen Traum, außer daß Sie beim hypnotischen Traum nicht schnarchen. Es gibt viele Methoden, um mit Träumen die Wirklichkeit zu verändern. Als erstes machen Sie sich immer klar, welches Ergebnis Sie haben wollen. Sie wollen vielleicht eine Fähigkeit weiterentwickeln, oder wollen, daß Ihr Klient sie weiterentwickelt. Sagen wir mal, es geht um einen Klienten. Dann fragen Sie sich: »Welche Dinge würden bewirken, daß jemand irgend etwas besser kann?« Bleiben Sie ganz allgemein, wenn Sie darüber nachdenken. Denken Sie daran, es geht um Hypnose, und Sie sind im Lande der Nominalisierungen. Teilnehmerin: Erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit. Teilnehmer: Energie. Seien Sie vorsichtig mit dem Wort »Energie«! Mit Begriffen, die häufig in anderen Zusammenhängen gebraucht werden, müssen Sie sehr vorsichtig umgehen. Die Energiekrise hat eine unge-
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was zu tun, sind Nominalisierungen genau die Art von Wörtern, mit denen Sie das erreichen können. Ich möchte jetzt eine allgemeine Methode angeben, wie man Prozeß-Instruktionen formuliert, denn anstatt die Instruktionen, die wir hier demonstriert haben, einfach nur zu übernehmen, können Sie auch eigene entwickeln. Um Prozeß-Instruktionen zu formulieren, überlegen Sie sich zuerst irgendeine Sequenz, die Lernprozesse ermöglicht. Eine solche Sequenz wäre: 1.) suchen Sie sich ein Erlebnis aus Ihrer Vergangenheit aus, 2.) sehen und hören Sie noch einmal gründlich, was damals passierte, so daß Sie aus diesem Erlebnis etwas Neues oder Zusätzliches lernen können, und 3.) fordern Sie Ihr Unbewußtes auf, in Zukunft das neu Gelernte in den entsprechenden Situationen auch anzuwenden. Wenn man etwas lernen will, muß man wissen, wie; und man muß in der Lage sein zu bestimmen, wann und wo das neu Gelernte anzuwenden ist. Also entwickeln Sie eine Sequenz, die diese Komponenten enthält. Sobald Sie eine allgemeine Vorstellung davon haben, welche Schritte erforderlich sind, können Sie Ihre Instruktionen in hypnotischen Sprachmustern anbringen und dem Klienten genügend Zeit lassen, darauf zu reagieren. Schöpferische Veränderung: Hypnotische Träume
heure Anzahl hypnotischer Botschaften über das Energiesparen hervorgerufen. Wenn Sie Energie als Symbolbegriff dafür verwenden, daß jemand mehr persönliche Kraft hat, kommen Sie unter Umständen in Schwierigkeiten, denn Sie müssen massiven öffentlichen Vorbehalten begegnen. Im Radio und im Fernsehen richtet man zur Zeit an die ganze Nation Aufrufe, Energie zu sparen - und lethargisch zu werden. Eine bekannte Psychotherapeutin benutzte als Metapher für Persönlichkeitsentfaltung das Aufgehen des Hefeteigs.* Und in einem ihrer Seminare erfuhr ich, daß einige der Frauen in der Gruppe tatsächlich Hefepilzinfektionen bekamen! Das ist übrigens eins der wichtigsten Dinge, die die traditionellen Hypnotiseure entdeckt haben: daß in gewissem Sinn jede sprachliche Mitteilung buchstabengetreu aufgenommen wird, besonders im Trancezustand. Jeder Satz, der idiomatische Bedeutung hat, wird zweimal verbucht. Der Ausdruck »den Löffel abgeben« hat eine idiomatische Bedeutung, nämlich, daß jemand stirbt, hat aber auch eine wörtliche Bedeutung. Und jedes Mal, wenn Sie so eine Redewendung gebrauchen, werden beide Bedeutungen registriert. Wenn Sie regelmäßig sagen: »Meine Kinder machen mir Kopfschmerzen«, kann ich Ihnen garantieren, daß Sie irgendwann wirklich Kopfschmerzen bekommen. Leute, die häufig Rückenschmerzen haben, sagen von allem, daß es »ein Kreuz« sei, oder, daß sie die Welt auf ihren Schultern trügen. Wir haben über diese Ausdrucksweise schon gesprochen, es ist die Organsprache, und sie hat weitreichende Wirkungen. Was gibt es noch, wodurch man etwas besser tun kann? Teilnehmerin: Wissen, Übung. Neue Ideen, stimmt, und Übung - stimmt auch. Wenn jemand etwas sowieso schon gut kann, hat er es wahrscheinlich auch schon lange geübt. Falls nicht, könnte das Üben bestimmt eine Verbesserung bringen. Was wir eben machen, ist, daß wir beginnen, eine Gleichung aufzubauen. Ich weiß, daß die meisten das Wort »Gleichung« nicht mögen, aber Sie werden es noch schätzen lernen. Je mehr Sie versuchen, es nicht zu mögen, um so anziehender und geheimnisvoller könnte es für Sie werden... * i. 0.: »yeasting« (Anm. d. Übers.)
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Was ich eben gemacht habe, ist eine richtige Gleichung. Falls Sie sich erinnern: das ist eine der Möglichkeiten, mit Abreaktionen umzugehen. Genau dieselbe Gleichung: »Es ist so angenehm, aus unangenehmen Erfahrungen zu lernen. Und je unangenehmer es wird, um so wohltuendere Lehren werden Sie daraus ziehen.« Das heißt, je mehr sich jemand auf den negativen Zustand einläßt, um so besser wird er da herauskommen. »Je mehr X, desto mehr Y« ist eine sehr nützliche Gleichung, die Sie sich gut merken sollten. Heute morgen wollen wir eine Gleichung erarbeiten, die das Träumen nutzbar macht. Man kann sagen, daß etwas, was neue Ideen, geübtes Können oder verbesserte Wahrnehmung bewirkt, immer impliziert, daß man etwas besser macht. Das ist die Gleichung, von der ich eben sprach. Aber dieses »Etwas«, das neue Ideen und so weiter liefert, fehlt uns noch; dafür verwenden wir Träume. Übung 7 Ich werde Sie gleich bitten, gemeinsam kreative Veränderungen zu üben. Tun Sie das paarweise, dann erfordert es für alle relativ wenig Zeit. Person B soll sich ein bestimmtes Verhalten aussuchen, das sie schon ganz gut beherrscht und gern besser können möchte. Person A soll mit B irgendeine Induktion machen, bis ein guter, tiefer Trancezustand erreicht ist. Dann greifen Sie zu und sagen: »Ich hebe jetzt Ihren Arm hoch, und Sie werden ihn nicht schneller senken, als Sie beginnen, einen Traum zu träumen... In diesem Traum... werden sonderbare und verwirrende Dinge geschehen . . . Aber Sie wissen, daß sich im Unbewußten... etwas aufbaut... das sich in einer I d e e . . . kristallisiert... die eine Veränderung Ihrer Wahrnehmungen bewirken w i r d . . . und dadurch werden Sie in der Lage sein, X . . . noch besser zu tun, als Sie es je von sich erwartet haben... Denn es gibt bei X e t w a s . . . was Sie bisher übersehen haben . . . und Ihr Unbewußtes hat die Fähigkeit, sich zurückzuversetzen ... und kann noch einmal nachschauen... Was bedeutet es, wenn man etwas übersieht? . . . Übersehen bedeutet, Sie haben nur oberflächlich geschaut... aber nun können Sie sich zurückversetzen . . . und alles aus einem anderen Blickwinkel betrachten... und finden ein früheres Erleben... auf der unbewußten Ebene, als Sie diese spezielle Erfahrung durchlebten... aber diesmal... 159
kann Ihr Unbewußtes das alles noch einmal neu anschauen... und herausfinden... was in den Fällen, als Sie X ausgezeichnet beherrschten . . . anders war, als in den Situationen, wo Sie es nur leidlich geschafft haben... Das Unbewußte kann Ihnen diesen Unterschied, wenn es ihn erkennt... in einem geheimnisvollen Traum mitteilen... und Sie träumen diesen Traum dann weiter... einen sehr farbigen Traum... und Sie genießen ihn ausgiebig... und würden nur zu gerne wissen... was das ist, was Sie da gerade lernen... und die Idee dazu wird Ihnen nicht eher kommen... als Ihre Hand sich langsam herabsenkt... und Ihr Knie berührt... so daß, wenn sie es tut, sich die Idee in Ihren Gedanken herauskristallisiert... und Sie werden sich fragen... wie Sie so dumm sein konnten, daß Sie es bisher die ganze Zeit übersehen haben.« Das ist wieder ein Beispiel für eine Prozeß-Induktion. Ich habe gesagt, man soll einen Traum träumen und daraus etwas lernen. Aber ich habe auch spezifische Instruktionen gegeben, wie das Unbewußte daraus lernen soll. Ich habe gesagt: »Schauen Sie in die Vergangenheit zurück, sehen Sie Ihre Erfahrungen noch einmal durch, ermitteln Sie den Unterschied zwischen den Situationen, wo Sie es wirklich gut gemacht haben und denen, wo Sie nur mittelmäßig waren, und stellen Sie diese neue Sichtweise in einem Traum bildlich dar.« Aber wenn ich diese Dinge so offen sagen müßte wie eben, hätten sie nicht dieselbe Wirkung; das hat nicht die Farbigkeit und Durchschlagskraft wie die Induktion von vorhin. Und es hat auch nicht diese kunstvolle Unbestimmtheit, die dem Unbewußten erlaubt, auf die ihm eigene Weise zu reagieren. Der Traum ist für das Unbewußte ein ganz natürliches Mittel, irgendwelche Dinge so darzustellen, daß das Bewußtsein sie erst nicht versteht, um sie dann langsam zu etwas zu entfalten, das auch für das Bewußtsein Bedeutung hat. Teilnehmer: Was kann ich tun, wenn ich ein Problem lösen will, das so viele Faktoren umfaßt, daß ich gar nicht alle bewußt erfassen kann? Wie könnte man mit so etwas umgehen? Am besten, wir greifen noch einmal aufs Träumen zurück, das ist eine meiner Lieblingsinstruktionen. Lassen Sie den Klienten sechs Träume träumen; der Traum wird jedesmal derselbe sein, aber andere Inhalte und ande-
Dorothy: Was machen Sie, wenn jemand gerade in Trance ist, und die Stunde ist um, bevor Sie Ihre Arbeit mit ihm abgeschlossen haben - wenn er gerade mittendrin ist? Vor solchen Situationen steht man öfter, und damit muß man umgehen können. Ich nenne meine Techniken dafür »Abschlußformeln« (clean-up routines). Zum Beispiel bei der Familientherapie: die Mutter sitzt hier, der Vater hier und die kleine Joan da drüben.
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re Personen haben. Den ersten Traum wird er überhaupt nicht verstehen, denn da passieren zu viele Sachen auf einmal. Auch den zweiten Traum wird er nicht richtig verstehen, aber unbewußt wird er mit jedem Traum nach und nach Bedeutung und Sinn aller beteiligten Faktoren sammeln und herausdestillieren, so daß sich ein immer stärker zusammenhängendes Bündel von Einsichten ergibt. Auf diese Weise wird schließlich beim sechsten Traum auch sein bewußter Verstand in der Lage sein zu verstehen, was vor sich geht. Der erste Traum wird total verwirrend sein, der zweite ein bißchen weniger, und der dritte noch weniger. Beim vierten wird ihm langsam etwas klar, aber ganz wird er es noch nicht erfassen, beim fünften wird er das Gefühl haben, es läge ihm auf der Zunge, aber beim sechsten wird plötzlich die Bedeutung voll in seinem Bewußtsein aufsteigen. Das ist eine ganz direkte Möglichkeit, so etwas indirekt hinzubekommen. Bitte teilen Sie sich jetzt in Paare auf und probieren Sie eine dieser Anwendungsmethoden aus. Die Induktionen haben Sie jetzt schon eine ganze Weile geübt, also halten Sie sich damit nicht allzu lange auf. Sagen Sie Ihrem Partner nur, er soll die Augen schließen, sich entspannen und so tun, als wäre er in Trance. Das ist immer die schnellste Induktion. Dann geben Sie ihm entweder eine Prozeß-Instruktion oder die Anweisung, in hypnotischen Träumen etwas zu lernen. Wenn Sie eine Prozeß-Instruktion geben, dann bitte ausführlicher als vorher bei den Induktionsübungen. Geben Sie ihrem Partner eine Reihe von Instruktionen, mit denen Lernprozesse eingeleitet werden. Und setzen Sie alles andere ein, was Sie bisher schon gelernt haben. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, können Sie es in das, was Sie gerade tun, und in das, was Ihrer Vorstellung nach passieren soll, inkorporieren. Fangen Sie an. Abschlußformeln
Alle drei haben gerade mit einer Auseinandersetzung angefangen, und in zwei Minuten kommt Ihr nächster Patient. In solchen Situationen sollten Sie immer eine »Zwei-Minuten-Platte« im Kopf haben - absolut bedeutungslos, was den Inhalt betrifft, und absolut bedeutungslos, was den Prozeß betrifft - um die Einzelteile wieder zusammenzufügen. »Wir haben heute sehr hart gearbeitet, und auf der unbewußten Ebene sind viele Dinge aufgewirbelt worden, die Ihnen auf positive Weise außerordentlich nützlich werden können. In den nächsten lagen und Wochen werden Sie merken, wie aus Ihrem Unbewußten die entsprechenden Einsichten langsam aufsteigen. Nachdem Sie hier nun begonnen haben, Dinge, die zusammengehören, zusammenzufügen, werden Sie in Ihrem Verhalten Veränderungen und Entwicklungen feststellen, von denen Sie freudig überrascht sein werden. Und nun, wenn jeder seine Persönlichkeitsanteile, die heute hier zu Wort gekommen sind, wieder in sich selbst sammelt, können Sie spüren, daß die Energie, die diese Anteile bergen, es Ihrem Unbewußten ermöglicht, den Prozeß, den wir hier begonnen haben, auf sinnvolle Weise fortzusetzen...« Das ist auch wieder ein Beispiel für eine Prozeß-Instruktion. Sie bleiben völlig auf der Prozeßebene und sagen: »Sammeln Sie sich und nehmen Sie sich zurück.« Sie schließen post-hypnotische Suggestionen mit ein, nämlich, daß sich als Ergebnis der vielen Dinge, die Sie aufgerührt haben, das Verhalten weiter ändern wird. Die Instruktion besagt im Kern: »Machen Sie so weiter, auch wenn ich nicht dabei bin.« Sie können jemandem auch suggerieren, daß sein Unbewußtes weiter nach einer optimalen Lösung suchen wird, mit der es ihn dann am nächsten Morgen, kurz bevor er erwacht, überraschen wird. »Und den Nachmittag über wird Ihr Unbewußtes weiter intensiv daran arbeiten, verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu suchen und auszuprobieren, um schließlich diejenige herauszufinden, die als einzige Ihre Bedürfnisse vollkommen erfüllt, und es wird Ihnen dabei die Freiheit lassen, mit der bewußten Wahrnehmung den Rest des Tages sicher zu bewältigen und jede Aufgabe, der Sie sich zuwenden, zufriedenstellend zu vollenden. Während also das Unbewußte diese Arbeit weiterführt, kann sich Ihr Wachbewußtsein den Aufgaben des Tages widmen und über Ihre Sicherheit wachen. « So etwas ist genauso wichtig wie der eigentliche Abschluß
Die nächste Frage, die wir Ihnen stellen wollen, lautet: »Wie können Sie mit einer Serie von Erfahrungen und Erlebnissen einen Lernprozeß aufbauen?« Wenn ich Ihnen einen Zauberstab geben
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der Stunde. Es ist eine Art Integration; die Person wird wieder »zusammengefaßt«. Ich erinnere mich, wie ich das erste Mal Gestalttherapie gemacht habe: da habe ich zur Demonstration in einer Gruppe mit jemandem gearbeitet. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich da tat, und soweit ich erkennen konnte, passierte überhaupt nichts. Deshalb sagte ich dann am Ende: »Also, Irv, wir haben heute hart gearbeitet und viel in Ihnen aufgewühlt. Darum möchte ich, daß Sie in den nächsten zwei Wochen, bis wir wieder zusammentreffen, die auftretenden Verhaltensänderungen ganz besonders sensibel und aufmerksam registrieren. Sie sind das direkte Resultat der beachtlichen Arbeit, die Sie heute hier geleistet haben. Und wundern Sie sich nicht, wenn Sie entdecken, wie radikal diese Veränderungen sind und doch genau Ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechen.« Das sagt überhaupt nichts - aber es hat seine Wirkung; es ist eine post-hypnotische Suggestion. Wenn Sie hier im Laufe des Workshops bei einer Übung gerade mit Trance arbeiten und schnell abschließen wollen, weil wir Sie zurückrufen, dann machen Sie erst ein paar Augenblicke Pacing mit dem Atem Ihres Partners. Und dann können Sie sagen: »Nun hätte ich gerne die Möglichkeit, wieder mit Ihnen zusammenzukommen . . . Lassen Sie n u n . . . diese wichtigen und bedeutungsvollen Dinge... ausklingen,... die Ihnen in diesem Prozeß... zugänglich geworden sind... Gewinnen Sie aus diesem Erlebnis für sich selbst soviel Erfrischung... und Erneuerung... wie es Ihnen möglich i s t . . . und kommen Sie hierher zurück... so schnell, wie Sie mögen... wieder zu mir hier in den R a u m . . . damit wir die nächste Phase des Seminars beginnen können.« Das ist eine Abschlußformel, die zu dem, was Sie hier in dem Seminar tun, besonders gut paßt. Ich habe sie nach genau denselben Prinzipien konstruiert wie die anderen Beispiele, die ich Ihnen schon gegeben habe. Generalisierungen aufbauen: Eine therapeutische Nutzung der Hypnose
würde, mit dem Sie jemandem fünfmal auf den Kopf tippen und ihm so fünf Erfahrungen vermitteln könnten, mit welchen fünf könnten Sie denn bewirken, daß er sich ändert? Stellen Sie sich einen Ihrer Klienten vor und überlegen Sie, was Sie gern an ihm anders hätten. Und formulieren Sie es konkreter als: »Er soll ein besseres Selbstwertgefühl haben.« Welche beobachtbaren Veränderungen könnte man bei ihm feststellen? In welcher Weise würde er sich anders verhalten? . . . Also, welche Erfahrungen braucht er, damit er so handeln kann? Sehen Sie, bei Ihnen und allen anderen Leuten sind durch bestimmte Abfolgen von Erlebnissen bestimmte Generalisierungen entstanden. Egal, welchen Inhalt Ihre Generalisierungen haben, der Prozeß, wie Leute sie schaffen, ist immer gleich. Leute mit Phobien haben Generalisierungen in bezug auf Fahrstühle, Klosetts, Wasser oder andere gefährliche Dinge. Sie alle hier haben Generalisierungen, was das Lernen betrifft, und die haben einen Einfluß darauf, wie Sie hier die Hypnose lernen. Vielleicht gibt es bei manchen von Ihnen die Generalisierung, daß sie alles, was sie versuchen, auch können. Dem mag zugrundeliegen, daß sie in der Vergangenheit oft Erfolg hatten. Manche Leute bilden Generalisierungen, die nur auf einer einzigen Erfahrung beruhen. So entstehen die meisten Phobien. Andere Leute brauchen mehrere Beispiele für ein und dieselbe Sache, bevor sie eine Generalisierung vornehmen. Wenn Sie jemanden verändern wollen, können Sie ihm Erfahrungen vermitteln, aufgrund derer er eine neue und nützlichere Generalisierung lernen kann - eine, die sein Leben positiver gestaltet. Natürlich ist dann das erste, was Sie entscheiden müssen, welche Generalisierung er aufbauen soll. Wie können Sie die herausfinden? Teilnehmer: Ihn fragen, was er bei jemand anderem bewundert. Ja, das könnten Sie tun, dann finden Sie heraus, was ihm seiner Meinung nach guttun würde. Ich mache das nicht so. Ich denke mir, wenn das, was er gern möchte, wirklich gut für ihn wäre, hätte er es längst gelernt. Übrigens: Die »Man-soll-die-Leute-nicht-beeinflussen«-Philosophie kaufe ich keinem ab. Nach meiner Meinung tut man es dann schließlich doch, ohne es zu merken. Ich begegne dauernd Leuten, die das Ergebnis von solchen Beeinflussungen sind. Als ich meine
Privatpraxis hatte, waren mehr als die Hälfte der Leute, die zu mir kamen, deshalb da, weil sie von irgendwelchen Therapeuten verpfuscht worden waren - häufig von »nondirektiven« Therapeuten. Manche Therapeuten erzählen ihren Klienten zum Beispiel etwas über das Selbstwertgefühl - und dann fangen diese an, sich mies zu fühlen, weil sie es nämlich nicht haben. Das passiert immer wieder. Die meisten Leute haben sich, bevor sie zu einem Therapeuten gingen, nie wegen ihres miesen Lebensgefühls mies gefühlt. Sie haben sich einfach nur mies gefühlt. Aber nachdem man sie über das Selbstwertgefühl aufgeklärt hatte, kamen sie sich deswegen mies vor, weil sie sich mies fühlten, und dann ging es ihnen noch mieser! Wenn Sie den Leuten solche Konzepte vermitteln, müssen Sie darauf achten, daß Sie das auch so tun, daß es sie irgendwie weiterbringt. Manche Therapeuten bringen ihren Klienten bei, alle ihre Einschränkungen im Leben zu akzeptieren, damit sie dann glücklich sind. Manchmal funktioniert das prima. Andererseits wäre das sicher keine angemessene Art, jemanden zu behandeln, der mit hysterischen Lähmungen zu Ihnen kommt. Teilnehmer: Was meinen Sie mit »glücklich«? Ich rede hier nicht von Philosophie. Ich meine die subjektive Erfahrung, daß man an etwas Freude hat. Es ist ein subjektives, kinästhetisches Erleben, unter Abwesenheit von Schmerz, und das Nervensystem wird in der Weise stimuliert, daß die Leute von sich sagen, daß sie eher das mögen, was sie haben, anstatt ein Verlangen nach etwas anderem zu spüren. Wenn jemand weinend, jammernd und traurig in die Therapie kommt, dann scheint mir, daß er nicht glücklich ist. Wenn Sie als Kliniker Ihr eigenes Leben nicht in Ordnung haben, wird es Ihnen sehr schwer fallen, eine Grundlage zu finden, auf der Sie anderen helfen können. Als ich ein über längere Zeit laufendes Ausbildungsseminar leitete, war einer der rigorosesten Bestandteile des Programms, daß meine Studenten ihr Privatleben in Ordnung bringen mußten - sofort! Ich hatte nämlich mitbekommen, daß sie jede Nacht lange, inhaltsschwere Gespräche mit ihren Frauen führten, bei denen aber nichts herauskam, und dann meinten sie, sie müßten irgendwelche Affären anfangen. Ich wollte sie aus dem Seminar rausschmeißen. Sie wußten, daß ich konse-
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quent sein würde, also brachten sie ihr Privatleben schnellstens in Ordnung. Für mich ist es von unermeßlicher Bedeutung, daß die Leute auf sich selbst achtgeben können. Ich meine jetzt nicht das einfache Überleben, sondern daß sie sich selbst Orte schaffen, wo sie sich wohlfühlen. Ich witzele oft über mein nächstes Buch, das den Titel hat: »O.K. ist nicht gut genug.« Das Paradigma der Wiederherstellung ist für mich nicht brauchbar. Das Paradigma der Psychotherapie, daß die Menschen unglücklich und gebrochen kommen und man alles wieder zusammensetzt, ist das Paradigma »Wiederherstellung«. Das ist nur ein Teil des Ganzen. Mir scheint es sinnvoller, Modelle zu entwickeln, die auf Kategorien des Neuschaffens aufbauen. Im Bereich der körperlichen Gesundheit fangen die Leute jetzt gerade damit an. Lange Zeit dachte die gesamte Medizin nur ans Wiederherstellen der Gesundheit. Aber das einzig wirklich Erstaunliche, was die Medizin geleistet hat, sind die Impfungen. Die Tatsache, daß man jemandem eine Spritze mit Impfstoff gegen Polio geben kann, die dann tatsächlich verhindert, daß er daran erkrankt, ist ein Wunder. Das ist das Beste, was die Medizin je geleistet hat, und das basiert mit Sicherheit nicht auf dem Denkschema, etwas zu reparieren, was kaputtgegangen ist. Wenn Sie kreativ sind, modifizieren Sie die Dinge so, daß sie hinterher besser sind als vorher. Sie benutzen die natürlichen Tendenzen des Systems, um das System noch effektiver zu machen. Das trifft meiner Meinung nach auf alles zu. Ich möchte mit dem, was zur Verfügung steht, so arbeiten, daß es besser wird, als es unbedingt sein muß - nicht nur eben ausreichend. Mein persönliches Kriterium dafür, ob ich erfolgreiche Arbeit geleistet habe, ist, ob die Leute glücklicher sind als vorher. Das sind meine eigenen ethischen Maßstäbe. Sie können ja daraufhinarbeiten, jemanden unglücklich zu machen, wenn Sie wollen. Sehen Sie: Was Sie auch tun, sie haben dabei irgendwelche Zielvorstellungen. Wenn Sie Rechtsanwalt sind, arbeiten Sie nicht aufs Glücklichsein hin, sondern wollen andere Menschen überzeugen. Wenn Sie klinisch arbeiten, setzen Sie sich hoffnungsvoll zum Ziel, daß die Leute glücklich sind und fähig, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Für viele Therapeuten ist das Ziel der Therapie die Einsicht auf
seiten des Patienten. Die Kliniker haben mit großem Erfolg Paradigmen produziert, die den Leuten Einsichten vermitteln, so daß sie genau verstehen, was mit ihnen schiefläuft. Dabei kommen dann Klienten heraus, die wirklich alles einsehen, aber immer noch nicht mit der Welt klarkommen und nicht glücklich werden können. Ich habe Dutzende von Klienten von anderen Therapeuten überwiesen bekommen, Klienten, die mir eine lange, detaillierte Erklärung darüber geben, woher ihre Probleme kommen, warum sie sie haben und wie sie ihr Leben beeinträchtigen. Ich sage dann immer: »Sehr interessant, aber was wollen Sie?« Dann antworten sie: »Ich möchte, daß es anders wird!« Und ich erwidere: »Warum erzählen Sie mir dann dieses ganze Zeug?« Sie sagen dann: »Nun, müssen Sie das nicht alles wissen?« Und ich sage immer: »Nein, das brauche ich nicht.« Sie sind jedesmal verblüfft, denn sie haben schließlich fünf Jahre gebraucht und 50000 Dollar ausgegeben, um herauszufinden, warum sie verkorkst worden sind! Eheleute machen sich oft gegenseitig unglücklich, weil sie sich das »Rechthaben« zum Ziel gesetzt haben. Das endet schließlich damit, daß vielleicht jeder recht hat, aber im Endeffekt beide unglücklich sind. Wir wollen Ihnen hier beibringen, wie Sie mit Hilfe der Hypnose Lernprozesse aufbauen können. Mit diesen Techniken können Sie jedes Ergebnis, das Sie wünschen, erreichen. Wenn Sie wollen, können Sie damit Leute unglücklich machen. Sie können sie krank machen oder bei ihnen hysterische Lähmungen und Phobien erzeugen. Aber solche Dinge erscheinen mir nicht allzu nutzbringend. Wenn Sie aber so etwas tun wollen, ist das eine ethische Entscheidung, die Sie allein zu treffen haben. Die Frage, die ich nun an Sie richte, lautet: »Wie können Sie jemandem solche Erfahrungen vermitteln, daß er daraus sinnvolle Generalisierungen entwickeln kann?« Das ist eine praktische Frage. Teilnehmer: Wenn er bereits eine problematische Generalisierung hat, könnte man ihm ein Gegenbeispiel geben. Ja, das funktioniert. Ich glaube, es gibt viele Möglichkeiten, etwas zu lernen. Wenn man dem bewußten Verstand etwas beibringen will, ist es eine der besten Methoden, ein Gegenbeispiel zu dem zu liefern, was er die ganze Zeit geglaubt hat. Dafür gibt es ein hübsches Beispiel in unserem Buch »Die Struktur der Ma-
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gie I«: Eine Frau, die nicht »nein« sagen konnte, lag einmal in einer unserer Gruppen auf dem Boden und begann, hysterisch zu schreien. Sie schrie, sie sei hilflos und die Leute würden immer über sie hinweggehen. Ich fragte: »Was meinen Sie mit >Die Leute gehen über mich hinweg« Dann begann ich, durch den Raum auf sie zuzugehen, um über sie hinwegzutrampeln. Weil sie schon genügend Gruppen bei mir mitgemacht hatte, ist sie schnell genug aus dem Weg gegangen. Sie erzählte dann, sie lebe mit zwei anderen Frauen zusammen, die alle Arbeit ihr aufbürdeten und über ihr Leben bestimmten. Ich sagte: »Nun, warum drehen Sie sich denn nicht einfach um und sagen: >Das mach' ich nicht« Als ich das sagte, habe ich eine der intensivsten nonverbalen Reaktionen bekommen, die ich je bei einem Menschen beobachtet habe. Sie wurde noch blasser, als sie ohnehin schon war, und sagte: »Das kann ich nicht.« Ich sagte: »Wie meinen Sie das, Sie können das nicht?« »Also, ich kann nicht >nein< sagen.« Ich fragte: »Was würde denn passieren, wenn Sie mal sagen, daß Sie nicht abwaschen oder etwas anderes nicht tun?« Sie sagte: »Ach, das ist einfach nicht möglich.« Schließlich erzählte sie uns eine der üblichen Geschichten, eine rechte Freude für jeden Psychiater. Sie hatte als kleines Mädchen nie gelernt, »nein« zu sagen. Eines Tages, als sie mit ihrer Mutter einkaufen gehen wollte, sagte ihr Vater zu ihr: »Warum bleibst du nicht hier bei mir zu Hause?« Sie sagte: »Nein, ich will mit Mutti mitgehen.« Also ging sie mit ihrer Mutter einkaufen, und als die beiden zur Wohnung zurückkamen, lag der Vater blutüberströmt am Boden, seine Hand war nur ein kleines Stück vom Telefon entfernt. Er war Alkoholiker gewesen und war nun tot. Danach sagte sie nie wieder »nein«. Das bedeutete wohl auch, daß sie nicht lange Jungfrau blieb. Sie war interessanterweise lesbisch. Diese eine Erfahrung mit ihrem Vater hat ihr gereicht, um eine Generalisierung aufzubauen, die besagte, daß der andere sterben würde, wenn sie »nein« sagt. Ich versetzte sie in eine »double-bind-situation«: Ich sagte, sie solle zu jemandem auf der anderen Seite des Raumes gehen und »nein« zu ihm sagen. Und sie sagte: »Nein, das mache ich nicht.« Als ich dann sagte: »Und - bin ich gestorben?«, fragte sie »Was?« Ich antwortete: »Eben haben Sie >nein< zu mir gesagt. Bin ich nun
tot?« Wieder konnte man eine Reihe von Veränderungen an ihr beobachten, und dann sagte sie: »Also, Sie sind ein Sonderfall.« Das Erlebnis, das ich ihr vermittelt hatte, war ein Gegenbeispiel zu ihrer Generalisierung, daß die Leute sterben, wenn sie »nein« sagt. Von da an konnte sie zu mir »nein« sagen und wußte, daß ich weiterlebe, aber sie konnte zunächst zu niemand anderem »nein« sagen. Also Keß ich andere Teilnehmer nach vorn kommen und ihr sagen, sie solle »nein« sagen. Die Erfahrung mußte auf eine breitere Basis gestellt werden, damit sie handlungsfähiger wurde. Das hat lange Zeit gedauert. Sehen Sie, es ist irgendwie schrecklich zu wissen, daß etwas mit einem selbst nicht stimmt, aber nicht zu wissen, wie man es anders machen kann. Damals habe ich noch nicht die Hypnose beherrscht; hätte ich es schon gekonnt, darin hätte ich ihre Generalisierung viel leichter, sanfter und ohne den ganzen schmerzvollen Kampf verändern können. Lassen Sie mich eine andere Möglichkeit aufzeigen, Generalisierungen aufzubauen: Jedesmal, wenn Sie etwas als neu definieren, können Sie diesbezüglich neue Generalisierungen aufbauen, und zwar ohne die schon vorhandenen zu zerstören oder zu ändern. Suchen Sie mal ein Beispiel, wann so etwas sinnvoll wäre. Teilnehmer: Macht man das nicht auch bei Kindern? Hoffentlich. Aber Sie sollen mir ein konkretes Beispiel geben. Teilnehmer: Wenn Sie jemandem das Multiplizieren beibringen und er bis jetzt keine Ahnung davon hatte, dann können Sie ihm eine Generalisierung über das Lernen von Multiplikationen vermitteln, ohne eine andere damit in Frage zu stellen. Stimmt. Judy: Da kann ich nicht zustimmen. Vielleicht braucht man keine Generalisierungen in Frage zu stellen, wenn man den Kindern das Addieren beibringt. Aber wenn ich meinen Kindern die Multiplikation beibringe, sage ich, daß sie auf der Addition aufbaut. Es ist so ähnlich wie addieren, nur ein bißchen anders. Deswegen glaube ich, bei dem Beispiel muß man doch alte Generalisierungen verändern. Sinngemäß hat Judy gerade gesagt: »Wenn ich meinen Kindern die Multiplikation beibringe, muß ich doch Generalisierungen umwerfen, weil ich ihnen beibringe, daß es wie addieren ist.« Ich stimme ihrer Argumentation zu. Aber der Grund, warum sie die
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früheren Generalisierungen in Frage stellen muß, ist der, daß sie meint, Multiplikation und Addition hängen zusammen, und das den Kindern auch so vermittelt. Sie hängen ja auch tatsächlich zusammen, aber nicht mehr oder weniger als die Addition auch mit Subtraktion oder Division oder Exponenten oder sonstwas zusammenhängt. Wenn Sie die Multiplikation als etwas ganz Neues vermitteln, dann brauchen Sie auch keine alten Generalisierungen zu ändern. Teilnehmer: Dieser Hypnoseworkshop hier ist auch ein Beispiel. Ich habe nichts über Hypnose gewußt, bevor ich hierher kam. Für mich ist es ein ganz neues Lernen, darum stelle ich damit keine meiner Generalisierungen über das Leben und das Dasein in Frage. Da ich davon ausgegangen bin, daß es auf diesem Gebiet keine alten Generalisierungen gibt, habe ich eben neue aufgebaut. Lassen Sie mich festhalten, daß es also mindestens zwei Möglichkeiten gibt, neue Generalisierungen zu entwickeln: Eine ist, eine alte aufzubrechen, und die andere ist, einfach eine neue herzustellen. Sehen Sie, das Schöne an den Menschen ist, daß sie durchaus unvereinbare Generalisierungen in sich vereinbaren können, nichts kann sie daran hindern. Es gibt eine ganze Therapierichtung, die darauf basiert, daß man versucht, alle seine unvereinbaren Generalisierungen loszuwerden, so daß man schließlich völlig eindimensional ist. Innerhalb dieses Systems bedeutet »authentisch sein«, daß man völlig konsistent denkt und fühlt. Dabei ist es gar nicht nötig, alte Generalisierungen aufzubrechen oder jemanden zu einer völlig konsistenten Persönlichkeit zu machen. Es ist vielleicht einfacher, wenn Sie das, worum es geht, neu definieren, so daß die betreffende Person in dem Punkt noch keine Generalisierungen und damit keine Einschränkungen hat. Das heißt noch nicht, daß diese Person weiß, was zu tun ist, aber es heißt, daß ihr, wenn sie einen Weg findet, keine Hindernisse entgegenstehen. Das Gute ist, daß man alles, was existiert, neu definieren kann. Wenn Sie die Generalisierung haben, daß Sie mit Ihrem Partner nicht zurechtkommen, können Sie sich statt »zurechtkommen« etwas anderes zum Ziel setzen. Dann können Sie eine völlig neue Art von Beziehung aufbauen, die sich in allem von der unterscheidet, die Sie vorher hatten. Denn Sie beginnen nun, etwas zu verstehen, von dem Sie vorher kaum etwas geahnt haben. Vorher haben Sie
nur versucht zu überleben. Sie haben versucht, sich durchzusetzen oder recht zu behalten. Sie haben niemals innegehalten und überlegt, wie es wäre, wenn jeder von Ihnen alles tun würde, um seinen Partner dahin zu bringen, daß er es dem anderen gutgehen läßt. Wenn ich Ihnen ein neues Ziel setze und Ihnen, bewußt oder unbewußt, Einzelheiten vermittle, wie man dahin kommt, können Ihre anderweitigen Beschränkungen Ihnen auch erleichtern, das zu schaffen. Sie werden Ihrer neuen Generalisierung nicht im Wege stehen; sie werden dann im Weg sein, wenn Sie all die gewohnten Dinge tun wollen, mit denen Sie gescheitert sind. Auf diese Weise können die Grenzen, die jemand hat, auch zu seinem Vorteil gereichen. Eine weitere Möglichkeit, wie Sie Generalisierungen unbewußt aufbauen können, sind Lernprozesse, die für alles gelten. In der griechischen Antike gab es eine okkulte Gruppe, die sich mit Mathematik beschäftigte. Heute wird die Mathematik als Wissenschaft betrachtet, aber vor nicht allzulanger Zeit wurden die Leute, die sich damit beschäftigten, für Zauberer gehalten und spähen sich auch selbst so. Es war wie die Anwendung der Magie oder eine Art Religion. Die Mathematiker jener Zeit entdeckten, daß es zwei verschiedene Arten von Zahlen gibt: Zunächst gab es nur die positiven Zahlen; dann entdeckten sie die Subtraktion und damit die negativen Zahlen. Das führte zu einer Spaltung unter den Mathematikern: Einige meinten, alles sei nach wie vor als Addition aufzufassen, und die anderen glaubten, die einzig richtige Auffassung von den Zahlen sei die Subtraktion. Beide Gruppen bekämpften einander ernsthaft, weil jeder recht behalten wollte. Dann kam jemand daher und meinte: »Hey, wir können doch die beiden Prinzipien in ein Schema packen, und dann nennen wir es Algebra.« Dafür brauchte man keine der alten Generalisierungen in Frage zu stellen, auch sonst brauchte nichts mit Gewalt verändert zu werden. Man brauchte nur etwas Neues in sein Denksystem aufzunehmen und seinen Horizont zu erweitern. Früher bin ich zu vielen Psychotherapiegruppen gegangen, um herauszufinden, was die Gruppenleiter eigentlich machen. In einem Seminar wurden wir alle in einen Raum eingeschlossen, und man erklärte uns, wir seien jämmerliche Dummköpfe, und zwar weil wir uns selbst nicht leiden mögen. Sie sagten, weil wir uns
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manchmal dumm und hilflos fühlen und meinen, wir seien nichts wert, deswegen seien wir Statisten. Sie hatten recht, denn wir hatten ja andere Möglichkeiten. Eigentlich hätten wir uns auch gut finden können. Sie haben uns tagelang rigoros mißhandelt, irgendwie meinten sie wohl, dadurch würden wir besser zu uns selbst finden. Was sie uns nicht beigebracht haben, war, daß die Tatsache, ob man sich selbst gut oder schlecht findet, Teil eines größeren Zusammenhangs ist, den wir Feedback nennen. Sehen Sie, wenn Sie sich elend fühlen, ohne daß Sie daraufhin Ihr Verhalten ändern und sich dann wohler fühlen können, dann bringt das nichts. Wenn Sie sich selbst in Ordnung finden, aber laufend Dinge tun, die anderen wehtun, ohne darüber Feedback zu bekommen, dann ist das auch nicht viel besser. Nur weil Sie selbst sich in Ordnung finden, ist noch lange nicht gesagt, daß das, was Sie machen, auch wirklich gut ist. Und wenn Sie Gutes tun, heißt das noch nicht, daß Sie sich hinterher auch gut fühlen. Zu den Dingen, die ich mehr als alles andere an den Menschen erstaunlich finde, gehört die Tatsache, daß Leute, von denen man meint, sie lieben einander, sich faktisch bekämpfen. Und wenn sie streiten, dann tun sie Dinge, die in der Tat ihre Beziehung für lange Zeit negativ beeinflussen können. Meistens passiert das, weil sie vergessen, was sie miteinander machen. Sie vergessen, daß sie eigentlich zusammen sind, um einander vertrauen zu können und fangen an, sich darüber zu streiten, wohin sie in Urlaub fahren wollen, wie die Kinder erzogen werden sollen, wer den Mülleimer wegbringt und andere dumme Sachen. Und sie schaffen es wirklich perfekt, daß sie sich schließlich beide elend fühlen. Sie haben das vergessen, was dem Ganzen einen Sinn geben würde. Ich möchte Ihnen nun ein deutlicheres Hypnosebeispiel zeigen, denn kaum einer von Ihnen schaut sich um und bemerkt, was hier im Raum abläuft. Deshalb hätte ich gern, daß jemand aus dem Publikum hier heraufkommt. Es hat gewisse Vorzüge, wenn man auf diesem Stuhl hier sitzt, denn Sie können hier hundert Leute auf einmal dabei beobachten, wie sie in veränderte Bewußtseinszustände fallen und wieder daraus auftauchen, und die sehen nur einen. Gibt es einen Freiwilligen im Publikum? Gut. Linda, sind Sie verheiratet? (Ja.) Fällt Ihnen irgend etwas ein, was Ihr Mann manchmal tut und was Sie überhaupt nicht
mögen? Sie brauchen nichts davon zu erzählen. Aber stellen Sie sich bitte dazu ein entsprechendes Verhalten von ihm vor, etwa einen bestimmten Tonfall in der Stimme, bestimmte Gesten, bestimmte Bewegungen - die Ihnen unangenehm sind. Wenn er sich nicht mehr so verhalten würde, brauchten Sie sich nicht wieder so unwohl zu fühlen. Wenn er es aber beibehält, würde es Ihr Zusammenleben sehr erleichtern, wenn Sie in Zukunft positiv darauf reagieren. Dann könnte er weiter das tun, was er immer tut, aber statt daß es Sie beeinträchtigt, können Sie sich einfach dabei wohlfühlen - vielleicht fühlen Sie sich dann sogar ganz prima... Lassen Sie sich etwas Zeit. Schließen Sie Ihre Augen und stellen Sie sich verschiedene Situationen vor, in denen Sie diese Dinge an ihm beobachtet haben. Und wenn Sie ihn dabei anschauen, möchte ich, daß Sie ganz sicher gehen... daß Sie unterscheiden können... welche Hand er mehr bewegt... Bei jeder Situation achten Sie besonders darauf, wie er angezogen w a r . . . und welche Tageszeit es ungefähr w a r . . . Nicht, daß diese Tatsachen an sich wichtig w ä r e n . . . denn die Dinge, die hier wichtig sind... müssen nicht unbedingt Tatsachen s e i n . . . Denn in Ihrer Vergangenheit haben Sie oft die Erfahrung gemacht... daß etwas, was für Sie eine feststehende Tatsache w a r . . . sich ins Gegenteil verkehrte... Das hegt in der Natur der Z e i t . . . Die Zeit ändert alles... Wirklich, ohne die Z e i t . . . ändert sich nichts... Es gäbe ohne Bewegung kein Licht, und Bewegung entsteht nicht ohne die Z e i t . . . Und jetzt möchte ich, daß Sie sich Zeit nehmen, von hier fortzugehen, weit zurück in Ihre Kindheit, wo Sie dann einige schöne Erinnerungen finden, an die Sie schon lange nicht mehr gedacht haben... Denn in der Kindheit haben Sie viel erlebt... Dinge, die Spaß gemacht haben... Dinge, die wichtig waren... Und jetzt ist das Wichtigste... daß Ihr Unbewußtes... zu lernen beginnt... eins vom anderen zu trennen... Es beginnt aktiv zu arbeiten... um diese Kindheitserinnerungen zu sortieren... und dann eine zu finden, die gerade... erfreulich... genug ist. Und dann will ich, daß S i e . . . so ist es richtig... diesen Vorgang genießen... Wenn Sie diese angenehme Erinnerung finden, dann erleben Sie auch die Gefühle dazu wieder... Gehen Sie in die Erinnerung hinein... Achten Sie auf die Gerüche und Geräusche und auf den Geschmack^... dessen, was da vor sich g e h t . . . Denn
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an dieser Erinnerung... findet Ihr Bewußtsein F r e u d e . . . Und sie enthält... eine Basis, die Ihr Unbewußtes... verwenden kann, um ganz neue Lernprozesse aufzubauen... Und nun taucht in dieser Erinnerung... dieser angenehmen Erinnerung... etwas auf... Wissen Sie, wie dieses Etwas heißt? . . . Das ist richtig... Erinnern Sie sich an den Namen... Es sind mehrere Wörter... an die Sie sich später erinnern können. Nun, als Sie so durchs Leben gingen... gingen Sie von einer Erinnerung zur anderen. Nur, daß es damals noch nicht Erinnerungen waren, sondern Erfahrungen... Und wie Sie so eine Erfahrung nach der anderen machten... gab es oft erfreuliche Erfahrungen . . . aber mit der Z e i t . . . wandelte sich Ihre F r e u d e . . . denn es gab auch Erfahrungen, die sehr, sehr unangenehm waren . . . einige, die Sie tief verletzten... solche, durch die Sie sich hindurchkämpfen mußten... und aus denen Sie eine Menge über das Leben lernen konnten... So ist es richtig... Und wenn Sie solche Erfahrungen überwunden hatten, sagten Sie zu sich selbst: »Nie wieder!« . . . Und mit der Zeit verblaßten diese unangenehmen Erlebnisse der Vergangenheit... und wurden die Grundlage... für entscheidende Lernprozesse... in der Frage, wie man die Welt erfolgreich bewältigen k a n n . . . Das war sinnvoll... aber nicht annähernd so sinnvoll... wie das, was passiert, wenn Sie den Namen... jener schönen Erinnerung sagen . . . Sagen Sie diesen Namen vor sich h i n . . . und wenn Sie es t u n . . . können Sie wieder dorthin zurückgehen. Gehen Sie wieder zurück in diese Erinnerung... die so schön i s t . . . und genießen Sie e s . . . So ist es richtig... Denn Sie haben etwas zu tun vergessen . . . Viele Menschen vergessen... Wenn Sie von einer schönen Erfahrung zu einer unerfreulichen übergehen, benutzen Sie selten das gute Gefühl... um das Unerfreuliche zu bewältigen... Aber umgekehrt, wenn Sie eine unangenehme Erfahrung hinter sich lassen und einer besseren begegnen, passiert es sehr leicht, daß Sie das unerfreuliche Gefühl mit hinübernehmen... Irgendwie scheint es töricht, und doch ist es so herum leichter. Und wenn Sie sich nun etwas Zeit lassen... atmen Sie einmal tief e i n . . . und lassen Sie die unerfreuliche Erinnerung verblassen... und dann gehen Sie weiter... und kehren zu der angenehmen Erinnerung zurück... jener wohltuenden Erinnerung . . . und wenn Sie sich diesmal erinnern... sagen Sie
sich... Das werde ich nie wieder vergessen... Denn manche Ding e . . . sind eine Quelle der Kraft... die Sie gern bei sich haben... damit Sie jederzeit aus ihr schöpfen können... Und manchmal schleppt man Dinge mit sich herum, die eine Last sind... dabei werden sie gar nickt mehr gebraucht... Vor langer Z e i t . . . erzählte mir eine Tante... daß ich, wenn etwas Schlimmes passiert... es niemals vergessen soll, denn wenn ich es jemals vergäße, würde es mir wieder passieren... Wenn ich ihrem Rat gefolgt wäre, hätte ich eine Menge Zeit damit verbracht, mich an schlimme Dinge zu erinnern... Aber wenn Sie eine schlechte Erfahrung machen und sich dann sagen: »Nie wieder« . . . können Sie sich darauf verlassen, daß Ihr Unbewußtes Sie in Zukunft wissen läßt, was Sie zu vermeiden haben... Und wenn Sie nun sagen: »Vor ein paar Augenblicken habe ich vergessen, diese schöne Erinnerung mitzunehmen und mich dann plötzlich elend gefühlt, und das will ich nie wieder tun« . . . dann können Sie zurück ins Genießen gehen... zu der schönen Erinnerung... und vielleicht fällt Ihnen eine andere ein, die noch schöner i s t . . . Finden Sie eine schöne Erinnerung, bei der vielleicht ein kleines Lachen dabei i s t . . . vielleicht auch Zärtlichkeit... oder eine, bei der es einfach viel Spaß g i b t . . . Denn Sie haben Ihre Kindheit durchlebt... Sie wurden ein Teenager... und heute sind Sie erwachsen . . . Man kann sagen, Sie haben es geschafft. Aber daß Sie es geschafft haben, ist kein Grund, all das Gute aus der Vergangenheit aufzugeben... es bringt viel mehr, wenn Sie es mitnehmen . . . Schauen Sie nach, was die allerschönste Erinnerung ist, die Ihr Unbewußtes finden k a n n . . . Sie können auch bewußt nach Erinnerungen suchen, aber unbewußt können Sie Ihre Erinnerungen viel schneller ordnen... und viel effektiver... Ihr Unbewußtes weiß viel mehr über Ihr Erleben als i c h . . . und kann mit hoher Geschwindigkeit die Erinnerungen sortieren... bis es eine findet, von der es meint, daran hätte das Bewußtsein nie gedacht: eine, die auf ganz besondere Weise schön i s t . . . Und es kann auch mehr als eine finden, wenn es will. Vielleicht zeigt es Ihnen von der einen ein Stückchen... von einer anderen ein Fragment; vielleicht zeigt es Ihnen auch eine ganze Sequenz angenehmer Erinnerungen . . . Und wenn es das tut... ist Ihnen vielleicht nicht k l a r . . . daß
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Sie dasselbe t u n . . . was Sie in den ersten vier Jahren Ihrer Kindheit und an jedem weiteren Tag getan haben... Sie ordnen Erinnerungen und Erfahrungen und versuchen, daraus einen Sinn abzuleiten . . . so, daß Sie einen Nutzen daraus ziehen können... Und wenn Sie den roten Faden finden... der Ihnen das Gefühl gibt: jetzt ist es gut, dann spüren Sie bitte ganz, ganz langsam, wie Ihre Handflächen... beginnen, sich langsam zu berühren... Sie spüren die Wärme und die Formen... Und wenn sich die Hände aneinanderlegen, möchte ich, daß Sie dieses gute Gefühl behalten... und ich möchte, daß Sie sehen, wie Ihr Mann genau das für ihn typische Verhalten zeigt... das Sie früher nicht mochten... und Sie sollen ihm dabei zusehen... und Ihr gutes Gefühl behalten... und wissen, wie gut es ist, wenn man weiß, daß es auf der Welt jemanden gibt, der zu einem gehört... So ist es richtig... Die wichtigste Erfahrung, die ein Mensch machen k a n n . . . ist, daß es einen anderen Menschen gibt, der ganz allein für ihn da ist. Sehen Sie, wenn Sie einmal einer Frau mit Ihrem Baby zugesehen haben... haben Sie vielleicht bemerkt, wie sie das Baby ansieht, und wenn Sie ihr Gesicht genau anschauen... ist da etwas Besonderes... etwas sehr Bedeutsames... Und diese besondere Eigenart ist viel wichtiger... als alles andere... N u n . . . in all den Jahren, in denen ich mit Menschen gearbeitet h a b e . . . habe ich viele gesehen, die das vergessen hatten... Ich habe Mütter gesehen, die hereinkamen und in meiner Gegenwart ihre Kinder anschrien - sie haben sie beschimpft, geschlagen und dafür gesorgt, daß sie sich schlecht vorkamen... Sie hatten vergessen, wie dieses Gefühl ist und meinten, das, wovon sie gerade reden, sei wichtiger... Das ist ein schrecklicher I r r t u m . . . Wenn Sie sehen, daß Ihr Mann sich in der besagten Weise verhält, dann werden Sie Ihre Handflächen aneinander legen... und wenn Sie das gute Gefühl spüren, das Sie in sich selbst tragen, diesen roten Faden, der innere Freude bedeutet, dann sind es nicht mehr nur Ihre Handflächen, sondern in ihnen bergen Sie etwas ganz Besonderes... Nun, ich weiß nicht... ob Sie es sich leisten können... es anders zu machen... aber ich weiß, daß es für mich, wenn ich durchs Leben gehe, wichtig ist, daß ich lerne, an einem Menschen . . . all die Eigenschaften zu schätzen und zu genießen, die 176
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ihn einzigartig... und individuell machen... und nicht nur ein paar wenige... Denn was Sie hier lernen, ist nicht... daß Ihr Unbewußtes Ihnen hilft, von einem ganzen Menschen nur einen Teil seines Verhaltens zu nehmen und das zu akzeptieren... sondern daß Ihr Unbewußtes beginnen kann, bei einem Menschen jedes für ihn typische Verhalten schätzen zu lernen... Als ich jung w a r . . . mochte ich am Brot die Kruste nicht... Und wenn ich eine Schnitte bekam, habe ich als erstes die Kruste abgemacht und dem Hund gegeben... Ich mußte das heimlich tun, denn meine Mutter war der Überzeugung, daß die Kruste das Gesündeste vom Brot sei. Meine Mutter war ziemlich naiv. Die Zeit verstrich, und ich bekam heraus, daß nicht alles Brot wie Gummi schmeckt. Ich entdeckte, daß es Sorten gibt, bei denen die Kruste richtig gut schmeckt. Französisches Weißbrot, bestimmte Sorten Roggenbrot und bestimmte Zimt-Toasts, die nach einem altem Rezept gebacken werden. Und ich entdeckte, daß sich mit der Zeit mein Geschmack... änderte... von einer Richtung in die andere... und wenn Ihr Geschmack sich verändert... und Sie etwas schätzen lernen... was Sie vorher nicht mochten... erkennen Sie damit besser... und achten mehr darauf... was genau es i s t . . . was eine Sache wichtig macht. Nun, über dies alles hinaus... geht hier gerade noch etwas anderes vor sich... Sie haben nämlich einen Prozeß begonnen... der über viele Jahre weiterlaufen k a n n . . . zu lernen, Ihre unbewußten Möglichkeiten dafür zu nutzen... noch tiefer in eine Trance zu fallen, wenn Sie es möchten... oder einfach n u r . . . mit Ihren eigenen unbewußten Bereichen zu kommunizieren, um zu lernen... und sich zu verändern... Nun, etwas wird Ihnen dabei helfen... denn Sie nehmen wahr, daß das Charakteristische an Ihrem einen Fuß ist, daß er das Gegenstück zum anderen ist. Wenn Sie ganz langsam beginnen, Ihren rechten Fuß zu bewegen, können Sie sich selbst aufwekk e n . . . aber wenn Sie ihn stillhalten... und beginnen, Ihren linken Fuß zu bewegen... wird etwas anderes passieren... Probieren Sie e s . . . interessant, nicht? . . . Nun, benutzen Sie ruhig Ihren rechten F u ß . . . und unter Ihrer eigenen Kontrolle und Selbststeuerung . . . können Sie sich selbst geradewegs hierher zurück in den großen Ballsaal bringen. Gut. Danke. Jetzt können Sie wieder auf Ihren Platz gehen und sich setzen. 177
Was ich eben mit Linda gemacht habe, kann sehr unterschiedlich verstanden werden, denn es war eine Menge darin enthalten. Einiges kam ganz direkt heraus, anderes wiederum nicht. Auf der einfachsten Betrachtungsebene war es eine Prozeß-Instruktion. Sie wurde mit hypnotischen Sprachmustern gegeben und führte Linda durch eine Reihe von Erfahrungen, aus denen Lernprozesse hervorgehen werden. Sie können mein Vorgehen auch als Neuverankerung auffassen. Ich habe positive Erfahrungen aktiviert und diese dann mit den Situationen verknüpft, in denen sie durch ihren Mann irritiert wird. Ich habe ihr verbale Instruktionen gegeben, aber der verbale Teil meines Verhaltens war wahrscheinlich der unwichtigste für mein Ziel, bestimmte Reaktionen bei ihr zu bewirken. Ich habe auch mit Hilfe meines Tonfalls verankert: Einen bestimmten Tonfall habe ich benutzt, um ihre positiven Erinnerungen aus der Vergangenheit zu verankern, und den anderen, um das zu verankern, was ihr Mann tut. Und als ich dann über das Verhalten Ihres Mannes sprach, ging ich zu dem Tonfall über, mit dem die positive Erinnerung verankert war, um ihr auf diese Weise neue Möglichkeiten zu geben, auf ihren Mann zu reagieren. Währenddessen habe ich den Bezugsrahmen verändert: Ich habe die Bedeutung, die das Verhalten ihres Mannes für sie hat, verändert. Wenn sie in Zukunft dieses Verhalten ihres Mannes sieht und hört, wird es für sie ein Zeichen dafür sein, daß er die einzige Person ist, die ausschließlich zu ihr gehört. Ich habe auch noch eine andere Methode benutzt, über die wir hier noch nicht gesprochen haben, und einige, die wir Ihnen bewußt gar nicht mitteilen wollen. Die Methode, die ich meine, ist recht komplex und bedient sich einer Art von Metaphern, die wir nicht oft an andere weitergeben. Sehen Sie, es gibt zwei Arten von Metaphern: eine beruht auf Isomorphismen. Das bedeutet, wenn eine Frau mit zwei Töchtern kommt, die sich dauernd streiten, könnte ich eine Geschichte von einem Gärtner erzählen, der in seinem Garten zwei Rosensträucher hatte, die ineinander verstrickt waren. Wenn Sie mit isomorphen Metaphern Veränderungen herbeiführen wollen, dann erzählen Sie eine Geschichte, die eine l:l-Entsprechung zu dem bildet, was das Problem ist, und dann bauen Sie entweder eine bestimmte Lösung ein, oder Sie lassen es bei einem vieldeutigen, offenen Ausgang. In David Gor-
dons Buch »Therapeutic Metaphors« können Sie mehr über diese Art von Metaphern nachlesen. Es gibt eine weitere Art von Metaphern, um Reaktionen hervorzurufen; sie sind eigentlich Befehle, etwas zu tun oder zu lassen. Sie erreichen die Reaktion, ohne daß die Geschichte notwendigerweise irgendeine Parallele im Leben der betreffenden Person hat. Ich kann zum Beispiel die Geschichte von einem Bekannten erzählen, der völlig überzeugt war, daß seine Art, etwas Bestimmtes zu tun, richtig sei. Er war mit mir und einigen anderen dabei, einen Computer zu entwerfen, und jeder von uns hatte seine eigenen Vorstellungen davon, wie das laufen sollte. Er hatte etwas mit dem Transformator vor, was keiner von uns anderen für durchführbar hielt. Als wir bei unserer Meinung blieben, schrie er uns an, er würde auf keinen Fall seine Zeit damit vergeuden, noch weiter mit uns darüber zu reden. Er sagte, wir hätten keine Ahnung und würden gar nichts verstehen, und er wüßte es besser als wir. Also ging er einfach her, nahm den Transformator, schloß ihn an, betätigte den Schalter und bekam einen elektrischen Schlag, der ihn tötete. Eine solche Metapher ist etwas ganz anderes als der Isomorphismus. Sie ruft beim anderen eine Vermeidungsreaktion hervor. Die Geschichte eben war ein übertriebenes Beispiel für das, was ich tat, als ich Linda vorhin von den Müttern erzählte, die vergessen hatten, warum sie Kinder haben. Ich habe von dieser Art Metaphern noch weitere Beispiele gebraucht. Ich habe eine Geschichte von mir persönlich erzählt und wie sich mein Geschmack ganz von selbst änderte, als ich älter wurde. Die Geschichte hat keine Parallele zu irgend etwas, was ich von Linda weiß: es ist nur eine Geschichte, die eine bestimmte Einstellung bewirkt - nämlich die, daß Dinge sich spontan ändern können. Das ist eine Reaktionsweise, die beim Hypnotisieren sehr nützlich sein kann. Besonders effektiv ist diese Art von Metaphern, wenn Sie Geschichten nehmen, die universell sind. Mit universell meine ich, daß alle Menschen sie in gleicher Weise auf sich beziehen und daher in gleicher Weise darauf reagieren werden. Fast jeder hat erlebt, daß er eine Speise erst nicht mochte und später gerne aß oder umgekehrt, deshalb weiß ich: wenn ich eine solche Erfahrung beschreibe, wird fast jeder darauf gleich reagieren. Er wird zu
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einem Erleben finden, das ihm die Möglichkeit spontaner Veränderungen deutlich macht. Milton Erickson hat diese Methode sehr erfolgreich angewendet. Er versetzte jemanden in Trance und sprach dann mit ihm darüber, wie er das erste Mal zur Schule kam und mit dem Alphabet konfrontiert wurde. »Zuerst erschien es wie eine überwältigende Aufgabe. Aber heute hat jeder Buchstabe in Ihrem Kopf eine bleibende Vorstellung geprägt und ist mit die Grundlage dafür, daß Sie lesen und schreiben können.« Das ist für Menschen unserer Kultur ein universelles Beispiel, wie etwas Schwieriges einfach werden kann. Selbst wenn es nicht auf genau diese Weise gelaufen ist - wenn man als Erwachsener zurückblickt, meint man doch, so sei es gewesen. Das heißt, auf diese Erfahrung können Sie immer zurückgreifen, um zu bewirken, daß sich jemand sagt: Etwas Schwieriges kann leicht werden. Wenn die Leute um Hilfe bitten, weil sie sich ändern wollen, kann man sicher sein, daß das Sich-Ändern ihnen schwierig erscheint. Deshalb kann es äußerst hilfreich sein, ihnen die Einstellung zu vermitteln, daß etwas Schwieriges einfach wird. Erickson sprach oft mit seinen Klienten darüber, wie es war, als sie noch klein waren. Er sagte dann immer: »Und als Sie noch ein ganz kleines Kind waren und nur krabbeln konnten, sahen Sie nur die Füße der Menschen und die Tischbeine und hatten ein bestimmtes Bild von der Welt. Als Sie dann das erste Mal aufrechtstanden, gab es eine ganze Reihe neuer Sinneseindrücke; die ganze Welt sah nun anders aus. Und wenn Sie sich vornüber beugten und durch die Beine nach hinten schauten, sah wieder alles anders aus. Wenn Sie Ihre Fähigkeiten erweitern, können Sie neue Wahrnehmungen entwickeln, und wenn Sie Ihre Wahrnehmung verändern, haben Sie die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu entwickeln.« Ejne solche Beschreibung ist eigentlich eine Aufforderung, etwas zu tun - nämlich seine Wahrnehmung zu verändern. Erickson beschreibt eine Erfahrung, die wir unleugbar alle mit Leichtigkeit bewältigt haben. »Und vielleicht erinnern Sie sich, wie es war, als Sie klein waren oder denken Sie daran, wie es war, als Sie nur den Teppich sehen konnten und die kleinen geheimnisvollen Sachen zwischen den F a s e r n . . . als Sie vom Tisch nur die Unterseite sehen konnt e n . . . und dann eines Tages lernten zu stehen. Vielleicht hielten Sie sich damals an den Fingern von jemandem oder am Rand einer
Couch fest und blickten sich dann um. Anstatt wie vorher hochzuschauen oder hinunter, konnten Sie nun geradeaus sehen. Und was sie sahen, sah nun ganz anders aus. Und Sie fingen an, sich für andere Dinge zu interessieren, Sie betrachteten alles auf eine neue Weise, und das veränderte auch Ihre Fähigkeiten.« Wenn Sie diese Art Geschichten erzählen, ist es unwichtig, ob die Dinge tatsächlich so vor sich gingen. Es kommt darauf an, daß, wenn Erwachsene zurückschauen, wie es wohl für sie als Kind gewesen ist, es dann scheint, als sei es so abgelaufen. Das bedeutet, daß alle Erwachsenen auf diese Art von Geschichten in derselben Weise reagieren werden. Wenn Sie jemanden diese Erfahrung noch einmal durchleben lassen und dann als nächstes über Erfahrungen sprechen, die die Wahrnehmungsgrundlage zur Bewältigung eines bestimmten Problems sein könnten, dann ist diese Abfolge ein Befehl. Dann ist es nicht mehr nur eine Geschichte; der Befehl sagt dem Klienten, er solle seine Wahrnehmung verändern und dafür diese Daten benutzen. Hier im Seminar wollen wir diese Art von Metaphern nicht in allen Einzelheiten besprechen. Aber Sie können das, was Sie tun, wirkungsvoller und nachdrücklicher gestalten, wenn Sie Metaphern ganz einfach folgendermaßen anwenden: Sie können sich überlegen, welche Art von Reaktionen Sie hervorrufen wollen, um die Veränderungsarbeit zu erleichtern. Dann können Sie sich universelle Erfahrungen ausdenken, die diese Reaktion enthalten und Ihrem Klienten, nachdem Sie ihn in Trance versetzt haben, solche Erfahrungen beschreiben. Bei der Hypnose ist es besonders sinnvoll, jemandem die Einstellung zu vermitteln, daß das eigene Unbewußte weiß, was zu tun ist und daß man ihm vertrauen kann. Was gibt es für universelle Erfahrungen, bei denen man angemessen reagiert, ohne bewußt darüber nachzudenken? . . . Sie können zum Beispiel davon sprechen, wie der Körper beim Laufen genau weiß, wann er den Herzschlag beschleunigen muß, wann der Atem schneller gehen soll, und wann alles wieder langsamer werden kann. Bewußt haben Sie keine Ahnung, wie schnell Ihr Herz schlagen muß, damit die Körperzellen ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden; das braucht man auch gar nicht, denn das Unbewußte ist weise und weiß, wie und wann was erforderlich ist.
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5 Veränderung des Bezugsrahmens (Reframing) im Trancezustand
Heute nachmittag habe ich vor, Ihnen das Reframing zu vermitteln; einen Ansatz, mit dem Sie fast jede Schwierigkeit bei der Hypnose in den Griff bekommen. Außerdem sollen Sie lernen, wie man klare Ja- und Nein-Antworten bekommt, denn wenn Sie dies beherrschen, können Sie während der Hypnose, egal, was gerade abläuft, immer ein präzises Feedback bekommen. Aber zunächst will ich Ihnen etwas Hintergrundwissen dazu geben. Wer von Ihnen hat schon einmal einen Patienten mit hysterisehen Lähmungen oder etwas Ähnlichem erlebt? Viele meinen, so etwas sei selten, aber das stimmt nicht. Es handelt sich dabei um ein sehr interessantes Problem. Als ich das erste Mal mit einer hysterischen Lähmung konfrontiert war, war ich fasziniert davon. Ich hatte gelesen, daß Milton Erickson sie von der einen Körperseite auf die andere verlegt hatte, und das hatte ich auch schon immer einmal probieren wollen. Als ich schließlich eine entsprechende Patientin bekam, beschloß ich, etwas Ähnliches wie Erickson zu tun. Ich hypnotisierte sie und ließ die Lähmung von einem Arm in den anderen wandern. Als sie ging, konnte sie den linken Arm, den sie seit drei Jahren nicht hatte gebrauchen können, bewegen; dafür war nun ihr rechter Arm vollständig gelähmt. Ich war hocherfreut und bestellte sie für den nächsten Tag wieder. Ich hatte sie ziemlich irritiert, denn der Seitenwechsel machte ihr deutlich, daß ihre Lähmung hysterischen Charakter hatte. Vorher war sie - egal, was die Ärzte ihr sagten - fest davon überzeugt gewesen, daß die Lähmung nichts mit ihrer Psyche zu tun habe. Die Ärzte hatten immer gesagt: »Das ist seelisch bedingt!«, sie aber wußte genau, daß es nur an ihrem Arm läge und an nichts
anderem. Aber als die Lähmung einfach in den anderen Arm übergewechselt war, konnte sie ja kaum weiter glauben, daß es nur der Arm sei. Am Tag darauf ließ ich die Lähmung vom Arm in ein Bein wandern. Als sie diesmal ging, mußte sie humpeln, aber ihre Arme funktionierten beide perfekt. Jetzt wußte sie gar nicht mehr, was sie von mir denken sollte. Die Tatsache, daß die Lähmung beliebig zu verlegen war, erfüllte einen wichtigen Zweck: es war der Gegenbeweis zu ihrer Überzeugung, es sei kein psychisches Problem. Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu jemandem in die Praxis, und der befaßt sich statt des Armes nur mit Ihrer Psyche; am ersten Tag ist dann die Lähmung im anderen Arm, und am nächsten ist statt dessen Ihr eines Bein gelähmt - dann fragen Sie sich doch langsam, ob das Problem, das Sie haben, wirklich ein körperliches sein kann. Zudem war damit nicht nur ihre alte Überzeugung widerlegt, sondern ihr wurde auch klar, daß die Lähmung sich verschieben ließ. Ich nahm an, daß diese Lähmung irgendeine Funktion in ihrem Leben erfüllte. Anstatt sie ganz wegzunehmen, verschob ich sie deswegen ein weiteres Mal. Schließlich verließ sie mein Büro mit gelähmten Fingernägeln und beklagte sich bitterlich! Wie würden Sie sich denn fühlen, wenn Ihre Fingernägel plötzlich gelähmt sind? Stellen Sie sich vor, es fängt mit einem gelähmten Arm an und schließlich sind die Nägel an jedem einzelnen Finger ihrer Hände gelähmt! Erickson hat auch einen Fall beschrieben, in dem er eine hysterische Lähmung verschob. Dabei ging er auf einen der Hauptkritikpunkte an der Hypnose als Therapiemethode ein, nämlich: die Hypnose behandele nur Symptome und berücksichtige nicht die »Grundbedürfnisse«, sodaß eine »Heilung« durch Hypnose nur darauf hinausliefe, daß ein neues Symptom entsteht. Diese Auffassung von Grundbedürfnissen stammt aus den Arbeiten von Freud. Er nahm an, daß die Menschen bestimmte Bedürfnisse haben. Damals galt der Begriff »Bedürfnisse« als die angemessene Bezeichnung für das, was innerpsychisch in einem Menschen vorgeht. Wenn jemand ein Bedürfnis hat, kann man nichts daran ändern; es ist nur noch die Frage, wie es sich nach außen hin verwirklicht. Sagen wir mal, Sie haben das Bedürfnis nach Zuwendung.
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Einführung
Wenn es nicht erfüllt wird, kriegen Sie vielleicht einen Hautausschlag oder sonst irgendwas, um endlich beachtet zu werden. Die Zuwendung wäre dann der »sekundäre Krankheitsgewinn«. Und wenn Sie das Bedürfnis haben, daß Ihre Umwelt Sie mehr unterstützt und für Sie sorgt, dann bekommen Sie vielleicht einen gelähmten Arm. Es waren die Arbeiten des Arztes und Hypnotiseurs F. Mesmer, die Freuds Aufmerksamkeit erregten: Mesmer hatte bei seinen Patienten die hysterische Lähmung geheilt, aber nach einiger Zeit hatten die Patienten irgendein neues Problem. Freud hatte die Vorstellung, daß, wenn man den gelähmten Arm heilt, das Symptom sich notwendigerweise auf andere Weise ausdrücken müsse. Der Arm ist also vielleicht nicht mehr gelähmt, aber man bekommt einen schweren Ausschlag im Gesicht. Er gab dem ganzen Vorgang sogar einen Namen: »Konversion«, auch »Symptomverschiebung« genannt. Man wirft der Hypnose oft vor, sie betreibe nur Symptomverschiebung. Die Kritiker behaupten, wenn die Hypnose ein Symptom beseitigt, wird der Klient zwangsläufig statt dessen ein anderes entwickeln. Als ich anfing, auf dem Gebiet der Psychologie zu arbeiten, wollte ich diese Kritik an der Hypnose überprüfen. Ich war sehr gespannt auf die Hypnose, weil mir bei den Psychologen fast jeder gesagt hatte: »Mit Hypnose brauchen Sie sich nicht zu beschäftigen, da behandeln Sie nur die Symptome.« Schon vor langer Zeit war mir aufgefallen, daß Dinge, die so strikt von allen gemieden werden, unter Umständen etwas sehr Wesentliches an sich haben, also kam mir die Sache immer interessanter vor. Es gibt wohl auch Ausnahmen, aber mir ist aufgefallen, daß die Menschen dazu neigen, gerade solche Dinge zu meiden, die sehr viel bewirken können. Als die Leute zu mir sagten: »Hypnose brauchen Sie gar nicht zu lernen, da behandelt man nur die Symptome«, war meine erste Antwort darauf: »Nun, ich möchte schon gern auch Symptome behandeln können. Falls ich einmal nichts anderes tun kann, ist auch das schon etwas wert.« Aber immer kam die Antwort: »Nein, keineswegs, wenn Sie nur das Symptom behandeln und heilen, dann kommt es bald irgendwo anders wieder zum Vorschein.« Da ich Mathematiker bin, kam mir die Vorstellung, daß etwas
an einer anderen Stelle wieder herauskommt, wie eine Gleichung vor; das hat mich fasziniert. Ich dachte »Oh, das würde ich auch gern können!« Und dann begann ich, Hypnose zu lernen und experimentierte, um herauszufinden, was passiert, wenn man jemanden von seinen Symptomen befreit. Ich begann mit einigen Freiwilligen, die verschiedene Probleme hatten, bekam unbeschränkte Vollmachten von ihnen, hypnotisierte sie und entfernte nur die Symptome, ohne irgend etwas zu verändern. Ich wollte wissen, wo das Symptom nun wieder auftauchen würde, um zu untersuchen, ob es bei den Konversionen irgendeine Systematik gäbe. Jeder gute Mathematiker stellt sich die Frage: »Woher weiß das Symptom, wo es als nächstes auftreten soll?« Denn nichts ist Zufall. Wenn man weiß, daß selbst die atomaren Teilchen "nicht dem Zufall unterliegen, dann gehört schon eine Menge Ignoranz dazu, zu glauben, daß solche Symptome nicht physikalischen Gesetzen unterworfen seien. Ich stellte fest, daß tatsächlich die Symptome nach bestimmten Regeln wieder auftraten. Die neuen Symptome schienen denselben Zweck zu erfüllen wie die alten: Wenn ich bei jemandem unter Hypnose ein Symptom beseitigt hatte, bekam er ein neues, mit dem er sich dieselben Vergünstigungen schaffen konnte wie mit dem ersten Symptom. Außerdem stellte ich fest - es ist mir sehr unangenehm, der Welt der Psychologie solches mitzuteilen -, daß das Symptom nicht in allen Fällen wiederkehrte. Allerdings ging es den Leuten besser, wenn es wiederkam. Wenn der gelähmte Arm für eine Frau wirklich eine einzige Möglichkeit war, beachtet zu werden, und ich hypnotisierte sie und nahm ihr dieses Symptom, dann wurde sie halt einfach nicht mehr beachtet. Das scheint mir weniger sinnvoll, als wenn eine Konversion aufgetreten wäre. Als ich einige Therapeuten bei der Arbeit beobachtete, stellte ich fest, daß sie sehr oft Menschen »wieder herstellen«, indem sie sie zusätzlich einschränken! Vielleicht ist das zunächst schwer zu verstehen. Aber wenn jemand gar keinen Bezug zu seinen eigenen Gefühlen hat - weil er sich von der Außenwelt abschließt, um gegen die vielen Verletzungen und das Leiden im Leben geschützt zu sein - und Sie nehmen ihm diesen Schutz, dann wird er letztlich emotional vor die Hunde gehen. Das scheint mir kein überzeugender Therapieerfolg zu sein.
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Ich kenne einen Mann, der das mit sich machen ließ. Der Therapeut, der ihn behandelte, meinte, seine Ideologie sei wichtiger als das Erleben seines Klienten. Diese Ideologie besagte, es sei für jeden Menschen wichtig und gut, alles intensiv zu fühlen und zu erleben; also brachte er seinem Klienten bei, auf alles intensiv zu reagieren, und fragte sich nicht: »Wobei entwickelt er intensive Emotionen, und wie kann er damit umgehen?« Er hatte nicht bedacht, daß der Mechanismus, der seinen Klienten davor schützte, bestimmte Dinge zu fühlen, ja schließlich einen Zweck erfüllte. Der Unterschied zwischen bewußtem Denken und unbewußten Reaktionen ist der, daß die Reaktionen anscheinend nur einen Zweck, aber keine Bedeutung haben. Manchen Leuten fällt es sehr schwer, diesen Unterschied zu verstehen, weil sie meistens versuchen, sich das auf der bewußten Ebene klarzumachen. Und auf der bewußten Ebene versucht man logischerweise, sich die Bedeutung des Unterschieds zwischen Bedeutung und Zweck klarzumachen eine ausgezeichnete Methode, sich selbst durcheinanderzubringen. Und während einige von Ihnen jetzt anfangen, sich auf so einen Prozeß einzulassen, werde ich mich inzwischen weiter an die anderen wenden. Ein Zweck ist einfach eine Funktion. Wenn etwas eine Funktion hat, dann bewirkt es etwas. Was damit erreicht wird, muß nicht unbedingt sinnvoll sein; dennoch wird es meistens zur Angewohnheit. Es wird etwas bewirkt, was irgendwann einmal in der Geschichte dieses Organismus eine sinnvolle Bedeutung hatte. Die meisten Therapeuten unter Ihnen werden die Erfahrung gemacht haben, daß viele Menschen ein Verhalten an den Tag legen, das für einen Fünfjährigen sinnvoll und angemessen wäre, nicht aber für einen Erwachsenen. Aber nachdem das Programm einmal eingegeben war, haben sie es immer weiter so laufen lassen. So gibt es Erwachsene, die weinen und jammern, um sich durchzusetzen; sie merken nicht, daß das Jammern ihnen jetzt nicht mehr hilft. Wenn sie als Kind weinten, bekamen sie, was sie wollten - vorausgesetzt, sie hatten die richtigen Eltern. Aber wenn man als Erwachsener in die Welt hinausgeht, dann funktioniert das nur bei ganz wenigen Leuten. Und dann jammern diese Leute darüber, daß es nicht funktioniert und bekommen erst recht nicht das, was sie wollen. Als ich die Hypnose lernte, entschloß ich mich, zu untersuchen,
ob man etwas beseitigen kann, ohne daß Folgeerscheinungen auftreten. Ich hypnotisierte acht Raucher und befreite sie von ihren Rauchgewohnheiten. Bei vier von ihnen waren keinerlei weitere Komplikationen festzustellen. Wenn es keine weiteren Komplikationen gibt, bin ich damit zufrieden; selbst wenn es doch tieferliegende »Triebbedürfnisse« gibt: solange die nie an die Oberfläche kommen, ist der Fall für mich in Ordnung. Wenn die freudianischen Analytiker sagen, daß aber diese Bedürfnisse für immer weiterbestehen, ist auch das akzeptabel. Wenn es funktioniert, ist es mir gleich, ob irgendwelche »Triebbedürfnisse« übrigbleiben, solange sie auf das Leben des Betroffenen keinerlei Einfluß haben. Andererseits gab es bei den anderen vier Leuten, die ich behandelt hatte, in der Tat Konversionen. Ich überprüfte sie in regelmäßigen Abständen, um herauszufinden, ob irgend etwas Ungewöhnliches, Merkwürdiges oder besonders Erfreuliches passierte, oder ob etwas in ihrem Leben schiefgegangen war. Ich ließ sie auch kommen und nur in meinem Büro herumsitzen, um zu beobachten, ob es gravierende Veränderungen in ihrem Verhalten gab, von denen sie nichts erzählt hatten. Einer der Raucher reagierte sehr ungewöhnlich und interessant: Als er mich anrief, um zu erzählen, wie es ihm ginge, sagte er folgendes: »Es klappt alles prima. Ich hatte nicht mal das Bedürfnis nach einer Zigarette. Bis jetzt geht alles ziemlich lässig. Ich habe auch keinerlei andere Probleme seitdem gehabt. Übrigens machen Sie auch Eheberatung?« Ich bemerkte gewisse Widersprüche in seiner Kommunikation, also sagte ich ihm, er solle sofort mitsamt seiner Frau in mein Büro kommen. Als sie kamen, ließ ich sie im Wartezimmer Platz nehmen und verließ den Raum. Damals war in meinem Wartezimmer eine Videoanlage installiert, so daß ich die Leute dort beobachten konnte. Ich hatte festgestellt, daß ich in fünf Minuten, die sie im Wartezimmer saßen, mehr über meine Klienten erfahren konnte, als wenn sie eine Stunde lang bei mir im Büro waren. Deshalb habe ich sehr viel herumspioniert. Die Anlage war so installiert, daß man die Leute überall im Raum hören und sehen konnte. Das Ehepaar saß also da und wartete und wartete. Und ich wartete auch. Ich beobachtete sie laufend, bis mir etwas Interessantes auffiel. Sie waren beide mit so inhaltsschweren Tätigkeiten wie Illustrierte-Lesen und Aus-dem-Fenster-Starren beschäftigt.
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Es passierte nicht viel. Er ging auf und ab, und sie sah ihn dauernd an und versuchte, mit ihm zu reden. Irgendwann setzte er sich neben sie und sie öffnete ihre Handtasche und nahm eine Zigarette heraus. Sie zündete sie an, hielt dann inne und starrte ihn an. Dann zog sie einmal an der Zigarette und sah ihn wieder an. Er sah ihr zu, wie sie rauchte, stand auf und ging von ihr weg. Sie versuchte weiter, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber er gab ihr nur einsilbige Antworten und wandte sich wieder seiner Illustrierten zu. An dieser Stelle ging ich ins Wartezimmer, zündete eine Zigarette an, gab sie ihm und sagte, er solle sie rauchen, dann verließ ich den Raum. Er nahm die Zigarette, und obwohl er sie nicht rauchen wollte, behielt er sie in der Hand. Er hat sie nicht geraucht, aber nun begann er, sich mit seiner Frau zu unterhalten. Mir war aufgegangen, daß die beiden über die Jahre hinweg sehr wahrscheinlich ein Zeichensystem entwickelt hatten, in dem die Zigaretten eine wichtige Rolle spielten. Später habe ich sie dann in der Hypnose ein bißchen ausgefragt und erfahren, daß meine Vermutung richtig war. In ihrer tagtäglichen Routine war es üblich, daß jeder seine Aktivitäten verfolgte, bis einer von ihnen eine Pause machte und sich eine Zigarette ansteckte. Es war dann bei ihnen üblich, daß der andere dasselbe tat und sie sich einander zuwandten. Das hatten sie seit zwei Wochen, seit ich seine Raucherei abgeschafft hatte, nicht mehr getan. Sie hatten sich gegenseitig total ignoriert, denn das gemeinsame Zeichensystem war außer Kraft gesetzt. Das ist ein gutes Beispiel dafür, daß etwas keine Bedeutung an sich hat, aber doch einen bestimmten Zweck erfüllt. Ein anderer Mann kam zu mir, weil er Schmerzen und ein Klingen im Ohr hatte. Es hatte vor einiger Zeit mit leichten Ohrenschmerzen angefangen. Dann war er auf diesem Ohr taub geworden und bekam zudem chronische Schmerzen. Man hatte ihn fünfmal operiert, und inzwischen gab es gar keine Nerven mehr in seinem Ohr. Die Ärzte hatten alles herausgenommen, trotzdem hörte er weiter dieses Klingen und er hatte immer noch dieselben Schmerzen wie vor den Operationen. Die Ärzte wußten, daß es in seinem Ohr gar nichts mehr gab, was weh tun oder Geräusche verursachen konnte, also hatten sie entschieden, daß es etwas Psychisches sei. Daß sie solange dazu gebraucht hatten, fand ich nicht gerade glanzvoll, aber wenigstens haben sie dann nicht weiter an
ihm herumoperiert. Dafür muß man ihnen Anerkennung aussprechen. Immerhin haben sie nicht gesagt: »Vielleicht ist es das andere Ohr...« oder: »Versuchen wir es mal bei der linken Gehirnhemisphäre!« Als der Mann zu mir kam, sagte er: »Ich muß die Schmerzen loswerden. Alles was ich will ist, die Selbst-Hypnose lernen, um die Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen, zur Zeit muß ich nämlich so viele schmerzstillende Medikamente nehmen, daß ich überhaupt nicht mehr klarkomme. Ich kann nicht arbeiten, und auch zu Hause kann ich nichts machen. Und wenn ich die Medikamente nicht nehme, werden die Schmerzen so schlimm, daß ich dann auch nichts machen kann. Ich bin in einer Zwickmühle. Langsam gehe ich daran kaputt, und meine Ehe auch. Ich werde wohl bald kein Zuhause mehr haben, es ist einfach schrecklich.« Er wollte, daß ich ihn hypnotisiere, und auf bestimmte Weise tat ich das auch. Ich benutzte ein bestimmtes Modell aus der Hypnose, das wir »Reframing« nennen - es ist so angelegt, daß man damit planmäßig Symptomverschiebungen vornehmen kann. Man verwandelt damit ein Symptom in ein anderes. Mir kam es vor, als ob das Problem mit seinem Ohr ihm den Freibrief gab, weder arbeiten noch andere unerfreuliche Dinge machen zu müssen. Sicher war das keine sehr angenehme Methode, aber seine Arbeit war ihm genauso unangenehm. Er war Architekt und hatte keinen Spaß daran, und zuletzt war er nur noch mit Buchführung und ähnlichen unerfreulichen Dingen betraut worden. Also schaltete ich das Symptom um - aus seinem Klingen und den Schmerzen im Ohr wurden hysterische Lähmungen, obwohl ich ihm das Klingen anfänglich noch ließ. Ich gab seinem Unbewußten die Anweisung, daß beide Arme nur dann gelähmt sein sollten, wenn es für dieses Symptom der richtige Augenblick sei, denn ich wollte wissen, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag. Es ging ihm wieder gut. Dann sagte seine Frau etwas wie: »Bring mal bitte den Müll weg und mäh den Rasen, in der letzten Zeit sind so viele Sachen liegengeblieben.« Und plötzlich waren seine Arme gelähmt. Er sagte dann: »Oh, verdammt! Das kann ich jetzt nicht.« Und immer wenn sein Geschäftspartner ihn bat, sich der unangenehmsten Beschäftigung in ihrem Beruf anzunehmen Buchführung und ähnliches -, dann traten auf geheimnisvolle Weise diese Lähmungen auf.
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Damals, als ich mich mit der Symptomverschiebung beschäftigte, kam eine Dame zu mir, deren Füße ständig völlig gefühllos waren. Sie waren so taub, daß sie kaum aufrecht stehen konnte, und beim Gehen brauchte sie sogar die Hilfe anderer. Sie war eine Weile in Psychotherapie gewesen. Vorher waren ihre Füße nur von Zeit zu Zeit gefühllos geworden, aber während der Therapie wurde es immer schlimmer. Sie meinte, es habe sich sowieso laufend verschlechtert, und die Therapie habe eben bloß nichts geholfen, aber ich vermutete, daß die Therapie dazu geführt hatte, daß ihre Füße schließlich durchgängig taub waren. Ich stelle mir ein Symptom immer als Freund des betreffenden Menschen vor, und nicht als sein Problem, denn für mich sind Symptome auch Kommunikationsmöglichkeiten. Aber wie so oft in der menschlichen Kommunikation geraten Zweck und Ergebnis in Vergessenheit. Wie die Menschen können auch die Symptome nicht immer zwischen dem, was sie mitteilen wollen, und dem, was sie tatsächlich mitteilen, unterscheiden. Diese Frau wurde von einer sehr konservativen Therapeutin zu mir in die Praxis begleitet. Sie kamen aus einer Gegend in Kalifornien, wo man reich sein muß, um überhaupt als lebenstüchtig zu gelten. Die Therapeutin erklärte mir, daß und wie sie mit dieser Frau eine Familientherapie durchgeführt hatte; und nun habe die Patientin eine ganz glückliche Familie. Zuerst habe sie, die Therapeutin gemeint, die Lähmungen der Frau hätten etwas mit den Interaktionen in der Familie zu tun. Da sie aber alle Familienprobleme durchgearbeitet hatten, das Symptom jedoch weiterhin bestand, müsse es etwas anderes sein. So hatten sie beschlossen, wie nach einem letzten rettenden Strohhalm nach der Hypnose zu greifen. Die arme Klientin saß da, in Sweatshirt und Trainingshosen. Sie war keine unattraktive Erscheinung, aber sie schien alles daran gesetzt zu haben, sich unattraktiv zu machen. Da saß sie also, und neben ihr eine perfekt gekleidete, vierzigjährige Therapeutin, die Sachen sagte wie: »Ihre Familienprobleme sind jetzt gelöst.« Jedesmal, wenn die Therapeutin das sagte, schwieg die Klientin, aber ihre nonverbalen Reaktionen waren dramatisch. Jedesmal verzog sich ihr Gesicht und wurde asymmetrisch, und ihr Atem wurde flach und schnell; Ich dachte bei mir: » H m . . . Irgendwas geht hier vor...«
Also sah ich sie an und sagte: »Sie sind wegen Ihrer gelähmten Füße zu mir gekommen... und Ihre Therapeutin s a g t . . . daß das nichts mit Ihren Familienproblemen zu tun h a t . . . Ihre Therapeutin glaubt... daß Ihre Probleme gelöst sind... aber das Symptom bleibt... Ihr Arzt s a g t . . . es ist nichts Neurologisches... Er sagt, es sei kein körperliches Problem... sondern ein psychisches, in Ihrem Kopf... Also, ich w e i ß . . . und Sie wissen a u c h . . . daß das Problem nicht in Ihrem Kopf sitzt... Es sitzt in den F ü ß e n . . . denn Sie können nicht auf ihnen stehen... Wenn Sie auf ihnen stehen würden... und sie nicht mehr taub wären... brauchten Sie weder diese Therapeutin... noch den A r z t . . . und deswegen sind Sie ja hergekommen... Nun, ich will nicht weiter mit Ihnen r e d e n . . . denn Sie selbst sind auf der ganzen Linie gescheitert, als Sie dieses Problem bewältigen wollten... Sie haben es nicht gelernt . . . auf Ihren Füßen zu stehen... ohne daß sie dann gelähmt werden... Ich will direkt mit Ihren Füßen sprechen.« Wenn Sie so etwas im normalen Alltag zu jemandem aus der amerikanischen Mittelschicht sagen, dann wird er mit Sicherheit eigenartig. Der Unterschied zwischen hypnotischer und normaler verbaler Kommunikation ist der, daß man bei der hypnotischen Kommunikation nicht auf den Inhalt achtet. Man achtet nur auf die Reaktion. Ich sage immer wieder: »Achten Sie nicht auf den Inhalt, sondern auf die Reaktion!« Wenn Sie das machen, ist es ganz egal, was Sie sagen, dann können Sie mit den Leuten kommunizieren, wie es sonst niemand kann. Dann ließ ich meine Augen wandern, blickte auf ihre Füße und sagte: »Ihr gelähmten Füße, ich weiß, ihr habt uns etwas zu erzählen. « Auch die Therapeutin schaute auf die Füße der Frau, und sie selbst beugte sich auch nach vorn und starrte auf ihre Füße. Ich sagte: »Also, ich weiß, daß der rechte F u ß . . . von Natur a u s . . . der Ja-Fuß i s t . . . und der linke... der Nein-Fuß. Wollt ihr mir vielleicht etwas erzählen?« Der rechte Fuß bewegte sich, und beide, die Frau und die Therapeutin, schnappten nach Luft. Ich sagte: »In Ordnung. Gibt es etwas, was ihr dieser Frau schon seit Jahren klarmachen wollt und was sie bis jetzt nicht verstanden hat?« Der Ja-Fuß bewegte sich wieder. Ich sagte: »Würdet ihr es ihr auch auf eine neue Art zu sagen versuchen?« Der linke Fuß bewegte sich. Ich sagte: »Habt ihr schon einmal festgestellt, daß es nicht so gut funktioniert, wie ihr es gerne hättet, und daß der
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Preis dafür zu hoch ist?« Der Nein-Fuß bewegte sich noch einmal. Ihre Füße meinten also, sie verhielten sich völlig richtig. Dann sagte ich: »Wärt ihr bereit, trotzdem eine andere Möglichkeit auszuprobieren, wenn diese besser funktioniert?« und der JaFuß bewegte sich. Also sagte ich: »In Ordnung, ihr Füße. Falls ihr das akzeptieren könnt, möchte ich, daß ihr jetzt das Taubheitsgefühl ganz und gar entfernt, und wieder ein vollständiges, stabiles Gleichgewicht herstellt. Und nur in den Augenblicken, wo ihr kommunizieren wollt, soll die Lähmung wieder auftreten. Dann sollt ihr aber eure Aufgabe noch ernster nehmen: Ihr sollt dann nämlich von den Zehenspitzen bis mindestens eine Handbreit über dem Knie gefühllos werden. Und wenn ihr nichts mehr mitzuteilen habt, seid ihr wieder ganz in Ordnung und könnt wie vorher voll das Gleichgewicht halten. So wie ihr jetzt kommuniziert, weiß sie nämlich nicht, wann ihr etwas sagen wollt und wann nicht, deswegen kann sie es nicht verstehen. Sie gehorcht zwar, aber auch dann, wenn es gar nicht nötig ist. Wenn ihr es jetzt anders macht, kann sie viel besser gehorchen, nicht wahr?« und der Ja-Fuß bewegte sich. Dann sagte ich: »Fangt jetzt gleich damit an!« Die Frau sagte: »Meine Füße sind nicht mehr gelähmt!« Sie nahm einen Fuß in die Hand, schaute ihn an, und bewegte die Zehen. Sie stand auf und konnte das Gleichgewicht halten. Da sagte die Therapeutin: »Also bitte, werden Sie nicht allzu optimistisch, denn so etwas hält meist nicht lange an«, worauf die Beine bis über die Knie hinauf gelähmt wurden und die Frau vornüber fiel. Sie zog sich selbst in den Sessel hinauf und sagte zu ihrer Therapeutin: »So etwas sollen Sie nicht zu mir sagen!« Und die Lähmung war verschwunden. Von da an war das Symptom ihr Lehrer. Als sie meine Praxis verließ und heimging, war sie glücklich. Sie putzte das Haus und tat lauter Dinge, die sie seit langem nicht mehr getan hatte. Als ihr Mann nach Hause kam, erzählte sie ihm die gute Nachricht und fragte: »Willst du nicht mit mir essen gehen, das müssen wir doch feiern?« Er sagte: »Ich bin zu müde. Kannst du mir nicht einfach etwas kochen?« Sie antwortete: »Na gut«, und langsam kroch die Lähmung wieder ihre Beine hoch. Dann sagte sie: »Nein, ich glaube es ist doch besser, wir gehen aus«, worauf die Lähmung wieder zurückging. Für ziemlich lange Zeit war die Lähmung dann ihr bester
Freund, ein richtiger Lehrer. Wenn das Symptom zum Lehrer wird, wird es zum Verbündeten; es gibt nichts in der Welt, was man nicht irgendwie nützlich verwenden kann. Wenn Sie Psychotherapie, Hypnose und die Medizin allgemein als Gegenmaßnahmen auffassen, werden Sie in Ihren Möglichkeiten sehr eingeschränkt bleiben. Gegen das eigene Unbewußte anzukämpfen ist etwas, was Klienten nie gut können, und Sie mit Ihrem Verstand werden auch nicht viel mehr erreichen. Lange bevor ich offiziell Hypnotiseur wurde, hatte ich eine Verwandte, die ungeheure Probleme mit ihrem Körpergewicht hatte. Sie war Mitglied bei den »Weight Watchers Anonymous« und unternahm alles mögliche, machte Notizen am Kühlschrank und so weiter. Was mich am meisten an ihr beeindruckte, war die Tatsache, daß sie laufend Lebensmittel einkaufte - damit sie dann der Versuchung, sie zu essen, widerstehen konnte. Es war immer etwas zu essen im Haus - damit es nicht gegessen wurde. Ich erinnere mich, daß ich einmal als Kind, als ich noch nicht viel von der Welt verstand, mit ihr in den Supermarkt ging. Als wir so an den Regalen entlang gingen, hüpfte ich immer hinter ihr her, während sie eine Menge Sachen in den Wagen packte, die sie dann nicht essen würde, unter anderem eine Kilopackung Eiscreme. Ich fragte, warum sie denn soviel Eis einkauft, wenn sie doch am Tag vorher dagegen gekämpft hatte, Eis zu essen. Sie sagte, es sei für mich. Dabei mochte ich gar kein Eis und sagte, für mich brauche sie es nicht zu kaufen. Sie nahm das Eis wieder aus dem Wagen heraus und wollte es in die Kühltruhe zurücktun, aber sie konnte es einfach nicht. »Naja, vielleicht mag deine Mutter welches«, sagte sie. »Nein«, sagte ich, »meine Mutter mag auch kein Eis.« Sie wollte es wieder zurücklegen, da kam ihr in den Sinn: »Doch, übermorgen kriegst du Besuch, da kommen ein paar Freunde von dir.« Aber ich sagte: »Nein, die kommen nicht, ich habe es mir anders überlegt. «Fast hätte sie jetzt die Eiscreme zurückgelegt, dann stockte sie und dachte nach, während sie versuchte, nun das Eis zurückzulegen. Da griff ich zu, nahm das Eispaket und tat es selbst in die Truhe zurück. Ich sah sie dann an und fragte: »Was ist los mit dir?« Sie antwortete: »Ich weiß es nicht, ich habe das Gefühl, daß ich irgend jemanden vernachlässige.«
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Ich weiß noch, daß diese Antwort mich fast umgeworfen hat, so verwirrend war dieser Kommentar. Erst viele Jahre später konnte
ich den Sinn dieser Worte verstehen: Sie hat tatsächlich ihr Leben lang jemanden vernachlässigt: sich selbst. Sie war eine ProfiHausfrau, die ihr Haus tadellos sauber hielt - es gab auch niemanden, der irgendwelchen Dreck hätte machen können. Ihr Mann arbeitete siebzehn Stunden am Tag, kam selten nach Hause und weigerte sich, über seine Geschäfte mit ihr zu reden, weil er meinte, das sei unhöflich. Auch sonst gab es nichts, worüber sie hätten reden können. Kinder hatten sie keine. Sie hatte kein eigenes Auto, weil ihr Mann meinte, sie sollte nicht fahren lernen, in Kalifornien sei es zu unsicher auf den Straßen. So saß sie den ganzen Tag in einem leeren Haus, in dem nichts passierte, und hatte niemanden, mit dem sie reden konnte. Man könnte sagen, ihr Leben war ohne Inhalt. Ich wünschte, ich hätte damals schon gewußt, was ich heute weiß: daß hinter jedem Verhalten ein unbewußter Zweck steht. Der Zweck braucht im Freudschen Sinne nicht bedeutungsvoll zu sein. Als ich begann, mich für Psychologie zu interessieren, habe ich, dämlich wie ich war, etliche Seminare an der Universität mitgemacht. Einer der Kurse hieß: »Interpretation interpersonaler Äußerungen«. Wir sollten lernen, Dinge so zu interpretieren, daß die »wirkliche« Bedeutung erfaßt würde. In dem Seminar ging mir auf, daß man dem Verhalten anderer oft viel mehr Bedeutung unterstellt, als es eigentlich hat. Verhaltensweisen haben gar nicht soviel Bedeutung, wie man meint, aber sie erfüllen oft beachtlich viele Zwecke, und das möchte ich Ihnen jetzt demonstrieren. Reframing Wer von Ihnen hier im Raum beherrscht das Reframing bereits? Für die, die nicht wissen, was das Wort bedeutet, aber auch für die, die meinen, sie können es schon, möchte ich eine Möglichkeit zeigen, das Reframing mit Hilfe des Unbewußten anzuwenden. So, wie wir normalerweise Reframing vermitteln, ist es eine Methode für Ihre bewußten Gedanken, sich mit dem Rest Ihrer Persönlichkeit darüber zu verständigen, was Sie ändern möchten, um dann neue, befriedigendere Verhaltensweisen zu entwickeln. Heute sollen Sie jedoch lernen, wie Sie Reframing als direkte Kommunikation mit dem Unbewußten Ihres Klienten yerwenden können, ohne das Bewußtsein als Vermittlungsinstanz einzubeziehen. 194
Die Art, wie wir Ihnen das Reframing heute präsentieren, wird etwas ungewöhnlich wirken, denn Sie werden die ganze Zeit nicht wissen, woran Sie eigentlich arbeiten. Die Person, mit der Sie arbeiten, wird Ihnen nicht sagen, was sie gern ändern möchte. Sie wird nicht einmal eine Andeutung machen, und vielleicht weiß sie sogar selbst nicht, um was es geht. Wir werden so arbeiten, daß wir ein unbewußtes Signalsystem aufbauen. Anstatt zu den Füßen werden Sie dann eben zu irgend etwas anderem sprechen. 1. Der Aufbau unbewußter Ja/Nein-Signale Bevor Sie mit dem Reframing-Teil beginnen können, müssen Sie das Ja/Nein-Signalsystem aufbauen, damit Sie Feedback-Möglichkeiten haben. Das können Sie auf unterschiedliche Weise tun. Man kann zum Beispiel das benutzen, was man »ideomotorische Reaktionen« nennt. Immer, wenn jemand einen Körperteil bewegt, ohne daß es ihm bewußt ist, ist das eine ideomotorische Reaktion. Die traditionellen Hypnotiseure haben von jeher sogenannte Fingersignale benutzt. Wenn sich der eine Finger hob, hieß das »Ja«, und wenn sich der andere hob, hieß das »Nein«. Erickson hat dafür lieber die Arme genommen - der Klient hob dann relativ unwillkürlich einen Arm. Man kann aber auch Kopfnicken, Veränderungen der Hautfarbe oder sonst irgendwas nehmen - jedes Signal, das seiner Natur nach nonverbal und beobachtbar ist. Denken Sie daran, daß unbewußte Bewegungen langsam und relativ ruckartig ablaufen. Wenn Sie Fingersignale nehmen und Ihr Partner hebt schnell seine Finger, so, als hätten Sie ihn gerade aufgefordert, den Finger zu heben, dann sagen Sie: »Das kommt von der falschen Bewußtseinsebene. Das interessiert mich nicht.« Das Reframing-Modell auf der bewußten Ebene, wie es in »Neue Wege der Kurzzeittherapie« dargestellt ist, funktioniert so, daß das Wachbewußtsein des Klienten sozusagen als Botschafter eingesetzt wird. Es nimmt innere Reaktionen wahr und berichtet Ihnen dann davon. Im Laufe des heutigen Nachmittags sollen Sie aber lernen, nicht das Wachbewußtsein des Klienten zu benutzen, sondern ideomotorische Reaktionen aufzubauen, so daß Sie die Ja-und-NeinReaktionen sehen können. Dafür müssen Sie zunächst den Be195
wußtseinszustand Ihres Klienten grundlegend verändert haben, zum Beispiel mit einer der Methoden, die Sie hier schon gelernt haben. Überlegen Sie sich, welches Erleben Ihren Partner schrittweise in ein stark verändertes Bewußtsein führen könnte. Sie können ihn auffordern, einfach nur dazusitzen, und während er so dasitzt, kann er daran denken, wie er einmal eine lange Autofahrt gemacht hat. Er fuhr also auf der Autobahn - vielleicht war es nachts, vielleicht auch tagsüber. Oder vielleicht begann die Fahrt am Tage und zog sich bis in die Abendstunden hin. Und als langsam die Dämmerung hereinbrach und er immer weiterfuhr, spürte er das Vibrieren des Lenkrads, hörte das Summen des Motors, und sah die im immer gleichen Rhythmus draußen vorbeifliegenden Dinge. Eine Flut von Eindrücken... während Sie so weiterfuhren . . . und immer weiter... durch den Abend. Und während Sie so fuhren... wurden Sie immer entspannter... und sagten sich bald selbst, daß Sie wach bleiben müßten... es war ja sehr wichtig... aber Sie fühlten sich sehr m ü d e . . . und vielleicht haben Sie irgendwann auf die Uhr geschaut... und später noch einmal... und Sie hatten das Gefühl, es müßte schon eine Stunde vergangen s e i n . . . aber es waren nur ein paar Minuten... Manchmal schien es, daß Sie für Sekunden einem Tagtraum nachhingen . . . und dann waren plötzlich doch zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten vergangen... Alle diese Beschreibungen... kann man nehmen... um den Partner damit mehr und mehr in ein verändertes Bewußtsein zu führen... Und wenn er langsam in diesen Zustand gleitet... sich zu entspannen beginnt... und sich immer wohler fühlt... dann möchte ich, daß Sie anfangen, ihm zu suggerieren... daß sein Unbewußtes für i h n . . . eine Quelle sein k a n n . . . eine Quelle... aus der er lernen k a n n . . . mit der er kommunizieren k a n n . . . und mit der er bestimmt eine Erfahrung machen k a n n . . . die ihn sehr zufrieden machen w i r d . . . Und daß das Einzige, was er dafür zu tun braucht, i s t . . . eine gute Beziehung zu seinem Unbewußten aufzubauen... damit die Kommunikation auch fließen k a n n . . . Manchmal kommuniziert das Unbewußte mit dem Bewußtsein durch Bewegungen... zum Beispiel Bewegungen... beim Entspannen . . . Vielleicht nickt Ihr Kopf ein bißchen... ganz leicht... um ja zu sagen... und bewegt sich... sachte hin und h e r . . . um nein zu sagen... Oder daß der linke Arm sich viel-
leicht... ganz langsam... zu heben beginnt... um ein Ja zu signalisieren, und der rechte A r m . . . hebt sich langsam... um nein zu sagen... Vielleicht zuckt Ihr rechter F u ß . . . unwillkürlich... um Ja anzuzeigen, und der linke zuckt... unwillkürlich... um Nein zu sagen... Mag sein, daß Sie nach links schauen... als Zeichen für N e i n . . . und nach r e c h t s . . . das bedeutet J a . . . Nur Ihr Unbewußtes weiß, was geschehen w i r d . . . Und falls es geschieht, daß eine Hand sich h e b t . . . oder ein Fuß sich bewegt... es kommt überhaupt nicht darauf an, was es i s t . . . Es kommt nur darauf a n . . . daß die Wahl, die Sie treffen... ganz Ihnen entspricht . . . Denn Ihr Unbewußtes... weiß mehr über S i e . . . als irgend jemand sonst... So, und dann können Sie Ihren Partner auffordern, im Unbewußten zu entscheiden... was er als Ja-Signal nehmen möchte... und beobachten, was dann passiert... Wenn Sie nichts beobachten können... lassen Sie sich Z e i t . . . vertiefen Sie die Trance... und schlagen Sie andere Möglichkeiten v o r . . . bis Sie eine passende finden... Denn bei manchen Leuten stellt sich heraus, daß sie den Zeigefinger heben, wenn sie Nein meinen... und für Ja den ganzen Arm heben... Und ich weiß, jemand der das t u t . . . kann seinem Unbewußten gestatten... den rechten A r m . . . langsam vom Oberschenkel zu heben... vielleicht sogar ganz bis zum Gesicht hinauf... so daß derjenige, der mit ihm arbeitet... das Signal auf keinen Fall übersehen k a n n . . . Wenn Sie so arbeiten, müssen Sie recht genau beobachten können . . . denn sehr, sehr o f t . . . erscheinen diese Signale... eingebaut in bewußte Bewegungen... Und falls das einmal vorkommt . . . wollen Sie es ja nicht übersehen... nicht wahr? Es passiert so leicht... daß man ein Zeichen übersieht... Gut, vielleicht bekommen Sie ein Signal... das Sie zwar einmal beobachten können... aber anscheinend... kommt es kein zweites oder drittes M a l . . . Nur weil Sie Fragen stellen... hat der andere noch lange nicht jedesmal die Möglichkeit, unbewußt darauf zu antworten... Denn manchmal kann man eine Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten... Deshalb versuchen Sie am Anfang nur solche Fragen zu stellen, von denen Sie sicher sind, daß es darauf Ja- oder Nein-Reaktionen gibt. Bitte teilen Sie sich in Paare auf und probieren Sie das aus. Zuerst induzieren Sie einen veränderten Bewußtseinszustand, und
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dann bringen Sie den anderen dahin, Ihre Fragen mit ideomotorischen Bewegungen zu beantworten. Wenn Ihnen jemand tatsächlich kein einziges Signal gibt und mit den ideomotorischen Reaktionen Probleme hat, wollen Sie ihm vielleicht irgendwie helfen. Denken Sie daran, nie etwas als Erfolg oder Versagen zu definieren. Lassen Sie Ihre Aussage vieldeutig, zum Beispiel indem Sie ihn auffordern, das eine Zeichen als das Gegenteil vom anderen zu benutzen; und lassen Sie offen, auf welche Informationen Sie achten, so daß es für ihn unklar bleibt, wie Sie die Signale erkennen. Wenn Sie etwas vorgeben, was zu eng umschrieben ist und dem er nicht nachkommen kann, glaubt er vielleicht, er sei unfähig selbst wenn es in Wirklichkeit bereits geklappt hat. Es kann sein, daß er den Erfolg nicht bemerkt hat, daß er aber sehr wohl bemerkt, daß Sie etwas als Versagen definieren. Eine Instruktion möchte ich jedem Unbewußten hier im Raum geben: Wenn Sie durch die Person, die mit Ihnen arbeitet, das Gefühl bekommen, daß Sie etwas nicht können, dann ist das falsch. Der andere ist derjenige, der etwas nicht kann. Die Tatsache, daß Sie auf solche Gedanken kommen, bedeutet, daß er Ihnen nicht genug Auswahlmöglichkeiten gegeben hat, damit Sie angemessen und ohne Schwierigkeiten reagieren können. Manchen Menschen fällt es sehr schwer, mit ideomotorischen Bewegungen zu antworten, weil es ungewohnt ist. Wenn jemand nur dasitzt und keinerlei Reaktionen zeigt, hilft es oft, wenn Sie ihm sagen (er wendet sich an eine Frau im Publikum): »Sally, ich nehme jetzt Ihren linken Arm und hebe ihn hoch. Und Sie werden den Arm nicht schneller sinken lassen, als Sie sich wirklich vollständig entspannen und lernen, Ihre Hand unwillkürlich in die Höhe steigen zu lassen. Und dann wird die Hand langsam heruntersinken, während Ihnen wohltuende Gedanken durch den Kopf gehen... und es möglich wird . . . daß nun die andere H a n d . . . ihr ganzes Gewicht verliert, so daß die eine Hand nur so schnell herabsinkt . . . wie die andere sich zu heben beginnt... und weiter steigt... aber nicht schneller... das ist viel zu schnell - langsamer . . . Nur so schnell, wie auch die andere Hand jetzt lernt, sich unwillkürlich zu bewegen... So ist es richtig... Lassen Sie sich Z e i t . . . Überlassen Sie es dem anderen Bewußtsein... Langsamer . . . ja, so geht e s . . . Nun lernen Sie . . . wirklich... genießen Sie e s . . . So ist es richtig... ganz hoch... lassen Sie s i e . . . ganz
hoch... Lernen Sie, es zuzulassen, daß Ihr Unbewußtes die unbewußten Bewegungen und Veränderungen macht... und lassen Sie es so weitergehen... eine Hand steigt auf, die andere senkt sich... Und so können Sie weitermachen, bis Sie es ganz perfekt können. Hypnose ist ein Lernprozeß. Es gibt kein Versagen, es sei denn, der Hypnotiseur läßt es zu, daß jemand etwas als Versagen bezeichnet. Wenn Sie die Situation so definieren, daß es gar kein Scheitern geben kann, dann haben Sie damit keine Probleme. Am besten helfen Sie den Leuten, wenn Sie ihnen ständig Erfahrungen und innere Reaktionen ermöglichen, auf denen sie Lernprozesse aufbauen können, die ihnen mehr Entscheidungsfreiheiten geben. Das gilt eigentlich für jede Art von Lernen. Sie können nun die Hand sinken lassen, Sally, und sich gratulieren, wie gut Sie diese Aufgabe gemeistert haben. Ich weiß, daß jeder von Ihnen lernen kann, sich in Trance zu versetzen, und Sie können lernen, aus einem Trancezustand alles mögliche zu entwickeln - was Sie wollen. Wenn aber die Trancezustände in der Mehrzahl solche werden, wo Sie etwas nicht schaffen, dann ist es anders. Die traditionellen Hypnotiseure haben sich immer selbst das Leben schwergemacht, indem sie die Leute aufgefordert haben, Dinge zu tun, die diese von sich aus gar nicht getan hätten. Das mache ich nicht, denn ich finde, das ist unfair den Leuten gegenüber und erschwert mir die Arbeit. Ich lasse die Leute immer das tun, was sie sowieso schon tun, indem ich ihnen viele Möglichkeiten offenlasse. Ich lasse sie erstmal so reagieren, wie es ihre Natur ist, und das benutze ich dann als Ansatz, um ihnen langsam beizubringen, in Trance etwas anderes zu tun. Man kann mit einfachen Dingen, zum Beispiel Bewegungen, anfangen, und es dann nach und nach bis hin zu tiefgreifenden Charakterveränderungen ausweiten. Suchen Sie sich nun einen Partner, versetzen Sie ihn in Trance und bauen Sie ein Ja/Nein-Signalsystem auf. Die Signale können auch etwas anderes als Bewegungen sein. Sie können den anderen auch für Ja erröten und für Nein erblassen lassen. Oder er kann sich für Ja entspannen und für Nein anspannen. Wenn Sie eine Reihe von Möglichkeiten ausprobiert und trotzdem keine Reaktion festgestellt haben, sagen Sie: »Ich bitte Ihr Unbewußtes, mir ein deutlich erkennbares Signal zu geben, das ich eindeutig als Ja-
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Reaktion auffassen kann. Könnten Sie mir das geben?« Und dann lehnen Sie sich zurück und passen gut auf. Wenn Sie es dann erkennen, prima. Falls nicht, sagen Sie: »Bitte noch deutlicher, denn ich möchte meine Anweisungen gern von Ihrem Unbewußten bekommen. Und um Ihren Bedürfnissen vollständig gerecht werden zu können, brauche ich ein Zeichensystem, das unzweideutig und ohne Unsicherheiten funktioniert.« In der Regel wird Ihr Partner dann eine gut erkennbare Reaktion bringen. Nehmen Sie sich zwanzig Minuten Zeit, um nur das miteinander zu üben. Dann kommen Sie wieder hierher, und ich gebe Ihnen weitere Anweisungen.
Nachdem Sie die Ja/Nein-Signale aufgebaut haben, versetzen Sie Ihren Partner bitte wieder in Trance. Dann soll er eine Verhaltensweise aus seinem Alltag bestimmen, die er an sich selbst nicht mag, die aber immer wieder vorkommt. Bewußt denkt er vielleicht: »Ah ja, das Rauchen!«, aber auf unbewußter Ebene findet er vielleicht etwas ganz anderes. Es ist nicht wichtig, was er glaubt, ausgesucht zu haben. Sie sollen sein Unbewußtes auffordern, zwischen all den Dingen, die ihm in seinem Leben Probleme machen, herumzukramen und sich eins davon auszusuchen - eins, das für sein Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung ist.
Wenn sein Unbewußtes dann eines gefunden hat, soll es Ihnen ein Ja-Signal geben. Mit dieser Instruktion sorgen Sie dafür, daß, falls sein Bewußtsein so etwas Triviales wie Rauchen aussucht, das Unbewußte etwas Sinnvolleres auswählen kann. Von allen Möglichkeiten, mit einer Lernmethode zu arbeiten, ist das Beseitigen schlechter Gewohnheiten nämlich das Abgedroschenste, was man machen kann. So etwas ist auch wichtig, aber es ist nicht annähernd so wichtig für Ihr Wohlbefinden wie andere Dinge. Viele Ihrer Verhaltensweisen hindern Sie daran, anderen Menschen näherzukommen, sich in ihrer Umwelt spontan zu bewegen, von anderen Menschen zu lernen oder sich an ihnen zu freuen. Da gibt es Verhaltensmuster, die sich durch alle anderen hindurchziehen. Ein Nebeneffekt solcher Verhaltensweisen kann auch sein, daß Sie Ihre Raucherei nicht in den Griff bekommen oder um vier Uhr morgens aufwachen und dann unbedingt Pecannüsse essen müssen. Ich hatte einmal so einen Klienten. Er wachte immer morgens um vier auf, und wenn er dann keine Pecannüsse bekam, konnte er nicht wieder einschlafen. Es war egal, wo er gerade war; es machte auch nichts, wenn er in eine andere Zeitzone kam, dann richtete sich das Verlangen nach der neuen Uhrzeit. Ein ziemlich komplizierter Fall. Übrigens: dieser Mann war Psychiater. Das Problem war, daß er öfter in Gegenden reisen mußte, wo es keine Pecannüsse gab. Meistens, wenn er ins Ausland ging, nahm er sich welche mit, aber manchmal war es verboten, sie einzuführen. Das bedeutete dann, daß er jeden Tag morgens um vier aufwachte, ohne wieder einschlafen zu können. Klugerweise gewöhnte er sich an, um neun Uhr abends ins Bett zu gehen und dann halt um vier Uhr morgens aufzustehen. Seine Frau war allerdings davon nicht besonders begeistert: Sie fand dieses Leben recht eintönig. Mir war klar, daß dieses Verhalten, von dem er sagte, er wolle es gern ändern, nur Ausdruck eines viel wichtigeren und durchgängigeren Grundmusters war. Andererseits weiß ich: Auch die Arbeit an einem solchen Beispiel ist eine Möglichkeit, Verhaltensmuster zu verändern, also begann ich in diesem Fall einfach mit dem Reframing! In unserem nächsten Teil möchte ich nun, daß Sie zuerst Ihren Partner wieder in Trance versetzen, die Ja/Nein-Signale mit dem Unbewußten wiederherstellen und dann sowohl das Bewußtsein
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Viele von Ihnen haben eben berichtet, daß es viel leichter war, als Sie erwartet hatten. Und viele haben auch, während ich so im Raum herumging, brillante Erfolge gehabt - ohne es zu merken. Das Problem gibt es häufig, wenn es um unbewußte Aktivität geht: Oft sind die Dinge einfach zu offensichtlich. Ich habe zum Beispiel gesehen, wie jemand auf die Finger seines Partners starrte und immer wieder nachfragte, während sein Partner dauernd mit dem Kopf Ja- und Nein-Signale gab. Er konzentrierte sich ganz auf die Finger und fixierte sie immer schärfer, als ob die Finger sich davon höher heben würden. Man muß sich klarmachen, daß unbewußte Reaktionen oft recht vorlaut sind - weil sie keine Bedeutung haben. Wenn Sie allerdings nur auf eine Stelle starren, werden Sie sie trotzdem übersehen. 2. Welches Verhaltensmuster soll verändert werden?
als auch das Unbewußte auffordern, ein wichtiges Verhaltensmuster herauszusuchen, das er gern bei sich ändern möchte. Sie können es Verhalten X oder sonstwie nennen. 3. Trennung der positiven Funktion vom dazugehörigen Verhalten
Verhalten ihm gegenüber ändern würden, damit er im Leben besser zurechtkommt?« - Sie werden nicht viele Väter finden, die dann nein sagen. Die Reframing-Methode, die ich Ihnen vermitteln will, funktioniert ganz ähnlich. Sie machen es der betreffenden Person ganz leicht, so zu reagieren, wie Sie es wünschen, indem Sie alles, was wichtig ist, einfach im voraus als gegeben annehmen. So setze ich zum Beispiel die Kommunikation einfach voraus. Wenn sein Unbewußtes sagt: »Nein, ich will dem Bewußtsein nichts erzählen«, dann kommuniziert es ja bereits mit mir. Dann sage ich: »Willst du vielleicht nur für dich allein herausfinden, was genau der für dich nützlichste Aspekt dieses Verhaltens ist?« Sie sehen, alles, was ich will, ist Kommunikation. Ob die Antwort Ja oder Nein ist, ist egal. Was macht es schon, ob das Bewußtsein Bescheid weiß oder nicht? Selbst wenn es Bescheid wüßte, würde das auch nicht viel helfen. Wissen vermittelt manchmal eine Illusion von Sicherheit, aber es ist nicht an sich sinnvoll, das Bewußtsein von allem zu informieren. Mir kommt es nur auf die Kommunikation an. Was genauso wichtig ist: Ich möchte unterscheiden zwischen dem unerwünschten Verhalten und dem Zweck, den es erfüllt. Diese Trennung ist auch in meiner Frage enthalten. Ich frage ja nicht, ob das Verhalten einen Zweck hat, sondern gleich, ob das Unbewußte bereit ist, den Zweck mitzuteilen. Wenn das Unbewußte die positive Funktion des Verhaltens nicht mitteilen will, sage ich: »Prima«, und mache weiter. Die wichtige Unterscheidung zwischen dem Verhalten selbst und dem Zweck, den es erfüllt, ist nämlich damit auch gemacht. Das gibt mir viel Spielraum für die Durchführung der Veränderungen. Der Klient mag sein Verhalten nicht, also finde ich einen positiven Zweck, dem es dient. Damit sind neue Entscheidungsfreiheiten geschaffen.
a) Jetzt können Sie einfach nach dem Standard-Modell des Reframing vorgehen. Zuerst sagen Sie etwa: »Also, du Unbewußtes von Joyce, ich möchte, daß du jetzt die Fingerzeichen dem Teil ihrer Persönlichkeit überträgst, der dafür verantwortlich ist, daß Verhalten X auftritt. Und wenn dieser Persönlichkeitsteil die Fingersignale voll beherrscht, werden sich beide Finger heben, um es mich wissen zu lassen.« Man benutzt immer ideomotorische Bewegungen als Feedback-Mechanismus. b) Die nächste Frage ist sehr wichtig. Sie fragen: »Willst du das Bewußtsein wissen lassen, welche Vorteile es hat, wenn dieses Verhalten X auftritt?« Das ist eine Ja/Nein-Frage. Wenn Sie ein Ja als Antwort bekommen, sagen Sie: »Also, gut, laß es das wissen, und wenn das geschehen ist, dann soll sich der Ja-Finger langsam heben, soll die Ja-Röte ins Gesicht steigen oder was auch immer das Signal ist - damit ich weiß, daß du es ihm gesagt hast.« Man überprüft und reguliert die Dinge laufend. Benutzen Sie die Ja/ Nein-Signale also nicht nur als Antworten, sondern auch zur Überprüfung des Prozesses. Es kommt übrigens nicht darauf an, ob Sie eine Ja- oder eine Nein-Antwort auf die Frage bekommen: »Willst du das Bewußtsein wissen lassen, welchen Zweck das Ganze hat?« Es ist egal, weil Sie das, was Ihr eigentliches Ziel ist, schon erreicht haben: Kommunikation über das, worum es geht. Wenn Sie einfach hergehen und fragen: »Willst du uns darüber etwas mitteilen?«, könnte das Unbewußte mit Nein antworten, und dann wissen Sie nicht weiter; dann müssen Sie sich ein anderes Vorgehen überlegen. Wenn Sie in der Familientherapie einen Vater direkt fragen: »Sind Sie bereit, ihr Verhalten Ihrem Sohn gegenüber zu ändern?«, kann es sein, daß er »Nein« antwortet. Wenn Sie ihn aber fragen: »Lieben Sie Ihren Sohn?«, wird er sagen: »Ja«. Und wenn Sie fragen: »Lieben Sie ihn wirklich"!«, wird er wohl wieder Ja sagen. Dann fragen Sie: »Lieben Sie ihn so sehr, daß Sie auch Ihr
a) Sobald das Bewußtsein den Zweck des Verhaltens kennt oder der betreffende Teil der Psyche selbst erkannt hat, um was es geht, ist der nächste Schritt, alternative Möglichkeiten zu entwikkeln, die diesen Zweck ebenso erfüllen können. Sie können einfach diesen Teil der Psyche fragen, ob er bereit ist, sich zu den schöpfe-
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4. Neue Alternativen entwickeln
rischen Quellen zu begeben, wo die Menschen ihre Träume und Vorstellungen entwickeln. Sie können alles anführen, was nötig ist, damit sich neue Entscheidungsmöglichkeiten bilden, Dinge neu geordnet werden oder sich irgendwie Kreativität manifestiert - und ob er sich neue Möglichkeit schaffen will, diese positive Funktion zu erfüllen, und zwar anders als die, die er zur Zeit benutzt. Versichern Sie diesem Anteil fest, daß er keine dieser anderen Möglichkeiten akzeptieren und ebensowenig das alte Verhalten aufgeben muß. Er soll nur einmal in sich gehen und die ganze Fülle von Möglichkeiten wahrnehmen, wie man seine positive Absicht auch anders erreichen kann. b) Wenn Sie ein Ja bekommen, sagen Sie, er soll weitermachen und Ihnen wieder ein Ja-Signal geben, wenn er zehn neue Möglichkeiten gefunden hat. Wenn das Bewußtsein weiß, um welches Verhalten und welche Funktion es geht, dann können Sie auch dem Bewußtsein erlauben, etwas über die neuen Möglichkeiten zu erfahren, aber es braucht nicht unbedingt von diesen neuen Alternativen zu wissen. Bitte tun Sie nur so viel, nicht mehr, auch wenn es anscheinend nicht viel Sinn ergibt. Zuerst bitten Sie den Partner, sich ein Verhalten auszusuchen, für das er am dringendsten neue Möglichkeiten einsetzen möchte. Dann sagen Sie im wesentlichen so etwas wie: Machen Sie eine Trennung zwischen diesem und dem, was Sie damit erreichen, was also der Zweck des Ganzen ist. Weiter sagen Sie: »Wenn Sie jetzt Verhalten und Zweck getrennt haben und der Unterschied klar ist, dann möchte ich, daß Sie Ihre ganze Kreativität aufbringen, um zehn neue Möglichkeiten zu entwickeln, diesen Zweck anders zu erreichen. Sie brauchen sie dann nicht unbedingt zu benutzen; es gibt keinerlei Verpflichtung, irgend etwas zu ändern. Sie brauchen sich nur zehn neue Möglichkeiten vorzustellen, die denselben Zweck erfüllen können.« Wenn Ihr Partner signalisiert, daß er wirklich diese zehn Möglichkeiten hat, oder auch nur acht, dann hören Sie auf. Holen Sie ihn in den Wachzustand zurück. Versuchen Sie es jetzt so weit. Bei dem, was Sie eben geübt haben, wollen Sie vor allem erreichen, daß jemand unbewußt lernt, Verhalten und Ergebnis voneinander zu trennen. Wenn ein Verhalten eine Möglichkeit ist, ein
bestimmtes Ergebnis zu bewirken, dann können Sie, wenn diese Unterscheidung einmal getroffen ist, Ihrem Partner leicht beibringen, andere Möglichkeiten zu entwickeln - drei, vier, zehn Wege, dieses Ergebnis anders als mit dem Problemverhalten zu erreichen. Ihr Ziel ist, daß er schließlich Alternativen hat, die genauso unmittelbar, effektiv und greifbar sind wie das, was er zur Zeit immer tut. Wenn Sie so weit kommen, ist es nicht mehr schwierig, nun wirklich durchgreifende Veränderungen einzuleiten. Wenn Sie nur überlegen, wie man das problematische Verhalten ändern kann, das Rauchen etwa, dann haben Sie nicht viel Spielraum. Man kann entweder rauchen oder es bleiben lassen, und es ist schwierig, zu erreichen, daß jemand etwas bleiben läßt. Wenn Sie eher stützend und bei den positiven Funktionen des Rauchens ansetzen - zum Beispiel, daß es entspannt -, gewinnen Sie damit sehr viel mehr Spielraum: es gibt ja viele Möglichkeiten, sich zu entspannen. Wenn man absichtlich eine Symptomverschiebung vornimmt, kann man dabei aber auch Schwierigkeiten bekommen: Nehmen wir zum Beispiel den Fall, daß jemand immer, wenn er unbewußt irgendwie unbefriedigt ist, ein Stück Schokoladenkuchen ißt. Wenn man dann den Schokoladenkuchen durch das Malen eines Bildes ersetzt, ist das keine gute Lösung, weil es ja viel leichter ist, ein Stück Kuchen zu essen, als ein Bild zu malen. Es ist auch wesentlich leichter, eine Zigarette zu rauchen, als eine Reise nach Mexiko zu machen. Das Rauchen entspannt Sie vielleicht nicht so wie das Reisen, aber man kann es sehr viel schneller haben. Das Unbewußte kennt keine solchen qualitativen Unterschiede, wie man sie macht, wenn man bewußt überlegt. Bewußt sagen Sie sich vielleicht, daß es gar nicht besonders befriedigend ist, Schokoladenkuchen zu essen, weil Sie es hinterher bereuen und es auf die Dauer Ihr Leben beeinträchtigt. Vielleicht sehen Sie ein, daß es Sie sicher mehr befriedigen würde, sich ein Hobby zuzulegen oder eine andere sinnvolle Tätigkeit zu finden. Trotzdem: wenn das, was Sie einsetzen wollen, um das Gefühl der Befriedigung auf andere Weise herzustellen, nicht ebenso unmittelbar wirkt und ebenso so schnell greifbar ist wie der Schokoladenkuchen, dann werden Sie entweder immer wieder in Ihr altes Verhaltensmuster zurückfallen, oder Sie finden irgendwann etwas, was genauso schnell greifbar ist.
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Nun ergibt sich, wenn Sie etwas finden, was genauso schnell zu haben ist, manchmal etwas durchaus Wertvolles. Aber oft hören die Leute nur mit ihrer Überernährung auf, um dafür das Rauchen anzufangen, oder Sie hören mit dem Rauchen auf und nehmen von da an ständig zu. Oder sie geben eine Gewohnheit auf, die ihren Zielen im Weg steht, und machen dann Sachen, die schließlich noch zerstörerischer wirken als die alten Verhaltensweisen vorher. Man muß also die Alternativen, die zur Diskussion stehen, irgendwie bewerten können.
len, drei andere haben, dann sind Sie im Land der freien Wünsche, und da gibt es dann wirkliche Entscheidungsfreiheiten. Deswegen sollen Sie Ihren Partner mindestens drei Alternativen entwickeln lassen, die er im Hinblick auf den verfolgten Zweck unbewußt als genauso unmittelbar, effektiv und erreichbar bewertet wie sein altes Verhalten. 6. Eine der Alternativen auswählen
a) Sie sollen gleich wieder dieselben Paare bilden und mit dem nächsten Lernschritt weitermachen. Versetzen Sie Ihren Partner wieder in einen anderen Bewußtseinszustand. Bauen Sie wieder Ihr Signalsystem von vorhin auf und bitten Sie ihn dann, die neuen Möglichkeiten nacheinander durchzugehen und jede einzelne danach zu bewerten, ob er sie unbewußt für mindestens ebenso unmittelbar, effektiv und greifbar hält wie das, was er zur Zeit praktiziert, um den besagten Zweck zu erreichen. Also - was immer die Absicht hinter dem Verhalten X sein mag: Sind diese Alternativen hinsichtlich dieser Absicht genauso effektiv? Jedesmal, wenn er dann eine Möglichkeit findet, die diese Bedingungen erfüllt, soll er das Ja-Signal geben, so daß Sie die Anzahl der Möglichkeiten, die er unbewußt aussucht, mitzählen können. Sie wollen wissen, wie viele Möglichkeiten er unbewußt so einschätzt, daß sie das Kriterium erfüllen werden. Wenn Sie etwa zehn davon bekommen, können Sie mehr als zufrieden sein. b) Wenn sich weniger als drei akzeptable Möglichkeiten ergeben, lassen Sie ihn zu Schritt (4) zurückgehen und weitere Alternativen entwickeln, bis er mindestens drei hat. Wenn man nur eine Wahlmöglichkeit hat, etwas anders und besser zu machen, dann ist die Auswahl nicht sehr groß. Das ist der Punkt, an dem die meisten von Ihnen im Moment stehen, egal, womit Sie gerade kämpfen. Wenn die einzige Möglichkeit, Befriedigung zu finden, für Sie darin besteht, zuviel zu essen oder Ihre Kinder anzuschreien, oder was auch immer sonst, dann haben Sie ja in Wirklichkeit gar keine Wahl - sondern ein Dilemma! Wenn Sie aber außer der Möglichkeit, die Sie nicht mehr wol-
a) Wenn er signalisiert, daß er die drei Möglichkeiten hat, dann soll er unbewußt eine davon aussuchen, die er ausprobieren möchte. Er soll nicht die alte wählen, deshalb ist es das beste, diesen Fall mit Hilfe von Vorannahmen einfach zu umgehen. Sie bitten ihn, zu bestimmen, welche der neuen Alternativen ihm am effektivsten und am greifbarsten erscheint, was die besagten Ziele betrifft; und er soll ein Ja-Signal geben, wenn er seine Wahl getroffen hat. b) Weiterfragen Sie sein Unbewußtes, ob es verantworten kann, statt der alten Verhaltensweise nun drei Wochen lang die neue auszuprobieren, um ihre Effektivität beurteilen zu können. Wenn sich herausstellt, daß es nicht funktioniert, kann es noch die anderen beiden ausprobieren oder zu den alten Gewohnheiten zurückkehren. Das Zurückgreifen auf alte Verhaltensweisen bedeutet nicht, daß der Klient gescheitert ist. Es ist nur eine Aufforderung, zusätzliche Möglichkeiten zu entwickeln, vielleicht nachts im Traum oder in einem Tagtraum. Im Laufe meiner Arbeit habe ich festgestellt, daß sich die Menschen während der üblichen therapeutischen, hypnotischen oder medizinischen Veränderungsprozesse oft nicht so spontan ändern, wie man es normalerweise tut. Wenn die Leute es nicht schaffen, ihr gewünschtes Ziel zu erreichen, verallgemeinern sie gleich, daß es zu schwierig sei, sich zu ändern, und daß sie es nicht schaffen anstatt einfach die Tatsache, daß sich nichts ändert, als Hinweis darauf anzusehen, daß die bisher entwickelten Alternativen nicht adäquat waren, und sie nun bessere finden müssen. Wenn Sie erreichen, daß das Unbewußte die neue Alternative ausprobieren will, bitten Sie es, ein Zeichen zu geben, falls es entdeckt, daß dieser neue Weg doch nicht gut genug ist. Das soll für das Unbewußte eine Aufforderung sein, ein Vorgehen zu entwickeln, das besser funktioniert; das kann in Träumen, Phantasien
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5. Neue Alternativen bewerten
oder gänzlich unbewußt vor sich gehen. Wenn sich ein Verhalten als inadäquat erweist, ist das eher ein Signal, neue Lernprozesse in Gang zu bringen, als daß es bedeutet, man hat versagt. Ist das klar? Das ist ein ganz wichtiges Prinzip, auch wenn Sie nicht mit Hypnose arbeiten. Wenn Sie Menschen verändern, dann sollten Sie alles, was als Versagen aufgefaßt werden kann, als Anzeichen dafür definieren, daß nun weitergearbeitet werden muß. Solche allgemeinen Lernprozesse sind viel nützlicher als irgendwelche spezifischen Veränderungen, die Sie im Laufe der Psychotherapie bei jemandem bewirken. Wenn jemand mit gelähmten Beinen zu Ihnen kommt, und Sie helfen ihm, die Lähmung zu überwinden, und vermitteln ihm gleichzeitig diese Einsicht, dann bringen Sie ihm bei, daß er, falls die Lähmung wieder auftritt, etwas unternehmen muß, und daß das nicht etwa heißt, daß die Therapie nicht gewirkt oder er selbst versagt hat. Manche Therapeuten erzählen mir von Fällen, wo sie jemanden behandelt haben, der danach sechs Monate lang symptomfrei blieb, dann jedoch kehrten die alten Probleme zurück. Die Therapeuten wissen dann nicht, was sie falsch gemacht haben. Nach meiner Überzeugung muß der Therapeut etwas völlig Richtiges gemacht haben, weil es so lange gutging. Selbst wenn die Veränderung nur eine Woche gedauert hätte, muß er etwas getan haben, was durchaus angebracht war. Er hat nur versäumt, seine richtigen Interventionen zur Grundlage für die nachfolgenden Schritte zu erklären. Ein Symptom ist wie ein Barometer; es zeigt an, wann die Alternativen, die man hat, nicht mehr ausreichen, angemessen zu reagieren und die Aufgaben zu bewältigen. Auch Streß kann man als Barometer betrachten, das anzeigt, wann man sein Verhalten nicht mehr angemessen gestaltet. Ich habe einmal mit dem Personal einer sogenannten »Streß-Klinik« gearbeitet. Ein interessanter Name für so eine Institution, fand ich, eine Art Metapher. Dort sollte den Menschen geholfen werden, den Streß im Alltagsleben abzubauen, und zwar, indem ihnen Entspannungstechniken beigebracht wurden. Man hatte in dieser Klinik jedoch vergessen, »Streß« für Klienten wie für Therapeuten als etwas durchaus Sinnvolles anzuerkennen: Schließlich erkennt man daran, daß die momentanen Strategien der Problembewältigung nicht mehr funktionieren. Streß kann auch als Anzeichen dafür verstanden werden, daß es jetzt Zeit ist, sich einmal zurück208
zulehnen und irgendeine Entspannungstechnik zu üben; und als Hinweis, daß sich an dieser Stelle die Gelegenheit auftut, über neue Bewältigungsstrategien nachzudenken. Bitte beginnen sie wieder mit Ihrem Partner. Sein Unbewußtes soll die Möglichkeiten auswählen, die wirklich funktionieren; eine davon soll dann ausgewählt und für eine begrenzte Zeit ausprobiert werden. Falls sie sich als untauglich erweist, wird eine andere Möglichkeit ausprobiert oder ein Verhalten veranlaßt, aus dem sich neue Möglichkeiten ergeben. Falls es gut funktioniert, behält der Betreffende es bei, wodurch sich das unerwünschte Verhalten erübrigt. 7. Gemeinsamer Schritt in die Zukunft (Zukunfts-Pacing) Wenn Sie auf der Ebene der unbewußten Reaktionen alle sicheren Anzeichen dafür haben, daß Ihr Partner die neue Reaktionsweise akzeptieren und anwenden will, dann sagen Sie ihm, selbst wenn Sie nicht wissen, um was es geht, er solle in seiner Phantasie eine Situation erleben, in der er bisher höchstwahrscheinlich mit dem unerwünschten Verhalten reagiert hätte. Und dann soll er sich selbst damit überraschen, wie gut es tut, das neue Verhalten auszuprobieren. Lassen Sie sein Unbewußtes feststellen: »Ja, es funktioniert«, oder »Nein, es geht nicht.« Falls die neue Möglichkeit nicht funktioniert oder unerwünschte Nebeneffekte hat, lassen Sie sich vom Unbewußten ein Nein-Signal geben. Dann soll er einen Schritt zurückgehen und weitere Möglichkeiten entwickeln. Bitte nehmen Sie sich etwa 20 Minuten Zeit dafür, damit Sie das, was Sie vorhin gemacht haben, wieder aufgreifen und zu einem guten Abschluß bringen können. Grundzüge des Reframing (Übersicht) 1. Ja/Nein-Signale mit dem Unbewußten vereinbaren. 2. Welches Verhaltensmuster soll verändert werden? Bitten Sie das Unbewußte des Klienten, ein Verhalten, das es im Grunde ablehnt - das Verhalten X - zu bestimmen; es soll etwas auswählen, das seiner Meinung nach von größter und elementarer Wichtigkeit für sein Wohlbefinden ist. Lassen Sie sich ein Ja-Signal geben, wenn Verhalten X gefunden ist. 209
3. Trennung der positiven Funktion vom dazugehörigen Verhalten (a) Fordern Sie sein Unbewußtes auf, die gelernten Ja/NeinSignale auf den Persönlichkeitsanteil zu übertragen, der Verhalten X veranlaßt. Bitten Sie diesen Anteil, entweder ein Ja- oder ein Ja- und ein Nein-Signal gleichzeitig zu geben, wenn das vollzogen ist. (b) Fragen Sie dann: »Bist du bereit, das Bewußtsein wissen zu lassen, welchen Gewinn es bringt, wenn Verhalten X auftritt?« Falls ja, sagen Sie: »Also dann, gib dem Bewußtsein diese Information, und wenn das getan ist, gib mir ein Ja-Signal.« Falls nein, fahren Sie fort. 4. Neue Alternativen entwickeln (a) Fragen Sie diesen Anteil des Unbewußten, ob er bereit ist, auf die kreativen Ressourcen des Klienten zurückzugreifen und neue Möglichkeiten zu entwickeln, wie die positive Funktion von X anders erreicht werden kann. (Das Unbewußte ist nicht verpflichtet, diese Möglichkeiten zu akzeptieren oder anzuwenden, es soll sie nur erst einmal finden.) (b) Wenn Sie ein Ja sehen, sagen Sie, es soll anfangen und ein weiteres Ja-Signal geben, wenn es zehn neue Alternativen entwickelt hat. 5. Neue Alternativen bewerten (a) Bitten Sie diesen Persönlichkeitsanteil, auf unbewußter Ebene jede der neuen Alternativen danach zu beurteilen, ob sie mindestens genauso unmittelbar, effektiv und leicht greifbar ist wie Verhalten X. Für jede Möglichkeit, auf die das zutrifft, soll er ein Ja-Signal geben. (b) Wenn Sie feststellen, daß er weniger als drei taugliche Möglichkeiten gefunden hat, gehen Sie zu Schritt (4) zurück und lassen ihn weitere Möglichkeiten entwickeln. 6. Eine der Alternativen auswählen (a) Fordern Sie den zuständigen Teil des Unbewußten auf, von den neuen Möglichkeiten diejenige zu bestimmen, die seiner Meinung nach in bezug auf die positive Funktion die befriedigendste und die am leichtesten greifbare ist. Wenn er sich für eine entschieden hat, soll er Ihnen ein Ja-Signal geben. (b) Fragen Sie diesen Anteil des Unbewußten, ob er die Verantwortung dafür übernehmen will, daß die neue Alternative drei Wochen lang ausprobiert und ihre Effektivität getestet wird.
Ausgangspunkt der Reframing-Technik ist die allgemeine Auffassung, daß man Dinge, die nicht so sind, wie man sie gern hätte, ändern kann. Man muß nur bestimmen, auf welches Ergebnis man hinarbeitet, welches Ziel man verfolgt, dann kann man auch neue Wege suchen, es zu erreichen. Das ist eine wertvolle Grundhaltung für alles, was Sie in Angriff nehmen; so wird jeder Zentimeter, den Sie sich vorwärtsarbeiten, Sie Ihrem Ziel näherbringen. Wenn ein Therapeut bei der Behandlung eines Patienten feststellt, daß ein bestimmtes Vorgehen keinen Erfolg bringt, dann ist das nur ein Hinweis, daß er sein Vorgehen ändern muß. Als ich heute nachmittag hier im Raum umherging, fiel mir auf, daß einige von Ihnen vergaßen, auf das Sprechtempo zu achten, womit sie die Leute eher aus der Trance herausholten anstatt sie zu vertiefen. Ein Teilnehmer weiter hinten im Raum hatte ausgezeichnet gearbeitet, bis er plötzlich begann, seine Stimme anzuheben. Als seine Stimme immer höher wurde, verlor seine Partnerin nach und nach den Trancezustand und versuchte, ihn wieder herbeizuzwingen das ist charakteristisch für allzu kooperative Klienten. Nach meiner Erfahrung sind alle Klienten sehr kooperativ, wenn sie in der richtigen Weise angesprochen werden. Ich hatte einmal einen Klienten, der setzte sich hin und sagte: »Bei mir wirkt überhaupt nichts. Es gibt nichts auf der Welt,
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7. Gemeinsamer Schritt in die Zukunft (Zukunfts-Pacing) Bitten Sie das Unbewußte des Klienten, sich in der Phantasie vorzustellen, wie er das neue Verhalten in einer passenden Situation ausprobiert. Lassen Sie sich vom Unbewußten mitteilen: »Ja, es funktioniert«, oder »Nein, es geht nicht.« Falls das neue Vorgehen nicht funktioniert oder irgendwelche unangenehmen Nebeneffekte hat, gehen Sie zu Schritt (4) zurück und lassen ihn weitere Möglichkeiten entwickeln. Diejenigen von Ihnen, die das Reframing-Vorgehen bereits aus »Neue Wege der Kurzzeittherapie« kennen, werden feststellen, daß wir hier im Vergleich zum Buch die Lernschritte leicht verändert haben und das Ganze einen etwas anderen Aufbau hat. Die Grundtechnik ist aber dieselbe, und Sie werden, wenn Sie es in dieser Weise anwenden, auch die gleichen Ergebnisse erzielen. Diskussion
womit Sie irgend etwas bei mir bewirken könnten; bei mir funktioniert überhaupt nichts, das weiß ich schon jetzt ganz genau.« Und ich antwortete: »In Ordnung, ich werde etwas tun, das bewirkt, daß Sie auf diesem Sessel sitzen bleiben.« Dann öffnete ich meine Schreibtischschublade und nahm ein Blatt Papier heraus. Ich schrieb darauf ein paar Worte und faltete es zusammen. Dann sah ich ihn an und sagte: »Und nun fühlen Sie sich ganz schwer, Sie verspüren den unwiderstehlichen Zwang, auf diesem Sessel sitzen zu bleiben, und alles, was Sie versuchen, wird vergeblich sein, denn jede Bewegung, die Sie machen wollen, wird Sie nur noch mehr in diesem Sessel festhalten.« Der Bursche stand sofort senkrecht vor mir. Ich faltete das Papier auf und zeigte es ihm. Darauf stand: »Und jetzt stehen Sie auf Ihren Füßen.« Es gab nichts an diesem Vorgehen, was irgendeine tiefere Bedeutung hätte. Trotzdem überzeugte es ihn davon, daß ich in seinem Fall bestimmte Dinge würde bewirken können. Das hat damals viel geholfen. Eigentlich kommt so etwas aber selten vor; die meisten Leute braucht man nicht zu überzeugen. Wenn Sie einen Kontext schaffen, in dem jede Reaktion, die Sie vom Klienten haben wollen, auch angemessen ist, funktioniert es von selbst. Vor einigen Jahren habe ich etwas Seltsames erlebt: Ich hatte einen Studenten, dem alles schiefging. Sein Versagen war zwanghaft. Bald hatte ich heraus, daß ich nur einen bestimmten Behandlungserfolg als den am ehesten möglichen Mißerfolg zu definieren brauchte, dann konnte er alle Leute erfolgreich behandeln. Hinterher kam er zu mir und sagte: »Also, es hat nicht geklappt!« Sein Klient hatte sich geändert - aber er hat nie etwas davon gemerkt! Ich habe ihm jedesmal gesagt: »Am ehesten würde man mit diesem Klienten scheitern, wenn X passiert.« Dabei war ich sicher, daß X eine Veränderung war, die für den Klienten ausgesprochen sinnvoll sein würde. Er behandelte den Klienten dann und »versagte« jedesmal mit großer Zuverlässigkeit. Er versagte laufend mit gutem Erfolg - auf genau die Weise, die ich ihm angegeben hatte. Dieses Vorgehen kann man bei allen derartigen Verhaltensweisen anwenden. Diese Rigidität erscheint recht befremdlich, wenn ich sie hier beschreibe. Aber denken Sie an Ihre eigenen Klienten deren Verhaltensrigiditäten sind meistens nicht weniger befremdlich. Die Frage ist nur, ob man einen Kontext herstellen kann, in dem ihre Verhaltenseigenarten dahin führen, wo sie hinwollen.
Es gibt eine alte Gestalttechnik, die man anwenden kann, wenn der Klient sagt: »Ich kann mir nicht vorstellen, daß mir noch irgend etwas helfen kann.« Man schaute ihn an und sagte: »Sie haben recht. Das können Sie sich wirklich nicht vorstellen, niemals. Sie sind ein absoluter Versager; Sie könnten sich nie im Leben etwas vorstellen, was helfen könnte, nicht das allerkleinste bißchen.« Meistens antworten die Leute dann doch immer: »Nun ja, eine kleine Möglichkeit gibt es vielleicht doch...« Das gehört zu der natürlichen polaren Reaktion, die viele von uns in sich haben. Es gibt allerdings Leute, die genau umgekehrt reagieren. Ich habe einmal erlebt, wie ein Gestalttherapeut mit einer Klientin arbeitete, die gesagt hatte: »Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Der Gestalttherapeut meinte: »Raten Sie doch einfach mal.« Die Frau sagte: »Ich weiß nicht. Ich kann schlecht raten.« Und der Therapeut erwiderte: »Stimmt. Sie werden auch niemals etwas Passendes erraten können.« Das Gesicht der Klientin wurde tieftraurig, sie sah erschütternd aus. Wenn man diese Gestalttechnik bei jemand anwendet, der kongruent reagiert, dann überzeugt man ihn endgültig davon, daß er ein Versager ist. Wenn man aber auf die Reaktionsweise achtet, kann man sie benutzen, um den Klienten dahin zu führen, wo er hin will. Deshalb müssen Sie im Auge behalten, welche Art von Reaktionen Sie bekommen und danach Ihr Verhalten ausrichten. Wenn Sie das Reframing mit den nonverbalen Ja/Nein-Signalen benutzen, dann brauchen Sie sich nicht darum zu kümmern, was für eine Reaktion Sie bekommen, denn es ist gleich, ob Sie eine Jaoder eine Nein-Reaktion bekommen. Welche Reaktion Sie bei einem Reframing-Schritt auch erhalten, sie sagt Ihnen einfach nur, was Sie als nächstes zu tun haben. Wenn Sie den Klienten auffordern, neue Möglichkeiten zu entwickeln, und er tut das wohl, aber die Entwürfe sind nicht gut genug, dann heißt das nur, daß er noch einmal einen Schritt zurückgehen und sich weitere Möglichkeiten überlegen muß. Wenn das so weitergeht und er keine brauchbaren Möglichkeiten findet, dann lassen Sie ihn den Kontext neu definieren. Sagen wir, Sie haben ihn auf seine kreativen Anteile, die Quelle der Träume, zurückgreifen lassen, und er sollte neue Möglichkeiten »erträumen«, aber diese waren nicht gut genug. Dann lassen Sie ihn nun zu seinem »Gehirnzentrum« gehen, »wo alles unerwünschte
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Verhalten hervorgerufen wird.« Man kann alles hinkriegen. Tun Sie, als sei es real, und es wird Realität. In unserem Land gibt es mittlerweile tausende von Leuten, die ein Eltern-Ich, ein Kind-Ich und ein Erwachsenen-Ich mit sich herumschleppen. Das ist nicht etwa angeboren, das ist erworben. Alle Klienten, die bei mir waren und sowas hatten, waren in einer Transaktionsanalyse-Behandlung gewesen. Das soll keine Kritik an der Transaktionsanalyse sein - es ist ein Kompliment an die Flexibilität des Menschen, sich alles mögliche zu erschaffen, wenn es nur jemanden gibt, der sich verhält, als sei es Realität. Alle TA-Therapeuten, die mit ihren persönlichen Problemen zu mir kamen, hatten Schwierigkeiten mit ihren Teil-Ichs. Sie waren z. B. nicht in der Lage, erwachsene Dinge zu tun und sich wie ein Kind daran zu freuen, denn nach ihrer Psychotheologie ist beides strikt zu trennen. Und nun haben sie unter den Nebenwirkungen ihres Glaubenssystems und ihrer Psychotherapierichtung zu leiden. Meine Meinung ist: anstelle von Gestalt-Topdog und -Underdog, die sich gegenseitig bekämpfen, statt des psychoanalytischen Unbewußten, das einen nach Belieben quält, statt TA-Eltern-Ich und Kind-Ich, die sich nicht vertragen, und statt sonst irgendwelcher Aspekte der Persönlichkeit, die einen einschränken, sollte man für jeden Klienten eine Psychotherapie entwerfen, in der alle Anteile der Persönlichkeit gemeinsam so flexibel wie möglich neue Möglichkeiten zur Bewältigung der Schwierigkeiten entwickeln. Ich möchte, daß jeder frei entscheiden kann. Die psychischen Anteile, die ich Ihnen vorstelle, sind kreative Anteile, die alles können. Ich entwerfe ein Unbewußtes, das sich um Sie kümmert, für Sie sorgt und in Ihrem Interesse arbeiten will, denn Persönlichkeitsanteile, die nur einschränken, mag ich nicht. Das tun Sie selbst schon viel zu gründlich. Falls jemand von Ihnen mehr darüber wissen will, wie man das Reframing auch auf andere Weise anwenden kann, sollte er »Neue Wege der Kurzzeittherapie« lesen. Im letzten Kapitel des Buches demonstrieren wir das Reframing an einer Versuchsperson und beantworten zahlreiche Fragen. Es gibt von uns auch ein Buch mit dem Titel »Reframing: The Transformation of Meaning«, in dem verschiedene Modelle des Reframing in allen Einzelheiten vorgestellt werden.
Sie brauchen die Leute gar nicht regelrecht in Trance zu versetzen, um ein Reframing durchzuführen, aber auch das kann zur Abwechslung einmal ganz nett sein. Man kann die Grundschritte des Reframing auch in eine normale Unterhaltung einflechten. Der einzige Unterschied ist, daß Sie dann noch aufmerksamer beobachten müssen, welche Reaktionen Sie bekommen. Auch in einer normalen Konversation können Sie dieselben unbewußten Reaktionen bekommen, aber dann laufen sie meistens schneller und weniger deutlich ab, deshalb sind sie schwerer zu erkennen. Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, ein Beispiel dafür, wie man Reframing in einer normalen Unterhaltung benutzen kann: Letztes Jahr habe ich einen Freund in Südkalifornien besucht. Dort ging ich in eine Spirituosenhandlung, um für eine Party, die wir bei ihm feiern wollten, ein paar Flaschen Sekt zu kaufen. , In dem Geschäft fiel mir eine kleine alte Frau auf, eine Alkoholikerin. Ich kann Alkoholiker ziemlich schnell als solche erkennen, am Muskeltonus, an der Hauttönung, an der Haltung und daran, wie sie atmen, auch wenn sie gerade nicht »getankt« haben. (Ich glaube, jeder, der sich eine Weile mit dem Unterschied zwischen Alkoholikern und Nicht-Alkoholikern beschäftigt hat, kann diese Unterscheidung leicht treffen.) Sie war klein, und obwohl sie steinalt aussah, war sie wohl nicht älter als 65 Jahre. Ich nickte ihr zu und lächelte, dann widmete ich mich wieder meinem Einkauf. Die Frau an der Kasse kannte ich schon von früher, und wir wechselten ein paar scherzhafte Bemerkungen und lachten. Die kleine alte Frau lachte ebenfalls, gab irgendeinen recht witzigen Kommentar, und ich mußte wieder lachen. Als ich gehen wollte, wandte sie sich zu mir um und sagte: »Sie fahren nicht zufällig den Berg zum Postamt hoch?« Ich sagte: »Es wird mir ein Vergnügen sein, Sie nach Hause zu fahren. Ich warte draußen im Auto.« Sie kam heraus, stieg ein und wir fuhren los. Als sie neben mir auf dem Beifahrersitz saß, verschränkte sie ihre Hände ineinander und sah mich verstohlen an. Offensichtlich sprach irgend etwas an mir sie an. Schließlich fragte sie: »Warum trinken Sie Alkohol?« Ich mußte mich zusammenreißen, um nicht loszulachen, denn offensichtlich wollte sie erfahren, warum sie trank, es war eine Verschiebung des inhaltlichen Bezugs auf meine Person. Ich sagte:
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»Nun, ich persönlich trinke, weil es mir schmeckt. Ich trinke nur sehr guten Wein und Champagner. Whisky schmeckt mir nicht so besonders, darum trinke ich keinen. Und wenn ich am Strand bin und es ist heiß, dann trinke ich Bier.« Dann fuhr ich fort: »Aber in Wirklichkeit ist das nicht die Frage, die Sie mir stellen wollten. Eigentlich wollten Sie mich fragen, warum Sie trinken.« Das traf ihre momentane Verfassung so genau, daß sie sofort in Tränen ausbrach. Das Weinen half weder mir noch ihr weiter. Draußen sah ich einen Hund laufen; ich zeigte mit dem Finger auf ihn und rief laut: »SCHAUEN SIE NUR, IST DAS DA IHR HUND?« - nur, damit sie mit dem Weinen aufhören sollte. Meine Stimme klang so alarmierend, daß sie auf meine Frage völlig kongruent reagierte: Sie sah hinaus, schaute mich dann verwirrt an und sagte: »Nicht einmal einen Hund habe ich.« Aber sie hatte aufgehört zu weinen, und das war schließlich der Sinn der Sache gewesen. Dann erzählte ich ihr eine Geschichte: »Wissen Sie, der Hund erinnert mich an einen kleinen Hund, den ich mal kannte - in San Francisco. Und der glaubte, daß niemand auf der Welt ihn verstünde. Er hat mir das erzählt, und der Hund hatte beinahe recht. Denn es stimmte, daß fast niemand auf der ganzen Welt ihn verstand. Aber der Hund merkte nicht, daß es ein großer Unterschied ist, ob niemand ihn versteht, oder ob fast niemand ihn versteht.« Wieder brach sie in Tränen aus. Wir fuhren weiter, und bald sagte sie: »Sie haben recht, die Frage ist, warum ich trinke.« »Und selbst das ist eine falsche Frage«, sagte ich. »Ihr ganzes Leben lang haben Sie sich das schon gefragt: >Warum trinke ich?< Alle anderen fragen auch >Warum trinken Sie?< - Aber das war alles ein einziger, großer Fehler. Nicht nur mir haben Sie die falsche Frage gestellt, sondern auch sich selbst - die ganzen letzten 30 Jahre lang. Ihre ganze Umwelt hat Ihnen diese falsche Frage gestellt, und indem man Ihre Aufmerksamkeit auf diese Frage konzentrierte, hat man Sie zum Narren gehalten, denn das ist gar nicht die richtige Frage.« Wir bogen in ihre Straße ein. Sie sah zu mir herüber, und dann sagte sie zu mir: »Wer sind Sie eigentlich wirklich?» Ich lächelte nur. Dann sagte sie: »Gut, und werden Sie mir jetzt sagen, wie die richtige Frage lautet?«
»Nun ja, unter einer Bedingung. Und die ist: Wenn ich es Ihnen gesagt habe, strecke ich meine Hand aus und berühre Ihre Schulter. Sie werden dann aussteigen, ins Haus gehen und anfangen, auf die Frage, die ich Ihnen stelle, Antworten zu finden. Und wenn Sie sicher sind, daß Sie die richtige Antwort gefunden haben, dann rufen Sie mich an.« Und ich gab ihr die Nummer meines Freundes. Sie sagte: »Einverstanden.« Also sagte ich: »Nun, die Frage ist nicht, warum Sie trinken, sondern sie lautet (langsam): Was würden Sie tun, wenn Sie nicht trinken würden?« Auf der Stelle veränderte sich ihr gesamtes Verhalten. Auf ihrem Gesicht waren nacheinander die verschiedensten Ausdrucksformen zu beobachten. Ihr Atem, ihre Hautfarbe und ihre ganze Haltung wechselten mehrfach. Das war genau das, was ich gewollt hatte. Noch nie hatte sie überlegt, was sie wohl täte, wenn sie nicht trinken würde. Sie fiel in eine ziemlich tiefe Trance, und so ließ ich sie zwei oder drei Minuten lang sitzen. Dann streckte ich meinen Arm aus und berührte leicht ihre Schulter. Sie räkelte sich ein bißchen, stieg aus dem Auto und ging ins Haus. Fünf Minuten, nachdem ich im Haus meines Freundes angekommen war, klingelte das Telefon - natürlich war es diese Frau. Sie sagte: »Sind Sie es, wirklich?... Ich wollte Ihnen nur sagen, daß Sie heute nachmittag jemandem das Leben gerettet haben. Ich wollte nur nach Hause und mich dann umbringen. Aber ich habe jetzt erstmal festgestellt, daß ich die Antwort auf Ihre Frage nicht weiß, und das wollte ich Ihnen sagen. Ich weiß nicht, was sie für Sie bedeutet, aber für mich ist es die allerschönste Frage auf der ganzen Welt.« Ich sagte: »Das ist mir egal, ob Ihnen die Frage gefällt oder ob Sie sogar finden, es sei die schönste auf der ganzen Welt. Das interessiert mich nicht. Mich interessiert nur die Antwort auf diese Frage. Morgen rufen Sie mich an und haben sich ein paar mögliche Antworten auf diese Frage überlegt.« An einem Punkt des Gesprächs hatte sie eine treffende Redewendung benutzt: Sie sagte: »Ich fühlte mich, als ob man mich nur noch die Gosse hinunterspülen könnte.« Und ich antwortete: »Menschen spült man nicht die Gosse hinunter, aber andere Dinge schon!« Und tatsächlich, als sie mich am nächsten Tag anrief, hatte sie alle Alkoholika, die im Haus waren, in den Abfluß geschüt-
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tet. Ich blieb noch zwei Wochen lang, und ich weiß, daß sie zumindest in dieser Zeit nicht wieder getrunken hat. Das scheint mir ein ganz interessantes Beispiel, wie man während einer Unterhaltung das Reframing einflechten kann. In der ganzen Unterhaltung war nicht ein überflüssiges Wort, weder von ihrer noch meiner Seite. Und der Grund, warum das Ganze funktionierte, war natürlich, daß ich die Reaktionen, die ich hervorrief, mit meinen Sinnen erfassen konnte - und ihre Fähigkeit, dasselbe zu tun. Sie war ziemlich sensibel für die geringsten Regungen und Andeutungen. Bei diesem Beispiel habe ich die meisten Schritte, die Sie bei der Anwendung des Reframing einhalten sollen, ausgelassen. Im Kern allerdings habe ich genau dieselbe Methode der Symptomverschiebung wie sonst vorgenommen: »Was würden Sie tun, wenn Sie nicht trinken würden?« Die Hypnose hat den großen Vorteil, daß man damit die Reaktionen der Menschen verstärken oder verlangsamen kann. Meines Wissens ist zwar alles, was man in Trance mit jemand machen kann, auch außerhalb der Trance möglich; ich kann jedes Phänomen, das man sonst einer tiefen Trance zuordnet, auch bei jemand im Wachzustand hervorrufen. Aber unter Hypnose verlangsamt sich die Reaktion der Menschen, so daß man gut verfolgen kann, was vor sich geht, und sie stabilisiert bestimmte Zustände für eine Weile, so daß man die Dinge systematisch angehen kann. Dasselbe im Wachzustand zu tun, erfordert hohe Sensibilität, Geschwindigkeit und Flexibilität. Mit Hypnose können Sie einen bestimmten veränderten Zustand bei jemand so lange stabil halten, bis Sie Ihre Arbeit zu Ende geführt haben. Teilnehmerin: Ganz allgemein: Wann oder bei welchen Problemen wenden Sie die Hypnose an? Wenn mir danach ist. Im Ernst, das ist mein einziges Kriterium, wenn ich die Hypnose anderen Methoden vorziehe. Ich habe nur aus einem einzigen Grund überhaupt mit der Hypnose angefangen: Es machte mich krank, dauernd den langatmigen Schilderungen meiner Patienten zuzuhören. Ich war es so leid, daß ich deshalb ein schlechter Therapeut wurde, denn ich konnte nicht mehr so auf die Patienten eingehen, daß es ihnen etwas gebracht hätte. Nur manchmal, wenn es zu langweilig wurde, reagierte ich auf irgend etwas.
Und weil dieser Zustand unhaltbar wurde, fing ich an, sie in Trance zu schicken. Nach und nach merkte ich dann, mit wie wenig Information ich arbeiten und ihnen trotzdem das geben konnte, was sie brauchten. Da wurde die Sache mit der Psychotherapie wieder interessant für mich. Heute benutze ich Hypnose in Kombination mit allen möglichen anderen Verfahren, sozusagen um dem, was ich mache, ein paar Farbtupfer zu geben und hauptsächlich, damit es für mich interessant bleibt. Ich weiß, daß ich die Persönlichkeitsveränderungen anders vielleicht schneller und systematischer durchsetzen könnte, aber mir wird es inzwischen langweilig, mich hinzusetzen und Schritt für Schritt ein formales Reframing durchzuführen. Selbst wenn es schnell geht, erscheint es irgendwie mühselig, weil ich es schon zu oft gemacht habe. Wenn ich etwas zu oft tue, dann mag ich es einfach nicht mehr tun. Hypnose bietet die Möglichkeit, Probleme auf bizarre und ungewöhnliche Weise zu lösen. Mittlerweile dient mir die Hypnose hauptsächlich dazu, alternative Realitäten zu schaffen. Ich lasse Wirklichkeiten entstehen, die anders sind als die, in denen der Klient gerade lebt; zum Beispiel eine, in der er ein Einhorn ist Einhörner können Dinge tun, die man selbst gern möchte, aber nicht zu können glaubt. Um Kurzsichtigkeit zu behandeln, lasse ich die Leute in das Alter regredieren, wo sie noch keine Brille tragen mußten. Dann lasse ich sie beim Zurückkommen ihre Kinderaugen beibehalten. Es kommt darauf an, was die Leute für Bedürfnisse haben. Das versuche ich dann hinzukriegen, und zwar auf eine Art, die mir interessant erscheint. Teilnehmer: Ich denke mehr und mehr daran, meine Brille aufzugeben und meine normale Sehfähigkeit wieder zu schulen. Kann ich dazu irgendwie die Hypnose benutzen? Haben Sie einen Astigmatismus? Teilnehmer: Ja, mein linkes Auge ist ziemlich schlecht. Dann ist es etwas anderes. Bis jetzt habe ich bei Astigmatismus noch nicht viel erreicht. Das heißt nicht, daß es gar nicht geht; ich habe nur bis jetzt noch nicht herausbekommen, wie. Kurzsichtigkeit ist nicht allzu schwer zu behandeln, denn meistens ist die Ursache lediglich, daß man die Augäpfel zu fest zusammendrückt. Wenn die Leute versuchen etwas zu erkennen, schielen und starren sie zu intensiv darauf, und das bewirkt Sehunschärfe und getrübte Sicht. Eigentlich brauchten sie nur die Be-
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* Bates' Buch erschien 1923 und fand wohl auch deswegen so wenig Echo, weil es recht umständlich geschrieben war. Eine gut lesbare Zusammenfassung seiner Arbeit, mit neuen Forschungsergebnissen ergänzt, hat Christopher Markert geschrieben (siehe Literaturverzeichnis). (Anm. d. Übers.)
waren. Wenn ich sie dann wieder in ihr jetziges Alter zurückkehren lasse, lasse ich sie die »Kinder-Augen« behalten und, von den Augen ausgehend, alles andere »erwachsen« werden. Ich weiß nicht, was das genau bedeutet, aber ich habe es schon mit vielen Leuten gemacht, und es funktioniert. Ich habe diese Methode entdeckt, als ich mit jemand, der eine Brille trug, eine Altersregression durchführte. Wir haben manchmal etwas seltsame Hypnose-Gruppen gemacht, wo wir nur umhergingen und jeden der Teilnehmer irgendwie woanders hingeschickt haben. Ich ließ einen Mann, der eine Brille trug, altersmäßig regredieren, und als er immer jünger wurde, konnte er plötzlich nichts mehr sehen. Er war nun im Alter von fünf Jahren und sagte: »Hallo, Sie. Ich kann überhaupt nichts mehr sehen. Warum muß ich dieses komische Ding in meinem Gesicht tragen?« Und er nahm seine Brille von den Augen. Ich wurde neugierig, also machte ich mit ihm einen ganz gewöhnlichen Augentest. Ich hatte keine Augenprüftafel, aber auf einem Poster an der Wand waren Buchstaben, und er sollte mir sagen, welche. Er wußte nicht, wie sie hießen, deswegen ließ ich ihn die Buchstaben aufzeichnen. Er zeichnete alles, was er sah, mit wackeligen Linien, wie ein Kind. Dann ließ ich ihn wieder erwachsen werden und machte denselben Test, und ohne Brille konnte er die Buchstaben nicht mehr erkennen. Ich ließ ihn wieder in das Alter von fünf Jahren regredieren, und dann konnte er sie wieder deutlich erkennen, und zwar spontan, ohne daß ich ihm irgendwelche Suggestionen dazu gegeben hatte. Bevor ich ihn dann endgültig zurückkehren ließ, gab ich ihm folgende Instruktionen: »Und nun werden Ihre Augen weiterhin fünf Jahre alt bleiben, und alles übrige an Ihnen wird erwachsen.« Das hat gereicht, um ihn wieder klar sehen lassen zu können. Teilnehmerin: Haben Sie das alles auf einmal mit ihm gemacht? Ja, im Laufe eines Abends. Es blieb dann etwa zwei Monate gut, und dann wurden seine Augen langsam wieder schlechter. Dann habe ich mit Reframing angefangen, um herauszufinden, was er davon hat, wenn seine Augen die Umwelt nur undeutlich wahrnehmen. Es stellte sich heraus, daß er im Lauf der Jahre gelernt hatte, vieles dadurch zu »erledigen«, daß er nicht richtig sehen konnte. Normalerweise hatte er das, was wir eine Koppelung von Wahrnehmung und Gefühl nennen. Wenn er etwas sah, löste das
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deutung des Wortes »Focus« zu begreifen, das ist nicht besonders schwierig. Dazu hat William H. Bates schon vor Jahren Möglichkeiten erarbeitet. Er schrieb ein Buch: »Better Eyesight Without Glasses«, aber es wird kaum gelesen.* Wissen Sie, daß die Optik das einzige Forschungsgebiet ist, von dem ja behauptet wurde, es sei abgeschlossen? In der Literatur der vierziger und fünfziger Jahre können Sie nachlesen, daß die Forscher damals meinten, da gäbe es nichts mehr zu entdecken. Und jetzt ist wieder alles offen: in der letzten Zeit hat es einige durchschlagende Neuerungen gegeben, die das ganze Gebiet revolutioniert haben, nämlich die Glasfaser-, die Laser- und die Hologramm-Technik. Aber früher stand in der Einführungsliteratur wirklich die Feststellung, daß der Bereich der Optik ein abgeschlossenes Forschungsgebiet sei. Man behauptete voller Stolz, nun alles zu wissen, was in Erfahrung zu bringen war, und daß diese Wissenschaft die einzige sei, die ihr Gebiet voll ausgeschöpft habe und abgeschlossen sei. Die meisten Augenärzte verhalten sich heute immer noch nach dieser Vorstellung, die Optik sei ein abgeschlossenes Forschungsgebiet. Sie haben meistens ein sehr starres und beschränktes System von Glaubenssätzen hinsichtlich dessen, was möglich ist und was nicht. Ursprünglich wurden die Brillengläser gemacht, um damit die Augäpfel zu korrigieren. Und ursprünglich bekam der Patient die erste Brille für nur drei Tage, und dann für die nächsten drei Tage eine schwächere und so weiter, bis seine Augen nach und nach besser wurden. Danach gab er dem Arzt alle Brillen wieder zurück. Heute wird das nicht mehr gemacht. Heute müssen Sie eine Brille kaufen; die behalten Sie, bis Ihre Augen besser oder schlechter werden, und dann müssen Sie sich eine neue kaufen. Teilnehmer: Und was ist nun mit der Kurzsichtigkeit? Sie sagten, wenn Sie Kurzsichtigkeit heilen, bringen Sie den Patienten bei, richtig zu fokussieren. Wie machen Sie das? Ich mache das so, daß ich sie zu dem Alter regredieren lasse, in dem sie noch keine Brille trugen. Dann teste ich ihre Augen, um sicher zu gehen, daß sie damals wirklich noch nicht kurzsichtig
sofort irgendwelche Gefühle bei ihm aus. Die getrübte Sehfähigkeit unterbrach diese Koppelung. Wenn er unter Streß stand, nahm er unangenehme Dinge einfach nicht deutlich wahr, und so konnten ihm auch die unangenehmen Gefühle nicht hinderlich werden. Ich mußte ihm also andere Möglichkeiten bieten, diese Koppelung zu unterbrechen, um den sekundären Krankheitsgewinn, den die schlechte Sicht brachte, irgendwie anders zu gewährleisten. Teilnehmer: Das wird schwierig, wenn man Kontaktlinsen trägt. Ich habe welche, und wenn ich mal im Streß bin, kann ich die Linsen nicht so einfach rausnehmen, wie ich die Brille abnehmen könnte. Da habe ich dann gelernt, die Sehschärfe auch mit den Kontaktlinsen zu verringern. Sie gehen dabei von einer interessanten Prämisse aus, nämlich, daß man manche Dinge irgendwie ausblenden muß. Sie setzen voraus, daß Sie unter Streß nicht sehen wollen, was sonst noch um Sie herum vor sich geht, bis Sie Ihr Problem bewältigt haben. Aber mir scheint es gerade unter Streß besonders sinnvoll zu sein, wenn man alles klar erkennen kann. Sobald Sie effektive Methoden entwickelt haben, Probleme zu bewältigen, werden Sie es nicht mehr nötig haben, Ihre Sehschärfe absichtlich zu reduzieren. Wie ich schon sagte, hat Bates schon vor Jahren seine Augenübungen herausgebracht, mit denen man die Sehkraft bedeutend verbessern kann. Zum größten Teil war sein Programm bisher erfolgreich, obwohl es langwierig und recht arbeitsintensiv ist. Das Haupthindernis ist aber, daß das Bates-Programm sich nicht mit dem sekundären Krankheitsgewinn auseinandersetzt. Wenn man also fleißig übt, kann es sein, daß man sich der einzigen Möglichkeit beraubt, einen für die eigene Person sinnvollen Zweck zu erfüllen. Und der betroffene Teil der Persönlichkeit muß sich dann etwas Neues suchen. Es ist aber viel leichter, sich zu ändern, wenn man nicht gegen eigene psychische Anteile ankämpfen muß. Teilnehmerin: Kann man das Reframing auch bei Gewichtsproblemen anwenden? Das ist ein ausgesprochen schwieriges Gebiet. Wie Sie wissen, ist die 'Vielseitigkeit ein sehr wichtiger Faktor in der Hypnose. Da ist die Korpulenz nichts anderes als irgendwelche Probleme sonst. Sie können dafür das Reframing anwenden. Teilnehmerin: Ja, ich habe damit aber nicht viel Erfolg gehabt.
Ich habe das Reframing gemacht, die Leute haben auch abgenommen, aber sie waren dann nicht in der Lage, das neue Gewicht zu halten. Denken Sie darüber nach. Irgend etwas macht es halt doch vorteilhafter für sie, wenn sie dick anstatt schlank sind. Es kann zum Beispiel sein, daß keine ihrer gewohnten Reaktionen mehr funktioniert, wenn sie schlank sind. Die Lebensmöglichkeiten, die ihnen vertraut sind, funktionieren, wenn man dick ist - aber nicht, wenn man schlank ist. Wenn Sie zum Beispiel von klein auf übergewichtig sind, sind Sie nie schnell gelaufen. Sie sind nie als erster in die Mannschaft gewählt worden, wenn es eine Schnitzeljagd gab. Sie sind nie als erste zum Tanzen aufgefordert worden und so weiter. Es gibt eine Menge Erfahrungen, die Sie nicht machen konnten, die aber die Grundlage dafür sind, zu wissen, wie man als schlanker Mensch auf seine Umwelt reagiert. Wenn das auf Ihre Klienten zutrifft, können Sie ihnen eine alternative Kindheit schaffen - eine, die solche Erfahrungen enthält, auf deren Hintergrund man dann als Erwachsener anders reagieren kann. Das mache ich meistens, wenn ich sehr tiefgreifende Veränderungen bei jemand vollziehe. Was ich eben gesagt habe, enthält Vorannahmen darüber, was der sekundäre Gewinn sein kann. Ich würde das Reframing benutzen, um herauszufinden, welche Persönlichkeitsanteile der Patientin sie tatsächlich veranlassen, wieder dick zu werden. Ich würde nachforschen, was ihr das bringt. Dann weiß man, welches Erleben man ihr vermitteln muß, um es zu ändern. Das Schöne an der Hypnose ist, daß man damit in der Lage ist, alternative Vergangenheiten herzustellen. Ericksons Geschichte vom »Februar-Mann« ist ein gutes Beispiel. Er hatte eine Klientin, die nicht wußte, wie sie ihre Kinder liebevoll erziehen und gut zu ihnen sein konnte. Sie hatte selbst keine guten Eltern gehabt und war von Gouvernanten großgezogen worden. Erickson ging mit ihr in ihre Kindheit zurück und erschien dann immer als der »Februar-Mann«, der ihr das Erleben und die Erfahrungen ermöglichte, die ihr fehlten. Auf dieser Grundlage konnte sie dann die Beziehung zu ihren eigenen Kindern weiter entwickeln.*
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* Der Fall vom »Februar-Mann« ist detailliert beschrieben in: Erickson, M. H. u. E. L. Rossi: Hypnotherapie. Aufbau - Beispiele - Forschungen. München 1981 (= Leben Lernen 49), S. 529 ff. (Anm. d. Übers.)
Die Hypnose ist nur das Handwerkszeug. Sie können fast alles ; damit machen. Mit diesem Werkzeug kann man jede beliebige Situation oder Reaktion erzeugen. Aber wenn Sie erfolgreich und systematisch arbeiten wollen, müssen Sie sich zuerst darüber im Klaren sein, welche Reaktion Sie bewirken wollen. Teilnehmerin: Ich habe eine Frage zum Umgang mit der Raucherproblematik. Können Sie jemanden in das Alter regredieren lassen, wo er noch nicht geraucht hat und ihn dann mit Reframing dazu bringen, sich anders zu entwickeln? Zu irgendeinem Zeitpunkt hat er ja einmal beschlossen, zu rauchen. Kann man ihn also dazu bringen, sich diesmal anders zu entscheiden? Ja, und dann wird er vollständig vergessen haben, daß er jemals geraucht hat. Das ist eine schlagartige Wende; allerdings muß man mit solchen Dingen vorsichtig sein. Ich habe auch das schon mit Klienten gemacht: sie hypnotisiert und ihnen das Bewußtsein, daß sie einmal Raucher waren, genommen, indem ich sie in ein Alter regredieren ließ, wo sie noch nicht geraucht haben, und ihnen dann t eine ganz neue Kette von Erfahrungen vermittelte. Das Problem war, daß die anderen Leute in ihrer sozialen Umgebung meinten, sie seien jetzt schwachsinnig geworden. Wenn Sie das mit jemand machen, der gerade in eine andere Stadt umgezogen ist, dann macht es nichts. Ich habe das damals mit einer verheirateten Frau gemacht, und als sie nach Hause kam, bot ihr Mann ihr eine Zigarette an. Sie sagte: »Ich will keine.« »In Ordnung«, sagte er, »Du hast wohl aufgehört, was?« Sie sah ihn an und sagte: »Ich habe doch nie geraucht.« Und er sagte: »Komm mir nicht damit! Du hast zwanzig Jahre lang geraucht!« »Ich habe nie in meinem Leben geraucht!« Teilnehmerin: Kann man dieser Person nicht auch eine Amnesie über all solche Gespräche eingeben? Kann man wohl, aber dann müssen Sie die Veränderung dauernd verlängern. Sie müssen sie jedesmal in einen amnetischen Zustand fallen lassen, wenn jemand sagt: »Doch, Sie haben einmal geraucht!« Dann kommt sie möglicherweise ganz durcheinander und wird desorientiert, weil weite Teile ihres Erlebens in amnetischen Zuständen ablaufen. Sie hat zum Beispiel einen gelben Belag auf den Zähnen und weiß nicht, woher er kommt. Sie fragt ihren Zahnarzt, und er sagt: »Das kommt vom Rauchen.« Und sie antwortet: »Ich habe aber noch niemals geraucht.« Der Zahnarzt sagt 224
dann: »Sie machen wohl Witze!« Aber Ihre Klientin behauptet durchgängig: »Nein, ich habe niemals geraucht.« Der Zahnarzt schreibt dann womöglich einen wissenschaftlichen Artikel über dieses neue Phänomen. Sie müssen mit viel Bedacht vorgehen, wenn Sie solche Dinge planen. Ich habe es einmal gemacht, um es auszuprobieren. Es klappte ausgezeichnet, aber die Verwicklungen, die sich aus dieser Veränderung ergaben, waren einigermaßen verheerend. Teilnehmer: Kann man nicht als Instruktion einbauen, daß die anderen Leute meinen werden, daß sie einmal geraucht hat? Und daß sie sich dadurch nicht verwirren lassen und es einfach ignorieren soll? Ja, das habe ich bei der Frau gemacht, von der ich eben sprach. Es wurde ihr aber trotzdem hinderlich. Ich hatte gesagt: »Die Leute werden sich Ihnen gegenüber merkwürdig und ungewohnt verhalten, aber das nehmen Sie leicht, die sind nur ein bißchen durcheinander.« Es hat sie dann aber doch beunruhigt, wie viele so waren; sie meinte, alle Welt würde langsam verrückt, nur sie nicht. Teilnehmerin: Und was machen Sie nun stattdessen? Das einfachste ist, nur das Reframing durchzuführen. Sie brauchen die Leute nicht einmal in Trance zu versetzen. Es funktioniert perfekt. Und dann versetzen sie den Klienten in Trance, um die körperliche Abhängigkeit zu beseitigen. Teilnehmerin: Und wie machen Sie das, die körperliche Abhängigkeit beseitigen? Direkte Suggestion. Teilnehmerin: Sagen Sie: »Sind Sie jetzt nicht mehr abhängig?« Nein, das ist keine direkte Suggestion, das ist einfach platt. Im Ernst. Wenn Sie sagen: »Sie werden die physische Abhängigkeit nicht mehr haben«, dann haben Sie noch nicht gesagt, wie das geht. Manche von Ihren Klienten sind vielleicht flexibel genug und finden einen eigenen Weg dafür, aber die meisten wohl nicht. Sie müssen einen Kontext aufbauen, der es ihnen leicht macht, so zu reagieren, wie sie es sich vorstellen. Wenn Sie zu direkt vorgehen, werden Sie oft die erwünschte Reaktion nicht bekommen. Wenn Sie zum Beispiel sagen: »Sie werden keine Zigarette mehr wollen«, dann schaffen Sie es wahrscheinlich nicht so sicher, wie wenn Sie sagen: »Zigaretten schmecken unangenehm.« Noch eher haben Sie 225
Erfolg, wenn Sie den Gedanken, eine Zigarette zu rauchen, unangenehm werden lassen. Und noch besser ist es, wenn Sie jemanden jedesmal überaus stolz sein lassen, wenn er eine Zigarette, die ihm angeboten wurde, zurückgewiesen hat, obwohl er sie gern genommen hätte. Sie können Situationen erfinden, in denen sich eine solche Reaktion ganz von allein ergibt. Gewöhnlich beseitige ich die körperliche Abhängigkeit folgendermaßen: Ich orientiere den Klienten nach innen und überprüfe durch Fingerzeichen, Verbalisationen oder Kopfnicken -, ob das Unbewußte weiß, welche Empfindungen die körperliche Abhängigkeit begleiten. Dann fordere ich das Unbewußte auf, diese Empfindungen spontan mit einer anderen, positiven Gruppe von Empfindungen zu verknüpfen. Freude oder Neugier oder ähnliches - jedesmal, wenn diese Empfindungen auftreten. Das führt dazu, daß sie dann, anstatt zu rauchen, etwas anderes unternehmen. Man kann das Reframing nicht nur für Raucher, sondern auch bei anderen Drogenabhängigkeiten einsetzen, ebenso bei Fettleibigkeit und fast allen übrigen Problemen, die die Klienten mit Hypnose geheilt haben wollen. Sie können zunächst das Reframing mit ihnen durchführen, um das Problem zu lösen, und sie dann hypnotisieren, damit auch ihr Bedürfnis nach Hypnose befriedigt wird. Sie können so tun, als ob das Reframing die Vorbereitung zur Hypnose ist. Anstatt gleich das zu servieren, weswegen der Klient gekommen ist, nämlich die Hypnose, sagen Sie, daß Sie kein üblicher Hypnotiseur sind. Sie erklären, daß Sie sehr gründlich und umsichtig arbeiten und die Hypnose nicht ohne weiteres anwenden wollen. Deshalb müßten Sie vorher ein paar Dinge abklären. Dann führen Sie ein Standard-Reframing durch: »Bevor ich Sie in Trance versetzen kann, muß ich verschiedene Dinge wissen. Konzentrieren Sie sich auf Ihr Inneres und fragen Sie den Teil Ihrer Persönlichkeit, der für dieses Verhalten verantwortlich ist...« Wenn Sie sich verhalten, als ob das Reframing nur die Vorbereitung ist, werden die Leute sich schnell darauf einlassen damit sie dann um so eher »zur Sache« kommen können. Wenn die Veränderung dann vollzogen ist, sagen Sie: »Und nun können wir mit der Trance beginnen. Schließen Sie Ihre Augen. ..« Und dann führen Sie irgendeine hypnotische RoutineÜbung, die Ihnen gerade in den Sinn kommt, durch. Und hinter226
her werden die Leute aller Welt erklären: »Die Hypnose hat geholfen!« Das Reframing ist die einfachste Methode, um die verschiedensten Symptome anzugehen. Allerdings: Ich bin nicht in jedem Fall dafür, es so einfach zu machen. Ich finde, man muß das ab und zu etwas phantasievoller ausarbeiten. Wenn Sie Ihre ersten fünf Raucher mit der Standardmethode behandelt haben und sicher sind, daß es klappt, dann sollten Sie anfangen, das Ganze etwas kreativer zu gestalten. Tun Sie sich selbst und dem Klienten den Gefallen, es einmal anders und auf eine unübliche Weise zu machen. Führen Sie zum Beispiel das Reframing in Trance durch und schikken Sie ihn zur »Gottheit der Zigaretten«. Lassen Sie ihn auf einem Altar eine Schachtel Marlboro verbrennen oder sowas. Manchmal brauchen Sie einen Raucher auch nur in Trance zu versetzen und zu sagen: »Was ich von Ihrem Unbewußten verlange, ist, daß es die kreativste aller Möglichkeiten findet, wie Sie mit dem Rauchen aufhören können, ohne zu wissen, daß Sie es getan haben.« Aber manchmal müssen Sie erheblich mehr tun! Immer mehr Leute wollen die Hypnose erlernen, weil sie anderen das Rauchen abgewöhnen und ihnen helfen wollen, schlank zu werden. Wenn mich die Leute fragen: »Wie gehen Sie mit Rauchern um?«, dann sage ich manchmal nur: »Ich gebe ihnen eine Schachtel Streichhölzer.« Die Hypnose ist ein viel zu subtiles Instrument, um auf Raucherentwöhnung und Gewichtsprobleme beschränkt zu bleiben. Das ist, als ob man einen Ferrari kauft, um zum Einkaufen zu fahren. Irgend etwas in mir sträubt sich dagegen, eine so elegante Methode an so trivialen Dingen abzunutzen. Rauchen und Übergewicht sind wichtige Probleme, aber die Art und Weise, wie man die Hypnose anwendet, muß ganz auf die Persönlichkeit des Klienten abgestellt sein. Ich finde es ganz wesentlich, daß man die Hypnose als Bündel von Fertigkeiten erlernt, die man bei jeder Person und Situation auf ihre Einzigartigkeit abgestimmt anwenden kann. Teilnehmer: Ich habe einmal mit einem Mann das Reframing in Trance gemacht, es ging um's Rauchen, und habe eine Menge Widerstand bekommen. Zuerst kam er einfach plötzlich aus der Trance heraus, und dann wurde er wie ein kleines Kind. Er fing an mit den Füßen zu zappeln und Im NLP haben wir einen Grundsatz, der heißt: »Es gibt keinen 227
Widerstand; es gibt nur inkompetente Therapeuten.« Ich meine das wörtlich. Ich glaube einfach nicht daran, daß es so etwas wie Widerstand gibt. Es gibt höchstens ungeschickte Therapeuten. Fassen Sie das nicht als persönliche Kritik auf, sondern betrachten Sie es mal so: Jedesmal, wenn Sie merken, daß Sie einem »Widerstand« gegenüberstehen, haben Sie eine ungeahnte Möglichkeit vor sich, sich selbst eine Freude zu machen. Wenn Sie sich sagen: »Aha! Ich habe etwas getan, was unpassend ist. Also werde ich mich jetzt selbst überraschen und es mir gönnen, etwas anderes zu tun«, dann werden Sie immer besser vorankommen. Wenn Sie aber denken: »Er ist dazu jetzt noch nicht bereit« oder so etwas, dann kann es sein, daß er sich vielleicht ändert, aber Sie wissen nicht weiter. Es gibt keinen Widerstand, wenn Sie wirklich jede Reaktion aufgreifen und etwas damit anfangen. Wenn jemand spontan in irgendeinen Zustand gerät, greifen Sie das auf. Wenn er zum kleinen Kind wird, sagen Sie ihm, er soll es genießen. Wenn er plötzlich aus der Trance herauskommt, können Sie sagen: »Und was kann ich nun für Sie tun?« Denn um effektiv zu kommunizieren, brauchen Sie nur auf jede Reaktion, die spontan auftritt, angemessen zu reagieren. Wenn jemand abrupt aus der Trance aussteigt, und Sie fragen sich dann: »Was habe ich falsch gemacht?« - das ist keine angemessene Reaktion. Und übrigens: Keine Formel funktioniert immer. Die Menschen sind nicht bereit, alles nach Schema F mitzumachen. Da können alle möglichen Sachen passieren. Einmal habe ich einen Mann in Trance versetzt und hatte vor, ein Standard-Reframing zu machen. Ich sagte: »Heben Sie Ihren rechten Zeigefinger als Ja-Zeichen, und Ihren linken für Nein und der Bursche sagte plötzlich: »Pur-pur-rot«. In dem Moment sind Sie aufgeschmissen, wenn Sie keine Möglichkeiten haben, auch mit so etwas zu arbeiten. Ich sagte: »Das ist richtig, pur-purrot.« Ich gab es einfach in derselben Tonlage und im selben Sprechtempo wieder an ihn zurück. Dann sagte er: »Au-ra«! Also sagte ich: »Pur-pur-rot, Au-ra!« Und dann fuhr ich fort: »Also, diese bedeutsame Botschaft nehmen wir in uns auf...« und gab ihm eine Reihe von bizarren Instruktionen, etwas damit anzufangen. Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Als er aus der Trance zurückkam, berichtete er mir, daß er in dem Moment, als ich ihm sagte, er solle den Nein-Finger heben,
von einer großen purpurroten Aura eingehüllt worden sei, und je tiefer er in diese Aura versank, desto mehr wußte er, daß nun eine Veränderung mit ihm vor sich ging. Irgendwie durchtränkte ihn diese Aura ganz und gar, und dabei veränderte sie ihn. Wer weiß, wie das zu verstehen war. Irgendeine purpurrote Wolke war herabgekommen und hatte ihn verändert, bevor ich mit meiner Arbeit überhaupt angefangen hatte. Wenn ich diese Purpurwolke abgeblockt hätte, wäre ich unweigerlich irgendwie steckengeblieben. Stattdessen bin ich einfach mit ihr mitgegangen, und schließlich hat sie statt meiner die ganze Arbeit erledigt. Ich habe schon Leute erlebt, die, wenn ich mit dem Unbewußten arbeite, ohne Umschweife in tiefe Trance fallen, bei denen geht es ausgezeichnet. Dann gibt es plötzlich eine Pause, und sie kommen einfach voll aus der Trance heraus. Sie sehen mich an, und ich sitze nur da, schaue sie offen an und warte. Meistens sehen sie sich kurz um und fallen dann plötzlich von allein wieder in Trance, ich brauche gar nichts zu sagen, ich warte nur. Wenn einmal jemand spontan aus der Trance herauskommt, bin ich sehr geduldig und warte einfach, bis von ihm irgend etwas kommt, worauf ich dann eingehen kann. Es gibt viele Leute, die in diesem Sinn »Pendler« sind: sie pendeln zwischen Trance und Wachzustand hin und her. Wenn sie zwischendurch wach werden, warte ich einfach ein bißchen, bis sie wieder in Trance fallen und ich weitermachen kann. Vielleicht kommen sie später auch noch einmal zurück in den Wachzustand. Wenn Sie jemanden auffordern, einen veränderten Bewußtseinszustand konstant aufrechtzuerhalten, dann verlangen Sie eigentlich etwas Unnatürliches von ihm. Sie müssen also in der Lage sein, auf die fließenden Veränderungen seines Bewußtseinszustandes flexibel zu reagieren. Teilnehmer: Kann man das Reframing auch bei psychosomatischen Symptomen, zum Beispiel Kopfschmerzen, anwenden? Das geht ausgezeichnet. Sie haben dabei die Möglichkeit, das Symptom selbst als Ja/Nein-Signal zu benutzen. Sagen wir, es handelt sich um eine Migräne, dann können Sie bei Ja die Schmerzen stärker werden lassen, bei Nein schwächer. Teilnehmer: Ich habe in meiner Praxis viele Arztfrauen mit psychosomatischen Beschwerden. Die Frauen haben von ihrer Symptomatik keinerlei Vorteile - die Ehemänner machen sich nur
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darüber lustig oder beachten sie gar nicht, und sie tun auch nichts für ihre Frauen. Es ist schwierig, da einen sekundären Krankheitsgewinn festzustellen. Sie haben ja schon Vorannahmen darüber, was der Krankheitsgewinn sei: Daß es nämlich darum geht, Aufmerksamkeit zu bekommen. In Fällen dieser Art, die ich mit dem Reframing behandelt habe, ging es nie darum, die Zuwendung des Ehemannes zu bekommen. Denn in der Regel geht es um die Möglichkeit, den Ehemann lächerlich zu machen. So kann sich der Angetraute nicht zuviel darauf einbilden, daß er Arzt ist - schließlich konfrontiert ihn seine eigene Frau mit einer Krankheit, die er nicht heilen kann. Susan: Ich habe mich erkältet. Kann man denn auch eine Erkältung mit Hypnose beheben? Ein Mann kam einmal zu mir, weil er seit sechs Monaten erkältet war, und ich habe ihn geheilt. Sein Unbewußtes erklärte aber vorher genau, wie lange es brauchen würde, bis die Erkältung weg sei. Er hatte die Erkältung, wie gesagt, seit sechs Monaten, und es dauerte noch zwei Tage, dann war sie weg. Susan: Ich habe meine erst seit drei Tagen. Nun, das jetzt hier zu behandeln, würde mir zu lange dauern, falls Sie darauf hinaus wollen. Aber ich kann natürlich jemanden ein paar Anweisungen geben, wie er mit Ihnen arbeiten kann. Können Sie das akzeptieren? Susan: Ja. Wer übernimmt diese interessante Aufgabe? Teilnehmerin: Ich mache das. Gut, gehen Sie folgendermaßen vor: Versetzen Sie Susan in eine tiefe Trance und schicken Sie ihr Wachbewußtsein fort; das können Sie auf verschiedene Weise machen. Schicken Sie es zu irgendeiner angenehmen Erinnerung zurück, oder lassen Sie es durch einen langen Tunnel gehen, wo am Ende Gärten und Seen mit Springbrunnen sind, in denen sie schwimmen kann, und dann schließen Sie die Tür, damit es nicht mehr lauschen kann. Bauen Sie einen Feedback-Mechanismus ein, damit Sie kontrollieren können, ob das Wachbewußtsein dabei ist oder nicht. Vielleicht so, daß sie einen Finger hebt, wenn das Unbewußte ganz für sich ist, und daß er sich senkt, wenn das Bewußtsein wieder dazukommt. So etwas sollten Sie auf jeden Fall einsetzen, damit Sie wirklich eine Feedback-Möglichkeit haben.
Und dann fragen Sie das Unbewußte, ob es bereit ist, die Erkältung ohne Einschränkung zu beseitigen. Lassen Sie sich ein Jaoder Nein-Signal geben. Wenn ja, fragen Sie, ob es bereit ist, das jetzt sofort zu tun. Wenn Sie auch nur das geringste Zögern spüren, egal, ob verbal oder nonverbal, dann gehen Sie zum Reframing-Verfahren über und untersuchen, ob die Erkältung irgendeine positive Funktion hat. Wenn ja, lassen Sie andere Möglichkeiten entwickeln, die diese Funktion ebenso erfüllen. Lassen Sie sich vom Unbewußten genau mitteilen, wie lange es dauern wird, bis die Erkältung verschwunden ist. Das macht man auch in Ja/NeinFragen. Man fragt zum Beispiel: »Wärst Du bereit, die Erkältung in einer Stunde verschwinden zu lassen?« Zusätzlich sollten Sie sie beim Zurückkommen aus der Trance mit fließenden Übergängen durch verschiedene Situationen schikken, die die physiologischen Parameter, die zu einer Erkältung gehören, besonders beeinflussen. Bringen Sie sie in eine Umgebung, in der die Erkältung spontan zurückgehen würde. Wenn sie Gliederschmerzen hat, setzen Sie sie in eine heiße Badewanne oder eine Thermalquelle. Wenn ihre Nase läuft, versetzen Sie sie in die Wüste, da trocknet alles aus. Sie müssen aber die Symptome, die sie hat, herausfinden, bevor Sie sie in Trance versetzen, um zu wissen, wohin Sie sie beim Zurückholen versetzen wollen.* Teilnehmerin: Und wohin versetzt man sie, wenn man eine Halsentzündung abklingen lassen will? Gute Frage. Wo klingt denn eine Halsentzündung spontan ab? Was macht man, um Halsschmerzen loszuwerden? Teilnehmerin: Man gurgelt mit Salzwasser. Und was merken Sie von Ihrer Halsentzündung, wenn Sie am Meer aus dem Wasser kommen und im warmen tropischen Salzwasser geschwommen sind? Gar nichts. Wenn Sie hier bei uns mit einer richtigen schlimmen Halsentzündung zum Schwimmen gehen, dann wird es wahrscheinlich noch schlimmer. Aber wenn Sie zum Schwimmen ans Meer fahren, haben Sie besonders da, wo es ein paar ansehnliche Wellen gibt, die Chance, daß das Salzwasser Ihre sämtlichen Schleimhäute austrocknet. * Für diese Vorgänge, bei denen die Klientin während der Rückkehr aus der Trance verschiedene Situationen durchlaufen soll, benutzen die Autoren im Original den Begriff »overlapping«, siehe S. 65 ff. Hier z.B.: » . . . overlap her into a hot tub...« (Anm. d. Übers.)
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* »Poison oak«: In Nordamerika gibt es drei Sträucher, die bei Berührung einen sehr unangenehmen, oft wochenlang anhaltenden Hautausschlag verursachen: poison ivy, poison sumac und poison oak. In der deutschen Botanik hat sich der Name »Giftsumach« für alle drei Arten eingebürgert. In den USA sind diese Pflanzen sehr gefürchtet und gehören daher zu den wenigen Pflanzen, die jeder - auch Großstädter - von Kindheit an kennt. Die Behandlung des Ausschlags erfolgt in der Regel durch Spritzen (Antihistamine). (Anm. d. Übers.)
eine Reaktion Ihres Körpers, und die ist nichts als ein Irrtum. Und wenn man einen Fehler gemacht hat, ist es immer das Beste, man fängt noch einmal von vorne an und korrigiert ihn.« Innerhalb von zwei Stunden hatte der Mann keine Spur von Hautausschlag mehr, abgesehen von winzigen roten Punkten an den Stellen, wo vorher offene Eiterblasen gewesen waren. Es ist erstaunlich, womit man zu Rande kommen kann, wenn man sich kongruent verhält. Regelmäßig schicken uns Kollegen Fälle, die sie für »nicht therapierbar« halten. Wir hatten einen Klienten mit neurologischen Verletzungen, der kaum noch gehen konnte. Wir schickten ihn zu einem unserer Schüler, David Gordon, weil wir keine eigene Privatpraxis mehr haben. Zum Erstgespräch brachte er eine Menge Röntgenaufnahmen und Arztberichte mit, die »bewiesen«, daß er nicht in der Lage sei, normal zu gehen. Er kam mit einem Gehapparat hereingestakst, setzte sich und präsentierte David seine ganzen Berichte. David machte ein paar nebensächliche Dinge und schickte ihn wieder weg. Als der Klient das nächste Mal hereinkam, erinnerte sich David an etwas, dessen erfolgreiche Anwendung er bei mir gesehen hatte, und probierte es aus: Er erzählte diesem Mann die Geschichte von der Plastizität des menschlichen Gehirns. Sie sollten übrigens unbedingt Neurologie-Zeitschriften lesen: da finden Sie die besten Metaphern, die es überhaupt gibt; alle wissenschaftlichen Aussagen sind irgendwie metaphorisch. Plastizität heißt in diesem Fall, daß die eine Gehirnhälfte die Funktionen der anderen übernehmen kann. Es ist erwiesen, daß das wirklich funktioniert. Wenn ein Kind eine Sprache lernt und dann im Alter von vier Jahren die Gehirnhälfte, in der das Sprachzentrum liegt, abgetrennt wird, lernt es mit der anderen Hirnhemisphäre neu sprechen, auch wenn diese normalerweise gar nicht das Sprachzentrum beherbergt. Und wenn der Teil Ihres Gehirns, der zum Beispiel den Zeigefinger steuert, zerstört wird, dann können Sie mit einem anderen Teil des Gehirns wieder lernen, diesen Finger zu bewegen. Das also ist die Plastizität des menschlichen Gehirns. David versetzte diesen Mann in Trance und erklärte ihm, wie man neue Wege und Pfade entstehen lassen und wie man verschiedene Wege benutzen kann, um eine Funktion, die durch Verletzungen blockiert worden ist, wieder herzustellen. Er erzählte von
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Wenn Ihnen einmal die Nase läuft, und Sie haben gerade kein Nasenspray zur Hand oder wollen sich auch gar nicht von diesen Nasensprays abhängig machen, dann können Sie etwas ganz Einfaches tun. Heutzutage sind einige Nasensprays auf dem Markt, die ernsthaft süchtig machen, mehr als Zigaretten. In Drogerien können Sie schon Leute beobachten, die verstohlen an den Tresen gehen und ganze Kartons voll Nasenspray kaufen. Alles, was Sie für eine ungefährliche Alternative zu diesen Nasensprays brauchen, ist eine von diesen Sprayflaschen. Sie schütten das ganze Zeug weg, bereiten eine Salzwasserlösung, füllen damit die Flasche, setzen den Sprühkopf wieder auf und sprühen sich die Salzlösung in die Nase. Das funktioniert genausogut wie alles andere, die Nasenschleimhäute trocknen aus. Teilnehmerin: Kann man das Vorgehen, das Sie vorhin kurz umrissen haben, auch für Magenschmerzen oder andere übliche psychosomatische Beschwerden anwenden? Ja. Versetzen Sie den Klienten in Trance; zuerst führen Sie das Reframing durch, damit er sicherheitshalber, falls das Problem von funktionaler Bedeutung ist, Alternativen hat. Und beim Zurückkommen aus der Trance lassen Sie ihn nacheinander für jedes seiner Symptome eine entsprechende Situation erleben, mit fließenden Übergängen, (»overlapping«) Susan: Meine Erkältung ist besser geworden - nicht ganz wegaber schon während Sie zu sprechen begannen, wurde es besser. Einmal habe ich, nur zur Demonstration, jemanden auf der Stelle von seinem poison oak-Ausschlag befreit.* Ich habe ihn in tiefe Trance versetzt und ihm erklärt, das ganze sei ein Mißverständnis. »Die Reaktion ist falsch«, sagte ich. »Kennen Sie die Geschichte von den Antigenen und Antikörpern? - Mit dem Ausschlag reagiert Ihre Haut auf diese Pflanze, um sie vor deren Gefährlichkeit zu schützen - dabei ist die Pflanze gar nicht gefährlich. Überall auf der Haut bekommen Sie diese Dinger, aber das ist
Studien, die erwiesen hatten, daß 90 Prozent des menschlichen Gehirns ungenutzt bleiben. Soweit ich weiß, ist das komplett erfunden, aber er hat es gut gemacht; und weil ein wissenschaftlicher Anstrich die Lügen glaubhaft erscheinen läßt, verwies David auch noch auf verschiedene Zeitschriftenaufsätze, während dieser Mann vor ihm in Trance saß. Neben diesen direkten Erläuterungen über das zentrale Nervensystem und seine Anpassungsfähigkeit brachte er auch noch allgemeinere Metaphern. Zum Beispiel wie man eine neue Strecke finden muß, wenn man durch eine Stadt fährt und in eine Gegend kommt, wo alle Straßen wegen Bauarbeiten gesperrt sind. Und dann gab er dem Unbewußten des Klienten ziemlich direkte Instruktionen, neue Nervenbahnen herzustellen: »Stell genau fest, wo etwas zerstört ist, und suche dann angrenzende Nervenbahnen, die entweder gar nicht von anderen Funktionen benutzt werden oder die mitbenutzt werden können, ohne andere Funktionen zu beeinträchtigen - bis die zerstörten Funktionsbereiche wiederhergestellt sind.« Ich weiß nicht, ob der Mann wirklich neue Nervenbahnen bekam oder nicht. Aber am Ende der Sitzung stand er auf und ging ganz normal hinaus. Nachdem David ihm das wissenschaftliche Argument geliefert hatte, war es für diesen Menschen eine logische Reaktion, Veränderungen - welche auch immer - zu vollziehen, die ihn wieder normal gehen ließen. Für was auch immer diese wissenschaftliche Bildsprache eine Metapher gewesen ist, die angemessene Reaktion darauf war, aufzustehen und hinauszugehen. Das ist grundsätzlich meine Art, meine Arbeit zu planen und mein Vorgehen zu entwerfen. Wir haben auch schon andere Fälle von medizinisch eindeutig nachgewiesenen neurologischen Schädigungen und Traumata mit dieser Methode erfolgreich behandelt. Teilnehmer: Sind das die Vorgänge, die man als Wunderheilung bezeichnet? Ich weiß es nicht. Ist das alles, was man von der Neurologie zu halten hat? Ihre Frage bezieht sich auf die Verifikation der Realität. Vielleicht stimmt in Wirklichkeit alles nicht. Ich weiß es nicht. Die Wunderheiler stellen ebenfalls einen Kontext her, in dem die logische Reaktion ist, daß man sich ändert, und sie beherrschen ihre Arbeit viel besser als so mancher Therapeut. Oft arbeiten sie
erfolgreicher als unsere Studenten, denn sie haben zunächst sich selbst von dem, was sie tun, überzeugt. Deswegen sind sie in ihrer Arbeit viel kongruenter. Ich habe einmal so eine »Wunderheilung« selbst durchgeführt. Ich ging zu einem religiösen Treffen, sah einfach heilig aus und machte ein entsprechendes Gesicht. Alle Leute starrten mich an. Schließlich teilte ich ihnen mit, daß ich mit Gott in Verbindung stünde. Ich erzählte ihnen, ich hätte ein aufwühlendes Erlebnis gehabt, bei dem Gott mich zu einem Heiler gemacht habe, durch diese meine Hände. Ich überzeugte die Menschen, die da versammelt waren, und einige wurden von mir geheilt. Ich weiß nicht wie; in Wirklichkeit haben sie sich ja selbst geheilt. Ich hatte lediglich einen Kontext hergestellt, der ihnen eine entsprechende Reaktion ermöglichte, und weil ich hinterher nicht mit dem Finger auf sie gezeigt und sie lächerlich gemacht habe, blieben sie geheilt und ihr Leben verlief von nun an in anderen Bahnen. Solche Geschichten sollen Ihnen zeigen, daß es in den Menschen einen Mechanismus gibt, der die Kraft hat, solche Dinge zu bewerkstelligen. Man muß ihn aber ansprechen, motivieren, ihn überzeugen und ihm einen Kontext zur Verfügung stellen, in dem er angemessen reagieren kann. Sonst reagiert er gar nicht, denn ihm ist es egal. Was für ein Teil des Unbewußten es auch sein mag, nicht er läßt die Menschen hinken oder bewirkt den Hautausschlag. Wäre dem so, würde er sich auch weiter darum kümmern, daß diese Symptome bestehen bleiben. Aber wenn Sie einen Kontext liefern, in dem er angemessen reagieren kann, dann wird er es auch tun. Genau das beabsichtigen und erreichen wir mit unseren NLPTechniken. Reframing stellt den Menschen einfach einen Kontext zur Verfügung, auf den sie in der Weise reagieren können, daß sie sich ändern. Das trifft meines Wissens auch auf alles andere zu.
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Heute sollen Sie noch ein paar spezielle Möglichkeiten lernen, Trancezustände therapeutisch zu nutzen. Zuerst ein überaus nützliches Verfahren, das man in zahlreichen, ganz verschiedenen Verhaltensbereichen verwenden kann: Es heißt: »Neues Verhalten herstellen«. Es kann immer dann angewendet werden, wenn der Klient mit seiner Art, in bestimmten Situationen zu reagieren, unzufrieden ist. Und das ist genau das, worüber der größte Teil unserer Klienten klagt. Im Folgenden werde ich voraussetzen, daß Sie die entsprechende Person schon in Trance versetzt und auch - offen oder verdeckt irgendeine Art von ideomotorischen Ja/Nein-Signalen aufgebaut haben. Zuerst lassen Sie ihn ein Verhalten bestimmen, das er an sich nicht leiden kann. Dann soll er sich selbst einmal dabei beobachten und zuhören. Sie wollen, daß er sich selbst zuschaut, wie er sich verhält, und zwar von außerhalb seiner eigenen Person, als ob er sich einen Film ansieht. Das ist eine Anweisung zur Dissoziation. Es ermöglicht ihm, etwas, was ihm unangenehm wäre, in aller Ruhe zu beobachten und auf das zu hören, was abliefe, wenn er wirklich in der Situation wäre. Und Sie sagen dann: »Und geben Sie mir ein Ja-Signal, wenn Sie dieses Verhalten, was Sie verändern wollen, in Ruhe und mit einem Gefühl von Sicherheit zu Ende beobachtet und angehört haben.« Wenn die Ja-Reaktion gekommen ist, dann fragen Sie: »Wissen Sie, welches neue Verhalten Sie in dieser Situation stattdessen gern zeigen würden?« Es ist wichtig, alles so zu formulieren, daß es mit Ja oder Nein zu beantworten ist, damit man immer ein deutliches Feedback vom Klienten bekommt. Wenn ein Ja anzeigt, daß der Klient weiß, wie er sich stattdessen lieber verhalten möchte, sagen Sie: »Gut, dann beobachten Sie
es jetzt und hören Sie zu, wie Sie in der Situation, die bisher für Sie immer ein Problem war, nun dieses neue Verhalten zeigen. Geben Sie mir ein Ja-Zeichen, wenn das abgeschlossen ist.« Dann fragen.Sie: »Wenn Sie nun beobachtet haben, wie Sie in der besagten Situation neu und anders reagieren - war das wirklich ganz zufriedenstellend für Sie?« Wenn nein, dann lassen Sie ihn von vorne beginnen und ein angemesseneres Verhalten entwikkeln. Wenn Sie ein Ja-Zeichen bekommen, arbeiten Sie weiter daran, das neue Verhalten zu festigen, indem Sie ihn auffordern, die Dissoziation wieder rückgängig zu machen: »Dieses Mal möchte ich, daß Sie den Film noch einmal laufen lassen, aber so, daß Sie jetzt selbst beteiligt sind und fühlen, wie Sie das neue Verhalten ausführen. Versetzen Sie sich selbst ganz in den Film hinein und erleben Sie, wie es ist, wenn Sie sich in dieser Situation wirklich so verhalten.« Wenn er das getan hat, fragen Sie: »War das auch noch genauso zufriedenstellend?« und achten genau darauf, ob Sie wirklich eine kongruente, eindeutige Ja-Reaktion bekommen. Manchmal sieht nämlich ein Verhalten von außen wunderbar aus, aber wenn man drinsteckt, fühlt man sich irgendwie nicht mehr wohl dabei. Wenn Sie auf diese Frage eine Nein-Antwort bekommen, müssen Sie den Klienten ermutigen, weiterzumachen und das Verhalten zu modifizieren, bis es ihn auch dann zufriedenstellt, wenn er es selbst ausführt. Wenn Sie diese Veränderung seines Verhaltens erreicht haben, müssen Sie etwas tun, was absolut sicherstellt, daß dieses neue Verhalten automatisch bei jeder in Frage kommenden Lebenssituation eintritt. Das nennen wir »Zukunfts-Pacing« oder »Brücke in die Zukunft«. Man fragt zum Beispiel: »Willst du, Unbewußtes, die Verantwortung dafür übernehmen, daß dieses neue Verhalten wirklich zuverlässig in jedem Falle auftritt, in dem sonst das alte kam?« Wenn Sie wollen, können Sie es auch noch ausdrücklicher formulieren. Sie fügen dann hinzu: »Und nun wirst du, Unbewußtes, den Ja-Finger heben, sobald dir klar ist, was speziell du hören, sehen und fühlen wirst, um zu wissen: dies ist nun eine Situation, in der das neue Verhalten auftreten soll.« Sie lassen ihn also einen situationalen Hinweisreiz finden, der in Zukunft das neue Verhalten automatisch auslösen wird. Das automatische Auftreten des
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6 Spezielle Techniken bei der therapeutischen Nutzung Neues Verhalten herstellen
neuen Verhaltens ist ein ganz charakteristisches Zeichen dafür, daß der Hypnotiseur sein Handwerk versteht. Wenn Sie die Veränderung so durchführen, braucht das Bewußtsein nicht dauernd zu überlegen, was zu tun ist. Wenn der Klient sich das neue Verhalten erst immer wieder klarmachen muß, dann haben Sie es nicht richtig angepackt. Wozu das Bewußtsein damit belasten? Das ist der beschränkteste und am wenigsten verläßliche Teil der Persönlichkeit. Bei manchen Menschen ist ein ausdrückliches Zukunfts-Pacing nicht notwendig. Manche haben schon selbst eine gute ZukunftsPacing-Strategie, die machen das ganz von allein. Andere Leute wiederum sind nicht in der Lage, diesen Brückenschlag selbständig zu vollziehen, da müssen Sie es dann gesondert durchführen, wenn Ihre Arbeit gründlich und systematisch sein soll. Falls der Klient nicht weiß, welche alternativen Verhaltensweisen er gern in der Problemsituation zur Verfügung hätte, dann beginnen Sie mit einem Auswahlprozeß, der schrittweise verlaufen sollte. Zuerst sagen Sie: »Schauen Sie auf Ihre Lebensgeschichte zurück. Haben Sie in einer anderen Situation schon einmal so reagiert, wie Sie gern in dieser Problemsituation reagieren würden?« Wenn ja, dann lassen Sie ihn die Problemsituation wiedererleben und bauen dabei diese Reaktion ein, schrittweise, wie ich es eben schon dargestellt habe. Wenn die Antwort weiter »nein« lautet, dann soll er weitersuchen, und zwar nach einem Modell. Dazu benutzen Sie das, was wir die »Verschiebung des Inhaltsbezugs« (referential index shift) nennen. Sie sagen dann: »Kennen Sie irgend jemanden, der in einer solchen Situation so reagiert, wie Sie es für angemessen, geschickt und erfolgbringend halten - so, wie Sie auch gern reagieren können möchten?« Oder Sie sagen: »Aus der Tatsache, daß Sie mit Ihrem jetzigen Verhalten in solchen Situationen unzufrieden sind, schließe ich, daß Sie gewisse Vorstellungen davon haben, wie Sie gern stattdessen reagieren würden. Denken Sie an einen Menschen - jemanden, den Sie respektieren und bewundern -, der so reagieren würde, wie Sie es in dieser Situation als angemessen empfinden würden.« Das Modell, das sich der Klient dann wählt, kann eine reale Person sein, aber auch eine ausgedachte. Eine erfundene Persönlichkeit aus einem Film oder einem Buch kann genauso eine inner-psychische Repräsentation möglicher Verhal-
tensweisen und ein ausgezeichnetes Modell sein wie jemand, den Sie tatsächlich kennen. Wenn er sich ein Vorbild ausgesucht hat, lassen Sie ihn in drei aufeinanderfolgenden Schritten das Verhalten dieses Modells in sein eigenes Repertoire inkorporieren. Zuerst lassen Sie ihn zusehen und -hören, wie sich das Modell in jener Situation verhält, für die er sich neue Verhaltensmöglichkeiten wünscht. Fordern Sie ihn auf, seinen Ja-Finger zu heben, wenn das abgeschlossen ist. Dann strecken Sie Ihre Hand aus, drücken den Ja-Finger sanft nach unten und sagen: »Gut, wenn Sie nun diese andere Person beobachtet haben, wie sie sich in dieser Situation verhält, glauben Sie nun, daß das genau die Art ist, wie Sie reagieren möchten?« Wenn nein, müssen Sie ihn ermutigen, noch einmal zurückzugehen und ein neues Modell zu suchen, oder er soll dieselbe Person sehen, wie sie sich diesmal anders verhält. Wenn er mit Ja antwortet, können Sie zum nächsten Schritt übergehen. Beim zweiten Schritt sagen Sie: »Und nun setzen Sie in den Film Ihr eigenes Bild und Ihre eigene Stimme ein. Sehen und hören Sie wieder genauso aufmerksam zu, und heben Sie den JaFinger, wenn Sie das abgeschlossen haben.« Jetzt beobachtet er sich selbst in der besagten Situation, mit der neuen Reaktionsweise, aber er ist immer noch kinästhetisch davon getrennt. Wenn er diesen Schritt beendet hat, fragen Sie ihn: »Nachdem Sie nun gesehen und gehört haben, wie es ist, wenn Sie selbst sich so verhalten: möchten Sie weiterhin, daß Ihr Verhalten so wird? Glauben Sie weiterhin, daß es zu Ihnen paßt?« Wenn die Antwort »nein« ist, helfen Sie ihm, das neue Verhalten zu modifizieren, bis es wirklich angemessen ist - entweder, indem Sie mehrere kleine Veränderungen vornehmen, oder indem Sie ihn noch einmal ein neues Modell suchen lassen. Wenn er eine Ja-Antwort gegeben hat, soll er in das Bild einsteigen und das Ganze ein drittes Mal erleben, und zwar so, daß er nun ganz dabei ist und alle Gefühle und Empfindungen erlebt, die dieses bewußte Verhalten mit sich bringt. Wenn er damit fertig ist, fragen Sie, ob es nach wie vor zufriedenstellend für ihn war. Wenn nicht, ermutigen Sie ihn, das Verhalten entsprechend zu modifizieren. Erst ein kongruentes Ja als Antwort bedeutet, daß das Verhalten in der Situation erprobt und für gut befunden worden ist. Dies ist eine ganz behutsame Art, solche Veränderungen unter
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voller Respektierung des Individuums herbeizuführen: man hält die veränderten Anteile solange vom Klienten getrennt, bis dieser wirklich entschieden hat, daß sie für ihn sinnvoll sind, und dann erst schaltet man sie in die Persönlichkeit ein. Als nächstes machen Sie dann ein Zukunfts-Pacing, wie ich es schon vorher beschrieben habe. Fordern Sie sein Unbewußtes auf, ein Ja-Signal zu geben, wenn es einen Hinweisreiz aus der Außenwelt bestimmt hat, den es in Zukunft als automatischen Auslöser für das neue Verhalten benutzen wird. Am Ende können Sie ein paar allgemeine Suggestionen geben, dies alles zu vergessen. »Es ist wichtig, daß Sie daran denken, die Dinge zu vergessen, an die Sie sich nicht zu erinnern brauchen« das wäre eine Möglichkeit, so etwas zu sagen. Ihr Ziel ist ja eine Änderung des Verhaltens. Insofern ist es gleich, ob sein Bewußtsein darüber Bescheid weiß. Wenn sein Unbewußtes entscheidet, daß er nichts von allem wissen soll, dann soll er aber wenigstens ein warmes, leise klingendes Gefühl haben, wenn er aus der Trance kommt - als Zeichen dafür, daß eben etwas Sinnvolles geschehen ist, und daß er sich darauf freuen kann, bald überrascht festzustellen, daß er sich in der entsprechenden Situation anders als sonst verhalten kann. Teilnehmer: Was tun Sie, wenn der Klient auf die Frage, ob das Unbewußte den Hinweisreiz erkannt hat, mit »Nein« antwortet? Dann kann man sagen: »Dann möchte ich Ihr Unbewußtes bitten, sich visuell und akustisch die Situationen in Erinnerung zu rufen, in denen Sie sich gern anders verhalten hätten. Bitte schaffen Sie wieder genau dieselben zeitlichen und räumlichen Zusammenhänge mit denselben Personen und derselben Umgebung; sehen und hören Sie genau zu, was gerade in dem Moment passiert, wo das neue Verhalten einsetzt, etwas, was als Signal auch später immer wieder das neue Verhalten auslösen kann.« Ich denke, es ist Zeit, daß wir etwas tun. Üben Sie das in Paaren durch, damit Sie mit diesem Grundgerüst ein bißchen Erfahrung sammeln können. Und seien Sie versichert, daß es durchaus normal ist, wenn Sie dabei ab und zu ins Stottern kommen. Schließlich sollen Sie jetzt eine komplette, neue Strategie schöpferischen Veränderns anwenden, und das nach einer recht kurzgehaltenen Instruktion. Wenn Sie das alles schon fließend und ohne Stocken beherrschen würden, hätten Sie mit Ihrer Teilnahme hier
Die Strategie, die Sie jetzt eben ausprobiert haben, ist auf direkte Verhaltensänderungen hin angelegt. Das einzig Schwierige war für einige von Ihnen der Umgang mit dem »sekundären Krankheitsgewinn«. Lassen Sie mich als Beispiel das Problem erklären, an dem Nora gearbeitet hat. Nora wollte gern lernen, anstelle des Rauchens neue Verhaltensmöglichkeiten zu entwickeln. Das Rauchen ist ein Gewohnheitsproblem, das den meisten Menschen eine Reihe tiefliegender sekundärer Vorteile sichert. Mit anderen Worten, es gibt bestimmte Dinge, die für Nora und andere Raucher nur das Rauchen bewirken kann, Dinge, die einen positiven Zweck haben. Es ist also effektiv besser für sie, wenn sie weiter raucht und diese Erfahrungen und Ressourcen hat, als mit dem Rauchen aufzuhören. Sie möchte etwas aufgeben, von dem sie weiß, daß es für ihre Gesundheit schädlich ist. Das Problem ist: wenn sie es aufgeben würde, ohne daß etwas anderes passiert, würde sie den Zugang zu be-
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nur Geld und Zeit verschwendet. Darum freue ich mich, daß Sie den Mut haben und sich die Freiheit nehmen, sich hier auf die Grundschritte zu beschränken, die ich Ihnen anbiete. Und ich erinnere Sie daran, daß dies nur zusätzliche Alternativen sind - neben dem allgemeinen Repertoire, mit dem Sie bereits erfolgreich kommunizieren. Mit etwas Übung werden diese Möglichkeiten Ihnen genauso flüssig und elegant von der Hand gehen wie die anderen Techniken, die Sie bereits beherrschen. Übersicht: Neues Verhalten herstellen (new behavior generator) 1. Situation bestimmen, in der neues Verhalten gewünscht wird 2. Ein Modell aussuchen 3. Dem Modell beim Verhalten in dieser Situation zuhören und -sehen 4. Die eigene Erscheinung und Stimme für die des Modells einsetzen 5. In diesen Film einsteigen und auch die kinästhetischen Empfindungen erleben 6. Zukunfts-Pacing: Welcher Hinweisreiz wird das neue Verhalten in Zukunft auslösen?
stimmten Bewußtseinszuständen und Ressourcen, die ihr wichtig sind, verlieren. Ich bin überzeugt, wenn wir Nora dazu bringen könnten, ohne sonstige Maßnahmen einfach mit dem Rauchen aufzuhören, dann wäre ihr Unbewußtes so flexibel, daß sie innerhalb weniger Monate wieder mit dem Rauchen anfangen würde. Wenn wir ihre Lebensfunktionen im Ganzen zu beurteilen hätten, würden wir wahrscheinlich feststellen, daß es besser ist, wenn sie raucht - selbst mit den schädigenden gesundheitlichen Konsequenzen - und den Zugang zu bestimmten Ressourcen behält, anstatt mit dem Rauchen aufzuhören und diese Ressourcen zu verlieren. Nun kann jedes Problem, das mit sekundären Vorteilen zusammenhängt, leicht mit dem Reframing bewältigt werden. Das »Herstellen neuen Verhaltens« ist primär für einfache Verhaltensänderungen gedacht. Falls es so etwas wie einen sekundären Krankheitsgewinn gibt, sollten Sie das Reframing nehmen. Das Herstellen neuen Verhaltens kann auch in sinnvoller Weise mit dem Reframing kombiniert werden. Wenn im Reframing Ihr Partner bei dem Schritt »neue Möglichkeiten entwickeln« Ihrer Meinung nach nicht schnell genug neue Alternativen schafft, können Sie so etwas sagen wie: »Und während Sie daran arbeiten, verschiedene Alternativen zu entwickeln und zu überdenken... möchte ich Sie daran erinnern . . . daß es noch weitere Quellen dafür g i b t . . . vielleicht Vorbilder, an die Sie denken können... Vielleicht war es auch früher und an anderer Stelle in Ihrem Leben einmal s o . . . daß Sie auf andere Weise zu reagieren wußten und damit erfolgreicher waren . . . und sicherer, und das Verhalten brachte Ihnen, was Sie sich wünschten und was Sie brauchten... im Gegensatz zuX...» Wenn es so etwas gibt, können Sie diese Alternativen überdenken . . . Zusätzlich... können Sie in Ihrer bildlichen Vorstellung schnell auf gründliche Suche gehen... nach Menschen, die Sie ernstlich respektieren und bewundern... und die wohl andere Möglichkeiten haben, sich zu verhalten... effektivere als X — Natürlich wird Ihr Unbewußtes... wenn es erst einmal drei dieser Möglichkeiten festgestellt h a t . . . wie man etwas tun k a n n . . . was früher X erledigt h a t . . . das Ja-Signal geben und Sie dazu bringen... langsam aus der Trance zurückzukehren... und sich dafür wirklich alle Zeit nehmen... die Sie brauchen.«
Die Vorgehensweisen, die wir Ihnen hier vermitteln, brauchen nicht nur isoliert angewendet zu werden. Wenn Sie jede einzeln üben und mit wachsendem Erfolg anwenden, können Sie später dazu übergehen, sie zu kombinieren und zu variieren, so daß das Lernen auch für Sie interessanter wird. Teilnehmer: Ist es jemals passiert, daß Sie ein kongruentes JaSignal bekommen haben, das neue Verhalten aber nicht auftrat? Nein. Wenn ich eine kongruente Antwort bekomme, die besagt, daß es eintreten wird, dann kommt es auch. Manchmal behält der Klient das neue Verhalten nur für drei oder vier Monate bei und freut sich einfach darüber, und dann geht er wieder zum alten Verhalten über. Für mich heißt das, daß ich ein bedeutender Meister der Veränderung bin, daß mein Klient intensiv auf mich reagiert hat und mit Leichtigkeit einschneidende Veränderungen vollziehen kann, und: daß irgendein Zusammenhang in seinem Leben - in seiner Arbeit, in seinen Familienbeziehungen oder sonstwo sich verändert hat, so daß das alte Verhalten wieder angemessener erscheint als das neue, das wir damals entwickelt hatten. Dann habe ich die Aufgabe, neue Alternativen zu entwickeln, die auch in dem neu entstandenen Kontext wieder angemessener sind als das alte Verhalten. Larry: Ich habe gehört, daß man jemanden einfach in die Zukunft versetzen und ihn dann fragen kann, wie er gern sein möchte. Sie meinen die scheinbare Zeitverschiebung (pseudo-orientation in time): Dabei leitet man beim Klienten eine Trance ein, versetzt ihn in die Zukunft und setzt nun voraus, daß er das Problem, mit dem er in die Sprechstunde kam, schon gelöst hat. Dann fordert man ihn auf, ganz genau zu rekapitulieren, wie er das Problem gelöst hat, was Sie, der Therapeut, mit ihm getan haben und was besonders gut geholfen hat. Wir haben mit dieser Methode sogar schon neue Techniken entwickelt, die wir jetzt auch bei anderen Klienten anwenden. Man kann diese Zeitverschiebungen in den verschiedensten Variationen verwenden. Es ist eine meiner Lieblingsmethoden, aber eher etwas für Fortgeschrittene. Wenn Sie die Schritte, die ich Ihnen gerade erklärt habe, beherrschen, dann haben Sie Grundvoraussetzungen, um sinnvolle Veränderungen zu bewirken. Das ist das nackte Gerüst für ein erfolgreiches Arbeiten. Variationen
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Unsere Anwendung von positiven Vorbildern beim Herstellen neuen Verhaltens fußt auf dem, was wir die »Verschiebung des Inhaltsbezugs« (referential index shift) nennen. Man »wird« eine andere Person. Wenn Sie eine wirklich vollständige Verschiebung der Identifikation vornehmen, heißt das »Identifikation in tiefer Trance«, eins der gravierendsten Hypnosephänomene überhaupt. Es handelt sich um einen Bewußtseinszustand, bei dem Sie die
Identität einer anderen Person voll übernehmen. Das geschieht so vollständig, daß man sich der Tatsache, daß man es tut, in dem Moment nicht bewußt ist. Es gibt da natürlich verschiedene Abstufungen; aber es ist möglich, das verbale und nonverbale Verhalten einer Person so vollständig zu übernehmen, daß man automatisch viele Fähigkeiten, die zu dieser Person gehören, auch benutzt, selbst wenn man gar keinen bewußten Begriff von ihnen hatte. Das ist genau das, was wir beide in bezug auf Leute wie Milton Erickson gemacht haben, um möglichst schnell zu lernen, genauso erfolgreich wie sie zu arbeiten. Einige Dinge sind unerläßlich, wenn Sie jemandem zu einer Identifikation in tiefer Trance verhelfen wollen. Zuerst müssen Sie die ursprüngliche Identität des Klienten entfernen. Das setzt eine weitgehende Amnesie voraus: Er muß vergessen, wer er ist. Zweitens setzt es voraus, daß er die Fähigkeit hat, sein Verhalten auf der Basis der Beobachtung eines anderen Menschen weiterzuentwickeln. Mit anderen Worten, wenn er eine Trance-Identifikation mit Melvin Schwarz vorhat, heißt das, sein ganzes Verhalten muß aus Melvin Schwarz' verbalem und nonverbalem Verhalten heraus entwickelt werden. Sie müssen seinem Unbewußten die Anweisung geben, die Erfahrungen, die er mit dem Verhalten des Modells hat, zu sichten und zu ordnen. Dazu zählen: der Klang der Stimme, Gesichtsausdruck und Mienenspiel, Körperhaltung, Bewegungsweise und typische Reaktionen. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Trance-Identifikation herzustellen. Das erste, was ich immer mache, ist, auf eine totale Altersregession hinzuarbeiten, um die Identität der Person, mit der ich arbeite, loszuwerden. Dabei werden Sie übrigens feststellen können, wieviel Arbeit Sie mit der Trance-Identifikation noch bekommen werden. Also, wie macht man eine Altersregression? Welches Erleben führt zur Altersregression? Überlegen Sie sich einen Moment lang ein paar allgemeine, universelle Dinge. Mit welchen universellen Erlebnisweisen bewirkt man manchmal bei sich selbst eine Altersregression? Teilnehmerin: Wenn man laufen lernt. Teilnehmer: Kindheitserinnerungen. Nein. Lassen Sie mich die Frage neu formulieren: Sie nennen Dinge aus der Kindheit eines Menschen, aber nicht Dinge, die Sie
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wie die Zeitverschiebung erfordern dann schon einige Kunstfertigkeit auf diesem Gebiet. Ich kann Ihnen mit meinen Rezepten hier nur das vermitteln, was meines Erachtens die absolut notwendigen »Zutaten« sind. Die spezielle Note Ihrer Therapie-Küche hängt von Ihrer persönlichen Kochkunst ab. Ich empfehle Ihnen, sich zunächst in aller Freiheit auf diese kargen Umrisse zu beschränken, bis Sie diese automatisch beherrschen, und dann können Sie auch anspruchsvollere Dinge ausprobieren. Sie alle haben bis jetzt ausgezeichnete Arbeit geleistet. Gibt es noch irgendwelche anderen Fragen oder Kommentare zu dem, was Sie bis jetzt erlebt haben, und die ich jetzt noch beantworten kann? Beth: Kitty hat mit mir diese Übung gemacht, und ich habe als Thema ein Problem genommen, mit dem ich mich seit sechs oder sieben Jahren mit den verschiedensten Therapiemethoden abmühe. Es war etwas, was ganz früher in meiner Kindheit passiert ist, von dem ich mich innerlich entfernt hatte und was ich einfach nicht abschließen konnte. Aber als ich mit Kittys Hilfe dieses »Herstellen neuen Verhaltens« durchführte - und sie hat das zum allerersten Mal gemacht - hat sich das Ganze einfach in Wohlgefallen aufgelöst. Ich finde keine Worte: es ist einfach passiert. Es war eine Wiedervereinigung, Akzeptanz und ein Verzeihen, wie ich es vorher noch nie erlebt habe. Und ich habe so lange Zeit versucht, damit fertigzuwerden, auf die verschiedensten Arten und Weisen. Danke. Das war ein Bekenntnis, keine Frage. Aber ich habe ja auch nach Kommentaren gefragt, von daher war es also völlig angebracht. Danke. Identifikation in tiefer Trance (Deep Trance Identification)
einsetzen, um eine Altersregression auszulösen. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Ein Gegenstand, durch den man sich wieder jünger fühlt, ist das College-Jahrbuch. Die Leute holen diese Bücher nur wieder hervor, um altersmäßig zu regredieren. Klassentreffen sind ein weiteres klassisches Beispiel für ein Verfahren zur Altersregression. Was noch? Teilnehmerin: Fotoalben. Teilnehmer: Schachteln mit Erinnerungsstücken. Genau. Teilnehmer: Gerüche. Das ist etwas, was spontan auftritt, aber nicht absichtlich. Teilnehmerin: Alte Musikstücke. So langsam fällt der Groschen. Teilnehmer: Souvenirs. Was machen die Leute noch so? Sie fahren in ihre Heimatstadt und besuchen die alten Nachbarn. Das, worüber wir hier sprechen, sind also ganz typische Dinge. Wenn ich auf ein Hypnosephänomen hinarbeite, will ich ja ein Erleben herstellen, bei dem als spontane Reaktion genau das kommt, was ich haben will - in diesem Fall die Altersregression -, also werde ich dafür solche universellen Erlebnisse, wie wir sie eben beschrieben haben, benutzen. Man kann zum Beispiel jemanden in Trance versetzen und ihm dann sagen, daß er etwas vor sich sieht: das Buch der Zeit. »Und in diesem Buch gibt es Fotografien aus Ihrem ganzen Leben, und die Seite, die jetzt aufgeschlagen ist, zeigt Ihr gegenwärtiges Alter, vollständig und in allen Aspekten. Wenn Sie nun aber plötzlich ein ganzes Jahr zurückblättern, dann sind Sie d o r t . . . und fühlen, was Sie damals fühlten... wissen nur das, was Sie damals wußten und sonst nichts... wirklich genauso... und so können Sie eine Zeitseite nach der anderen umblättern... und gehen dabei jedesmal ein ganzes Jahr zurück... immer weiter, bis Sie sechs Jahre alt sind... und wenn Sie dann ganz in dieser Zeit sind... und nur noch das wissen, was Sie damals und nur damals wußten... und bereit sind weiterzumachen... dann wird sich ganz spontan... eine Ihrer Hände langsam heben, nur als ein Zeichen für mich... daß Sie nun wirklich sechs Jahre alt sind.« Bei jedem Phänomen, das ich hervorrufen will, baue ich meine Technik in dieser Weise auf. Es gibt keine Trancephänomene, die die Leute nicht sowieso schon in ihrem Verhalten zeigen. Die Al-
tersregression ist ja nicht etwas, was nur Hypnotiseure machen, das machen die Leute ja auch selbst. Sie öffnen die Schachtel mit ihren Erinnerungsstücken, nehmen jedes Stück einzeln heraus und kehren dann zu dem Alter zurück, in dem sie damals waren. Sie entdecken, daß die Schachtel eine regelrechte Zeitmaschine ist. »Dann können Sie ein kleines Loch an der Seite machen, sich etwas aus Ihrer Kindheit aussuchen und sich ganz klein machen; und Sie sehen die T ü r . . . die Öffnung in der Schachtel vor Ihnen... und fangen an, langsam in diese Zeitschachtel hineinzugehen... und wenn Sie durch diese Tür gehen, verspüren Sie merkwürdige und verwirrende Gefühle. Wenn Sie hindurchgegangen sind, sehen Sie sich um, und rundherum Hegen große Gegenstände, und jeder hat eine T ü r . . . Und sie wissen, obwohl Sie sich ein bißchen fürchten, daß Sie, wenn Sie durch irgendeine dieser Türen gehen... in dem Alter sein werden... in dem Sie waren, als dieser Gegenstand in Ihrem Leben eine Rolle spielte...« Sie sehen: was ich sage, ist barer Unsinn. Allerdings habe ich einen Kontext entworfen, der den Leuten den Übergang in eine andere Realität möglich macht und logisch erscheinen läßt. Natürlich brauchen Sie immer Feedback, ob derjenige darauf eingeht oder nicht. Benutzen Sie alle üblichen Anhaltspunkte im Aussehen und Verhalten des Klienten, um zu überprüfen, ob er wirklich regrediert. Wenn Sie dann die Altersregression hinbekommen haben, können Sie anfangen, damit zu arbeiten. Sie haben einen Sechsjährigen vor sich sitzen. Was tun Sechsjährige, wenn sie jemand anderes werden wollen? Teilnehmer: Verkleiden spielen. Genau. Sie gehen auf den Speicher und verkleiden sich. Sie spielen »als ob«. Lassen Sie ihn also ein paar Kleidungsstücke anziehen; er weiß aber nicht, wessen Kleider das sind. »Das sind komische Sachen. Mutti gehören sie nicht, Vati auch nicht. Soldatenzeug ist es auch nicht. Keine Ahnung, wem die Sachen gehören. Irgendwie kann ich mir gar nicht vorstellen... aber plötzlich, unbewußt . . . beginnst du zu vergessen, daß du dieses Kind b i s t . . . und wirst zu einer Person, die du mit sechs Jahren noch nicht kennst... aber dein Unbewußtes weiß, wer es i s t . . . und kann den Klang der Stimme dieses Menschen übernehmen... seine Reaktionen . . . seine Bewegungen... und nur noch sein Verhalten
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zeigen, so daß du in den nächsten zehn Minuten dasitzen... und unbewußt eine Persönlichkeit entwickeln w i r s t . . . die nur auf dem beruht... was du von dieser bestimmten Person weißt... so daß sich in zehn Minuten deine Augen spontan öffnen... und dann wirst du vollständig diese Person sein.« Leuchtet Ihnen jetzt ein, wie man das macht? Sehen Sie, wir könnten Ihnen viele verschiedene einzelne Strategien angeben, wie man mit der Hypnose die verschiedensten Ergebnisse erzielt. Was wir statt dessen versuchen, ist, Ihnen einen Eindruck, eine Vorstellung davon zu verschaffen, wie man nach unserer Vorstellung alles mit Hypnose erreichen kann. Jedes einzelne hypnotische Phänomen baue ich so auf, daß ich zunächst herauszufinden versuche, wie es so natürlich und leicht wie möglich hervorgerufen werden kann. Wenn Sie die Altersregression und Identifikation auf diese Weise nicht zustande bekommen, können Sie es auch immer mit dem Reframing machen. Teilnehmer: Ist es nicht sehr unterschiedlich, wie schnell man vorgehen kann, wenn man diese »Identifikation in tiefer Trance« macht? Und müssen die Klienten nicht eine bestimmte Flexibilität haben, um das mitmachen zu können? Ja. Normalerweise versuche ich nur dann eine Identifikation in Trance, wenn der Betreffende geübt darin ist, schnell auf mich zu reagieren. Ich probiere immer etliche andere Trance-Phänomene aus, bevor ich an die »Identifikation in Trance« gehe. Ich finde es unklug, das mit jemand zu versuchen, der nicht schon weiß, wie eine Amnesie geht und wie positive und negative Halluzinationen ablaufen, denn das sind die mindesten Voraussetzungen. Ich mache also vorher eine ganze Menge anderes. Wenn ich Lehrer an einer Grundschule wäre, würde ich den Kindern auch die Identifikation beibringen. Ich würde dann VideoBänder von Albert Einstein, Irving Berlin und anderen Genies unserer Zeit besorgen, auf denen man sie bei den verschiedensten Tätigkeiten beobachten kann: Wie sie mit anderen sprechen und umgehen und besonders, wie sie über das reden, was sie berühmt gemacht hat. Und dann würde ich den Kindern diese Verhaltensvorbilder als Grundlage dafür geben, zu diesen Leuten zu werden und auch deren Fähigkeiten zu erlangen. Teilnehmer: Mit scheint, so etwas wird in anderen Kulturen Geisterbesessenheit genannt.
Ja. Was die Leute als dämonische Besessenheit erleben, ist meines Erachtens nichts anderes als eine >Identifikation in tiefer Trance<. Ich kenne einen Mann, der berühmt dafür ist, daß er »Multiple Persönlichkeiten« behandelt. Er hat immer um die zwanzig Patienten, die »MP's« sind. Außerdem ist er ein guter Katholik, deswegen sind natürlich viele seiner Klienten »besessen«. Hinter dem Krankenhaus, draußen auf dem Hubschrauberlandeplatz, hält er seine Exorzismus-Sessions ab. Ich war bei ihm, weil ich auf seine Klienten mit den »Multiplen Persönlichkeiten« neugierig war. Eine seiner Klientinnen habe ich im veränderten Bewußtseinszustand angetroffen und konnte vier oder fünf ihrer Persönlichkeiten und den Dämon, der sie »besaß«, kennenlernen. Meines Erachtens kann ich so etwas auch bei jedem Menschen hervorrufen. In der Tat: Die Art dieses Arztes, herumzugehen und mir diese Persönlichkeiten vorzustellen, war genau die Art, wie ich vorgehen würde, um als Hypnotiseur so etwas zu induzieren. Die Frau saß in einem Sessel und erzählte uns, wieviel in ihrem Leben der Amnesie unterlag. Das macht sonst niemand, oder? Aber für diesen Psychiater gilt die Tatsache, daß es im Leben eines Menschen eine Phase gibt, an die er sich nicht erinnern kann, als Indiz dafür, daß er eine multiple Persönlichkeit ist! Und für jeden Zeitraum, an den man keine Erinnerung hat, erfindet er dann einen Namen. Nach seiner Auffassung waren Sie in einer Phase, an die Sie sich nicht erinnern können, gar nicht Sie selbst; Sie waren eine andere Persönlichkeit. Der gibt er dann einen Namen, z. B. >Fred<. Dann ignoriert er Ihr gegenwärtiges Verhalten, schlägt Ihnen unerwartet auf den Kopf und ruft diesen Namen: »Fred! Komm heraus! Komm heraus!« Wenn Sie sagen »Was meinen Sie damit, >Fred komm heraus« ignoriert er das und alles weitere, bis irgendwann plötzlich diese andere Persönlichkeit auftaucht. Eine ausgezeichnete Methode, multiple Persönlichkeiten herzustellen. Ich bin überzeugt davon, daß die »MP's« von Eltern und wohlmeinenden Therapeuten selbst produziert werden; sie sind keineswegs spontane Phänomene. Teilnehmer: Wenn man eine »Identifikation in tiefer Trance« macht, dann will man ja nicht, daß der Klient jemand anders im
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Die Schmerzbekämpfung mit Hypnose ist eine faszinierende Angelegenheit: bis zu einem bestimmten Punkt ist sie sehr sinnvoll und dann nicht mehr. Das gilt für viele andere Dinge genauso. Ein bißchen Adrenalin kann einem im Notfall sehr viel helfen, aber zuviel kann einen auch daran hindern, eine Aufgabe zu bewältigen. Für etwas ganz Einfaches und Anstrengendes, wenn man zum Beispiel nach einem Unfall ein Auto von einem Verletzten herunterheben Will, gilt: je mehr Adrenalin, desto besser. Aber bei jeder Aufgabe, die Feinkoordination erfordert, etwa, wenn man eine Armbanduhr stellen oder einen Schlüssel ins Schlüsselloch stecken will, ist zuviel Adrenalin verheerend. Bei der Schmerzbekämpfung stelle ich einen Kontext her, in dem die natürliche Reaktion so ist, daß es keinen Schmerz mehr gibt. Das ist eine allgemeine Hypnose-Strategie: Man schafft einen Kontext, in dem die natürliche Reaktion die ist, die ich haben will.
Es gibt eine klassische Geschichte von Erickson, wie er starke Schmerzen unter Kontrolle brachte: Man brachte eine Frau zu ihm, die Krebs hatte und im Sterben lag. Sie wurde in einem Krankenwagen vorgefahren, auf eine fahrbare Trage gebettet und ins Büro gerollt. Die Frau sah Erickson an und sagte: »Das ist jetzt das Dämlichste, was ich je in meinem Leben gemacht habe. Mein Arzt hat mich hergeschickt, damit Sie etwas gegen meine Schmerzen tun. Medikamente helfen nicht mehr, Operieren ist zwecklos. Wie Sie wohl meinen Schmerzen nur mit Worten beikommen wollen?« Erickson saß in seinem Rollstuhl, wiegte sich vor und zurück und sah sie an. Dann machte er ein Pacing zu allen ihren Überzeugungen und sagte: »Sie sind hierhergekommen, weil der Arzt Sie geschickt hat. Und Sie verstehen nicht, wie man nur mit Worten die Schmerzen in den Griff bekommen soll. Selbst die Medikamente helfen nicht mehr, und Operieren ist zwecklos. Und Sie meinen, das hier ist die dämlichste Sache, von der Sie je gehört haben. Nun, ich will Ihnen eine Frage stellen: Wenn jetzt diese Tür da drüben plötzlich aufspringen w ü r d e . . . und Sie sähen hinüber und sähen einen großen, riesigen Tiger... der sich hungrig die Lefzen leckt... und nur auf Sie s t a r r t . . . was glauben Sie, was würden Sie noch von den Schmerzen spüren?« Der Punkt ist, daß er einen Kontext präsentierte, in dem kein Mensch Schmerzen wahrnehmen könnte. Wenn man mit einem hungrigen Tiger konfrontiert wird, hat man einfach keine Schmerzen mehr. Ein Erlebnis, bei dem es keine Schmerzen geben kann, läßt sich verankern und kann dann als ein bestimmter, veränderter Bewußtseinszustand weiterbestehen. Erickson erzählte: »Und später haben die Ärzte dann verständnislos mit den Achseln gezuckt, als sie erzählte, daß unter ihrem Bett ein Tiger sitzt und sie gerade zuhört, wie er schnurrt.« Es gibt Möglichkeiten noch und noch, Schmerzen unter Kontrolle zu bringen. Sie müssen, wenn Sie physiologische Schmerzen haben, überlegen, was erforderlich ist, damit Sie sie nicht mehr spüren. Wenn man zum Zahnarzt geht und sich die Zähne aufbohren läßt, tut das weh. Wenn er auf einen Nerv stößt, jagen die physiologischen Signale durch die Nervenbahnen, und Ihr Gehirn schreit »Aua!« So geht das normalerweise. Trotzdem gibt es Leute, die zum Zahnarzt gehen, kein Novocain bekommen und trotz-
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Sie sagen ihm ja nur, er sei jemand anderes. Kinder tun auch nicht nur so, als seien sie jemand, der sechs Jahre alt ist. Sie tun einfach, als ob sie jemand anders sind, egal wie alt der ist. Kindern kann man alles sagen, und solange man es so sagt, daß es ihnen sinnvoll erscheint, tun sie es auch. Wenn Sie jemanden erst einmal die Altersregression haben machen lassen, dann sagen Sie: »Nun, während du weiterspielst und deinen Spaß dabei hast, wird dein Unbewußtes beginnen, etwas zu lernen...« Und dann geben Sie ihm einfach direkte Suggestionen: »Sieh alles genau durch, was du über so-und-so weißt: wie er aussieht, wie seine Stimme klingt, wie er auf seine Umwelt reagiert - und fasse alles das zu einer Einheit zusammen, so daß du in fünfzehn Minuten spontan ganz als dieser Erwachsene erscheinen wirst.« Ich möchte Sie noch einmal warnen; die »Identifikation in tiefer Trance« ist ziemlich kompliziert und schwierig. Es ist eine sehr wirkungsvolle Lernstrategie, aber für die meisten therapeutischen Ziele gibt es viel einfachere Möglichkeiten, sie zu erreichen. Für die meisten Veränderungen ist die »Herstellung neuen Verhaltens« oder irgendeine andere Technik ebenso gut und viel einfacher durchzuführen. Schmerzbekämpfung
dem nichts spüren. Die machen auch keine Hypnose. Die Zahnärzte können Ihnen über diese Leute alles mögliche erzählen. Sie bohren bei diesen Patienten voll auf den Nerven herum, aber die reagieren überhaupt nicht. Der letzte Zahnarzt, bei dem ich war, sagte: »Das werde ich nie verstehen. Mir tut es selbst weh, aber die merken nicht das geringste!« Was sind das für Leute? Es sind Leute, die keine bewußte' Körperwahrnehmung haben; sie spüren überhaupt nichts, deswegen empfinden sie auch keine Schmerzen. Das Einzige, was vielleicht durchdringt, ist, wenn Sie die Hand von so jemandem auf eine heiße Herdplatte legen. Wenn der Arm bis zum Ellbogen verschmort ist, merkt er vielleicht etwas. Bezeichnenderweise verletzen sich diese Menschen häufig. Sie haben dauernd aufgeschlagene Knie und stoßen sich überall, denn sie haben keine bewußte Wahrnehmung von ihrem Körper und seinen Bewegungen, und darum haben sie auch nicht gelernt, sich in acht zu nehmen. Um Schmerzen unter Kontrolle zu bringen, können Sie die Strategie entwickeln, jemanden zu so einem Menschen zu machen. Die Fragen, die Sie sich immer wieder stellen müssen, sind: Was wollen Sie erreichen? Und: Wo und wie würde das von ganz allein eintreten? Es gibt Situationen, wo Sie sich bewegen können und alles mögliche wahrnehmen, aber keine Schmerzen empfinden. Haben Sie sich schon mal die Hand verletzt? Haben Sie sich jemals so in den Finger geschnitten, daß es wirklich weh tut? Oder mit dem Hammer so draufgehauen, daß es vor Schmerz pulsiert? Und haben Sie, während es so im Finger pochte, das einmal aus irgendeinem Grund plötzlich vergessen? In welcher Situation kann so etwas passieren? Teilnehmer: Bei einem Unfall. Sicher. Das ist ein klassisches Beispiel. Die meisten Leute brauchen dazu aber keinen Unfall. Es reicht, wenn sie von irgend etwas anderem abgelenkt werden. Die Menschen haben einen begrenzten Betrag bewußter Aufmerksamkeit. Die Regel heißt: 7 ± 2 Informationseinheiten kann der Mensch verarbeiten, und mehr nicht. Also muß man ihm, um ihn abzulenken, neun Informationseinheiten auf einmal geben. Geben Sie also den Leuten etwas anderes zu tun - irgend etwas! Einmal hatte ich einen Patienten mit sehr starken Schmerzen. Er war verunglückt, irgendeine schwere Rückenverletzung; die 252
medizinischen Einzelheiten weiß ich nicht, aber aus irgendeinem medizinischen Grund muß er schlimme Schmerzen gehabt haben. Er kam herein und sagte, er wolle Hypnose. Ich sagte, daß ich nicht wüßte, ob ich ihm in bezug auf seine Schmerzen helfen könne. Ich wüßte wohl eine Methode, die sehr gut funktioniere, aber nur bei Leuten mit einer bestimmten Reife und Intelligenz, und ich wüßte offen gesagt nicht, ob er für diese Methode reif genug sei. Ich sagte: »Sehen Sie, jemand der wirklich reif und intelligent ist, ist in der Lage, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Übrigens, nach Jean Piaget stimmt das wirklich.« Also erklärte ich diesem Mann Piagets Theorie und seinen Intelligenztest. Nach Piaget bedeutet Intelligenz die Fähigkeit zu sagen, wie die Dinge aussehen, wenn man sie unter einer anderen Perspektive betrachtet. Wenn ich ein Kind testen will, nehme ich einen Holzklotz und einen Fingerhut, und dann lege ich den Holzklotz vor den Fingerhut, so daß das Kind ihn nicht mehr sehen kann. Dann frage ich: »Ist etwas hinter dem Block?« Wenn das Kind »Nein« antwortet, ist es nicht sehr »reif«. Das »reife« Kind kann sich den Fingerhut auch vergegenwärtigen, wenn er versteckt ist, und es kann auch »sehen«, wie der Fingerhut, der Holzklotz und es selbst von der anderen Tischseite aus aussehen würden. Die Tester fragen wörtlich: »Wie würde es aussehen, wenn du auf der anderen Seite des Tisches wärst?« Je besser man die Dinge von verschiedenen Standpunkten aus betrachten kann, desto »reifer« und intelligenter ist man. Eine Folge dieser Art von Visualisierung ist, daß man von seinen Gefühlen abgetrennt wird. Das also bringen einige moderne Methoden den Kindern heute bei: sie sollen sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr von ihren eigenen Gefühlen distanzieren - weil das dann heißt, daß man »reif« ist. Ich sagte diesem Mann, er solle nach Hause gehen und etwas Bestimmtes üben, worüber ich ihn dann in der nächsten Woche ausführlich testen würde - um festzustellen, wie reif und intelligent er sei. Seine Aufgabe sei, herauszufinden, wie er aussieht, wenn er in seinem Bett liegt, zuerst von einer Ecke des Raumes aus gesehen, dann von der gegenüberhegenden Ecke und dann von jedem dazwischenliegenden Punkt aus gesehen. Ich sagte ihm, in der nächsten Woche würde ich irgendeinen dieser möglichen Standpunkte zufälhg herausgreifen und ihn das Ganze aus diesem 253
Ich möchte jetzt über etwas sprechen, was ich bei einer der Übungen gesehen habe. Ein Teilnehmer hat etwas getan, das man einsetzen kann, um eine Amnesie zu bewirken. Nach der Übung, als
die Frau, bei der er die Trance induziert hatte, zurückkam, sah er sie an und sagte: »Achten Sie darauf, wie ruhig es hier im Raum ist.« Wenn jemand zurückkommt und die Augen öffnet, und wenn Sie ihn dann anschauen und sofort über irgend etwas anderes als das Erleben, aus dem er gerade auftaucht, sprechen, lenken Sie damit seine Aufmerksamkeit abrupt auf etwas anderes und bewirken wahrscheinlich eine tiefgreifende Amnesie. Das gilt für jemanden, der aus einer tiefen Trance zurückkehrt ebenso wie für jemanden, mit dem Sie mitten in einer ganz normalen Unterhaltung sind. Zum Beispiel sprechen Sie vielleicht gerade über Hypnose und gehen plötzlich dazu über, zu erzählen, wie wichtig es ist, daß man die Bremsen prüft, bevor man mit dem Auto irgendwelche Gebirgsstraßen hinunterfährt, und dabei gehen Sie sehr kongruent bis in die kleinsten Einzelheiten. Wenn Sie dann fragen: »Worüber habe ich vorhin gerade geredet?« wird der andere sich wahrscheinlich nicht mehr daran erinnern. Wenn es keine Kontinuität gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, daß man sich an das, was vor der Unterbrechung war, erinnert, ziemlich gering. So bewirkt man eine Amnesie. Probieren Sie das mit Ihren Klienten aus, wenn Sie gerade nicht mit einem ausdrücklich veränderten Bewußtseinszustand arbeiten. Geben Sie ihnen die Anweisungen zu ihren Hausaufgaben, und dann wechseln Sie plötzlich das Thema. Sie werden die Instruktionen vergessen, sie aber trotzdem genau ausführen. Wenn Sie es so machen, kann es vom Bewußtsein her keine Störungen geben. Die Klienten werden sich an die Anweisungen nicht erinnern und also auch keinen »bewußten Widerstand« dagegen entwickeln können. Teilnehmer: Ich habe schon Klienten gehabt, die sich entschuldigten, daß sie die Anweisungen für die Hausaufgaben vergessen hatten - und dann haben sie erzählt, wie sie alles genau richtig ausgeführt haben. Ausgezeichnet. Das ist ein wirklich gutes Feedback, da wissen Sie, daß Ihre Anweisungen richtig angekommen sind. Wenn Sie ausdrücklich mit Trance arbeiten, können Sie, wenn die Person aus der Trance zurückkehrt, mitten im Satz anfangen, über etwas zu reden, was absolut nicht zu dem gehört, was eben während der Trance geschehen ist. Das ist ein unbewußter Hinweis für den anderen, daß Sie nicht über das sprechen wollen, was
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Blickwinkel ganz genau aufzeichnen lassen. Ich würde alles nachmessen und genau feststellen, um welchen Winkel es sich handele, und wenn ich dann die Zeichnung sähe, würde ich daraus seine Intelligenz berechnen können. Er ging heim, und als er eine Woche später wiederkam, hatte er diese Aufgabe erledigt. Er hatte alles systematisch ausgearbeitet, denn er war hochmotiviert gewesen. Er wollte ja,daß ich ihn behandele und war der Meinung, ich könne ihm helfen. Und als er kam, sagte er: »Wissen Sie, das Merkwürdigste an der Sache ist, daß ich diese Woche gar nicht viele Schmerzen hatte.« Solche Erfolge kann man haben, wenn man jemandem eine ihm angemessene Aufgabe stellt. Es gibt andere, ausgefallenere Methoden, Schmerzzustände zu behandeln. Sie können mit jemand in Trance alles mögliche machen, solange Sie es einfach als selbstverständlich voraussetzen. Einmal habe ich zu einem Mann, der in meine Sprechstunde kam, gesagt: »Ich möchte mit Ihrem Gehirn sprechen. Und sobald das Gehirn bereit ist, mit mir zu sprechen, und keine bewußten Anteile mehr wissen, was nun vor sich geht, wird sich Ihr Mund öffnen und sagen: >Jetzt<.« Zwanzig Minuten lang saß er nur da, und dann sagte er: »Jeeeetzt.« Dann sagte ich: »In Ordnung, Gehirn. Du spielst falsch. Schmerzen sind eine sehr wertvolle Sache. Durch sie erfährt man, wann man sich an seinem Körper um etwas kümmern muß, was nicht in Ordnung ist. Diese Verletzung ist aber inzwischen so gut wie irgend möglich behandelt worden. Wenn du also nichts anderes nachweisen kannst, um das man sich außerdem noch kümmern müßte, dann ist es Zeit, daß du die Schmerzen abstellst.« Es sagte »Jaaaa!« Dann sagte ich: »Also, stell das augenblicklich ab und laß die Schmerzen nur dann wieder auftreten, wenn es notwendig ist, und sonst nicht.« Nun, ich habe keine Ahnung, was das alles heißt, aber es klingt so logisch und setzt einfach voraus, daß das Gehirn das tun kann, was ich verlange. Danach hatte er keine Schmerzen mehr. Amnesie
eben geschehen ist, und daß es seinem Bewußtsein auch gar nicht zugänglich zu sein braucht. Amnesie kann man genauso leicht herstellen wie die meisten anderen Phänomene der »tiefen Trance«, und so sieht also eine Möglichkeit dafür aus. Teilnehmer: Ich hatte früher immer Schwierigkeiten, bei meinen Klienten eine Amnesie zu erreichen. Aber dann habe ich angefangen, nur eine Sache anders zu machen: Ich wartete hinterher etwa fünfzehn Minuten, bis ich auf etwas zu sprechen kam, was in der Trance passiert war. Das war die einzige Veränderung, und von da an war die Amnesie kein Problem mehr. Teilnehmer: Nach meiner Erfahrung kann man sagen: »Und dann werden Sie am nächsten Dienstag eine Entscheidung darüber treffen«, dann wechselt man abrupt den Gesprächsgegenstand undNun, so direkt würde ich nicht sein. Ich würde die Entscheidung einfach schon voraussetzen. Ich würde sagen: »Und wenn wir uns am nächsten Dienstag wieder treffen, um unser Gespräch fortzuführen, hätte ich gern, daß Sie beginnen und mir auf eine Art und Weise, die für Sie besonders interessant ist, mitteilen, was Sie entschieden haben.« - und dann das Thema wechseln. Wenn Sie das tun, wird das erwünschte Verhalten eintreten, ohne daß er bewußt weiß, was vor sich geht. Das ist von Vorteil, falls es auf der bewußten Ebene irgendwelchen Widerstand gibt gegen das, was Sie vorschlagen. Die Amnesie ist übrigens auch eine Möglichkeit, einen »Ungläubigen« davon zu überzeugen, daß er in Trance war. Wenn er aus der Trance zurückkommt, lenken Sie seine Aufmerksamkeit sofort auf etwas anderes, und später fordern Sie ihn auf, alles genau aufzuzählen, was passiert ist, wenn er beweisen will, daß er nicht in Trance war. Milton Ericksons Büro war das Land der tausend Dinge. Es gab tausend verschiedene Gegenstände in diesem einen Raum, so daß er eine riesige Auswahl hatte, worüber er sprechen und auf was er die Aufmerksamkeit des Klienten lenken wollte. Die Uhren placierte er immer so, daß er sie wohl sehen konnte, der andere aber nicht. Er liebte es, jemanden aus der Trance zurückkommen zu lassen, dann das Thema zu wechseln und später zu sagen: »Nun, bevor Sie jetzt auf die Armbanduhr sehen, möchte ich, daß Sie einmal raten, wieviel Zeit inzwischen wohl vergangen ist.« Natür-
lich wußten die Leute nie, wie spät es war, denn Erickson beherrschte es meisterhaft, seinem Gegenüber das Zeitgefühl völlig zu nehmen. Das überzeugt die Leute in der Regel. Wenn sie sich nicht mehr daran erinnern können, was in den letzten beiden Stunden passiert ist, fangen sie langsam an zu glauben, daß sie wohl wirklich in Trance waren. Eine andere Möglichkeit, Amnesie zu bewirken, haben Sie, wenn Sie eine Dissoziation herstellen. Wenn jemand zum Beispiel besonders auf visuelle Wahrnehmung spezialisiert ist, mache ich vielleicht eine Induktion, bei der ich verschiedene Wahrnehmungssysteme miteinander verschränke und leite ihn zu einem kinästhetischen Bewußtseinszustand über. Wenn er zu seinem normalen Wachzustand zurückkehrt, wird er seine Trance-Erfahrungen automatisch vergessen haben; er wird zu den dazugehörigen Informationen keinen Zugang haben, denn sein Bewußtsein arbeitet visuell, und die Erfahrungen im veränderten Bewußtseinszustand waren kinästhetische. »Er« - sein visueller Persönlichkeitsanteil wird nichts davon erfahren. Jedesmal, wenn Sie den Bewußtseinszustand einer Person radikal verändert haben und ihn dann ohne Überleitung abrupt in den Normalzustand zurückbringen, wird er wahrscheinlich das, was während seines veränderten Bewußtseinszustandes geschah, vergessen. Im normalen Bewußtseinszustand hat er keinen Zugang zu diesen Informationen, denn sie sind an einen anderen Bewußtseinszustand geknüpft. Schwächere Erscheinungsformen dieses Phänomens sind von der Lernpsychologie untersucht worden: Man entdeckte, daß, wenn man sich etwas einprägt und dabei Musik hört, diese Informationen viel schneller wieder präsent sind, wenn man wieder dieselbe Musik hört. Wenn man etwas lernt, während man einen Kaffee trinkt oder seinen Bewußtseinszustand sonst irgendwie verändert, kann man es sich viel besser wieder vergegenwärtigen, wenn man wieder Kaffee trinkt oder eben das Entsprechende tut. Dieses Wissen können Sie sich zunutze machen, um eine Amnesie herzustellen. Was Sie sicherstellen wollen, ist der Transfer des veränderten Verhaltens in den normalen Wachzustand der Person. Es ist sehr wichtig, daß Sie Brücken bauen, die sicherstellen, daß dieser Transfer automatisch klappt. Deswegen lassen wir Sie das
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»Zukunfts-Pacing« explizit durchführen. Es gewährleistet, daß die Veränderung, die Sie bewirkt haben, auch tatsächlich auf die Situationen übertragen wird, in denen sie notwendig ist. Lynn, was habe ich gerade gesagt? [Er hebt seinen Arm und leitet ihren Blick in eine Richtung visueller Informationsverarbeitung. Siehe Anhang I über Augenbewegungen der Informationsverarbeitung (eye accessing cues).] Lynn: Ich weiß nicht. Ich meine nicht, ob Sie das, was ich gesagt habe, verstanden haben. Sagen Sie nur, was für Worte ich gebraucht habe. Lynn: Ich weiß nicht; ich kann mich nicht erinnern; es ist wie ausgelöscht. Sie haben alle gesehen, als ich ihr die Frage nach der auditiven Information gestellt habe, habe ich gleichzeitig meinen Arm gehoben, so daß ihr Blick nach oben und dann nach links wanderte. Sie folgte mir also in einer Weise, die ihr visuelle Informationsverarbeitung ermöglichte, nicht aber auditive. Auch auf diese Weise kann man Dissoziation herstellen. Es ist also kein Wunder, daß sie sagt, sie kann sich nicht erinnern, was ich gesagt habe. Und erinnern Sie sich jetzt, was ich gerade gesagt habe? (Er schwingt seinen Arm abwärts und, von ihr aus gesehen, nach links.) Lynn: Sie haben gesagt, bei mir läge eine Amnesie vor, weil Sie mich zur visuellen statt zur auditiven Informationsverarbeitung veranlaßt haben. Genau. Jetzt kann sie sich erinnern, was ich gesagt habe, weil ich sie auf den richtigen Kanal geschaltet habe. Wenn ich Amnesie erreichen will, dann schalte ich sie auf einen Kanal, der unangemessen ist. Da ich jetzt will, daß sie sich daran erinnert, was ich gesagt habe, muß ich sie nach unten und nach links schauen lassen. Wenn ich sie also absichtlich auf einen anderen Kanal schalte als den, in dem die Information gespeichert ist, dann wird sie in diesem Punkt amnetisch bleiben. Von der Amnesie meint man üblicherweise, es sei das am schwierigsten herzustellende Trance-Phänomen überhaupt. Wenn Sie es aber verstehen, die unbewußten Hinweise und Bewußtseinszustände so anzugehen, wie wir es beschrieben haben, dann brauchen Sie nur jemanden entsprechend in die Irre zu führen, und schon erreichen Sie die Amnesie.
Teilnehmer: Wie erreicht man, daß die Amnesie länger andauert? Später kommt es darauf eigentlich gar nicht mehr an. Der beste Zeitpunkt, eine Amnesie zu setzen, ist unmittelbar nachdem Sie eine Veränderung vorgenommen oder eine Instruktion gegeben haben. Wenn jemand sich nicht bewußt daran erinnert, kann sich das neue Verhalten leichter durchsetzen, ohne daß das Bewußtsein störend dazwischentritt. Wenn er sich dann später mal daran erinnert, stört das nicht. Manchmal suggeriere ich eine Dissoziation zwischen dem Bewußtsein der Person und ihren unbewußten Prozessen, um damit die Amnesie zu sichern. Ich könnte zum Beispiel sagen: »Und wie Sie da sitzen... spreche ich nun zu Ihnen... und je länger Sie mir zuhören... desto weniger werden Sie mit Ihrem bewußten Verstand erfassen... und um so mehr werden Sie mit dem Unbewußten aufnehmen... denn ich spreche n u r . . . zu Ihren Ohren!« Was kann das heißen, wenn Sie jemandem sagen, Sie sprechen gar nicht mit ihm, sondern mit seinen Ohren? In der Regel folgt daraus eine Dissoziation. Eine andere Variation wäre: »Ich spreche jetzt nicht mit Ihnen. Ich spreche mit ihm.« Vorhin habe ich Ihnen schon eine andere Möglichkeit genannt, Amnesie verbal zu suggerieren: Bevor Sie jemanden aus der Trance zurückkehren lassen, können Sie ihm solche Instruktionen geben wie: »Und nun kann Ihr Unbewußtes alles noch einmal durchsehen, was hier geschehen ist, und dann kann es Sie nur die Teile des Geschehenen wissen lassen, von denen es meint, daß es gut für Sie ist, darüber Bescheid zu wissen... denn es kann sehr viel Freude machen, zu merken, wie man plötzlich über neue Möglichkeiten verfügt... ohne zu wissen, woher sie kommen.« Oder: »Und denken Sie daran, alle Gedanken an das, was am besten auf der unbewußten Ebene bleibt, zu vergessen.«*
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* i. 0.: »And you can remember to forget to remember any material best left at the unconcious level.« (Anm. d. Übers.).
Etwas, was Menschen in Trance wirklich ausgezeichnet können, ist das Wiedererleben von vergessenen Erfahrungen. Die meisten der Psychotherapien, bei denen die Leute Vergangenes noch einmal durchleben sollen, benutzen dafür in der Tat hypnotische Techniken. Und manche Psychotherapeuten benutzen diese hypnotischen Techniken wesentlich effektiver als viele der professionellen Hypnotiseure. Am leichtesten kann man jemanden eine vergangene Erfahrung noch einmal durchleben lassen, wenn man so vorgeht wie Sie, als Sie die Induktionsmethode »Aufgreifen früherer Trancezustände« geübt haben. Sie brauchen nur mit dem zu beginnen, was Ihres Wissens am Anfang dieses Ereignisses stand; das lassen Sie dann den Klienten in allen Einzelheiten beschreiben und führen ihn von da aus weiter. Wenn Sie das tun, wird der Klient dieses Mal genauso reagieren wie damals. Ich habe einmal einen Geschäftsmann behandelt, der erzählt hatte, er verfalle immer in einen meditativen Zustand, wenn er in ein Flugzeug steigt. Er sagte: »So wie ich es erlebe, gibt es den Moment, wo wir abheben, und als nächstes kann ich mich nur daran erinnern, wie das Flugzeug landet.« Ich war neugierig, was da ablief, also ließ ich ihn das Ganze noch einmal durchleben. Zuerst ließ ich ihn über die Gangway das Flugzeug betreten, dann sollte er sich setzen, den Sicherheitsgurt anlegen und die üblichen Gespräche mit der Stewardeß führen: Wohin mit seinem Mantel, und ob er etwas zu trinken möchte. Dann, als das Flugzeug abhob, ließ ich ihn hören, wie der Flugkapitän ansagte, in welcher Höhe sie fliegen würden. Als ich soweit gekommen war, fiel sein Kopf nach vorn und er reagierte gar nicht mehr auf mich. Er begann zu schnarchen. Es war keineswegs ein meditativer Zustand, in den er beim Fliegen verfiel: er schlief jedesmal ein. Jedesmal, wenn ich ihn diese Szene durchleben ließ, schlief er ein, und ich mußte laut rufen: »Hey, Sie, wachen Sie auf!« um ihn zu wecken. Später fand ich heraus, daß ich nur ein Räuspern von mir zu geben und seinen Stuhl etwas zu rütteln brauchte, damit er wach wurde und fragte: »Sind wir schon da?« - Also, wenn Sie wissen wollen, was in der Vergangenheit
passiert ist, können Sie es herausfinden, indem Sie die betreffende Person einfach die dazugehörigen Erfahrungen vollständig genug noch einmal durchleben lassen. Ein Mann, der diese Techniken ausgesprochen geschickt einzusetzen versteht, kam einmal in einem Workshop zu mir und berichtete von zwei jungen Patientinnen. Die beiden waren während eines Spazierganges überfallen und vergewaltigt worden. Die eine konnte sich lebhaft an diesen Vorfall erinnern und hatte der Polizei alle notwendigen Informationen geben können. Die andere hatte bezüglich desselben Vorfalles eine vollständige Amnesie und wollte die Geschichte, die die andere erzählte, gar nicht recht glauben. Die eine, die sich an die Vergewaltigung in allen Einzelheiten erinnern konnte, war demzufolge ein psychisches Wrack, während die andere keinerlei Reaktionen zeigte; ihr ging es prima. In solchen Situationen müssen Sie sehr sorgfältig überlegen, ob es dem Betroffenen irgend etwas bringt, zu erfahren, was wirklich passiert ist. Wenn es nicht sinnvoll für ihn ist, wird ihm die Wiederbelebung des Gedächtnisses nur seelische Qualen bereiten. Dieser wohlmeinende Therapeut tat alles, um der Frau die Erinnerung an jede Einzelheit dieses Vorfalls zu ermöglichen, und so erlitt sie auch all die seelischen Qualen. Seiner Meinung nach hatte sie all diese schlimmen Erlebnisse verdrängt - womit er durchaus recht hatte! Aber in manchen Situationen ist die Verdrängung der schlimmen Erlebnisse das beste, was man tun kann. Er persönlich hat der »Wahrheit« einen besonderen Wert beigemessen. Er nahm an, da sie verdrängt war, würde sie später einmal wiederauftauchen und der Frau ein schmerzvolles Erleben verursachen, also sollte sie die Qualen lieber jetzt durchstehen und das Ganze überwinden. Wenn Sie die Hypnose dazu benutzen, einen Menschen unangenehme Erfahrungen wiedererleben zu lassen, dann sollten Sie vorher sorgfältig abwägen, ob es die Sache wirklich wert ist. Vielen von uns hat man beigebracht, das Wiedererleben unangenehmer Erfahrungen würde sie abmildern, aber so absolut, so kategorisch stimmt das nicht. Wenn die akademische Psychologie überhaupt irgend etwas hinzugelernt hat, dann das, daß diese Annahme falsch ist. Fest steht, daß, wenn man aufgrund einer bestimmten Abfolge von Erfahrungen Generalisierungen entwickelt, ein Wiedererleben dieser Erfahrungen die Generalisierungen, wie auch
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Reaktivierung verdrängter Erlebnisse
immer sie inhaltlich aussehen, verstärken. Wenn das, was Sie von einem Ereignis gelernt haben, Sie seelisch behindert und einschränkt, dann wird das Wiedererleben solcher Erfahrungen diese Generalisierungen nur verstärken - und damit auch die Einschränkungen, die durch diese Generalisierung entstanden sind. Alle Therapeuten wie Virginia Satir und Milton Erickson lassen die Leute zurückgehen und bestimmte Ereignisse noch einmal durchleben, aber dann veranlassen sie die Leute, sich anders zu verhalten als beim ersten Mal. Satir beschreibt das als » Zurückgehen und alles mit neuen Augen sehen«, was immer man darunter verstehen mag. Erickson ließ die Leute in die Vergangenheit zurückgehen und veränderte dann alles total. Er reorganisierte die ganze Geschichte, und dann war es gar nicht anders möglich, als daß sie sich neu gestaltete. Einmal hat Erickson etwas Faszinierendes mit jemand gemacht: Ein Klient hatte als sehr kleines Kind einen Fehler gemacht, er hatte ein Verbrechen begangen. Irgend etwas am weiteren Verlauf der Dinge brachte ihn zu der Überzeugung, daß er von nun an laufend kriminelle Handlungen begehen würde. Er war fest überzeugt davon, daß er immer wieder denselben Fehler machen würde; deswegen tat er es auch immer wieder. Erickson ließ ihn in seine Kindheit zurückgehen und eine Erfahrung machen, die ihn davon überzeugte, daß er keine Verbrechen mehr begehen würde - weil ihm einfach die Begabung dafür fehlte. Dieses Ereignis hat niemals stattgefunden. Wenn Sie diesen Mann aber heute danach fragen, wird er es Ihnen in allen Einzelheiten aus dem Gedächtnis schildern; für ihn ist es so real, als wäre es tatsächlich passiert. Manchmal kann es sinnvoll sein, jemanden die unangenehmen Erfahrungen noch einmal erleben zu lassen. Unter Umständen bekommt man auf diese Weise Informationen, mit deren Hilfe ein Krimineller gefaßt und daran gehindert werden kann, weitere Verbrechen zu begehen. Oder man braucht vielleicht zu irgendeinem anderen Zweck Informationen über ein bestimmtes Ereignis. Einer meiner Freunde hatte ein Ehepaar in Behandlung, das überfallen worden war, und beide hatten, was diesen Überfall betraf, eine völlige Amnesie. Der einzige Grund, warum sie überhaupt wußten, daß sie überfallen worden waren, war die Tatsache, daß ihre Körper voller Wunden und Quetschungen waren. Man
erklärte ihnen, daß die Fleischwunden von irgendeiner Waffe stammten, und daß ihr Geld und sonstige Wertgegenstände verschwunden seien. Die Polizei behauptete beharrlich, daß sie geschlagen und beraubt worden waren, aber die Eheleute sagten beide: »Wir wissen von nichts. Wir erinnern uns an gar nichts.« Ich habe mit den beiden eine Hypnose-Exploration gemacht und fand heraus, daß das Ehepaar gar nicht überfallen worden war. Sie waren in einen Autounfall verwickelt gewesen. Nach dem Zusammenstoß hatte sie jemand aus dem Auto gezerrt und das Auto und ihre sämtliche Habe gestohlen. Um das Ereignis noch einmal zu reaktualisieren und herauszufinden, was passiert war, beschloß ich, nur mit einem von ihnen zu arbeiten und schickte den anderen aus dem Zimmer. Es war ja nicht notwendig, daß beide noch einmal leiden mußten. Sexistisch wie ich bin, entschied ich, daß es besser sei, den Mann noch einmal leiden zu lassen. Ich habe ihn das Ereignis aber auf andere Weise wiedererleben lassen, um die Unannehmlichkeiten für ihn so gering wie möglich zu halten. Anstatt ihn alles noch einmal so erleben zu lassen, wie es passiert war, ließ ich ihn sich selbst dabei beobachten, wie er das alles erlebte. Diese Vorsichtsmaßnahme traf ich sowohl, weil ich wollte, daß es ihm dabei einigermaßen gut ging, als auch, weil er damals bewußtlos geworden war. Wenn jemand beim erstenmal bewußtlos wird, wird er, wenn das Erlebnis auf genau dieselbe Art reaktiviert wird, an derselben Stelle wieder bewußtlos werden. Einer meiner Studenten hatte einmal einen Unfall und wollte dann das Ereignis noch einmal erleben. Viele Leute haben versucht, mit ihm daran zu arbeiten und ihm das zu ermöglichen. Alle fingen an mit dem Gefühl, das Steuerrad in der Hand zu haben, dann kam das Geräusch des Motors dazu und dann der visuelle Eindruck der Bäume an der Straße. Dann ließen sie ihn eine Hupe hören, und dann war er weg, bewußtlos. Sie hatten dann immer alle Hände voll zu tun, um ihn wieder aufzuwecken, und konnten dann wieder von vorne anfangen. Sie hätten sich denken können, daß er bewußtlos werden würde, denn er war bei dem Unfall gegen einen Baum geprallt und ohnmächtig geworden. Wenn Sie also eine Erinnerung wiederbeleben und alles auf genau dieselbe Weise ablaufen lassen, dann wird auch genau dasselbe passieren wie beim ersten Mal. 263
Wenn jemand überfallen oder vergewaltigt worden ist oder einen Autounfall hatte, ist es nicht sinnvoll, das entsprechende Erleben noch einmal zu reaktivieren. Wenn Ihnen jemand von einem Herzanfall erzählt, dann wollen Sie ja auch nicht, daß er noch einmal genauso etwas durchmacht. »Oh, Sie haben letzte Woche einen Herzanfall gehabt, wie war das genau?« Das ist das Idiotischste, was Sie fragen können. Wenn Sie es gut genug machen, können Sie so dafür sorgen, daß er gleich den nächsten Anfall bekommt. Viele Frauen, die vergewaltigt oder überfallen worden sind, haben später Probleme mit Männern. Ich meine nicht nur mit dem Mann, der sie angegriffen hat, sondern mit ihren Ehemännern oder überhaupt in Liebesbeziehungen. Manchmal können sie nicht mehr in dem Haus leben oder die entsprechende Straße entlanggehen, ohne schlimme Ängste auszustehen. Diese Frauen durchleben ihre schrecklichen Erfahrungen dabei wieder und wieder. Soviel sollte eigentlich niemand leiden müssen. Es ist schon Leid genug, wenn jemand so angegriffen wird. Und darüber hinaus noch mehr als das aushalten zu müssen, erscheint mir sehr ungerecht. Es gibt ein Vorgehen, mit dem ein Teil des Erlebens abgetrennt werden kann, so daß das Erleben auf andere Weise reaktivierbar ist. Sie lassen den Klienten das unangenehme Erlebnis beginnen und ihn dann beiseite treten, so daß er sich selbst sieht, wie er es durchlebt. Er hört, was damals vor sich ging, aber er schaut sich selbst dabei zu, wie er dieses Ereignis erlebt, als ob er einen Film sieht. Wenn er es so macht, braucht er die Gefühle, die er damals dabei hatte, nicht zu erleben. Er kann dann Gefühle über dieses Erlebnis entwickeln. Dieses Vorgehen ist in seinen Einzelheiten im Kapitel II von »Neue Wege der Kurzzeittherapie« beschrieben, darum erkläre ich es hier nicht weiter. Wir nennen es die »PhobieTechnik« oder die »visuell-kinästhetische Dissoziation«. Wenn Sie jemanden unangenehme Erlebnisse wiedererleben lassen, denken Sie bitte an diese Dinge. Um zu verhindern, daß die Gefühle direkt wiedererlebt werden, lassen Sie den Klienten sich selbst beim Erleben des Ereignisses beobachten. Wenn Sie ganz sicher sein wollen, lassen Sie ihn sich selbst dabei beobachten, wie er sich dabei beobachtet, das Ganze noch einmal zu erleben, als ob er im Projektionsraum eines Kinos ist und sich selber zuschaut, wie er den Film anschaut. Wenn Sie ihn die Geschichte auf diese
Weise wiedererleben lassen, dann wird er die Angst in Zukunft nicht mehr so erleben, falls er sich noch einmal an das Ereignis erinnert. Für jemanden, der geschlagen oder sonst irgendwie brutal behandelt worden ist, ist das wirklich wie ein Geschenk. Wenn die Leute das Ereignis noch einmal so ablaufen lassen, daß sie sich sehen, wie sie sich selbst beobachten, dann verteilt sich die Intensität der Gefühle, und das verhindert, daß sie irgendwelche Generalisierungen aufbauen, durch die sie die belastenden Gefühle immer wieder erleben.
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Als nächstes wollen wir etwas mit Ihnen machen, was wir »Einstellungsübungen zur Feinabstimmung« nennen. Das Wort Feinabstimmung bezieht sich bei uns auf den Prozeß, mit dem man sich auf die nonverbalen Signale einstimmt, die beim Gegenüber einen bestimmten Zustand anzeigen. Sie alle haben sich während dieses Workshops ständig auf den anderen eingestellt, um bei ihm Anzeichen für eine Veränderung des Bewußtseinszustandes feststellen zu können. Einige dieser Zeichen sind so ziemlich allen Menschen gemeinsam, andere wiederum haben nur bei einem einzigen Menschen ihre spezielle Bedeutung. In gewisser Weise kann man alles, was wir hier im Seminar lehren, in drei Aussagen zusammenfassen: Um erfolgreich zu kommunizieren, müssen Sie 1.) wissen, auf welches Ziel Sie hinarbeiten, 2.) im Verhalten so flexibel sein, daß Sie Ihr Vorgehen variieren können, um Ihr Ziel zu erreichen, und 3.) auf der Ebene sinnlicher Wahrnehmung die nötige Sensibilität und Erfahrung (sensory experience) haben, um festzustellen, ob und wann die erwünschte Reaktion tatsächlich eingetreten ist. Das meiste, was wir Ihnen bisher vermittelt haben, ist dafür gedacht, Ihnen spezielle Möglichkeiten zu geben, Ihr Verhalten so zu variieren, daß Sie die beabsichtigten Ergebnisse auch bekommen. Wir empfehlen, daß Sie sich grundsätzlich folgende Sichtweise aneignen: Die Bedeutung dessen, was Sie mitteilen, zeigt sich in der Reaktion des anderen. Wenn Sie das als leitendes Prinzip annehmen, dann wissen Sie, falls Sie einmal die erwünschte Reaktion nicht bekommen, daß Sie nun ihr Verhalten ändern müssen, bis Sie Erfolg haben. Dazu vermitteln wir Ihnen hier diverse Möglichkeiten, und wenn auch die nicht funktionieren, probieren Sie halt irgend etwas anderes aus. Wenn das, was Sie tun, nicht funktioniert, dann hat nämlich jedes andere Verhalten mehr Aussicht auf Erfolg als das, was Sie gerade probieren. Wenn Ihre sensorische Wahrnehmung nicht genügend geschult ist, um die Reaktion des anderen zu erkennen, dann haben Sie keine Möglichkeit, zu prüfen, ob Sie Erfolg haben oder nicht. Sehen
Sie, manchmal werde ich gefragt, ob ich auch mit Blinden oder Gehörlosen arbeite. Ich antworte dann immer: »Ja klar, laufend.« Die Feinabstimmungsübungen dienen dazu, Ihre Wahrnehmung zu schärfen und zu schulen. Die Fähigkeit, kleinste nonverbale Reaktionen wahrzunehmen, wird Ihre Kompetenz speziell als Hypnotiseur und allgemein in der Kommunikation mit anderen ungemein erweitern. Mein Freund Frank war im Alter von 18 oder 19 Jahren ein sehr erfolgreicher Preisboxer. Außerdem unterstützte er seine Familie finanziell und arbeitete als Pförtner und Aufsicht in einem Psychiatrischen Landeskrankenhaus. Wenn er seinen Rundgang durch die Stationen machte, übte er ständig Schattenboxen, um in Form zu bleiben. Auf einer Station dort gab es einen katatonen Patienten, der seit zwei oder drei Jahren in derselben Körperstellung verharrte. Jeden Tag stellte das Personal ihn am Fußende des Bettes auf und schloß ihn daran fest; er war mit Katheter- und Ernährungsschläuchen versehen. Niemandem war es gelungen, mit diesem Mann Kontakt aufzunehmen. Auf einem seiner Rundgänge, wie immer schattenboxend, merkte Frank, daß dieser Bursche auf seine Boxbewegungen mit kleinen ausweichenden Kopf bewegungen reagierte. Für diesen Patienten war das eine unglaublich intensive Reaktion. Deshalb rannte Frank sofort ins Stationszimmer und holte sich die Akte des Patienten. Natürlich: Er war, bevor er katatonisch wurde, Profi-Boxer gewesen. Wie stellt man mit jemand, der Berufsboxer ist, einen Kontakt her? Sie wissen, jeder Profi muß bestimmte Bewegungsabläufe einprogrammiert haben, bis sie automatisch ablaufen, so wie die meisten Leute das Autofahren üben, bis es als unbewußtes Programm ganz von allein funktioniert. Im Boxring muß man auf so vieles gleichzeitig achten und so viel tun, daß das meiste unbewußt ablaufen muß. Dann bleibt die bewußte Aufmerksamkeit dafür frei, aufzupassen, was in der augenblicklichen Situation gerade passiert. Mein Freund ging zurück und fing wieder an, mit dem Patienten Schattenboxen zu machen; der kam dann schnell aus seinem tranceähnlichen katatonischen Zustand heraus, in dem er bis dahin jahrelang verharrt hatte. Teilnehmerin: Fing er an, richtig zu boxen, als Frank das Schattenboxen machte?
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7 Feinabstimmung (Calibration)
Ja, natürlich. Er hatte keine Alternative, das waren Programmierungen, die er sich jahrelang antrainiert hatte. Der wichtigste Punkt bei der ganzen Sache ist, daß mein Freund in der Lage war, die Reaktionen auf sein Verhalten überhaupt wahrzunehmen. Dadurch konnte er sein Verhalten dann so einsetzen, daß er die Reaktionen verstärkte. Wenn Sie also die Reaktionen auf Ihr Verhalten nicht wahrnehmen können, ist alles andere, was wir Ihnen hier beibringen, völlig nutzlos.
Wenn Sie viermal hintereinander richtig geraten haben, tauschen Sie die Rollen. Und jeder ist etwa fünf Minuten lang dran.
Wir wollen mit einer ganz leichten Einstimmungsübung anfangen; Sie sollen damit Ihre Fähigkeit, sensorische Unterschiede wahrzunehmen, schulen. Bilden Sie Paare und bitten Sie den Partner, an jemanden zu denken, den er gern hat. Während er das tut, achten Sie bei ihm auf die kleinen Veränderungen des Atems, der Haltung, des Muskeltonus, der Hauttönung und so weiter. Dann bitten Sie ihn, an jemanden zu denken, der ihm unsympathisch ist, und wieder beobachten Sie die auftretenden Veränderungen. Lassen Sie ihn zwischen den beiden Personen hin und her wechseln, bis Sie die Unterschiede in seinem Ausdruck erkennen können. Als nächstes stellen Sie eine Reihe vergleichender Fragen, um Ihre Feinwahrnehmung zu testen. Fragen Sie: »Welcher von beiden ist größer?« Er soll die Antwort aber nicht sagen. Ihre Aufgabe ist, seine Reaktionen zu beobachten und ihm dann zu sagen, welcher der größere ist. Man kann jede vergleichende Frage dafür nehmen: »Welchen von beiden haben Sie zuletzt gesehen?« »Welcher hat dunklere Haare?« »Wer von beiden wiegt mehr?« »Welcher wohnt näher bei Ihnen?« »Welcher von beiden verdient mehr Geld?« Wenn Sie die Frage gestellt haben, setzen beim anderen innere Prozesse ein, die die Frage verarbeiten und die Antwort feststellen. Er denkt vielleicht zuerst an denjenigen, den er mag, dann an den anderen, und dann an den, der die Antwort auf die Frage ist. Sie können also am Anfang einige Hin-und-Her-Reaktionen beobachten und schließlich die Reaktion, die die Antwort auf Ihre Frage ist. Letztere sehen Sie unmittelbar bevor derjenige wieder aufschaut oder mit dem Kopf nickt, um zu signalisieren, daß er innerlich die Antwort gegeben hat.
Als ich eben so durch den Raum ging, habe ich gesehen, daß die meisten das sehr gut gemacht haben; für einige war es sogar zu leicht. Es gibt auch beträchtliche individuelle Unterschiede; manche Leute reagieren ausgesprochen expressiv, andere sehr viel weniger. Wenn Ihnen diese Aufgabe zu leicht erscheint, können Sie einiges abändern, um doch etwas dabei zu lernen. Man kann zum Beispiel die erhaltenen Informationen künstlich reduzieren. Wenn Sie an Veränderungen im Gesicht die Unterschiede allzu leicht feststellen können, nehmen Sie ein Schreibheft oder ähnliches und decken damit das Gesicht Ihres Partners zu. Dann schauen Sie, ob Sie dieselben Unterschiede auch feststellen können, wenn Sie nur auf seinen Brustkorb oder seine Hände oder einen anderen Teil des Körpers schauen. Eine andere Modifikation wäre, daß Sie nach neutralen Gegenständen fragen können. »Denken Sie an einen Sessel bei Ihnen zu Hause.« »Und jetzt denken Sie an einen Sessel in Ihrem Büro.« Das macht die Aufgabe wieder zu einer Herausforderung. Sie haben auch die Möglichkeit, sich jemanden zu suchen, der allgemein weniger expressiv ist. Seine Reaktionen werden weniger offensichtlich sein. Auf der anderen Seite können Sie es sich auch etwas leichter machen, wenn Sie keinen Unterschied bei Ihrem Partner festgestellt haben, als er an die zwei verschiedenen Leute dachte. Fordern Sie ihn auf, an die abstoßendste, widerlichste Person zu denken, die er je in seinem Leben getroffen hat. Es geht besser, wenn Sie das in einem entsprechenden Ton sagen. Und dann fordern Sie ihn auf, an den Menschen zu denken, den er von allen auf der ganzen Welt am liebsten hat. Das läßt die Unterschiede zwischen seinen Reaktionen deutlich werden und erleichtert Ihnen die Unterscheidung. Sie können aber auch jemanden suchen, der expressiver ist als Ihr voriger Partner. Der Punkt, auf den es ankommt, ist, daß Sie dafür sorgen, daß die Aufgabe gerade so schwierig ist, daß sie von Ihnen ein bißchen mehr verlangt als das, was Sie sowieso schon können. Wenn Sie das tun, werden Sie am meisten lernen und Ihre Sensibilität am schnellsten weiterentwickeln.
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Übung 8
Übung 9 Als nächstes sollen Sie mit einer Einstimmungsübung die nonverbalen Signale kennenlernen, die Zustimmung oder Ablehnung anzeigen. Bilden Sie wieder Paare und stellen Sie dem anderen wie im Gespräch alltägliche Fragen: »Sie heißen Bob? « »Sind Sie in Kalifornien geboren?« »Sind Sie verheiratet?« »Haben Sie ein Auto?« Stellen Sie eindeutig Ja/Nein-Fragen und achten Sie, während er verbal antwortet, auf seine nonverbalen Reaktionen. Was eine nonverbale Ja-Reaktion ist, lernt man vor allem anhand des Unterschiedes zwischen nonverbalen Reaktionen bei Ja und bei Nein. Manche Leute spannen spontan und unbewußt ihre Kiefernmuskeln an, wenn sie Nein meinen und entspannen sie, wenn sie Ja meinen. Manche werden bei Ja etwas rötlicher im Gesicht und bei Nein blasser. Andere schieben ihren Kopf bei Ja leicht nach vorn und bei Nein nach hinten. Man kann also im Zusammenhang mit Einverständnis oder Ablehnung eine Fülle individueller Reaktionen beobachten. Wenn Sie Ja und Nein nonverbal unterscheiden können, bitten Sie Ihren Partner, nicht mehr auf Ihre Fragen zu antworten. Dann beobachten Sie nach jeder Frage die nonverbale Reaktion und sagen ihm, ob die Antwort ja oder nein ist. Wenn Sie viermal hintereinander richtig geraten haben, tauschen Sie die Rollen.
Sie besser nicht weiter eingehen oder auf welche Einwände Sie eingehen müssen, damit der Verkauf zustande kommt. Oder wenn Sie einem Vorstandsgremium aus leitenden Direktoren ein Konzept unterbreiten, kann Ihnen Ihre feine Wahrnehmung der nonverbalen Ja- und Nein-Reaktionen helfen, genau zu beurteilen, wann Sie die Abstimmung über Ihr Konzept herbeiführen sollten. Sie sagen: »Nun, ich weiß nicht, ob dieser Vorschlag in Ihren Augen ein für unsere Organisation sinnvolles Vorhaben ist.« Dann machen Sie eine Pause und beobachten genau, ob die Mehrheit der Mitglieder Ihnen eine Ja-Reaktion signalisiert. Wenn das der Fall ist, lassen Sie sofort abstimmen, wenn nicht, lassen Sie die Diskussion über Ihr Konzept weiterführen, bis Sie die Möglichkeit sehen, mit allen einen gemeinsamen Standpunkt zu finden. Übung 10
Manche von Ihnen erkennen vielleicht in dem, was wir eben gemacht haben, eine Konversations-Variante dessen, was wir in diesem Workshop schon einmal gemacht haben, als Sie die Ja/NeinSignale in Trance aufgebaut haben. Was Sie während eines Gespräches tun können, können Sie auch bei Vorstandssitzungen und in vielen anderen Situationen tun, wo es nicht gerade angebracht wäre, eine regelrechte Trance einzuleiten, wo Sie aber trotzdem von den anderen ein Feedback haben wollen. Wenn Sie Geschäftsmann sind und sich auf Ja- und Nein-Reaktionen eingestellt haben, dann können Sie sofort erkennen, ob der potentielle Käufer dem, was Sie sagen, zustimmt oder nicht, auch wenn er nichts sagt. Das heißt, Sie wissen, welche Gesichtspunkte Sie beim Verkaufsgespräch betonen müssen und auf welchen Sie weiter aufbauen können. Außerdem wissen Sie, auf welche Punkte
Ich möchte Ihnen noch eine weitere Übung zur Feinwahrnehmung anbieten, die Sie heute abend durchführen sollen. Führen Sie ein ganz normales Gespräch mit jemand, der nicht zu unserem Seminar gehört. Sagen Sie etwas über ihn, wovon Sie wissen, daß es nicht stimmt, und achten Sie darauf, wie er reagiert. Etwas später sagen Sie dann etwas, wovon Sie wissen, daß es auf jeden Fall stimmt. Es ist gleich, wie banal das ist, was Sie sagen. Achten Sie einfach nur darauf, wie er reagiert und ob sich diese Reaktion von der vorigen unterscheidet. Wechseln Sie drei- oder viermal zwischen beiden hin und her, bis Sie den Unterschied zwischen seinen Reaktionen auf zutreffende und auf unzutreffende Aussagen genau erkennen. Ich empfehle Ihnen, bei dem, was Sie sagen, keine herabsetzenden Äußerungen zu tun. Sagen Sie etwas Schmeichelhaftes, von dem Sie wissen, daß er meint, es stimme nicht. Auf diese Weise wird er nicht wütend auf Sie, und Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. So können Sie also Erfahrungen mit der Feinwahrnehmung sammeln. Der andere braucht niemals zu erfahren, was Sie gerade tun, und Sie brauchen mit diesen Informationen nie irgend etwas anzufangen. Schauen Sie einfach nur, ob Sie einen Unterschied erkennen können. Je mehr Sie daran arbeiten, Ihre Sinneswahrnehmungen (sensory experience) zu verfeinern, desto mehr werden Sie nonverbale
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Ich möchte jetzt bitten, daß die Hälfte der Leute den Raum verläßt und eine Kaffeepause macht. Bleiben Sie aber in der Nähe, denn in ein paar Minuten werden die Leute, die hierbleiben, Sie holen, weil sie etwas mit Ihnen vorhaben... Für diejenigen, die hiergeblieben sind: Ich werde Ihnen jetzt beibringen, wie man »Hellseher« wird. Sie werden alle ein bißchen in die Kristallkugel blicken oder, wenn Sie das lieber machen, aus der Hand lesen. Der springende Punkt bei dieser Übung ist: Es ist eine exzellente Gelegenheit, die Fähigkeit, minimale nonverbale Hinweise zu erkennen, weiterzuentwickeln. Diese Fähigkeit ist das Wichtigste, wenn man Hypnose macht, und man muß systematisch vorgehen, um sie zu entwickeln. In wenigen Augenblicken werden Sie sich einen von den Teilnehmern, die jetzt eine Pause machen, aussuchen und mit ihm in eine Kristallkugel schauen oder ihm aus der Hand lesen. Sie werden genau dieselbe Art der subtilen visuellen oder taktilen Rückmeldung benutzen wie vorhin bei den letzten Übungen zur Feinwahrnehmung. Sie werden dem anderen mit Hilfe Ihrer neuentdeckten »übersinnlichen« Fähigkeiten etwas über seine Lebensgeschichte erzählen - von der Sie in Wirklichkeit keine Ahnung haben. Sie werden selbst genauso überrascht sein wie er. Wählen Sie jemanden als Partner, den Sie noch nicht kennen, damit Sie nicht mit Geschichten und unbewußten Informationen von früher vorbelastet sind. Ich möchte, daß Sie zu Ihrer eigenen Befriedigung feststellen können, daß Sie es ohne jede Vorinformation können. Ihr Unbewußtes weiß, daß Sie das können, aber Ihr Bewußtsein muß erst einmal davon überzeugt werden. Wenn Sie Ihren Partner gefunden haben, dann stellen Sie zunächst beiläufig ein paar Fragen, um miteinander bekannt zu werden. Diese Zeit nutzen Sie, um sich auf die Ja- und Nein-Reaktionen einzustellen: Zustimmung oder Ablehnung? Sobald Sie das erledigt haben, können Sie anfangen, in die Kristallkugel zu schauen. Wenn Sie echt, aus eigener Überzeugung einfach damit anfangen können, prima. Wenn es Ihnen zu abwegig
erscheint, können Sie sagen: »Ich finde, das ist eine ziemlich lächerliche Übung, aber John und Richard haben gesagt, wir sollen es machen. Bis jetzt hat es mir meistens etwas gebracht, wenn ich mich an ihre Anweisungen gehalten habe, also will ich es wenigstens probieren. Wären Sie bereit, mitzumachen?« Dann sagen Sie: »Also, ich werde jetzt etwas aus der Kristallkugel herauslesen und Ihnen dann ein paar wichtige Dinge aus Ihrer Vergangenheit erzählen.« Während Sie das sagen, legen Sie Ihre Hände zu einer Art Kugel zusammen und starren hinein, als ob etwas darin sei. Auch Ihr Partner wird wahrscheinlich auf Ihre Hände schauen. Wie bei jeder Übung müssen Sie als erstes den Rapport herstellen. Das geht ausgezeichnet, indem Sie die nicht vorhandene Kristallkugel leicht auf und ab bewegen - im Atemrhythmus Ihres Partners. Bis hierher haben Sie mit der Kristallkugel bereits zwei Dinge getan: den Rapport hergestellt, indem Sie mit dem Atem mitgegangen sind, und die bewußte Aufmerksamkeit ihres Partners auf etwas fixiert, was gar nicht da ist. Das ist immer ein gutes Zeichen dafür, daß jemand seinen Bewußtseinszustand verändert hat. Dann beginnen Sie etwa folgendermaßen: »Wenn ich in diese Kristallkugel schaue... sehe ich Nebel umherwallen... und wie sie so umherschweben... scheint mir, daß eine Gestalt erscheint . . . eine sehr wichtige Gestalt... aus Ihrer Vergangenheit.« Dann machen Sie eine Pause, damit die Aufmerksamkeit Ihres Partners sich ganz auf die Kristallkugel konzentriert und er Zeit genug hat, die »sehr wichtige Gestalt aus der Vergangenheit« zu identifizieren. Bis hierher ist das, was Sie machen, eine reine Prozeßinstruktion; Sie geben keinerlei Inhalt an. Dann sagen Sie: »Es scheint ein Mann zu sein...« und warten, bis Sie bei Ihrem Partner Anzeichen von Zustimmung oder Ablehnung erkennen. Wenn Sie nur die leisesten Anzeichen für ein Nein entdecken - daß Ihr Partner nämlich bewußt oder unbewußt bereits eine Frau ausgesucht hat, dann sagen Sie: »Nein - es ist eine Frau, die Nebel verschwinden jetzt langsam!« Viele Leute werden sogar leicht den Kopf schütteln und Ihnen sehr deutlich zeigen, ob Sie Ihr Erleben richtig erfassen oder nicht. Sie brauchen Ihrem Partner nur Zeit zu lassen, eine Person oder ein Erlebnis aus seiner Vergangenheit zu bestimmen, dann
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Mitteilungen anderer Menschen wahrnehmen: und das kann Ihre Kommunikation weitreichend verändern. Die Kristallkugel-Übung
machen Sie darüber irgendwelche Aussagen und beobachten die Reaktionen, um herauszufinden, ob sie richtig oder falsch liegen. Wenn es falsch war, lassen Sie ganz glaubwürdig das Bild in der Kugel sich verändern, als ob Sie nun erst richtig erkennen können, was wirklich zu sehen ist. Wenn ich bei einem Spiel unter einer von zwei Muscheln eine Erbse verstecke, wieviele Fragen brauchen Sie dann, um herauszufinden, wo die Erbse ist? Teilnehmerin: Eine. Natürlich. Sie fragen: »Ist es diese?« Wenn die Antwort ja lautet, wissen Sie, daß Sie richtig geraten haben, wenn nein, wissen Sie, daß Sie unter der anderen Muschel sein muß. Wenn ich vier Muscheln und eine Erbse habe, wie oft muß man dann fragen, um die Antwort zu wissen? Teilnehmer: Zweimal. Richtig, Sie brauchen nur zwei Fragen, weil man das Problem in zwei Lösungsschritte teilen kann. »Ist sie unter diesen zwei?« Wenn Sie darauf die Antwort haben, ist die zweite Frage: »Unter welcher der beiden verbliebenen Muscheln ist die Erbse?« Wenn es acht Muscheln sind, brauchen Sie drei Fragen und so weiter. Diese Fragestrategie ist bei dem, was wir jetzt vorhaben, sehr effektiv. Man kann die ganze Welt in sich ausschließende binäre Klassen aufteilen. »Es ist ein Mann/eine" Frau.« - »Er ist drin/ draußen.« - »Er ist älter/jünger als Sie.« - »Er steht Ihnen nahe/ nicht besonders nahe.« - »Er möchte Ihnen nahe sein/Ihnen nicht nahestehen.« Durch unsere Sprache wird es möglich, solche absolut künstlichen Unterscheidungen zu treffen, so daß die Welt in binäre Möglichkeiten zerfällt: es ist immer entweder dies oder das. Teilnehmerin: Sagen Sie dem anderen immer beide Möglichkeiten? Man fängt mit einer der Möglichkeiten an: »Es scheint ein Mann zu sein.« Dann warten Sie die Reaktion ab, um zu erfahren, ob Ihr Partner das annimmt oder zurückweist. Vielleicht hat er auch schon an einen Mann gedacht, in dem Fall deckt sich das, was Sie sagen, mit seinem Erleben. Es kann aber auch sein, daß er bisher noch gar nichts entschieden hat, weder bewußt noch unbewußt. Ihren Vorschlag, daß es ein Mann sei, kann er dann annehmen oder zurückweisen. Oder er hat zunächst an eine Frau gedacht, dann
aber, als Sie sagten, es sei ein Mann, die Frau durch einen Mann ersetzt. Die andere Klasse von Reaktionen sind die, wenn Ihr Partner nicht akzeptieren kann, was Sie sagen. In dem Fall ändern Sie Ihre Aussage einfach. »0 nein, die Nebel weichen jetzt zurück und ich sehe, es ist eine Frau!« Der ganze Witz der Übung ist, daß Sie sich Gelegenheit geben zu erleben, wie Sie die unbewußten nonverbalen Signale eines Menschen benutzen können, um eine Erfahrung aus der Lebensgeschichte dieses Menschen beschreiben zu können, über die Sie eigentlich nicht das Geringste wissen. Er wird das Ganze so wahrnehmen, daß Sie über Informationen verfügen, die Sie nicht auf normale Weise bekommen haben können, und das wirkt dann »übersinnlich«. Sowie Sie sich auf den Partner und seine Reaktionen eingestellt haben, können Sie mit dem sehr allgemeinen Begriff der »wichtigen Gestalt« beginnen. Jeder hat in seinem Leben irgendwelche wichtigen Personen, deshalb eignet sich das Thema gut zum Einsteigen. Dann können Sie die binären Kategorien einsetzen. Was kann man sonst noch für binäre Kategorien nehmen? Teilnehmerin: Groß/klein. Teilnehmer: Glücklich/unglücklich. Natürlich. Das alles sind Pseudo-Begriffe, aber mit denen arbeiten wir ja alle laufend. »Um Sie besorgt/nicht besorgt«, »Es ist Nacht/Tag«; Sie sollten alle eine Liste von mindestens sechs solcher binären Kategorien im Kopf haben, bevor Sie anfangen. Wenn Sie diese binären Kategorien durchgegangen sind, können Sie das Ericksonsche Verfahren der Prozeß-Instruktion anwenden. Man könnte auch das Ganze nur nach Ericksonschem Muster durchführen. Es gibt viele »Hellseher«, die nichts anderes als eben dies tun. Dann würde man etwa sagen: »Und dieses Ereignis in Ihrer Vergangenheit enthält irgendeine Information, irgendeine Einsicht, die Ihnen bisher nicht deutlich w a r . . . denn die Bedeutung, die dieses Ereignis jetzt für Sie hat, kann eine andere sein als d i e . . . die es damals... für Sie h a t t e . . . Und während also Ihr Unbewußtes... auf neue Weise... in der Vergangenheit einen Sinn findet... ist es gleich, ob es Ihrem Bewußtsein erlaubt, diese Einsichten.., mehr oder weniger... zu teilen... Ihr Unbewußtes kann die neuen Einsichten... auf irgendeine Situation anwen-
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d e n . . . auf bedeutsame... und überraschend erfreuliche Weis e . . . innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden.« Oder Sie können, wenn Sie die wichtige Person beschrieben haben, sagen: »Und ich weiß nicht, ob Sie jemals gemerkt haben, daß es eine wichtige Botschaft gibt, die diese Person Ihnen gegenüber nie ausgesprochen hat, Ihnen aber schon immer mitteilen wollte... die könnte Ihnen jetzt etwas nutzen... Und während Sie sie jetzt beobachten und ihr zuhören... können Sie im einzelnen hören, was diese Botschaft besagt...« Wenn Sie diese Ericksonschen Muster benutzen, können Sie sich bei dem, was Sie sagen, durch dasselbe Ja/Nein-FeedbackSystem leiten lassen wie sonst. Aber achten Sie darauf, daß Sie nichts Inhaltliches sagen. Wenn jemand mit Ihnen so etwas erlebt hat, muß er die Kommunikation sehr detailliert reflektieren können, um sich zu erinnern, was Sie tatsächlich gesagt haben. Sein inneres Erleben, das er in die Kristallkugel projiziert hat, wird so intensiv und so mit Einzelheiten ausgefüllt sein, daß er wohl irrtümlicherweise davon ausgeht, daß Sie das gesamte Erleben, das eigentlich er aus sich selbst heraus geschaffen hat, so genau hergestellt haben. Sie haben nur irgendeine passende Variable genannt, und er hat dann die Einzelheiten ausgemalt. Wenn Sie fertig sind, wird er normalerweise - es sei denn, Sie haben wirklich jemand ganz Schlaues vor sich - sagen: »Wie konnten Sie nur all diese Dinge wissen?« Und natürlich lautet die Antwort, daß Sie es gar nicht gewußt haben. Teilnehmerin: Bekommt man die ganze Zeit keinerlei verbales Feedback? Nein. Sie sollen ja bei dieser Übung lernen, sich darauf zu verlassen, daß Sie nonverbale Signale erkennen und als Leitfaden für das benutzen können, was Sie dann sagen. Wenn Sie den Ansatz mit den binären Begriffen wählen, werden Sie immer mehr Einzelheiten erfahren, indem Sie mit Hilfe der Ja/Nein-Signale den binären Verästelungen folgen. Wenn Sie den Ericksonschen Ansatz wählen, werden Sie ganz allgemein bleiben, aber doch das nonverbale Feedback benutzen, um zu beurteilen, ob Ihr Partner mitgeht oder nicht. Wenn Sie im Verlauf der Übung besonders starke unwillkürliche Reaktionen bemerken, dann wissen Sie ja, wie man in diesem Bereich Nominalisierungen hervorheben kann. Sie wissen zwar immer noch nicht, was er gerade erlebt, aber solange Sie den
Rapport haben, wird die Person voll und ganz imstande sein, eine Fülle von Einzelheiten selbst einzusetzen und eine sehr bedeutsame Erfahrung daraus zu gewinnen. Der Blick in die Kristallkugel soll Sie in der Fähigkeit schulen, visuelle Unterscheidungen zu treffen. Wenn Sie lieber Ihren Tastsinn schulen wollen, üben Sie statt dessen das Aus-der-Hand-lesen. Sie halten dabei die Hand Ihres Partners und lernen, wenn Sie Ihre Feinwahrnehmung ausbilden, den Unterschied zwischen den Ja- und den Nein-Antworten Ihres Partners zu fühlen. Ann: Ich mache mit meinen Klienten auch hellseherische Sitzungen und bekomme Informationen durch übersinnliche Wahrnehmung. Wollen Sie behaupten, daß Hellsehen wirklich nur aus normalen Sinneswahrnehmungen besteht? Ich habe nichts gegen die Vorstellungen von übersinnlicher Wahrnehmung und anderen spiritistischen Phänomenen. Zur Zeit hat das Wort »übersinnlich« in der Psychologie dieselbe Bedeutung wie das Wort »lebensfähig« in der Medizin. Es ist ein Begriff für Dinge, die irgendwie eine große Wirkungskraft besitzen, von denen wir aber bis jetzt noch nicht wissen, was es ist und wie es funktioniert. Einige Hellseher führen ihre Sitzungen aber ganz sicher auf die Weise durch, wie ich es Ihnen eben hier beschrieben habe. Ich hoffe sehr, daß es unter uns Menschen noch Hunderte von anderen informationsleitenden Kanälen gibt, die außerhalb der sinnlichen Wahrnehmung funktionieren und von denen wir bisher noch keine Ahnung haben. Aber ich weiß auch, daß ich heute Dinge hören, sehen und ertasten kann, von denen ich noch vor wenigen Jahren geglaubt habe, daß sie in den Bereich des Übersinnlichen gehören. Ich wäre sehr glücklich, wenn ich solche zusätzlichen Möglichkeiten entdecken könnte. Ob es solche zusätzlichen Kanäle geben kann, erforsche ich beispielsweise so, daß ich zunächst meine fünf Sinne soweit differenziere, wie es irgend geht, und mir dann Leute als Modell suche, die »übersinnlich« kommunizieren können. Ich glaube, wenn ich auf diese Weise maximale Informationen bekomme, kann ich über die normalen Wahrnehmungskanäle hinaus dann auch genauso andere Informationen aufnehmen, und das wären für mich deutliche Hinweise darauf, daß es vielleicht auch andere Kommunikationskanäle gibt.
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Und nun holen Sie sich jemand von draußen und probieren diese Übung, um zu sehen, wie präzise Sie mit ausschließlich nonverbalem Feedback arbeiten können. Es soll ungefähr zehn Minuten dauern. Wie ist es gelaufen? Teilnehmerin: Ich habe schon am Anfang einen Fehler gemacht. Mein Partner war gleich voll drin und neigte seinen Kopf zur Kristallkugel hinab. Ich sagte, die Person sei eine Frau - da warf er seinen Kopf hoch und sagte: »Ich sehe aber einen Mann.« Und wie haben Sie dann reagiert? Teilnehmerin: Ich sagte: »0 ja, jetzt sehe ich, das ist wirklich ein Mann.« Gut. Wenn Sie so etwas als Fehler anstatt als »Ergebnis« oder »Reaktion« bezeichnen - das ist eigentlich eine unnötige Verurteilung, die Ihr Bewußtsein da vornimmt. Wenn es für Sie sinnvoll ist, bei der Arbeit hier sehr hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen, um sich zu motivieren und soviel wie möglich zu lernen, respektiere ich das. Aber denken Sie bitte daran, daß das, was Sie als »Fehler« ansehen, für den anderen vielleicht überhaupt nicht als solcher erkennbar ist. Sie wissen, welche Schritte Sie geplant haben. Ob Sie aber diesen Plan aus irgendeinem Grund nicht ausführen, fällt den anderen Leuten vielleicht gar nicht auf. Ich empfehle Ihnen, einfach im Laufe der Sitzung alles aufzugreifen, was Ihnen der andere an zusätzlichen Informationen gibt: »Natürlich ein Mann. Und schauen Sie einmal genau, welchen Gesichtsausdruck er hat.« Teilnehmerin: Der Partner will Sie vielleicht testen und prüfen: »Ist dieser Mensch flexibel genug, und kann er mich das tun lassen, was ich tun möchte?« Das gibt einem die Möglichkeit, einen Rapport aufzubauen. Genau. Erickson hat viel über ganz individuelle Bedürfnisse gesagt, die manche Leute haben, wenn sie in einen anderen Bewußtseinszustand übergehen. Möglicherweise antwortet jemand, egal, was Sie sagen, sowie Sie nur den Mund aufmachen, mit einer genau widersprechenden Reaktion. Aber was auch immer die Reaktion ist, Sie können sie benutzen, um dahin zu kommen, wo Sie hinwollen. Ann: Für mich war die Übung sehr schwierig; als ich überlegt
hatte und dann anfing, kam ich wieder in den Zustand, in den ich mich versetze, wenn ich übersinnliche Informationen aufnehme. Richtig, ich habe mir schon gedacht, daß das passiert. Ann: Wenn ich meinem Gegenüber sage, daß ich jetzt in die Kristallkugel schaue, versetzt mich allein das schon in den entsprechenden Zustand. Wenn ich übersinnliche Wahrnehmungen habe, dann schließe ich meine Augen und konzentriere mich auf die inneren Bilder, die in mir aufsteigen. Deshalb habe ich vorhin meine Augen offengehalten, damit es anders läuft; aber selbst mit offenen Augen war es schwierig, bei den binären Kategorien zu bleiben und nicht in den Zustand zu verfallen, in dem ich sonst meine Informationen bekomme. Richtig. Ich möchte noch einiges dazu sagen. Sie haben die Fähigkeit, sich in einen bestimmten Zustand zu versetzen, in dem Sie entweder Zugang zu mir bisher unbekannten Kommunikationsebenen haben, oder Sie haben in diesem Zustand eine so feine Sensibilität für minimale Hinweise, daß Sie die binäre Methode gar nicht brauchen. Welches von beiden der Fall ist, ist im Moment gleich. Auf jeden Fall haben Sie bereits eine recht differenzierte Strategie, mit der Sie dieselben Informationen bekommen können wie mit der binären Schritt-für-Schritt-Methode. Die Frage ist nun: Ist es für Sie sinnvoll, unabhängig von dem speziellen Zustand, den Sie spontan so erfolgreich zu nutzen gelernt haben, Ihr Repertoire durch eine zusätzliche Strategie zu erweitern? Falls Sie das wollen, dann sollten Sie bei sich selbst ein inneres Reframing durchführen, und zwar immer vor der Kristallkugel, dem Handlesen und ähnlichem, bei dem Sie die selbstentwickelten Fähigkeiten einsetzen. Mit dem Reframing können Sie sicherstellen, daß Ihr spezieller Bewußtseinszustand mit allen dazugehörigen Fähigkeiten von dem getrennt bleibt, was Sie hier an neuen Möglichkeiten lernen, wie man Informationen aufnimmt. Wenn Sie das tun, wird die Störung, daß Sie immer wieder in diesen Zustand abgleiten, nicht mehr auftreten. Vielleicht stellt sich heraus, daß Ihre Art von Verstehen in beiden Zuständen durchaus dieselbe ist. Ich weiß es nicht. Meines Erachtens geht es darum, diese besondere Fähigkeit, die Sie bereits entwickelt haben, zu schützen und Ihrem Repertoire eine neue Methode, denselben Gegenstand anzugehen, hinzuzufügen; und dabei ist es sinnvoll, das eine vom anderen getrennt zu halten.
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Investieren Sie einmal etwas Zeit und Energie, um das, was Sie eigentlich schon können, auch auf andere Weise tun zu lernen. Dann können Sie zwischen zwei Vorgehensweisen auswählen und haben bei Ihrer Arbeit zusätzliche Freiheiten und Alternativen.
8 Selbsthypnose Heute nachmittag möchten wir Ihnen erst zwei Methoden der Selbstinduktion und dann eine sehr elegante Methode zur therapeutischen Nutzung der Selbsthypnose vorstellen. Diese Methoden können sowohl für Sie persönlich wie auch für die Arbeit mit Klienten fruchtbar sein. Wenn Sie Ihren Klienten die Selbsthypnose beibringen, können sich diese in Ihrer Praxis selbst in den veränderten Bewußtseinszustand versetzen. Sie brauchen dann diese Trance nur noch therapeutisch zu nutzen. Sie können Ihre Patienten zu Hause üben lassen, wie man seinen Bewußtseinszustand verändert, und wenn sie dann wiederkommen, lassen Sie sie in Trance fallen, indem Sie sich einfach in allen Einzelheiten erzählen lassen, wie es zu Hause mit der Trance gelaufen ist. Sie sagen: »Nun erzählen Sie mal, welche von den Methoden, die Sie ausprobiert haben, hat Sie am tiefsten in Trance versetzt?« Und dann antwortet der Klient: »Also, die eine ging ziemlich g u t . . . « und wird, indem er beschreibt, was passiert ist, langsam wieder in Trance fallen. Im Grunde genommen ist das wieder das »Aufgreifen eines früheren Trancezustandes«. Die erste Selbst-Induktionsmethode, die ich vorstellen will, stammt von Ericksons Ehefrau Betty. Sie hat ausgesprochen differenzierte Möglichkeiten entwickelt, sich selbst in die verschiedensten Bewußtseinszustände zu versetzen, und sie kann sehr schnell von einem Bewußtseinszustand zum anderen übergehen. Ihre Technik geht davon aus, daß es bestimmte Wahrnehmungssysteme gibt. Erickson war übrigens außer uns beiden der einzige Mensch, der ein explizites Verständnis von diesen Wahrnehmungssystemen hatte. Er wußte, daß es hauptsächlich drei wesentliche gibt, und daß es Prädikate gibt, mit denen man sie identifizieren kann. Betty Erickson benutzt in dieser Induktionsmethode also die menschlichen Wahrnehmungssysteme. Man setzt sich möglichst entspannt auf irgendeinen bequemen Platz und sucht sich etwas aus, was von da aus leicht anzuschauen ist. Ich würde mir wahrscheinlich etwas aussuchen, worin das Licht sich reflektiert, zum Beispiel so ein Stück geschliffenes Glas, wie sie am Kronleuchter hängen. Ich fixiere es mit meinem Bück und sage mir selbst drei
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Sätze über mein visuelles Erleben: »Ich sehe, wie das Licht auf dem geschliffenen Glas glitzert; ich sehe, wie jemand seinen bloßen Arm bewegt; ich sehe, daß gerade jemand zum Kronleuchter hinaufblickt.« Dann wechsele ich zum Auditiven über und mache drei Aussagen über diesen Teil meines Erlebens. »Ich höre Geräusche des Ventilators. Ich höre, wie Papier raschelt, wenn die Leute sich Notizen machen. Ich höre, wie sich jemand räuspert.« Und dann kommen drei Aussagen über mein kinästhetisches Erleben: »Ich kann spüren, wie meine Fußsohlen einen guten Kontakt zu dem Podest unter mir haben; ich spüre das Gewicht meiner Jacke, wie sie auf meinen Schultern hegt. Ich spüre, während ich hier stehe, die Wärme meiner ineinander verschränkten Finger.« Ich habe also jeweils drei Aussagen zu meiner gegenwärtigen visuellen, auditiven und kinästhetischen Wahrnehmung gemacht. Dann behalte ich diese Position und dieselbe Blickrichtung bei, gehe alle drei Wahrnehmungskanäle noch einmal durch und mache diesmal zu jedem nur zwei Aussagen. Ich suche also je zwei zusätzliche visuelle, auditive, kinästhetische Aussagen. Dann gehe ich die drei Systeme noch einmal durch und sage dieses Mal immer nur eine Aussage. Normalerweise werden Ihre Augen, besonders wenn Sie Anfänger sind, ungefähr dann, wenn Sie die Runde mit den jeweils zwei Aussagen halb fertig haben, schläfrig werden, und dann kommen Tunnelvisionen. Lassen Sie Ihre Augen ruhig zufallen, und ersetzen Sie die äußeren visuellen Wahrnehmungen durch innere. Bei der auditiven und kinästhetischen Wahrnehmung können Sie sich weiter auf Außenreize beziehen. Teilnehmer: Sagen Sie die Sätze, wenn Sie das für sich selbst machen, laut vor sich hin? Das ist egal. Machen Sie es so, wie es bei Ihnen am leichtesten geht. Viele von Ihnen werden feststellen, daß Sie sich nach einem halben Dutzend Mal oder so nur noch zu sagen brauchen: »Also ich denke, ich werde mal diese Induktion machen«, und schon sind Sie mittendrin! Ich brauche nur zu dem Kronleuchter dort hinüberzusehen und bekomme schon Tunnelvisionen, und das ist ein deutliches Zeichen dafür, daß ich in eine echte Trance verfalle. Teilnehmerin: Muß man diese Reihenfolge einhalten: visuell, auditiv, kinästhetisch? Nein. Wenn Sie zufällig wissen, in welcher Reihenfolge es bei
Ihnen am besten geht, dann nehmen Sie die, damit tun Sie sich selbst einen Gefallen. Wenn Sie eher dazu neigen, in der Reihenfolge »visuell, kinästhetisch, auditiv« vorzugehen, dann machen Sie es eben so, es ist dann für Sie nämlich wirkungsvoller; aber auch in der anderen Reihenfolge wird es funktionieren. Teilnehmerin: Sie benutzen nicht jedesmal dieselbe Reihenfolge, wenn Sie die verschiedenen Ebenen durchgehen, oder? Nehmen Sie jedesmal eine andere, je nachdem, was Sie in dem Moment gerade erleben. Denken Sie daran, daß Sie ja eine Biofeedback-Schleife herstellen. Das bedeutet, daß Sie sprachlich genau die Wahrnehmungen repräsentieren, die Sie gerade visuell, auditiv und kinästhetisch haben. Diese spezielle Rückkoppelung ist einer der Grundpfeiler guter hypnotischer oder anderer Arbeit mit verändertem Bewußtsein. Ganz ähnlich war die 5-4-3-2-1Übung, die wir schon gemacht haben; das also ist die erste Phase der Betty-Erickson-Technik. In der nächsten Phase versuche ich zu spüren, welche Hand und welcher Arm sich leichter anfühlt. Dann suggeriere ich mir, daß die Hand, die sich leichter anfühlt, sich mit ganz leichten, unbewußten Bewegungen nach oben heben und zu meinem Gesicht hingezogen fühlen wird, so daß ich, wenn sie mein Gesicht berührt, in eine tiefe Trance fallen werde. Die zweite Methode für die Selbsthypnose ist ganz ähnlich wie die erste, aber man benutzt dabei statt der Außenreize innere Wahrnehmungen. Sie setzen oder legen sich irgendwo bequem hin und machen sich eine innere Vorstellung davon, wie Sie sich wohl sehen würden, wenn Sie einen Meter vor sich selbst stehen und sich ansehen würden. Wenn es Ihnen irgendwelche Probleme macht, sich das so vorzustellen, dann kennen Sie schon eine Methode, die Ihnen dabei helfen kann: das Verschränken der Wahrnehmungsebenen. Fangen Sie mit der kinästhetischen Wahrnehmung Ihres Atems an, oder mit dem Geräusch Ihres Atems, und dann leiten Sie dazu über zu sehen, wie sich Ihr Brustkorb im Atemrhythmus hebt und senkt. Dieses Bild von der eigenen Person entwickeln und stabilisieren Sie dann weiter, bis Sie zusätzliche Einzelheiten erkennen können. Vielleicht können Sie dann wirklich sehen, wie sich Ihr Brustkorb hebt und senkt, entsprechend den kinästhetischen Empfindungen Ihres Brustkorbes im Atemrhythmus.
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Während Sie weiter dieses Bild von sich selbst anschauen, richten Sie dann Ihre Aufmerksamkeit auf die äußerste Spitze Ihres Kopfes und empfinden kinästhetisch, wie die Temperatur dort ist, welche Feuchtigkeit, Anspannung, Druckempfindung Sie spüren und so weiter - jede mögliche Unterscheidung, die Sie kinästhetisch treffen können. Und dann arbeiten Sie sich langsam durch Ihren ganzen Körper hindurch und spüren jeden Teil Ihres Körpers ganz genau. Während Sie das visuelle Bild von sich selbst äußerlich betrachten, spüren Sie kinästhetisch, was innerhalb Ihres Körpers vor sich geht. Als nächstes nehmen Sie dann die auditive Wahrnehmung dazu. Während Sie Ihren Körper betrachten und kinästhetisch fühlen, beschreiben Sie sich innerlich, was Sie erleben. »Ich fühle eine Spannung in meiner rechten Augenbraue, und während ich sie fühle, fängt sie an, nachzulassen.« Alle drei Systeme repräsentieren dann die gleiche Information: Sie sehen, fühlen und hören, was Sie im Moment gerade erleben. Wenn Sie auf diese Weise Ihren ganzen Körper durchgegangen sind, können Sie am Ende das hinzufügen, was ich Ihnen schon bei der anderen Methode genannt habe: Wenn Sie fühlen, welcher Arm und welche Hand leichter werden, sehen Sie in Ihrer Vorstellung, wie der Arm und die Hand beginnen, sich zu heben und sich zu Ihrem Gesicht hingezogen fühlen. Dann beschreiben Sie es auditiv: »Meine linke Hand beginnt, sich mit unwillkürlichen Bewegungen zu heben.« Selbst wenn Sie gar nicht wissen, was unwillkürliche, unbewußte Bewegungen sind, Ihr Unbewußtes weiß das sehr wohl; das können Sie ruhig ihm überlassen. »Meine Hand wird immer leichter und fühlt sich bald zu meinem Gesicht hingezogen. Und wenn sie das Gesicht berührt, falle ich in eine gute, tiefe Trance.« Sie können das alles entweder nur im Kopf zu sich selbst sagen oder es laut aussprechen, wenn das besser geht. Wenn Sie es laut vor sich hinsagen, schließen Sie vorher die Tür, sonst denken die anderen, bei Ihnen stimmt was nicht. Teilnehmer: Ich habe festgestellt, daß es für mich leichter ist, wenn ich mir einen langen Hebel vorstelle, der meine Hand hinaufzieht. Oder Sie können auch einen mit Gas gefüllten Luftballon nehmen. Sie können sich alles mögliche dazu denken. Was immer Sie in Ihre Gefühle, Vorstellungen und Worte einbauen können, sollten
Sie, wenn es Ihnen bei diesen einzelnen Schritten hilft, auch benutzen. Ich vermittle Ihnen hier nur die Grundzüge, und es gibt viele Möglichkeiten, das kunstvoll und individuell auszubauen. Teilnehmer: Wenn ich mich also mit Hilfe meiner inneren Vorstellung von außen betrachte und spüre, daß meine linke Hand leichter ist als die rechte, muß ich mir das dann spiegelbildlich vorstellen oder anders herum? Probieren Sie beides aus, und dann achten Sie darauf, was für Sie am effektivsten ist. Teilnehmer: Welchen Zweck hat es, daß die Hand das Gesicht berühren soll? Diese Anweisung ist eigentlich willkürlich gewählt. Die meisten Leute berichten, daß sich bei ihnen Hand und Arm hoben, und als sie dann ihr Gesicht berührten, haben sie eine plötzliche, radikale Veränderung gespürt. Und für die Zeit nach diesem Punkt haben sie eine völlige Amnesie. Bevor Sie mit einer dieser Übungen beginnen, und auch in Zukunft: Jedesmal, wenn Sie sich vornehmen, eine Selbsthypnose oder Meditation zu machen, geben Sie Ihrem Unbewußten eine Instruktion, wie lange es Sie in diesem Zustand belassen soll, und wann es Sie wieder aufwecken soll. Sie können zum Beispiel, bevor Sie so eine Übung beginnen, zu sich selbst sagen: »Ich hätte gern, daß Du, mein Unbewußtes, mich in fünfzehn Minuten wieder ins Wachbewußtsein holst und mir dabei ermöglichst, mich durch diese Erfahrung erfrischt und gut erholt zu fühlen.« Der menschliche Körper ist eine ausgezeichnete Uhr. Wenn Sie einmal die Zeit messen, die jemand braucht, um aus der Trance zurückzukommen, ist es meistens auf die Viertelminute genau die Zeit, die er sich vorgenommen hatte. Das Schlimmste, was Ihnen passieren kann, selbst wenn Sie diese Instruktion vergessen haben, ist, daß Sie in einen tiefen physiologischen Schlaf fallen und erst ein paar Stunden später sehr erfrischt aufwachen. Probieren Sie beide Methoden aus, bis Sie beurteilen können, welche für Sie die beste ist. Bei den ersten sechs Malen versuchen Sie am besten, keine besonderen Änderungen damit zu verknüpfen; entspannen, ausruhen und sich erholen. Warten Sie ab, bis Sie sich voll auf Ihre Fähigkeit, sich zu versenken und wieder aufzutauchen, verlassen können, mit anderen Worten: warten Sie, bis Sie wissen, daß Sie sich selbst in eine tiefe Trance versetzen kön-
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nen und daß, nach einer entsprechenden Weile, Ihr Unbewußtes Sie wieder wecken wird. Wenn Sie diese Methoden üben, werden Sie mehr und mehr darauf vertrauen können, daß Sie den Trancezustand herstellen und wieder verlassen können. Außerdem werden Sie feststellen, daß das Ganze im Ablauf immer flüssiger wird. Sie werden dann, wenn Sie sich hingesetzt haben, gar nicht mehr die ganze Sequenz bewußt durchlaufen, sondern sofort in Trance sein. Von dem Zeitpunkt an wird die Selbsthypnose für Sie zu einem wirklich brauchbaren Werkzeug für die eigene Persönlichkeitsentfaltung. Wenn Sie Selbsthypnose für Ihre eigene Weiterentwicklung benutzen wollen, sollten Sie Ihrem Unbewußten einen voDständigen Satz von Instruktionen geben, bevor Sie sich in Trance versetzen. Zuerst legen Sie fest, welche Dimensionen Ihres Erlebens Sie verändern wollen. Fordern Sie Ihr Unbewußtes auf, mit Geräuschen, bildlichen Vorstellungen und Körperempfindungen all die Gelegenheiten noch einmal erscheinen zu lassen, bei denen Sie besonders kreativ und erfolgreich gehandelt haben. Weiterhin soll Ihr Unbewußtes, wenn es sich diese Übersicht auf allen Ebenen verschafft hat, daraus die Elemente Ihres Verhaltens hervorheben, die entscheidend waren, und diese soll es in Zukunft von ganz allein und spontan häufiger in Ihrem Alltagsleben auftreten lassen, wenn die entsprechenden Situationen gegeben sind. Nehmen wir einmal an, Sie sollen bei der Vorstandssitzung eines Konzerns eine Verkaufspräsentation machen, und Sie möchten dort die allerbeste Präsentation machen, die Sie überhaupt machen können. Bevor Sie in Trance fallen, und zwar an der Stelle, wo Sie festsetzen, wie lange Sie in Trance bleiben wollen, können Sie sich sagen: »Wenn ich dieses Mal in tiefe Trance sinke, hätte ich gerne, daß du, mein Unbewußtes, in Bildern, Geräuschen und Körpergefühlen noch einmal die fünf Male wiedererscheinen läßt, wo ich meine dynamischsten, erfolgreichsten und kreativsten Verkaufspräsentationen gemacht habe.« Oder wenn Sie eine gute Familientherapie machen wollen, soll es Ihnen nochmal die fünf Male zurückrufen, wo Sie bei der Familientherapie am kreativsten gearbeitet haben. Wenn Sie eher allgemeine Persönlichkeitsentwicklungen vorhaben, können Sie etwa sagen: »Erinnere dich an die fünf Situationen in meinem Leben, wo ich mich am einfühlsamsten oder am kreativsten verhalten oder
mich am besten durchgesetzt habe.« Sie fordern also eine erneute Durchsicht Ihrer bisher besten Verwirklichung dessen, was Sie besser machen wollen. Dann fallen Sie in Trance und lassen das einfach innerlich ablaufen. Sie werden, wenn Sie das so machen, entdecken, daß Sie sich wirklich verändern und weiterentwickeln. Sie können auch eine bewußte Repräsentation dessen verlangen, was in Trance bei Ihnen ablief, aber ich rate Ihnen, das nicht zu tun. Meine Empfehlung ist, daß Sie sich einfach angewöhnen, Ihren unbewußten Prozessen zu vertrauen. Sie werden neue Verhaltensmuster an sich selbst entdecken oder alte, die in den entsprechenden Situationen öfter als bisher auftreten. Und dann können Sie anhand Ihres eigenen Verhaltens ein bewußtes Verständnis dafür entwickeln, welche Veränderungen Sie gemacht haben. Es ist viel effektiver, von einer unbewußten Veränderung über das entsprechende Verhalten zu einem auch bewußten Verständnis des Ganzen zu kommen, als mit einer bewußten Einsicht zu beginnen, die Sie dann auf Ihr Verhalten zu übertragen versuchen. Tun Sie sich selbst den Gefallen und nehmen Sie die Reihenfolge, die einfacher geht. Bob: Und wenn man etwas tun möchte, was man bisher noch nie gemacht hat? Wenn Sie nicht wissen, ob Sie mit einem bestimmten Verhalten schon jemals Erfolg hatten, dann benutzen Sie das »Herstellen neuer Verhaltensweisen«, das wir Ihnen heute morgen beigebracht haben. Denken Sie an jemand anderen, der dieses Verhalten ausgezeichnet beherrscht. Suchen Sie sich ein ganz perfektes Modell aus - jemanden, den Sie von Grund auf respektieren und bewundern -, das dieses Verhalten besonders elegant und erfolgreich verwirklichen kann. Und dann verwenden Sie eine Abwandlung derselben Instruktion: Fordern Sie Ihr Unbewußtes auf, all die innerlich gespeicherten Bilder, Geräusche und Gefühle bezüglich dieser Person, wie Sie dieses Verhalten zeigt, einmal gründlich zu sichten. Tun Sie das in drei Phasen: Das erste Mal sehen und hören Sie, was abläuft. Beobachten Sie das Modell bei dem, was Sie von ihm lernen wollen, und hören Sie genau zu. In der zweiten Phase bitten Sie Ihr Unbewußtes, Ihr Bild und Ihre Stimme anstelle der anderen Person einzusetzen. Sie werden also, wenn Sie den Film das zweite Mal laufen lassen, sich selbst sehen, wie Sie das tun, was die andere Person vorher tat. In der dritten Phase
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steigen Sie vollständig in den Film ein und erleben von innen her, wie alles abläuft. Sie fühlen, wie Sie sich nun selbst so verhalten, und sehen und hören auch alles von dieser neuen Position aus. Ich zum Beispiel kann mir Erickson als Modell nehmen. Ich habe viele Stunden lang sein Verhalten beobachtet und ihm zugehört. Bevor ich mich in Trance versetze, gebe ich mir die Instruktion »Suche die Situationen heraus, bei denen er in meiner Gegenwart mit einer Inkongruenz des Klienten umging. Was tut er dabei im einzelnen?« Bei der ersten Runde sehe ich ihn handeln, wie auch immer. Beim zweiten Mal setze ich mich an seine Stelle und sehe und höre, wie ich mich nun genauso verhalte. Und um das Ganze wirklich in mein eigenes Verhalten einzugliedern - da soll es ja hin -, muß ich dann selbst in diesen Film einsteigen und die Muskelkoordinationen und Empfindungen erleben, die ich hätte, wenn ich tatsächlich so handeln würde. Dieser dritte Schritt ist dafür gedacht, die entsprechenden Körperbewegungen und Empfindungen im Körper zu verankern, so daß man, wenn die betreffende Situation eintritt, automatisch in dieser Weise darauf reagiert. Wenn Sie diesen dritten Schritt ausgeführt haben, fordern Sie Ihr Unbewußtes auf, dieses Verhalten in Zukunft häufiger und spontan in den bewußten Situationen auftreten zu lassen. Das funktioniert als Grundregel für die Selbstprogrammierung ausgezeichnet. Teilnehmerin: Geben Sie Ihrem Unbewußten diese Instruktionen, bevor Sie sich in Trance versetzen? Ja. Es ist zu kompliziert, das selbst zu machen, während man in Trance ist. Und ich rate Ihnen, mit kleinen Verhaltenseinheiten anzufangen, etwa »Ich möchte lernen zu lächeln, wenn ich vom anderen eine bestimmte Reaktion erwarte.« Später können Sie dann immer umfangreichere Sequenzen nehmen. Ich habe nun eine Schritt-für-Schritt-Methode vorgestellt, mit der Sie bei sich selbst eine Trance induzieren und diese therapeutisch nutzen können. Wenn Sie diese Instruktionen als recht umständlich empfinden, seien Sie versichert, daß das Ganze, wenn Sie es erst mehrmals geübt haben, viel flüssiger ablaufen wird, so daß es nur noch höchstens sechzig Sekunden dauert, bis Sie Ihren Bewußtseinszustand verändert haben. Sie werden dann auch in der Lage sein, so etwas zwischen zwei Sitzungen oder in einer kurzen Pause zu machen. 288
Diskussion Harry: Können Sie etwas dazu sagen, wie man die zeitliche Wahrnehmung verändern kann? Wie würden Sie Hypnose einsetzen, um das Erleben bestimmter Ereignisse zu verlangsamen oder zu beschleunigen? Das kommt darauf an, ob ich es bei mir selbst oder bei jemand anders mache. Für mich selbst würde ich mein Unbewußtes auffordern, daß es viele Erlebnisse suchen soll, die eine Eigenschaft gemeinsam haben: nämlich, daß sie meine Zeitwahrnehmungen verändern. Sie wissen zum Beispiel, wie es ist, wenn man von einer Autobahn abfährt und sich nach der Ausfahrt in den normal fließenden Stadtverkehr einordnet, dann hat man plötzlich das Gefühl, überhaupt nicht mehr vorwärts zu kommen. Oder wenn Sie gerade irgend etwas besonders Schönes erleben, dann scheint die Zeit nur so zu fliegen, und Stunden werden zu Augenblicken. Das sind Beispiele, wie die zeitliche Wahrnehmung verändert wird. Daran sieht man, daß solche Veränderungen also möglich sind. Ich würde mein Unbewußtes auffordern, jedes nur erdenkliche Beispiel dafür zu finden und mich in diese Ereignisse hineinzuversetzen. Der einzige rote Faden, der sich durch alle diese Erlebnisse zieht, ist die Kontrolle über den Zeitverlauf und die Geschwindigkeit, mit der die Realität abläuft. Während mein Unbewußtes das tut, würde ich es bitten, 'mir eine Art Reglerknopf zu schaffen, damit ich die Dinge schneller laufen lassen oder verlangsamen kann. Ich würde es so einrichten, daß ich nach zwanzig solcher Erlebnisse die Augen öffne, aber immer noch in Trance sein würde, und dann wäre ich in der Lage, den Knopf zur einen Seite zu drehen und den Lauf der Dinge zu verlangsamen, oder zur anderen Seite, so daß alles schneller geht. So würde ich es machen. Ich weiß, daß die Verschiebung der Zeitwahrnehmung in meinem normalen Erleben schon existiert, dort kann ich also ansetzen. Dann kann ich zum Beispiel beim Tennisspielen so eine Zeitverzerrung anwenden: Ich kann die Zeit langsamer laufen lassen, damit ich es leicht habe, richtig zu reagieren, und zwischen den Aufschlägen kann ich das Tempo wieder neu einstellen. Nach jedem Aufschlag würde ich dann zurückgehen und; überprüfen, ob es diesmal zu schnell oder zu langsam war und den Knopf entsprechend regulieren. 289
Harry: Gibt es eine Möglichkeit, auch das Lernen zu beschleunigen, wenn ich zum Beispiel Hypnose lernen will? Ich meine, die Antwort auf diese Frage sollten Sie mir eigentlich selbst geben können. Ich könnte Ihnen ein Beispiel geben, wie das geht, aber ich möchte lieber hören, was Sie darüber wissen, wie man das machen kann. Also, was sind die Parameter, mit denen Sie arbeiten, wenn Sie Ihre Wahrnehmung beschleunigen wollen? Suchen Sie einige Beispiele, wo Sie das schon einmal gemacht haben, und schaffen Sie sich dann irgendeine Kontrollmöglichkeit über diesen Prozeß. Sie wissen, daß Sie schon einiges gelernt haben. Sie wissen, daß Sie das auch integrieren können. Und Sie wissen, daß Sie eine Standardgeschwindigkeit haben. Also, wie können Sie die dann beschleunigen? Harry: Indem ich Situationen suche, in denen ich das normalerweise tun würde. Genau. Aber der Faktor, der es Ihnen wirklich möglich macht, mehr zu lernen, wäre, daß Sie mehr Zeit haben. Alles, was Sie brauchen, sind zwei Monate, die Sie sich irgendwie verschaffen müssen. Reicht das? Mit anderen Worten: Tun Sie das, was wir »scheinbare Zeitverschiebung« genannt haben. Versetzen Sie sich in Trance und projizieren Sie sich in die Zukunft. Sagen Sie sich, anstatt daß es morgen sei, sei es schon zwei Monate später. Und dann durchleben Sie in Trance die ganze Zeit von jetzt bis dann. Schaffen Sie all die notwendigen. Ereignisse, die bewirken, daß es nun zwei Monate später ist. Sie können sämtliche Klienten, die Sie behandelt haben und alles, was Sie sonst getan haben, dazunehmen; Sie können alles, was zwischen jetzt und dann passiert ist, auftauchen lassen. Schaffen Sie sich in allen Einzelheiten die Geschichte, die Sie brauchen, um bereits eine Menge über NLP und Hypnose gelernt zu haben. Immer, wenn Sie irgend etwas in der Art wünschen, brauchen Sie nur zu überlegen, wo es von allein auftreten würde, und damit arbeiten. Hypnose versetzt uns in die Lage, alle möglichen Wirklichkeiten zu schaffen. Wenn Sie wissen, daß etwas, was Sie möchten, in einer bestimmten Realität passiert, dann benutzen Sie eben diese Realität, um das zu erhalten, was Sie möchten. Wenn Sie keine Wirklichkeit kennen, in der das erwünschte Geschehen vorkommt, dann schaffen Sie halt eine neue, in der es möglich ist.
Teilnehmerin: Ist es möglich, daß man eine Überladung mit anderen Realitäten herstellt? Ja. Dafür gibt es den Begriff Psychose. Wenn Sie alternative Realitäten einsetzen, müssen Sie so sorgfältig sein wie ein Rechtsanwalt, der sein Plädoyer formuliert. Sie müssen sicher gehen, daß alles gründlich durchdacht und vollständig aufgebaut ist. Sie müssen außerdem sichergehen, daß sie dem, was Sie als Ziel verfolgen, auch gerecht werden, und wichtig ist auch, daß Sie am Schluß wieder herausfinden. Wenn Sie alternative Realitäten nachlässig aufbauen und in ihnen leben, dann werden Sie entsprechend unvollständig reagieren und zwangsläufig eine wackelige Persönlichkeit werden. Ein bekannter Hypnotiseur hat ein Buch geschrieben, in dem sind Induktionen abgedruckt, die man sich gegenseitig laut vorlesen soll. Diese Induktionen enthalten Programmierungen, die die Leute ernsthaft durcheinanderbringen. Wenn zwei Menschen sich diese Sachen gegenseitig vorlesen, bauen sie dabei Strategien auf, die für ihre gesundheitlichen Funktionen nicht gut sein können. Das ist eine Art von Torheit, die ich Schlamperei nenne. Wenn man die Hypnose anwendet, ist es wichtig, jede Nachlässigkeit zu vermeiden. Wenn Sie eine eigene Realität aufbauen, dann muß es eine sein, die funktioniert, und die ist gründlich und vollständig zu erarbeiten, damit Sie wirklich das bekommen, was Sie brauchen. Man will schließlich nicht irgendeine verrückte Realität aufbauen, denn in dem Fall kann man nie wissen, wie man reagiert. Sie jedenfalls wollen sichergehen, daß Sie etwas aufbauen, das in Ihrem Sinne gut funktioniert. Die meisten hypnotischen Realitäten, die die Menschen sich aufgebaut haben und in denen sie die meiste Zeit leben - sie nennen das ihren Wachzustand - sind nicht gerade sinnvoll. Das meine ich wörtlich. Die Mehrheit der Menschen, die ich überall in der Welt kennengelernt habe, haben sich eine hypnotische Realität aufgebaut, die, wenn man das Gute gegen das Schlechte und alle Freude gegen allen Schmerz abwägt, ihnen nicht besonders gut tut. Ericksons Kriterien für einen Therapieerfolg waren, ob seine Patienten heirateten, Arbeit fanden, Kinder bekamen und ihm Geschenke schickten. Das sind nicht meine Kriterien. Die Leute schicken mir zwar Geschenke, aber ich habe, außer einmal, nie
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etwas bekommen, was ich mir auch gewünscht hätte. Ich will nicht alle Menschen dahingehend ändern, daß sie heiraten und so weiter. Erickson wollte das, denn er meinte, daß diese Dinge das Leben ausmachen. Ich meine, wenn man eine alternative Realität oder auch die eigene Lebenswirklichkeit aufbaut, muß man sehr gründlich und sorgfältig dabei vorgehen. Die Realitätsauffassung zum Beispiel, die sich die humanistische Psychologie aufgebaut hat, ist meiner Meinung nach unglaublich nachlässig und nicht sinnvoll aufgebaut. Diese Art von Schlamperei ist gefährlich. Manchmal werde ich eingeladen, auf irgendeiner Konferenz humanistischer Psychologen einen Vortrag über die Grundlagen meiner Arbeit zu halten, und für mich ist die Atmosphäre dort beängstigender als in einer Anstalt mit Kriminellen. Die Ethik der Verbrecher ist wenigstens irgendwie an ihrem eigenen Überleben orientiert. Die Programme und Realitäten, die sich die Teilnehmer solcher humanistischer Konferenzen gegenseitig eingeben, sind nicht im geringsten ihrem Überleben förderlich. Wenn sie überhaupt irgendeine Wirkung haben, dann eine schädliche. Diese »Realitäten« können Menschen leicht in Gefahrensituationen bringen, so daß ihnen unter Umständen etwas Ernsthaftes zustößt. Vielleicht passiert es nie, aber möglich ist es allemal. Oft reflektieren die Leute überhaupt nicht die Voraussetzungen ihres Tuns, und damit steht die humanistische Psychologie nicht allein, das tun alle. Teilnehmerin: Was für Realitäten sind das, die humanistische Psychologen schaffen und die destruktiv sein sollen? Zum Beispiel: »Wenn man ein guter Mensch sein will, dann kommuniziert man auf der Meta-Ebene.« Sie kommen also auf mich zu und sagen: »Ich bin ziemlich sauer darüber, wie du mich gestern abend angegangen bist.« Ich antworte dann: »Nun, ich finde es richtig gut, daß du deinen Ärger mir gegenüber so offen ausdrücken kannst.« Solche Reaktionsweisen stammen meistens aus der Werkstatt der humanistischen Psychologie. Diese Reaktion ist alles andere als sinnvoll. Das hilft keinem der Beteiligten. Das einzig mögliche Ergebnis ist, daß jemand, der häufiger so reagiert, sich schließlich von seinem Erleben mehr und mehr entfremdet und sich immer häufiger unwohl fühlt. Das ist die logische Folge, wenn Sie diese Art von Reagieren generell anwenden. Sie brauchen sich diese Leute nur anzuschauen.
An dem College, wo ich unterrichtet habe, gab es einen Mann, der nannte sich »Humanistischer Organisationsentwicklungsberater«. Damals war er überall der Star, heute ist er nur noch ein Subkultur-Held. Seine ganze Welt war auf diese Art von Reaktionen aufgebaut. Er kommentierte alles auf der Meta-Ebene; und jetzt ist er einsam, depressiv und fühlt sich miserabel und verlassen. Es wundert mich nicht, weil seine Reaktionen nie eine Antwort auf jemanden sind, sondern nur Kommentare über jemanden. Er kann nie direkt auf jemanden eingehen, also kann er auch nie so etwas wie Nähe oder irgendein Gefühl von Verbundenheit erleben. Und diese Einschränkungen resultieren direkt aus dem Aufbau seiner Realität: Er glaubt, die Meta-Kommunikation sei eine »echte« Reaktion. Wir erleben häufig, daß die Menschen sich Realitäten konstruieren oder Ziele setzen, die gar nicht gut sind. Da liegen die Grenzen der Selbst-Hypnose. Einer unserer Studenten hatte einen Klienten, der für sich selbst entschieden hatte, daß es idiotisch sei, wenn ein Mensch mit sich selber spricht. Er hatte in einem Buch gelesen: »Zu einem Gespräch gehören zwei Personen.« Und da es also Gespräche nur für zwei Leute, die miteinander sprechen, geben kann, vertrat er den Standpunkt, daß es töricht sei, mit sich selbst zu reden. Von da an hörte er einfach auf, innere Dialoge zu führen und verlor damit die Fähigkeit, bestimmte Dinge zu tun, für die man nun einen inneren Dialog braucht, Kleinigkeiten wie zum Beispiel die Fähigkeit zu planen. Er konnte nur noch Bilder wahrnehmen und Gefühle empfinden. Aber er konnte sich nicht fragen: »Was würde ich heute gern tun?« Er hatte die ganze Tragweite dieser Veränderung nicht richtig eingeschätzt, bevor er sie durchführte. Oft kommen die Klienten und wollen etwas, was sie keineswegs glücklich machen würde. Manchmal richte ich mich danach und lasse sie eine Weile leiden. Dann habe ich es leichter, sie davon abzubringen, mache es rückgängig und ermögliche Ihnen dafür etwas Sinnvolleres. Einer meiner Klienten sagte, er möchte in der Lage sein, nichts mehr zu fühlen. Er erzählte mir, seit Jahren sei alles, was er empfinde, nur schrecklich für ihn - daß die Menschen ihn immer wieder zutiefst verletzen, und daß er einfach nichts mehr fühlen möchte. Also hypnotisierte ich ihn und entfernte dabei sein kinäs-
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thetisches Erleben. Natürlich verlor er damit auch seinen Gleichgewichtssinn und konnte nicht mehr aufrecht stehen. Dann holte ich ihn aus der Trance zurück, er war weiterhin ohne Gefühle, und fragte, ob er nächste Woche wiederkommen wolle. Er sagte nur: »Bitte! Tun Sie etwas!« Und dann konnte ich sagen: »In Ordnung, und jetzt gehen wir so vor, wie ich es mir vorstelle.« Wenn Sie sich selbst hypnotisieren, dann überlegen Sie sehr genau, welche Ziele Sie sich setzen. Spielen Sie Gegenbeispiele durch und fragen Sie sich, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, daß Ihr Ziel sich negativ auswirkt - und wenn ja, benutzen Sie diese Erkenntnisse, um Ihre Zielsetzung zu modifizieren. In den zwei Beispielen, die ich eben erzählt habe, versuchte jemand, sein Leben durch Einschränkungen zu verbessern. Aber man überwindet die eigenen Grenzen wohl kaum dadurch, daß man sich noch weiter einschränkt. Prägen Sie sich als Leitprinzip ein, daß es immer darum gehen sollte, sich zusätzliche Fähigkeiten und Möglichkeiten zu verschaffen.
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9 Fragen Teilnehmer: Ist es möglich, daß man hier einen Fall beschreibt und Sie dann Ratschläge dazu geben? Möglich ist es schon. Aber ich weiß nicht, ob ich überhaupt etwas dazu sagen kann. Es kommt häufig vor, daß Kollegen mir ihre Fälle schildern, aber wenn ich diesen Menschen nicht vor mir habe, weiß ich kaum, was man da machen kann. Unsere Techniken basieren zum größten Teil auf dem direkten Feedback der sinnlichen Wahrnehmung, da kommt es auf den Moment an, und das fehlt natürlich bei so einer verbalen Beschreibung. Aber ich werde bestimmt mein Bestes versuchen. Teilnehmer: Es geht um einen neunzehnjährigen jungen Mann, der letzte Woche zum erstenmal bei mir war, und morgen kommt er wieder. Offensichtlich ruft er bei Ihnen gewisse Reaktionen hervor. Zu allererst müssen Sie also bei sich selbst eine Phobie-Behandlung durchführen. Und was ist mit ihm? Teilnehmer: Er hat mir erzählt, daß er seit vier Jahren eine OPMaske trägt. Und wieso ist das ein Problem? Stört ihn das beim Zungenkuß oder was? Teilnehmer: Vor einigen Jahren fing er an, nur noch über seine Nase zu grübeln und Haben Sie eine Ahnung, wie das damals anfing? Teilnehmer: Ja. Auf beiden Seiten der Nase hatte sich Akne entwickelt, und um das abzudecken, fing er an, diese Gesichtsmaske zu tragen. Und die Akne hat er noch? Teilnehmer: Nein. Und als er zu mir kam, hatte er das erste Mal seit vier Jahren das Haus verlassen. Ein mutiger junger Mann. Teilnehmer: Er war bisher total ans Haus gebunden und ist überzeugt davon, daß seine Nase die unförmigste ist, die es überhaupt gibt. Also, dazu will ich Ihnen einen ganz lustigen Ansatz schildern, 295
den können Sie ausprobieren. Ich kann nicht garantieren, daß es funktioniert, aber ich habe es schon einmal mit Erfolg ausprobiert. Wenn Sie eine Sekretärin haben, lassen Sie sie einen kurzen Artikel über die positive Korrelation zwischen ungewöhnlicher Nase und sexueller Attraktivität tippen. Sie soll das auf einer Maschine schreiben, die solche Schrifttypen hat, daß es wie in der Zeitung gedruckt aussieht. Davon machen Sie dann Fotokopien und schreiben oben drüber den Namen von irgendeinem ausgedachten Journal oder Wissenschaftsmagazin. Und den Artikel legen Sie dann irgendwo ins Wartezimmer. Wenn Ihr Klient kommt und sich hingesetzt hat, soll Ihre Sekretärin ihn solange beobachten, bis er den Artikel sieht und zur Hand nimmt; etwa eine Minute später soll sie hinlaufen und ihm das Ding wegnehmen. Ich hatte einmal einen Klienten, der sich die Nase schiente, wenn er aus dem Haus ging. Der Verband verdeckte dann sein ganzes Gesicht, so daß die Nase und die Wangen nicht zu sehen waren - alles wegen seiner Akne. Damals ließ ich einen Artikel über den Zusammenhang zwischen Verbänden und Akne tippen, wo in allen Einzelheiten stand, wie Leute, die sich dicke Verbände anlegen, damit schwere Akne verursachen, und daß als Folgen sexuelle Impotenz und Homosexualität auftreten und so weiter. Ich ließ den Artikel in meinem Wartezimmer liegen, Ueß ihn gerade so viel davon lesen, daß er darauf einstieg, und schickte dann meine Sekretärin hin, die ihm das Ding wegnahm. Als er dann zu mir hereinkam, wollte er den Artikel wiederhaben, aber ich behauptete standhaft, so etwas gäbe es gar nicht. Schließlich stand ich auf, ging zu meiner Sekretärin und fragte sie, ob sie ihm einen Artikel weggenommen habe, und welchen. Sie gab mir dann einen Artikel - über das Stillen von Säuglingen. Ich gab ihm den und sagte, das alles käme wohl nur von seinen Ängsten. Dabei sah ich ihn besorgt und forschend an. Wahrscheinlich wird er jetzt nie wieder so eine Schiene tragen wollen, selbst wenn er sich wirklich einmal die Nase gebrochen hat. Sie müssen einen Kontext herstellen, in dem die Reaktion, die Sie haben wollen, sich von ganz allein ergibt. Außerdem sollten Sie, wenn Sie über die Reaktionen sprechen, die Sie von Ihrem Klienten wünschen, hypnotisch oder in Metaphern kommunizieren, denn er soll ja nicht nur in der Lage sein, in die Öffentlichkeit
zu gehen, sondern er soll auch das Gefühl haben, daß ihm das etwas bringt. Sie könnten ihn vielleicht mit seiner OP-Maske in die Öffentlichkeit gehen lassen, irgendwohin, wo ihn niemand kennt. Er soll sich eine Frau aussuchen, von der er genau weiß, daß sie seine Nase abstoßend findet. Und dann testen Sie, ob er hingehen, sich die Maske vom Gesicht reißen und die Frau in panischen Schrecken versetzen kann. Das Ganze hat den Nachteil, daß Sie ihn wohl kaum dazu bringen werden, das wirklich zu tun, denn das ist viel zu angstbesetzt. Aber Sie können darüber sprechen und ihn mit dieser Idee zum Lachen bringen. Diese humorvolle Reaktion verankern Sie und sprechen anschließend darüber, wie es wirklich ist, unter Leute zu gehen. Mit Hilfe dieses Ankers können Sie dann bei ihm innerlich zwei Dinge miteinander assoziieren, die humorvolle Einstellung zu seiner witzigen Nase und den Gedanken, unter Menschen zu gehen. Anstatt ihn so hinzubiegen, daß er sich richtig akzeptiert, soll er sich selbst zum Lachen finden. Es ist nämlich viel einfacher, bestehende Reaktionsweisen ein bißchen zu verwirren, als eine sinnvolle neue aufzubauen. Ich kann Ihnen auch noch etwas sagen, was Sie in diesem Fall tun können. Wir haben das auch schon gemacht, aber mit einer 22jährigen Frau, die sehr ungewöhnliche Kleider trug. Sie trug ausschließlich nur sackartige, überweite Kleidung. Sie war keineswegs dick, aber sie meinte, wenn die Leute ihre Körperformen erkennen könnten, würden sie das entsetzlich finden. Also zog sie entsetzliche Kleider an, um ihren Körper zu verstecken. Da habe ich, um diesen Fall zu behandeln, ein paar Typen aus der Innenstadt angeheuert. Solche, die Westen, aber kein Hemd darunter anhaben, mit dicken Muskeln, Tätowierungen und so weiter. Die ließ ich kurz vor dem Termin der jungen Frau kommen, sie saßen also in meinem Wartezimmer und lasen Zeitung. Als sie zur Tür hereinkam, drehten sie sich zu ihr um und lachten sie aus, und einer sagte: »Das sind die blödesten Klamotten, die ich je gesehen habe.« Und dabei waren sie doch äußerst bizarr gekleidet. Als sie in mein Büro kam, war sie völlig aufgelöst. Ich fragte: »Was ist los?« Und sie antwortete: »Oh, diese Typen da draußen haben mich wegen meiner Kleider ausgelacht.« Ich antwortete nur: »Ach, beachten Sie sie gar nicht. Was verstehen die schon davon!« Als sie in der nächsten Woche wiederkam, war sie nicht mehr ganz so sackartig angezogen, aber ihre Kleider waren doch noch
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seltsam genug. Diesmal saß ein feingekleideter Herr im Wartezimmer, mit Anzug und Krawatte. Er sah sie an, als sie hereinkam und dann sah er schnell weg und fing an zu prusten, verbiß sich das Lachen und stammelte: »Oh, Entschuldigung... Verzeihen Sie!« Mehr war nicht notwendig, um sie dazu zu bringen, sich vernünftig anzuziehen. Ich setze immer genau das ein, wovor meine Klienten Angst haben, um sie damit aus ihren absurden Verhaltensweisen herauszukatapultieren. Häufig kann man andere Leute einbeziehen, um die erwünschten Erfolge zu erreichen. Auch außerhalb der Sprechstunde habe ich Leute für solche Zwecke eingesetzt. Manchmal kann ich gut mit Eltern zusammenarbeiten und manchmal gehe ich auch in eine Schule und suche mir dort im Interesse meiner Klienten meine Verbündeten. Man kann nie wissen, was bei einem bestimmten Individuum alles passieren kann. Ich kenne Ihren Klienten nicht gut genug, um beurteilen zu können, ob meine Vorschläge in diesem Fall funktionieren werden. Aber nach dem Eindruck, den ich jetzt habe, wäre das der Weg, den ich einschlagen würde. Teilnehmer: Ich habe ihn von einem plastischen Chirurgen untersuchen lassen, und der hat bereits so eine Andeutung gemacht, daß die Länge und Dicke der Nase eines Mannes der Form seines Penis entspricht, er denkt also schon ein bißchen in diese Richtung. Sie können ihm sagen: »Nun, wir könnten Ihre Nase kürzer machen, aber...« Oder Sie lassen den plastischen Chirurgen sagen: »Also, was wir in solchen Fällen machen, das geht einfach so: Zack!« (Er macht eine Geste wie ein Metzger.) Vielleicht ändert das seine Einstellung! Ich werde Ihnen noch eine Geschichte erzählen. Eine Frau, die bei mir in Behandlung war, hatte eine Tochter, die wegen ihrer Nase todunglücklich war. Sie meinte, sie habe eine überaus häßliche Nase, in Wirklichkeit sah sie aber wie jede andere aus. Sie wollte zu einem Chirurgen und hatte dafür schon ihr ganzes Geld gespart, aber ihre Familie wollte das nicht zulassen. Sie sagten ihr, daß sie doch eine hübsche Nase habe und sie so lassen solle, aber sie glaubte ihnen nicht. Schließlich sagte ich zu ihren Eltern: »Was macht es schon? Also, ich rate Ihnen, darauf zu bestehen, daß sie endlich da hingeht und bald ihre häßliche Nase los wird. Sie
brauchen nur zu sagen: >Die ganzen Jahre über haben wir dich angelogen, in Wirklichkeit ist deine Nase total - ach! - sie ist einfach abstoßend! Also, geh bloß hin und laß dir dieses verdammte Ding abhacken, tu uns den Gefallene« Das taten sie auch, und sie ging hin, Heß sich operieren und hinterher sagten alle: »Toll! Du siehst jetzt viel besser aus!« Sie sah überhaupt nicht anders aus als vorher, denn der Chirurg hat in Wirklichkeit kaum etwas gemacht. Er hatte nur ein bißchen Haut von der Nasenspitze entfernt, das war alles. Aber sie war hinterher glücklich und alles war in Butter. Unterschätzen Sie nie die Macht des Absurden. Es gibt Leute, die blondieren ihre Haare und verändern in der Tat gleichzeitig ihre Persönlichkeit. Wenn man seine Persönlichkeit verändern kann, indem man einfach etwas an seiner äußeren Erscheinung ändert, ist das ja auch in Ordnung. Wer kennt das nicht, daß man sich neue Kleider kauft und sich darin wirklich als neuer Mensch fühlt? Ich möchte Sie noch einmal an das generelle Prinzip erinnern, das wir immer und immer wieder betonen: Schaffen Sie eine Situation oder einen Kontakt, in dem die Person von ganz allein so reagiert, wie Sie es wünschen. Wir haben hier hauptsächlich darüber gesprochen, wie man eine Situation inneren Erlebens schafft und dafür hypnotische Techniken einsetzt. Sie können aber mit Hilfe Ihrer Kreativität auch einen äußeren Kontext herstellen, der ohne jede explizite Hypnose die erwünschte Reaktion bewirkt. Das ist manchmal viel einfacher, und manchmal macht es auch mehr Spaß. Die traditionelle Psychiatrie und die Psychotherapeuten haben zum Beispiel von jeher gemeint, daß es äußerst schwierig sei, mit Katatonie-Patienten Kontakt aufzunehmen. Es ist ganz einfach, wenn Sie bereit sind, Dinge zu tun, die nicht unbedingt professionell wirken, zum Beispiel, ihnen ordentlich auf die Füße zu stampfen. In der Regel kommen die dann sofort aus ihrem Trancezustand heraus und sagen, Sie sollen aufhören. Das wirkt vielleicht etwas unfreundlich, aber letztlich ist das wesentlich freundlicher, als wenn man sie jahrelang langsam innerlich verfallen läßt. Wenn Sie ihnen trotzdem nicht auf die Füße treten wollen, können Sie es auch einfach mit Pacing machen. Sie müssen sich vergegenwärtigen, daß die Katatonen in einem gravierend veränderten Bewußtseinszustand sind, das heißt, da müssen Sie das Pacing viel
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länger machen, um einen Rapport zu bekommen. Diese Patienten zeigen nicht viel offenes Verhalten, das man aufgreifen kann, aber schließlich atmen sie ja, zwinkern mit den Augen und haben auch irgendeine Körperhaltung. Ich habe bei Katatonen schon bis zu vierzig Minuten lang Pacing machen müssen, eine mühselige Kleinarbeit. Doch es funktioniert, und das ist ein ganz sanftes Verfahren. Aber wie gesagt, wenn es Ihnen egal ist, ob Sie behutsam sind oder nicht, dann können Sie dem Patienten auch einfach ordentlich auf den Fuß trampeln. Ein Bekannter von mir - er ist Psychiater - hatte einen Mann in Behandlung, der etwas sehr Traumatisches erlebt hatte: Vor seinen Augen war seine ganze Familie verbrannt, und er hatte zusehen müssen, ohne helfen zu können. Der Mann war anschließend in einen katatonen Zustand verfallen und schon einige Jahre so geblieben. Der Psychiater hat Jahr um Jahr mit ihm gearbeitet - und schließlich doch erreicht, daß er wieder normal reagierte. Als sich abzeichnete, daß bei diesem Patienten etwas in Bewegung kam, war gerade eine attraktive, achtzehnjährige Schwesternhelferin im Büro des Psychiaters. Der Arzt wollte für den nächsten Therapieschritt einen Kollegen zu Hilfe holen, wollte aber nicht, daß der Mann wieder in seine Katatonie verfiel, während er ihn allein ließ. Also wandte er sich mit großer Eindringlichkeit an das junge Mädchen: »Halten Sie ihn irgendwie bei Laune, ich bin gleich zurück!« Damit rannte er aus dem Büro. Da stand sie also, diese junge Frau, die keine Ahnung von Psychotherapie hatte. Sie wußte ja, wie dieser Mann vorher ausgesehen hatte und konnte beurteilen, wann er wieder in die Katatonie zu verfallen drohte. Und natürlich: Als der Arzt aus dem Büro gestürzt war, um Hilfe zu holen, begann der Patient wieder in den katatonischen Zustand zu verfallen. Ihre intuitive Reaktion war phantastisch: Sie griff sich den Mann und gab ihm den saftigsten Zungenkuß, den man sich nur vorstellen kann. Und das hielt ihn in der Re'alität! Katatone Patienten haben irgendwann einmal eine Entscheidung getroffen, nämlich daß das innere Erleben im katatonen Zustand ihnen mehr bringt als das, was die Außenwelt ihnen bieten kann. Und jeder, der einmal über längere Zeit in einer psychiatrischen Anstalt war, wird dem ohne weiteres zustimmen! Die junge Schwesternhelferin jedoch versetzte den Patienten in eine
Situation, in der er es von sich aus vorzog, den Kontakt zur Außenwelt aufrechtzuerhalten. Wir hatten einmal eine fast siebzigjährige kleine Frau in Behandlung; sie war früher Tänzerin gewesen. Es ging um Eheprobleme, und ihr rechtes Bein war von der Hüfte abwärts gelähmt. Die Ärzte konnten keinerlei neurologische Anhaltspunkte für diese Lähmung finden. Wir wollten testen, ob ihre Lähmung eher physisch oder eher psychisch bedingt war. In unserem damaligen Büro mußte man eine Treppe hinaufsteigen, um zur Toilette zu kommen. Wir sprachen stundenlang mit ihr und erbaten alle möglichen Informationen, bis sie schließlich fragte, wo die Toilette sei. Wir gingen nicht darauf ein und fingen an, über irgend etwas in ihrem Leben zu sprechen, das sie schnell wieder ins Gespräch hineinzog. Sie wurde davon so in Anspruch genommen, daß sie vergaß, daß sie zur Toilette hatte gehen wollen. Als sie schließlich doch fragte, lenkten wir sie jedesmal wieder ab. Gerade als es so aussah, als würde sie uns jetzt einfach ignorieren und auch ohne unsere Erlaubnis zur Toilette gehen, erwähnten wir die Schwierigkeiten mit ihrem Mann und ihre sexuellen Probleme, einer der Hauptgründe, weswegen sie gekommen war. Und dann sagten wir: »Und jetzt gehen Sie hoch ins Bad, aber beeilen Sie sich und kommen Sie schnell zurück!« Sie war so aufgeregt, daß sie ihre Lähmung vergaß. Sie rannte buchstäblich die Treppe hinauf und kam auch genauso wieder heruntergerannt. Nun wurde ihr klar, was sie eben getan hatte, sagte »Oh, Oh!« und bekam wieder ihre Lähmung. Damit hatten wir den Beweis, daß ihre Lähmung eine Verhaltensstörung war, außerdem hatten wir jetzt einen Anker für den Zustand ohne Lähmung. Wir benutzten ihn nur indirekt, mit versteckten Andeutungen wie »stufenweise Schwierigkeiten meistern«, »glücklich sein, dem Ruf der Natur zu folgen« und »verschiedene Möglichkeiten 'rauf und 'runter durchprobieren«. Jack: Wie kann man denn sonst noch erkennen, ob ein Problem physiologisch oder psychisch ist? Ich zum Beispiel werde immer seekrank. Es wäre schön, wenn sich das ändern würde. Und ich bin mir nicht sicher, ob das ein körperliches oder ein psychisches Problem ist. Ihre Frage lautet: »Wie unterscheiden Sie körperliche von seeli-
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sehen Problemen?« Und meine Antwort ist: »Meistens kümmere ich mich darum überhaupt nicht.« Jack: Würden Sie Ihre Technik auch auf meine Seekrankheit anwenden? Aber sicher, auf der Stelle. Jack: Glauben Sie, daß Sie damit Erfolg hätten? Sonst würde ich sie ja nicht anwenden wollen. In gewisser Weise mache ich übrigens doch einen Unterschied zwischen seelischen und körperlichen Problemen. Sagen wir mal, jemand kommt in meine Sprechstunde, nachdem er einen Schlaganfall gehabt hat. Sein gesamtes Verhalten ist von Aphasie geprägt, und er gibt mir einige Röntgenaufnahmen, auf denen ein schweres Trauma im linken Temporallappen zu erkennen ist. Das ist eine wichtige Information, um meine Reaktionen auf ihn abzustimmen. Wenn ich einen Klienten habe, dessen Probleme von definitiven körperlichen Manifestationen begleitet sind, dann stelle ich als erstes sicher, daß dieser Klient von einem meiner Meinung nach kompetenten Arzt betreut wird. Ich bin mit mehreren Ärzten befreundet, auf die ich mich verlassen kann. Sie haben ähnliche Einstellungen wie ich, etwa diese: »Medikamente sind nur die letzte Möglichkeit, denn wenn sie wirken, zerstört das den Zugang zu einem Persönlichkeitsanteil, zu dem man Verbindung haben muß, um Verhaltensänderungen einzuleiten.« Medikamente heilen nicht; meistens sind sie nur Krisenmanagement, das ist ihre wirkliche Bestimmung. Ich kann auch mit Klienten arbeiten, die unter Medikamenten stehen, nur: ihre Reaktionen sind verändert, und ich kann kaum beurteilen, ob sie auf mich oder auf die chemischen Substanzen reagieren. Außerdem verändert das Einnehmen von Medikamenten den Bewußtseinszustand erheblich. Wenn Sie unser Verfahren bei jemand anwenden, der unter Medikamenten steht, achten Sie darauf, daß Sie dasselbe Vorgehen wiedefverwenden, wenn er ohne Medikamente kommt. Sie müssen zwischen dem normalen Wachzustand und den Veränderungen, die unter Medikamenteneinfluß gemacht worden sind, irgendeine Brücke schaffen. Wenn einer meiner Klienten Medikamente einnimmt, sorge ich zuerst dafür, daß er damit aufhört. So bekomme ich zu dem Teil seiner Persönlichkeit Zugang, der die Schwierigkeiten verursacht.
Wenn das getan ist - nehmen wir an, es sei ein Klient mit Hirnverletzungen -, dann kann ich ihm in Metaphern etwas über die Plastizität des Gehirns erzählen. Das zentrale Nervensystem des Menschen ist eines der anpassungsfähigsten Dinge, die ich kenne. Es ist vielfach bewiesen, daß ein Mensch Funktionen, die er durch körperliche Verletzungen verloren hat, durch Neubahnungen wiederbeleben kann, das heißt, indem er andere Nervenbahnen benutzt. In solchen Fällen induziere ich eine sehr tiefe Trance und gebe dann die entsprechenden Programmierungen ein. Das ist der Unterschied im Umgang mit körperlichen und psychischen Problemen. Teilnehmer: Bezieht sich Ihre Einstellung zur Medikation auf alle Mittel oder nur auf die »psychoaktiven« Drogen? Das betrifft alles, was den Bewußtseinszustand eines Menschen verändert. Auch manche nicht-psychoaktiven Drogen haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Bewußtsein. Da ich keine pharmakologische Ausbildung habe, bespreche ich solche Dinge mit befreundeten Ärzten, denen ich vertrauen kann. Ich frage sie, ob es irgendwelche bewußtseinsverändernden Nebenwirkungen bei dem und dem Medikament gibt. Wenn nicht, kann der Klient sein Medikament weiter nehmen. Ich war einmal auf Wunsch eines Freundes in einem Seniorenheim und behandelte dort einen Mann, der einen Schlaganfall gehabt hatte. Er hatte eine Symptomatik, die man Broca'sche Aphasie nennt: die Fähigkeit, sich sprachlich zu äußern, ist geschädigt, aber das Sprachverständnis nicht. Jemand mit dieser Symptomatik versteht zumindest soviel, daß er Befehle befolgen kann. Außerdem gehören zu dieser Aphasie in der Regel irgendwelche Lähmungen, bei einem Rechtshänder meistens die rechte Körperseite und Gesichtshälfte. Das häufigste Kennzeichen ist zudem, daß die rechte Hand in einer ganz verkrampften Haltung gelähmt ist, und zwar stark nach innen zum Arm hin abgeknickt. Dieser Mann war auf der ganzen rechten Körperseite stark verkrampft, und da keine physikalische Therapie geholfen hatte, bat mich mein Freund, mit Hypnose die rechtsseitigen Muskeln des Mannes zur Entspannung zu bringen. Er hielt es für möglich, daß der Klient zumindest teilweise wieder Kontrolle über seine rechte Körperseite bekam, aber nicht bevor die entsprechende Muskulatur entspannt war. 303
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Ich wußte aus der Lektüre von Fallgeschichten, daß es möglich war, die Hypnose in solchen Fällen einzusetzen. Also ging ich hin und arbeitete etwa zweieinhalb Stunden lang hochkonzentriert mit diesem Mann. Es war eine sehr tiefe Hypnose, und am Ende war seine Hand so entspannt wie nur irgend möglich. Ich war selbst ziemlich beeindruckt, denn das hatte ich noch nie gemacht. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich es noch einmal so schaffen würde. Ich war mit dem Gedanken hineingegangen: »Also, ich werde so tun, als ob ich sowas jeden Tag mache, und wenn gewisse Wunderheiler die Leute einfach heilen können, weil die daran glauben, dann ist das vielleicht mit der Hypnose genauso; wer weiß.« Dann bin ich hineingegangen, habe es probiert, und es klappte. Das fand ich phantastisch. Ich war noch im Raum, als der Arzt und die Krankengymnastin kamen. Keiner von beiden hatte veranlaßt, daß ich mit diesem Patienten arbeitete. Sie sagten, es sei Zeit für die physikalische Therapie und ich solle gehen und ein anderes Mal wiederkommen. Ich blieb, innerlich voll Schadenfreude, einfach sitzen und dachte: »Mal abwarten, bis sie sehen, was los ist. Das wird sie aus der Fassung bringen!« Ich blieb und freute mich auf das, was kommen würde. Arzt und Krankengymnastin halfen dem Patienten aus dem Sessel und aufs Bett, und keiner von beiden merkte, daß sein Arm locker herabhing! Ich war einigermaßen erstaunt, aber dann dachte ich: »Wenn man gerade nicht darauf achtet und andere Sachen im Kopf hat, ist das wohl mögüch.« Die Krankengymnastin griff nach dem Arm und knickte ihn hübsch in die verkrampfte Stellung von vorher - etwa so, als ob sie ein Bett machte. Sie legte ihn hin, legte den Arm wieder in der alten Stellung zurecht und unterhielt sich währenddessen mit dem Arzt. Dann begann sie mit etlichen Übungen, die dem Patienten helfen sollten, die Hand zu öffnen und zu entspannen. Nun war ich völlig platt! Seine Hand war so biegsam und entspannt, daß das Ganze total lächerlich wirkte. Sie nahm seine Finger einzeln, bog sie ganz auf und wieder zurück und unterhielt sich dabei weiter mit dem Arzt, war also nur halb bei der Sache und ging schließlich dazu über, sein rechtes Bein zu bearbeiten. Und sie hatte immer noch nichts gemerkt! Plötzlich wurde mir klar, daß ich vor einer entscheidenden Alternative stand: Ich hätte die zwei jetzt schockieren können, indem
ich sie auf die Tatsachen aufmerksam machte; aber ich war nicht sicher, was dabei herauskäme. Ich fürchtete, sie würden, da die Hypnose keine wissenschaftlich anerkannte Methode ist, fest daran glauben, daß Arm und Hand wieder so wie vorher werden würden; dann würden sie mit ihrem Verhalten auch dafür sorgen, daß das einträte. Statt dessen unterbrach ich sie und sagte: »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Ich ging hin und nahm den Arm des Mannes, hielt ihn etwas hoch, und er war geschmeidig wie Butter. Beide starrten mich an, als ob sie eben einen Geist gesehen hätten. Ich erwiderte ihre Blicke freundlich und sagte: »Dazu möchte ich sagen, daß die Hypnose keine abgesicherte wissenschaftliche Behandlungsmethode ist, und das hier ist nur ein Ansatz zur Unterstützung der physikalischen Therapie. Vielleicht geht diese Besserung auch wieder zurück, wahrscheinlich schon in den nächsten 24 Stunden. Nur gelegentlich, in wenigen Fällen, bleibt sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund bestehen, und zwar immer dann, wenn der Patient vor der Hypnose von einer sehr fähigen Krankengymnastin behandelt worden ist.« Ich habe sie also in ihren Überzeugungen bestätigt, um mir ihre Unterstützung zu sichern und um das Krankenhaussystem als Verbündeten zu gewinnen. Ich dachte vor allem an mein eigentliches Ziel: daß der Mann die Anspannung und Entspannung seiner Muskeln wieder willkürlich steuern konnte. Wem das angerechnet würde, darauf kam es letztlich nicht an. Wichtig war, daß er seinen Arm wieder bewegen konnte. Und wenn jemand die Methode, mit der ein Klient wiederhergestellt wurde, nicht akzeptiert, wird er sich unbewußt so verhalten, daß der alte Zustand wiederhergestellt wird. Nicht aus Böswilligkeit, sondern einfach, weil sein Bewußtsein das, was da vor seinen Augen abläuft, nicht bewältigen kann. Veränderungen und Neuerungen lassen sich eher durchsetzen, wenn sie sich in das Glaubenssystem einer Institution oder des Individuums einfügen. In einem Seminar fragte mich einmal eine Teilnehmerin, Pam, ob sie einen Klienten, einen neunjährigen Jungen, mitbringen könne, der in ausgesprochen schlechter Verfassung sei. Sie erzählte, der Junge habe in den letzten vier oder fünf Tagen nie mehr als eine halbe Stunde schlafen können, sei nun völlig erschöpft und drohe krank zu werden. Anscheinend bekam er beim Einschlafen jedesmal nach kurzer Zeit Alpträume von
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Monstern, dann brach er in Schweiß aus, warf sich herum und wachte schreiend auf. Pam wußte keinen Rat und bat um schnelle Hilfe. Nachmittags ging ich in einer Pause mit Dave, seiner Mutter und Pam in einen Nebenraum. Ich hatte nicht viel Zeit, also habe ich möghchst schnell für Rapport gesorgt. Da ich das älteste von neun Kindern bin, kann ich mit Kindern sehr schnell Rapport bekommen. Als wir uns setzten, war das bereits gelaufen: durch die Art, wie ich ins Zimmer kam, wie ich ihn anfaßte und so weiter. Statt ausführlich Informationen zu sammeln, fragte ich sofort: »Welche Farbe haben denn die Monster?« Ich habe nicht gefragt: »Kannst du die Monster sehen?« »Monster - gibt es die überhaupt?« »Träumst du manchmal?« »Bist du durcheinander?« »Was hast du für Probleme?« - Diese Fragen hatte ich einfach übersprungen. »Welche Farbe haben denn die Monster?« - das setzt all das, was ich eben aufgezählt habe, als gegeben voraus. Es ist ein Riesensprung, aber da ich mit dem Jungen Rapport hatte, war das kein Problem. Dave zählte mir als Antwort verschiedene Farben auf. Ich sagte: »Ich verstehe, sie sind wirklich riesengroß und sehen schrecklich aus.« Er sagte: »Jaa!« Dann fragte ich ihn: »Kennst du irgend jemanden oder irgendein Wesen, das stark genug wäre, um mit diesen Monstern fertigzuwerden?« Er antwortete: »Oh, ich weiß nicht.« Also begann ich, auf gut Glück zu fragen. »Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann, wäre der stark genug?« Er sagte: »Nee.« Dann landete ich einen zufälligen Treffer; ich fragte: »Hast du >Krieg der Sterne< gesehen?« Das war vor einigen Jahren, jedes neunjährige Kind hatte (Jamals »Krieg der Sterne« gesehen. Sein Gesicht hellte sich auf. Ich sagte: »Wetten, daß ich weiß, wer von den Figuren dir da am besten gefallen hat?« Natürlich fragte er: »Und - wer?« Ich sagte: »Der Wookie«, und er antwortete: »Ja genau, der.«* Ich sagte dann: »Übrigens will ich dir etwas über deinen TraumArm beibringen, das ist ganz nützlich; dann kannst du nämlich deine Träume kontrollieren.« Ich ergriff seinen Arm und forderte * Der Wookie ist eine Figur aus dem Film »Der Krieg der Sterne«. Es handelt sich um ein affenartiges Wesen mit langhaarigem Fell, das intelligent handelt und über große Körperkräfte verfügt. Es kämpft auf Seite der »Guten«. (Anm. d. Übers.)
ihn auf, sich den Wookie in einer ganz bestimmten Filmszene vorzustellen. Während sein Arm kataleptisch in der Luft schwebte, sagte ich: »Also, das ist dein Traum-Arm, und nun läßt du ihn langsam sinken, aber nur so schnell, wie du sehen und noch einmal beobachten kannst, was der Wookie in einer Filmszene, die du besonders gern siehst, macht.« Ich konnte Rapid Eye Movements sehen, als sein Arm sich langsam, mit unbewußten Bewegungen, zu senken begann, also wußte ich, daß er visuelle Vorstellungen hatte. Ich sagte: »Halt jetzt mal an. Kannst du den Wookie sehen?« »Ja«, antwortete er. »Frag ihn, ob er dein Freund sein will, der immer an deiner Seite sein und dir immer helfen wird, dich in Sicherheit zu bringen. « Ich konnte sehen, wie sich sein Mund und die Lippen bewegten, als er den Wookie fragte. Als er aus der Trance zurückkam, fragte ich: »Was hat er gesagt?« Dave sagte: »Ich konnte ihn nicht verstehen. Er hat nur ein Geräusch gemacht.« Wenn man »Krieg der Sterne« gesehen hat, weiß man, daß die Sprache des Wookie nicht zu verstehen ist. Deshalb sagte ich: »Gut. Für >Ja< soll er seinen Kopf auf und ab bewegen, und wenn er >Nein< meint, soll er ihn zur Seite drehen. Frag ihn nochmal.« Also ging Dave zurück in die Trance und fragte, und der Wookie nickte sein »Ja«. Ich fragte: »Was meinst du, ist der Wookie stark genug, um mit den Monstern fertigzuwerden?« Er dachte eine Weile nach und sagte dann: »Ich glaube nicht. Sie sind noch größer und noch gemeiner als der Wookie.« Ich sagte: »Aber er ist schneller als die Monster, stimmt's?« Dave sagte: »Ja.« Ich legte meine Hand auf seine Schulter und sagte: »Also, der Wookie wird immer da sein, um dir zu helfen, denn du fühlst, wie seine Hand auf deiner Schulter hegt, wenn er neben dir steht; und du weißt, wenn es ganz schlimm kommt, dann wird er dich einfach hochheben, in seine Arme nehmen und wie der Wind fortlaufen, denn er ist viel schneller als die Monster. Und so kannst du immer, wenn es sein muß, entkommen.« Er nahm das in sich auf und nickte. »Aber mit den Monstern sind wir jetzt noch nicht fertiggeworden. Wen gibt's denn noch, der das vielleicht könnte?« Wir suchten neue Möglichkeiten, und schließlich, wie es Klienten immer tun, wenn der Therapeut Mut genug hat, die Situation entsprechend zu arrangieren, gab er eine Antwort: »Godzilla.«
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Ich sagte: »Gut, schließ die Augen und stell dir Godzilla vor.« Er schloß sofort seine Augen und hob den Arm: er hatte es gleich auf Anhieb gelernt und genau verstanden, worum es ging. Und wieder konnte ich die Rapid Eye Movements sehen. Dann hörte er plötzlich auf und sagte: »Es ist schwierig, eine Antwort zu kriegen.« Ich sagte: »Achte auf seinen Kopf!« und er antwortete: »Ich sehe ihn aber nur von hinten.« »Sag ihm, er soll sich umdrehen«, sagte ich. Also, allein das war schon ein sehr wichtiger Wandel: Er hatte nun die Kontrolle über mächtige Geschöpfe aus dem Bereich, aus dem ihn sonst alles in Angst und Schrecken versetzte. Ich arbeitete vollständig auf der Basis seiner Vorstellungswelt, in seiner eigenen Bildersprache. Godzilla drehte sich herum und nickte sein »Ja«, und dann sagte ich: »Jetzt haben wir nur noch ein einziges Problem. Du hast jetzt jemanden, der dich verteidigt und jemanden, der dich notfalls vor den Monstern in Sicherheit bringt. Aber Godzilla ist groß und ungeschickt. Er ist stark und wird auf dich aufpassen, aber du möchtest ja nicht, daß er in deinen Träumen herumtapst, wenn du ihn gar nicht brauchst.« Achten Sie auf die Vorannahmen in dieser Aussage. Sie besagten: Du wirst Träume haben, manche mit Monstern, aber auch manche ohne. Godzilla wird in manchen Träumen gebraucht werden, aber in anderen nicht. - Damit begann ich, das Träumen wieder zu einer normalen, vielleicht auch wohltuenden Tätigkeit umzudeuten, so daß es in Zukunft nicht mehr nur als Alptraum verstanden würde. Da erzählte mir Dave, daß in der Geschichte von Godzilla ein Junge vorkommt, der eine besondere Halskette trägt. Wenn er will, daß Godzilla erscheint, weil er sich von Monstern bedroht sieht, braucht der Junge nur seine Kette anzufassen. Das ist für Godzilla das Zeichen, sofort zu erscheinen. Ich fragte dann Daves Mutter: »Wären Sie bereit, heute nachmittag eine Stunde lang mit Dave in ein paar Schmuckgeschäfte zu gehen, damit er sich eine Halskette aussucht, die er als Zeichen für Godzilla verwenden kann?« Ich mußte dabei die Umweltbedingungen sorgfältig in Betracht ziehen. In seiner Kleinstadt hat es ein Junge mit Halskette bestimmt nicht leicht. Ich sagte ihm, er solle sie nur abends tragen, wenn er das Gefühl habe, er würde es
brauchen. Und auch dadurch bekam er wiederum mehr Kontrolle über die ganze Sache. In diesem Beispiel habe ich das Glaubenssystem des Kindes nicht in Frage gestellt, ebensowenig seine Art, Dinge zu benennen. Ich habe nicht interpretiert, sondern bin flexibel auf die kindliche Weltsicht eingegangen. Und dann habe ich im Rahmen dieser kindlichen Welt Ratschläge gegeben, wie das Kind sich die inneren Erlebensmöglichkeiten verschaffen konnte, die es gerade brauchte. Teilnehmer: Und wenn die Alpträume nur ein Symptom für etwas anderes waren? Alles, was wir erkennen können - ob wir mit einer Familie oder mit einem Individuum arbeiten - sind die Symptome. Ich nehme auch an, daß sich in den Alpträumen etwas darstellte, was im Familiensystem vor sich ging. Aber ich habe keine Ahnung, um was es sich handelte. Ich bat Pam, die Familie weiter im Auge zu behalten und zu schauen, ob irgendwelche anderen Symptome auftreten würden. Ein halbes Jahr später berichtete sie, daß keine neuen Probleme aufgetreten seien. Wenn es doch welche gegeben hätte, dann hätte ich das Reframing eingesetzt. Mit meiner Art, auf Daves Alpträume einzugehen, veränderte ich ihre Bedeutung. Im Grunde genommen war auch das ein Reframing. Ebenfalls wichtig war die Tatsache, daß die Mutter dabeiwar, denn so änderte sich auch ihre Art, mit diesen Alpträumen umzugehen. Ich war für sie ein Beispiel, wie man sich auch anders dazu verhalten kann. Teilnehmerin: Warum haben Sie die Technik mit dem TraumArm angewendet? Das ist nur ein Spiel, ich wollte mit einem Spiel beginnen. Bei Kindern ist ein Spiel als Rahmenhandlung wesentlich günstiger als wenn man es zum Beispiel »Problemlösen« nennt. Außerdem ist der Traum-Arm bei Alpträumen besonders sinnvoll, denn das Kind bringt dabei die Visualisierungen unter seine Kontrolle. Schlußwort Teilnehmer: Sie haben ungefähr noch acht Minuten für Ihr Schlußwort. Ich dachte, es ist ganz gut, wenn Sie das wissen. Sie wollen wohl, daß wir Sie in Trance versetzen? Wir haben 309
beschlossen, es diesmal nicht zu tun. Eigentlich wollten wir Ihnen etliche post-hypnotische Suggestionen geben, aber wir haben uns entschieden, daß wir lieber ausprobieren, was passiert, wenn wir Sie einfach hängenlassen. Wir sind gespannt, ob Sie vielleicht, wenn wir nächstes Jahr wiederkommen, alle noch genauso hier sitzen wie jetzt. Nun gut. Im Verlauf der letzten drei Tage haben Sie viel erlebt und eine Menge Erfahrungen und Lernprozesse durchlaufen. Und jetzt geht alles schon viel besser, nicht wahr? Lassen Sie sich jetzt ein wenig Zeit und überdenken Sie noch einmal, in welcher Reihenfolge Sie das hier alles erlebt haben. Beginnen Sie beim Anfang - vor drei Tagen - und gehen Sie schnell, eins nach dem anderen, alles durch und blicken Sie innerlich noch einmal zurück auf die Dinge, die Sie gelernt haben. Was möchten Sie gerne mitnehmen, wenn Sie in Ihre Praxis, nach Hause, in ihre Familie zurückgehen? . . . Denn die Lernprozesse, die Sie hier im Großen Ballsaal gemacht haben, könnten vielleicht hier im Saal zurückbleiben - es sei denn, Sie machen sich ausdrücklich klar, wann Sie sie wohin transferieren wollen. Sehen Sie, das Gelernte kann an einen bestimmten Bewußtseinszustand gebunden bleiben, das ist erwiesen. Eine Gruppe von Medizinstudenten, mit denen ich arbeitete, hatte einmal eine Prüfung abzulegen, und zwar in demselben Raum, in dem sie den Stoff gelernt hatten. Alle bestanden das Examen gut. Fünf Minuten später wurden sie auf die andere Seite des Campus geschickt, in die Turnhalle, und sollten dieselbe Prüfung noch einmal ablegen. 75% fielen durch, weil das, was sie im Unterrichtsraum gelernt hatten, nicht auch in jeder anderen Situation zur Verfügung stand. Und das, was sie in der Turnhalle gelernt hatten, half ihnen bei der Medizinprüfung herzlich wenig. Diese selektive Abrufbarkeit der Informationen schützt Ihren Verstand vor allzuviel Wirrwarr, aber manchmal verhindert sie auch, daß Ihnen das Gelernte dann zur Verfügung steht, wenn Sie es brauchen. Das beste ist, wenn man sich an etwas, was man gelernt hat, nur dann erinnert, wenn man es braucht. Sehen Sie, wenn Sie den ganzen Tag an Ihre eigene Telefonnummer denken müßten, jeden Tag - Sie würden wahnsinnig werden. Oder wenn Sie die Nummer jederzeit wissen, außer wenn ein Telefon in der Nähe ist, das nützt 310
Ihnen auch nichts. Auch wenn Sie versuchen, sich zu erklären, warum das so ist, können Sie immer noch nicht zu Hause anrufen. Aber wenn Sie nur dann an diese Nummer denken, wenn Sie sie jemandem geben oder zu Hause anrufen wollen, dann haben Sie sie so gespeichert, daß es für Sie sinnvoll ist. Denken Sie also an das, was Sie aus dem Großen Ballsaal mitnehmen wollen... und denken Sie an den Ort, wohin Sie es mitnehmen wollen... Sie brauchen nicht zu überlegen, was Sie, wenn Sie dort ankommen, mit dem Gelernten anfangen... Denken Sie einfach an die Möbel in Ihrem Wohnzimmer... an das Bett, in dem Sie nachts schlafen... Ihren liebsten Bürosessel... Ihre Sekretär i n . . . den Teppich in Ihrem Arbeitszimmer... die Klienten, die Sie schon allzuoft gesehen haben... die Geschäftspartner, die Sie schon lange... zu etwas bewegen wollen... was Ihrer Vorstellung nach zu tun i s t . . . Denken Sie an Ihre Freunde... und Ihre Partnerbeziehung... denken Sie an Ihre Zukunft... an Zeiten und O r t e . . . die es wert sind... daß Sie dieses Gelernte und die neuen Einsichten... dorthin mitnehmen... und spontan auftreten lassen... Denn während Ihr Bewußtsein in den letzten drei Tagen eifrig gearbeitet h a t . . . um etwas zu verstehen, das nicht es betrifft, sondern den Rest Ihrer Persönlichkeit... hat Ihr Unbewußtes Informationen gespeichert, auf seine eigene Art und Weise... wie es gar nicht anders k a n n . . . Und diesem Wissen können Sie erlauben . . . sich in Ihrem Unbewußten niederzulassen... und Sie wissen unbewußt... wie Sie dieses Wissen sichten und ordnen können . . . um bei sich selbst Veränderungen zu bewirken... Veränderungen, die - ob Sie sie wahrnehmen oder nicht - . . . von Dauer und beständig sind. Nur einige von Ihnen haben sich bis jetzt noch nicht genug... mit ihren unbewußten Prozessen angefreundet... und wir möchten, daß Ihnen klar w i r d . . . daß Ihr Unbewußtes nicht etwa eine andere Person i s t . . . es ist ein Teil von Ihnen... Es ist nicht ein Teil in dem Sinne, daß es ein Bruchstück w ä r e . . . es ist ein Teil von Ihnen*, denn es funktioniert anders... als Ihr Bewußtsein . . . Ihr Unbewußtes, um nur einen Punkt zu nennen, ist viel * »It's a part ofyou.« In gesprochener Sprache doppeldeutig, da »a part« (ein Teil) auch »apart« (getrennt) bedeuten kann. (Anm. d. Übers.)
lethargischer... Es tut nur dann etwas, wenn es damit ein Ziel verfolgt... Und wenn es das Gelernte aus dem Großen Ballsaal ordnet und alles noch einmal durchgeht... dann ist das Ziel dab e i . . . daß Ihr Bewußtsein freudig überrascht feststellen k a n n . . . daß es neue Dinge t u t . . . und gar nicht genau weiß, wie... und besonders nicht, warum... Und solange es den Großen Ballsaal gibt, wird alles, was Sie im Großen Ballsaal gelernt haben... bei Ihnen sein und Sie begleiten... Auf Wiedersehen.
Anhang I: Augenbewegungen bei der Informationsverarbeitung (Eye Accessing Cues) Die meisten Menschen erleben ihre informationsverarbeitenden Prozesse als Einheit und nennen es »Denken«; Bandler und Grinder haben jedoch festgestellt, daß es sinnvoll sein kann, das Denken nach den verschiedenen Sinnesmodalitäten, in denen es stattfindet, zu unterteilen. Wenn wir Informationen innerlich verarbeiten, tun wir das visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch oder gustatorisch. Wenn Sie das Wort »Zirkus« lesen, können Sie seine Bedeutung erfassen, indem Sie sich zum Beispiel eine Zirkusmanege bildlich vorstellen, mit Elefanten oder Trapezkünstlern; Sie können auch Karnevalsmusik im Ohr haben oder die kribbelnde Spannung spüren - oder Popcorn und Zuckerwatte riechen. Man kann sich die Bedeutung des Wortes also auf irgendeinem dieser sensorischen Kanäle erschließen oder in jeder beliebigen Kombination derselben. Bandler und Grindler haben beobachtet, daß man die Augen systematisch in verschiedene Richtungen bewegt, je nachdem, welche Art von Denkprozeß gerade abläuft. Diese Bewegungen heißen »eye accessing cues«.* Die Graphik auf S. 314 zeigt, welche Art von Informationsverarbeitung man leistet, wenn die Augen sich in eine bestimmte Richtung bewegen. Ein kleiner Prozentsatz von Individuen funktioniert »umgekehrt«, das heißt, sie bewegen ihre Augen spiegelbildlich zu der hier abgebildeten Graphik. Die prozeßspezifischen Augenbewegungen werden im Kapitel I von »Neue Wege der Kurzzeittherapie« behandelt, und eine tiefergehende Diskussion über Anwendungsmöglichkeiten dieses Wissens ist in »Neuro-Linguistic Programming, Vol. I« erschienen. Die Graphik läßt sich in der Praxis am einfachsten nutzen, indem * Sinngemäß könnte man im Deutschen von »prozeßspezifischen Augenbewegungen« sprechen. (Anm. d. Übers.)
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K Kinästhetisch: Emotionen, taktile Empfindungen (Tastsinn) oder propriozeptive Empfindungen (die eigenen Muskelbewegungen fühlen); als Reaktion auf Fragen wie: »Wie fühlt man sich, wenn man glücklich ist?« »Wie fühlt es sich an, wenn man einen Tannenzapfen berührt?« »Wie spürt man den eigenen Körper beim Laufen?«
man sie im Geiste vor das Gesicht der betreffenden Person projiziert, so daß man, wenn die Person in eine bestimmte Richtung schaut, die Bezeichnung dieser Augenbewegung visualisieren kann. VE Visuell - erinnernd: Jemand vergegenwärtigt sich Bilder von etwas, was er schon einmal gesehen hat, und zwar so, wie er es von früher kennt. Eine Frage, die solche Verarbeitungsprozesse bewirkt, wäre zum Beispiel: »Welche Farbe haben die Augen Ihrer Mutter?« »Wie sieht Ihr Mantel aus?« VK Visuell - konstruktiv: Visuelle Vorstellungen von etwas, was man noch nie gesehen hat; oder man sieht etwas anders, als man es bisher kennt. Fragen, die diese Verarbeitungsweise , bewirken, wären: »Wie würde denn ein orangefarbenes Nilpferd mit purpurroten Punkten aussehen?« »Wie würden Sie aussehen, wenn man Sie von der anderen Seite des Zimmers anschaut?« AE Auditiv - erinnernd: Man erinnert sich an Geräusche, die man schon einmal gehört hat, etwa auf Fragen wie: »Was habe ich als Letztes gesagt?« »Wie klingelt Ihr Wecker?« K A Auditiv - konstruktiv: Man stellt sich Geräusche vor, die man vorher noch nie gehört hat, als Reaktion auf Fragen wie: »Wie würde es sich anhören, wenn Klatschen in Vogelgezwitscher übergeht?« oder: »Wie würde Ihr Name klingen, wenn man ihn rückwärts liest?« D A Auditiv - digital: Dialoge mit sich selbst. Als Reaktion auf Fragen wie: »Sagen Sie etwas zu sich selbst, was Sie sich schon öfter gesagt haben.« »Sagen Sie >Die Bürgschaft auf.« 314
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Anhang II: Hypnotische Sprachmuster Das Milton-Modell
M ilton Erickson setzte bei seiner Hypnose-Arbeit die Sprache sehr systematisch und oft auf recht ungewöhnliche Weise ein. Diese Sprachmuster sind erstmalig von R. Bandler und J. Grinder in ihrem Buch »Patterns of the Hypnotic Techniques of Milton Erickson, M. D., Vol. I« beschrieben worden. Das »Milton-Modell« ist Voraussetzung für wirksame hypnotische Kommunikation, und bei allen unseren Induktionsbeispielen haben wir diese Sprachmuster verwendet. Viele Leser werden die hypnotischen Sprachmuster unbewußt zu lernen beginnen, wenn sie die vielen Induktionsbeispiele im vorliegenden Buch lesen. Dieser Anhang macht solche Sprachmuster explizit, so daß man die Anwendung eines bestimmten Musters bewußt üben kann, um eins nach dem anderen systematisch in das eigene Verhalten inkorporieren zu können. I. Die Umkehrung von Sprachmustern des Meta-Modells Das Milton-Modell ist oft als Umkehrung des Meta-Modells bezeichnet worden. Eine vollständige Beschreibung des Meta-Modells findet sich in »Die Struktur der Magie, Bd. I«, und eine ausgezeichnete zwölfseitige Zusammenfassung gibt es im Anhang von »And They Lived Happily Ever After« von Leslie CameronBandler. Das Meta-Modell besteht aus einer Reihe von Sprachmustern, mit denen man das Erleben spezifizieren kann. Im Gegensatz dazu gibt das Milton-Modell dem Benutzer die Möglichkeit, »auf kunstvolle Weise vage und unbestimmt« zu bleiben. Damit kann der Kommunikator Aussagen machen, die spezifisch klingen, aber doch allgemein genug sind, um das Erleben des Hörers adäquat zu begleiten, egal, um was es sich handelt. Das Meta-Modell bietet Möglichkeiten, Einzelinformationen, die in irgendeinem 316
Satz weggelassen sind, wieder zugänglich zu machen; das MiltonModell gibt uns die Möglichkeit, Sätze zu bauen, in denen fast alle spezifischen Informationen getilgt sind.* Das verlangt vom Hörer, daß er die Leerstellen seinerseits mit eigenem inneren Erleben ausfüllt. Das Meta-Modell kann zweckdienlich in drei Abschnitte eingeteilt werden: A. Informationen sammeln, B. Semantische Fehlgeformtheiten (Semantic ill-formedness)** und C. Einengung durch Vorgabe des Sprechers (Limits of the speaker's model). A. Informationen sammeln Beim Milton-Modell wird dieser Teil als »Informationen weglassen« bezeichnet. Er ist der für hypnotische Zwecke wichtigste der drei Abschnitte. Im Folgenden werden seine vier Unterkategorien dargestellt. 1. Nominalisierungen. Nominalisierungen sind Wörter, die im Satz die Stelle eines Nomens einnehmen, aber sie sind unkonkret man kann das, was sie benennen, nicht anfassen, spüren oder hören. Ob es sich um eine Nominalisierung handelt, stellt man fest, indem man fragt: »Kann man es in eine Schubkarre tun?« Wenn das Wort ein Nomen ist und man es nicht in eine Schubkarre pakken kann, dann ist es eine Nominalisierung. Wörter wie Neugier, Hypnose, Lernen und so weiter sind Nominalisierungen. Sie werden als Nomina benutzt, sind aber eigentlich Verlaufsformen (process words). Immer wenn man eine Nominalisierung benutzt, wird sehr viel an Information weggelassen. Wenn ich sage: »Emily hat ein umfangreiches Wissen«, dann lasse ich weg, was sie weiß und wie sie es weiß. Bei Hypnose-Induktionen sind Nominalisierungen sehr nützlich, denn sie erlauben dem Sprecher, vage zu bleiben, und verlangen vom Hörer, daß er die passendsten Bedeutungen in seinem eigenen Erleben sucht. In Milton Ericksons Induktionen wimmelt es geradezu von Nominalisierungen. * i. 0.: »deletion«; in »Struktur der Magie« mit »Tilgung« übersetzt, was hier übernommen wurde. Das Verb »to delete« wurde allerdings zuweilen auch mit »weglassen« übersetzt. (Anm. d. Übers.) ** Ebenfalls aus der Übersetzung von »Struktur der Magie« wurde der Begriff »Fehlgeformtheit« (Ill-formedness) übernommen. (Anm. d. Übers.)
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Im folgenden Beispiel sind die Nominalisierungen kursiv gedruckt: »Ich weiß, daß es in Ihrem Leben bestimmte Schwierigkeiten gibt, für die Sie gern eine befriedigende Lösung finden würden... und ich bin mir nicht sicher, welche persönlichen Fähigkeiten Ihnen am meisten helfen würden, diese Schwierigkeiten zu lösen, aber ich weiß, daß Ihr Unbewußtes besser als Sie in der Lage ist, Ihre emotionalen Erfahrungen nach genau dieser Fähigkeit zu durchsuchen...« In diesem Absatz wird nichts Inhaltliches erwähnt, aber wenn solche Aussagen gegenüber einem Klienten gemacht werden, der gekommen ist, weil er ein bestimmtes Problem lösen möchte, wird dieser den benutzten Nominalisierungen spezifische persönliche Bedeutungen geben. Beim Gebrauch von Nominalisierungen kann der Hypnotiseur sinnvolle Instruktionen geben - ohne Gefahr zu laufen, etwas zu sagen, was dem inneren Erleben des Klienten zuwiderläuft. 2. Unbestimmte Verben (Unspecified Verbs). Kein Verb erfaßt alle Einzelheiten der genannten Tätigkeit, aber ein Verb kann mehr oder weniger spezifisch sein. Wenn ein Hypnotiseur relativ unspezifische Verben benutzt, muß wiederum der Hörer, um den Satz zu verstehen, die Bedeutung selbst einsetzen. Wörter wie festmachen an, bewegen, lösen, verändern, denken, spüren, wissen, erleben, verstehen, erinnern, wahrnehmen, tun sind relativ unspezifisch. Wenn ich sage: »Ich möchte, daß Sie lernen«, benutze ich das Verb sehr unbestimmt, denn ich erkläre weder wie noch was Sie lernen sollen. 3. Unbestimmter Inhaltsbezug (Unspecified Referential Index). Das bedeutet, daß das Nomen, zu dem der Satz eine Aussage macht, nicht spezifiziert ist. »Man kann sich entspannen.« »Das kann man leicht lernen.« »Sie können eine bestimmte Empfindung spüren.« Aussagen wie diese machen den Hörer geneigt, den Satz, um ihn zu verstehen, einfach auf sich selbst zu beziehen.
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4. Tilgung (Deletion). Diese Kategorie beinhaltet Sätze, in denen ein substantivischer Ausdruck völlig fehlt. Zum Beispiel: »Ich weiß, daß Sie neugierig sind.« In diesem Satz fehlt das Objekt völlig. Der Hörer weiß nicht, auf was er neugierig sein soll. Und wieder kann er die Leerstellen mit dem ausfüllen, was seinem Erleben nach relevant ist. B. Semantische Fehlgeformtheit 1. Kausalitäten oder Verknüpfungen schaffen (Causal Modeling, or Linkage). Man benutzt Wörter, die eine Ursache-Wirkung-Beziehung implizieren, und zwar zwischen etwas, das bereits der Fall ist und etwas anderem, was der Kommunikator beabsichtigt. Das legt dem Zuhörer nahe, so zu reagieren, als ob das eine tatsächlich das andere »verursacht«. Es gibt drei Arten von Verknüpfungen mit unterschiedlichen Intensitätsgraden. a) Die schwächste Art sind Konjunktionen, mit denen man Dinge, die sonst nicht miteinander zusammenhängen, verbindet. »Sie hören den Klang meiner Stimme, und Sie beginnen, sich zu entspannen.« »Sie atmen ein und aus, und Sie sind neugierig, was Sie wohl lernen werden.« b) Bei der zweiten Art von Verknüpfungen benutzt man Wörter wie während, wenn, indem, um Aussagen anhand eines zeitlichen Zusammenhanges miteinander zu verbinden. »Während Sie so dasitzen und lächeln, können Sie langsam in Trance fallen.« »Indem Sie sich vor und zurück wiegen, können Sie sich mehr und mehr entspannen.« c) Die dritte und stärkste Art von Verknüpfung benutzt Wörter, die explizit Kausalität konstatieren: Wörter wie bewirken, verursachen, zwingen, erfordern. »Ihr Kopfnicken wird bewirken, daß Sie sich noch besser entspannen. « Bitte beachten Sie: Bei allen Verknüpfungsarten beginnt der Sprecher mit etwas, was bereits auftritt und verbindet damit etwas, was er herbeiführen möchte. Der Kommunikator arbeitet am effektivsten, wenn er mit der schwächsten Verknüpfungsart beginnt und stufenweise zu den stärkeren übergeht. 319
Diese Verknüpfungen funktionieren so, daß sie implizieren oder feststellen, daß das, was bereits geschieht, etwas anderes verursachen wird, und indem sie für den Zuhörer einen gleitenden Übergang zwischen dem schaffen, was bereits ist, und dem, was als neues Erleben auftreten soll. Kapitel I und II dieses Buches enthalten detailliertere Angaben zum Gebrauch der kausalen Verknüpfungen.
2. Modalwörter (Modal Operators). Begriffe wie sollte, müssen, etwas nicht können signalisieren die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit. »Haben Sie bemerkt, daß Sie Ihre Augen nicht öffnen können"!«
2. Gedankenlesen (Mind-Reading). Man kann seine Glaubwürdigkeit als Hypnotiseur festigen, indem man sich verhält, als ob man über das innere Erleben einer anderen Person Bescheid wüßte - solange man beim »Gedankenlesen« bei allgemein gehaltenen Formulierungen bleibt. Wenn man nicht dabei bleibt, besteht die Gefahr, daß man etwas sagt, was im Widerspruch zum Erleben des Zuhörers steht, und dann verliert man den Rapport. »Sie fragen sich vielleicht, was ich als Nächstes sagen werde.« »Sie möchten gern mehr über die Hypnose erfahren.«
Zusätzlich zu den Umkehrungen des Meta-Modells umfaßt das Milton-Modell noch andere Sprachmuster; das wichtigste ist der Gebrauch von Vorannahmen.
II. Weitere Elemente des Milton-Modells
A. Vorannahmen (Presuppositions)
Dieser Teil des Meta-Modells ist im Milton-Modell der am wenigsten wichtige. Seine zwei Kategorien kann man benutzen, um die Vorstellung des Zuhörers in einer Weise einzuengen, die die Trance und andere Ziele begünstigt.
Wenn man erkennen will, was als Vorannahme in einen Satz eingeht, ohne offen erwähnt zu werden, so kann man den Satz verneinen und dann prüfen, was nach wie vor zutrifft. Die einfachste Art von Vorannahmen sind die von der Existenz eines Phänomens. In dem Satz »Hans hat die Äpfel gegessen« wird vorausgesetzt, daß Hans und die Äpfel existieren. Wenn man den Satz verneint und sagt: »Nein, Hans hat die Äpfel nicht gegessen«, wird nach wie vor nicht in Frage gestellt, daß Hans und die Äpfel existieren. Vorannahmen sind höchst wirkungsvolle Sprachmuster, mit denen der Kommunikator das postulieren kann, was er nicht in frage gestellt haben möchte. Im allgemeinen geht man dabei so vor, daß man dem anderen etliche Alternativen anbietet, wobei jedoch die Reaktion, die man beabsichtigt, bei allen Alternativen als gegeben postuliert wird. Es folgen Beispiele für die Kategorien von Vorannahmen, die speziell bei der Arbeit mit Hypnose besonders nützlich sein können. Im Anhang des Buches »Patterns of the Hypnotic Techniques..., Vol. I« finden Sie eine komplette Liste dieser Kategorien von Vorannahmen.
1. Universelle Quantifizierungen (Universal Quantifiers). Wörter wie alle, jeder, immer, nie, niemand sind generalisierende Quantifizierungen; sie signalisieren (in der Regel unzulässige) Verallgemeinerungen (overgeneralizations). »Jeder Gedanke, den Sie haben, hilft Ihnen, tiefer in Trance zu fallen.«
1. Temporale Nebensätze. Sie beginnen mit Wörtern wie bevor, nachdem, während, seit, wenn und so weiter. »Möchten Sie sich setzen, bevor Sie in Trance fallen?« Das lenkt die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf die Frage, ob er sich setzen will oder nicht, während vorausgesetzt wird, daß er auf jeden Fall in Trance fallen wird.
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3. Anonyme Performanz (Lost Performative). Bewertende Aussagen, in denen die Person, welche die Aussage macht, ungenannt (anonym) bleibt, sind anonyme Performanzen. Aussagen in Form anonymer Performanzen sind eine ausgezeichnete Möglichkeit, Vorannahmen einzubringen, etwa wie im folgenden Beispiel: »Es ist gut, daß Sie sich so schnell entspannen können.« »Es ist nicht wichtig, daß Sie sich in den Sessel sinken lassen.« C. Einengung durch Vorgabe des Sprechers
»Ich würde gern etwas mit Ihnen durchsprechen, bevor Sie dieses Projekt zu Ende führen.« Es wird also vorausgesetzt, daß Sie das Projekt zu Ende führen werden.
»Wie leicht fällt es Ihnen, sich zu entspannen?« Daß Sie sich entspannen können, ist die Vorannahme. Die Frage ist nur, wie leicht Ihnen das fällt.
2. Ordnungszahlen. Begriffe wie noch ein, zuerst, zweitens, drittens und so weiter weisen auf eine Reihenfolge hin. »Vielleicht sind Sie neugierig, welche Seite Ihres Körpers sich zuerst entspannen wird.« Dabei wird vorausgesetzt, daß sich beide Seiten des Körpers entspannen werden - es ist nur die Frage, welche zuerst.
6. Wechselnder Gebrauch von Verben und Adverbien der Zeit. Beginnen, beenden, aufhören, anfangen, fortfahren, voranschreiten, schon, jedoch, noch, sonst noch, weiter und andere. »Und Sie können sich weiter entspannen« setzt voraus, daß Sie bereits entspannt sind. »Sind Sie noch an Hypnose interessiert?« Als Vorannahme geht ein, daß Sie in der Vergangenheit an Hypnose interessiert waren.
3. Verwendung von »oder«. Mit dem Wort oder kann man die Vorannahme einbringen, daß zumindest eine von mehreren Alternativen verwirklicht wird. »Ich weiß nicht, ob Ihre rechte oder linke Hand sich mit unbewußten Bewegungen heben wird.« Vorausgesetzt wird, daß sich eine Hand heben wird - ich weiß nur nicht, welche. »Möchtest du dir die Zähne lieber vor dem Baden oder hinterher putzen?« Daß das Kind badet und sich die Zähne putzt, wird von vornherein angenommen - die Frage ist nur, in welcher Reihenfolge. 4. Verben des Wahrnehmens. Wörter wie wissen, gewahr werden, wahrnehmen, erkennen, (be)merken kann man benutzen, um den Rest des Satzes als vorausgesetzt anzunehmen: Die Frage ist nur, ob der Zuhörer merkt, auf was Sie hinauswollen. »Merken Sie, daß Ihr Unbewußtes schon zu lernen beginnt?« »Wußten Sie, daß Sie schon oft in Ihrem Leben in Trance gefallen sind?« »Haben Sie bemerkt, wie einladend dieses Gemälde Ihr Wohnzimmer wirken läßt?« 5. Adverbien und Adjektiva. Mit Hilfe dieser Wörter kann der Hauptsatz in einer Aussage zur Vorannahme werden. »Sind Sie gespannt auf den Trancezustand, den Sie entwikkeln?« Daß Sie einen Trancezustand entwickeln, wird vorausgesetzt; die Frage ist nur, ob Sie darauf gespannt sind oder nicht. »Sind Sie tief in Trance?« Vorausgesetzt wird, daß Sie in Trance sind. Die Frage ist bloß, ob die Trance tief ist oder nicht. 322
7. Kommentierende Adjektiva und Adverbien. Glücklicherweise, zum Glück, unbeabsichtigt, freudig, notwendigerweise und andere. »Glücklicherweise brauche ich nicht genau zu wissen, was Sie wollen, um Ihnen helfen zu können, es zu bekommen.« Vorausgesetzt wird alles, was nach dem ersten Wort folgt. Wenn man mehrere Vorannahmen in einem Satz unterbringt, steigert das ihre Wirkung enorm. Je mehr im voraus angenommen ist, desto schwieriger ist es für den Zuhörer, den Satz auseinanderzunehmen und irgendeine der Vorannahmen in Frage zu stellen. Einige der oben angeführten Sätze enthalten verschiedene Arten von Vorannahmen zugleich, und das sind die wirksamsten Sätze. Der folgende Satz ist ein Beispiel, wie man mehrere Vorannahmen kombiniert einsetzen kann. »Und ich weiß nicht, wie schnell sie bemerken werden, was Ihr Unbewußtes bereits alles gelernt hat, denn Sie brauchen es nicht zu wissen, bevor Sie sich ganz bequem entspannt haben und dem anderen Ich erlaubt haben, etwas Neues, Sinnvolles und Erfreuliches zu lernen.« B. Sprachmuster zur indirekten Auslösung von Reaktionen (Indirect Elicitation Patterns) Die nächste Gruppe von Sprachmustern des Milton-Modells ist besonders hilfreich, wenn man eine bestimmte Reaktion indirekt, also ohne sie offen zu verlangen, hervorrufen will. 323
1. Versteckte Befehle (Embedded Commands). Statt direkter Instruktionen kann der Hypnotiseur seine Anweisungen in ein längeres Satzgefüge einbetten. »Und während Sie so dasitzen, entspannen Sie sich.« »Ich glaube, bald können Sie spüren: Es geht Ihnen besser.« Wenn man die Anweisungen in ein längeres Satzgefüge einbaut, kann man sie behutsamer und gefälliger anbringen; der Zuhörer wird gar nicht bewußt wahrnehmen, daß ihm Anweisungen gegeben wurden. Die oben angeführten Aussagen wirken viel eingängiger, als wenn Sie die Anweisungen isoliert geben würden: »Entspannen Sie sich.« »Es geht Ihnen besser.« 2. Analoges Markieren/Hervorheben (Analogue Marking). Versteckte Befehle sind besonders wirksam-, wenn sie gleichzeitig analog hervorgehoben werden. »Analoges Markieren« bedeutet, daß man die Worte der Anweisung vom übrigen Satz abhebt, und zwar mit Hilfe eines bestimmten nonverbalen Verhaltens. Man kann die Stimme beim Sprechen der Anweisung anheben oder auch vorher und nachher eine Pause machen; eine Veränderung der Stimmlage, eine Geste mit der Hand oder ein Anheben der Augenbrauen bewirken dasselbe. Man kann jedes für den anderen wahrnehmbare Verhalten einsetzen, um einer gesprochenen Anweisung besondere Aufmerksamkeit zu sichern. Die andere Person braucht die Hervorhebung nicht bewußt zu registrieren; im Gegenteil, die Reaktion erfolgt in der Regel vollständiger, wenn Ihre Hervorhebung wohl wahrgenommen, aber nicht bewußt als solche erkannt wurde.
über das Interesse des Sprechers eingebettet. Dies ist eine sehr behutsame und eingängige Möglichkeit, Informationen zu sammeln. 4. Verneinte Befehle (Negative Commands). Wenn ein Befehl in verneinter Form gegeben wird, wird im allgemeinen auf seine bejahte Form reagiert. Wenn zum Beispiel jemand sagt: »Denken Sie nicht an rosa Punkte«, dann müssen Sie an rosa Punkte denken, um den Satz zu verstehen. In der primären Erfahrung des Sehens, Hörens und Empfindens gibt es keine Negation. Sie existiert nur in der sekundären Erfahrung, in symbolischen Repräsentationen wie Sprache und Mathematik. Verneinte Befehle kann man wirkungsvoll einsetzen, indem man das, was man herbeiführen will, sagt und ein nicht einfügt. »Ich möchte nicht, daß Sie sich allzu wohl fühlen.« »Sie sollten nicht zuviel Vergnügen daran finden, verneinte Befehle anzuwenden.« Im allgemeinen wird der Zuhörer so reagieren, daß er erlebt, wie es ist, sich wohlzufühlen oder Vergnügen daran zu finden, verneinte Befehle anzuwenden und auf diese Weise diesen Satz zu verstehen.
3. Versteckte Fragen (Embedded Questions). Auch Fragen können, genau wie Befehle, in eine komplexere Satzstruktur eingebettet werden. »Es würde mich interessieren, was Sie sich von der Hypnose versprechen.« »Ich würde gern wissen, was Sie trinken möchten.« Normalerweise werden die Leute die im ersten Beispielsatz eingebaute Frage (»Was versprechen Sie sich von der Hypnose?«) beantworten, ohne daß Ihnen bewußt wird, daß diese Frage nicht direkt gestellt wurde. Der Angesprochene kann sich nicht weigern, die Frage zu beantworten, denn sie ist in eine Feststellung
5. Konversationspostulate (Conversational Postulates). Konversationspostulate sind Ja/Nein-Fragen, die statt einer Antwort normalerweise eine bestimmte Reaktion bewirken. Wenn Sie zum Beispiel auf der Straße jemanden ansprechen und fragen: »Können Sie mir sagen, wie spät es ist?« wird der Angesprochene im allgemeinen nicht mit Ja oder Nein antworten, sondern Ihnen sagen, wie spät es ist. Wenn Sie jemanden fragen: »Weißt du, was es heute abend im Fernsehen gibt?« wird er Ihnen wahrscheinlich sagen, was im Programm steht, und nicht nur mit Ja oder Nein antworten. Wenn Sie solche Fragen formulieren wollen, überlegen Sie zuerst, welche Reaktion Sie beabsichtigen. Nehmen wir als Beispiel folgenden Fall: Sie möchten, daß der andere die Tür schließt. Als nächstes bestimmen Sie mindestens eine Tatsache, die zutrifft, falls die andere Person die Tür schließt. Mit anderen Worten: Sie finden heraus, was das beabsichtigte Ergebnis als Vorannahme impliziert. In diesem Fall setzt es voraus, daß a) der andere
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in der Lage ist, die Tür zu schließen, und b) die Tür im Moment offen ist. Beim dritten Schritt nehmen Sie eine dieser Voraussetzungen und wandeln sie in eine Ja/Nein-Frage um. »Können Sie die Tür schließen?« »Ist die Tür offen?« Nun haben Sie eine Frage, die Ihnen normalerweise eine Reaktion bringt, ohne daß Sie diese direkt gefordert hätten. 6. Mehrdeutigkeit (Ambiguity). Mehrdeutigkeit entsteht, wenn ein Satz, Satzteil oder Wort mehr als eine mögliche Bedeutung hat. Mehrdeutigkeit ist ein wichtiges Instrument, um jene leichte Verwirrung und Desorientierung zu bewirken, die bei der Induktion veränderter Bewußtseinszustände sehr hilfreich sein kann. In einer normalen Konversation zählen mehr die eindeutigen Aussagen, in der Hypnose ist oft das Gegenteil der Fall. Jede Mehrdeutigkeit veranlaßt den Zuhörer, eine Botschaft (anstatt nur einmal) innerlich mehrfach zu verarbeiten. Das verlangt vom Zuhörer aktive Teilnahme am Prozeß der Bedeutungsgebung, und das erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Bedeutung ihm angemessen ist. Zudem ist wahrscheinlich, daß eine oder mehrere Bedeutungen auf der unbewußten Ebene verbleiben. Die ersten vier Sprachmuster, die in diesem Anhang beschrieben wurden (Nominalisierung, bestimmte Verben, unbestimmter Inhaltsbezug und Tilgung), dienen alle dazu, die Mehrdeutigkeit einer Aussage zu erhöhen. a) Phonologische Mehrdeutigkeit, Homonyme (Phonological ambiguity): Wörter, die gleich klingen, aber unterschiedliche Bedeutungen haben, schaffen eine phonologische Mehrdeutigkeit.* Dazu gehören Wörter wie right/write/rite; Heye; insecurity/in security; red/read; there/their/they're; weigkt/wait; knows/nose; herel hear.** Folgende Wörter haben trotz gleicher Schreibweise und Aussprache zwei Bedeutungen: left, duck, davon, light. Weitere phonologische Mehrdeutigkeiten gibt es bei Wörtern, * Das deutsche »Teekesselchen«-Spiel beruht darauf. (Anm. d. Übers.) ** Die Beispiele aus dem Original wurden hier beibehalten, um deutlich zu machen, daß dieses Phänomen wegen der großen Unterschiede zwischen Schriftbild und Aussprache im Englischen einen ganz anderen, größeren Stellenwert hat als im Deutschen. (Anm. d. Übers.)
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die entweder als aktives Verb (»Lift your arm«) oder als nominalisiertes Verb (»Give me a lift«) verwendet werden können. Andere Beispiele sind: push, pull, point, touch, rest, nod, move, talk, hand, feel. Wörter mit phonologischer Mehrdeutigkeit können in Kombination mit anderen analog markiert werden und eine versteckte Zusatzbotschaft bilden. Zum Beispiel: »I know how dose you are to understanding now the meaning of trance.« Die analog markierte Botschaft lautete: »eye dose now«. b) Syntaktische Mehrdeutigkeit (Syntactic ambiguity): Ein klassisches Beispiel für syntaktische Mehrdeutigkeit ist der Satz: »Hypnotizing hypnotists can be tricky.« Dieser Satz bedeutet entweder, daß Hypnotiseure, die die Hypnose ausüben, vertrackte Leute sein können, oder daß es eine kniffelige Angelegenheit ist, Hypnotiseure in Trance zu versetzen. Folgender Satz hat die gleichen Eigenschaften: »They were milking cows.« Das Pronomen »they« kann sich entweder auf die Kühe selbst oder aber auf Menschen beziehen, die die Kühe melken. Diese Art von Vieldeutigkeit entsteht durch ein transitives Verb, das durch die ing-Endung erweitert und vor dem Substantiv plaziert ist. Verb + ing können dann entweder als Adjektiv oder als Verb verstanden werden.* c) Mehrdeutigkeit des Satzbezugs (Scope ambiguity): Diese Mehrdeutigkeit besteht, wenn es unklar ist, auf wieviele Teile des Satzes ein Adjektiv, Verb oder Adverb sich bezieht. »Wir begleiten die charmanten Herren und Damen«, das kann heißen: Wir gehen mit den charmanten Herren und den Damen (die charmant sind oder nicht), oder: Wir begleiten die charmanten Herren und die charmanten Damen. »Ich weiß nicht, ob Sie bald bemerken werden, daß Sie hier ganz bequem sitzen, dem Klang meiner Stimme zuhören und in eine tiefe Trance gleiten, nur so schnell, wie es Ihr Unbewußtes möcht e . . . « Hier ist es unklar, ob das Verb »bemerken« sich auf den ganzen Satz oder nur den Teil vor dem »und« bezieht. Wenn sich * Da es für die ing-Form im Deutschen nur die partizipiale end-Form des Verbs als Quasi-Entsprechung gibt, diese allerdings durch Endungen ihren Bezug spezifiziert, kann diese Konstruktion nicht ins Deutsche übernommen werden. (Anm. d. Übers.)
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»bemerken« auf den ganzen Satz bezieht, ist alles, was darauf folgt, eine Vorannahme. d) Interpunktions-Mehrdeutigkeit (Punctuation ambiguity): Diese Art von Mehrdeutigkeit entsteht, wenn man zwei Sätze aneinanderreiht, die mit demselben Wort enden beziehungsweise beginnen. »Und Sie hören, meine Stimme wird immer tiefer fallen Sie in Trance.« Hier ist das Wort »tiefer« das Ende vom ersten und der Anfang vom zweiten Satz. »Das ist richtig entspannt genießen Sie die innere Ruhe.«* C. Metaphorische Sprachmuster Diese letzte Gruppe von Sprachmustern ist besonders bei metaphorischer Kommunikation, aber auch bei anderen Arten von Hypnose wirksam. Es gibt noch viele andere solcher Muster, die zu einem erfolgreichen Geschichten-Erzählen gehören. Die beiden folgenden jedoch werden in der Regel als Bestandteile des MiltonModells verstanden.
2. Zitate (Quotes). Dieses Sprachmuster entsteht, indem man irgendeine Aussage, die man dem anderen gegenüber machen will, so formuliert, als ob man darüber berichtet, daß es jemand anders bei einer anderen Gelegenheit einmal gesagt habe. Zitate dienen dazu, eine Botschaft zu senden, ohne für den Inhalt die Verantwortung zu übernehmen. Da man ja offensichtlich von etwas spricht, was jemand anders an anderer Stelle gesagt hat, wird der Zuhörer oft auf die Botschaft reagieren, aber nicht bewußt wahrnehmen, worauf er reagiert oder wer für diese Botschaft verantwortlich ist. Sie können jemandem von einem Klienten Ericksons erzählen, der ernsthaft etwas über Hypnose lernen wollte. Er hörte, was Erickson über die Hypnose erzählte und meinte, er wisse jetzt Bescheid. Dann drehte sich Erickson zu ihm um und sagte sehr betont: »Sie werden erst dann wirklich Bescheid wissen, wenn Sie jeden einzelnen Schritt gründlich geübt haben.«
1. Punktuelle Grenzüberschreitungen (Selectional Restriction Violations). Darunter versteht man die Zuweisung von Eigenschaften an jemanden oder etwas, der oder das seiner Bezeichnung nach diese Eigenschaft nicht besitzen kann. Wenn ich zum Beispiel von einem Felsen spreche, der sehr traurig war, oder von einem Mann, der schwanger ist, verletze ich damit gewisse logische Grenzen, denn Felsen können keine Gefühle empfinden und Männer nicht schwanger werden. Der Zuhörer muß auf irgendeine Weise solchen Aussagen einen Sinn abgewinnen. Wenn ich über die Erlebnisse des traurigen Felsen spreche und über die Veränderungen, die er durchmachte, wird der Zuhörer wahrscheinlich in der Weise einen Sinn daraus ziehen, daß er die Geschichte auf sich selbst bezieht. »Ein Felsen kann nicht traurig sein - also muß es um mich gehen.« Dieser Prozeß läuft nicht bewußt ab, es ist eine automatische Entschlüsselung dessen, was der andere sagt. * i. O.: »That's right now you've already begun to relax« und »I'm speaking clearly to make sure that you can hear you are, in the process of hypnosis«. (Anm. d. Übers.)
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