Paul Reinbacher Wissensdynamik in Communities
VS RESEARCH
Paul Reinbacher
Wissensdynamik in Communities Sozialkapi...
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Paul Reinbacher Wissensdynamik in Communities
VS RESEARCH
Paul Reinbacher
Wissensdynamik in Communities Sozialkapital und seine Wirkung auf die Lernfähigkeit sozialer Systeme
Mit Geleitworten von Prof. Dr. Ursula Schneider und Prof. Dr. Helmut Staubmann
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Graz, 2007 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Universität Graz.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Christina M. Brian / Dr. Tatjana Rollnik-Manke VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16070-2
Müsset im Naturbetrachten Immer eins wie alles achten: Nichts ist drinnen, nichts ist draußen Denn was innen, das ist außen Johann Wolfgang von Goethe
Meinen Eltern in Dankbarkeit
Geleitwort
Zum Zeitpunkt, als der Autor, Paul Reinbacher sich dem Thema zuwandte, standen nach einer ersten Phase der mit positiven Erwartungen unterlegten Beschreibung von Communities of practice zwei Arbeitsschritte an: Zum einen eine theoriegeleitete Überprüfung eben jener impliziten und geradezu euphorischen Erwartungen, mit denen das Konzept damals sehr intensiv gehandelt wurde. Es galt die Unterstellung einer lebendigen Wissens- und Lerndynamik in Communities auf logische und vor allem auf psycho-logische Konsistenz zu prüfen. Zum anderen war eine empirische Überprüfung der in den Erwartungen vorweggenommenen Wirkungen von Communities nahe liegend. Paul Reinbacher tat den ersten Schritt vor dem zweiten, um nicht zur Menge der oberflächlichen Hypothesentests beizutragen, die auf ökonomisch wie geistig kaum verantwortbare Weise in Empirie einsteigen, ehe die vermuteten Zusammenhänge ausreichend geklärt und ihrer Komplexität entsprechend modelliert sind. Dabei waren zunächst der Begriff der organisationsinternen Community als eines teils emergenten, teils auf Steuerung beruhenden Zwischenphänomens zwischen formaler und informaler Organisation zu klären und bisherige, meist anekdotische empirische Evidenzen zu sichten. Die Interpretation von Communities of practice als kommunikationsbasierte soziale Systeme erlaubte dem Verfasser im nächsten Schritt ein »altes« Phänomen mit »neuen« Augen zu sehen. Statt gleich die Frage zu stellen, ob in halb-formellen Gruppen, die sich mit gemeinsamen Problemen, Fachgebieten und Interessen beschäftigen, Wissen eher ausgetauscht, vermehrt oder radikal verändert wird, traf er zunächst die Unterscheidung der kognitiven und affektiven Koppelung durch Kommunikationen in Communities. Dadurch konnte er eine weitere Unterscheidung vornehmen. Das Verhältnis zwischen Wissens- und Sozialkapital, kognitiven und affektiven Relationen kann im Extrem zur inhaltlichen Konservativität (Nicht-Lernen), aber auch zu radikalem Veränderungslernen beitragen. Am einen Ende des Verhaltensrepertoires steht demgemäß Lernabwehr auf Basis von Sozialkapital als Verfestigung von Wissensstrukturen, als Dissonanzabwehr und als Präferenz für konsonante Reize. Neuankömmlinge werden in diesem Fall in die Community sozialisiert, können deren Identität aber kaum beeinflussen. Am anderen Ende hingegen findet Ver-
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Geleitwort
änderungslernen auf Basis einer affektiven Selbststeuerung statt, die ausreichend Sicherheit bietet, die Komplexität dissonanter Überlegungen zu bearbeiten. Erst, als er mit diesem differenzierten Modell ausgestattet war, trat der Verfasser in einen empirischen Fall ein, in welchem er Evidenz für beide Extreme erkennen konnte. Offenbar muss die Betrachtung des Phänomens Community of practice feinkörniger erfolgen, als in den meisten akademischen Aufsätzen und in den Verkaufsargumenten von Beratern, die mit einem nicht wirklich neuen, aber begrifflich-methodisch neu aufpolierten Konzept Geschäfte tätigen. Das vorliegende Buch bietet diese feinkörnige Betrachtung. Es bereitet neues Terrain auf, indem es die affektive Komponente von Interessengemeinschaften in Verbindung mit der ihnen zugeschriebenen Wissens- und Lerndynamik betrachtet. Im Ergebnis kann die Forschungsfrage nach den Wissensfunktionen von Communities differenziert beantwortet werden: Sie können der Wissensweitergabe dienen und damit vorhandene Wissensstrukturen konservieren. Sie können diese Strukturen aber auch verändern und innovieren, wenn das vorhandene Sozialkapital genügend Nestwärme bietet, kognitive Sicherheiten in Frage zu stellen. In der Praxis dürfen diese Funktionen also nicht von der bloßen Einrichtung bzw. Existenz von Communities erwartet werden.
Ursula Schneider
Soziologisches Geleit
In wenigen Auffassungen ist sich die Soziologie so einig wie in der, dass sich die zeitgenössische Gesellschaft als eine Wissensgesellschaft charakterisieren lässt. Über diesen grundsätzlichen Befund hinaus herrscht aber wenig Konsens. Dies beginnt bereits bei begrifflichen Unsicherheiten bei der Definition von Wissen selbst und setzt sich fort in Unklarheiten in Bezug auf Fragen seiner Generierung, seiner Weitergabe oder Geheimhaltung, seiner Verwertung und insbesondere der durch Wissen induzierten Veränderungen – sei dies in Bezug auf Individuen oder auf soziale Einheiten – und den daraus resultierenden Erfolgen oder Misserfolgen. Eine Arbeit, die sich zunächst mit Blick auf empirische Bestandsaufnahme auf dieses Thema einlässt ist daher sehr schnell mit diesen Grundlagenproblemen konfrontiert. Ausgehend vom umgrenzten Thema der Wissensdynamik in »Praxisgemeinschaften« lässt sich die vorliegende Studie auf diese grundlegenden Fragen ein. Vor dem Hintergrund einer generellen Orientierung an systemtheoretischen Ansätzen beginnt die Arbeit mit dem für diese grundlegenden Thema der Beobachtung und beschreibt vor diesem Hintergrund Praxisgemeinschaften als eine Form ausdifferenzierter sozialer Systeme. Wissen und soziales Kapital können damit als emergente Phänomene von Kommunikationen als deren basale Operationen verstanden werden. Als Forschungsmethode gibt dies, wie vom Autor argumentiert wird, eine systemtheoretisch erweiterte Version qualitativer Sozialforschung zur Hand, die in reflexiven Kommunikationen die kommunikative Wirklichkeit von Praxisgemeinschaften erschließbar macht. Die Arbeit setzt sich fort mit einer Auseinandersetzung mit dem Begriff des sozialen Wissens. In Bezug auf das Konzept der Wissensgesellschaft bringt die Option des Autors für die systemtheoretische Perspektive Luhmanns und Willkes neben einer Anschlussmöglichkeit für deren Theorie der Weltgesellschaft und der Wissenschaftsgesellschaft auch eine Klärung der Frage des operativen Einbezugs von Wissen in Organisationen und Gruppen. Letztere bilden die Orientierung für die weitere Ausarbeitung der Rolle von Wissen in Praxisgemeinschaften, da sie vom Autor quasi als Spezialfälle gesehen werden, womit das theoretische Potential systemischen Gruppenverständnisses fruchtbar gemacht werden kann.
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Geleitwort
In dem mit »Fühlen« betitelten Abschnitt geht es um eine Erweiterung des systemisch-phänomenologischen Gruppenverständnisses im Sinne affektiver Kommunikation wie dies von Gregory Bateson, Luc Ciompi und meinen an Talcott Parsons orientierten Arbeiten vorgezeichnet wurde. Diese, wie der Autor schreibt, »Versöhnung sinnhafter und affektiver Kommunikationen« ermöglicht in der Folge die Ausarbeitung eines komplexeren Verständnisses von Sozialkapital und das Verhältnis von kognitiven intellektuellen und affektiven sozialen Potentialen. Auf der Grundlage dieser Synthese von gemeinhin als disparat angesehenen Theoriesträngen erarbeitet der Autor in der Folge sein spezifisches Konzept von Praxisgemeinschaften und ein komplexes Modell der diesen inhärenten Wissensdynamik. In Auseinandersetzung mit Fragen der methodischen Umsetzung ist insbesondere der Rückgriff auf das balessche Schema der Interaktionsanalyse und die Weiterentwicklung der geertzschen »dichten« Beschreibung in die Mehrdimensionalität des erarbeiten theoretischen Modells hervorzuheben. Die methodischen Überlegungen münden in einen »Leitfaden für Beobachtungen und offen strukturierte narrative Interviews«. Er ist ein hervorragendes Beispiel für die Erstellung eines aus komplexen theoretischen Überlegungen abgeleiteten empirisch-angewandten Forschungsinstrumentes. Der Autor erbringt mit der vorliegenden Studie eine Syntheseleistung in einem sehr anspruchsvollen sozialwissenschaftlichen Theoriesegment. Der wissenschaftliche Mehrwert der daraus resultierenden Mehrdimensionalität des sozialwissenschaftlichen Blickes auf die Wissensdynamik in betrieblicher Realität konnte an einem Fallbeispiel erfolgreich demonstriert werden. Die vorliegende Studie erweist sich damit als ein wertvoller Beitrag zu einem sehr aktuellen Forschungsbereich.
Helmut Staubmann
Vorwort
Wenngleich die vorliegende Arbeit den Eindruck der Zielstrebigkeit erwecken mag, so ist sie doch eher als Dokumentation eines Prozesses zu verstehen. Ihre schließlich gefundene lineare Struktur sollte nicht über sich dahinter verbergende Schleifen, Querverbindungen und Rekursionen hinwegtäuschen, die auch Indizien für einen persönlichen Entwicklungs- und Lernprozess, für Grenzgänge zwischen betriebswirtschaftlichem und soziologischem Terrain sind. Mitunter unwegsames und unübersichtliches Gelände macht in diesem Fall WegbegleiterInnen mit ihren Erfahrungen und Ratschlägen sowie kritischen Fragen und aufmunternden Worten jeweils zur rechten Zeit umso wertvoller. Mein besonderer Dank gilt daher Prof. Ursula Schneider, denn ihr verdanke ich nicht nur die Gelegenheit zur Bearbeitung des Themas an ihrem Institut, sondern darüber hinaus die Möglichkeit seiner weitgehend unvorhergesehenen Entfaltung. Aus einer zufälligen Begegnung hat sich ein Dialog mit Prof. Helmut Staubmann (Universität Innsbruck) entwickelt, dem Arbeit und Autor durch den Hinweis auf blinde Flecken an zentraler Stelle Entscheidendes verdanken. Unterstützung hat das Vorhaben daneben durch das Institut für Soziologie an der Universität Graz mit seinen Seminaren, vor allem aber mit seinen Vertretern Prof. Acham, Prof. Angermann-Mozetic, Prof. Fleck und Prof. Gasser-Steiner, sowie mit seinem motivierenden Klima insgesamt erhalten. Ohne das Competence Center Innovation der Mondi Business Paper, hier insbesondere ohne das Engagement von Ing. Gerhard Drexler MMSc und DI(FH) Maria Tagwerker wäre es beinahe bei einer konzeptiven Arbeit geblieben. So stellt sie jedoch (entgegen allen Warnungen) den Versuch dar, systemtheoretische Konzepte mit empirischen Beobachtungen zu konfrontieren. Darin liegt vielleicht ein Grund für manche Schwierigkeit bei der Versöhnung von Anschlussfähigkeit im Inhalt mit Verständlichkeit in der Formulierung trotz zahlreicher (oft genug unberücksichtigt gebliebener) Hinweise, beispielsweise die zu Rechtschreibung und Grammatik von Mag. Iris Wolf oder jene umfassender Natur von Dr. Tatjana Rollnik-Manke, der ich auch für Ihre geduldige Begleitung der Veröffentlichung auf Seiten des VS Verlages verbunden bin.
Paul Reinbacher
Inhalt
1. Beobachten................................................................................................... 17 1.1Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen ......................................................................................... 17 1.1.1 »Es gibt« Communities of Practice .............................................. 19 1.1.2 Erschließung kommunikativer Wirklichkeiten interpretatives Paradigma ............................................................. 22 1.1.3 Was können Communities of Practice? ........................................ 36 2. Wissen .......................................................................................................... 41 2.1Wissen und Gesellschaft.......................................................................... 41 2.1.1 Wissensgesellschaft...................................................................... 42 2.1.2 Wissenschaftsgesellschaft ............................................................ 46 2.1.3 Weltgesellschaft ........................................................................... 50 2.2Wissen und andere soziale Systeme ........................................................ 54 2.2.1 Soziales Wissen ............................................................................ 55 2.2.2 Organisationen ............................................................................. 58 2.2.3 Communities ................................................................................ 67 3. Fühlen........................................................................................................... 79 3.1Sinn und Gefühl....................................................................................... 79 3.1.1 Kognition und Emotion ................................................................ 80 3.1.2 Affektive Kommunikation ........................................................... 86 3.1.3 Flexibilisierung und Inflexibilisierung (normative, kognitive, affektive Strukturierung) .............................................................. 94 3.2Emotionen und Sozialkapital ................................................................... 98 3.2.1 Soziale Strukturen und »soziales Kapital« ................................... 98 3.2.2 Soziales Kapital und seine Wirkungen ....................................... 106 3.2.3 Soziales Kapital in einem differenzierten Modell ...................... 117
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Inhalt
4. Lernen ........................................................................................................ 123 4.1Communities of Practice ....................................................................... 123 4.1.1 Practice ....................................................................................... 126 4.1.2 Community ................................................................................. 137 4.1.3 Wundermittel im Umgang mit Wissen ....................................... 144 4.2Wissensdynamik .................................................................................... 150 4.2.1 Lernen als »Sozialisation«, »Perfektion« oder »Innovation« ..... 151 4.2.2 Wissensdynamik: Lernen »von« Communities .......................... 158 4.2.3 Phänomenologie des Community-Lernens................................. 163 5. Erleben ....................................................................................................... 169 5.1Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)« .............. 169 5.1.1 Kommunizieren und Handeln .................................................... 170 5.1.2 »Dimensionen« der Kommunikation als »Inhalt« der Form ...... 173 5.1.3 Darstellung der »Sinn-haften« Strukturen als Karten................. 179 5.2Empirische Fundierung ......................................................................... 187 5.2.1 Einbettung der Empirie und Entscheidungen qualitativer Forschung ................................................................................... 188 5.2.2 Mehrdimensionalität »dichter« Beschreibungen und empirische Kartographie............................................................................... 193 5.2.3 Erwartungen und Fragen an das Feld ......................................... 202 6. Beschreiben ................................................................................................ 207 6.1Competence Center Innovation bei Mondi Business Paper ................... 207 6.1.1 Situation und »Kontext«............................................................. 210 6.1.2 Community: Identität und »Wir-Gefühl« ................................... 213 6.1.3 Practice: »Doing Being Extraordinary« ..................................... 218 6.2Ausdifferenzierte Kopplung der Kommunikationsdimensionen ........... 232 6.3Zusammenschau der Ergebnisse und Desiderate ................................... 236 7. Literatur..................................................................................................... 241
Abbildungen
Abb. 1: »Lernen« ................................................................................................ 37 Abb. 2: Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit ................................................. 39 Abb. 3: Soziale (i.S.v. Sinnbasierte) Systeme nach Luhmann ............................ 69 Abb. 4: »Sinn« und »Affekt« als Medien autopoietischer Systeme ................... 90 Abb. 5: »Sozialkapital« aus dem Sozialsystem »Community« und seine Wirkungen auf das »Wissen« ................................................................ 110 Abb. 6: Entstehung (aus positiven Affekten) und positive oder negative Wirkung (Lerneffekte) von Sozialkapital als »expressive Ordnung« .... 111 Abb. 7: Vollziehen in der autopoietischen Reproduktion Sinn-haft anschlussfähige Kommunikationen die affektive Struktur nach (links) oder verlaufen sie relativ entkoppelt (rechts)? ....................................... 116 Abb. 8: »Sozialkapital« und »Wissen«, vereinfacht und ergänzt nach Nahapiet/Ghoshal (1998)....................................................................... 120 Abb. 9: Wissen (kognitive Kommunikation) in seinen Ausprägungen und Sozialkapital (als affektive Kommunikation) (Darstellung erweitert nach Cook/Brown 1999)........................................................................ 144 Abb. 10: Lernen (in) der »Community«: Veränderung(sbereitschaft) von Erwartung(sstruktur)en .......................................................................... 148 Abb. 11: »Lernen« des sozialen Systems als Änderung enttäuschter (Erwartungs-)Strukturen ........................................................................ 153 Abb. 12: Bedingungszusammenhang zwischen »Sozialkapital« und »Wissen« bzw. »Normen« in Communities als sozialen Systemen ....................... 161 Abb. 13: Klassifikation von Reaktionen auf Umweltbeobachtungen ............... 165 Abb. 14: Interpretation der Wirkung von »Sozialkapital« auf »Wissen« (practice) mit dem Schema bzw. in der Terminologie der IPA nach Bales ...................................................................................................... 176 Abb. 15: Morphologische Systematisierung der konzeptionellen, aus systemtheoretischer Perspektive ausgearbeiteten Grundlagen zur Orientierung von Beobachtungen .......................................................... 178
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Abbildungen
Abb. 16: Schema einer möglichen graphischen Darstellung »kognitiver Karten« (mit einer homöostatischen Schleife rechts und einer morphogenetischen links) ...................................................................... 181 Abb. 17: Individuelle und kollektive Wissensbestände bzw. (dargestellt in Form von) »Karten« als kognitive Strukturen strukturell gekoppelter »psychischer« und »sozialer« Systeme ................................................. 185 Abb. 18: »Wissen« aus »kognitiv stilisierten« Kommunikationsstrukturen sozialer Systeme als Ergebnis der in »Form« von (Sprech-) Handlungen re-produzierten practice .................................................... 187 Abb. 19: Verflechtung von Theorie und Empirie in der Forschungspraxis ...... 189 Abb. 20: Funktionen der Sprache (des Sprechens) bei Foolen (1997) .............. 195 Abb. 21: Bedeutungs- und Affektgewebe als rekursive Kommunikationsvernetzungen .............................................................. 198 Abb. 22: Statik und Dynamik der practice einer Community ........................... 206 Abb. 23: Identitätssicherung durch affektive Grenzziehung und Flexibilisierung Sinn-hafter Kommunikationsdimensionen statt kontrafaktischen, normativen Beharrens ............................................... 217 Abb. 24: Doing Innovation als integrative Praxis ............................................. 218 Abb. 25: »Praxis« als Amalgam aus materiellen und immateriellen Ingredienzien ......................................................................................... 221 Abb. 26: Karte der »Sinnlandschaft« der Community zu zukünftigen Herausforderungen ................................................................................ 223 Abb. 27: Ausschnitt aus der »Sinnlandschaft« der Community: givens, means und ends................................................................................................. 224 Abb. 28: Labels in der Sinnlandschaft der Community und concepts in den individuellen Karten der Mitglieder ...................................................... 225 Abb. 29: »Wissen« der Community über Kaufentscheidungen bei Briefkuverts ........................................................................................... 229 Abb. 30: Erwartungsbestätigungen oder -enttäuschungen prägen die Interpretationen von Experiment und Ergebnis ..................................... 231 Abb. 31: Möglichkeiten der Ausdifferenzierung der Kopplung von Kommunikationsdimensionen ............................................................... 233 Abb. 32: Beispiele für sachliche Differenzierung der Kopplung zwischen den Kommunikationsdimensionen ............................................................... 234
1.
Beobachten
1.1
Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen
Aktuelle Trends in der »Wissensgesellschaft« haben Auswirkungen auf Organisationen und stellen diese vor neue Herausforderungen. Je nach zugrunde gelegtem Wissensbegriff also in Abhängigkeit davon nicht nur, ob Wissen als Objekt oder als Prozess (Schneider 1996a, 2001) verstanden wird, ob das Explizite, das Implizite oder das Tazite betont wird (Bell 1973/1976a, Castells 1996, Polanyi 1964 {1958}, 1985 {1966}, Nonaka 1994, Nonaka/Takeuchi 1995, Cook/ Brown 1999, Willke 1998, 1999, 2000, 2003 u.v.a.), sondern in erster Linie, ob es als in individuellen Köpfen (Bewusstseinen, psychischen Systemen) anzutreffen oder in kommunikationsbasierten Verflechtungszusammenhängen (d.h. sozialen Systemen i.w.S.) kollektiv entstehend und (weiter) zu entwickelnd konzeptualisiert wird unterscheiden sich dann die gewählten Antwortstrategien. Soziales Kapital als prominentes zeitgenössisches Konzept (vgl. neben den Ursprüngen bei Bourdieu 1983, 1986, 2002, 2003, Putnam 1993, 1994, 1995, 1995/ 2000, 2001 und Coleman 2000, aber vor allem auch Leenders/Gabbay 1999, Baron et al. 2000, Lesser 2000, Lin et al. 2002) kann in diesem Zusammenhang als vielversprechend für die besonders die Sozialdimension von Wissen betonenden Zugangsweisen bewertet werden, da es den traditionell (zugunsten von »Sinn-haften«) vernachlässigten und jüngst eine Renaissance erlebenden »affektiven« Dimensionen sozialer (Kommunikations-)Strukturen die diesen gebührende Aufmerksamkeit zollt. Zu diesen letzteren Annäherungen zählen die zu diesem Thema vor nunmehr über einem Jahrzehnt veröffentlichten und seitdem breit rezipierten seminal works von in erster Linie Orr (1996 {1990}, 1990), Lave/Wenger (2003 {1991}) und Brown/Duguid (1991, 1998) bzw. daran anschließend massiv beschworene und betriebene (bzw. zumindest: beabsichtigte) Unterstützungsversuche oft auch Eingriffe direkt instrumentalisierender Art von »Communities of Practice« als Beispiel für Systeme des Wissens(Selbst-)Management bottom up bzw. als Beispiel selbstorganisierender (bspw. Wolf 1997, 2003) Wissens-Kommunikation ausgehend vom grass roots level. Derartige »Communities« bilden sich zumindest nach Ansicht der vorliegen-
18
Beobachten
den Arbeit als emergentes soziales Phänomen aus Kommunikationen (als ihren basalen Operationen) in einer Art und Weise, die es ihnen ermöglicht, »Sinn-hafte« (wie »Wissen« aber auch »Normen«) und »affektive«, das heißt »Gefühl-volle« Aspekte (wie Gefühle des Vertrauens, der Solidarität und sogar der Wohltätigkeit bzw. des goodwill) nicht einseitig, sondern ausgeglichen zu behandeln und letzten Endes auch deren Wechselwirkungen zu ihrem Vorteil, also für (individuelles) Lernen sowie (kollektives) Perfektionieren und Innovieren, zu nutzen. Diese zentralen, im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehenden sozialen Phänomene bzw. Konstrukte (Konstruktionen) vor dem Hintergrund der in Publikationen1 diagnostizierten, insgesamt aber wohl eher prognostizierten, und zu einem guten Teil bloß suggerierten Wechselwirkungen aus einerseits (system-) theoretischer, andererseits empirischer Perspektive zu untersuchen, ist nun die Absicht. Vor allem unter systemtheoretisch angeleiteter Beobachtung bzw. aus zuvor um »affektive« Kommunikationsinhalte angereicherter systemtheoretischer Perspektive werden Wirkungen erwartbar, die zunächst widersprüchlich erscheinen: Dichte Sozialkapitalstrukturen (verstanden als emergente »affektive« Phänomene sozialer Systeme) scheinen tatsächlich nicht nur die »Sozialisation« neuer Mitglieder in die bestehende Praxis der Community befördern, sondern ebenso die (Weiter-)Entwicklung dieser Praxis orientiert auf bestehende Ziele (d.h. als »Perfektion«) wie ausgerichtet auf neue Ziele (i.S.v. »Innovation«) unterstützen zu können. »Theoretisch« zumindest. Diese denkmöglichen Zusammenhänge jedoch auch empirisch handhabbar zu machen, um damit Beobachtung orientieren und beschreibende Erklärung (der »Praxis«) ermöglichen zu können, wird hier ebenso als erstrebenswert gesehen. Dabei stehen affektiv-kognitive Wechselwirkungen innerhalb der Community, nicht jedoch deren Bewertung (Z.B.: Was ist »gutes« Wissen? Was ist »schlechtes« Lernen?) oder die Frage nach der Diffusion von Wissen aus den Strukturen der Community in jene der Organisation (Wie lernt die Organisation aufgrund oder unter Umständen sogar: trotz des Nicht- Lernens der Community bzw. der Mitglieder der Community?) im Fokus der vorliegenden Arbeit. Sie scheint damit grob gesprochen zur Beantwortung der grundlegenden und in ihrem weitesten Wortsinn gestellten Frage »Wie gelingt Lernen« (wo es doch so riskant ist (Vgl. unten mit Baecker 2004) beitragen zu können bzw. auf der Ebene von Lernprozessen (Willke 2001a: 42ff, passim) angesiedelt zu sein.
1
Die Bandbreite reicht dabei von den seminal works i.e.S. (Orr, Brown/Duguid, Lave/Wenger) über Forschungs- bzw. Hochschulschriften mit dezidiert wissenschaftlich-»theoretischer« Orientierung, bis zur (so genannten praxisorientierten) Managementliteratur.
Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen
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1.1.1 »Es gibt« Communities of Practice Der erkenntnistheoretische Weg mit seinem Ausgangspunkt bei Berkeley und dessen an der Leitdifferenz Sein/Nichtsein orientierten2 Diktum esse est percipi (vel percipere) war noch weit bis zu den Ideen des (radikalen) Konstruktivismus (bspw. von Glasersfeld 1997, von Foerster 1984ab, von Foerster/von Glasersfeld 1999, vgl. auch Rusch 1994, Schmidt 2003), der den Glauben an sicheres Wissen über die Realität (nicht so sehr den an diese Realität selbst) zugunsten einer Konzentration auf die (stets internen) Konstruktionsleistungen von (subjektiven) Bewusstseinen aufgeben wollte: „Sinnvollerweise spricht man daher von der Realität als der Erkenntnis prinzipiell unzugänglicher Welt des Subjektunabhängigen, und von Wirklichkeit als Ausdruck dieser Realität in der Erkenntnistätigkeit und den Erfahrungen“, meint Lueger (2000: 17) in diesem Zusammenhang. Diese (letztlich: soziale) Konstruktion von Wirklichkeit (Berger/Luckmann 2004) lässt sich hiernach auch im gesellschaftlichen Funktionssystem der Wissenschaft nicht um- bzw. hintergehen (Lueger 2000: 21, passim). Wenn Luhmann (2001a: 30) nun demgegenüber seine Ausführungen über Soziale Systeme nicht zweifelnd, sondern apodiktisch und auf den ersten Blick befremdlich beginnt („Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß es Systeme gibt.“), so möchte er damit jedoch eigentlich noch weiter gehen, wie auf den zweiten (oder dritten) Blick festgestellt werden kann: „Es gibt selbstreferentielle Systeme“ (Luhmann 2001a: 31). Indem er den „Explosivstoff Selbstreferenz“ (Luhmann 2001a: 656) nicht nur in seine Theorie einbaut, sondern ihn sogar zum Angelpunkt der Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis erklärt, unternimmt er einen Versuch, ontologische Residuen (auch des Konstruktivismus) „Subjekt denkt Objekt“ (wie es Gripp-Hagelstange (1995: 26) formuliert) zu überwinden. »Die« (allgemeine) Systemtheorie3 verweist auf sich 2
3
Diese (besondere, vorrangige) Orientierung an Fragen der Ontologie galt Luhmann als ebenso »alteuropäisch« wie die »Subjektbezogenheit« (d.h. Bindung an Bewusstseinsakte) von Erkenntnis- und Verstehensleistungen (vgl. Gripp-Hagelstange 1995), die er zu überwinden suchte. Die »General Systems Theory (GST)« war ursprünglich die von von Bertalanffy (1972, 1973) formulierte (von Vitalismus und Organizismus beeinflusste) Antwort auf das vorherrschende mechanistische »Cartesianische Paradigma«, das sich durch seine reduktionistische Orientierung vor allem zur Erklärung biologischer Phänomene als zunehmend unzureichend erwies (vgl. von Bertalanffy (1972: 31-45), Lenk/Ropohl (1978: 11), Sills (1972: 452f). Die Entwicklungen auf dem Gebiet der (sozialwissenschaftlichen) Systemtheorie sind nicht zuletzt unter dem Einfluss neuer Wissenschaften (wie Informationswissenschaften (Shannon, Weaver), Kybernetik (Ashby, Wiener) oder Operations Research) vor allem mit den Arbeiten von Parsons (1964, 1977), Buckley (1967, 1968) und Miller (1995) verbunden (vgl. auch Luhmann/Baecker 2002, Willke (1993: 3ff). Insbesondere das elaborierte systemtheoretische Konzept von Luhmann
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Beobachten
selbst und findet sich selbst nicht zuletzt aufgrund ihres universalen Theorieanspruchs4 in ihrem eigenen Erklärungsgegenstandsbereich wieder vor: Wer Theorien über »das« Selbst entwickelt, entwickelt auch Theorien über »sein« Selbst (…). Wer entdeckt, daß Beobachter und Handelnde verschiedene Attributionsprinzipien verwenden (…), muß einen Schock erhalten, wenn er bemerkt, daß er genau diese Erkenntnis auf eine eigene Beobachtung des Handelns anderer stützen wollte. (Luhmann 2001a: 651)
Was also für die Konstruktionen bspw. des Bewusstseins(systems) gilt, muss das psychische System als Konstrukteur auch für sich selbst gelten lassen, und was wissenschaftliche Konstruktionen anbelangt, so ist (theoriegeleitete) Forschung angehalten, sich stets vor Augen zu führen, dass sie selbst nichts anderes sein kann als „ein selbstreferentielles Sozialsystem, und zwar eines unter vielen, ein Subsystem eines Subsystems eines Subsystems der Gesellschaft, also eines von sehr geringer gesamtgesellschaftlicher Tragweite“ (Luhmann 2001a: 660); denn: Alle Beobachtung benutzt (das definiert den Begriff) ein Differenzschema. Dabei wird die Einheit der Differenz durch den Beobachter, nicht durch seinen Gegenstand definiert. Auch der Beobachter ist, wie käme er sonst zu dieser Einheit?, ein autopoietisches System. Er kann Differenzen verwenden, die dem Gegenstand selbst unzugänglich sind etwa bewußt/unbewußt in Bezug auf psychische Systeme (…) (2001a: 654, Hv. PR)
Vor allem aber ist demnach „alles, was ist, kontinuierlich aneinander anschließendes selbstreferentielles Operieren“, weshalb „auch von keinem vorgegebenen Subjektverständnis mehr ausgegangen werden kann. Das, was als Subjekt in der traditionellen Theorietradition gedacht war, wird in der Theorie Luhmanns durch »ein empirisch beobachtbares, operativ geschlossenes, selbstreferentielles System ersetzt (…)« (Luhmann 1991c, 73)“ (Gripp-Hagelstange 1995: 27). Was also den bisherigen Überlegungen zur Konstruktion von Erkenntnis vorausgehen muss, ist das Eingeständnis, dass diese stets aus der rekursiven Vernetzung der Operationen eines Systems, auf der Basis einer (als basale Operation prozessierten und) grundlegenden getroffenen (Leit-)Unterscheidung (Luhmann 2001a: 57f) resultiert. Diese Handhabung fundamentaler (und notwendiger, weil identi-
4
(2001a {1984}, 1997 etc.) hat jedoch nicht nur positives Echo und Begeisterung sowie weiteren Ausbau erfahren (Baecker, Nassehi, Neidhardt, Stichweh, Teubner, Tyrell, Willke), sondern war von Beginn an heftiger (mehr oder weniger fundamentaler bzw. fundierter) Kritik ausgesetzt (vgl. eine Übersicht bei Krause 2001 bzw. auch Krawietz/Welker 1992). »Universal« heißt dabei nicht »einzig möglich« wie Luhmann wiederholt beispielsweise am Ende von Soziale Systeme betont: „Die Theorie selbstreferentieller Systeme beansprucht natürlich nicht, das einzig mögliche oder auch nur das mit Sicherheit beste Theorieangebot zu sein (…)“ (2001a: 659).
Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen
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tätssichernder) Unterscheidungen (Spencer-Brown 1994) impliziert zwar als Beobachtung (vgl. auch Maturana 1985, 2001, 2003, Maturana/Varela 1990) die Erzeugung eines blinden Flecks, doch ist nur so das Ziehen einer Grenze (zwischen System und (systemrelativer) Umwelt) bzw. in weiterer Folge das Zurechnen von Elementen zum System (oder zur Umwelt als dessen Korrelat (Luhmann 2001a: 244)) und damit schließlich das Ausdifferenzieren eines Systems überhaupt möglich. Systemtheoretisch orientierte Betrachtungen des Themas der vorliegenden Arbeit, die auch »Communities« als soziale Systeme verstehen, sollten also zunächst davon ausgehen (können), dass es Communities (of Practice) insofern »gibt«, als sich diese aus ihrer Umwelt (das sind vermutlich vornehmlich: Unternehmen als organisierte Sozialsysteme) ausdifferenzieren. Ihre Selbstbeobachtung d.h. die Handhabung ihrer eigenen Leitdifferenz (die sich unter anderem als »Identität« zeigt (vgl. unten)) wird dann jedoch (inklusive ihres blinden Flecks) um eine weitere Beobachtungsebene erweitert: Es kommt „die besondere Form der Sinnverarbeitung in Betracht, die man »Verstehen« nennt“ (Luhmann 2001a: 101). Die dabei vorausgesetzte Unterscheidung bringt quasi auf der Kostenseite der Beobachtung ihrerseits einen blinden Fleck (zwar »höherer Ordnung«, aber dennoch blind für seine eigene Unterscheidung5) mit sich, weshalb auch diese Beobachtung nicht per se, also: immanent, qualitativ »bessere« Ergebnisse produziert („Wissenschaftliche Analyse ist [»nur«] ein Sonderfall von externer Beobachtung mit Spezialaufgaben des Erkenntnisgewinns“ stellt Luhmann (2001a: 246f) fest): Wenn man solche Systeme [= Systeme mit der Fähigkeit zur Selbstbeobachtung] beobachtet, kann man daher miterfassen, wie sie selbst die Unterscheidung von System und Umwelt in Bezug auf sich selbst handhaben. Man kann sich entschließen, dies zu ignorieren und die Systemgrenzen anders ziehen; aber das bleibt dann eine recht willkürliche Operation, die sich rechtfertigen muß, wenn sie behaupten will, trotzdem Erkenntnis zu leisten. (Luhmann 2001a: 245, Hv. PR)
Der Beobachter erster Ordnung (und damit: jedes beobachtende System!) tut was er tut also: unterscheiden und bezeichnen. Die Beobachterin zweiter Ordnung hat zumindest die Möglichkeit, in ihrem Unterscheiden und Bezeichnen zu erkennen, dass was auch immer dem Beobachter erster Ordnung als fraglos gegeben (Husserl bzw. Schütz/Luckmann 2003) erscheinen mag, weder gegeben noch 5
Spannender als die Feststellung, dass der Beobachter »(nicht) sieht, was er (nicht) sieht« ist wohl, dass er auf dieser Beobachtungsebene eben genau das nicht sehen kann: Dass er nämlich nicht sieht, dass er nicht sieht bzw. wo er nicht(s) sieht in originaler Bedeutung eben an der Austrittsstelle des Sehnervs, dem »blinden Fleck«.
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gar fraglos gegeben, sondern vielmehr konstruiert ist (Gripp-Hagelstange 1995: 104). Nur als solche (interne) Konstruktionsleistung ist letztlich Erkennen möglich (was auch für die dritte, alteuropäisch: metatheoretische Beobachtungsebene gilt, auf der die „Unterscheidungsabhängigkeit allen Wissens“ erkannt werden kann (Luhmann 1990: 509f, Gripp-Hagelstange 1995: 109f).
1.1.2 Erschließung kommunikativer Wirklichkeiten interpretatives Paradigma Schließlich ist es für die Sozialwissenschaften diese von beobachteten Systemen erzeugte Strukturierung, „auf die interpretative Analysen in ihren (re-)konstruktiven Bestrebungen abzielen“, wobei sich diese mit Lueger (2000: 26f) nur „als Schlussfolgerung aus den beobachteten aktualisierten Selektionen (…) ermitteln“ lassen: „[M]an beobachtet, welche Differenzen im Feld gehandhabt werden und welche Bedeutung diese für die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten von Phänomenen haben“ (2000: 37). Um diese »Sinn-hafte« Kommunikationsstruktur zu erschließen, verbietet sich auch (vor alledem aufgrund des in den meisten Fällen beanspruchten „innovativen Interesses“) „im Rahmen einer interpretativen Forschungsstrategie de[r] Rückgriff auf Standardisierungen, weil diese Form der Komplexitätsreduktion nur mehr das Bekannte greifbar macht und alles andere ausschließt“ (2000: 29). Dies scheint auch besonders bedeutsam, „weil Phänomene erst Sinn machen, wenn man ihnen den Ausdrucksgehalt von Sinn unterstellt“ (2000: 26, Hv. PR) (vgl. unten und Fn. 21) und daher umso vorsichtiger mit vorgefassten Meinungen und »Erwartungen«6 also: Vor-Urteilen7 umgegangen werden muss. Schon weil kein Phänomen »an sich« besteht, sondern „in einem interpretativen Akt in der Forschung fokussiert und durch die besondere Beobachtungsweise erst definiert“ (2000: 48) wird und durch diese Fokussierung (Draw a distinction!) zum einen bestimmte Perspektiven eröffnet, jedoch andererseits die bei weitem größere Zahl an Perspektiven verschlossen wird. Während Lamnek (1995a: 1) im „Unbehagen an der unreflektierten Anwendung herkömmlicher [!] Forschungsverfahren“ den Grund für das Entstehen einer neuen „Richtung“ in der empirischen Sozialforschung sieht, kann mit Brenner et al. (1978: 9f) etwas nüchterner diagnostiziert werden, dass „it has
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Als (hoffentlich »kognitiv« stilisierte) »Erwartungsstruktur« des beobachtenden Systems. Die unumgänglich sind, denn: „Worauf eine Antwort eine Antwort ist, weiß man nur, wenn man (…) die Frage kennt (…)“ (Lueger 2000: 31).
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become apparent to many social scientists that the non-social [!] paradigm of methodology in the social sciences is problematic.“ Problematisch nicht zuletzt deshalb, weil „all data collected in the social sciences can only emerge from social interaction with the people under study“, weshalb „methodology, if modelled after the traditional science paradigm, is underidentified.“ Campbell (1978: 184, Hv. PR) identifiziert in diesem Zusammenhang sogar einen „vigorous search for alternatives to the quantitative-experimental approach“, bzw. stellt fest, dass „in the academic social science there is renewed emphasis on the methods of the humanities and increased doubts as to the appropriateness of applying the natural science model to social science problems.“ Schließlich argumentiert er für eine qualitative Basis aller Quantifizierung: „quantitative knowing depends upon qualitative knowing in going beyond it“, bzw. er diskutiert „the qualitative grounding of quantitative social sciences“ (1978: 184f, passim)8. Denn in der Dilthey‘schen Tradition9 (bzw. nicht zuletzt jener von Weber (vgl. unten) bzw. auch von Schütz, Berger/Luckmann bis hin zu Luhmann u.v.a.) befassen sich die Sozialwissenschaften „with a world which has meaning for the actors involved“ (Riekman 1967 zit. n. Phillips 1978: 213)10, weshalb die soziale Interaktion als interpretativer Prozess mit dem in aristotelischer Tradition stehenden »Verstehen« als wichtigem Ziel im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen habe:11 Nicht nur Komplexität, Mehrdeutigkeit oder 8
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Strauss/Corbin (1998: 11) bezeichnen vielmehr auch das Codieren von bspw. Interviewdaten (die »eigentlich« als qualitative Daten zu sehen sind) zum Zwecke statistischer Auswertungen als quantifying qualitative data! Die Diskussion zwischen quantitativen und qualitativen Erklärens- und Verstehensansätzen lässt sich bis auf den Methodenstreit der Jahrhundertwende (Lamnek 1995a: 39) bzw. in AristotelischGalileischen Traditionslinien vermutlich noch weiter zurückverfolgen. Geertz (2003) versteht bekanntlich den Menschen in Anschluss an Weber in seiner alltäglichen (kulturellen) Existenz als in selbstgesponnene Gewebe von Bedeutungen verstrickt (s. unten). Auch in der Organisationstheorie überwiegen Sichtweisen, hinter denen die Idee eines Organisators, der einem Architekten (Schreyögg 1999) vergleichbar eine Organisationsstruktur gestaltet, steht und die unter dem »Organisieren« generell die Gestaltung eines Instrumentariums zur Steuerung der Aktivitäten der Mitarbeiter bzw. überwiegend technisches Konstruieren verstehen: Organisatorische (vor allem schriftliche) Regelungen werden dabei als »objektive Realitäten« angesehen und es wird davon ausgegangen, „daß solche Tatbestände (…) eindeutig erfasst werden können“. Außerdem wird angenommen, „daß das Verhalten der Mitarbeiter relativ problemlos mit den Regeln in Einklang gebracht werden kann“ und das Verstehen der Regeln keine großen Schwierigkeiten bereitet. (Kieser et al. 1998: 136) Vielmehr wird versucht, Akzeptanz und Funktionieren über die Motivation und Arbeitszufriedenheit (quasi ex post) zu beeinflussen. Kieser et al. (1998: 137) weisen jedoch darauf hin, dass z.B. Unternehmensberater (wenngleich sie diesem verbreiteten Verständnis prima facie zuzustimmen scheinen) der praktischen Organisationsgestaltung „implizit häufig andere Annahmen über das Verhältnis von organisatorischen Regeln und Verhalten“ zugrunde legen sich also deren espoused theory von ihrer theory in use unterscheidet: „Berater konstruieren eigentlich nicht Organisationsstrukturen in einer technizistischen
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Widersprüchlichkeit machen die Isolierung einzelner Parameter in reduktionistischer Manier zur Herausforderung, sondern es ist davon auszugehen, dass der (alltägliche) Umgang mit und erst recht die (wissenschaftliche) Untersuchung von auch »einfachsten« Situationen der Lebenswelt voraussetzungsreich ist.12 Sie sind zentriert um die Annahme, dass „social objects are not given in the world but constructed, negotiated, reformed, fashioned, and organized by human beings in their efforts to make sense of happenings in the world“ (Sarbin/Kitsuse 1994: 3, bzw. vgl. oben die Bemerkungen zur Beobachtung erster bzw. zweiter Ordnung). Im Anschluss an diese Vorstellungen wird vielmehr die aktive Rolle, die den »Individuen« in der kommunikativen, von Symbolen und (individuellen) Bewusstseinen abhängigen Konstruktion bzw. Interpretation sozialer Realitäten zukommt (bspw. Weick 1995), betont. So ist denn auch schon die übereinstimmende Definition einer (sozialen) Situation sogar im Alltag keineswegs als Selbstverständlichkeit anzusehen, wie besonders die Arbeiten der Ethnomethodologie zum alltäglichen Handeln bzw. jene des (stärker dem Pragmatismus bzw. einem humanistischen Ideal verpflichteten) symbolischen Interaktionismus (bspw. Mead 1968, Blumer 1969) zur Gestaltung der als gegeben erscheinenden (If men define a situation as real, it is real in its consequences nach W. I. Thomas) sozialen Wirklichkeit gezeigt haben.13 In ähnli-
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Weise, vielmehr inszenieren sie Kommunikation, um eine neue Interpretation der Organisation hervorzurufen.“ Diese und ähnliche sozialkonstruktivistische Perspektiven gehen wesentlich zurück auf die paradigmatischen Arbeiten von beispielsweise Goffman (z.B. 1969, 1971, 1977), Garfinkel (bes. 1967, 1986), Cicourel (1964, 1968), Berger/Luckmann (2003) oder in der jüngeren Diskussion neben anderen auch Weick (1995), die letztlich in der Tradition der Phänomenologie Husserls sowie der phänomenologischen Lebensweltanalysen von Schütz (bspw. 1932, Schütz/Luckmann 1975) stehen. So nimmt zum Beispiel Schütz im „Sinnhaften Aufbau“ (1932: 13) Bezug auf Webers Definition sozialen Handelns: „Weber verlangt also, daß dem sozial Handelnden nicht nur die schlichte Existenz des anderen, sondern auch dessen Verhalten verstehbar (nämlich als Sinn vorgegeben sein müsse.“ Die bezeichnet Schütz als „dritte Sinnschicht“, neben der ersten, die jedem auch nicht sozialem Handeln innewohnt bzw. der zweiten, die eben dieses soziale Handeln kennzeichnet: „dieses da, das ich als Nebenmenschen verstanden habe, verhält sich so und so und auf dieses sein Verhalten beziehe ich auch sinnvoll das meine.“ Die Interpretationsbedürftigkeit von (bspw. organisatorischen) Regeln zeigt sich bereits daran, dass gemeinsames Handeln zunächst Übereinstimmung in der Interpretation und damit Kommunikation erfordert (sofern die Interaktion nicht von einfacher Art ist und konkludentes Handeln ausreicht). Dabei machen nicht nur (intendierte wie unbeabsichtigte) Änderungen, sondern auch die laufende Aufrechterhaltung der Strukturen einen fortlaufenden und »anschlussfähigen« Kommunikationsstrom erforderlich: „Organisationsstrukturen bestehen also aus Kommunikation und sie werden ständig durch Kommunikation interpretiert, auch neu interpretiert und stabilisiert bzw. verändert. Insofern sind Organisationsstrukturen sozial und nicht technisch konstruiert“ (Kieser et al. 1998: 143). Die Interaktion der Organisationsmitglieder „entspricht einer
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cher Weise wird auch soziale Wirklichkeit per se als etwas laufend in den ineinander greifenden Prozessen von Externalisierung, Objektivation, Institutionalisierung, Internalisierung und Legitimierung Hergestelltes betrachtet (Berger/Luckmann 2003). Vermutlich zu Recht beklagt daher Leat (1978) unter dem Titel „Das missverstandene Verstehen“, dass eben dieses „Verstehen“ vielfach in seiner Bedeutung unterschätzt bzw. als mit einer ernst zu nehmenden (Sozial-)Wissenschaft unvereinbar angesehen werde und als Methode zunehmend eine Abdrängung ins Abseits bzw. in die Rolle eines Hypothesen-Generators erfahre: Nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis zu seiner Wichtigkeit werde abgegeben, bei gleichzeitiger Leugnung der Relevanz für die Soziologie als eine wissenschaftliche Aktivität (Leat 1978: 102). Diese Kritik bezieht sich dabei in erster Linie auf den wohl als »klassisch« zu bezeichnenden Aufsatz von Abel (1948), in dem dieser unter dem Titel „The Operation called »Verstehen«“ einem „Verstehen“ jede Bedeutung für die Validierung von Hypothesen abspricht. Dabei gründet diese Schlussfolgerung jedoch in erster Linie in einer „inadäquaten Auffassung des Wesens des »Verstehens«“ (Leat 1978: 107), bzw. besonders in einer unvollständigen Auffassung: Die Tatsache, dass sich Abel in der Tradition von Weber und dessen Unterscheidung nur mit dem „erklärenden“, nicht aber mit dessen „aktuellen“ Verstehen14,15 beschäftige, sei „vermutlich das Ergebnis einer Annahme, daß Beobachter und Beobachtungsgegenstand ein gemeinsames Symbolsystem teilen“ und führe ihn „zu einer irrigen Schlußfolgerung“ (1978: 107). Denn gerade an diesem Punkt zeigt sich die zentrale Bedeutung des Verstehens: Die untersuchten sozialen Konstrukte sind „Elemente in der sozialen Realität der Subjekte; sie sind sinnhafte Phänomene und können ausschließlich deshalb identifiziert werden, weil sie von den Subjekten als solche definiert worden sind“ (1978: 107f, Hv. PR). Diese Probleme zu erkennen erweise sich Abel hingegen als „völlig außerstande“, wie Leat (1978: 108) meint, indem er übersehe,
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kommunikativen Einigung über die adäquate Beschreibung eines bestimmten Wirklichkeitsausschnittes“ (Baitsch 1998: 327). Weber bezeichnet das Verstehen »von etwas als etwas« mithilfe des erforderlichen (hoch kulturgebundenen) Vorwissens über Situationstypen und Handlungstypen (also das Verstehen des „gemeinten Sinns“ einer gegebenen Handlung) als „aktuelles“ Verstehen, und unterscheidet es vom „erklärenden“ Verstehen auf der Motivebene, also dem „Erfassen des Sinnzusammenhangs“ in den (seinem subjektiv gemeinten Sinn nach) ein aktuell verständliches Handeln hineingehört: »warum jemand tut, was er tut«. Abel (1953: 677) verwendet den deutschen Begriff des »Verstehens«, um diesen von jenem des »Begreifens« (des englischen understanding) abzugrenzen, was nach Lundberg (1939: 51f) gleichbedeutend mit insight, und damit Ziel aller Methoden, selbst jedoch keine Methode ist.
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„daß der Naturwissenschaftler und der Sozialwissenschaftler mit jeweils verschiedenen Typen von Gegenständen zu tun haben“: Soziale Phänomene können nicht auf die Art und Weise »beobachtet« werden, wie dies Abel anzunehmen scheint. Gerade in diesem Stadium aber im Stadium der korrekten Identifizierung der Elemente der sozialen Realität der Subjekte spielt »Verstehen« seine wesentlichste Rolle.16
Damit ist jedoch auch die notwendigerweise zentrale Rolle des »Verstehens« in der Herstellung jeder soziologischen Generalisierung (vgl. unten) festgestellt: Die adäquate Zuweisung von Sinngehalten ist eine notwendige Bedingung so findet sich denn auch schon bei Weber der Hinweis, man könne „statistische Information sowohl über »unverstehbare« als auch über »verstehbare« Prozesse“ einholen (Leat 1978: 109). In diesem Zusammenhang ist schließlich auch Abels Behauptung, man würde Korrelationen auch dann noch akzeptieren, wenn man sie nicht verstünde, schlicht „unsinnig“, vielmehr ist das »Verstehen« „integraler Bestandteil des ‚Beweises’“: Die Statistik ist für diesen Beweis unbestreitbar erforderlich, allein kann sie jedoch nicht den Beweis einer soziologischen Beziehung erbringen, denn „wir akzeptieren keine Korrelationen, die wir nicht als Beweis für eine Kausalbeziehung zwischen gegebenen Faktoren verstehen“ (Leat 1978: 110, Hv. PR).17 Akzeptanz oder Verwerfen von Zusammenhängen als kausal sind nicht nur von rein statistischen, objektiv gültigen Gründen abhängig, sondern immer auch beeinflusst von rationalen oder intuitiven Kriterien. Nicht zuletzt ist auch von Stegmüller die lapidare Festgestellung tradiert: „Um etwas erklären zu können, muß man schon etwas verstanden haben“ (Poser 2001: 234). Bekanntlich hat bereits Max Weber nicht nur der Soziologie einen umfassenden Aktionsbereich zwischen Mikro- und Makroperspektive aufgespannt, sondern diese daneben als eine Wissenschaft bestimmt, die soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und in seinen Wirkungen kausal erklären solle (Weber 1980: §1). Trotz der Zustimmung jedoch, die man in den Sozialwissenschaften zu diesem anspruchsvollen Programm oft zumindest prima facie oder eben als Lippenbekenntnis (Leat, vgl. oben) findet, hätte sich die Forschung allerdings zu oft auf die Weber‘sche Forderung nach generalisierender Betrachtung konzentriert und dabei nicht selten die hermeneutische Nähe 16
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Spätestens seit Heisenberg (und seiner Formulierung der oft zitierten »Unschärferelation«) ist wohl auch hier Vorsicht angebracht: „Die kleinsten Teile der Materie sind nicht existierende Dinge“ sondern vielmehr „eine Möglichkeit oder eine Tendenz zum Sein“ (Heisenberg zit. n. Gripp-Hagelstange 1995: 23). Leat (1978: 110) zitiert zur Illustration Runciman (1969): „Keine Menge von Signifikanztests macht die Behauptung überzeugend, daß die Politik eines Menschen durch die Farbe seiner Haare determiniert wird.“
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zum Erklärungsgegenstand verloren, wie Nollmann (2004: 118) meint. In deutlichem Gegensatz zur Feststellung von bspw. Quah/Sales (2000: 11), dass nämlich the interpretative and causal approaches to sociological analysis are commonly perceived as irreconcilable, ist Nollmann (2004) in weiterer Folge bestrebt, am Beispiel der Arbeiten von Bourdieu, vor allem auch von Luhmann18 zu zeigen, dass sich deren Überlegungen „als Fortschritte zur Möglichkeit darstellen lassen, menschliches Verhalten auf sinnverstehende und generalisierende Weise zugleich zu betrachten“ denn das sei schließlich das Ziel soziologischer Untersuchungen: „generalisierende Betrachtung sinnhaften Verhaltens“. Eine der zentralen Parallelen zu Weber nämlich die als dringend notwendig erachtete Erforschung kausaler Zurechnungen von Ursachen und Wirkungen ist dabei laut Nollmann (2004: 119f) in der Luhmann‘schen Diskussion zum Sinnbegriff (2001: 92ff, 191ff) zu finden. Denn folgt man jenem, so konstituiert Kommunikation einen „fortlaufenden Interpretationsprozess, in dem Ereignisse vorhergehende Verhaltensereignisse verstehen, indem sie diese selektiv kausal aus einem Horizont anderer Möglichkeiten in ihrer Bedeutung zurechnen.“ Und Nollmann (2004: 120) stellt weiter fest: „Gerade in der Selektivität, mit der eine zugerechnete Ursache ein Verhalten interpretiert, wird die Sinnhaftigkeit menschlichen Verhaltens erkennbar.“ Gemeinsam sei Weber und Luhmann dabei, dass für sie Kausalität „nicht ein Bestandteil einer gegebenen Wirklichkeit, sondern etwas, was der Mensch durch seine Begriffe in die Welt hineinträgt, um diese zu verstehen“ sei (z.B. Luhmann 2001a: 40). Indem (bzw. erst wenn) Sinn immer „in der Form eines Überschusses von Verweisungen auf weitere Möglichkeiten des Erlebens und Handelns“ erscheinend (Luhmann 2001a: 93) faktisch aktualisiert wird, setzt er sich von einem Horizont von Möglichkeiten auf den er stets verweist19 ab und zwingt zur Selektion, indem er „bestimmte Anschlussmöglichkeiten nahe legt und andere unwahrscheinlich oder schwierig oder weitläufig macht oder (vorläufig) ausschließt“ (2001a: 94)20:
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Und gerade diesen beiden Autoren kommt in der vorliegenden Arbeit mit ihrem Fokus auf soziale Systeme, soziales Wissen und soziales Kapital eine zentrale Stellung zu, wie im weiteren Verlauf noch deutlich werden wird. „Sinnprozessieren ist vielmehr ein ständiges Neuformieren der sinnkonstitutiven Differenz von Aktualität und Möglichkeit. Sinn ist laufendes Aktualisieren von Möglichkeiten“, wie es bei Luhmann (2001a: 93, Hv. PR) heißt. Sinn selbst „verweist immer wieder auf Sinn und nie aus Sinnhaftem hinaus auf etwas anderes. Systeme, die an Sinn gebunden sind, können daher nicht sinnfrei erleben oder handeln“, wie Luhmann (2001a: 96) klassisch formuliert.
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„Für sinnkonstituierende Systeme hat alles Sinn; für sie gibt es keine sinnfreien Gegenstände. (…) Nur im Sinnbereich, das heißt in der Welt21, können sinnkonstituierende Systeme differenzieren, ob sie es mit Systemen zu tun haben, für die das gleiche gilt, oder mit Systemen, die ihrerseits »sinnfrei« auf sich selbst und ihre Umwelt reagieren“, wie Luhmann (2001a: 110) klassisch formuliert weshalb es für ihn auch zunächst keinen Grund gibt, „eine besondere Methodologie für Sinngegenstände [!] zu fordern“: Erst bei sozialer Reflexivität, erst wenn es um das Erleben des Erlebens und Handelns anderer Systeme geht, kommt die besondere Form der Sinnverarbeitung in Betracht, die man »Verstehen« nennt. Sinnerfassen selbst ist noch kein Verstehen in diesem anspruchsvollen Sinne. Vielmehr kommt Verstehen nur zum Zuge, wenn man Sinnerleben bzw. sinnhaftes Handeln auf andere Systeme mit einer eigenen System/UmweltDifferenz projiziert. (Luhmann 2001a: 110)
»Verstehen« ist also eine besondere Form der Beobachtung mit Hilfe der System/Umwelt-Differenz und diese erfordert, „daß man das zu verstehende System als System auffaßt, das sich an einer eigenen Umwelt sinnhaft orientiert.“ Da aber „sinnhafte Orientierung immer Welt impliziert [vgl. Fn. 21], kann ein verstehendes System nicht vermeiden, daß es sich selbst in der Umwelt des verstandenen Systems wiederbegegnet.“ Aus diesem Grund kann man schließlich auch vermuten, „daß jede soziale Beziehung, zumindest rudimentär, zu Verstehensversuchen provoziert“ (Luhmann 2001a: 130) bzw. lässt sich des Weiteren sagen, dass ein System, das über die Fähigkeit zu verstehen verfüge, „die Systeme in seiner Umwelt aus deren Umwelt begreifen“ kann (2001a: 256). Doch „weil die Handelnden nie ganz genau wissen, was sie tun22, hat ihr Tun mehr Sinn, als sie selber wissen“ (Bourdieu 1987: 127 zit. n. Nollmann 2004: 121), und werden darüber hinaus sozial gezeigte Zurechnungen »geglaubter« Ursachen auch oft gegen manche mentale Erwartung eingefordert (Nollmann 2004: 121). So wird oft die Bedeutung (bspw. einer Äußerung) erst durch die selektive Reaktion darauf für bzw. durch die bestimmte (oder zumindest geglaubte) Ursachen aus dem Horizont des Möglichen herausgegriffen werden bestimmt. Diese Selektivität »im Horizont anderer Möglichkeiten« ist stets auch in der wissenschaftlichen Praxis gegeben, so Nollmann (2004: 121f), weshalb „Deutungen als Merkmale je einer typischen sozialen Beziehung aufgefasst werden [müssen], deren typischer gemeinter Sinn zu erheben ist“ und Sinn, 21
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„Sinn aber verweist auf weiteren Sinn. Die zirkuläre Geschlossenheit dieser Verweisungen erscheint in ihrer Einheit als Letzthorizont alles Sinnes: als Welt. Die Welt hat infolgedessen die gleiche Unausweichlichkeit und Unnegierbarkeit wie Sinn“ (Luhmann 2001a: 105). Und sie nach Polanyi (1966) ja auch mehr wissen, als sie überhaupt zu sagen wissen (wüssten).
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aufgrund seiner sozialen (Über-)Formung und Sichtbarkeit, wissenschaftlich objektiv erfasst werden kann: „Sinn ist relational und entsteht im aneinander orientierten Verhalten.“ Und auch, wenn diese (wissenschaftlichen) Typisierungen objektivierter sind bzw. es zumindest theoretisch sein könn(t)en als jene aus der »Teilnehmerperspektive«, in der (als einer durch »Zweckmäßigkeitsmotive« geleiteten Alltagswelt nach Berger/Luckmann 2003: 44) bloß aktuelle Adäquanz als Gütekriterium dient (s.u.), muss dennoch weiter vorausgesetzt bleiben, „dass ein solches Verhalten in messbarer Weise typisch ist, also tatsächlich so zu verlaufen pflegt.“23 Diese zentrale Stellung der Zurechnung mitgeteilter Informationen legt dann vor allem nahe, der Erforschung sozialer, sachlicher und zeitlicher Generalisierung von Regelstrukturen nach denen mitgeteilte Informationen selektiv verstanden werden vorrangige Beachtung zu schenken (Luhmann 1970: 78 zit. n. Nollmann 2004: 125). So weist Nollmann (2004: 126) in diesem Zusammenhang dann auch darauf hin, dass es vor dem Hintergrund struktureller, von außen einwirkender und Deutungen einschränkender Zwänge nicht um eine Ersetzung, sondern um eine Ergänzung dieser strukturellen Zwänge durch Zurechnungspräferenzen24 gehe, denn die Erforschung struktureller Einflüsse liefere für soziologische Erklärungen zwar durchaus notwendige, bei weitem jedoch nicht hinreichende Bedingungen. Vielmehr wolle bzw. könne die Rekonstruktion von Sinnverstehen aus der Teilnehmerperspektive nicht die gesamte Kausallage umfassen bereits nach Weber (1980: 5f) beginne ja soziologische Betrachtung mit der Kombination von Beobachter und Teilnehmerperspektive (Nollmann 2004: 132) und die Forschung habe mittlerweile die Abhängigkeit von Zurechnungsgewohnheiten gezeigt, wenngleich mit Luhmann (1965: 63 zit. n. Nollmann 2004: 131) die sich in der Individualisierung der Selbstdarstellung ausdrückende Freiheit eines Akteurs weniger als Unterbrechung der Zwänge von Kausaleinwirkungen, sondern als „sozial geregelte, sinnhafte Zuordnungspraxis“ aufzufassen sei. Nollmann (2004: 126) ist jedoch überzeugt, dass es „gerade die in ihnen [= den Zuordnungsgewohnheiten] sichtbar werdenden, sozial geregelten Kausalvorstellungen sind, die Entscheidungen erklären helfen können.“ Daraus ergibt sich nicht zuletzt, dass man im Forschungsprozess „Aussagen über Sinnverstehen von Aussagen über kausale Einflüsse auf Sinnverstehen unterschei23
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Vgl. zu einem konzisen Überblick über gemeinten, subjektiven, objektiven und praktischen Sinn Lueger (2000). Luhmann (z.B. 2001a: 123f, Hv. PR) unterscheidet in Bezug auf Sinnsysteme zwischen externer und interner Zurechnung: „Wird die Sinnselektion der Umwelt zugerechnet, gilt die Charakterisierung Erleben (…) Wird dagegen die Sinnselektion dem System selbst zugerechnet, dann gilt die Charakterisierung Handeln (…).“
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den“ müsse, um sie schließlich zu sinn- und kausaladäquateren Regeln“ verbinden zu können. Stets gehe es ihm zufolge „darum, menschliches Verhalten von innen in seiner Selbstdeutung und von außen, etwa in der Fremddeutung des wissenschaftlichen Beobachters, zu betrachten, beide Perspektiven zu kombinieren und das Verhalten dadurch verständlich zu machen“ (Nollmann 2004: 135). Dazu sei es eben auch erforderlich, „Teilnehmerperspektive“ und „objektive Randkausalität“ zu separieren. Im Großen und Ganzen hat Weber wie auch Nollmann (2004: 149) findet damit einen breiten und anspruchsvollen Rahmen für „das Erklärungsideal einer Wissenschaft vom Sinnverstehen“ aufgestellt. Dieses besage letztlich, dass jedes menschliche Verhalten (…) zunächst auf die einwirkenden kausalen, »strukturellen« Zwänge untersucht und dann mit dem »gemeinten Sinn« des Verhaltens verbunden werden muss. Sinnhafte Regeln und sinnfremde Regelmäßigkeiten gehören in jeder soziologischen Erklärung zusammen, ja erst der Nachweis ihrer gemeinsamen Regelmäßigkeit erlaubt überzeugungskräftige, zufrieden stellende und intuitiv plausible Erklärungen und verständliche Beschreibungen.
Auch im Alltag erklären sich Akteure ihre Erfahrungen über Regelmäßigkeitsannahmen (Nollmann 2004: 120), und mutatis mutandis entspricht die wissenschaftliche Intention des »Beschreibens« und »Analysierens« dem alltäglichen »Wahrnehmen« und »Interpretieren«, weshalb es bedeutsam ist, das Vorgehen von Sozialforscher(inne)n als Wissenschaftler(innen) die „nicht so sehr der individualistische Einzelfall zu interessieren“ hat von jenem alltagsweltlichen Vorgehen zu unterscheiden (Lamnek 1995b: 15ff). Denn indem bspw. Fallstudien im qualitativen Paradigma eine wissenschaftliche Rekonstruktion von Handlungsmustern auf der Grundlage von alltagsweltlichen realen Handlungsfiguren anstreben, ist nicht Rekonstruktion individueller Handlungsfiguren, sondern Herausarbeiten typischer Handlungsmuster ihr Ziel. Wie Lueger schreibt: Vom Alltagsinterpretieren setzt sich Wissenschaft nicht nur durch den höheren Grad an Distanzierung zum unmittelbar Beobachteten ab, sondern auch durch bestimmte Verfahrensweisen, welche die Tücken der Alltagshermeneutik vermeiden sollen. (2000: 43)
Vor allem Entlastung vom unmittelbaren Handlungsdruck im Gegensatz zu der in der Welt des fraglos Gegebenen vorrangig notwendigen und sicherzustellenden Handlungsfähigkeit sind es, die durch „systematische Dekonstruktion“ eine Unterscheidung zwischen „im Feld produzierten Handlungswissen und dem wissenschaftlich distanzierten Interpretationswissen“ (Lueger 2000: 43f) erlauben (erfordern?). Einen vielversprechenden Ausgangspunkt für die Untersuchung sozial konstruierter Realitäten bzw. sozialer Erkenntniskonstrukte kann der Begriff bzw. das Konzept des approach bilden, bei dem es sich um eine „Bezeichnung für
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eine vielschichtige methodische Vorgehensweise“ (Hartfiel 1982: 160 zit. n. Lamnek 1995b: 5) bzw. eine „Untersuchungsform“ (Fuchs et al. 1978: 181 zit. n. Lamnek 1995b: 5) handelt, hinter der ein spezielles Paradigma bzw. eine spezielle Methodologie steht (vgl. oben). Nach Lamnek (1995b: 5), der die Fallstudie als dem interpretativen Paradigma bzw. der qualitativen Sozialforschung nahe stehend verortet, kann man daher unter einem approach einen Forschungsansatz verstehen, der die theoretischen Vorgaben der Methodologie in praktische Handlungsanweisungen umsetzt, ohne selbst Erhebungstechnik zu sein.
Auf der Suche nach Forschungsdesigns, die nicht zuletzt „genügend Platz für qualitatives Denken“ lassen (Mayring 2002: 40), wird angenommen, dass für den in dieser vorliegenden Arbeit gewählten Gegenstandsbereich die Fallstudie als Rahmen für die Bündelung der Beobachtungen und der ihnen zugrunde liegenden »Unterscheidungen« einen angemessenen Zugang darstellt: Es handelt sich zum einen um einen Gegenstandsbereich, der sich erst durch (soziologische) Fragen bzw. getroffene Unterscheidungen konstituiert (Diese „erschaffen erst jene Rätsel, die es anschließend zu klären gilt“, wie Brüsemeister (2000: 69) konstatiert), zum anderen um ein Untersuchungssubjekt (Lamnek 1995b: 5) das sich in Form sozialer, kommunikativ konstruierter Wirklichkeiten im Sinne eines (organizational) sensemaking (Weick 2003: Kap.1, passim) präsentiert. Das Erschließen dieser sich »Sinn-haft« (bzw. »Sinn-voll«) reproduzierenden Strukturen soll(te) daher ebenfalls über als ihnen nahe stehend erachtete reflexive Kommunikation und (Selbst-)Beobachtung höherer Ordnung in Angriff genommen werden. Denn das Fremde, das überhaupt erst Interesse an einem konkreten Fall weckt und ihn ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt (hier am „in die eigene Kultur eingerückten Fremden“ zeigen sich die ethnographischen und kulturanthropologischen Wurzeln25), spielt sich so die Vermutung in der Kommunikation zwischen Individuen bzw. zwischen Teilsystemen ab (Brüsemeister 2000: 62). Schließlich wird insbesondere in der qualitativen Methodologie der „offene und intensiv-kommunikative Zugang zur sozialen Wirklichkeit im Wege der Analyse einzelner Fälle zum zentralen Moment“, wobei „die alltagsweltlichen Deutungen und Interpretationen wissenschaftlich kontrolliert fremdverstanden werden“ (Lamnek 1995b: 6).26 Hier zeigt sich ein konkretes 25
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Nach Hirschauer/Amann (1997: 11) die „ethnographische Leitdifferenz von Fremdheit und Vertrautheit“. Es ist die paradoxe Situation für den Sozialwissenschaftler, dass Probleme (bspw. jenes des going native) zum einen aus den Bedingungen des Wissenserwerbs entstehen bzw. zum anderen deren Vermeidung bereits jenes Verständnis voraussetzen, das erst erworben werden soll (Phillips 1978: 215 m. Bezug auf Cicourel 1964).
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forschungspraktisches Problem bzw. durchschimmernd sogar eine wissenschaftstheoretische Kontroverse (Nowotny/Knorr 1975: 83): Einerseits ergibt sich die Notwendigkeit, die bei der Erhebungsmethode verwendeten Interpretationskriterien auf die Alltagsrationalität zu gründen, da die soziale Realität ohne Rekurs auf die kognitiven Ordnungsprinzipien des täglichen Lebens nicht begriffen werden kann. Andererseits birgt dieses »Verstehen« (…) die Gefahr des Hineintragens von Konzepten, die in dem beobachteten System nicht oder nur teilweise relevant sind.
Denn letztendlich steht dem Versuch, ausschließlich über die Weiterentwicklung und Standardisierung der Beobachtungstechniken zu einer Neutralisierung des Erhebungsvorgangs zu gelangen (…) der Versuch entgegen, die Verhaltensmechanismen des täglichen Lebens und somit die Struktur sozialer Wechselbeziehungen als die Basis der Datenerhebung anzusehen und dementsprechend mit zu berücksichtigen (…).
In weiterer Folge kommt nun auch schon immer deutlicher die Beobachtung höherer (zumindest: dritter) Ordnung ins Blickfeld, die zwar wie bereits festgestellt den eigenen blinden Fleck nicht im Auge haben, dafür aber die Beobachtungen der sozialen Systeme und deren Selbstbeobachtungen überblicken kann. Das Interessante am (Einzel-)Fall ist dabei, „welche Selektionsentscheidungen der Fall getroffen hat, und wie auf diese Weise soziale Prozesse in Gang kommen oder in sie eingegriffen wird“ (Brüsemeister 2000: 62). Oder, um in Analogie zur hier im Mittelpunkt stehenden Thematik mit Luhmann (2000a: 47) bzw. mit Bezug auf das »soziale System Organisation« und die »Theorie des sozialen Systems Organisation« zu sprechen: „Das Organisationssystem selbst operiert auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung. Die Theorie der Organisation muss daher auf der Ebene der Beobachtung dritter Ordnung angesetzt werden. Sie beobachtet ein sich selbst beobachtendes System.“ Analog hat dies dann wohl auch für »Communities« (bzw. für soziale Systeme auf der Ebene von »Gruppe« allgemein) zu gelten. Zu diesem Zweck ist es allerdings in vielen Fällen notwendig, „das Alltägliche erst wieder beobachtbar, zu erklärenswerten fremdartigen Phänomenen zu machen“, was „prinzipiell durch einen Beobachterstatus möglich“ ist, den der Soziologe „gleichsam als dritte Partei gegenüber dem Zusammenwirken mehrerer Akteure eines sozialen Milieus“ einnimmt (Brüsemeister 2000: 62). Außerdem müssen Forscherinnen und Forscher als Beobachterinnern und Beobachter in der Lage sein, im Bedarfsfall zwischen verschiedenen Ebenen der Beobachtung zu wechseln. Zwar sind sie aufgerufen, „ihre Beobachtungseinsätze zu überlegen. Da jedoch die soziale Wirklichkeit aus Akteuren besteht, die ihrerseits beobachten bzw. interpretieren, können sich Situationen ergeben, die den ForscherInnen einen Strich durch die Rechnung machen: Statt wie geplant distan-
Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen
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ziert zu beobachten [= Beobachtung 3. Ordnung], wird man zum Teilnehmer [= Beobachter 2. Ordnung]. Dahinter steht auf den ersten Blick die Befürchtung, bei einer zu engen Teilnahme am Feldgeschehen sei die Beobachtung undistanziert, damit unwissenschaftlich und wertlos.“27 (Brüsemeister 2000: 86) Hier ist jedoch mit Brüsemeister (2000: 86f) auf einen interessanten Aspekt hinzuweisen: Denn Forscher(innen) befinden sich nicht »nur« in Beobachtungssituationen, sondern vielmehr auch regelmäßig in Text-Situationen, in denen sie „jenseits des Feldgeschehens Daten auswerten“. Nun handelt es sich auch dabei um „Beobachtungssituationen“ eigener Art im Sinne einer nachträglichen Selbst-Beobachtung, die ihre eigene „Distanzierungs- und Objektivierungsmöglichkeiten eröffnen“, indem sie die Gelegenheit bieten, quasi ex post die Situation plus die Beobachtung der Situation (Beobachtung 2. Ordnung) zu beobachten (Beobachtung 3. Ordnung). Der Versuch, dabei möglichst alle bedeutsamen Aspekte zu erfassen, verbietet dabei eigentlich den Einsatz nur einer einzigen Erhebungsmethode „Case study is not a methodological choice but a choice of what is to be studied. By whatever methods, we choose to study the case“ (Stake 2000: 435). Daher ist die Fallstudie auch als multimethodisches Konzept28 angelegt, womit sie dem Facettenreichtum der untersuchten Phänomene entgegenkommt (Lamnek 1995b: 5).29 Welche Methoden und Verfahren schließlich eingesetzt werden, ist im konkreten Anwendungsfall und endgültig möglicherweise (oder auch: »nach Möglichkeit«?) erst in der mitlaufenden Reflexion über den Verlauf der Untersuchung zu entscheiden (Brüsemeister 2000: 61), wobei Lamnek (1995b: 7) jedoch unmissverständlich feststellt: Die Fallstudie ist also prinzipiell offen für alle Methoden und Techniken der empirischen Sozialforschung. Begreift man sie aber enger als dem interpretativen Paradigma und der qualitativen Sozialforschung zugehörig, so verbieten sich [!] die quantitativen Methoden.
Zentral ist in der Fallstudienkonzeption darüber hinaus das qualitativen Untersuchungen generell eigene Moment der Offenheit bis zur Auswertung letzter Daten (Lamnek 1995b, Mayring 2002), denn ausgehend von den zu Be27 28
29
Vgl. dazu vielleicht oben Bedeutung und Probleme der Alltagsrationalität bzw. Abschnitt 5. Vgl. zu multi-methodischen Ansätzen z.B. Tashakkori/Teddlie (1998), Brewer/Hunter (1989) und dort zitierte Literatur. Nicht nur dem Facettenreichtum, sondern auch der mit der Zunahme (besonders in modernen, von Enttraditionalisierung und Individualisierung geprägten Gesellschaften) von subjektiv verschiedenen Situationsdefinitionen und -interpretationen abnehmenden Prognosefähigkeit deduktiv-nomologischer Erklärungsmodelle, die in ihren Hypothesentests voraussetzen, dass Menschen unter gleichen Bedingungen gleich handeln bzw. der im Gegensatz dazu steigenden Dringlichkeit explorativ-interpretativer Forschungsdesigns (vgl. Bergmann 2004: Anm. 1).
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Beobachten
ginn existierenden (und im fortschreitenden Prozess an Konturen gewinnenden) Vermutungen erweist sich oft ein Element erst in der Zusammenschau mit anderen beispielsweise „als typischer Satz“, der „die Logik der Selektion“ offenbart eine Logik, auf die Forschende auch erst durch das Überarbeiten zu Beginn formulierter „Vorab-Hypothesen“ stoßen: Letztere eröffnen nämlich „keine Überprüfungs-, sondern eine Sensibilisierungslogik bezüglich der vom Fall gelieferten Informationen“ (Brüsemeister 2000: 68). Dieses Schärfen von Konturen und Kondensieren von Fall-Logiken sollte dabei jedoch nicht als fakultativ gesehen werden. Vielmehr dürfen auch Einzelfallstudien „nicht bei der reinen Reproduktion von Kommunikation stehen bleiben“, sondern sollen darüber hinaus auch „interpretierend und typisierend sein“ (Lamnek 1995b: 34): Nicht zuletzt geht es um „das Besondere eines Falles im Kontext allgemeiner Regelhaftigkeiten“ (Hildenbrand 1995: 257 zit. n. Brüsemeister 2000: 62) bzw. um „theoretische Erklärungen, die den Fall in seiner Struktur beleuchten“ (Brüsemeister 2000: 63), um das Aufstellen von Hypothesen, ausgehend von den wiederum unter dem Einfluss von Situationen zustande gekommenen Selektionsentscheidungen. Wesentlich scheint in diesem Zusammenhang bereits der Hinweis auf ein (zentrales) Gütekriterium von Fallstudien, das sich nicht auf die „Frage der Antreffbarkeit eines Falles in seinem Feld“, bezieht, sondern durch die „Frage der Genese einer inneren Fall-Logik, die [jedoch sehr wohl] durch den Rekurs auf soziale Kontexte erklärt wird“ (Brüsemeister 2000: 67). Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Definition eines Falles „is not independent of interpretative paradigm or methods of inquiry“ (Stake 2000: Anm. 3). Darüber hinaus hat jeder Fall seine eigene, einzigartige genetische Entwicklungsgeschichte: „With its own unique history, the case is a complex entity operating within a number of contexts.“ Daher betont Stake (2000: 439 u. zit. Lit.) auch den „intrinsischen Werts des Besonderen“ und meint (da „The search for particularity competes with the search for generalizability.”): „Generalization should not be emphasized in all research.“ Obwohl bzw. vielmehr: gerade weil die Fallstudie jedoch auf ihre (qualitativ-interpretative) Art und Weise einzelne Fälle zum Gegenstand macht30 und eine intensivere Beschäftigung mit Objekt und Untersu30
Ausgehend vom Charakteristikum des einzelnen untersuchten Falls kann an dieser Stelle auf die ausgedehnte Kontroverse vor dem Hintergrund der Windelband‘schen Unterscheidung zwischen »nomothetischer« und »idiographischer« Methodik und eine ihrer hier interessierenden Folgen verwiesen werden. (Windelband 1919 bzw. von Alinger/Ortlieb 1975): Zwar kann diese Unterscheidung heute „nur noch quasi heuristisch und akzentuierend verstanden werden“, da „‚idiographische und nomothetische Methodik nicht nur als gleich mögliche Ansätze an denselben Gegenstand je nach Forschungsperspektive aufeinander verweisen’ sondern einander voraussetzen“ (Graumann 1960: 104 zit. n. von Alinger/Ortlieb 1975: 159). Dennoch ist zu beachten, dass auch aus dieser Perspektive und unter dem aus der Kritik am Induktionsprinzip abgeleiteten
Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen
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chungsmaterial ermöglicht, werden schließlich mit Lamnek (1995b: 6) auch komplexere Ergebnisse möglich. Es zeigt sich wohl auch an diesem Detail die Möglichkeit der Steigerung der Komplexität durch Selektion.31 Insofern als diese „Komplexität des ganzen Falles“ betont wird, kann „entscheidende Hilfe (…) bei der Suche nach relevanten Einflussfaktoren und bei der Interpretation von Zusammenhängen“ erwartet werden, womit im Rückgriff auf Fallmaterial nicht zuletzt ein „entscheidendes Korrektiv humanwissenschaftlicher Forschung“ (Mayring 2002: 41) und vielleicht auch: an systemtheoretischer Abstraktheit orientierter Perspektiven gesehen werden kann, nicht zuletzt auch als Beitrag zum »Verstehen«, das Stegmüllers Diktum gemäß (vgl. oben) als Voraussetzung für ein »Erklären« zu gelten hat. Systemtheoretische Perspektiven bzw. ein daraufhin zugespitztes interpretativ-sozialkonstruktivistisches Paradigma legen eine Erschließung sozialer »Realitäten« bzw. besser »Wirklichkeiten« verstanden als »kommunikative Wirklichkeiten« über reflexive Kommunikation bzw. Selbst- und Fremd-Beobachtungen höherer Ordnung nahe. Dementsprechend bietet sich eine breite Palette »qualitativer« Erhebungsmethoden und deren Bündelung im diesen ohnedies als näher stehend erachteten approach der Fallstudie an, wobei das Ziel allerdings nicht ein »Sinn-Verstehen« des individuellen Falls alleine, sondern vielmehr ein darüber hinaus verweisender Ansatz einer generalisierenden »Erklärung« (bzw. »dichten« Beschreibung) sein soll. Vor diesem Hintergrund ist dem Forschungsansatz der Fallstudie mit seinen Grundlagen und zentralen Charakteristika, aber auch mit den dahinter stehenden Notwendigkeit und Wert qualitativer Vorgehensweisen betonenden paradigmatischen Annahmen für den
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„logischen Primat des Allgemeinen vor dem Besonderen“ ein Einzelfall für die (positive) Gültigkeit einer wissenschaftlichen Theorie „nur insoweit fruchtbar gemacht werden kann, als später ein Vergleich mit anderen Fällen durchgeführt wird“. Allerdings kann dieser unter Umständen für den Prozess der Falsifikation einen höheren wenngleich wiederum nur eingeschränkten Wert besitzen: Denn wenn jeder allgemein formulierte Zusammenhang sich notwendigerweise in „der Realität“ zu bestätigen hat, so kann das Ergebnis dieses einen (geglückten oder missglückten) Realisationsversuchs als Argument wenn auch nur eines unter vielen für die Beibehaltung oder Ablehnung der Allgemeinaussage dienen. De facto wird allerdings nicht nur eine Erhärtung (so sie überhaupt [psycho]logisch argumentiert werden kann), sondern auch eine Widerlegung mehr als einen Fall bzw. einigermaßen analog dazu: mehr als ein Experiment (für das entsprechend ähnliche Argumente ins Treffen geführt werden können) erfordern. Zumal der Schluss von einem falsifizierenden Fall auf einige falsifizierende Fälle ebenfalls wieder nur induktiv erfolgen könnte (von Alinger/Ortlieb 1975: 161f). Steigerung der Komplexität bzw. der Fähigkeit zur Komplexitätsverarbeitung durch Selektion und selektive Aktualisierung von Kommunikation(sstrukturen) ist ja nicht nur ein Angelpunkt der Luhmann‘schen Theorie selbstreferentieller (Sozial-)Systeme, sondern findet sich auch bereits bei Ashby als Erfordernis notwendiger requisite variety.
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Beobachten
empirischen Teil dieser Arbeit mit den zentralen Erkenntniskonstrukten »Communities (of Practice) als soziale Systeme« bzw. »Wissen und Sozialkapital als emergente (kommunikative) Phänomene sozialer Systeme« das Potential für das Hervorbringen interessanter Erkenntnisse durch ein Fruchtbarmachen des Ansatzes zuzusprechen. »Communities (of Practice)« bzw. »Wissen«, »Sozialkapital« usw. sollen damit wie kommunikative Strukturen sozialer Systeme generell vor allem als soziale Konstrukte bzw. hinsichtlich ihrer sozialen Dimensionen32 zum einen im Licht der proklamierten autopoietischen Wende in der Systemtheorie (Kiss 1990), zum anderen vor dem Hintergrund einer qualitativen Wende in der Sozialforschung (Mayring 2002)33 untersucht werden. Dazu scheinen letztlich Ansätze, die den nach Schütze »kommunikativen Grundcharakter der Sozialforschung« nicht nur akzeptieren, sondern vielmehr zum Angelpunkt machen, wünschenswert.
1.1.3 Was können Communities of Practice? Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit behandelten Fragestellungen sind nun zentriert um die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Lernens und Beharrens von (weniger: »in«34) »Communities (of Practice)«. Diese Arbeit bemüht sich in ihrer Beantwortung (1) zum Ersten (a) um eine theoretisch-konzeptive Ableitung sowie (b) eine empirisch-faktische Beschreibung von Prozessen der »Sozialisation«, »Perfektion« und »Innovation« im Hinblick auf den kollektiven Wissensbestand einer Community (als practice bzw. »kognitiv stilisierte« Erwartungsstruktur) in Abhängigkeit vom vorhandenen, sich autopoietisch reproduzierenden Sozialkapital (als »affektive«, d.h. »Gefühl-volle« Emergenz). Mit anderen Worten: Die erste Frage wird sein, wie Sozialkapital diese drei (idealtypischen) 32
33 34
Das ist eine weitere, aber notwendige Einschränkung denn für Erkenntnis ist zuallererst die Entscheidung für einen bestimmten Blickwinkel (eine »Unterscheidung«, vgl. oben) vonnöten, und für die angestrebte Erkenntnis scheint diese Unterscheidung Erfolg versprechend. Diese Unterscheidungsaufgabe des Systems kann im systemtheoretischen Sinn hier für gewöhnlich mit Rekurs auf Spencer-Browns Draw a distinction! als konstitutiv für jede Beobachtung gesehen werden. Sie bezeichnet Unterscheidung und gleichzeitige Bezeichnung einer Seite, die als »blinder Fleck« der Beobachtung erhalten bleiben (vgl. oben). Ein Hintergrund, geprägt auch bereits durch einen älteren lingusitic turn (Rorty). Dies wäre das „soziale Lernen“ im Sinne von Bandura (1970, 1976, 1979), das jedoch eigentlich individuelles Lernen in sozialen Zusammenhängen meint (vgl. Stendenbach 1963, Brödner et al. 1999, Wellhöfer 2001), nicht jedoch die Veränderung kollektiver Wissensbestände (= Lernen eines sozialen Systems).
Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen
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Lernprozesse behindert, befördert oder erst ermöglicht. (2) Zum Zweiten untersucht die vorliegende Arbeit (deduktiv) die Erwartbarkeit und (induktiv) das Auftreten dieser drei Prozesse in Inter- oder Independenz voneinander. Das heißt sie befasst sich mit der Frage, ob und wie Communities gleichzeitig für das (individuelle) Lernen ihrer Mitglieder und das (kollektive) Tradieren, bzw. außerdem: das Weiterentwickeln ihrer Praxis sorgen können, ohne in diesem laufenden (und vor allem risikobehafteten) Verunsicherungsprozess ihre Identität bzw. die erforderliche weil identitäts- und daher systemkonstituierende dynamischautopoietische »Stabilität« zur sehr aufs Spiel zu setzen. Analog zur Vermeidung »kognitiver Dissonanz« (Festinger) psychischer Systeme oder zum Phänomen des groupthink (Janis) ist für soziale Systeme und hier insbesondere für organisierte Sozialsysteme »normatives Beharren« wohl ebenso gang und gäbe wie es andere Pathologien des Lernens nicht nur »in«, sondern auch »von« sozialen Verflechtungszusammenhängen kognitive Abwehr verunsichernder Umweltreize bzw. (vor allem affektive) Überbetonung des bestehenden sozialen Gefüges zur gerechtfertigten Bestands- bzw. Identitätssicherung (Steele 1988) sind. Zudem sind auch aus praxeologischer Perspektive Beharrungstendenzen sozialer Praktiken diagnostiziert worden, „die eine möglichst identische, eine konservative Wiederholung von Praktiken, auch gegenüber alle möglichen Irritationen präferieren“ (Reckwitz 2004).
Beobachtung als »Lernanlass«
Nicht-Lernen der Community überhaupt kein Lernprozess
individuelles Lernen
Lernen der Community Einschleifiges Lernen
Zweischleifiges Lernen
Abb. 1: »Lernen«
Die Unterscheidung ist damit eine zweifache. Denn im Fall des »Nichtlernens« der Community ist nicht gesagt, dass überhaupt kein Lernprozess stattfindet auf individueller Ebene kann das durchaus der Fall sein (vgl. zu diesem Verständnis der Aufgabe von Communities (of Practice) explizit bspw. Gherardi/Nicolini 2002) und wenn sogar das soziale System »Community« eine Veränderung in seiner Wissensstruktur (d.h. ihrer practice) erfährt, kann dies entweder unter Ausrichtung auf bestehende Ziele und Werte (und Normen?)
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Beobachten
also: im frame oder bei gleichzeitiger Anpassung des Orientierungsrahmens geschehen (vgl. bspw. Bateson 1981 {1972}, Argyris/Schön 1978). Um diese Antwortmöglichkeiten auf in der Umwelt die als solche aus der Perspektive eines sozialen Systems erst recht nicht nur systemrelative, sondern vor allem auch sozial konstruierte Wirklichkeit ist beobachtete Zustände oder Differenzen (die nach Bateson »einen Unterschied machen«) bzw. Reaktionsstrategien auf dadurch erfahrene Irritationen (in weiterer Folge: Dissonanzen) näher zu untersuchen, wird jedoch nicht der Versuch unternommen, auf (einfache) funktionale Analogiebildung zurückzugreifen und beispielsweise »Communities« als lebenden Organismen ähnliche Gebilde bzw. als Aggregate, die Stress »empfinden«, falls Stimuli nicht ins bestehende (kognitive) Schema passen, zu behandeln oder bloß individuelle (Stress-)Empfindungen kollektiv aufzusummieren. Vielmehr wird ein Weg über bereits ausgearbeitete Theoriekonzepte für »Soziale Systeme« beschritten. Denn wenn diese Supertheorie (Luhmann) selbstreferentieller sozialer Systeme ihrem Anspruch auf universale Anwendbarkeit (das heißt nach ihrem Urheber ja nicht ausschließliche Gültigkeit (vgl. oben)) gerecht werden kann, so sollte sich mit ihr auch für diese Situation ein angemessenes Beobachtungsinstrument (aus gebündelten Leitdifferenzen für Beobachtungen höherer Ordnung) entwickeln lassen. Wie Amann/Hirschauer (1997: 38) für die Ethnographie insgesamt festhalten, soll auch hier nicht zuletzt für den angestrebten empirisch-faktischen Realitätsbezug gelten, dass Teilnahme (auch wenn sie nur im weitesten Sinn eine solche ist) am Leben im Feld und mit ihr einhergehende notwendigerweise hochselektive empirische Untersuchungen, nicht nur einer empirischen »Grundierung« (wie von der grounded theory (vgl. unten) vorrangig betont) oder Validitätssteigerung, sondern vorrangig der Irritation theoretischer Konzepte dienen können. Das wäre wohl auch im Sinne von Eco (1985: 18), der sich und seine Leserinnen ermahnt: Schließlich müssen wir diesem Modell andauernd widersprechen, indem wir (…) alle Phänomene (…) aufzeigen, die sich dem Modell nicht einfügen und die es dazu zwingen, sich umzugestalten, sich zu erweitern und sich zu korrigieren.
Es spannt sich damit ein Bezugsrahmen (Abb. 2) für die vorliegende Arbeit auf, der seinen Ausgangspunkt in einer vielerorts diagnostizierten steigenden Bedeutung von »Wissen« in der Welt- bzw. Wissensgesellschaft einerseits und in (sich nicht zuletzt daraus ergebenden) neuen Anforderungen an Organisationen andererseits findet. Vor diesem Hintergrund verdienen denn auch in der (Management-)Literatur aufgestellte Behauptungen, wonach sich »Communities (of Practice)« als soziale Formen der Zukunft in besonderem Maße zur Weitergabe und Weiterentwicklung von erfolgskritischem Wissen eignen, Beachtung (c).
Leitunterscheidungen, methodologische und methodische Orientierungen
Neue Bedeutung von Wissen (Welches Wissen?...)
Beobachtungen
Neuer Umgang mit Wissen (Welche Organisationsformen?...)
»Communities of Practice eignen sich zur Weitergabe (Diffusion) von vorhandenem Wissen«
Behauptungen
»Communities of Practice sind besonders lernfähig und fördern daher Innovation«
»Communities (of Practice)« als kommunikationsbasierte soziale Systeme
»Wissen« als emergente Struktur sozialer Systeme »Sozialkapital« als emergente Struktur sozialer Systeme
Phänomenologie der Kopplung »Gefühl-voller« und »Sinn-hafter« Kommunikationsdimensionen
»Inflexibilisierung« des Wissens durch Sozialkapital
Beschreibung der tatsächlichen Koppelungsmechanismen und ihrer Wirkungen auf Wissen
Abb. 2: Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit
(System)theoretische Klammer
39
n
o
Ergänzung der systemtheoretischen Perspektive für eine fundierte Beschreibung der in der Literatur anzutreffenden Behauptungen p um eine affektive Dimension
Aufgrund der theoretischen Fundierung erwartbare Prozesse auf der Ebene der Systemstruktur
q
»Flexibilisierung« des Wissens durch Sozialkapital
Darstellung beobachtbarer Phänomene in einer Fallstudie
r
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Beobachten
In einem ersten Schritt sollen daher hintergründige Entwicklungen einer Bedeutungszunahme von »Wissen« in der Gesellschaft (verstanden als »kognitiv stilisierte« Erwartungsstrukturen sozialer Systeme) wie auch vordergründige Behandlungen von Wissenskommunikation in »Communities (of Practice)« einem systemtheoretischen, und damit »supertheoretischen«, Beschreibungsversuch unterworfen werden (d). Dabei wird sich herausstellen, dass erst eine zumindest ansatzweise Überwindung der »Kognitionslastigkeit« dieser Perspektive durch Einblenden von »Gefühl-haften« zusätzlich zu den »Sinn-haften« Kommunikationsbestandteilen es erlaubt, neben dem systemischen Wissen auch das in sozialen Systemen auf der Ebene von »Gruppe« durch die vorrangige Bedeutung emotionaler Stabilisierung ganz besonders vermutete »soziale Kapital« in die Beschreibung aufzunehmen (e). Je nach Verhältnis zwischen kognitiven, normativen und affektiven Dimensionen der kommunikativen Strukturen (kurz: »Wissen«, »Normen« und »Sozialkapital«) lässt sich dann jedoch neben hoher ebenso auch niedrige bis hin zu kaum vorhandener Lernfähigkeit einer »Community« erwarten (f). Die Frage nach der getroffenen Wahl aus den möglichen Antwortstrategien auf Anlässe zur Erwartungsrevision (Umweltreize i.w.S.) wird demnach auch im Mittelpunkt einer empirischen Konfrontation dieser konzeptionellen Überlegungen (bei laufender Rückkoppelung zur Literatur und zur »Praxis des Theoretisierens«) stehen (g).
2.
Wissen
2.1
Wissen und Gesellschaft
Vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung und Entgrenzung vieler Lebensbereiche diagnostizieren bzw. prognostizieren zahlreiche Autor(inn)en nicht erst an der Schwelle zum 21. Jahrhundert weitreichende Änderungen der gesellschaftlichen Landschaft, bzw. sogar den Übergang zu einer neuen Gesellschaftsformation mit einer die traditionellen Organisationen35 herausfordernden neuen Ökonomie36. In dieser soll die Bedeutung der klassischen (und hier insbesondere der materiellen) Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital hinter jene der Informationsökonomie vorrangig »Informationen« und »Wissen« (kaum jedoch: »Daten«) zurücktreten: Knowledge has become the key to success (Wenger et al. 2002: 6).37 Ihren Ausführungen zufolge leben wir zuneh35
36
37
Möglicherweise auch: traditionelle Zugangsweisen zu einem verdienten Verständnis (Luhmann) von Organisationen. Vgl. bspw. Bell (1973/1976a, 1976b, 1980, 1991), Blackler (1995), Davenport/Prusak (1998), Drucker (1968, 1989, 1993, 1998), Edvinsson/Malone (1997), Edvinsson/Brünig (2000), Galbraith (1967), Lane (1966), Miles et al. (1998), Nonaka (1994, 1998 {1991}), Nonaka/Konno (1998), Nonaka/Takeuchi (1995), Nonaka et al. (2000), Prahalad/Hamel (1990), Quinn (1992), Probst et al. (1997), Shapiro/Varian (1999), Schmidt (2000), Starbuck (1992), Stehr (1994, 2001), Stata (1989), Stewart (1991, 1994), Thomas et al. (2001), Toffler (1980, 1990), Willke (1998, 1999, 2000, 2001ab, 2002), Zander/Kogut (1995). Mittlerweile mehren sich jedoch auch Hinweise auf die Gefahren eines Verständnisses, das Wissen schlicht als Ressource neben anderen begreift: Wissen lässt sich nicht „wie eine Ressource behandeln, wie ein Bestand, der mehr oder minder geschickt verwaltet und eingesetzt werden kann (…). Schon die Arbeitskräfte (…) sind keine Ressourcen des Managements, (…) die dann nur noch einzusetzen sind“ (Baecker 2000: 105) Daneben lässt sich durchgehend feststellen (vgl. z.B. den ansonsten eher selten anzutreffenden Hinweis und die Literaturhinweise bei Schneider (1996: 8, 25)), dass Wissen, bzw. seine Entwicklung, Förderung, Verbreitung usw. in Organisationen, einen deutlich positiven spin im Sinne (unterstellter bzw. apriorisch angenommener) positiver sowohl interner als auch externer Effekte genießt, weshalb wohl verstärkt zu hinterfragen wäre, welches Wissen in Organisationen zu entwickeln anzustreben (und welches auf der anderen Seite möglicherweise zu blockieren) ist. (Wie noch deutlich werden wird, eine erste Gemeinsamkeit mit weiteren hier besprochenen sozialen Konstrukten wie Sozialkapital, Kultur oder Vertrauen.)
42
Wissen
mend in einer Welt der Ideen (Botkin 1999) bzw. in einer Wirtschaft der wissensbasierten Unternehmen (Drucker 1998, Kogut/Zander 1992, 1996), in der marktrelevantes Wissen die wichtigste oder gar einzige Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile (bspw. Nonaka 1998, Quinn 1992) darstellt: Während das Erfolgspotential anderer Ressourcen im Unternehmen nur noch begrenzt ausbaubar zu sein scheint, gilt »Wissen« als die „einzige Ressource, die sich im Gebrauch vermehrt“ (Schneider 1996b). Für Baecker (2000: 103) ist es daher sogar „vornehmste Aufgabe des Wissensmanagements (…) eine Organisation fit zu machen, für die »Wissensgesellschaft«, die am Horizont heraufzieht.“ Denn: „While the primary challenge of organization has always been the accumulation and application of knowledge to create economic value, knowledge today occupies a much more central and pervasive place than it has ever enjoyed“ (Miles et al. 1998: 281, Hv. PR).38,39 Im Lichte der proklamierten Bedeutungszunahme von »Wissen« für die Gesellschaft und die in sie eingebetteten (oder, je nach Sichtweise, in ihr ausdifferenzierten) Organisationen werden im Folgenden zentrale Entwicklungslinien nachgezeichnet, bevor konkret auf Formen des Umgangs vor allem mit »sozialem Wissen« also dem Wissen emergenter sozialer Gebilde (in erster Linie sozialer Systeme zwischen den Ebenen von »Interaktion« und »Gesellschaft«) eingegangen wird.
2.1.1 Wissensgesellschaft Wenngleich die »Wissensgesellschaft«40 von vielen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt worden und allerorts von ihr die Rede ist, so herrscht doch bereits auf einen zweiten Blick bei weitem weniger Einigkeit und Klarheit über die 38
39
40
Schneider (2001: 44) stellt klar heraus: „Im ökonomischen Kontext ist nur jenes Wissen relevant, das Marktwert schafft“, (ohne einen Hehl daraus zu machen, dass das unternehmerisches Risiko darin besteht, „daß der Marktwert erst ermittelt werden kann, wenn das Wissen schon produziert wurde.“) und auch in diesem Fall gilt im Zweifelsfall öfter als gemeinhin (implizit) angenommen: „Mehr ist nicht besser“ (2001: 85). Zu einer knowledge-based theory of the firm an resource-based theories (Barney 1996) anschließend vgl. bspw. Ghoshal/Moran (1996), Kogut/Zander (1992, 1993, 1995, 1996), Nonaka/Takeuchi (1995), Spender (1996), Conner/Prahalad (1996) sowie zur Kritik daran Foss (1996ab) bzw. in Verbindung mit resource-based theories vgl. z.B. Turvani (2001); zu einer cognitive theory of the firm z.B. Nooteboom (2002b); zum Einfluss der Struktur des Wissens (in) einer Organisation als Kontingenzvariable der Struktur Birkinshaw et al. (2002). Der Begriff einer knowledgeable society ist von Lane (1966) geprägt worden und verdankt seine Popularisierung als »Wissensgesellschaft« maßgeblich Drucker (1968) (vgl. zu diesem Hinweis bspw. Stehr 2001: 118).
Wissen und Gesellschaft
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Verwendung dieses Begriffs als man anzunehmen versucht ist.41 Unabhängig davon, ob diese »Wissensgesellschaft« erst ihre Schatten vorauswirft (Willke 1998) und entgegen allen Verheißungen nur eine weitere provisorische, daher zu überwindende Form des Kapitalismus darstellt (Gorz 2001) oder ob wir uns bereits in ihr wieder finden: Die Rede davon gründet wesentlich in einer zuallererst lebensweltlichen Quantitätserfahrung (Prisching), und zwar in Form einer zunehmenden Datenflut, die ihrerseits nicht zuletzt uns zur Verfügung stehende Informationsverarbeitungskapazitäten auf eine Probe stellt. Schon aus diesem Grund wäre der (leider kaum anzutreffende) Begriff der »Datengesellschaft« überlegenswert42. Die Metapher der Netzwerks (vgl. Teubner 1992, Bradach/Eccles 1989, Powell 1990, 1998, Thompson et al. 1998) bringt in diesem Kontext neben der Bedeutung steigender Vernetzung und Interdependenzen beim Austausch der Daten dann jene der damit zunehmenden Mengen und Geschwindigkeiten der Datenübermittlung via Informations- und Kommunikationstechnologien zum Ausdruck.43 41
42
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Auf die grundlegende Tatsache, dass Gesellschaft als Gesellschaft ganz fundamental auf der Grundlage von Wissen funktioniert und das natürlich immer getan hat! (Stehr (2001: 62) spricht in diesem Zusammenhang von einer „konstanten anthropologischen Größe“) wird an dieser Stelle nicht ausführlich eingegangen. Es soll der Hinweis genügen, dass der Mensch sich nicht nur als homo sapiens Wissen aneignen kann, sondern viel mehr als Mängelwesen (Gehlen 1957: 8) schon allein, um überleben zu können, auf Lernen angewiesen ist bereits beginnend mit den Prozessen frühkindlicher Sozialisation. Darüber hinaus scheint (was die Bestimmung des Begriffs der Wissensgesellschaft nicht gerade vereinfacht) auch die Entwicklung von Wissen in unterschiedlichsten Formen gleichsam „in der Natur des Menschen“ zu liegen so auch als animal symbolicum (Cassirer 1996: 51) bei der Erschließung der Welt über Mythos, Religion, Wissenschaft usw. unter Zuhilfenahme von Symbolen. „Es gibt keinen Informationsaustausch, sondern nur Datenaustausch“, stellt ja auch bspw. Willke wiederholt deutlich heraus (bspw. 2001b: 90). „Das Atom ist die Ikone des 20. Jahrhunderts (…) eine Metapher für Individualität. (…) Das Symbol dieses Jahrhunderts ist das Netz. Das Netz kennt kein Zentrum, keine festen Bahnen, keine Gewißheiten. (…) Das Atom bedeutet reine Einfachheit, das Netz transportiert unordentliche Komplexität“ (Kelly 2001: 21). Das Netzwerk ist zu einem zentralen Thema und das Netz überhaupt zu einer der Leitmetaphern unserer Zeit avanciert. Es scheint das Streben nach Individualität und (relativer) Unabhängigkeit eines „Kollektivs von Individualisten“ (Gleich 2002: 199) ebenso zum Ausdruck zu bringen wie es den Folgen wachsender Komplexität, steigender Dynamik und zunehmender Entgrenzung bzw. internationaler Verflechtung gerecht zu werden scheint. Vielleicht wird der Netzwerkbegriff auch deshalb so häufig (inflationär?) in metaphorischem Sinn gebraucht. „Man ahnt ungefähr, wovon die Rede ist“ (Aderhold et al. 2001: 3) und versucht damit so unterschiedliche Phänomene wie Selbstorganisation, Emergenzen, Nichtlinearität, Rückkoppelungen und Reziprozität etc. zu beschreiben bzw. Entwicklungen wie Dezentralisierung und Vernetzung, Dominanz von Marktbeziehungen und Globalisierung, Flexibilität und Beschleunigung mitunter salopp mittels Mode-Begriff zu erfassen. Sydow (1992) zieht gar den Schluss, dass nahezu jedes empirische Phänomen als Netzwerk betrachtet werden könne, da ein Netzwerk zunächst nichts anderes sei als ein methodisches Konstrukt des Forschers (vgl.
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Wissen
Die Frage, inwieweit die Rede von einem radikalen Bruch (Prisching) und das Sprechen von einer weiteren technologischen in begrifflicher Anlehnung an eine technisch-industrielle (weniger: eine aufklärerisch-französische?) Revolution gerechtfertigt ist (z.B. Miegel 2002), oder ob sich anstelle eines qualitativen Sprungs eher graduelle Veränderungen durch die stetige Veränderung der Bedingungen der Möglichkeit für Wissen (Willke 2001b, 2002) bemerkbar machen, energetisiert mit den darauf gegebenen Antworten unterschiedlicher Provenienz durchwegs kontroversielle Diskussionen. Von der »Wissensgesellschaft« zu sprechen impliziert immerhin einen zusätzlichen, vielfach vernachlässigten Qualitätsaspekt (Prisching): »Wissen« und die »Krisis des Wissens« gehen demzufolge über den Umgang mit einer Menge an »Daten« (Umwelt-Reizen) oder die Gewinnung von » Informationen« (Bedeutungen) aus diesen Unterschieden, die einen Unterschied machen (Bateson 1981 {1972}) nach System-spezifischen und daher: stets relativen Relevanzkriterien hinaus und hat auch ein sense making (Weick 2003) wenigstens im Sinne einer Strukturierung und Systematisierung zu berücksichtigen. Neben einem Abgleich ebendieser systemspezifischen Relevanzen stellt die Schaffung einer kommunikativ konstituierten und konfirmierten Praxis (Willke 2002) vor Probleme weit größerer Tragweite: Die behauptete Krisis des Wissens lässt sich zwar auch an einer Überflutung durch Daten, an der Unterschiedlichkeit und Inkommensurabilität von Informationen und am überall spürbaren Mangel an relevantem [!] Wissen festmachen. Aber all dies wäre nur eine systematischere Fassung der seit Platon üblichen Klagen. (2002: 18)
Im Gegensatz zu frühen noch viel mehr als heute vom industriegesellschaftlichen Paradigma geprägten Versuchen, beobachtete bzw. postulierte gesellschaftliche Wandlungsprozesse mit ihrem in der gestiegenen Bedeutung (natur)wissenschaftlich-technischen, kodifizierten Wissens vermuteten Ursprung ausgehend von der Vorstellung zu verwaltender Daten zu beschreiben (vgl. die Idee der postindustriellen Gesellschaft von Bell 1973/1976a und die Kritik von bspw. Cohen/Zysman 1987), bringt die Metapher des Netzwerks in einer globalisierten Welt einen Aufbruch in Richtung eines Managements von Informationen zum Ausdruck und siedelt immerhin die Problematik des Austausches bereits an zentraler Stelle an (vgl. die Netzwerkgesellschaft im Informations[!]zeitalter von Castells (2001 {1996}). Überhaupt liegt die Vermutung nahe, dass die originäre Konzeption von Bell (1973/1976a) die kodifiziertem, von den Organisationen des Wissenschaftssystems erzeugtem Wissen besondere Bedeutung beimisst Castells 2001 {1996}), der über den Untersuchungsgegenstand dessen Abgrenzung von seiner Umwelt entscheidet.
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am ehesten der Vorstellung einer »Datengesellschaft«, das von Castells (2001 {1996}) gezeichnete Bild der „Netzwerkgesellschaft im Informationszeitalter“ hingegen viel eher jener einer »Informationsgesellschaft« entspricht. Denn auch wenn jene Begriffe häufig als Äquivalente benutzt werden, weil (vermutlich vielmehr: woraufhin) eine Unterscheidung schwierig ist, wird nach Ansicht der vorliegenden Arbeit weder eine solche Unterscheidung automatisch überflüssig noch Austauschbarkeit akzeptabel (wie bei Stehr 2001: 111f, mit Beispielen).44 Erst eine jüngere systemtheoretische Perspektive begreift nun (nicht zuletzt unter dem Einfluss so unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen wie bspw. Kognitionspsychologie und Neurophysiologie) »Wissen« als die Erwartungsstruktur autopoietisch-selbstreferentieller Systeme und damit als eines der diese konstituierenden Merkmale. Dieses veränderte Verständnis von »Wissen« als „kommunikativ konstituierter und konfirmierter Praxis“ (Willke 2001b, 2002) macht nun die Wissens-Kommunikation als zentrale Operation zum Angelpunkt einer grundlegenden Debatte um jene spürbaren und gleichzeitig so schwer begrifflich zu fassenden Veränderungen in sozialer Statik und Dynamik der Weltgesellschaft, die unter dem Label »Wissensgesellschaft« Popularität erlangt haben (vgl. Willkes (2001b) „Revolutionen des Wissens“ bzw. Ansätze bei Luhmanns (1975) „Weltgesellschaft“ weiter unten). Im Lichte einer Theorie selbstreferentieller (sozialer) Systeme, die »Wissen« als komplexe Prüfoperation (Luhmann) und damit über den Umgang mit (beobachtungsbasierten) »Daten« bzw. die Erzeugung von »Informationen« einen qualitativen Schritt hinausgehend konzeptualisiert, können mit Willke (1999, 2001ab, 2002) für moderne, funktional differenzierte Gesellschaften jene Veränderungen („Revolutionen“) der „Bedingungen der Möglichkeit für Wissen“ skizziert werden, die es erlauben, von einer (bestehenden oder zumindest bevorstehenden) »Wissensgesellschaft« zu sprechen. Unterstützung dafür kann nicht nur von popularisierten Ideen die Wissen(schaft)sproduktion betreffend (Gibbons et al. 1994, Gibbons 2000, Nowotny et al. 2004), sondern auch in Luhmanns (1975) Idee der Weltgesellschaft in Form von Indizien für eine Betrachtungsweise aus dieser Perspektive vermutet werden. Das gilt sowohl für die strukturellen Veränderungen vor allem beim Umgang mit enttäuschten Erwartungen bzw. deren Ausweitung über die Grenzen einzelner Funktionssystem hinaus im umfassenden Sozialsys-
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Fraglich scheinen aus dieser Perspektive eine „Reduktion von Wissen auf Information“ (Stehr 2001: 60f), das Gleichsetzen von „Information“ mit „Wissen“ und schließlich mit „kodifizierter Erkenntnis“ (2001: 114f) oder wie schon angemerkt die Möglichkeit eines „Austauschs von Informationen“ (2001: 115).
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tem der Gesellschaft, als auch für die sich daraus ergebenden mitunter qualitativ neuen Unsicherheiten (Systemrisiken) und Irritationen.45 Damit wird schließlich die Interpretation nahe gelegt, dass die derart beschriebene Welt-Gesellschaft unter anderem auch inhärent als eine Wissens-Gesellschaft verstanden werden kann, die eine zunehmende Bedeutung von »Daten« (Bell) und »Information(snetzwerk)en« (Castells) einschließt, nicht jedoch auf diese wenngleich notwendigen Voraussetzungen für »Wissen« reduzierbar ist. Das »Wissen« selbstreferentieller Sozialsysteme ist vielmehr komplexer zu konzipieren und die Zunahme seiner Bedeutung hat für jene (Welt-)weit reichende Konsequenzen46
2.1.2 Wissenschaftsgesellschaft Wenn Willke (2002: 13f) dabei den Wissensbegriff unter systemtheoretischen Gesichtspunkten (also auch: ausgehend von beobachtenden selbstreferentiellen Systemen) als „kommunikativ konstituierte und konfirmierte Praxis“ fasst47, so grenzt er ihn nicht nur von alldem ab, „was sich in kommunikationsloser Einsamkeit denken und imaginieren lässt“48, sondern nimmt ihm zugleich „die Weihen einer besonderen oder »höheren« Seinsart, denn jede konfirmierte Praxis generiert Wissen, ob es nun eine Praxis der Praxis oder eine Praxis der Theorie 45
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Für den Umgang mit Irritationen (vor allem auch Unterschiede und Entwicklungen im historischen Verlauf bzw. in verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssystemen) vgl. Luhmann (1999: Kap. 3). Weshalb die Welt-Gesellschaft nicht nur Wissens- sondern auch inhärent Risiko-Gesellschaft (im Sinne zunehmender Destabilisierungs-Risiken durch zunehmende kognitive Stilisierung von Erwartungsstrukturen) ist (Luhmann 1975a, Willke 2002). Als Voraussetzung für »Wissen« gelten dementsprechend »Daten« sie sind „dokumentierte Differenzen“ in der Tradition Batesons und beruhen auf Beobachtungen, ihrerseits konstituiert durch das Treffen einer Unterscheidung (vgl. den minimalen und vor allem formalisierten Akt der Unterscheidung Spencer-Browns (1994)) und »Informationen« (nach systemrelativen Relevanzen erwartungsstrukturell gefilterte Daten), die im Sinne eines Weick‘schen sense making (bspw. 2003) durch Anbindung an Erfahrungskontexte sinnhaft systematisiert und strukturiert werden müssen um als Wissen gelten zu können (z.B. Willke 2002: 15). Wissen ist nach diesem Verständnis also keine subjektive, beliebig konstruierbare Vorstellung: „Denn Wissen ist (…) an (…) Erfahrung gebunden, die auf der Auseinandersetzung mit irgendeiner Form von Umwelt beruht. Wissen besteht dann in den systemspezifisch brauchbaren, durch Lernen interiorisierten Verhaltensregeln für Interaktionen und Transaktionen mit einer Umwelt.“ „Ein basales Wissenselement resultiert“, für Willke (2001b: 90) „aus der Erfahrung einer »funktionierenden« Konditionalregel: »Wenn x unter den Bedingungen des Kontextes y, dann z«“, und nennt dies eine „erfahrungsgeprobte Zweck-Mittel-Relation“.
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ist (…)“.49 Damit ist aber auch die scientific community nur mehr eine unter anderen möglichen communities (of practice) und „je deutlicher sich herausstellt, dass auch Wissenschaftsgemeinschaften nichts anderes sind als spezialisierte Praxisgemeinschaften [!], desto dringlicher muss sich das Wissenschaftssystem gegenüber seiner Gesellschaft darüber legitimieren, was die Besonderheit oder gar die behauptete Einzigartigkeit des von ihm produzierten Wissens ausmache“ (2002: 14). Die wissenschaftliche Praxis ist also nur mehr eine neben anderen und nicht notwendigerweise (wie z.B. von Bell 1973/1976a suggeriert) die einzig legitimierte nicht einmal im Umgang mit Theorie. Denn zum einen unterscheidet sich Wissenschaft von anderen Wissens-Systematisierungsformen nur durch die Art der in ihm geltenden nicht beliebigen, aber doch selbstreferentiell festgelegten Regeln und nicht bereits durch die Existenz solcher Regeln alleine (Willke 2002: 14). Und zum anderen haben auch Systeme außerhalb des klassischen Wissenschaftssystems gelernt, „Theorie als nützliches Instrument der Wissensproduktion einzusetzen“ (2002: 58). Eine „Verbreiterung der Basis der Wissensproduktion“ (2002: 59), die insbesondere durch die Arbeiten von Gibbons (2000), Gibbons et al. (1994) und Nowotny et al. (2004) unter der Bezeichnung „Modus 2“ der Wissensproduktion Popularität erlangt hat.50 Damit wird bereits deutlich, dass die Idee der Wissensgesellschaft nichts zu tun hat mit dem „abwegigen Modell einer Wissenschaftsgesellschaft. Jedenfalls für den Fall moderner Gesellschaften51 kann nicht ein Funktionssystem, sei es Politik, Ökonomie oder Wissenschaft, für das Ganze stehen, ohne die Gesellschaft insgesamt zu deformieren“ (Willke 2001b: 27). Vielmehr „nimmt in der Wissensgesellschaft die Bedeutung von Wissen zu, die gesellschaftliche Relevanz 49
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„Some communities specialize in the production of theories, but that too is a practice. (…) Even when it produces theory, practice is practice“, stellt auch Wenger (1999: 48f, Hv. PR) in seiner zentralen Arbeit zu communities of practice fest. „In diesem Sinne gibt es kein »theoretisches« Wissen, sondern nur praktisches Wissen im Umgang mit Theorie. Es gibt kein »abstraktes« Wissen, sondern nur praktisches Wissen im Umgang mit Abstraktionen. Und es gibt dann auch Wissen im Umgang mit Nichtwissen, mit Irrealem, Virtuellem oder mit Imaginiertem, wenn diese Felder als relevante Bereiche sozialer Praktiken definiert sind, also zu realen Erfahrungen und Erfahrungskontexten geführt haben“ (Willke 2002: 22). Vgl. demgegenüber die Zentralität „theoretischen“ Wissens bzw. das Wissens-Verständnis selbst bei Bell (1975: 41, passim): „In zunehmendem Maße wird das theoretische Wissen so zum strategischen Hilfsmittel und axialen Prinzip der Gesellschaft“. Größere Bedeutung ist nach (Willke 2002: 59ff) dem hingegen jedoch der „Veränderung der Basis der Wissensproduktion“ beizumessen: „von der Ordnungsform Markt zur Ordnungsform Organisation.“ Hier gemeint: funktional differenzierte Gesellschaften systemtheoretischer, insbesondere Luhmann‘scher Vorstellung (bspw. 1975b, 1981b, 1990, 1997, 2001a).
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des Wissenschaftssystems aber ab“ (Willke 2002: 12).52 Wesentliche Gründe für diese „auf den ersten Blick widersprüchliche Bewegung“ ortet Willke (2002: 26) in einer „der Industriegesellschaft zugrunde liegende[n] Verengung von Wissen (und Wissenschaft)“, weshalb es erforderlich sei, „mit einer revidierten Fassung des Wissensbegriffs ein angemesseneres Verständnis der sich formierenden Wissensgesellschaft zu fördern.“ Denn, so Willke weiter: Wenn es überhaupt gerechtfertigt ist, von einer Umwälzung des leitenden Gesellschaftsparadigmas von der Industriegesellschaft zu dem der Wissensgesellschaft zu sprechen, dann vor allem, weil sich in relevanten Dimensionen für die Bedingungen der Möglichkeit und für die Folgen von Wissen einschneidende Veränderungen beobachten lassen. (2002: 27)
Die Veränderungen in der räumlichen Dimension dass sich wissenschaftlich (bzw. insgesamt auch: gesellschaftlich?) relevantes Wissen nicht mehr auf die singuläre Quelle des Wissenschaftssystems beschränkt,sondern sich auf „multiple Quellen der Produktion praxisrelevanten Wissens“ ausweitet und es damit auch „keine letzte Instanz der autoritativen Beglaubigung mehr geben kann“ (Willke 2002: 27f) sind dabei nicht das einzige Indiz.53 Neben Auswirkungen auf die soziale Praxis und den operativen Umgang mit Wissen (insbesondere in Form „nahezu beliebig steigerbarer Reflexivität“) sind es vor allem kognitive Aspekte und die zeitliche Komponente, die besondere Berücksichtigung verdienen (Willke 2002: 28). Wenn das Veränderungstempo für Wissen wie auch für Nichtwissen zunimmt, so tut es das nach Willke (2002: 57) allerdings nur vordergründig durch vielfach bemühte Phänomene wie Globalisierung, weltweite Konkurrenz, Digitalisierung usf.: „Hintergründig nimmt das Veränderungstempo von Wissen aus immanenten Gründen der selbstreferentiellen und notwendig paradoxen Operationsweise von Wissenssystemen zu.“ Nicht nur (oder: erst?), die Betrachtung von Wissen als »Ressource« (einhergehend mit der Notwendigkeit des Erneuerns und Ersetzens in immer kürzeren Abständen, da es nicht zuletzt aufgrund steigender Gesellschafts- bzw. Umweltdynamik rascher »veraltet«), sondern bereits die Entstehung der modernen Wissenschaft steht für eine „Umwertung von richtigem »originalem«, also altem und ursprünglichem Wis52
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Demgegenüber findet Stehr (2001: 54), „dass die von der Wissenschaft produzierten Wissensformen nicht nur zunehmen, sondern auch, dass die wissenschaftliche Erkenntnis wenn nicht unbedingt die einzige, dann aber doch die wichtigste Quelle zusätzlichen Wissens in der modernen Gesellschaft ist“ (vgl. bereits oben). Wenngleich das Erfordernis, das Verhältnis von »Theorie« zu »Praxis« aufgrund der erkannten „Praxisabhängigkeit“ von Wissen neu zu denken, nicht unterschätzt werden darf. So wird es für das Wissenschaftssystem immer schwerer (wenn nicht bereits: unmöglich) alleine über „geltendes“ Wissen zu entscheiden (Willke 2001b: 58).
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sen auf »neues« Wissen (…) Das neue Wissen ersetzte das alte und es war richtiger und wichtiger, weil es den neuen Bedingungen je aktueller Erfahrungskontexte Rechnung trug“ (Willke 2002: 57). Bereits an früherer Stelle beschreibt Willke (2001b: 87f) die Veränderungen dieser zeitlichen Bedingungen, die Umkehrung des Zeithorizontes, als erste »Revolution des Wissens«: Galt bis dahin das alte, »originale« (im Sinne von ursprüngliche) Wissen als richtiges und gutes Wissen, so gewann mit Experiment, Erfindung und Entdeckung als Programmen zur Erzeugung von Wissen das neue Wissen allmählich die Überhand und setzte sich gerade als Neues gegenüber dem Alten und Veralteten durch.
Als zweite Revolution des Wissens gilt Willke (2001b: 88) hinsichtlich der sich wandelnden räumlichen Möglichkeitsbedingungen für Wissen die am Beginn des Abschnitts skizzierte „Aufkündigung der reinen Selbstreferenz des wahren Wissens im Wissenschaftssystems“, denn: Gerade das brisanteste, neueste und als Ressource wirksamste Wissen wird nicht mehr ausschließlich innerhalb des Wissenschaftssystems (…) sondern in sehr unterschiedlichen, hybriden Formen angewandter Grundlagenforschung , die aber nicht auf Wissen als Wissen im alten Sinne [!] zielt, sondern auf Wissen als Basis für neue Güter und neue Geschäftsideen.
Diese beiden Entwicklungen auf der einen Seite der Verlust des wissenschaftlichen „Monopols für die Produktion relevanten Wissens“ (Willke 2002: 67) sowie auf der anderen Seite die Steigerung der Veränderungsgeschwindigkeit von Wissen bei gleichzeitiger Bevorzugung des neuen finden wohl zum einen mittelbar und zum anderen unmittelbar auch Ausdruck in der Beobachtung, dass im umfassenden Sozialsystem der Gesellschaft „Wissen von einem langsamen Faktor der Stabilisierung sozialer Praktiken zu einem schnellen Faktor der Gestaltung sozialer Konstellationen“ avanciert. Die Wissensgesellschaft erlebt diesbezüglich eine »gewagte« Verallgemeinerung des »revolutionären« wissenschaftlichen Credos, dass nämlich „das neue Wissen »besser« ist als das alte“ (Willke 2002: 27): Was mit der (quasi institutionalisierten, Subsystem-typischen) Umkehrung des Zeithorizonts (vgl. oben) in einem gesellschaftlichen Funktionssystem jenem der Wissenschaft den Ausgang genommen hat, wird nun auch in anderen anzuwenden versucht. Wesentliches Kennzeichen der Wissensgesellschaft ist demnach also weniger die Bedeutung der Wissenschaft (als Institution bzw. als gesellschaftliches Funktionssystem), viel weniger noch ihrer Organisationen (wie Universitäten und ähnlicher Forschungseinrichtungen) oder des bis vor kurzem Führungsanspruch genießenden, von ihnen hervorgebrachten wissenschaftlich-technischen Wissens
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in Form kodifizierter »objektiver Gedankeninhalte« in der Tradition Poppers54 (wie bspw. von Bell 1973/1976a suggeriert), als vielmehr die gesellschafts- und damit Welt-weite Veränderung der kommunikativen Metaregeln hin zur Bevorzugung von Lern- und Veränderungsbereitschaft, die sich im Zunehmen kognitiver Stilisierung enttäuschter Erwartungen in Form sozialer Kommunikationsstrukturen manifestiert.
2.1.3 Weltgesellschaft Gestiegene Lern- und vor allem Veränderungsbereitschaft bzw. die Notwendigkeit dazu bergen als Schattenseite verstärkt durch (infrastrukturelle) Vernetzung und (globale) Interdependenz neue Risikopotentiale (Willke 2002: 30ff, vgl. oben die »Systemrisiken«). Auch wenn man nicht alles auf einmal in Frage stellen kann (Luhmann 2001a), so werden Sicherheiten bzw. Sicherheit gebende Strukturen doch zunehmend (und: schneller bzw. in immer kürzeren Abständen) in Zweifel gezogen, was im Zusammenspiel mit ebenfalls noch nie da gewesenen Abhängigkeiten zu einer neuen Form systemischer Destabilisierung dem Systemrisiko (Willke 2002: 32) führt.55 Das nicht zuletzt, da „die Wissensgesellschaft mit einer Steigerung an organisierter Komplexität und Interdependenz geschlagen [ist], welche den vielen kleinen Katastrophen kaum mehr den Raum und die Zeit gibt, im Sande zu verlaufen…“ (2002: 28f). In diesem Zusammenhang gibt Willke (2002: 37) außerdem zu bedenken: „Als noch bedeutsamer könnte sich erweisen, daß die Wissensgesellschaft ihre neuartige Abhängigkeit von Wissen und Nichtwissen mit einer beschleunigten Destabilisierung ihrer Institutionen bezahlen muß (…) wenn die Genese sozialer Praktiken und die
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Popper (1973: 88ff, 123ff) unterscheidet bekanntlich drei (bzw. nach der Zählung von Haller (2003: 37, 303ff): fünf) Ebenen der sozialen Realität, davon ist die dritte (fünfte) jene der objektiven, geistig-logischen Gehalte. Auch Nowotny et al. (2004: 4f, Hv. PR) orten auffällige Parallelen zwischen gesellschaftlicher Wissens-Entwicklung und sozialer Komplexität: „Certainly there appears to have been a remarkable coincidence between the development of more open systems of knowledge production on the one hand and on the other the growth of complexity in society and the increase of uncertainty in both.“ So ist die Wissensgesellschaft (knowledge society) als dystopische Gesellschaft zunehmend mit dem Problem der De-Stabilisierung durch die Erzeugung von Unsicherheiten (uncertainties) konfrontiert (de-stabilizing account of society (2004: 12), weshalb sie auch Risikogesellschaft (risk society (2004: 10, 33, passim)) ist: „The inherent generation of uncertainties in both science and society is one of the crucial elements in their co-evolution (…) both science and society have opted for the production of the New (…)“ (2004: 35).
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damit einhergehende Produktion von sozialem Wissen schneller und direkter Eingang in die Regelsysteme und Institutionalisierungen der Gesellschaften finden würden.“ Spätestens an dieser Stelle wird man an Luhmann (1975: 55) erinnert, der ein „selektives Phänomen“ hinter der von ihm beobachteten auffälligen, weil zunehmenden „Präferenz für kognitive Erwartungen“ (also: »Wissen« statt »Moral«) gesellschaftsweit vermutet56: Achtet man auf die Erwartungsstrukturen, die jene universell gewordenen Interaktionsfelder der Wissenschaft und der Technik, der Wirtschaft, der öffentlichen Kommunikation von Neuigkeiten und des Reiseverkehrs orientieren, dann fällt ein deutliches Vorherrschen kognitiver, adaptiver, lernbereiter Erwartungen auf, während normative, Moral prätendierende und vorschreibende Erwartungen zurücktreten.
Sollte er mit dieser „auffälligen einseitigen Entwicklung“ einen wesentlichen Charakterzug nicht nur der Welt- sondern auch der Wissensgesellschaft aufgespürt haben? Wie auch für Willke (2002) die Möglichkeit einer beschleunigten Destabilisierung sozialer Strukturen nicht zuletzt aufgrund von zunehmender (weltgesellschaftlich-internationaler) Konkurrenz und Verflechtungen in Betracht kommt, hat(te) die quasi traditionelle „strukturelle Präferenz für normative Leitlinien der Erwartungsbildung auf der Ebene des Gesellschaftssystems“ ihren Grund wohl nicht nur in der leichteren Institutionalisierbarkeit des normativen Erwartungsstils (vor allem „strukturtragende Erwartungen“ werden auf diese Art und Weise zementiert, denn Lernen und damit auch eine noch unbestimmte Änderung der (Erwartungs-)Struktur ist stets mit Risiko verbunden wie mit Luhmann (1975: 56) im Vorgriff auf Themen des Lernens, wie sie weiter unten ausführlich behandelt werden, festzuhalten ist), sondern insbesondere auch darin, dass „alternativenreichere Gesellschaften“ und die (Welt-)Gesellschaft der Moderne ist wohl in diesem Sinne als eine mit höheren Anforderungen an die „Enttäuschungslast“ von Erwartungsstrukturen zu verstehen „auch abstraktere und elastischere Erwartungsmuster erfordern“ (Luhmann 1969: 34). Hierin zeigen sich also die volle Tragweite der festgestellten Dominanz des kognitiven Erwartungsstils und der Ausweitung des (ursprünglich) wissenschaftlichen Credos auf andere gesellschaftliche Teilbereiche:
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Da Umweltreize eine (deren Möglichkeiten entsprechende) Veränderung der Systemstrukturen zur Folge haben können, jedoch nicht müssen, unterscheidet Luhmann (bspw. 2001a: 396ff) zwei grundlegende Antwortmöglichkeiten des Systems, je nachdem, ob die Ursachen der Umwelt (»normative« Modalisierung) oder dem System selbst (»kognitive« Stilisierung) zugerechnet werden. (bspw. Luhmann 2001a: 440ff, 447ff; 1990: 135ff).
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Wissen Der besondere soziale, aber vor allem ökonomische Stellenwert ergibt sich daraus, dass wissenschaftliches Wissen mehr als jede andere Wissensform kein statisches Wissen repräsentiert und permanent zusätzliche (incremental) Handlungsmöglichkeiten fabriziert und konstituiert. Das Wissenschaftssystem erwartet, betont und belohnt zusätzliche oder »neue« Wissenseinheiten als Ausdruck wissenschaftlicher Kompetenz und beruflichen Erfolges. (Stehr 2001: 66f, Hv. PR)
Wenn man sich Stehrs (2001: 15, 119) Überlegungen, die ihn zur Entscheidung zugunsten des Begriffs der Wissensgesellschaft veranlasst bzw. ihn alternative Bezeichnungen (wie bspw. postindustrielle Gesellschaft oder Netzwerk- und Informationsgesellschaft) als entweder zu restriktiv oder gar irreführend verwerfen haben lassen, in Erinnerung ruft: Prominente Theorien der Gesellschaft haben mit Recht diejenigen Eigenschaften als ihr zentrales, namensgebendes Moment gewählt, die ihre Autoren für die Entstehung und Ausprägung dieser Gesellschaftsformation verantwortliche machen und deren Spiegel diese Theorien der Gesellschaft sein wollen,
dann ist vermutlich jenes dem (Welt-)Gesellschaftssystem zugrunde liegende Moment in der global feststellbaren Verschiebung der gesellschaftlichen »MetaPräferenzen« von überwiegend normativer, hin zu vorzugsweise kognitiver Stilisierung von Erwartungen zu suchen und der konstitutive Mechanismus (Stehr) genau in dieser grundlegenden Veränderung zu finden und nicht wie man prima facie annehmen könnte in deren Vorherrschen in einem der gesellschaftlichen Funktionssysteme und dessen zu einer Vormachtstellung und Führungsrolle ausgebauten gestiegene Bedeutung. In diesem Licht einer Diffusion zunehmender Enttäuschungsbereitschaft der Erwartungsstrukturen sozialer Systeme (auch auf gesamt- und damit: weltgesellschaftlicher Ebene) betrachtet, legt auch bereits Die Weltgesellschaft unter diesem Titel behandelt Luhmann (1975) seine Beobachtungen einen inneren Zusammenhang mit dem Thema der Wissensgesellschaft nahe. Und zwar in ähnlicher Weise, wie auch die neue Wachstumstheorie die Bedeutung von Wissen als wesentlichen Einflussfaktor auf das Wachstum (Wachstumspotential) vor dem Hintergrund der Globalisierung thematisiert, verleihen beispielsweise Grossman/Helpman (1991: xi) im Vorwort zu ihrer Arbeit über die Zusammenhänge von Internationalisierung und Innovation der Überzeugung Ausdruck, dass casual reading of recent economic history suggests two important trends in the world economy. First, technological innovations are becoming an ever more important contributor to economic well-being. Second, the nations in the world economy are becoming increasingly open and increasingly interdependent. The two are not unrelated. Rapid communication and close contacts among innovators in different countries facilitate the process of invention and the spread of new ideas.
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Diese Entwicklungen im Umgang mit enttäuschten Erwartungen nämlich deren Veränderungsbereitschaft führt zu entsprechenden Veränderungen in der Umwelt von innergesellschaftlich ausdifferenzierten Sozialsystemen, vor allem zu erhöhter Komplexität auf die sich diese neu einzustellen haben; eine vergleichbare Tendenz der Betonung »kognitiver« Stilisierung von Systemstrukturen bzw. ein Rückgriff auf alternative Mechanismen der Systemstabilisierung wird damit auch für sie erwartbar. Darin kann vielleicht auch nicht zuletzt eine Ursache für die von bspw. Gerhards (1988: 235ff) beobachtete »postmoderne« Gegenbewegung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene vermutet werden, wonach öffentliche Aspekte des Gefühlslebens nicht nur im Prozess der Zivilisation (Elias) überformt werden, sondern diesem eher entgegenlaufend sogar ein verstärkter „Rückgriff auf Gefühle als Legitimationsbasis und als Ressource der eigenen Identitätspolitik [!]“ möglich geworden ist (1988: 18ff). Vor diesem Hintergrund wäre eine Verbindung bzw. quasi »Transponierung« von manchen grundsätzlichen Überlegungen der vorliegenden Arbeit wie systemtheoretisch zugeschnittene Konzepte sozialen Kapitals mit der bzw. auf die (Welt-)gesellschaftliche Ebene interessant. Immerhin zeigen sich zumindest bis auf A. Smith (2004 {1759}) zurückverfolgbare explizite Parallelen in Arbeiten mit zeitdiagnostischem Charakter, wenn Putnam (1994) als Soziologe in seinen ersten Untersuchungen zu gesellschaftlicher Integration und Desintegration bzw. zum Funktionieren und Nichtfunktionieren gesellschaftlicher Institutionen den kommunitaristischen Imperativ formuliert: To revitalize our democracy we shall need to begin by rebuilding social capital in our communities, by renewing our civil connections. Oder wenn Goleman (2005 {1995}: 757) als Psychologe die Steigerung der Kompetenzen im einem Bereich individueller Gefühlsarbeit (Hochschild) als mögliche Lösung für anomische Zustände (Durkheim) vorschlägt: Das Buch Emotionale Intelligenz verdankt sein Entstehen meiner unmittelbaren Erfahrung einer Krise der amerikanischen Zivilisation, mit erschreckender Zunahme der Gewaltverbrechen, der Selbstmorde, des Drogenmißbrauchs und anderer Indikatoren für emotionales Elend, besonders unter der amerikanischen Jugend. Zur Behandlung dieser gesellschaftlichen Krankheit scheint es mir unerläßlich, der emotionalen und sozialen Kompetenz unserer Kinder und unserer selbst größere Aufmerksamkeit zuzuwenden und die Kräfte und Fähigkeiten des menschlichen Herzens energischer zu fördern.
Emotionen scheinen also in Zusammenhang mit Fragen der Systemintegration und Systemstabilisierung höher im Kurs zu stehen als gemeinhin systemtheoretisch (wie im Übrigen wohl auch verbreitet praktisch) angenommen wird. In57
Im Vorwort zur deutschen Ausgabe.
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Wissen
wieweit sie dabei als »soziale« Phänomene über soziale (Kommunikations-) Strukturen bzw. Sozialkapital in sozialen Verflechtungszusammenhängen wie bspw. »Communities« die zunehmenden Unsicherheiten und Verunsicherungen der Weltgesellschaft abmildern, sowie den Umgang mit Anforderungen aus der Wissensgesellschaft erleichtern können, wird nun im Mittelpunkt dieser Arbeit zu stehen haben.
2.2
Wissen und andere soziale Systeme
Die Ansichten, wie mit dem wertvollen und an Bedeutung noch zunehmenden »Wissen« denn am besten umzugehen bzw. wie auf die sich verändernden Bedingungen der Möglichkeit für Wissen (Willke 2002) in dieser bereits erreichten oder erst zu erreichenden »Wissens-Gesellschaft« organisatorisch am besten zu reagieren sei, sind jedoch alles andere einheitlich, vor allem aber maßgeblich vom zugrunde gelegten Wissensbegriffsverständnis geprägt58. Darüber hinaus werden zusehends organisatorische Formen, in denen noch bis vor kurzem Lösungen gefunden schienen, nun selbst als Grund bzw. Auslöser für notwendige Umdenkprozesse gesehen. Nicht nur traditionellen (intra-)organisatorischen Hierarchien wird dabei oft wohl allzu kategorisch und undifferenziert (vgl. Kühl, bspw. 1994) eine Absage erteilt. Mitunter trifft die Skepsis auch Organisationsstrukturen, die zuletzt dabei waren, an Popularität zu gewinnen. Schließlich haben bspw. Team- oder Projektarbeit wie auch andere instrumentell-sachzielorientierte Formen der Koordination bzw. Zusammenarbeit zumindest einen entscheidenden Nachteil: Statt zweischleifiges Lernen (Bateson, Argyris/Schön) und Innovation zu unterstützen, verdrängen sie beides oft zugunsten anderer, kurzfristig wichtigerer (wichtiger scheinender) Ziele, wie zum Beispiel der einschleifigen Steigerung der Effizienz. Diese Trennung zwischen Leisten und Lernen (Schneider 2004) zu überwinden ist in den Augen zahlreicher Autorinnen und Autoren vorrangige Herausforderung. Netzwerkstrukturen sowie das Konzept der Communities werden dabei in vielen Fällen als Erfolg versprechende »junge« Alternativen gehandelt (Adler/Kwon 2002, Schneider 2001, 2003ab, 2004, Graggober et al. 2003, Reinhardt/Eppler 2004).
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Vgl. als wertvolle und bereichernde Anregung zum Überdenken des Verhältnisses von »Wissen« und »Organisation« z.B. Blackler (1995).
Wissen und andere soziale Systeme
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2.2.1 Soziales Wissen In der Tat jedoch gehen mit Veränderungen von räumlichen, sozialen, zeitlichen und anderen Bedingungen der Möglichkeit für Wissen (Willke 2002) auch solche in der kognitiven Dimension unmittelbar einher und es kommt nun zum Tragen, dass auch soziale Systeme eine durch eingebaute und steigerbare Intelligenz unterlegte Fähigkeit zum organisationalen Lernen haben und eigene und eigenständige kognitive Fähigkeiten ausbilden. (2002: 28)
Nachdem mit Bildungsexpansion und anderen Errungenschaften „der Spielraum für die Entfaltung individueller Intelligenz weit gehend erschöpft ist, sind Steigerungen der Intelligenz auf soziale und künstliche Systeme (Kollektive und Maschinen) beschränkt“ (Willke 2001b: 82).59 Diese einerseits vielversprechende Option sollte jedoch andererseits nicht als Kränkung (miss)verstanden werden60, denn wenn der Kern von Intelligenz Lernfähigkeit ist, können soziale Systeme also bspw. Organisationen (organisierte soziale Systeme) ebenfalls lernen. Auf keiner anderen Vorstellung bzw. sehr oft impliziten Annahme dieser Möglichkeit beruhen letztlich Konzepte des Wissensmanagements oder des organisationalen Lernens, wie Willke (2001b: 80ff) betont. Und schließlich sind vor diesem Hintergrund die „neue Relevanz der Ressource Wissen und die Rolle wissensgenerierender communities of practice [!]“ zukünftig als Maßstab kollektiver Intelligenz zu sehen (2001b: 87): Die Leitfrage für die Einschätzung der »Qualität« einer sozialen Form oder eines gesellschaftlichen Kontextes ist, über welche systemische Intelligenz diese Form verfügt, welche Lernfähigkeit und welches Innovationspotential ihr zuzutrauen sind.
Mit den Ausführungen zur Wissensgesellschaft (vgl. Abschnitt 2.1.1) ist gleichzeitig aus systemtheoretischer Perspektive ein wenig Licht auf die heillose Konfusion (Willke 2001b) in den zentralen Begriffen wie »Daten«, »Information«
59
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Nicht zuletzt unter Berücksichtigung der „Tatsache, daß die Aufmerksamkeitsspanne und das Gedächtnis des Menschen eng begrenzt sind und nicht wesentlich ausgeweitet werden können“ (Luhmann 1964: 194). Bzw. nicht dazu veranlassen, „die Fortschritte kollektiver Intelligenz auf individuelle Handlungen herunterzurechnen. So bieten »rational choice« und »ökonomische Analysen« des Sozialen nach wie vor die Möglichkeit, sich wissenschaftlich fundiert der Einsicht zu entziehen, dass Menschen als Individuen gemessen an den Ansprüchen moderner Gesellschaften weder besonders rational noch besonders intelligent handeln. Vermutlich ändert sich dies erst dann, wenn die Einsicht in diese Einsicht Rendite abwirft. Genau dies zeichnet sich mit der Idee der intelligenten Organisation ab“ (Willke 2001b: 82, Hv. PR).
56
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und »Wissen« geworfen. Die oben skizzierten Überlegungen (vgl. bspw. Fn. 47, 48) weisen dabei bereits den Weg in Richtung eines Begriffsverständnisses, demzufolge Träger von Wissen operative Einheiten jeder Art sein können, solange sie (1) beobachten und mithin Daten generieren, (2) im Kontext einer spezifischen Umwelt eigene Ziele ausbilden, also mit systemspezifischen Relevanzkriterien aus diesen Daten eigene Informationen ableiten und (3) aus den Erfahrungen ihrer Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt Operationsregeln ableiten, also Wissen generieren können. (2001b: 101)
Demnach eröffnet sich Wissen also über komplexe Prüfoperationen (Luhmann 1990: 129), in denen relevante Informationen gesucht und über Interpretation in einen passenden Erfahrungskontext eingefügt werden (Willke 2001b: 102). „Dieses »Einpassen« ist nicht auf Übereinstimmung/Konsens beschränkt61, sondern kann ebenso gut auf Abweichungen und Unterschieden beruhen in diesem Fall entsteht neues oder revidiertes Wissen“, wie Willke an anderer Stelle (2002: 15) einen zentralen Punkt ausdrücklich betont. Jenes »Lernen«, das quasi als Korrelat zum Begriff des »Wissens« (als Zwischen-Ergebnis) den Prozess bezeichnet, ist es aber auch, das seinerseits wieder rekursiv auf das »Produkt« zurückwirkt (Willke 2002: 19). „Jedes Element trifft (…) eine Zuordnungs- und damit eine Grenzentscheidung. Jede Kommunikation im sozialen System (…) trägt dadurch zur Bestimmung bzw. zur Veränderung der Systemgrenze [und der Systemstrukturen] bei.“ Diese ermöglicht es wiederum „abzuschätzen, welche Elemente im System gebildet, welche Kommunikationen riskiert werden können“ (Luhmann 2001a: 266). Denn für soziale Systeme, die mittels »Sinnhafter« Kommunikation operieren, ist eine Verarbeitung von Beobachtungsdaten nur in ebendiesem strukturellen Rahmen möglich (vgl. unten) und Zugang zu ihrem (laufend autopoietisch reproduzierten) »Wissensbestand« erfordert dann Übernahme von Relevanzmustern mit der Folge der darauf fußenden Generierung von Informationen und sogar (…) Herstellung gemeinsamer Erfahrungskontexte durch eine (…) »community of praxis«. (Willke 2001b: 103)
Denn auch „[g]lobal zugängliche Daten-, Informations- und Wissensquellen erzeugen keinen uniformen Erfahrungskontext (…)“ (Willke 2001b: 103) zumindest nicht notwendigerweise, weil (beispielsweise mittels Symbolsystemen) expliziertes Wissen „ermöglicht die symbolische Repräsentation von Wissen, wenn und soweit es gelingt, auch den für das Wissen konstitutiven Erfah61
Aber wie es schon bei Schütz/Luckmann (2003: 37) zum Wissensvorrat heißt: „Wenn eine aktuelle neue Erfahrung (…) in den Bezugsrahmen »hineinpaßt«, bestätigt sie ihrerseits die Gültigkeit des Erfahrungsvorrats.“
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rungskontext in der Repräsentation auszudrücken und transferierbar zu machen“ (2001b: 90).62 Der epistemologisch kritische Punkt (Willke 2001a: 9) dieser Abhängigkeit von Neuigkeits- und damit Informationswert der Daten von systemspezifischen Relevanzkriterien wird nur allzu oft vorschnell übergangen. Aus diesem Grund wird dann nicht (oder zumindest zu wenig) beachtet, dass ein System nur (1) jene Ereignisse als Daten wahrnehmen kann, für die es über geeignete Beobachtungsinstrumente verfügt und (2) nur jene Daten als Informationen entschlüsseln kann, für die sich nach seinen internen Relevanzkriterien Bedeutungen ergeben (Willke 2001a: 89). Erst in weiterer Folge ist (3) Wissen als Erwartungsstruktur möglich, wenn „in einer kommunikativ vermittelten sozialen Praxis Daten und Informationen in einen sinnhaften Zusammenhang“ gebracht werden, der „in der Konfirmierung oder in der Revision einer bestehenden Praxis oder aber in der Schaffung einer neuen Praxis bestehen“ kann. In jedem Fall aber setzt Wissen nicht »nur« Kommunikation voraus (vgl. auch Schneider 2001, explizit bes. 1996b: 27), sondern ist auch auf soziale Praktiken bezogen (Willke 2002: 22, vgl. bereits Fn. 49). So wenig wie soziale Systeme jedoch aus Menschen bestehen (Luhmann, bspw. 2001a: 67f, 286) kann von ihrem »Wissen« als Summe individueller (d.h. in den Köpfen von Menschen gespeicherter) »Wissens-Bestände« oder von ihrem »Lernen« als gleichbedeutend dem (in welcher Weise auch immer aufsummierten) Lernen von Individuen (bspw. Nonaka/Takeuchi 1995: 12ff, passim, Schneider 1996b: 23f, passim, Willke 2001a: 41ff, passim) gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich in ihrem Fall bei »Wissen« um generalisierte Erwartungen (Luhmann 2001a: 448f), die vom System mehr oder weniger änderungsbereit gehalten werden63. Systemdenken stellt in diesem Zusammenhang ein zentrales Verbindungsstück dar, da es dennoch die Personen „in ihrer Rolle als Kommunikatoren“ (Willke 2001a: 52) ernst nimmt: Organisationales Wissen ist nicht gänzlich von Personen unabhängig, denn es ist in der kommunikativen Aktivierung immer auf Akteure angewiesen (Willke 2002: 131);
auch, wenn es ein „Eigenleben“ in Form einer von konkreten einzelnen Personen unabhängigen Existenz entwickelt und damit schließlich „eine Wissensbasierung, in der die Erfahrungen des Systems als System sedimentieren“ (Willke 2002: 131, Hv. PR, vgl. auch insbes. Willke 1996: 284, passim).
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Ansonsten „reduziert sich die Repräsentation auf Daten, bestenfalls auf Informationen“ (Willke 2001b: 103 mit Verweis auf 2001a: 8ff). Im Gegensatz zu »normativen« Erwartungen, an denen wie die Bezeichnung suggeriert auch im Enttäuschungsfall festgehalten wird (bspw. Luhmann 2001a: 396ff, 436ff; vgl. unten).
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Und so wenig wie (ebenfalls selbstreferentiell-geschlossene) psychische Systeme von außen gesteuert und »befüllt« werden können („Was jemand in seinem Kopf zu Wissen verarbeitet, hängt davon ab, welche Strukturen in diesem Kopf bereits vorhanden sind“, formuliert Schneider (2001: 53) bekannt pointiert64), kann dies von sozialen Systemen erwartet werden denn auch sie verarbeiten »irritierende« Umweltereignisse im Rahmen bestehender Strukturen (indem „Strukturgebrauch aktualisiert“ wird und in Form von bspw. Gedächtnis „Struktureffekte hinterlassen“ werden (Luhmann 2001a: 102)), die damit im selben Zug autopoietisch als Strukturen jedoch möglicherweise als andere Strukturen65 reproduziert werden (Luhmann z.B. 2001a: 59ff, 73ff). Gerade im Falle strukturell gekoppelter Systeme (Luhmann 1990: 12866) bspw. psychische Systeme gekoppelt über ein soziales ist es daher wohl in der Tat plausibler, von Wissensinduktion zu sprechen (Sammer 1999 bzw. daran anschließend Schneider 2001: 54) und nicht von Wissenstransfer in Form von beispielsweise best practices oder lessons learned. Gerade diese (interne) Strukturbildung ist es, die dem System seine relative Autonomie ermöglicht, indem es „sich von dem Zwang, unmittelbar auf Reize zu reagieren zu müssen“, befreit (Willke 1976: 428 bzw. Luhmann 2001a: 70f, 249f).
2.2.2 Organisationen Einer ähnlichen Richtung wie sie Willke (2002: 59ff) im Rahmen der Debatte um die Wissensgesellschaft mit der Feststellung von Veränderungen an der Basis der (sozialen) Wissensproduktion einschlägt67 nämlich von der Ordnungsform 64
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Fleck (1983: 46) gelangte zur ähnlichen Feststellung, „daß jede neue Erkenntnistätigkeit vom früheren Erkenntnisbestande abhängig ist, da die Last des bereits erkannten die inneren und äußeren Bedingungen des neuen Erkennens verändert“, und bei Schütz/Luckmann (2003: 33) heißt es: „Jeder Schritt meiner Auslegung der Welt beruht jeweils auf einem Vorrat früherer Erfahrung.“ Dieser Erfahrungsvorrat ist es dann auch, „der mir als Bezugsschema für den jeweiligen Schritt meiner Weltauslegung dient“, denn wie es weiter heißt, „jedes lebensweltliche Auslegen ist ein Auslegen innerhalb eines Rahmens von bereits Ausgelegtem (…)“. Zur Unterscheidung von (die Identität bestimmende) »Organisation« und (die den Bereich möglicher Änderungen festlegende) »Struktur« bei Maturana (vgl. z.B. 2001: 143ff, 2003: 92f). Erst in späteren Schriften findet sich der (von Maturana/Varela (bspw. 1990) übernommene) Begriff der »strukturellen Kopplung« anstatt jenes der »Interpenetration«. (vgl. Luhmann/ Baecker (2002: 118ff, 267ff). „Auf der Ebene von Personen lässt sich nicht mehr allzu viel verbessern. Umso mehr aber auf der Ebene der Organisation und des Organisierens von Expertise“ (Willke 2002: 134 bzw. vgl. ähnlich auch 2001b: 82).
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des Marktes zur Ordnungsform der Organisation scheinen auch (unter einigen anderen) Nahapiet/Ghoshal (1998) aus anderem Erkenntnisinteresse zu folgen. Sie sprechen auf der Suche nach Gründen und Ursachen des organizational advantage Firmen dezidiert Fähigkeiten strategischen Handelns zu und berufen sich in erster Linie auf jüngere Arbeiten, wie jene von Ghoshal/Moran (1996) bzw. Kogut/Zander (1992, 1993, 1995, 1996), wenn sie nicht nur dem (Wissen generierenden) Unternehmen die besten Fähigkeiten68 im Umgang mit bzw. im Weiter-Entwickeln und Teilen von Wissen zuschreiben, sondern diesen Punkt gar stellvertretend für eine festgestellte grundlegende Perspektiven-Änderung des theoretischen Blicks auf Organisationen insgesamt präsentieren: Nicht so sehr Negativkriterien wie Marktversagen bzw. Versuche beispielsweise die Risikoallokation zu optimieren (Knight 1965) oder Transaktionskosten zu minimieren69 (Coase 1937, 1989, Williamson 1975) gewissermaßen als Vermeidungsreaktion sondern particular capabilities for creating and sharing knowledge that give them their distinctive advantage over other institutional arrangements, such as markets (Nahapiet/Ghoshal 1998: 242) sind es diesem Verständnis nach, die nun verbreitet und vorrangig als Positivgründe für das Entstehen von Organisationen (z.B. auch bei Conner/Prahalad 1992, 1996, Spender 1996 oder Nonaka/ Takeuchi 1995, Quinn 1992) angeführt werden. Während für Nahapiet/Ghoshal (1998) und übrigens ebenso für Kogut/Zander (1996) beim Umgang mit Wissen die Organisationsform Unternehmen dem Koordinationsmechanismus Markt klar überlegen ist, wollen sich Conner/Prahalad (1996) nicht a priori festlegen: Sowohl Markt als auch Hierarchie ermöglichten (bzw. behinderten) jeweils bestimmte Wissensoperationen, weshalb je nach Absicht eine (rationale) Wahl zu treffen sei. Und obwohl auch Turvani (2001) die rationale Steuerungsleistung des qua Hierarchie über die Mitarbeiter verfügenden Managements in den Vordergrund stellt, klingen bei ihr wie bei den genannten Autor(inn)en trotz auffallender Abwesenheit hybrider Formen zwischen den beiden traditionellexklusiven Koordinationsmechanismen durchwegs Problembereiche an, die einer Auseinandersetzung mit neuen, alternativen Umgangsformen Auftrieb verleihen können: Sei es die Frage nach dem tacit knowledge bei Conner/ Prahalad (1996), die Notwendigkeit einer shared identity (Kogut/Zander 1996), 68
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Man wird an Weber (1980: 578) erinnert, für den okzidentale Rationalisierung mitunter wesentlich die Nutzung in den Strukturen bürokratischer (Herrschafts-)Organisationen kristallisierten Wissens bedeutet. Bzw. Transaktionen überhaupt zu ermöglichen: Williamson (1975) weist auf die Grenzen der Rationalität menschlicher Akteure und das Erfordernis einer nicht-verhandelbaren Basis hin (Collins 1981: 992f), vergleichbar Durkheims (2004 {1893} I Kap. 7) non-kontraktuellen Elementen in Kontrakten und für Fukuyama (1995b: 90) the ability to form organizations (…) also depends on a prior sense of moral community.
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ein so komplexes Thema wie social capital bei Nahapiet/Ghoshal (1998) oder auch die Notwendigkeit eines durchdachten design durch das Management beim Schaffen von Organisationsstrukturen für den Umgang mit Wissen (Turvani 2001).70 Anders als für Kogut/Zander (1996: 503, Hv. PR), die wohl nur prima facie lapidar feststellen „Firms are social communities specialized in speed and efficiency in the creation and transfer of knowledge“ (ähnlich formulieren auch Zander/Kogut 1995), ist für Turvani (2001: 316, Hv. PR) „making the firm a social community“ die zentrale Managementaufgabe. Denn: „learning is not simply a process of internalization but is better understood as an interactive process implying participation in communities of practice [!]“ (2001: 309).71 Für Stewart/Brown (1996, Hv. PR) sind Communities (of practice) „among the most important structures of any organization where thinking matters“, und Boland/Tenkasi (1995: 350f, Hv. PR, m. expliziten Verweisen auf Lave/Wenger 2003 {1991}, Orr 1990, Brown/Duguid 1991) gelangen unter anderem zur Feststellung dass „Knowledge intensive firms are composed of multiple communities“, bzw. dass diese Communities „overlap in complex and shifting ways.“72 Dazu führt Nonaka (1994) an zentraler Stelle den Begriff der »Community« ein: nämlich der communities of interaction und zwar im Rahmen einer Argumentation, die nicht zuletzt auf einen entsprechenden von ihm identifizierten Paradigmenwechsel in der Organisationstheorie hinweist: Von der Vorstellung informations-prozessierender, problem-lösender und damit alles in allem gewissermaßen passiv-rezeptiver bzw. adaptiver Organisationen geht die Entwicklung 70
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Wobei bereits Von Hayek (1980, 1994) mit Bezug auf A. Smiths invisible hand der Überzeugung war, dass Organisation (als planvoll, bewusst hergestellte, „gemachte Ordnung“ sozialer Systeme verstanden) nur eine Ordnung der „allereinfachsten Art“ hervorbringen kann, die wenn auch in manchen Fällen gut und leistungsfähig dennoch nie so komplex und intelligent wie eine „gewachsene Ordnung“ sein kann: „Ordnung ist für einfach denkende Wesen das Ergebnis der ordnenden Tätigkeit eines ordnenden Wesens“ (Von Hayek 1994: 32). Spender (1996: 54) hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung kollektiven Wissens hervor: „Reber (1993) has taken this even further, seeing the tacit knowledge [!] of the social collective as phylogenetically prior to the concept of the individual and therefore to the possibility of individual explicit knowledge.“ Weiters stellt er unmissverständlich fest, dass „we must now redefine the firm in ways that move us beyond a mere collection of rational individuals“, bzw. „there has been wide recognition that the assumption of an atomistic and isolated individual may not serve organizational analysts well“ und „individual learning must always be considered in the context of the processes of the social entity“ (Spender 1996 m. Bezug auf Simon 1947) Zu Tendenzen der Auflösung klarer Organisationsgrenzen (vgl. fraktale, projektorientierte, und netzwerkartige Unternehmen), dem Phänomen zunehmender disembeddedness sowie einem im beschleunigten organisatorischen Wandel erschwerten Festmachen von Bezugspunkten vgl. die Bedeutung (informeller) Netzwerke und Communities als Anker bzw. vertraute „Heimat“ (Schneider 2003a) in einer turbulenten Umwelt.
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seiner Einschätzung nach in die Richtung eines aktiv-kreativen Verständnisses, das die Bedeutung des Hervorbringens von Informationen73 (und letztlich: Wissen) in den Mittelpunkt rückt (vgl. auch Nonaka et al. 2000).74 Vor diesem Hintergrund liegt also die Vermutung nahe, dass organizations as dual structures (Wenger 1999: 244) nicht nur selbst auf gesamtgesellschaftliche Entstehungsbedingungen angewiesen sind, sondern zugleich ihrerseits jene Bedingungen hervorbringen können, die Gruppen, »Communities (of Practice)« und andere Sekundärformen75 als Voraussetzungen der Ausbildung unterstützen76 (vgl. unten). „Nur unter besonderen, evolutionsmäßig voraussetzungsvollen und daher späten Bedingungen wirkt Gesellschaft als ein Milieu, das eine massenhaft-spontane Autokatalyse von Organisationen begünstigt (…)“ stellt Luhmann (1981a: 358) fest77,78 und baut dabei auf die Idee der funktionalen Differenzierung der modernen Welt-Gesellschaft (als umfassendes Sozialsystem), innerhalb derer sich neben einfachen sozialen Systemen (Interaktionen) auch solche ausdifferen73
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Geht man von Organisationssystemen als operational geschlossenen Systeme aus, so erzeugen diese die für sie relevanten »Informationen« mit Hilfe der eigenen kommunikativen Prozesse ausgelöst durch Veränderungen oder Zustände in der (ebenfalls stets systemrelativ zu denkenden) Umwelt und nehmen sie also nicht einfach aus »der Umwelt« auf. Informationen sind aus dieser Perspektive vielmehr interne Konstrukte, ausgelöst durch »Daten« in Form von Umweltreizen (Störungen, Irritationen), aus denen nur innerhalb des Systems und seiner Strukturen Informationen erst Sinn-haft erzeugt werden können (bspw. Luhmann 2001a: 68f, 102ff). Es lassen sich hier durchaus Parallelen erkennen zur (ideengeschichtlich-genetischen) Entwicklung systemtheoretischer Konzepte. Auch die soziologische Systemtheorie hat sich über weite Strecken von Vorstellungen geschlossener und später offener, auf (mehr oder weniger linearen bzw. »trivialen«) Input-Output Transformationen basierender, Systeme zu jenen um Konzepte wie Autopoiese und Selbstreferentialität ergänzten operationaler Geschlossenheit entwickelt, womit schließlich auch Sinnzuschreibung und Informationsdefinition (nicht nur: Informationsinterpretation) anhand system-relativer Relevanzkriterien in das System verlagert werden. Unterscheidungsaufgaben, die im systemtheoretischen Sinn hier für gewöhnlich mit Rekurs auf Batesons difference that makes a difference sogar als konstitutiv gesehen werden. (bspw. Luhmann 2001a, Luhmann/Baecker 2002 m. Verweis auf Bateson 1981: 582). Als Rückkehr zu (evolutionär gesehen) Primärformen sozialer Verflechtungszusammenhänge, der »Gemeinschaft« in der (Organisations-)»Gesellschaft«? (Vgl. zum Begriff der OrganisationsGesellschaft Schimank (2001) bzw. zum Verhältnis der Systemtypen Luhmann 1975a: 9-20.) Möglicherweise entstehen diese nicht zuletzt dort, wo sie am dringendsten benötigt werden, wie Luhmann (2000b: 59) es auch für das Phänomen des (persönlichen) Vertrauens vermutet hat. Im Anschluss daran führt Kieserling (1999: 336) weiter aus: „Anders als in Interaktionen und Gesellschaften sind Organisationen keine universell verbreiteten Phänomene, sondern evolutionäre Errungenschaften. Sie treten mit ersten Ansätzen (wie beispielsweise der Unterscheidung von Amt und Person) erst in vorneuzeitlichen Hochkulturen hervor, die Interaktion und Gesellschaft schon differenzieren können, zum Beispiel auf der Grundlage von Schrift, und sie erreichen ihre heutige geläufige Form einer Mitgliederorganisation mit eigener Programmatik erst in der modernen Gesellschaft.“ Vgl. zu den Bedingungen der „Autokatalyse von Organisationen“ näher Luhmann (1981b: 361f).
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zieren können, die ihre basalen Elemente also: ihre Letztkommunikationen derart als Entscheidungen stilisieren, dass weitere Entscheidungen an sie anschließen können79 und die nicht mehr auf Willkür angewiesen sind80. Organisationen als autopoietische soziale Systeme, die sich ausgehend von einer Leitdifferenz von Moment zu Moment selbst als Organisationen erzeugen, sind zur Aufrechterhaltung dieser Differenz nicht nur gezwungen, in diesem ständigen Prozess sich selbst und ihre Umwelt zu beobachten, sondern letztere ebenso wie ihre eigenen Elemente systemrelativ zu reproduzieren. Daraus folgt, dass auch die Struktur des Organisationssystems eine laufend zu aktualisierende Verknüpfung von Elementen nur von relativer Dauerhaftigkeit sein kann: Sie hält die Zeit reversibel fest und ein begrenztes Repertoire an Wahlmöglichkeiten offen. Eine notwendige Einschränkung der Anschlussmöglichkeiten auf bestimmte Erwartungen, die dem sich aus der Weltkomplexität ergebendem Zwang zu kontingenter Selektion entspricht, indem nur eine passende Operation ausgewählt wird, die jedoch auf einen Horizont zukünftiger »Sinn-hafter« Möglichkeiten verweist. Diese selektive Relationierung von Elementen beschreibt letztlich die »Übersetzung« von Umweltereignissen in Strukturen. Da einem operational geschlossenen System ein Import von Elementen oder Strukturen aus der Umwelt nicht möglich ist, kann auf Veränderungen (oder Zustände) in der Umwelt stets nur im Rahmen der eigenen Möglichkeiten reagiert werden: „Als Empfänger von Kommunikationen regeln die eigenen Strukturen der Organisation, durch welche Informationen man sich irritieren und zu eigener Informationsverarbeitung anregen lässt“ (Luhmann 2000a: 52).81 Darauf rekurriert nach Willkes Diktum vom Informationsaustausch, den es nicht geben kann (vgl. oben bzw. 2001a: 9), da sich jedes System seine Informationen selber macht82, auch die Idee der „Wissensinduktion“ von Sammer (1999) (vgl. oben). Und obwohl Luhmann (2000a: 50) Vorwürfen eines darin verborgenen Strukturkonservativismus entgegenhält: Strukturen werden durch Operationen für Gebrauch in Operationen erzeugt und reproduziert und eventuell variiert oder einfach vergessen. Man kann deshalb nicht vom Begriff 79
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Eine Organisation ist mithin „ein rekursiver Entscheidungsverbund. Alles, was überhaupt geschieht, geschieht als Kommunikation von Entscheidungen oder im Hinblick darauf“ (Luhmann 2000a: 68). „Deshalb gibt es in Organisationen keine Herren, sondern nur Chefs, deren Amtsträgerschaft und deren Kompetenzzuschnitt auf Entscheidungen des Systems zurückgeführt bzw. durch Entscheidungen des Systems geklärt werden kann“ (Luhmann 2000a: 68). Baecker (1999: 39) klärt in diesem Zusammenhang treffend: „Von Information spricht man am besten nur im Singular. Wer von Informationen im Plural spricht, verwechselt sie mit Daten.“ „»Die Umwelt enthält keine Informationen«, sagt Heinz von Foerster“, sagt Dirk Baecker (1999: 47).
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der Autopoiesis auf Strukturkonservativismus schließen. Im Gegenteil: gerade diese Abschließung gegenüber der Umwelt eröffnet dem System Chancen struktureller Variation, die es bei unmittelbaren Bindungen nicht haben könnte,
so sind formale Organisationssysteme abseits der Grundvoraussetzung funktionierender Autopoiesis83 doch in erster Linie auf dauerhafte Stabilisierung nicht nur ihrer formalen Mitgliedschaftsbeziehungen sondern auch ihrer ebenfalls: formalisierten Kommunikationsbeziehungen und Routinen insgesamt gerichtet, weniger auf deren Veränderung84. Daran werden bereits „Beschränkungen dessen, was sich auf diese Weise [mit diesem Systemtyp] erreichen lässt“, sichtbar (Luhmann 1995: 13). Es werden auch ihre basalen Operationen im Gegensatz zu denen anderer Sozialsysteme streng formalisiert, indem sie einerseits in die Form von Entscheidungen gebracht werden (womit sie unter anderem ihre eigene Kontingenz thematisieren sowie eine zeitbindende Funktion85 ausüben (Luhmann 1981b: 338ff)) und darüber hinaus als Kommunikationen asymmetrisiert erscheinen. In der Folge begreifen Organisationen auch ihr eigenes Verhältnis zur Umwelt als Entscheidung („können dies aber nur tun, wenn sie eine dazu passende Umweltinterpretation finden und für sich selbst plausibel machen können, und zwar eine Interpretation, die damit rechnet, daß auch in der Umwelt Entscheidungen getroffen werden“ (Luhmann 1981b: 359).) Und wie problematisch das sich für sie auch gestalten mag ihnen fällt „als Antwort auf neu antreibende Probleme immer wieder nur eine Disposition über Mittel, also eine Entscheidungstätigkeit, also wiederum nur Organisation ein“ (Luhmann 1981b: 62).86 Durch derartige Einschränkungen des Möglichkeitsraums steigen zwar Anschlussfähigkeit und damit Anschlusswahrscheinlichkeit von Operationen und mit ihr die Stabilität des Systems, es sinkt jedoch die Chance auf neue, 83
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Ihr notwendiger Fortbestand stellt (ebenso wie die Aufrechterhaltung der Grenze zur Umwelt) nichtsdestotrotz die Grenze möglicher (Struktur-)Veränderungen dar. Normative Behandlung von Erwartungsenttäuschungen wird durch Formalisierung wohl erleichtert: „Wo ein festgelegter Kodex besteht, ist die Rechtsprechung geregelter, aber weniger geschmeidig, die Gesetzgebung einheitlicher, aber auch schwerer anzupassen, setzt sie den Bestrebungen von Neuerern größeren Widerstand entgegen“ (Durkheim 2003: 366). „Auch in dieser Funktion der Zeitbindung liegt also unterhalb der normalerweise im Blick stehenden Frage, ob Bürokratien zu konservativ und nicht innovationsfreudig genug sind“ (Luhmann 1981: 342). Denn eine als neue Aufgabe identifizierte (und »einverleibte«) Umweltveränderung „durch Vergrößerung des Systems scheinbar gelöst, taucht als neuartiges Problem in veränderter Gestalt, Form von internen Konflikten wieder auf“ (Luhmann 1964: 150). Daneben stellt auch Coleman (1995b: 51, Hv. PR) mit Bezug auf Michels’ Gesetz (der Oligarchie) in anderem Zusammenhang (für den hier vorliegenden jedoch beispielgebend) fest: „Eine Organisation kann Oligarchie zur Folge haben, doch das Gegenmittel zur Oligarchie ist eine Organisation innerhalb der Organisation.“
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irritierende und Veränderung auslösende Beiträge wie auf deren tatsächliche Umsetzung in Änderungen der Erwartungsstrukturen (Baecker 1999: 92f): Anders als die Kommunikation im allgemeinen, die eine hohe Unbestimmtheitstoleranz gegenüber ihren Anschlüssen hat (…) muß die Entscheidung auf spezifische Anschlüsse Wert legen. Sie kann diese Kombination von eigener Spezifizierung und Suche nach spezifischen Anschlüssen nur leisten, wenn sie ihre eigene Ungewißheit bei der Entscheidung nicht mitkommuniziert.
Es ist diese spezifische in ihren Ursprüngen funktionale, da organisationale Existenz sichernde Eigenart der „Unsicherheitsabsorption“, die es Organisationssystemen leichter macht, Wissen abzulehnen als es zu verarbeiten (Baecker 1999: 93).87 In der Organisation als historisch relativ neuartigem Typus von Sozialsystemen, der sich „mehr oder minder erfolgreich“ um die Einschränkung der kommunikatorischen Freiheitsgrade bemüht, gerät auch beispielsweise das einfache Sozialsystem der Interaktion „immer mehr unter den Druck bestimmter Einschränkungen und Reduktionen, die ihr ein größeres Potential für Komplexität in spezifischen Hinsichten erschließen.“ Diese „unwahrscheinliche Sensibilität“ wird jedoch damit erkauft, dass sie „in anderen Hinsichten dagegen mehr oder minder abgestumpft [!]“ wird (Kieserling 1999: 335).88 Das nicht zuletzt dadurch, dass Organisationen von vornherein darauf ausgerichtet sind, „hochgradig künstliche Verhaltensweisen dauerhaft zu reproduzieren“, wie Luhmann (1995: 12) feststellt. In einer funktional differenzierten, in zunehmendem Maße wechselseitige Irritationen begünstigende (Welt- bzw. Wissens-)Gesellschaft scheint dies in einem zunehmenden Spannungsverhältnis zur alltäglichen Instabilität zu stehen (vgl. Luhmann 1981b: 376f): „Trotz [!] detaillierter Regelung bleibt das Kommunikationsnetz gegenüber Wechselfällen der Umwelt relativ invariant“ (Luhmann 1964: 201). Darüber hinaus ist »Lernen« (vor allem, wenn es mit zunehmender Geschwindigkeit und in immer kürzeren Abständen passiert89) als Änderung der 87
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„Angesichts von Unsicherheiten mögen sich rein interne, umweltunabhängige Gewißheitensgrundlagen, selbstgeschaffene Evidenzen, Akten oder Protokolle empfehlen. Fragen dieser Art sind bisher hauptsächlich im Hinblick auf formal organisierte Sozialsysteme behandelt worden, und Organisationen können in der Tat intern eine elaborierte Maschinerie des Problemausgleichs voraussetzen. [… Aber auch] Ritualisierungen stellen geringe Ansprüche an die Komplexität des Systems. Sie scheinen daher solange als Behelf zu dienen, bis in der Form von Organisation hinreichend komplexe Systeme entstehen, die funktionale Äquivalente für Unsicherheitsabsorption entwickeln können“ (Luhmann 2001a: 252f m. Verweisen, Hv. PR). „Schon der Umstand, daß Organisationen laufend Entscheidungen zumuten [!], stellt den Unterschied klar“, wie Kieserling (1999: 337) meint. Gerade (formale) Organisationen sind oft auf ein „Ausweichen in die Zeitdimension“ angewiesen, um durch Verteilung einer Überlastung Einzelner vorzubeugen. „Doch hat dieser Ausweg
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Erwartungsstrukturen nicht nur auf der Ebene der Welt-Gesellschaft (vgl. oben) stets mit (neuen) Risiken verbunden, indem durch Umweltreize induzierte, und aus Irritation systemintern erzeugte „Informationen dadurch weitreichende Konsequenzen auslösen, daß sie in einem System partielle Strukturänderungen bewirken, ohne dadurch die Selbstidentifikation des Systems zu unterbrechen“ (Luhmann 2001a: 158, Hv. PR).90 Risiken, die in Form von (Struktur-) Änderungen auch an und für sich bereits unwahrscheinlicher (System-) Stabilität entgegenwirken und das Weiterlaufen der Autopoiese (vgl. Luhmann 2000a: 47) in neuen Bahnen nicht garantieren können. Nicht zuletzt deshalb ist einerseits nicht nur »Lernen« als Strukturänderung, sondern bereits das schlichte »Wissen« so anstrengend „Es stellt auf Enttäuschungen ab“ (Baecker 1999: 90) und erfordert andererseits die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation von Wissen die Suche nach Mitteln und Wegen, „die Zumutungen der Kommunikation von Wissen akzeptabel zu machen“ (1999: 84). Lernen kann man daher zwar nur „wenn Enttäuschungssituationen hinreichend strukturiert sind, so daß man rasch und sicher neue Erwartungen bilden kann“ (Luhmann 1975: 58), und doch kommt vermutlich eine zentrale Rolle beim Auffangen von Veränderungen in sozialen Systeme (ironischerweise) gerade jenen Mechanismen zu, die in formalen Organisationen systematisch ausgeblendet, bzw. (von ihnen selbst!) kategorisch in ihre Umwelt verwiesen werden: Gefühle als „Immunsystem des psychischen Systems“, das jenem als „interne Anpassung an interne Problemlagen“ dient (Luhmann 2001a: 371) nicht einmal: Immunsystem des sozialen Systems (das ebenso mit ausreichend Anpassungsproblemen konfrontiert ist)! haben keine systeminterne Funktion und daher »innerhalb« nichts zu suchen, sondern fördern diesem Verständnis zufolge quasi vielmehr als »Außenseite« die Bildung von Organisationen (wie auch die Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Funktionssysteme überhaupt als „Institutionalisierung der Negation der Kommunikation von Emotionen“ (Simon 2004: 124) gelten können), die ja gerade einer formellen und nicht-emotionalen, gewissermaßen systembautechnischen Logik folgen und dienen sollen (Simon 2004). Mitunter zwar aus gutem Grund, denn der Weg vom Fühlen zum Handeln ist kurz und unreflektiert. Wer keine Zeit hat, sollte sich auf sein Gefühl verlassen, wer über hinreichend Zeit verfügt, kann sich sorgfältiges Nachdenken leisten. (…) Die sogenannte emotionale Intelligenz ist also immer soziale
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seine besonderen Voraussetzungen, nämlich eine relativ ruhige Umwelt, die dem System Zeit läßt, und eine Problemstruktur, die eine zeitliche Zerlegung in Teillösungen erlaubt“ (Luhmann 1964: 194f). Ähnlich auch die Stoßrichtung des Hinweises auf den notwendigen Schutz vor dem Lernen, denn: „Schnelles Lernen ist nicht unbedingt empfehlenswert“ (Luhmann 2000a: 76).
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Wissen Intelligenz, und sie kann sich aufgrund ihres Reflexionsdefizits eben auch als Dummheit herausstellen. Als dumm erweist sie sich in der Regel, wenn es um Entscheidungsfindung außerhalb von Interaktion geht, d.h. auf der Ebene von Organisationen. (2004: 133)
Dennoch werden (bis dato noch eher vereinzelt91) Vermutungen laut, Gefühlszustände hätten möglicherweise doch mehr als nur „kognitionskorrigierenden“ Status, seien darüber hinaus generell „Wirklichkeits-absichernd und einheitsstiftend“ (Hinderk 2004: 81) bzw. sei Affektivität als eine „strukturell unabhängige Komponente sozialer Kommunikation“ (Staubmann 2004) zu betrachten (vgl. dazu ausführlich unten). Ein Hintergrund, vor dem es nun auch wenig überraschend scheint, dass selbst Luhmann (1981b: 363) vorsichtig zu konzedieren hat: Für besonders irritierende, besonders unsichere Umwelten können und müssen daher andersartige Entscheidungszusammenhänge und andersartige kommunikative Transfers entwickelt werden zum Beispiel informale Kommunikation oder sogar [!] persönliche Kommunikation (…)
Für die „dualen Strukturen“ einer Organisation (vgl. oben) gilt somit zum einen wiederum mit Wenger (1999: 244, Hv. PR) dass „The informal is not without form, but its form is emergent, reflecting the logic of improvisation inherent in the negotiation of meaning. An organization is therefore the meeting of two sources of structure: the designed structure of the institution and the emergent structure of practice“92 und zum anderen, dass neben zugestandener Informalität doch auch wesentlich auf »Personalität« (und damit zusammenhängend: »Emotionalität« bzw. »Affektivität«) acht zu geben sein wird.93
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Nicht zuletzt popularisiert durch bspw. Veröffentlichungen von Damasio (2005, 2004; s.u.). Vgl. hier vielleicht neben Von Hayeks (1980, 1994) „gewachsener Ordnung“ (s.o. Fn. 70) Arbeiten zur Selbstorganisationstheorie (bspw. Küppers/Krohn 1992b, Ulrich/Probst 1984, Probst 1987, 1992, Wolf 1997, 2003) auch über explizit systemtheoretische hinaus im Gegensatz zu Luhmanns (1964: 30) Diktum zur „Erschütterung des Ordnungsmonopols“ der formalen Organisation, aber auch im Gegensatz zu dessen Rede von Selbstorganisation bei Strukturvariation unter der Bedingung weiterlaufender Autopoiese in jüngeren Arbeiten (bspw. 2000a: 47). Außerdem findet sich bereits am Beginn von Funktionen und Folgen formaler Organisation der Hinweis: „Es gibt kein vollständig formalisiertes System in dem Sinne, daß alle Erwartungen und Handlungen des Systems formal organisiert wären. (…) Darin liegt kein Mangel an Perfektion; vielmehr wäre ein voll formalisiertes System gar nicht lebensfähig“ (Luhmann 1964: 27). Gar „liegt ein Gewinn an Elastizität durch interne Differenzierung“ (1964: 50). Ähnliches findet sich für personale Kommunikation zumindest in dieser Form nicht.
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2.2.3 Communities Wie Organisationen als soziale Systeme auf evolutionär unwahrscheinliche (Luhmann 1975) Entstehungsbedingungen angewiesen sind, so bilden sich auch »Communities (of Practice)« in der Tat meist innerhalb einer Organisation (seltener diese übergreifend), womit ihre Strukturen von Beginn an bestimmten Beschränkungen ausgesetzt, bzw. zumindest zu berücksichtigenden Randbedingungen (als „bedingende Außenwelt“, die auch reichlich Anlass zu Konflikten bieten kann (Luhmann 1964: 107)) unterworfen sind: Bei relativer Autonomie von (seiner relativen) Umwelt „bleibt die Evolutionsfähigkeit des Systems gebunden an eine teilweise Übereinstimmung oder Isomorphie mit bestimmten Aspekten der Umwelt“ (Willke 1976: 427f). Systeme und damit Communities als solche sozialer Natur können also zum einen von ihrer Umwelt also auch der Organisation beeinflusst werden, wie sie zum anderen auf diese zurückwirken: „Many communities of practice do indeed arise in the process of giving existence to an institutional design; they may even owe their existence to the institutional context in which they arise“ (Wenger 1999: 244). Schließlich bieten Organisationen „reichhaltige Anlässe und Chancen zu »interaktiver Verdichtung«“, womit sie „Gruppenbildung gerade provozieren“, wie Tyrell (1983a: 79) feststellt. „Cliquen bilden sich in natürlicher Fortsetzung und Verdichtung kollegialer Beziehungen“ wie schon Luhmann (1964: 325) hervorhebt. Jedoch nicht nur „dort, wo das Verhältnis zur formalen Organisation distanziert und problematisch wird“, um „ihren Mitgliedern unter problematischen Bedingungen die Selbstachtung zu erhalten“ (1964: 325), sondern auch „wenn Mitglieder der formalen Organisation sich in ihren persönlichen und positionsbezogenen Interessen wechselseitig unterstützen (1964: 326). Dabei hat jedoch eine interne Differenzierung organisierter Sozialsysteme ihre Ursache nicht oder zumindest: nicht vorrangig wiederum in der Beobachtung der (nicht-sozialen) Umwelt, sondern vielmehr im Prozess der autopoietischen Reproduktion die ja neben der Reproduktion von Elementen auch für die Reproduktion der Reproduktionsmöglichkeit zu sorgen hat und steht sowohl vor der Bedingung, Anschlussfähigkeit sicherzustellen als auch vor der Möglichkeit, ein neues System mit neuer System/Umwelt-Differenz zu bilden (Luhmann 2001a: 258f): Interne Differenzierungen schließen an die Grenze des bereits ausdifferenzierten Systems an und behandeln den damit eingegrenzten Bereich als eine Sonderumwelt, in der weitere Systembildungen folgen können. Diese innere Umwelt weist nämlich besondere Komplexitätsreduktionen auf, die durch die Außengrenzen gesichert sind; sie ist relativ zur Außenwelt eine schon domestizierte, schon pazifizierte Umwelt mit verringerter Komplexität. Sie ist überdies artgleiche Umwelt, denn interne Differenzierung kann nur
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Wissen in artgleicher Weise erfolgen. Lebende Systeme können sich nur in lebende Systeme, soziale Systeme nur in soziale Systeme differenzieren.
„Ein formal organisiertes Sozialsystem kann planmäßig formal differenziert werden; es bietet zwangsläufig aber auch Gelegenheiten zu informalen Systembildungen, die dann in ein ambivalentes Verhältnis zu den formalen Regeln geraten“, wobei jedoch nach Luhmann möglicherweise (in gewisser Weise mittelbar) „nicht informale, sondern gerade formale Organisation die Mittel bietet, Elastizität und Anpassungsfähigkeit wiederzugewinnen“ (2001a: 259). Unterschiedliche (und damit: nicht aufeinander rückführbare) Ebenen der Systembildung sind außerdem in der Regel auch durch verschiedene Typen der Ordnungsbildung gekennzeichnet so wie beispielsweise sogar organisationsinterne „Interaktionen nicht vollständig in Entscheidungen dekomponierbar sind“, ja vielmehr „die Entscheidung in der Interaktion ein Fremdkörper“ bleibt (Kieserling 1999: 355f).94 Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil sie ihre eigene Kontingenz stets mitkommuniziert und nur die Folgen getroffener Entscheidungen wirkungsvoll sind. Keineswegs ausgeschlossen ist damit, dass organisatorisch gerahmte Sozialsysteme (1999: 359) diese ihre Besonderheit des Entstehungszusammenhangs mitberücksichtigen müssen.95,96 Im Gegenteil: Sowohl Interaktions- und Organisationssysteme als auch die Gesellschaft als umfassendes Sozialsystem haben jeweils andere weil (typen)spezifische Systemprobleme zu lösen und dies außerdem in einem Setting (einer Umwelt) nicht nur »individueller«, weil stets System-relativer, sondern auch insofern allgemeiner, als gewissermaßen »Arten-typischer«, Natur. Wie sich auch spezifische Systemtypen überhaupt als Problemlösungen für spezifische Umweltkonstellationen begreifen lassen (Gerhards 1988: 11).
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„Wutausbrüche lassen sich nicht gut als Folge einer Entscheidung, in Wut auszubrechen, darstellen. (…) das Gebrüll würde sich selbst in Ironie zurücknehmen, wenn der Brüllende diese wohlerwogene Dosiertheit des Einsatzes seiner Darstellungsmittel mitdarstellt und dann beispielsweise in normaler Lautstärke einschieben würde: »Ich kann auch noch lauter«“ (Kieserling 1999: 357). Dass auch auf unterschiedlichen Ebenen ausdifferenzierte Systeme einander unter Zugzwang bringen können, formuliert bspw. Kieserling (1999: 340): „Die Interaktion gerät damit zunächst einmal unter den Druck von Erwartungen, die letztlich aus einer anderen Systemebene [der Gesellschaft oder auch der Organisation] stammen und daher nur unter erheblichen Verzichten auf interaktionseigene Möglichkeiten (…) realisiert werden können.“ „Ihre systeminternen Restriktionen leiten sich weitestgehend daraus her, daß ihre Umwelt organisiert ist“, wie Luhmann (1981b: 362) dies ausdrückt.
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Sinn-Systeme
Gesellschaft
Kommunikative Systeme
Psychische Systeme
Kommunikative Wirklichkeiten
Soziale Systeme
Funktionale Teilsysteme
Organisationssysteme
Gruppen
Interaktionssysteme
andere soziale Systeme
Abb. 3: Soziale (i.S.v. Sinnbasierte) Systeme nach Luhmann
Das muss nun auch ein systemtheoretisch zugeschnittener Begriff der »Gruppe« (Tyrell 1983a, Neidhardt 1999) der im hier vorliegenden Kontext für eine beschreibende Untersuchung von Communities vielversprechend erscheint, da es ja um (oftmals: innerorganisatorische) Beziehungssysteme geht, die in ihrer Struktur viele Interaktionsperioden überleben, mangels formalisierter Mitgliedschaft jedoch selbst nicht als (Teil-)Organisation zu begreifen sind97 berücksichtigen. Denn wenngleich Communities ohne sich wiederholende, unmittelbare face-to-face Interaktionen keinen dauerhaften (formalen Organisationen vergleichbaren) Bestand erreichen können, erschöpfen sie sich als/wie Gruppen nicht in diesen einzelnen encounters (mit denen auch Goffman (1973) die Interaktions- von der Gruppenebene abgrenzt), sondern gewinnen Identität und Bestand oberhalb ihrer einzelnen Begegnungen. Damit lassen sich Gruppen als Systemtyp bereits zwischen einfachen Systemen und Organisationen verorten (Neidhardt 1999: 137), wenn aus dem Universalitätsanspruch der Theorie selbstreferentieller Sozialsysteme einerseits und der (konstitutiven) jeweils nicht möglichen gegenseitigen Rückführbarkeit der programmatisch entwickelten Systemtypen »Interaktion«, »(Formal-)Organisation« und »Gesellschaft« aufein-
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Tyrell (1983a: 78) nennt aus einer „beliebig verlängerbareren“ Reihe Beispiele wie u.a. auch „Kollegencliquen“ oder (einfache) „Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten“ in Organisationen, die bereits nahe an einfache Definitionen von »Communities (of Practice)« herankommen.
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ander98 (Luhmann 1995, 1981b, 2001a) andererseits die „Frage der Ergänzungsbedürftigkeit“ (Tyrell 1983a: 77) gestellt werden kann. Diese lässt sich sodann mit Neidhardts (1999: 135) Verständnis von »Gruppen« als soziale Systeme, deren „Sinnzusammenhang durch unmittelbare und diffuse Mitgliederbeziehungen sowie durch relative Dauerhaftigkeit bestimmt ist“, beantworten. Damit sind die beiden zentralen Aspekte die „nicht nur terminologisch Anschluß an die Luhmannsche Systemtheorie“ halten (Tyrell 1983a: 77) bereits skizziert: Unmittelbarkeit und Diffusität zum einen, relative Dauerhaftigkeit zum anderen. Während Organisationen nicht nur von konkreten Personen zugunsten von »Rollen«, sondern sogar noch weiter zum Konstrukt der »Stellen«, die mit nahezu beliebigen Persönlichkeiten besetzt werden können, bewusst abstrahieren (Luhmann 1995: 41) bzw. zur „Disponibilität der Mitgliedschaften“ im Dienste des Systemzwecks (1964: 377) und „Kommunikation mit Abwesenden“ (Willke 2001b: 93) zum Prinzip erheben, sind für Gruppen (und daher auch für Communities, wenn sie systemtheoretisch als solche verstanden werden) nicht nur unmittelbare und interaktionsnahe Beziehungen und damit: hohe Bedeutung von face-to-face Begegnungen sowie Raum für persönliche Attraktion kennzeichnend (Tyrell 1983a: 78), sondern auch kaum Differenzierungen von Rollen und Personal (1983a: 80); und wo sich eine entsprechende Hierarchie- und Rollendifferenzierung dennoch ausbildet, ist sie noch immer in viel höherem Maße durch die sie »verkörpernden« Persönlichkeiten geprägt. Demgemäß ist auch die an Parsons angelehnte Diffusität als persönliche und als solche erlebbare Färbung zu verstehen: Im Gegensatz zur Organisationen ist hier für die Definition der Mitglieder weniger von Bedeutung „was sie tun“99 als vielmehr „wer dazugehört“ (1983a: 80) bzw. auch: nicht (mehr) dazugehört: Abwesenheit fällt auf, stellt Tyrell (1983a: 83) ebenso fest, wie „das Abreißen der Kontakte (»man sieht sich kaum noch«) tendenziell auch das Aufhören der »Existenz« der Gruppe bedeutet“ (1983a: 79). Wie auch die Literatur über Communities (of Practice) die Notwendigkeit (un)regelmäßiger persönlicher Interaktion für deren Existenz betont, so bestehen soziale Systeme dieser Emergenzebene dennoch über sie hinaus, obwohl sie fraglos dieser einzelnen, aneinander gereihten Begegnungen bedürfen: „Für die 98
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„Interaktions- und Organisationstheorie gehen nicht in Gesellschaftstheorie auf. Und von der anderen Seite her gesehen gilt: »die soziale Wirklichkeit« ist nicht in Interaktion auflösbar (…)“ (Tyrell 1983a: 76). „Gruppe existiert dann und in dem Maße, in dem Mitgliederbeziehungen nicht auf spezifische Zwecke oder Ziele eingegrenzt erscheinen, sondern mit einer Vielzahl von Bezügen auf einer formell nicht eingegrenzten Zahl von Bezugsebenen stattfinden“, was jedoch nicht einem „Mindestmaß an Organisation“ entgegenläuft, das im Gegensatz zum »einfachen Sozialsystem« Interaktion bereits erforderlich ist (Neidhart 1999: 136f, Hv. PR).
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Gruppe ist die Anwesenheit der Mitglieder (im Unterschied zu einfachen Sozialsystemen und »encounters«) zwar kein Definitionsmerkmal100, aber das Zusammentreffen der Mitglieder, ihre Versammlung und die sich dabei ergebende faceto-face Konstellation sind eine conditio sine qua non für den Gruppenerhalt“ (Neidhart 1999: 140). Jedoch besitzen sie außerdem nicht nur eine Fähigkeit zur Latenz im Sinne eines Wieder-Anknüpfens an die »Sinn-haftigkeit« eines beendeten Interaktionszusammenhangs, sondern sie verselbständigen sich gewissermaßen auf einer anderen Ebene als (bzw.: über?) jener der singulären Interaktionen „als »Bestand«, dessen Erlebtsein durch Phasen der (begrenzten) temporären »Trennung« nicht tangiert oder irritiert wird“, wie Tyrell (1983a: 82) betont. Und so kann er auch im Anschluss daran formulieren, dass sich „Zusammengehörigkeit bzw. vom einzelnen her: Zugehörigkeit als das tragende Prinzip des Systemtypus Gruppe“ herausschält: Mit Neidhardts (1999: 136) Worten eine „Kristallisation von Wir-Gefühl“. Damit aber werden schließlich auch Fragen der „Systemidentität“ und wohl eng mit dieser zusammenhängend: emotionaler Natur101 berührt.102 Nach Neidhardt (1999: 144f) findet die in sozialen Gruppen kaum vorhandene funktionale soziale Differenzierung („Eine Fußballmannschaft braucht einen Torwart; eine Gruppe, die in dieser Mannschaft entsteht, braucht ihn nicht.“) sogar ihr „funktionales Steuerungsäquivalent“ in Gefühlen (zu denen er vor allem Vertrauen, generell aber jene zählt, für die einseitige Vorleistungen erforderlich oder zumindest möglich sind), da das „Persönlichkeitsprinzip“ die (in Organisationen
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Bzw. sicher keine hinreichende Bedingung. Vgl. zur Bedeutung von Emotionalität für die Identitätskonzeption bspw. Haviland/Kahlbaugh (2000). Wenn Tyrell (1983a: 82) betont, dass „wo »interaktive Verdichtung« sich zur Gruppenbildung konsolidiert“ schließlich „»mehr« herauskommt als nur [!] ein lockeres Netzwerk persönlicher Verbindungen“, und er dabei auf die „Vorstellung von »Zugehörigkeit«“ hinweist, so soll das unterstrichen werden. Denn auch wenn Communities als soziale Beziehungsgeflechte in einigen Punkten Ähnlichkeiten mit sozialen Netzwerken aufweisen, wie zum Beispiel Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, so lassen sich deutliche Unterschiede feststellen. Deshalb wird hier auch versucht, Communities als emergente Phänomene höherer Ordnung (d.h. als »soziale Systeme«) zu verstehen, und als zentrales Merkmal gilt dabei die von den Mitgliedern geteilte, auf einer gemeinsamen Wertebasis beruhende, Identität. Damit sind (»echte«) Communities letztlich auch hinsichtlich ihrer Grenzen beständiger bzw. eindeutiger definiert als Netzwerke. Für letztere gilt ja vielfach eine diffuse Grenzziehung geradezu als definierende Besonderheit, während systemtheoretisch gesehen jede Grenze zum Konstitutivum wird. „Soziologisch gesehen hingegen sind Communities von Netzwerken zu unterscheiden“, wie Schneider (2003a: 43) unzweideutig feststellt, denn: „Sie bilden so etwas wie Wurzeln (Heimat), beruhen auf sozialer Bindung und verfolgen nicht notwendig distinkte gemeinsame Zwecke.“
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zu findende) Formalisierung zur Erzeugung von „Erwartungssicherheiten“ ersetzt.103 Dieses »Vertrauen« ist hier ganz offensichtlich eine Sache persönlicher Beziehungen und damit ein anderes Erfordernis als bspw. die »Zuversicht« in soziale (z.B. funktionale gesellschaftliche) Systeme und deren Funktionieren (Luhmann 2001b) in denen gelernt werden kann (bzw. wenn sich Vertrauen bilden soll: werden muss), sich über fehlende Information (d.h. auch: über die Vergangenheit, ihre Erfahrungen und die Folgerungen daraus) hinwegzusetzen, um eine in die Zukunft gerichtete »riskante Vorleistung« zu erbringen, indem unterstellt wird, dass es in dieser aufs Höchste kontingenten Zukunft nur (eine) bestimmte Möglichkeit(en) gibt (vgl. bspw. Ripperger 2003: 47). Für diese Unterstellung das Risiko zu übernehmen (es quasi zu internalisieren bzw. es durch die Entscheidung und die folgende Handlung erst zu erzeugen104) heißt nicht mehr bloß zu »hoffen«, sondern eben bereits zu »vertrauen«. Und das aber nicht nur aufgrund möglicher Sanktionen, die als „künstliche Interdependenz“ im Enttäuschungsfall drohen, denn das schafft eher ein vertrauensungünstiges Klima105 als dass es Nutzen stiftet, ist auch Luhmann (2000b: 45f) überzeugt. Viel mehr bewirkt demgegenüber das »Gesetz des Wiedersehens«, denn: In sozialen Zusammenhängen, die so strukturiert sind, nämlich durch relative Dauer der Beziehung, wechselseitige Abhängigkeiten und ein Moment der Unvorhersehbarkeit ausgezeichnet sind, findet man einen günstigen Nährboden für Vertrauensbeziehungen.
Vertrauen kann also nicht verlangt oder normativ vorgeschrieben werden („Zwang führt eine Asymmetrie ein, die gegenseitiges Vertrauen beseitigt und stattdessen Macht und Hass fördert“, streicht Gambetta (2001: 215) klar heraus), sondern muss freiwillig geschenkt (und dann aber auch angenommen) werden: „Es hat den sozialen Funktionswert von Vertrauen nur, wenn es die Möglichkeit des Mißtrauens sieht und abweist“ (Luhmann 2001a: 181) denn vertrauen kann nur, wer auch die Möglichkeit hatte, es nicht zu tun und sich dagegen zu entscheiden. Dabei scheint es denn außerdem, dass soziale Systeme, die (besonders) auf Vertrauen angewiesen sind, auch bessere Voraussetzungen für diese 103
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Nach Neidhardt (1999) in erster Linie eben durch die Entstehung (persönlichen) Vertrauens als riskante Vorleistung (Luhmann 2000b). Risiken bestehen mithin nicht für sich allein, sondern entstehen erst mit Entscheidungen und Handlungen: „Es ist eine rein interne Abwägung externer Umstände, die ein Risiko hervorbringt“, meint Luhmann (2001b: 152). „Trust and control are incompatible”, meinen bspw. auch Solomon/Flores (2003: 24f), denn: „Trust backed up by Draconian sanctions is hardly trust.“ Daher bedeutet Vertrauen auch weiterhin Risiko, gewissermaßen als Schattenseite seiner Ermöglichung von (Zugeständnissen an) Freiheit und Autonomie.
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Möglichkeit der Stabilisierung (in Form generalisierter Erwartungen) schaffen können, dass (persönliches) Vertrauen also vorrangig dort entsteht d.h. dass es sich als „Vertrauenskapital“ in kleinen Schritten dort ansammelt wo es vorrangig benötigt wird (Luhmann 2000b: 46, 59): Nur wo die Strukturen die Sicherheit des Systems gewährleisten (vgl. dazu unten), wirken diese handlungsentlastend bzw. bieten sie Ersatz für „andere Mittel der vereinfachenden Orientierung und Absicherung“ (2000b: 111ff). Dabei zählen »Gefühle« (nach Parsons »partikular«, »qualitativ« und »diffus«) bzw. »stabilisierte Gefühlsbeziehungen« zu den elementarsten Gewissheitsäquivalenten, die Vertrauensbereitschaft ermöglichen (2000b: 105ff). Daran wird dann auch besser als an anderen Stellen deutlich, dass Vertrauen kein auswählbares Mittel zu bestimmten Zwecken oder eine (im Nachhinein) prüfbare Prognose darstellt: Es ist nicht unter „Kalkülmodelle des Entscheidens“ zu subsumieren106, denn soweit diese Erwartungssicherheiten reichen, ist Vertrauen unnötig (Luhmann 2000b: 116). „Vertrauen ist eine vorsichtige und an sich zerbrechliche Antwort auf unser Unwissen“, wie Gambetta (2001: 212) meint. So (d.h. vor allem auch: aus Luhmann‘scher Perspektive) gesehen handelt es sich um ein weitgehend präreflexives Phänomen, und mit Hartmann (2001: 25f) könnte man daher „sogar soweit gehen zu behaupten, dass ein reflexiv gewordenes Vertrauen (»Kann ich ihm vertrauen oder nicht?«) kein Vertrauen ist“, bzw. dass demnach „Vertrauen seine komplexitätsreduzierende Wirkung nur entfalten kann, wenn es von übermäßigen Reflexionsakten befreit“ ist. Lagerspetz (2001: 99ff) vertritt sogar noch vehementer diese Position, indem er unter anderem festhält, „dass dieses Fehlen von Bewusstsein unseren Begriff des Vertrauens erst konstituiert“, denn nur, wenn wir uns keine Gedanken machen, ist es angebracht, Vertrauen als solches zu bezeichnen, da dies vor allem auch heißt, „bestimmte Möglichkeiten oder Risiken aus unseren Überlegungen zu streichen“.107 (vgl. oben bzw. auch wieder Ripperger 2003: 47) Ähnlich auch Endreß (2001: 165ff) mit seiner Annahme als charakteristisch für Vertrauen, dass es sich keinem reflexiven, also explizit vollzogenen Entschluss verdankt, sondern dass es sich dabei vielmehr um interaktionsleitende Erfahrungen bzw. eine implizit bleibende Einstellung handelt. (Demnach wäre Vertrauen also nicht nur systemrelativ, pfadabhängig sondern auch Teil des alltäglichen »Wis106
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Für Luhmann (2001b: 148f) ist demnach für Vertrauen eine Situation, in der ein möglicher Schaden (Enttäuschung) den erstrebten Vorteil überwiegt, konstitutiv: „Andernfalls wäre es einfach eine Frage rationaler Berechnung (…) Vertrauen ist nur dann erforderlich, wenn ein schlechtes Ergebnis uns unsere Handlung bedauern ließe.“ „Sich willentlich einem Risiko auszusetzen, kann alles Mögliche bedeuten, von Mut über Tollkühnheit bis hin zu Neugier aber nicht Vertrauen“ (Lagerspetz 2001: 104). Interessant scheint eine Formulierung von Solomon/Flores (2003: 65, Hv. PR) zu diesem Thema, nämlich dass „(…) authentic trust puts certain evidence out of play without putting it out of view (…)“.
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sensvorrats« (Schütz/Luckmann 2003).) Trotz aller mit dem Begriff verbundener bzw. der durch ihn vielfach geweckten (durchaus hinterfragenswerten) Nostalgie werden Verpflichtungen, Versprechen usw. nicht ausgeschlossen wenngleich sie eine Veränderung erfahren: In a culture structured by power relations, commitments and promises have a different meaning than they do in a context of mutual trust (Solomon/Flores 2003: 26). Und schließlich stellt sich damit (ebenfalls mit Hartmann 2001: 27) „natürlich [!] die Frage, ob das Vertrauen nicht eher ein emotionales als ein kognitives Phänomen ist.“ Dies scheint insbesondere für jene Vertrauensverhältnisse zu gelten, die auf wechselseitigem Wohlwollen (im Gegensatz zu instrumentellrationalem Eigeninteresse oder schlichtem Sich-verlassen-auf) beruhen. Vor allem deshalb ist Vertrauen „eine Haltung, die risikobereite Entscheidungen zulässt“ wo es fehlt, „verändert sich die Art und Weise, wie die Menschen über wichtige Fragen entscheiden“ bzw. „Eingangsbedingung“ für ein System, im Sinne eines notwendigen Erfordernisses, um in ungewissen und riskanten Situationen zu Entscheidungen zu gelangen ein Mangel „reduziert den Umfang der Möglichkeiten rationalen Handelns“ (Luhmann 2001b: 156ff). To trust is to take on the personal responsibility of making a commitment and choosing a course of action, and with it, one kind of relationship or another. Trust entails a lack of control, but it means entering into a relationship in which control is no longer the issue. (Solomon/Flores 2003: 45)
Die Bedeutung von vor allem auch gefühlsmäßiger „Zugehörigkeit“ bzw. „Zusammengehörigkeit“ (Tyrell 1983a) ist gemeinsam mit dem bisher Gesagten wohl zunächst in ähnlicher Weise zu verstehen wie das, was Fuhse (2001) unter der Bezeichnung Gruppenidentität als besonders bedeutend, weil als Voraussetzung für die Autopoiese (damit den laufend reproduzierten Bestand der Gruppe) und daneben für die Beantwortung der Frage „Was macht eigentlich die Gruppe aus (im Gegensatz zu ihrer Umwelt)?“ (2001: 6), hervorhebt. Seine unmittelbar auf Luhmann (2001a: 619) rekurrierende Antwort versteht unter dieser grundlegenden und konstitutiven Differenz zur (System-)Umwelt in erster Linie „eine Semantik, die das Verhältnis von System und Umwelt im System repräsentieren“ und in generalisierter Form „über das Einzelne, Momenthafte hinausweisenden Charakter entwickeln“ (2001: 7) kann.108,109 Und nicht nur, dass Identität 108
Der »Name« als wesentliche Komponente von Gruppenidentität (nicht mehr: die Summe ihrer Mitglieder) erlaubt daneben auch die »Wiedereinführung« der Unterscheidung zwischen System und Umwelt in das System (re-entry) bzw. die Kommunikation über die Grenzziehung zur Umwelt im System (vgl. Fuhse 2001: 8, m. Verweis auf Spencer-Brown 1994 {1969}, nicht aber auf den expliziten Gebrauch bei bspw. Luhmann 2001a: 251).
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nach Luhmann (2001a: 112) nur über Differenz konstruiert werden kann. Nach Fuhse (2001: 12) besteht sogar die Notwendigkeit der Konstruktion eines „zentralen Feindbildes“ (dem „natürlich kein reales [!] soziales Korrelat gegenüber zu stehen“ braucht)110, mit der Folge, dass schließlich „die Unterscheidung zwischen Ingroup und Outgroup normativ aufgeladen“ (Fuhse 2001: 13) wird wobei der Begriff der outgroup, gegen die das System sich abgrenzt, noch zusätzlich einigermaßen weit gefasst scheint, indem er ein breites Spektrum an stereotypen Zuschreibungen bezeichnet111. Dennoch ist diese Differenzkonstruktion hier nicht affektiv bzw. emotional aufgeladen (wie man in Zusammenhang mit der Feindbildkonstruktion erwarten könnte), sondern in der Tradition Luhmanns (2001a: 364) werden „Gefühle zunächst einmal nur in psychischen Systemen“ (Fuhse 2001: 15) und damit deutlich außerhalb des Sozialsystems verortet, denn aus dieser Perspektive sind sie selbst nicht kommunizierbar. Gemeint ist hier jedoch vermutlich eher: nicht »Sinn-haft« kommunizierbar, denn ähnliche Überlegungen finden sich bereits in der in diesem Zusammenhang von Fuhse (2001) mehrfach zitierten Arbeit von Ahlemeyer (1995) über „soziale Bewegungen“, in der dieser „Mobilisierung“ als distinkter elementarer (kommunikativer) Operation sozialer Bewegungen einführt (1995: 88ff): Ihr Spezifikum ist ein in allen drei für Kommunikation konstitutiven Selektionen (bspw. Luhmann 2001a: Kap. 4, bes. 193ff) mitlaufender Handlungsappell112, 109
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Weder Gruppenidentität noch Name (oder ähnliche Manifestationen) müssen dabei stets in der Kommunikation explizit mitgeführt werden, auch wenn die Gruppe „die Welt nur nach Maßgabe der Gruppenidentität beobachtet“ und jede Information nur anhand des durch sie im System ausgelösten Unterschieds betrachtet nur an wenigen entscheidenden Stellen wird „Gruppenkommunikation“ als solche kenntlich gemacht (Fuhse 2001: 11). Vgl. die Behandlung der »Cliquen« (die jedoch „keinen Namen haben“) unter Kollegen als der formalen Organisation entgegengesetzt bei Luhmann (1964: bes. 324-331). Demgegenüber betont Luhmann bereits am Beginn der Sozialen Systeme „daß man zwischen der Umwelt eines Systems und Systemen in der Umwelt dieses Systems unterscheiden muß“ (2001a: 36f). Man wird hier vermutlich rasch an die Mehrebenenanalyse im Sender-Information(spaket)Empfänger Modell (»Kommunikationsquadrat«) Schulz von Thuns (1987), in dem der »Appell« einer Nachricht (gewünschte!) Be-Wirkungen beim Empfänger bezeichnet, oder an das (auch von Thun als Anregung dienende) ebenfalls dreigliedrige »Organonmodell« Bühlers (1965) mit Darstellung, Ausdruck und »Appell« erinnert. Anders als im Verständnis Austins (1972) oder Searles (2003), nach dem das (Nicht-)Eintreten eines »perlokutionären« Effekts zunächst von der Intentionalität unabhängig ist und außerdem die »illokutionäre« Absicht, nicht Eintreten des beabsichtigten (perlokutionären) Effekts konstitutiv für das Sagen bzw. »Meinen« (zur Kritik an Grice 1957 vgl. Searle 2003: 68ff) ist, scheint Ähnliches hier der Fall zu sein. Fraglich scheint vor allem die Notwendigkeit des Mitlaufens eines Appells in allen drei Selektionen. Möglicherweise handelt es sich dabei auch eher um eine »Diskursart« (Lyotard 1986, 1987) als um ein spezifisches »Medium«. Fuhses (2001) Gegenargument, man fände in »Bewegungen« auch andere als »Mobilisierungskommunikation« kann da nicht sofort überzeugen, weil das für »Ent-
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der selbst nicht explizit mitgeteilt werden muss, sondern auch implizit bleiben kann113, und durch den in erster Linie Selektivität wie auch Zumutungsgehalt der Kommunikation gesteigert werden. „Die Annahme der Mobilisierung bedeutet vor allem, daß Ego die Selektionen als Prämisse weiteren Handelns übernimmt und sich bindet, künftige Kommunikationen auf Mobilisierung umzustellen“ (Ahlemeyer 1995: 95). Und diese Bindung bezieht sich ähnlich wie in der zitierten Argumentation von Fuhse (2001) im Gegensatz zu bspw. jener von Tyrell (1983a) oder insbesondere Neidhart (1999) auf kommunikative und ausschließlich »Sinn-hafte« Strukturen sozialer Systeme, indem sie vor allem „Erwartungen an den Körper und Erwartungen an das psychische System“ meint. Auch »Commitment« bezeichnet dann die „Einschränkung der Wahlmöglichkeiten“ (Ahlemeyer 1995: 140ff) insofern es einen Spezialfall der Bindung im Fall sozialer Systeme darstellt, also „Bindung (psychischer Möglichkeiten durch soziale Systeme) als Festlegung des Verwendungssinnes noch nicht voll bestimmter Möglichkeiten durch die Struktur eines emergenten Systems“ (Luhmann 2001a: 300, nach Ahlemeyer 1995: 146). Vor allem konvergieren die Argumentationslinien von Ahlemeyer (1995: 150ff) und Fuhse (2001: 6ff) schließlich in der Diskussion von Identität, die nicht nur im Fall sozialer, sondern auch psychischer Systeme zur Gänze auf »Sinn« hin zentriert ist, wie die Frage zeigt, ob sich letztere in „Schwingungen“ versetzen lassen können. Sogar ob einer solchen Vorstellung von Zusammengehörigkeit „psychische Gefühle [!] gegenüberstehen, wird zwar nicht unwichtig, aber zweitrangig“ (Fuhse 2001: 15). Demgegenüber sprechen Tyrell (1983a: 82, Hv. PR) und Neidhart (1999: 136, Hv. PR) kaum zufällig vom „Wir-Gefühl“ (das sich laut Fuhse (2001: 15) „in der Kommunikation114 entwickeln“ müsse). Denn im Gegensatz zu Organisationen und ihrer Betonung von Formalisierung sowie ihrer Abgrenzung gegenüber Emotionen und deren Verbannung in die Umwelt des (sozialen) Systems, bietet sich auf Gruppenebene bzw. in Communities geradezu definitionsgemäß die Gelegenheit, die „erhöhte Chance auf Authentizität sozialer Wahrnehmung“ (Neidhart 1999: 140) zu nutzen. Und doch bringt dieses Licht auch Schatten wie weiter oben bereits kurz angesprochen in Form überhöhter interner Kom-
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scheidungen« in »Organisationen« genauso gilt (vgl. Luhmann 2000a: 63f) wie auch Lyotard (1986: 60f) von „privilegierten Aussagen“ spricht, „deren Vorherrschaft den Diskurs der Institution charakterisiert“ und Sprachspiel-Wechsel erschwert. Vielleicht oft umgekehrt: nicht explizit mitgeteilt werden kann, sondern implizit bleiben muss weil z.B. die Aufrichtigkeit (auch: der Selbstbindung) dabei nicht kommunizierbar ist: „Man braucht nicht zu meinen, was man sagt (…) Man kann gleichwohl nicht sagen, daß man meint, was man sagt. Man kann es zwar sprachlich ausführen, aber die Beteuerung erweckt Zweifel, wirkt also gegen die Absicht“ (Luhmann 2001a: 207f). Implizit jedoch wohl gemeint: in der normativ-sinnhaften Kommunikation.
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plexität (die gewissermaßen die erforderliche requisite variety übersteigt). Diese bringt zum Ausdruck, dass die Mitglieder „allemal mehr sind, als in einem sozialen System Platz hat“ (Neidhart 1999: 141). Hier ist es vielmehr überlebensnotwendig für das System einen Ausgleich zwischen den beiden Polen einer Unpersönlichkeit aus Prinzip (also Formalisierung und Dominanz des Sachlichen, Zweckrationalen) auf der einen und einer bedingungslosen Persönlichkeit (also auch Offenheit, Intimität, …) eine „innere Abgrenzung“ zu stabilisieren. Möglicherweise gelingt es sozialen Systemen auf der Ebene der Gruppe beispielsweise in Form von Communities (of Practice) jedoch unter Überwindung der problematischen Aspekte auch, diese ursprünglich überlebensnotwendige Fähigkeit in ihrer Not zur Tugend, und die unter Umständen nur prima facie oder teilweise als Dysfunktionalität offenkundig in Erscheinung tretende erhöhte ermergierende insbesondere emotionale Binnenkomplexität für positive Externalitäten nutzbar zu machen. Denn dass es vice versa keine Schatten ohne Licht gibt, darf wohl auch im Fall von Individualisierung, Personalisierung und Emotionalisierung (Neidhardt 1999: 240ff) in Gruppen und Communities vermutet werden. Trotz lauernder Irrationalitäten haben insbesondere Gefühle mit einer „relativ starken Indifferenz gegenüber dem Verhalten des anderen“ und der Tendenz, diesem erst einmal „Kredite“ einzuräumen die Fähigkeit, soziale Komplexität unmittelbar zu reduzieren, indem sie nicht nur das Festlegungsproblem in kontingenten Situationen (vorübergehend) lösen, sondern mitunter sogar zu einer „Art Ultrastabilität“ auf Gruppenebene beitragen (Neidhardt 1999: 149). Insbesondere für Vertrauensbereitschaft können Gefühlsbeziehungen als Bedingung der Möglichkeit gelten (vgl. oben), da sie als interne Strukturen Komplexität reduzieren (Luhmann 2000b: 103) vor allem durch »affektive«, »diffuse« und »partikulare« Einstellungen unabhängig vom jeweiligen Sachzusammenhang und vielmehr orientiert an beispielsweise einer bestimmten Person (2000b: 33f). Und abgesehen von der über jeder Interaktion schwebenden Vertrauensfrage für die Selbstdarstellung in jeder Interaktion ist ein Mindestmaß an Vertrauen erforderlich (2000b: 48f) zeichnet sich Vertrauen vor allem dadurch aus, dass man es nicht verlangen kann: „Es will geschenkt und angenommen sein. Vertrauensbeziehungen lassen sich daher nicht durch Forderungen anbahnen, sondern nur durch Vorleistung (…)“ nur so kann eine Vertrauensbeziehung in Gang gebracht werden (2000b: 55). Diese emotionale Stabilisierung von »Gruppen« (Communities) widerspricht dabei der funktionalen Stabilisierung großer Organisationen (Luhmann 1964: 106f), denn in letzteren ersetzt der Mechanismus der formalen Pflicht mit kaum mehr vorhandenen emotionalen Qualitäten als „schematische Beteiligungsregel“
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die Initiative als „natürliche [!] Motivationsgrundlage.“115 (Luhmann 1964: 20) Ähnlich wie in ihnen auch „jeder Akt des persönlichen Wohlwollens, jede Ausnutzung persönlicher Beziehungen, wie sie unter einfacheren Verhältnissen das Gefüge trugen, nun suspekt“ (Luhmann 1964: 289) werden, denn schließlich ist es „in formalen Systemen möglich, die Motivation von der Kommunikation zu trennen und sie außerhalb des Netzes sicherzustellen“ (Luhmann 1964: 195). Zwar schließen funktional stabilisierte Systeme Gefühle keineswegs aus, doch überlassen sie diese „dem persönlichen Belieben“, weshalb auch „gewisse Leistungen, die sich in emotional stabilisierten Systemen von selbst verstehen, nicht mehr erbracht werden. Funktional stabilisierte Systeme haben keinen Platz für Gefühle“ (Luhmann 1964: 378f): Andererseits läßt sich die Gefühlskomponente des menschlichen Erlebens weder ausmerzen noch übersehen. Finden die Gefühle in den legalen Institutionen keine Heimat, so schaffen sie sich eine eigene Nahwelt und bleiben im Zustand ungeformter Spannungen und Gereiztheiten stecken. Es bilden sich aus unbefriedigten Gefühlsbedürfnissen emotionale Gegenstrukturen, informale Kleingruppen, die in sich selbst gefühlsmäßig stabilisiert sind (…)“ (1964: 380)
Auf eine „Zwitterstellung zwischen formalisierten Vorgaben (Mitgliederrekrutierung und Zielsetzung) und informellen Prozessen (geringe strukturelle Vorgaben für die Gestaltung des inneren Raumes)“ im Fall von intraorganisatorischen »Teams« weist beispielsweise auch Gerhards (1988: 106f) hin. Hier kollidieren die zwei konträren Formen der Konstruktion sozialer Wirklichkeit zwischen denen ein Ausgleich zu finden ist, wenn sich „die emotionalen Beziehungen für die Erreichung des organisationellen Ziels einspannen [!] lassen“ in Form von Rationalität und Emotionalität, während sich »Gruppen« und »Communities« auf die Affektkomponente ihrer Kommunikationen und Beziehungen konzentrieren bzw. verlassen können (und letzteres vermutlich nicht nur können, sondern auch: müssen).
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Organisationen sind demnach durch eine Trennung von Motivations- und Kommunikationsstruktur (Luhmann bspw. 1964: 89ff) bzw. zumindest weiter „auseinandergezogene“ Systemund Motivationsstrukturen (Gerhards 1988: 110) gekennzeichnet.
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In sozialen Systemen auf der Ebene von »Gruppe« und damit auch in »Communities« zeigt sich also besonders deutlich der Stellenwert, der »affektiver« (neben, oder vermutlich besser: gemeinsam mit weil komplementär zu »kognitiver« bzw. »normativer« (also: »Sinn-hafter«)) Kommunikation und ihrer Strukturierungsleistung in sozialen Zusammenhängen zukommt. Nicht zuletzt aus diesem Grund möchte bspw. Gerhards (1988: 56ff) im Anschluss an Collins (1981) aber anders als Berger/Luckmann (2004 {1969}), die ihm zufolge Emotionen in ihrer Analyse der sozialen Wirklichkeit ausblenden116 zwischen einer kognitiven (»Sinn-haften) und einer emotionalen (»Gefühl-vollen«) Konstruktion von Wirklichkeit unterscheiden, wobei er ebenfalls in erster Linie auf die strukturierende Funktion von Emotionen und ihren Beitrag zur nonverbalen Basis (bzw. zumindest: nicht verbalisierten Seite) von Interaktionen (vergleichbar den nicht- bzw. vor-kontraktuellen Voraussetzungen für Verträge bei Durkheim 2004 {1893}: I Kap.7117) hinweist.118 Ciompi (1997a: 262ff, 2004: 38ff)
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Allerdings sprechen sie schon vom „Affektdruck des Sozialisationsprozesses“ (Berger/Luckmann 2004: 155f), und bereits zuvor sagen sie in Zusammenhang mit einer „affektiven Komponente frühkindlichen Lernens“: „Selbstverständlich umfasst die primäre Sozialisation weit mehr als bloß kognitives Lernen [!]. Sie findet unter Bedingungen statt, die mit Gefühl beladen sind, und es gibt triftige Gründe dafür anzunehmen, daß ohne solche Gefühlsbindung an die signifikanten anderen ein Lernprozeß schwierig, wenn nicht unmöglich wäre“ (2004: 141f). „Die meisten unserer Beziehungen mit anderen sind Vertragsbeziehungen. Wenn man also jedes Mal aufs neue kämpfen und die nötigen Unterhandlungen einleiten müsste (…), wären wir handlungsunfähig. Wenn wir also nur unter den Bedingungen vertraglich gebunden wären, wie sie tatsächlich ausgehandelt worden sind, ergäbe sich daraus (…) nur eine höchst gebrechliche Solidarität“ (Durkheim 2004: 270). „Zusammenfassend können wir sagen, daß der Vertrag sich nicht selber genügt; er ist nur möglich dank einer Reglementierung des Vertrags, die sozialen Ursprungs ist. Er setzt diese voraus (…)“ (Durkheim 2004: 272). „Emotionen strukturieren soziale Situationen, indem sie die Position von Personen [!] im sozialen Raum durch Sympathie und Antipathie, durch Haß und Liebe, durch Angst und Vertrauen ordnen, Grenzen zwischen nah und fern, zwischen ingroups und outgroups, zwischen Freund und
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spricht hingegen im Rahmen seiner Ausarbeitungen zur „Affektlogik“ seinerseits nicht nur von „Schienen“ zwischen Individuen, die Anschlusskommunikation wahrscheinlicher werden lassen oder vom „Phänomen der emotionalen Ansteckung“119,120, sondern auch von „zeitüberdauernden »affektiv-kognitiven Eigenwelten«“, die bereits als Indizien für emergente emotive Strukturen ähnlich kognitiven Erwartungsstrukturen in Sozialsystemen (über eine Art »Resonanz« der beteiligten psychischen Systeme hinaus) gelten können.
3.1.1 Kognition und Emotion Die (nach einer Publikationswelle in den letzten Jahren wieder zurückgehende) vielfach konstatierte Vernachlässigung einer sozialwissenschaftlichen und hier im speziellen: soziologischen121 Auseinandersetzung mit Emotionen wird in den meisten Fällen umgehend (lebensweltlich) plausibel gemacht: „Emotionen gelten als ein privates, persönliches und zugleich natürliches Phänomen, auf dessen Formung das Soziale keinen Einfluß besitzt“ (Gerhards 1988: 12)122, oder es wird sogar ausdrücklich die Möglichkeit ihrer Behandlung als soziologische Tatsachen bezweifelt: „In der Tat entzieht sich der Tatbestand direkter soziologischer Behandlung. Die Soziologie könnte sich allenfalls mit der Kommunikation von Gefühlen (…) befassen“ (Luhmann 2001a: 370 Fn. 39). Despite their obvious importance (Bendelow/Williams 1998: xv) kann diese Auffassung von „Emotionen als etwas Präsoziales oder Präkulturelles“ und damit die Blindheit für ihren „genuin sozialen Charakter“, das heißt „die Unfähigkeit, Emotionen als soziale Phänomene zu sehen“ (Staubmann 2004: 140ff) nichtsdestotrotz im Rahmen eines „intellektzentrierten Weltbildes“ (Ciompi 1997a: 11) auf eine
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Feind [!] festlegen“ (Gerhards 1988: 62, Hv. PR). Vgl. auch Simon (2004: 124ff, passim) zu „frühen emotionalen Erfahrungen als Grundschema der Wirklichkeitskonstruktion“. Bereits Collins (1981: 994) meint, dass emotional energies are transmitted by contagion among members of a group, in flows which operate very much like (…) a market. Vgl. auch Hatfield et al. (1994), Gump/Kulik (1997). Es gibt (in der Soziologie?) „keine prominente Theorie der Gefühle“ (Baecker 2004: 5). „Die typische Aussage der Soziologie zu diesem Thema läßt sich recht einfach wiedergeben: Forschungslücke!“ zumindest nach Luhmann (2001a: 370 Fn. 39) und in für ihn typischer Diktion. Ähnliche Beobachtungen gibt es allerdings auch in anderen Disziplinen (bspw. Kristjánsson 2003: 351). Flam (1990ab, 2000) wird dann jedoch für das Konzept des Emotional Man (homo sentiens) als Ergänzung zur Bipolarität von homo oeconomicus (rational man) und homo sociologicus (normative man) plädieren.
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lange (wissenschaftliche, und hier vor allem westeuropäisch geprägte) Tradition verweisen: The roots of this neglect lie deeply buried in western thought: a tradition which has sought to divorce body from mind, nature from culture, reason from emotion, and public from private. As such, emotions have tended to be dismissed as private, ‘irrational’, inner sensations (…) Here, the dominant view, dating as far back as Plato, seems to have been that emotions need to be ‘tamed’, ‘harnessed’ or ‘driven out’ by the steady (male) hand of reason. (Bendelow/Williams 1998: xv)
Und trotz ihrer (unterschiedlich expliziten) Behandlung in den Arbeiten der »soziologischen Klassiker« (vgl. bspw. Gerhards 1989, Flam 2002 u.v.a.) hat man »Emotionen« als Phänomene wie als Gebiete der Forschung im Rahmen der „Ausdifferenzierung der Wissenschaften“ der Psychologie zugeschlagen, wo in erster Linie Vielzahl und Diversität der Definitionen und Konzepte auffallen (Gerhards 1989: 12ff). Ein Ausgangspunkt soll daher zunächst mit Oakley (1992) und seiner Konzeption von Emotionen als seiner Ansicht nach nur (aber auch: immerhin) analytisch trennbare Konstrukte aus Affekten (affects), Kognitionen (cognitions)123 und Wünschen (desires) versucht werden124. In einem ersten Schritt scheinen als Kontrast zu »Kognitionen« (vgl. oben) insbesondere die psychischen »Affekte« (psychic affects) von Bedeutung, die sich auf „undergoing psychic modifications“ beziehen (1992: 10f) und die eine Art mentale Färbung (mental tone) derer wir uns nicht bewusst zu sein brauchen bezeichnen. Für Oakley (1992: 14) an affect is a bodily or psychic condition which we are in, but which we need not feel, in having an emotion, and this condition is linked dynamically with the elements of cognition and desire in that emotion.
Gerade sie werden hier vor allem hinsichtlich ihres (analytischen) Zusammenhangs mit Kognitionen noch ausführlich interessieren, und so wird bei »Emotionen« vorrangiges Augenmerk auf »Affekten« in Komplementarität zu »Kognitionen« (daneben auch: »Normen«) im Sinne von affective states without a salient antecedent cause and therefore little cognitive content (Forgas 1992: 230) 123
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Auch Izard (1991: 69) stellt fest:„While emotion is always conscious, it is not always cognized or symbolized“ und bei Gerhards (1989: 73) sind Emotionen (wie auch Kognitionen) grundsätzlich „bewußtseinsmäßige Prozesse“. Gefühle (feelings) sind für Oakley (1992: 8) unter Berücksichtigung der Zeitkomponente kein essentieller Bestandteil von Emotionen: „We also have emotions over long periods of time without feeling them over the whole of that time. (…) So, since it seems that we can have emotions, both short-term and long-term, without always feeling them, feelings cannot be an essential part of the concept of emotion.”
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liegen125,126: Das heißt nicht nur, dass zum einen das psychische System (bzw. das Bewusstsein127) selbst in seinen (bzw. in den ihm zugrunde liegenden) Operationen und Strukturen auch »affektiv« strukturiert ist (Izard 1977: 67ff, 76ff), und zum anderen nicht zuletzt über ebendiese Strukturen die Beobachtungen des Systems und damit die Möglichkeiten der Wahrnehmung beeinflusst werden: „We perceive and attend to the stimulus patterns in our surroundings in a highly selective fashion“ (Izard 1991: 70) wofür die Verantwortung nicht zuletzt auch in der affektiven Tönung liegt, wie experimentelle Untersuchungen gezeigt haben (vgl. bspw. Izard 1977: 23f). Sondern vielmehr ist ungeachtet der bis heute kontroversiellen Diskussion um die (kausale) Priorität von Kognition und Emotion damit auch in weiterer Folge sowohl von bestehenden (»einfachen«) Wechselwirkungen auszugehen (denn nicht nur Affekte strukturieren (grundlegend) Bewusstseinsoperationen, sondern auch kognitive Kontrolle über Emotionen ist (bis zu einem gewissen Grad) möglich), als auch anzunehmen, dass es sich über weite Strecken um komplementäre Aspekte handelt. Mit Oakley (1992: 34) ist zu sagen: For it seems that in explaining the way people are and what they do, we normally attribute complexes of cognitions, desires, and affects together. Indeed, we usually take these elements as entering into and ‘enlivening’ each other, rather than as independent mental entities which sometimes happen to coexist.
Das heißt, „der Begriff des überhaupt gefühlsfreien Denkens hat“, wie schon Fleck (1983 (?) zit. n. Ciompi 1997a: 242) schlicht feststellt, „keinen Sinn. Es gibt keine Gefühlsfreiheit an sich wie wäre sie nur festzustellen?“ (Vgl. ähnlich auch Spencer in Fn. 128) . Nicht nur Damasio hat nun in jüngeren (populären bzw. populärwissenschaftlichen) Arbeiten (2005 {1994}, 2004 {2000}) über ohne adäquate Berücksichtigung der Emotionalität schlichtweg deformierte individuelle Rationalität in Entscheidungssituationen ähnliches untersucht und illustriert. Auch das Konzept der „Affektlogik“ von Ciompi (1982, 1997ab, 2001/2002) geht von der zentralen Annahme aus, „daß emotionale und kognitive Komponenten in sämtli125
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Die dritte Komponente (desires) verweist demgegenüber auf die von Emotionen ausgeübte energetisierende und motivierende Wirkung: „emotions energize and organize thought and action“ (Izard 1977: 23). Jedoch ist sie möglicherweise sehr schwer zu isolieren vor allem von der »mentalen Tönung«, da sie neben der Wahrnehmung auch auf die Weiterverarbeitung (i.w.S.) von Umweltreizen (und damit sowohl unmittel- wie mittelbar) wirkt. Vgl. Stocker (1983, 1987), der affectivity als Wesen der Emotion bestimmt (allerdings auch die Bedeutung von feelings betont). „The stream of consciousness is never a random process”, schreibt auch Izard (1977: 62), denn „[f]rom birth the infant perceives the surrounding world selectively (…)”.
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chen psychischen Leistungen untrennbar miteinander verbunden sind“ (1997a: 46)128 wonach es dann nicht nur beim Streit für oder wider ein Primat von Emotion oder Kognition um ein Scheinproblem geht, sondern emotionale Färbung (in welcher Weise auch immer) als solche schlicht nicht »wegzudenken« ist (was insbesondere über längere Zeiträume mit Oakley 1992 kein feeling erfordert), da emotionale Komponenten nicht nur funktionell im „psychischen Apparat“ eingebaut sind, sondern von Anfang an organisatorische und strukturierende Aufgaben übernehmen (Ciompi 1997a: 50ff). Eine mittlerweile wohl als verbreitet zu bezeichnende systemtheoretische (d.h. an Konzepten interpenetrierender bzw. strukturell gekoppelter autopoietisch-selbstreferentieller Systeme orientierte) Betrachtungsweise degradiert Gefühle demgegenüber rasch und apriorisch zu einem „Immunsystem“ psychischer Systeme (bzw. des Bewusstseins), dem beim Umgang mit erfüllten noch mehr: mit enttäuschten Erwartungen (und in weiterer Folge vor allem mit „auf Ansprüche zugespitzten Erwartungen“ und dementsprechend erhöhter „Selbstbindung“) als seine Funktion die Lösung interner Anpassungsprobleme zukommt (Luhmann 2001a: 362ff, bzw. z.B. Baecker 2004, Ciompi 1997ab, 2004): In jedem Falle sind Gefühle keine umweltbezogenen Repräsentationen, sondern interne Anpassungen an interne Problemlagen psychischer Systeme (…) Auf ihre Funktion hin gesehen, lassen sich Gefühle mit Immunsystemen vergleichen; sie scheinen geradezu die Immunfunktion des psychischen Systems zu übernehmen. (Luhmann 2001a: 371)
Hier wird Gefühlen nicht nur aus soziologischer Perspektive! ihr „genuin sozialer Charakter“ (vgl. oben129) abgesprochen, vielmehr werden sie zur Gänze in die Welt der psychischen Systeme130 (und damit in die zwar nicht weniger bedeutende, aber dennoch zunächst »unmarkierte« Umwelt alles Sozialen bzw. genauer: in Systeme in dieser Umwelt) verwiesen. Doch stellt sich die Frage, ob das nicht zu voreilig geschieht, wenn (…) Luhmann die Wirkung von Affekten in sozialen Systemen jeder Größenordnung nicht als die grundlegende Kraft und Energie erkennt, die die ganze Systemdynamik erst in Schwung bringt und zugleich organisiert. (Ciompi 1997a: 240f)
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So hat Spencer (1890: 474) festgestellt: „(…) nur in jenen seltenen Fällen, in denen sowohl seine Begriffe als auch seine entfernten Assoziationen absolut indifferent sind, kann ein kognitiver Akt absolut frei von Emotion sein.“ Bzw. vgl. zur Individualform und Sozialform der Gefühle traditionell Durkheim (2003: 369). Auf diese kann in dieser Arbeit leider nicht weiter bzw. über die bisherige Kürze hinaus eingegangen werden.
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Jedoch geht es dabei weder um »individuelle« Gefühle zudem weitgehend unabhängig von Akzeptanz/Ablehnung der oben skizzierten Komplexität als „psychische Auswirkungen von erlebten Wechselwirkungen“ (Gerhards 1989: 43 m. Bezug auf Simmels sekundäre Gefühle, vgl. auch Kemper 1978, 1981a, Scheff 1990 insbes. m. Flam 2002: Teil II) oder deren „soziale Konstruktion“ bzw. kulturelle (Über-)Formung (Gerhards 1989: 31 m. Bezug auf die Neufassung des Emotionalen per Deutungsschemata bei Weber oder Shott 1979, Averill 1980, Kemper 1981ab, Denzin 1984, Vester 1991 mit Flam 2002: Teil II, aber auch Harré 1986, Johnson-Laird/Oatley 2000 u.a.), noch um deren Beitrag zur „Aneignung“ (Gerhards 1989: 59 m. Bezug auf Heller 1981)131 sowie Produktion und Strukturierung (Gerhards 1989: 61ff m. Bezug auf Collins 1981) sozialer Wirklichkeit nicht zuletzt durch der Individuen „unterschiedliche gefühlsmäßige Besetzungen“ (Gerhards 1989: 33ff, 43ff m. Bezug auf Durkheim und Simmels primäre Gefühle) also insgesamt: subjektive Befindlichkeiten und deren Ausdruck bzw. Austausch (vgl. auch Gerhards 1989: 67, dort jedoch als Kritik an Collins 1981). Nein, nicht um ein Verkennen der Bedeutung von oder um eine Blindheit in Bezug auf Emotionen im Allgemeinen132 oder eine solche für soziale Phänomene geht es also verständlicherweise Staubmann (2004: 141f), denn seine Diagnose vom „blinden Fleck“ der Soziologie betrifft die Unfähigkeit, Emotionen als soziale Phänomene zu sehen bzw. affektive Komponenten als integrale Bestandteile allen sozialen Geschehens.
Grund dafür ist nicht zuletzt ein „Soziologischer Essentialismus: Die Bindung des Sozialen an eine »Substanz«“ (Staubmann 2004: 142) und hier nach Sinn als »soziale Materie« (in der alteuropäischen Tradition von Weber, Schütz usf.) in weiterer Folge sogar noch auf Normen bei Parsons (Staubmann 1995: 33f) den auch Luhmann in seiner Systemtheorie nicht überwindet. Ohne diese seine Wahl (Sinn als Medium des Sozialen) zu begründen133, verfällt er durch „Verknüpfung von Husserl und Parsons, von Sinnanalyse und Funktionalismus“ nach Staubmann (2004: 146) in „eine Art phänomenologischen Reduktionismus“, obwohl 131
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Im Extremfall wohl Emotionen als Adaptionsmechanismen bei Darwin (1872) (vgl. Gerhards 1989: 13f). Das heißt also grob gesprochen die sozialen (sozialstrukturellen) Ursachen und Effekte von Emotionen (vgl. bspw. auch Barbalet 1998). Explizit hat Luhmann (2001a: 141) den Sinnbegriff in seinen eigenen Worten „formal innerhalb einer Theorie sozialer Systeme eingeführt“, stellt dann jedoch mit einer für ihn wohl untypischen ontologischen Überzeugung fest: „Sinn ist die eigentliche »Substanz« dieser emergenten Ebene der Evolution.“
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gerade mit dem Einbau des an sich abstrakten »inhaltsleeren« Systembegriffes die Lösung nahe gelegen wäre, die Frage der Inhalte sozialer Prozesse und Strukturen als empirische zu stellen und nicht durch apriorische Festlegungen zu präjudizieren.
Diese »Chance« jedoch bleibt in der Systemtheorie Luhmann‘scher Prägung ungenutzt; und die Folgen sind bekannt: Alle Information (mit Bateson 1981: 582 a difference that makes a difference) ist stets »Sinn-hafte« Information, alle Kommunikation (als Letztelement bzw. basale Operation sozialer Systeme) geschieht im Medium »Sinn«, und auch „Kultur ist (…) eine Sinnfestlegung (Reduktion), die es ermöglicht, in themenbezogener Kommunikation passende und nichtpassende Beiträge oder auch korrekten oder inkorrekten Themengebrauch zu unterscheiden“. Diesem Verständnis nach ist Kultur also ein „Themenvorrat“, der, „wenn er eigens für Kommunikationszwecke aufbewahrt wird, Semantik“ genannt werden soll (Luhmann 2001a: 224) womit „Körperkulturen, affektive Kulturen, Kulturen des Wahrnehmens, des Geschmackes etc.“ jedoch „als solche aus dem Begriff der Kultur verbannt“ werden, wie Staubmann (2004: 147f) folgerichtig feststellt. Demgegenüber ist bereits für Simmel (erneut mit Staubmann 2004: 151) weder der Begriff der »Kultur«, noch jener des (sozialen) »Verstehens« an Sinn (oder Normativität) gebunden. Vielmehr bedarf »das Soziale« sogar gewissermaßen konstitutiv einer „Art von affektiver »Empathie«“. Das heißt wiederum, dass um zu Luhmann zurückzukehren erstens es nicht nur ausgehend vom Begriff des Sinns klar ist, dass Kommunikation immer ein selektives Geschehen ist, bzw. dass zweitens kommunikative Selektionen nicht nur »Sinn-Horizonte« (sondern ebenso auch »affektive Landschaften« mit »Gefühls-Horizonten«) konstituieren können (2001a: 194), sowie dass drittens die Erweiterung der Chancen für (an sich unwahrscheinliche) aussichtsreiche Kommunikation als zentraler Begriff soziokultureller Evolution in der Gesellschaft nicht nur in der Konsolidierung von »Sinn-Erwartungen« bzw. der Herausbildung »Sinn-hafter« Medien134 als „kommunikativere135 Formen der Kommunikation“ besteht (2001a: 219ff). Denn sollte man sich auch angesichts der Möglichkeiten alphabetisierter Schrift nach Luhmann „nicht mehr auf die mitreißende Kraft mündlicher Vortragsweise verlassen“ können und „stärker von der Sache her argumentieren“ 134
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Zur Überwindung der „Unwahrscheinlichkeiten“ (1) des Verstehens bzw. besser: Verstandenwerdens (vom Adressaten), (2) des Erreichens (des Adressaten) sowie (3) des Erfolgs (als Übernahme der kommunizierten Inhalte als Prämissen für die eigenen Selektionen des Adressaten) dienen nach Luhmann (2001a: 216ff) dann (1) „Medien“ (insbesondere Sprache!), (2) „Verbreitungsmedien“ (Schrift, Druck, …) und (3) „symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien“ (Macht, Geld, Liebe, …). Und damit: der mündlichen Form überlegene.
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müssen (2001a: 219) oder auch nicht mehr so sehr „Mangel an Information durch mitreißende Rede ausgleichen“ können (2001a: 223), sind das nicht notwendigerweise Argumente für den Vorrang »Sinn-hafter« und gegen die Bedeutung (oder gar: Existenz) affektiver Strukturen sozialer Systeme. Wenngleich das Fehlen spezialisierter Medien des Ausdrucks (vgl. Ekman), der Verbreitung (vgl. unten m. Bezug auf Foolen 1997) oder der generalisierten Kommunikation analog zu den evolutionären Errungenschaften im Medium Sinn (vgl. oben bspw. Fn. 134) als Hinweis auf die Bedeutung evolutionär früher Entwicklungsstufen gedeutet werden kann und selbst wiederum Spekulationen über die Bedeutung »Gefühl-voller« für voraussetzungsvolle Sinn-hafte Kommunikation Auftrieb gibt.
3.1.2 Affektive Kommunikation Auf der durch die Idee der »affektiv-kognitiven Eigenwelten« bei Ciompi (vgl. oben) angestoßenen Suche nach emergenten affektiven Strukturen als „Formen des Gedächtnisses in sozialen Systemen (…), die eher über das Präparieren von Emotionen laufen als über intellektuelle Kontrolle“ (Baecker 2004: 12), weist nun jedoch noch ein weiteres Mal Staubmann (2004) den Weg. Diesmal indem er Parsons (1951, 1964 {1952}) und vor allem dessen (von Luhmann nicht mehr wie so vieles andere übernommene) Unterscheidung zwischen einer „kognitiv-instrumentellen“ und einer hier auch hinsichtlich erwartbarer Zusammenhänge besonders interessierenden „affektiv-kathektischen“ Dimension in Erinnerung ruft.136 Die zweite dieser beiden (orthogonalen) Hauptachsen137 ermöglicht dann im Parsonianischen Konzept die Kommunikation von Gefühlen und nicht nur über Gefühle: Das Prozessieren affektiver »gratifikatorischer Differenzen« wird damit in gleicher Weise kommunikativ relevant verstehbar wie das Prozessieren sinnhafter Differenzen. (…) Interaktionen können dann einen primär instrumentellen Charakter aufweisen, was Parsons als Kooperation bezeichnet. Das expressive Analogon dazu ist Solidarität/Loyalität. (Staubmann 2004: 152)138
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Als dritte Dimension neben diesen beiden genannten primären steht (bzw. diesen beiden liegt zugrunde) bekanntlich die „evaluative“, die der Einbettung des Handlungskomplexes dient. Parsons (1951) spricht zu Beginn noch strukturfunktionalistisch vom „expressiven sozialen Komplex“, der dem „kognitiv-instrumentellen“ gegenübersteht (vgl. Staubmann 2004: 152f). Vgl. zum instrumentellen und expressiven Typus der Kooperation Staubmann (1995: 110ff).
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Der Informationsbegriff wäre also zuvor noch offen zu halten, wie Staubmann (2004: 147) unmittelbar plausibel und prima facie unspektakulär fordert. Schließlich soll damit in der Tradition von Batesons difference that makes a difference nach Luhmann „ein Ereignis bezeichnet werden, das Systemzustände auswählt“ (2001a: 102) bzw. das „Strukturgebrauch aktualisiert“ und in weiterer Folge einen „Struktureffekt“ hinterlässt. Selektiv kann jedoch auch das Aktualisieren eines Affektes besser: einer affektiven Differenz als (Kommunikations-)Offerte sein. Schließlich werden damit auf analoge Art und Weise andere, im Horizont des Möglichen verbleibende, Optionen ausgeschlossen: Eine Vertrauensbeziehung verzichtet auf Misstrauen, Wohlwollen setzt sich in meist angenehmer Weise von Missgunst ab, und wie auch »Sinn« stets auf weiteren »Sinn« verweist, das heißt unnegierbar ist (Luhmann 2001a: 105), so ist auch „das Dasein je schon immer gestimmt“ wie Ciompi (1997a: 69) an dieser Stelle sogar auf Worte von Heidegger (1986: 134) zurückgreift (wobei man worauf er auch hinweist „immer nur in einer affektiven Grundstimmung sein kann, so subtil gemischt (…) diese auch anmuten mag“). Das sollte für soziale Systeme bzw. die Kommunikationen aus denen sie letztendlich bestehen bedeutende Konsequenzen haben. Denn wenn es für »Sinn« gilt, dass er entweder als Bewusstsein oder als Kommunikation erscheint und überhaupt letztere konstitutiv „als Synthese von mehr als dem Inhalt auch nur eines Bewusstseins“ ersteres transzendiert (Luhmann 2001a: 141ff), so sollte entsprechendes genauso für in der »Interpenetration« von psychischen und sozialen Systemen (notwendigerweise vom Bewusstsein) aktualisierte »Gefühle« gelten139, da sie als ursprünglich auch, aber nicht nur bis an ihr »kommunikatives Ende« ausschließliche psychische Phänomene140 (als »Fühlen« schlicht umgangssprachlich unterschieden von dem, was man landläufig als »Denken« bezeichnet) mit Simon (2004: 118f) ähnlich wie bereits mit Staubmann (1995, 2004) weiter oben, „eine andere Art der Irritation für soziale Systeme zur Verfügung stellen können als logisch-diskursive Gedanken bzw. ihre Kommunikation.“ Sie sind dann ebenfalls nicht vermeidbar bzw. hintergehbar, außerdem (»af-
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Auch, wenn die soziologische Systemtheorie mit Gefühlen als „Binnenphänomene des Psychischen“ nicht viel anfangen kann (bzw. vielleicht: zu können glaubt) wird sie nach Fuchs (2004: 92) dennoch nicht um eine Beschäftigung mit ihnen herum kommen. Schließlich ist davon auszugehen, dass psychische und soziale Systeme strukturell gekoppelt sind bzw. sich ko-evolutiv (in „konditionierter Koproduktion“) entwickeln. Notwendig ist ein „Rekurrieren auf Begriffe, die das Psychische und Soziale übergreifen“, das sich jedoch mit Staubmann (2004) gerade nicht von vornherein kategorisch auf »Sinn-haftigkeit« festlegen soll (vgl. Luhmann 2001a: 141, passim). Vgl. Fn. 123.
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fektiv«) interpretierbar und potentiell anschlussfähig.141,142 Wie auch »Gedanken« eines psychischen Systems (bzw. eines »Menschen«) nicht von außen beobachtbar oder unmittelbar von einem anderen erschließbar sind, müssen auch »Gefühle« erst kommunikativ in das soziale System »eingespeist« werden: „Wer sagt, was er denkt, entblößt sich genauso, wie der, der zeigt, was er fühlt“, wie Simon (2004: 121) richtigerweise feststellt. Jedoch nicht als »Inhalt« der (auch: »Sinn-haften«) Kommunikationen, sondern gewissermaßen als deren »Modus« auch wenn diese beiden im Fall von »Gefühlen« bei weitem weniger klar zu trennen sind als es für »Gedanken« angenommen werden kann: „Mitteilung und Mitgeteiltes verschmelzen“ (2004: 123).143,144 Möglicherweise auch: die Mitteilenden, das heißt als Menschen im Vollsinne (Luhmann 2001a: 558) bzw. als voll konkretisierte Existenzen (2001a: 153). Eine solchermaßen (wieder) geöffnete Vorstellung von jenen »Inhalten«, die sich in den »Formen« des Sozialen zeigen können, lässt ihren systemtheoretischen Blick gleichermaßen zurück auf einen ihrer prominentesten Vertreter fallen, um durch die eine oder andere Beobachtung aus dem Augenwinkel die eine oder andere Falte auszubügeln bzw. einen mit Staubmann diagnostizierten zentralen blinden Fleck der Theorie selbstreferentieller, insbesondere sozialer Systeme zu erhellen. Wie oben skizziert, hat bereits Parsons (1963, 1980) in seiner Konzeption neben Intelligenz und Einfluß auch Affekt als Interaktions- bzw. Tauschmedium ausgearbeitet, letzteres darüber hinaus im Sozialsystem angesiedelt (affect is not in the first instance primarily a psychological medium but rather one whose functional significance is social and cultural (1974: 215)), und ihm als Aufgabe die Mediation von Solidaritätsbeziehungen zugedacht (it is a medium particularly functioning in the area of mediating relations of solidarity (1974: 215)). Hier wird die Nähe zum im Rahmen dieser Arbeit konzeptualisierten Sozialkapitalbegriff (vgl. unten) bereits besonders deutlich, zudem Affekt 141
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Jeder „angeschlossene Durchgang“ vertieft dann die einmal gebahnten Wege und spart so emotionale Energie, abweichende Wege provozieren Konformitätsdruck (Ciompi 2004: 40). Das legen auch die Interaktionsanalysen von Bales (1953) nahe: „If the preceding reaction was far over on the affective side, however, there are appreciable tendencies for the member to continue in the affective area. If one’s former act was a display of antagonism, the present act is likely to be another, unless it passes over in tension release (…) Similarly, when the last act was one of tension release, the next act is likely to be another another act of tension release (…)” (Bales 1953: 122). Außerdem: oft nicht willkürlich steuerbar und/oder (auch rückblickend) nicht bewusst wahrgenommen (vgl. auch Fuchs 2004: 121). Ob es jedoch insofern einen wesentlichen Unterschied gibt, dass man nach Fuchs (2004) Emotionen nur verstehen kann, wenn man sie kennt, ist nicht so klar. Wie emotionales Ausdrucksverhalten nur (ohne Möglichkeit der Verifikation) »gedeutet« werden kann, ist es auch nicht möglich, festzustellen, ob jemand das Gesagte tatsächlich »so meint« (vgl. Fn. 113).
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von Parsons erstens nicht kurzschlüssig mit Solidarität gleichgesetzt, sondern in der systemtheoretischen Konstruktion explizit als »Medium« vom »Mediierten« getrennt wird: It should, however, be kept clearly in mind that affect in my present sense is a medium of interchange and not the primary bond of solidarity itself. (Parsons 1974: 217)
Schließlich ist für Parsons (1980: 245) Solidarität „eine primäre Eigenschaft von sozialen Kollektiven“, wohingegen mit Affekt „das generalisierte Medium, das sich insbesondere auf die Mobilisierung und Kontrolle der Faktoren der Solidarität im Sinne Durkheims bezieht“, gemeint ist. Als solches hat es nur Tausch- und nicht Gebrauchswert in den Worten von Bershady (2005) has value only in exchange, not in use und kann in diesem Zusammenhang eine fundamentale stabilisierende Wirkung ausüben: Affekt sehen wir als das Medium, durch das die Stabilität, die für die moralische Ordnung eines Sozialsystems wesentlich ist, der Variationsbreite der konkreteren sozialen Umwelt, in der das Individuum handelt, angepaßt wird. (…) Tatsächlich sind die affektiven Bindungen von Individuen an Kollektive, die für die Struktur von Sozialsystemen konstitutiv sind, und zu anderen Individuen, die ihren Mitgliedschaftsstatus teilen, der Mittelpunkt der Mechanismen, durch die allgemeine Handlungsfaktoren den Status der Institutionalisierung bei der Definition der Struktur sozialer Einheiten erreichen können. (Parsons 1980: 246)
In ähnlicher Weise ist dann wohl auch Luhmann (1982) zu verstehen, wenn er feststellt, dass Medienterminologien zwar Eigenschaften von und Orientierungen auf Sachverhalte bezeichnen sollen, wenngleich die Medien trotz alledem nicht selbst diese Sachverhalte »sind«. Daran hindert auch (noch) nicht die Tatsache, dass die Medien von Luhmann (abgesehen von terminologischen Ähnlichkeiten) grundlegend neu konzipiert und in Zusammenhang mit seiner Kommunikationstheorie entwickelt werden (Künzler 1987): Entscheidend für Luhmanns Medienkonzept aber ist, daß die Medien nicht mehr [wie bei Parsons] funktional mit den Konsequenzen der Systemdifferenzierung verknüpft sind, sondern ihren Bezugspunkt im Problem der doppelten Kontingenz haben, das aller Kommunikation immanent ist, daß es sich also nicht mehr um Interaktions- bzw. Austauschmedien sondern um Kommunikationsmedien handelt. (1987: 321)
Ein Verständnis dieser Kommunikationsmedien als Techniken der Selektionsübertragung (Künzler 1987: 322) bzw. als zentrale Bedingung der Selektionsübertragung muss jedoch geradezu die Vermutung nahe legen, dass »Gefühl-
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volle« (affektive) Differenzen ebenso gut wie »Sinn-hafte« (kognitive i.w.S.145) möglich sind und das nicht nur als Bewusstsein in psychischen, sondern auch als Kommunikation in sozialen Systemen (Luhmann 2001a).
»Sinn«, Bedeutung kognitiv-normativer Gehalt
»Affekt«, Gefühl affektiv-emotiver Gehalt
MEDIEN bilden aus bzw. zeigen sich anhand von
sich rekursiv vernetzende psychische Prozesse (»Bewußtsein«)
sich rekursiv vernetzende soziale Operationen (»Kommunikationen«)
psychische Systeme
soziale Systeme
OPERATIONEN, FORMEN vernetzen sich anschlussfähig zu EMERGENZEN
strukturell gekoppelt über »Sprache« (vgl. auch Abb. 17)
Abb. 4: »Sinn« und »Affekt« als Medien autopoietischer Systeme
Daneben folgen (scheinbar beliebige) »Sinn-hafte« Anschlusskommunikationen gerne emotional ähnlich eingefärbten affektiv-kognitiven »Schienen« oder »Leitplanken«: „Auf eine ärgerliche Kommunikation folgt viel wahrscheinlicher eine ebenfalls ärgerliche als eine gegenteilige Reaktion“, wie Ciompi (2004: 38f) zu bedenken gibt, denn „Sinn macht primär, was nicht nur kognitiv, sondern auch emotional zusammenpasst.“ Wie derselbe (Ciompi 1997a: 249) auch generell und dort außerdem bereits kollektive Phänomene im Blick in die Kommunikation als »Form« des Sozialen kognitive wie affektive »Inhalte« legt: Kommunikation ist definitionsgemäß ein soziales Phänomen, und stark affektgesteuerte Komponenten (…) spielen in der verbalen wie nonverbalen Kommunikation eine mindestens gleich große Rolle wie die rein kognitiven Inhalte.
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Im weiteren Sinn dann auch normativ stilisierte Sinn-hafte.
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Nicht nur macht der Bezug auf Emotionen nämlich überhaupt viele kommunikative Zusammenhänge als solche erst wahrscheinlich (Simon 2004: 122), sondern die Bedeutung der Kommunikation von Emotionen (communication of emotions) kann auch sonst lebensweltlich kaum überschätzt werden, wenn man bedenkt, dass dabei in der Regel Information entlang dreier Dimensionen übermittelt werden können: Nach Hess/Kirouac (2000: 368) not only about the feeling state of the senders, but also about their perception of the world, as well as their relationship with current interaction partners. Daneben eignet dem emotionalen Ausdruck der, trotz aller biologischen Anlagen (vgl. von Darwin 1872 bis bspw. Ekman et al. 1972, Ekman/Davidson 1994, Keltner/Ekman 2000) kulturell überformt und soziogen, bzw. durch die Diskursstruktur einer Gesellschaft geprägt (Reddy 1997), polyvalent messages transportieren kann genauso auch eine appeal function (Hess/Kirouac 2000: 370f). Diese Mehrdimensionalität emotionaler Kommunikation (emotion displays ... provide several types of information (2000: 371)) ist damit zusätzlich zur systemrelativen Verarbeitung, wie sie auch bei der Reaktion auf »Sinn-hafte« Differenzen erfolgt, zu berücksichtigen.146 Mit Bezug auf die Notwendigkeit (zunächst nur: Möglichkeit) verstärkter sachlicher und das heißt wohl angesichts der geringen Tiefenschärfe von Emotionen147 nicht zuletzt auch: »Sinn-hafter« Argumentation durch die Entwicklung von Schrift als Medium (Luhmann 2001a) legen die eben angestellten Überlegungen jedoch die Annahme nahe, dass ein Auseinanderziehen der Dimensionen148 von »Sinn« (vgl. Luhmann 2001a: 127ff) naturgemäß in anderer Weise möglich ist, als es im Fall von »Affekten« erwartet werden kann: Während Schrift eine Ablösung der Sachdimension von Sinn weitgehend ermöglicht („Kommunikation kann auch Nichtanwesende erreichen“ (2001a: 127), ist für kommunizierte Gefühle neben ihrem Faktizitätscharakter im Jetzt (Gerhards 1988) insbesondere ihr spezielles Angewiesen-sein auf Sensoren, die sie als 146
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Vgl. auch die von Damasio (2005: 277) unter der Überschrift „Wissen, aber nicht empfinden“ beschriebenen Experimente zu unbewusst abgerufenen Informationen durch emotionale Reize. Vgl. zum Fehlen spezialisierter Medien des Ausdrucks, der Verbreitung, oder gar der generalisierten Kommunikation schon S. 78, bzw. zu dem, was in sozialen Zusammenhängen auf der Ebene von Gruppe so alles „herumsteht“, Neidhardt und Tyrell: Hohe Anteile nonverbaler Kommunikation (wie sie gerade für emotionale Kommunikation als typisch gilt) müssen mit der diesbezüglichen Begrenztheit des analogen gegenüber dem digitalen Modus hinsichtlich inhaltlicher Präzision, logischer Syntax Abstraktionsfähigkeit und Negationsmöglichkeit fertig werden (vgl. Watzlawick et al. 2003 {1969} bzw. m. Bezug darauf Neidhart 1999). Gemeint sind die sachliche, die soziale und die zeitliche Dimension, die zwar getrennt analysiert werden können, tatsächlich in ihrer Aktualisierung unter „Kombinationszwang“ stehen (Luhmann 2001a: 127).
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Umwelt vermitteln (vgl. Luhmann 2001a: 558) kennzeichnend. Sie können trotz aller expressiver Sprachmittel (vgl. unten zu Foolen 1997) daher nicht so einfach vom „unmittelbaren Druck der Interaktion entlastet“ werden wie schriftliche Sinnaktualisierung (2001a: 128). Bereits in Zusammenhang mit »Communities« (als soziale Systeme auf der Ebene der »Gruppe«) hat sich die Notwendigkeit dieser »Unmittelbarkeit« als zentral herausgestellt bzw. der Verdacht erhärtet, dass »Gefühle« als Steuerungsmedien wichtige Funktionen in diesen Sozialsystemen wahrnehmen (vgl. oben mit Neidhardt 1999, Tyrell 1983a und unten mit Pagès 1974). Als zentral muss in diesem Zusammenhang außerdem vor allem die von Parsons betonte wechselseitige Nichtreduzierbarkeit ausdrücklich unterstrichen werden mit der „Konsequenz, dass Emotionen als soziale Phänomene eben nicht »zurückführbar« sind auf normative oder sinnhafte Regulierung oder auf ökonomisch-materielle Anforderungen“ (Staubmann 2004: 155). Dabei handelt es sich nun auch um eine Überlegung von der ausgehend sich ein weitreichender Bogen oder aber vielleicht eine Abkürzung hin zu (analog anmutenden) Ideen der Selbstreferentialität, der Autopoiese und typischen operationalen Geschlossenheit, aber auch der damit einhergehenden Unmöglichkeit gegenseitigen strukturellen Eingriffs (bei weiter bestehenden Möglichkeiten gegenseitiger Irritation, Beeinflussung, ko-evolutiver Entwicklung usw.) in der Systemtheorie Luhmann‘scher Tradition aufspannen lässt. Außerdem suggerieren auch die Ausführungen zur emotionalen Ansteckung (Ciompi 1997a: 262ff, passim) eine Art strukturelle Kopplung. So kann dann auch Staubmann (2004: 156) in ähnlicher Weise mit Ciompi (1982: 81) schließen, wie oben in diesem Kapitel mit ihm begonnen worden ist, indem er daran erinnert, was jener zum Verhältnis von Denken und Fühlen schreibt dieses muss nämlich „»in der Tat als etwas untrennbar Verbundenes, aber in bestimmter Hinsicht Wesensverschiedenes betrachtet werden«“. Interessanter als Vorstellungen von einer wechselseitigen Ansteckung der Individuen in einem Kollektiv scheint im vorliegenden Kontext jedoch die Frage nach emergenten das heißt nicht nur quantitativ, sondern in erster Linie qualitativ neuen Ergebnissen dieser rekursiven Vernetzung emotionaler Energien bzw. affektiver Kommunikationen (Ciompi 1997a: 266f, Kap. 7). Dabei kann zunächst auf den Hinweis von Durkheim 2005 (bzw. Durkheim/Mauss 1963 und Gerhards 1988) Bezug genommen werden, dass Kollektivgefühle bspw. gegenüber dem eigenen im Gegensatz zu einem fremden Land, oder noch basaler in Form des Unterschieds zwischen Profanem und Sakralem (vgl. Eliade 2005) ein grundlegenderes Differenzierungskriterium sozialer Zusammenhänge darstellen als es Differenzen der kognitiven (besser: »Sinn-haften«) Dimension sind: „Das über den einzelnen Hinausgehende und sich von anderen Kollektiven
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Abgrenzende wird affektiv besetzt“ (Gerhards 1988: 37 m. Bezug auf Durkheim 2005: 61-68). Gefühle der Nähe und der Sympathie bilden aber auch für Simmel „das Band für Solidargemeinschaften, stabilisieren die Gruppe nach innen und grenzen sie nach außen ab, indem sie die Welt außerhalb gerade nicht gefühlsmäßig integrieren“ (Gerhards 1988: 346).149 Im Gegensatz zur Darstellung von Fuhse (vgl. oben) erscheint die Grenzdefinition damit ganz und gar nicht als rein »Sinn-hafte« und bloß normativ aufgeladene, sondern wie an jener Stelle ebenfalls bereits als Vermutung geäußert als in ihrem Charakter ebensosehr affektiv und emotional aufgeladen. Und damit ist letztendlich auch die Frage nach der Möglichkeit und/oder Notwendigkeit emotionaler Stabilisierung zusätzlich (vielleicht sogar: über eine gewisse Strecke funktional äquivalente) zur »Sinn-haften« zu stellen. Diese affektive Grenzstabilisierung geht womöglich der automatisch mitlaufenden Selbstbeobachtung bzw. Reflexion und Selbstbeschreibung mittels semantischer Artefakte (Luhmann bspw. 2001a: 373, 601f, 617f) voraus. Zumindest, wenn davon auszugehen ist, dass ein System auf dieser Ebene der Reflexion seine eigene Identität „im Unterschied zu allem anderen“ bestimmt und diese Bestimmung eines (»des«) Unterschieds nicht nur in reiner und abstrakter Form auf die Lokalisierung eines (»Sinn-haften«) Komplexitätsgefälles abzielt, sondern auch (nach bspw. Durkheim oder auch Neidhart bzw. Tyrell150: sogar zuallererst) affektive Grenzziehungen mittels eines „Wir-Gefühls“ markiert.151 Die von Luhmann (2000b, 2001b) nur dem in hohem Maß emotionalen, und zudem in sozialen Systemen auf der Ebene der Gruppe (wie bspw. Communities) besonders erwartbaren Phänomen des »Vertrauens«152 zugetraute Funktion der „Reduktion sozialer Komplexität“ stellt sich nun hier wie auch bei Ciompi (2004: 42) zunehmend als „eine der wichtigsten allgemeinen Funktionen von Gefühlen überhaupt“ heraus!153
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Vgl. auch hierzu die Bedeutung, die bereits A. Smith (2004 {1759}) der Sympathie beimisst. Im Fall Neidhart und Tyrell stehen (wie oben skizziert) in diesem Zusammenhang darüber hinaus soziale Systeme auf der Ebene der »Gruppe« im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein zentraler Aspekt kollektiven Handelns (negative feelings directed outwards) auch bei Flam (1990ab). Bzw. des »Misstrauens« als diametral entgegen gesetztes, funktionales Äquivalent! Vgl. zur Bedeutung affektiver Grundlagen in Interaktionen für die Bildung von Vertrauen Jones/George (1998).
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3.1.3 Flexibilisierung und Inflexibilisierung (normative, kognitive, affektive Strukturierung) Die Identität eines Systems kann jedoch auch in der Sinndimension nicht nur als Korrelat zu dessen Reflexion bzw. Selbstbeschreibung (Luhmann 2001a: 373) gelten. Wesentlich zur Innenstabilisierung trägt auch bei, dass Komplexität und Kontingenz der Umwelt neben der Ausbildung einer selektiven Struktur (wie bereits weiter oben eine Annäherung an das »Wissen« sozialer Systeme über ihre Strukturen versucht worden ist)154 vor allem auch dazu führen, dass sich in weiterer Folge (…) Formen der Erlebnisverarbeitung und Selbstmotivation entwickeln, die eine gewisse Unabhängigkeit (…) erreichen, also der Außenwelt gegenüber innenbedingte Festigkeit behaupten. Techniken der Selbstvergewisserung, der Abstraktion wiederholt brauchbarer Regeln und der Selektion dazu passenden Erlebens treten dann zum Teil an die Stelle unmittelbarer Bewährung und geben eine gewisse Freiheit selektiven Verhaltens gegenüber der Umwelt. (Luhmann 1969: 31)
Auf Ansprüche zugespitzte Erwartungen (vgl. oben m. Luhmann) „dienen dazu, die Individualität zu markieren, die sich als Korrelat von Erwartungen ergibt, die man so leicht nicht aufzugeben bereit ist“, wie auch Baecker (2004: 16, m. Bezug auf Stenner 2004, Hv. PR) für das Individuum feststellt: Nur wer nicht lernt, müsste man dann mit Blick auf die Unterscheidung normativer von kognitiver Erwartungen (…) formulieren, hat eine Chance, Individuum zu werden, bezahlt dafür jedoch mit Gefühlen, die sich dort bilden, wo diese Ansprüche erfüllt oder enttäuscht werden.
Dem Druck aus der Außenwelt werden also die eigenen Erwartungen entgegengesetzt155, womit das System nach Luhmann (1969: 31) (…) anfallenden Enttäuschungen gegenüber die doppelte Möglichkeit hat, seine Erwartungen zu ändern oder nicht zu ändern, zu lernen oder nicht zu lernen.
Erwartungsstrukturen von dieser eben genannten Art die also auch im Fall ihrer Enttäuschung nicht aufgegeben, sondern kontrafaktisch beibehalten werden 154
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Wenn mit Luhmann davon ausgegangen wird, „daß soziale Strukturen nichts anderes sind als Erwartungsstrukturen (…)“ (2001a: 397) in die „eine Vorwegdisposition für den Enttäuschungsfall eingebaut“ wird (2001a: 436). Auch Luhmann (1969: 35) hinterfragt hier die von ihm festgestellte Kritik (aus Sicht der Psychologie) an dieser Strategie des »Beharrens« als generell pathologisch: Sie könnte „gerade vom Standpunkt der Stabilisierung psychischer Systeme“ vielmehr ein Vorurteil sein.
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sind demgemäß „lernunwillig“ bzw. „normativ“ (d.h. „als Normen“) stilisiert. Diese „lebensnotwendige Reduktionsleistung“ (Luhmann 1969: 40) findet sich wenig überraschend in erster Linie dort, wo die Strukturlast zu tragen ist156, wo konformes Verhalten bestärkt werden soll bzw. wo es um Definitionen der Situation (und auch: der Identität?157) geht.158 Vor allem in dauerhafteren Systemen wird erkennbar, wie sich die entsprechenden Erwartungen durch Alternativenlosigkeit stabilisieren, das heißt wie ein Infragestellen der (oft impliziten) Situationsdefinition unmittelbar auch das Fortsetzen der Teilnahme fraglich macht (Luhmann 1969: 40ff) bzw. letztendlich das System selbst in Zweifel zieht. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang als Begründung jedoch wohl weniger, dass nach Luhmann (1975: 56) für die Institutionalisierung von Normen generell bessere Konsensaussichten bestehen (aufgrund der besseren Generalisierbarkeit des „Wünschbaren und Normativen“), als dass andernfalls ein Konsens „gleichsam pauschal für eine noch unbestimmte Änderung erteilt werden [müsste]“ und seine Aussichten auf Erfolg damit um ein Vielfaches schlechter wären. Wie wären ein solch gleichförmiges Abweichen und anschließend ebensolches erneutes Festmachen auch möglich? (Vgl. dazu aber gleich weiter unten) Dem stehen offensichtlich Anforderungen aus turbulenten Umwelten gegenüber bzw. bereits erkennbare und vielfach beschriebene Reaktionen des umfassenden Sozialsystems der Weltgesellschaft selbst in einem Übergang zu einer alternativen nach Luhmann (1975: 55ff) diametral entgegengesetzten, aber dennoch funktional äquivalenten Möglichkeit des Umgangs mit nicht erfüllten, an die Umwelt gerichteten Erwartungen: kognitive, das heißt lernwillige Stilisierung der Erwartungsstrukturen und damit die Bereitschaft des Systems, diese im Enttäuschungsfall zu ändern (vgl. oben159). Auf diese gestiegene (und weiter steigende) Umweltkomplexität sollen nun in der Gesellschaft ausdifferenzierte soziale Systeme (bzw. wollen deren Entscheidungsträger) ihrerseits mit ebenfalls gesteigerter (Binnen-)Komplexität reagieren. Und Lernen ist in der
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Daher vermutlich insbesondere im Falle ihrer Verdichtung zu „Ansprüchen“ (Luhmann 2001a: 363f). „Eine besondere Rolle kommt der Gruppenidentität aber in Krisenzeiten zu: Wenn Erwartungen an Verhalten enttäuscht werden (…)“, meint in ähnlichem Zusammenhang Fuhse (2001: 9, Hv. PR). Luhmann fordert nicht zuletzt (wie er selbst meint: anders als die meisten Untersuchungen) eine (funktionale) Erklärung von Normen bzw. ihrer Entstehung und Existenz selbst (2001a: 439). Für ihn werden sie „entwickelt in dem Maße, als kontrafaktisch behauptenswerte Generalisierungen benötigt werden“ (2001a: 444). Bzw. die Formulierung von »Hypothesen« in der Wissenschaft als prototypisches Beispiel für das Prinzip kognitiver Stilisierung (vgl. auch dafür oben bzw. Luhmann 2001a: 440f).
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Regel ein probates Mittel um Komplexität zu erhöhen (Luhmann 2001a: 448)160: Während normatives Erwarten sein Objekt zu ändern versucht, macht sich kognitives Erwarten daran, sich selbst zu ändern (Luhmann 1975: 55). Bedingung für Lernen (bzw. neues »Wissen«) ist dabei (bestehendes, altes) »Wissen« in einer komplexen „Kombination von festzuhaltendem und zu änderndem Wissen, und nur in einer solchen Kombination werden generalisierte kognitive Erwartungen als Wissen behandelt.“ Anders als die normative muss die kognitive Erwartungsstruktur (»Wissen«) also „gefasst sein auf ihre eigene Änderbarkeit. Sie kann ihre Erwartungssicherheiten, ihren Strukturwert, dann nicht mehr in ihrer Rigidität und Invarianz finden (…)“ (Luhmann 2001a: 447f). Lernbereitschaft ist also gegenüber der Stabilisierung durch kontrafaktisches Beharren riskant; nicht jedes System kann sie sich leisten. Möglicherweise ist jedoch nicht nur „eine kritische Masse an Kognitionen, auf die man zurückgreifen kann“ (vor allem um die Bedingungen, unter denen eine Änderung der Erwartungsstrukturen angebracht ist, festzulegen bzw. diese im Eintrittsfall ausreichend rasch (kognitiv) zu erkennen und zu evaluieren), wie Luhmann (2001a: 449) meint, allein ausschlaggebend für die Chancen auf erfolgreiche Lernvorgänge eines Systems. Ein grundlegendes Erfordernis des Lernprozesses ist schließlich nicht zuletzt, dass (diese riskanten) Veränderungen aufgefangen werden also eigentlich ein schlichtes Sicherheitserfordernis, das mit dem Einlassen auf Neues einhergeht, meint Luhmann (1975: 58): Lernen kann man nur (…), wenn Enttäuschungssituationen hinreichend strukturiert sind, so daß man rasch und sicher neue Erwartungen bilden kann.
Und auch, wenn man nicht »wissen«, also „im Voraus nicht ausmachen kann, wie die Erwartungen geändert werden“ (Luhmann 1975: 56), indem man sich rein auf die »Sinn-hafte« Dimension der Kommunikationsstrukturen verlässt, so kann man doch möglicherweise die Trefferquote erhöhen (manche Änderungsrichtungen »wahrscheinlicher machen«) oder zumindest das Risiko minimieren. Nicht notwendigerweise gleich moralische Selbstaufwertung (Luhmann) ist dafür vielleicht vonnöten. Es könnten dafür auch bescheidenere Eigenschaften von Systemen (bzw. vor allem von manchen Systemtypen) in Form »affektiver« Kommunikationsstrukturen nützlich sein. 160
Mit Schütz/Luckmann (2003: 35ff) würde man vermutlich sagen, dass das Problematische sich vom fraglos Gegebenen absetzt, bzw. die selbstverständliche Abfolge der Erfahrungen unterbrochen wird, indem die Einordnung einer neuen Erfahrung auf Widerspruch stößt: „Die lebensweltliche Wirklichkeit fordert mich sozusagen zur Neuauslegung meiner Erfahrung auf und unterbricht den Ablauf der Selbstverständlichkeiten“ (2003: 38f): Es kommt zu einer „Weiterauslegung des Horizonts“ (2003: 41).
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Dennoch: „Lernen oder Nichtlernen das ist der Unterschied“ (Luhmann 1975: 55) und auch die zentrale Frage. Denn nicht nur, dass »normatives« und »kognitives« Erwarten oft und insbesondere für kaum bzw. wenig differenzierte Sozialsysteme wie Interaktionen oder eben jene auf Ebene der Gruppe gilt das dicht beieinander liegen:161 „Es kommt hinzu“, so gesteht Luhmann außerdem noch ein, „daß eine Festlegung auf Modalformen des Erwartens oft erst im Enttäuschungsfall nötig wird“ (2001a: 438). Zugunsten welcher Stilisierungsform dieses Festlegungsproblem gelöst wird, scheint für den Großteil der in der Literatur über »Communities (of Practice)« vertretenen Positionen ebenso klar wie die grundsätzliche Bedeutung des emotionalen Umfeldes. Die Art und Weise, wie sich »kognitive« gegenüber »normativen« Erwartungsstrukturen durchsetzen (können) oder vice versa und welche Rolle insbesondere die Einbettung »Sinn-hafter« in affektive, »Gefühlvolle« Kommunikationsstrukturen spielt näher zu beleuchten, ist Ziel dieser Arbeit. Denn vielleicht zeigt sich, dass diese Sozialsysteme unter anderem „die so wichtige Entscheidung zwischen Lernen und Nichtlernen nicht allein den Interaktionsmechanismus [!] psychischer Systeme überlassen“ (Luhmann 1969: 35) müssen, weil sie »natürliche« und basale kollektive affektive Emergenzen nutzen. Dabei soll die Bezeichnung »Wissen« trotz der oben skizzierten erwartbaren wechselseitigen Bezogenheit und der der festgestellten Komplementarität bzw. schwierigen Trennung für die »Sinn-hafte« (Erwartungs-)Struktur sozialer Systeme sofern sie »kognitiv stilisiert« ist, das heißt änderungsbereit gehalten wird, obwohl eine solche »Änderung« (i.w.S.) zumindest vorläufig noch nicht nötig ist (Luhmann 2001a: 450) weitergeführt werden.162 Die Überlegungen zu den »affektiven« Sozialstrukturen, mit denen deren Bedeutung erst ansatzweise zu zeigen versucht worden ist, hingegen verweisen in Richtung eines unter anderem Namen diskutierten (sozialwissenschaftlichen) Konzepts, in dem jedoch ebenfalls Konstrukte wie Solidarität, Vertrauen bzw. (kollektive) »positive Gefühle« vor allem hinsichtlich ihrer »sozialen Dimensionen« hohen Stellenwert besitzen.
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Bzw. vielfach die Gefahr droht, dass weder eindeutig »kognitiv« noch »normativ« erwartet wird und „diffuses, unentschieden normativ-kognitives Erwarten“ (Luhmann 1975a: 56) übrig bleibt. Auch Langfield-Smith (1992: 352, Hv. PR) führt bspw. (in einem weiter unten nochmals zu zitierenden Artikel) aus, dass „Cultures at the organizational and sub-organizational level possess a stock of knowledge, or in the terminology of this article, a set of collective cognitive structures.”
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Fühlen Emotionen und Sozialkapital
Vor systemtheoretischem Hintergrund muss aus dem Blickwinkel der vorliegenden Arbeit (nicht zuletzt auch im Anschluss an das eben Dargestellte) zunächst die in vielfacher Hinsicht merkwürdig soziotechnisch-einseitig erscheinende, vorrangig an quantitativen Strukturmerkmalen orientierte (bspw. Schechler 2002) und oft in netzwerkanalytischen Termini formulierte oder zumindest implizit mit der Berechnung soziometrischer (Kohäsions-)Maße gleichgesetzte Betrachtungsweise sozialer Zusammenhänge um qualitative, insbesondere auch affektiv-emotionale Aspekte erweitert werden. Mit diesem neuen Blick auf soziales Kapital wird gleichzeitig ein Ausgleich zur erkennbaren und bereits kritisierten Kognitionslast systemtheoretischer Perspektiven begonnen und in weiterer Folge ein Schritt in Richtung einer Versöhnung »Sinn-hafter« und »affektiver« Kommunikationen (und vor allem aus diesen Kommunikationsstrukturen emergierender sozialer Systeme) versucht.
3.2.1 Soziale Strukturen und »soziales Kapital« Ausgehend von Vermutungen über Nützlichkeit und Nutzbarkeit sozialer Verflechtungszusammenhänge für einzelne, in sie eingebundene Akteure haben individualistische, insbesondere netzwerktheoretische und an Theorien des Rational Choice orientierte Arbeiten (bspw. Baker 1990, Burt 1992, 1997ab, 1999, 2000, 2002, Lin 1999, 2001, 2002ab, Lin/Bian 1991, Lin et al. 2002, aber auch Portes 1998 oder Meyerson 2001) eine »egozentrische« Sichtweise entwickelt, die soziale Netzwerkstrukturen bzw. die konkrete Position innerhalb solcher Strukturen als individuelle, instrumentell einsetzbare Ressource begreift (vgl. Adler/Kwon 2002). Besonders deutlich wird dies bei Burt (1992), der soziale Netzwerke an sich bereits als eine Form des sozialen Kapitals (qualitativ vergleichbar dem Humankapital) versteht. Wie dies zu interpretieren ist, macht auch Meyerson (2001: 289 m. Lit.v.) deutlich, indem sie feststellt, dass a network is a set of direct and indirect social relationships centered around a given person, object or event und dass diese Beziehungen (links) are instrumental in the sense that they serve in the attainment of certain goals and communicate aspirations
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and expectations.163 Sogar Coleman (1995: 392, Hv. PR) betont ebenfalls mit dem seine Arbeiten kennzeichnenden, von der Idee des rationalen Wahlhandelns geprägten Blick nicht nur durchwegs den Aspekt eines kollektiven Gutes, das den Beziehungsstrukturen zwischen Individuen innewohnt, sondern behandelt „diese sozialstrukturellen Ressourcen als Kapitalvermögen für das Individuum“, das aus der Sozialstruktur entsteht und komplementär zu den Knoten den Beziehungen im Netzwerk innewohnt.164 Dieser, nicht zuletzt an Simmels formale Soziologie erinnernde, Zugang vernachlässigt dabei jedoch den Inhalt der Verbindungen bzw. Strukturen möglicherweise zu sehr, wie auch bspw. Burt (1992, 2000) dem Inhalt von Netzwerkbeziehungen (z.B. Vertrauen/swürdigkeit) nur den Status einer Kontingenzvariable zugesteht was zumindest auf eine eigene (von den Formalstrukturen unabhängige) zu berücksichtigende Qualität (Adler/Kwon 2002 m. Lit.v.), deren Wirkungen getrennt untersucht werden können, hindeutet. In der zentralen Aussage: Ties of one kind can be used for different purposes, bzw. vielleicht wäre vorsichtiger und dabei zugleich treffender zu formulieren: ties of one kind can influence in different ways, sollte in jedem Fall eine Betonung auf can liegen. Denn nicht nur bezieht sich Coleman (1988/2000) in diesem Zusammenhang mit seiner appropriable organization auf Gluckman (1967) und dessen Unterscheidung zwischen multiplex und simplex ties in traditionalen und modernen Gesellschaften, es könnte sich auch Parsons’ (1951) Formulierung der Entwicklung von diffusen zu spezifischen sozialen Beziehungen165 als relevant und nützlich erweisen.166 Eine über die Betrachtung der strukturellen Einbettung von Individuen in Netzwerke hinausgehende Beschreibung nähert sich dem Konzept des sozialen 163
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Von (insbesondere work-based) Netzwerken, die instrumental purposes dienen (somewhat undercutting their value for community and social purposes), distanziert sich jedoch bereits Putnam (2000: 91) explizit. Vgl. bspw. bei Coleman (1988) die Darstellung des Humankapitals eines Individuums einerseits und das diesem verfügbare Sozialkapital (ebenfalls individuelle Ressource andererseits) als komplementär (»Knoten« bzw. »Relationen« im Beziehungsnetzwerk), bzw. bei Runia (2002: 7) „das, was als »Vitamin B« bezeichnet wird: Soziale Beziehungen, die für eigene Ziele oder für den eigenen Vorteil nutzbar sind bzw. einen Status-Nutzen bringen (…)“ als instrumentell einsetzbare Ressourcen aus dem Netzwerk, also als „rationale, utilitaristische Verbindungen“ im Gegensatz zu „emotionalen oder traditionalen Verbindungen“ (die, dessen ungeachtet, unintendierten Nutzen bringen können). Ähnlich interpretierend: Seligman (1997: 77). Womit nicht zuletzt eine gegenläufige Tendenz beschrieben würde. Coleman (2000: 29f) nennt z.B. information aber auch obligations that one person owes a second in relationship X, which the second person can use to constrain the actions of the first in relationship Y. Er nimmt nicht auf Mehrdimensionalität im Sinne qualitativer (affektiv-diffuser) Beziehungsaspekte Bezug (vgl. unten). Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die unter Umständen mehrfach »einsetzbare« Beziehung als solche, wenn es z.B. eine vertrauensvolle ist, höchst spezifisch (»partikular«) ist (vgl. Solomon/Flores 2003: 81f).
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Kapitals dem hingegen zunächst besser als einem emergenten Phänomen, indem es dieses im Sinne einer bonding view (Adler/Kwon 2002) als die internen Strukturen sozialer Gebilde versteht. Dafür spricht ja auch nicht zuletzt das Verständnis von Sozialkapital als nicht-intendierte Handlungsfolge (Fukuyama 1995b, Putnam 1993, 2000 {1995}) bzw. als by-product, das als Merkmal der Sozialstruktur entsteht (sich dann mit dieser verändert), und das demgemäß niemand als sein Privateigentum betrachten kann (Coleman 1995: 412, ähnlich auch Nahapiet/Ghoshal 1998). Auch für Jansen (2002: 93, passim) ist für Sozialkapital kennzeichnend, dass der Prozess seiner Produktion oft [!] nicht bewusst ist. Es wird eher beiläufig produziert. Das hat zwar den Vorteil, dass Sozialkapital ohne Zusatzkosten produziert wird, aber auch den Nachteil, dass man es nur bedingt [!] gezielt herstellen kann.
Des Weiteren stellt sie klar heraus: „Sozialkapital hat im Gegensatz zu ökonomischem Kapital und Humankapital die Eigenart, nicht völlig im Besitz eines Akteurs zu sein.“167 Vielmehr ist es damit nicht so sehr individuelle Ressource als kollektiv-emergente Eigenschaft eines sozialen Gefüges, kaum hat es als individueller Besitz, sondern eher als collectivity owned (Bourdieu 1986: 249) zu gelten. So stellt ja bereits Bourdieu (1983: 190f) in seinen ersten Ausführungen zu sozialem Kapital die Zugehörigkeit zu einer Gruppe heraus, wenn er es zur Benennung des Prinzips der sozialen Wirkungen, von Wirkungen also, die zwar auf der Ebene der individuellen Handelnden (…) klar erfaßbar sind, ohne sich jedoch auf die Summe von individuellen Eigenschaften Handelnder reduzieren zu lassen
verwendet. Und auch wenn das Beziehungsnetz, das durch Austauschbeziehungen in unaufhörlicher Beziehungsarbeit laufend aufs Neue reproduziert werden muss, ist es doch Produkt individueller oder kollektiver Investitionsstrategien, die bewußt oder unbewußt auf die Schaffung von Sozialbeziehungen gerichtet sind die früher oder später (…) unmittelbaren Nutzen versprechen.
Soziales Kapital entsteht damit gewissermaßen emergent aus dafür konstitutiven, wenngleich nicht notwendigerweise daraufhin orientierten bzw. abzielenden sozialen Beziehungen168, in denen es sich selbst(referentiell) reproduziert wie auch dadurch überhaupt erst die Grenzen der Gruppe als Sozialsystem geschaf167
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Allerdings hat jedwedes »Kapital« als Handlungsvermögen (wie Macht) wohl immer einen relationalen Aspekt. Damit wird auch bereits die „instrumentelle Motivation“ (Portes 1998) als Voraussetzung fraglich. Zur zweiten (consummatory) Quelle der Motivation vgl. unten, denn beide basieren auf internalisierten »Normen«.
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fen und aufrecht erhalten werden (Bourdieu 1983: 192): „Mit der gegenseitigen Anerkennung und der damit implizierten Anerkennung der Gruppenzugehörigkeit wird so die Gruppe reproduziert; gleichzeitig werden ihre Grenzen bestätigt“, womit die Individuen am Prozess beteiligt sind und auch am Ergebnis »teilhaben«169, das Sozialkapital jedoch darüber hinaus eine „quasi reale Existenz“ annimmt. Durch sie, wie durch die ihm innewohnende „Überlebenstendenz“ und das „Beharrungsvermögen der Kapitalstrukturen“, kann die eigene Reproduktion ermöglicht bzw. sichergestellt werden (1983: 191ff).170 Daneben finden sich in den grundlegenden Arbeiten bei Bourdieu (1983 u.a.) schon entsprechende Hinweise, die auf ein weiteres Verständnis als eines der reinen Ausdehnung von Beziehungsgeflechten und die Ausnutzung darin verfügbarer (ökonomischer, kultureller, symbolischer) Ressourcen deuten. Das gilt beispielsweise nicht nur für die Solidarität, die das Entstehen von Profiten aus einer Gruppe ermöglicht (und gewissermaßen selbstreferentiell bzw. operational geschlossen wieder zur eigenen Erzeugung beiträgt), sondern wird bereits in seiner oft (verkürzt!171) zitierten grundlegenden Feststellung ersichtlich: Das Sozialkapital ist die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind (…) (Bourdieu 1983: 190, zweite Hv. PR)
Es geht also nicht nur um »Kennen«, sondern auch um »Anerkennen«, und demgemäß nicht nur um die (quantitativ) messbaren Beziehungsmuster172, sondern auch um deren qualitative (mitunter: affektive und emotionale) Aspekte viel mehr um the type of these connections, involving positive emotion (Paxton 1999: 89ff)173 bzw. vielleicht vorsichtiger um personal and emotional attachments 169
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Vgl. dazu vielleicht bei Durkheim: „Es ist also unter den einzelnen Menschen, die zusammen die große Masse des Volkes ausmachen, keiner, für den die Kollektivströmung nicht fast völlig außerhalb seiner selbst wäre, da jeder davon nur ein Stückchen in sich trägt“ (2003: 368). »Soziales Kapital« scheint damit hinsichtlich seiner Entstehung in sozialen Systemen auch das Schicksal mit einem prima facie so unähnlichen emergenten Phänomen wie »Wissen« (verstanden als enttäuschungsbereite Erwartungsstruktur) zu teilen: Stellt es sich doch ebenfalls als nicht-intendierte Folge sozialen Handelns bzw. als »Nebenprodukt sozialer Kommunikation« dar, von dem aufgrund externer Effekte nicht selten Unbeteiligte am meisten profitieren (bspw. Coleman 1988/2000, 1995, Fukuyama 1995b, Putnam 1993, 2000 {1995}). Nicht bei bspw. Portes (1998: 3), der auf Bourdieus membership in a group hinweist. Vgl. die derart verkürzte »Netzwerksicht« auf Sozialkapital z.B. bei Inkpen/Tsang (2005), der zufolge zwischen Firmen geknüpfte network ties bereits per se Sozialkapital darstellen, ohne von einer bestimmten »Qualität« sein zu müssen. Izard (1977: 19f) antwortet auf die Schwierigkeit der Klassifikation von Emotionen als entweder positiv oder negativ mit funktionaler Betrachtung: „While this very broad classification of emo-
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(Nahapiet/Ghoshal 1998: 244) jedenfalls um the quality of the set of relationships (Szreter 2000: 57). Demnach machen erst »Inhalt« (vgl. Vertrauen oben bei Burt (1992) bzw. »Affektgeladenheit« einen Unterschied der seinen Ursprung nicht in, sondern zwischen den Akteuren hat und Emergenz ermöglicht: Beziehungen sind mit Putnam (2000: 20) not interesting as mere »contacts«. Ähnlich, und nicht nur den Faden von Bourdieu aufnehmend, sondern darüber hinaus expliziten (historischen) Bezug zu Simmel herstellend (vgl. oben), stellt beispielsweise Paxton (1999: 92f) klarer als viele heraus, dass Social capital requires more than a network of ties, (…) network ties must also be of a particular type trusting and positive (…).
In weiterer Folge ziehen sich auch durch die vielfältigen Arbeiten zum Thema des sozialen Kapitals zwei thematische Stränge, indem zum einen »Netzwerke« (als Strukturaspekt) und zum anderen »Vertrauen« (für den Inhalt der Beziehungen) als zentrale Konzepte gelten. So ergänzen Coleman (1988/2000, 1995), Fukuyama (1995b) und Putnam (1993, 2000 {1995}) prominente, vielfach gemeinsam mit Bourdieu (1983) als Initiatoren der zeitgenössischen Debatte um soziales Kapital genannt, Vertreter dessen grundlegendes Konzept, ebenfalls dieser Linie treu bleibend vor allem um Aspekte wie Vertrauen/Vertrauenswürdigkeit, Normen/Sanktionen und Verpflichtungen/Erwartungen. Nahapiet/Ghoshal (1998) schließlich verdichten die zentralen Entwicklungsstränge zu einem integrativen dreidimensionalen Konstrukt, bestehend aus einer „strukturellen“, „kognitiven“ und „relationalen“ Dimension, von der ausgehend sie Wirkungen auf die Entwicklung von intellektuellem Kapital und Wissen bzw. Innovation in Organisationen den titelgebenden organizational advantage konzeptualisieren (vgl. 3.2.3). Eine dementsprechende Beschreibung sozialer Beziehungsgeflechte entspricht dann wohl über weite Strecken jener soziotechnisch-strukturellen sozialer Netzwerke im engeren (d.h.: netzwerkanalytischen) Sinne, geht jedoch darüber hinaus, indem sie sich auf der Suche nach einem emergenten Phänomen »höherer Ordnung« eher dem Konzept von »Communities« nähert, das sich wie bereits festgestellt nicht so sehr durch Verknüpfung und Befriedigung »egoistischer« (ökonomischer) Einzelinteressen, als durch
tions is generally correct and useful, the concepts of positiveness and negativeness as applied to the emotions require some qualification. (…) Nevertheless, for convenience the terms positive and negative will be used to divide emotions into classes that are less likely and more likely, respectively, to have undesirable consequences.” Kristjánsson (2003: 362, passim) kommt dennoch zum Schluss dass „there is no such thing as a negative emotion”, was mutatis mutandis auch für positive Emotionen gelte. Ähnlich Solomon/Stone (2002).
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Zusammenführung von Individuen zu einem größeren (emergenten, »Sinnhaften«, vielleicht auch: emotionalen) Ganzen auszeichnet. Die Hinweise in der Literatur auf die hohe »Spezifität« von Investitionen in soziales Kapital bzw. Vertrauen (d.h. persönliche spezifische und diffuse (Parsons) Beziehungen174) stellen dabei ein weiteres Indiz einerseits für die Nähe zum Begriff der »Community« bzw. die zentrale Rolle von Wert- und Vertrauensbasis als „Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“ (Luhmann 2000b) dar. Andererseits zeigen sie die Notwendigkeit einer Ergänzung der Beschreibung sozialer Beziehungen um qualitative, vor allem auch affektivemotive Aspekte auf.175 Die Quellen von Sozialkapital werden wohl auch nicht zuletzt daher von Adler/Kwon (2002) ebenfalls in einer speziellen Erscheinungsart der Sozialstruktur geortet: Neben den traditionell als Koordinationsmechanismen untersuchten Formen Markt und Hierarchie sprechen sie zwar recht vage von social relations (vgl. grundsätzlich und im Detail Adler 2001), doch liegt die Vermutung nahe, dass dieser Begriff und damit auch die Bedingungen der Entstehung sozialen Kapitals über jenen des (technischen) Netzwerkbegriffs hinausgeht und sich vielmehr dem der »Community« nähert.176 Dabei verweisen sie mit Putnam (1993: 182f) darauf, dass Sozialkapital als mehrdimensionales Konstrukt nicht nur in Netzwerken, sondern auch in norms and trust begründet sei. Nach Adler/Kwon (2002: 25) vor allem the norm of generalized reciprocity resolves problems of collective action and binds communities. It transforms individuals from self-seeking and egocentric agents with little sense of obligation to others into members of a community with shared interests a common identity and a commitment to the common good.
Für sie (Adler/Kwon 2002) liegt der Ursprung damit zwar in den sozialen Beziehungen (social relations), maßgeblicher Bestandteil sozialen Kapitals ist jedoch 174
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Für Damasio (2004, 2005) sind Gefühle durchaus konkret, kognitiv, neuronal definiert und keineswegs »diffus«. Daneben teilen »Sozialkapital« und »Vertrauen« das noch grundlegendere Schicksal zugleich Ursache und Wirkung zu sein (wo ein Verständnis als emergentes Phänomen autopoietischer Reproduktion ebenfalls aushelfen könnte) sowie eines drohenden Zirkelschlusses wie z.B. bei Colemans (1988/2000, 1995) funktionaler Definition von »Vertrauen als Form« von Sozialkapital. Vgl. auch bei Putnam (2000 {1995}) die Messung von Sozialkapital über Vertrauen (»Vertrauen als Quelle«), Fukuyama (1995b: 33), für den social capital selbst „the crucible of trust“ darstellt, oder Lin (1999) und sein Verständnis von »Vertrauen als Produkt« von Sozialkapital. Davon abgesehen stellt Adler (2001: 215) schon an anderer Stelle fest, dass „compared to trust, price and authority are relatively ineffective means of dealing with knowledge based assets“. Gerade für Entwicklung und Diffusion von Wissen sind Diversität und Offenheit wichtige Voraussetzungen: Wissen erhöht Komplexität, anstatt sie zu reduzieren. Und es ist Vertrauen, das „Toleranz für Mehrdeutigkeit“ stärkt (Luhmann 2001b: 19).
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zusätzlich eine Art (am ehesten im Parsons‘schen Sinn »diffuser«) goodwill wie bspw. sympathy, trust, and forgiveness, durch den sich diese eher affektiv geladenen Beziehungen auszeichnen und mit dem die zur Kohäsion (cohesiveness) des Gefüges (sowohl in strong ties wie bspw. bei Coleman 1988/2000, als auch in weak ties wie bspw. bei Burt 1992, 2002) beitragen.177 Weder eine Reduktion (1) auf Normen178 die ja als normative (im Gegensatz zu kognitiven) Erwartungen ebenfalls eine Form der kommunikativen, »Sinn-haften« Strukturen des sozialen Systems darstellen und die damit einhergehende soziale Integration (z.B. im Durkheim‘schen Sinn in Form „mechanischer“ bzw. „organischer Solidarität“ und einer damit einhergehenden Sanktionierung als Zeichen einer der individuellen Willkür entzogenen, verpflichtenden Form des Handelns geht (1977)179) scheint daher zielführend, noch ist dies (2) eine auf »Relationen« bzw. »Wechselwirkungen«, die soziale Beziehungen stets in unterschiedlicher Dichte konstituieren, und die schlichte Tatsache, dass soziale Systeme als soziale Systeme stets emergente Phänomene aus Kommunikationsstrukturen sind. Dennoch wird in der Diskussion Sozialkapital entweder als individuelle, instrumentell einsetzbare Ressource von Individuen oder als Eigenschaft eines Kollektivs stets dessen Ursprung in sozialen Beziehungen und Strukturen (i.w.S.) als grundlegend betont. Sofern aber Kommunikation als der »Stoff« betrachtet wird, aus dem soziale Systeme beschaffen sind bzw. insofern als deren (Ewartungs-)Strukturen als aus Kommunikationen emergierende Phänomene verstanden werden, sollte nun davon ausgegangen werden (bzw. kann eigentlich nur davon ausgegangen werden), dass auch soziales Kapital, das seinen Ursprung in ebensolchen sozialen Beziehungen hat, als emergentes Phänomen sozialer Systeme und das heißt letztlich immer: aus Kommunikation(en) entstehend zu behandeln ist. Diese Betrachtungsweise wirft nicht zuletzt zusammen mit der Frage nach der Entstehung auch auf die Eigentumsfrage ein anderes Licht (vgl. Fn. 175). Wird das soziologische Konstrukt »Sozialkapital« als Produkt eines Kommunikationszusammenhanges interpretiert, das sich und damit seine Produktionsvoraussetzungen selbst reproduziert, so ist es nicht individuelle »Ressour177
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Für Gouldner (1984) ist die viel beschworene »Reziprozität« nur notwendige, nicht hinreichende Bedingung! Social capital can be defined simply as the existence of a certain set of informal values or norms shared among members of a group that permit cooperation among them (Fukuyama 1997 zit. n. Adler/Kwon 2000: 92). Portes (1998: 3) verweist auf die Wurzeln bei Durkheim. Um mehr auszusagen, sollte die Idee des Sozialkapitals jedoch über Integration durch »Regeln« (Normen) bzw. Vermeidung von »Anomie« hinausgehen. Daneben ist auch die bspw. von Gouldner (1984: 155) vermisste Dysfunktionalität von Normen zu berücksichtigen.
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ce« oder »Eigentum« eines Kollektivs, sondern vielmehr eine unter dessen emergenten kollektiven (vielleicht sogar: konstitutiven) Eigenschaften, die in einem kommunikativen (d.h. sozialen) Zusammenhang stets mitgedacht werden muss. Sozialkapital entsteht dabei aus vorhandenem Sozialkapital, indem das soziale System als gesamtes solches laufend reproduziert. Darüber hinaus wird mit dieser dynamisch-prozesshaften Sichtweise auch die laufend mögliche Veränderbarkeit durch eine Veränderung der Systemstrukturen sichtbar begrenzt nur durch die Bedingung der Anschlussfähigkeit (d.h. gleichbleibende Organisation), die sich selbst wieder aus den Pfadabhängigkeiten aller (angeschlossenen) Kommunikation ergibt. Wie auch »Wissen« sich nicht als Objekt materialisiert und sich auch nicht ohne weiteres als solches über raum-zeitlich-kulturelle Distanzen weiterbewegen lässt, sondern vielmehr stets vorläufiges Ergebnis eines Prozesses i.S.v. sich autopoietisch reproduzierender, kommunikativer »kognitiv«, nicht »normativ« stilisierter Erwartungsstrukturen ist, so besitzt nach diesem Verständnis auch »Sozialkapital« keine substantielle Qualität: Es ist keine Substanz, sondern entsteht und »besteht« stets nur momenthaft aus verdichteten (möglicherweise vorrangig »affektiven«, weniger »Sinn-haften«) Kommunikationsstrukturen, weshalb es laufender (Re-)Aktivierung bedarf und nicht intendiert hergestellt sowie anschließend inventarisiert oder investiert werden kann. Sowohl »Wissen« als auch »Sozialkapital« haben als emergente, soziale (d.h.: sich sozialen Systemen und ihren Strukturen damit als Bedingungen der Entstehung verdankende) Phänomene ihren Ursprung in sozialen Beziehungen, um dabei Bestand jenseits, wenngleich nicht gänzlich unabhängig davon, zu erreichen. Die an ihrer Entwicklung (bewusst oder unbewusst) beteiligten Individuen (bzw. die entsprechenden interpenetrierenden psychischen, aber auch biologischen usw. Systeme) müssen weiter daran »teilhaben« ohne es als ihren individuellen Besitz betrachten zu dürfen. So können sie im Rahmen der innerhalb der Strukturen möglichen Autopoiese davon »profitieren« ohne es instrumentalisieren oder instrumentell »einsetzen« zu können. Aufgrund ihrer genetischen Ähnlichkeit nämlich der Emergenz aus sozialen Systemen bzw. letztlich: deren sich selbst reproduzierenden Kommunikationsstrukturen lässt sich eine entsprechende (möglicherweise notwendige) wechselseitige Bezogenheit aufeinander und sogar eine komplementäre Ergänzung dahingehend vermuten, dass »kognitive« (wie auch »normative«) Erwartungsstrukturen in ihrer »Sinn-haftigkeit« sich nicht nur mit qualitativer (insbesondere: »affektiver«, »Gefühl-voller«) Färbung konfrontiert sehen und das Gefahrenpotential einschätzen, sondern dass sie einer solchen »Affektgeladenheit« sogar bedürfen. Insbesondere im Fall von Sozialsystemen auf der Ebene der »Gruppe« zu deren »emotionaler Stabilisierung« ja bereits weiter oben
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Stellung genommen worden ist zeigt sich in den Beziehungsstrukturen die Bedeutung nicht nur des »Kennens« sondern auch des »Anerkennens« als (diffuse) affektive Färbung der Kommunikation für die Entstehung von goodwill in social relations, sodass mit Putnam (1993: 36) vorweggenommen werden kann: Working together is easier in a community blessed with a substantial stock of social capital.180
3.2.2 Soziales Kapital und seine Wirkungen Bei allen, aufgrund der Verschiedenartigkeit der Zugangsweisen erwartbaren, anzutreffenden Unterschieden ist dabei vor allem eine wesentliche, letztlich auch den beiden wesentlichen Bestandteilen trust und trustworthiness bzw. wohl wichtiger: feelings about trustworthiness (Putnam 2000: 137) zugrunde liegende Gemeinsamkeit in den über quantifizierende Betrachtungen hinausgehenden Arbeiten zu sozialem Kapital insbesondere in den prominenten Studien von Putnam (1993, 2000 {1995}) und Fukuyama (1995b) auszumachen (vgl. dazu Seligman 1997: 75ff). Auf diese verweisen auch Adler/Kwon (2002), wenn sie von goodwill als dem Sozialkapital zugrunde liegenden »Stoff« sprechen. Es ist diese social solidarity (Seligman) als Ergebnis von emotional attachments (Nahapiet/Ghoshal)! die in den sozialen Strukturen liegt und die damit gewissermaßen eine vorkontraktuelle Basis schafft, auf die dann bspw. auch normative Mechanismen der Verstärkung aufsetzen können.181 Eine ähnliche Solidarität kann wohl auch bereits im Fall von Staubmann als Ergebnis kommunikativ prozessierter „gratifikatorischer Differenzen“ (also: über »affektive Kommunikationen« i.w.S. ausgelöste »Informationen«) unterstellt werden (vgl. oben). Demgemäß ist, wie ebenfalls bereits oben festgehalten, nicht nur auf Normen (der Reziprozi180 181
Vor allem was diese leichtere Zusammenarbeit aber bedeutet, wird zu untersuchen sein. Ähnliches wenngleich dort über (formale) Normen hinausgehend wird in der Literatur auch u.a. als organizational citizenship behaviour (bspw. Van Dyne et al. 1994, Bolino et al. 2001, Bolino et al. 2002, Achleitner 2002, Cardona et al. 2003, Koberg et al. 2005, Royle et al. 2005) oder als organizational commitment (Watson/Papamarcos 2002) beschrieben und meint eine positive Einstellung zum „Gemeinwohl“, das heißt z.B. Hilfsbereitschaft, Fairness, Loyalität etc., womit eine Nähe vor allem zur relational dimension bei Nahapiet/Ghoshal (1998) von Sozialkapital erkennbar ist (vgl. unten) sowie in weiterer Folge einen Beitrag zur cognitive dimension nahe gelegt wird! (vgl. insbes. Bolino et al. 2001, Bolino et al. 2002, bzw. unten Gouldner 1984 zum Thema Wohltätigkeit).
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tät) oder auf (implizite) Verträge als rules of the game (Seligman 1997: 78) zu achten, sondern zuallererst auf die Bedingungen der Möglichkeit für rules, die grundsätzliche Zulassung zum game sowie die laufend bestätigte (d.h. vor allem: die nicht enttäuschte) emotionale Erwartung, auf tatsächliche Vertrauenswürdigkeit zu treffen, die sich in Form »affektiver« Kommunikationsstrukturen reproduziert: Ähnlich versteht auch Schmid (2000) Affinity as social capital wenn er auf die Bedeutung emotionaler Beziehungen hinweist: One form of social capital is a relationship of affinity and regard among people. Nicht nur, dass (wie oben dargestellt) die Trennung affektiver von kognitiven (besser: »Gefühl-voller« von »Sinn-haften«) Operationen vielfach nur analytisch möglich ist, auch das für die Stabilisierung sozialer Systeme auf der Ebene der »Gruppe« so zentrale Vertrauen als solches kann wesentlich als emotionales Phänomen bestimmt werden (vgl. Tyrell 1983a und Neidhart 1999 bzw. Solomon/Flores 1997). Weniger geht es dabei um die bereits von Oakley (vgl. oben) nicht als konstitutiv in seine Konzeption der Emotionen aufgenommene Komponente des »Fühlens«, die im Alltagsverständnis oft als dominant bzw. als notwendiges oder sogar konstitutives Merkmal gesehen wird (vgl. Frijda 2000). Vielmehr ist »Vertrauen« (trust) als emotionales Phänomen (vgl. oben) „most evident in its modesty, in its quiet expression, in its congeniality, in its subtle pervasiveness” und nicht an eine (notwendigerweise anhand physiologischer Reaktionen oder am körperlichen Ausdruck erkennbare) unmittelbare Energetisierung in Form eines »Gefühlsausbruchs« gebunden. Unter Berücksichtigung dieser (gerade Vertrauen kennzeichnenden) Unauffälligkeit und Bescheidenheit ziehen Solomon/Flores (1997: 104) demgegenüber dann weitere Parallelen zu den moral sentiments bei Hume, die sich ihrerseits wieder insbesondere durch die Möglichkeit längeren zeitlichen Andauerns auszeichnen182 und die sich damit letztlich in der Nähe des Heidegger‘schen Begriffs der »Stimmung« (mood) befinden. Ähnlich wie Adler/Kwon (2002) von einem »diffusen« goodwill ausgehen, betonen Solomon/Flores (1997: 105) die Art und Weise der Beziehungspflege bzw. eine philanthropische »Einstellung« (care) als wesentlich: not care about the immediate outcome but care about the relationship. Diese (auch in der moralischen Tradition als höher eingestufte, wenngleich als eher theoretisch denn praktisch gesehene) »Wohltätigkeit« geht über »Reziprozität« (als in die Form der »goldenen Regel« gegossene Minimalforderung) hinaus
182
Vgl. zur feeling Komponente und zum Bestand über längere Zeitspannen Oakley (1992: 8) bzw. oben Fn. 124.
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(vgl. Gouldner 1984), denn sie veranlasst „zu geben ohne zu nehmen“183. »Wohltätiges« Verhalten und Handeln kann damit einerseits zu Gegenseitigkeit (der vielfach beschworenen aber nicht weiter rückgeführten Reziprozität184) im Antwortverhalten führen und damit in weiterer Folge als Auslöser für wechselseitige Verpflichtungen dienen185 bzw. zu deren Fortbestand beitragen als auch andererseits eine Möglichkeit eröffnen (und insbesondere hierin zeigt sich seine funktionale Stärke) destruktive Zyklen (durch Nachgiebigkeit bzw. Nachsicht) zu unterbrechen. Dem entspricht auch das Verständnis von Kostova/Roth (2003: 301, passim), die nämlich social capital as the potential value arising from certain psychological states, perceptions, and behavioural expectations that social actors form verstehen, wobei es diese grundlegenden positive and cooperative behaviors sind, die zu einem environment conducive to collaboration and support beitragen, wenn es nicht bei einer Beschränkung auf psychische Systeme (bzw. einem Verweis dorthin) bleibt, sondern »affektive Kommunikationen« emergente Strukturen ausbilden können (bzw. dürfen). Deshalb ist Portes (1998: 2) zunächst einmal zuzustimmen, wenn er zum Thema Sozialkapital grundsätzlich feststellt, dass „the term does not embody any idea really new to sociologists. That involvement and participation in groups can have positive consequences for the individual and the community is a staple notion dating back to Durkheim’s emphasis on group life as an antidote to anomie (…)”, wobei diese positiven Konsequenzen wie auch deren Ursachen nach den bekannteren und viel zitierten Arbeiten (d.h. insbesondere Putnam, Fukuyama, Coleman) an so unterschiedlichen Phänomenen wie der besseren persönlichen (schulischen) Entwicklung von Kindern durch intrafamiliäre Beziehungsstrukturen, dem einfacheren Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten oder der aussichtsreicheren beruflichen Karrieremobilität durch »Vitamin B«, der unterschiedlich erfolgreichen Zusammenarbeit in und zwischen Teams, Abteilungen oder Organisationen, der Integrations-, Wirtschafts- oder Entwicklungspolitik und vielem anderen mehr untersucht worden sind.186 183
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Auch (religiös, moralisch usw.) institutionalisiert ist in der Regel die als entsprechend unwahrscheinlich erfüllt gesehene Verpflichtung zu geben, kaum aber das Recht zu nehmen (vgl. Gouldner 1984: 126ff). „Vertrauen und Reziprozität sind die Eckpfeiler der modernen Beziehungen, die unmittelbar über einen emotionalen Austausch zementiert werden und Intimität erzeugen“, heißt es bspw. bei Dederichs (1999: 98). Elemente von Sozialkapital sind aber nicht unbedingt materielle »Geschenke« (wie Dederichs (1999: 144), in deren Ausführungen auch an den potlach (Mauss 1968) erinnernde Subtilitäten nur implizit bleiben, suggeriert). (Vgl. auch Bell 1991 und Carrier 1991). Das heißt in der Regel, soziales Kapital wird als unabhängige, ökonomisches, kulturelles (Human-) oder auch symbolisches Kapital als abhängige Variable betrachtet.
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Vielfach ist dabei nicht klar zwischen Ursache und Wirkung unterschieden worden. Ein Verständnis von Sozialkapital als emergentes Phänomen aus sich autopoietisch reproduzierenden, »positiv-affektiven« Kommunikationsstrukturen sozialer Systeme (vgl. oben) kann hingegen möglicherweise einen Beitrag zum grundsätzlichen Verständnis dieses auch oft vor allem am Beispiel von Putnam (1993, 2000) konstatierten Problems leisten: „As a property of communities (…) rather than individuals, social capital is simultaneously a cause and an effect“, meint Portes (1998: 19) und es sind systemtheoretische Konzepte wie Selbstreferentialität, operationale Geschlossenheit, Autopoiese usw., die darauf neues Licht werfen. Die Bedeutung wird erkennbar, wenn man bedenkt, dass ein solcher Mangel an Unterscheidung darüber hinaus auch zu leicht und zu rasch dazu (ver)führt, Sozialkapital mit seinen möglichen, nicht jedoch notwendigen positiven Folgen gleichzusetzen. Wenn es eine Gesellschaft zwischen Räubern und Mördern gibt, dann müssen sie, einem ganz alltäglichen Gemeinplatz zufolge, sich wenigstens des Raubens und Mordens untereinander enthalten.
Diese kurze Passage aus der Theorie der ethischen Gefühle (Smith 1977: 128, auch bei Gambetta 2001) führt demgegenüber deutlich vor Augen, dass es ganz offensichtlich Fälle von Kooperation bzw. (Mafia-ähnlichen) Vertrauensbeziehungen gibt, die zu verbessern wir in der Regel weniger trachten. Stellvertretend ist deshalb mit Gambetta (2001: 206) festzuhalten, dass a priori nicht feststellbar ist, ob größeres Vertrauen und bessere Kooperation tatsächlich wünschenswert sind. Demgegenüber ist in zahlreichen der ersten Arbeiten zu Sozialkapital ein deutlicher bias ähnlich dem bereits am Beginn notierten positiven spin im Fall von Wissen zugunsten positiver Effekte festzustellen: social capital has evolved into something of a cure-all; denn, mit Portes (1998): The research literature on social capital strongly emphasizes its positive consequences. Indeed it is our sociological bias to see good things emerge out of sociability; bad things are more commonly associated with the behavior of homo oeconomicus.
Wenn der Begriff des sozialen Kapitals daher nicht mehr bezeichnen sollte als positive Konsequenzen aus sozialen Zusammenhängen (d.h. im Anschluss an die bisherigen Ausführungen: aus »positiv-affektiven« Kommunikationsstrukturen) im weitesten Sinn, dann wäre dieser Schritt unvorsichtig und zu rasch erfolgt.187 Er lässt nämlich all jene Fälle übersehen, in denen diese positiv »geladenen«
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Vgl. Dederichs (1999) und insbesondere den Untertitel ihrer Arbeit zum Thema des sozialen Kapitals in der Leistungsgesellschaft: Emotionalität und Moralität in »Vetternwirtschaften«.
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sozialen Beziehungs- bzw. Kommunikationsmuster (seien sie bonding oder bridging) einerseits negative möglicherweise noch leichter erkennbare externe, andererseits vor allem auch negative vermutlich weniger deutlich in Erscheinung tretende interne Effekte hervorbringen. Nicht nur die Diskriminierung von Außenseitern bzw. Nicht-Mitgliedern (outgroup) gegenüber der ingroup, sondern auch systeminterne Dysfunktionalitäten können nicht von vorneherein ausgeschlossen werden (vgl. bspw. Portes 1998, Nahapiet/Ghoshal 1998, Leana/Van Buren 1999, Adler/Kwon 2000, 2002). Im Kontext dieser Arbeit d.h. auch: vor dem Hintergrund der festgestellten Zusammenhänge und Komplementaritäten heißt das in erster Linie: »affektive« Wirkungen auf »kognitive« (bzw. »normative«) Erwartungsstrukturen auf Kommunikations- bzw. Emergenzebene: The ties that bind may also turn into the ties that blind (Powell/SmithDoerr 1994: 393). Um diese sowohl vor- als auch nachteiligen Wirkungen in den Blick zu bekommen, ist jedoch wahrscheinlich eine Ausweitung des Beobachtungsfeldes über rein formale Aspekte hinaus erforderlich: consideration of the content of the social ties is probably unavoidable (Adler/Kwon 2002: 32).
Untersuchungsrichtung »emotive« Strukturen Soziales Kapital aus dem sozialen System
Wechsel-/Rückwirkungen
»kognitive« Strukturen Wissen*) aus dem sozialen System
Grenzdefinition /Identität kommunikative Strukturen: Community als soziales System von »Wechselwirkungen« *)
bzw. »Normen« wenn nicht veränderungsbereit
Abb. 5: »Sozialkapital« aus dem Sozialsystem »Community« und seine Wirkungen auf das »Wissen«
Wenn man nun nach dem bis hierher Dargelegten mit Staubmann (1995: 19f) weiterhin davon ausgehen will, „daß Gefühle, Affekte etc. üpber ihre aus dem Alltagsverständnis heraus klar als Eigenschaften psychischer und individuell zurechenbarer Provenienz aufzufassende Phänomene hinaus eine soziale und kulturelle Realität aufweisen“, bzw. gleichzeitig soziale Emergenzen nicht auf
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»Sinnhaftigkeit« reduziert und obwohl strukturell unabhängig in engem synthetischen Zusammenhang mit »Affektivität« gesehen werden wollen (Staubmann 1995: 51, 2004), so ist noch genauer zu hinterfragen wie diese „expressive Ordnungsbildungen“ und ihre elementaren Kommunikationen aussehen. Bei den »affektiven« Aspekten der Kommunikation in sozialen Systemen also der Kommunikation von Gefühlen (nicht über Gefühle) geht es dabei ja mit Staubmann (1995: 99) „nicht um die Vermittlung von Wissen [!] um das emotionale Befinden von Interaktionspartnern, sondern um die Herstellung einer Kongruenz emotionalen Erlebens.“
»emotionale Kongruenz« »affektive Kommunikation« (+) positive Emotionen
() negative Emotionen
Entstehungszusammenhang
»soziales Kapital« (+) begünstigt »Lernen« positive Lerneffekte (i.w.S.)
() hemmt »Lernen«
Wirkungszusammenhang
Lernbarrieren
Abb. 6: Entstehung (aus positiven Affekten) und positive oder negative Wirkung (Lerneffekte) von Sozialkapital als »expressive Ordnung«
Die aus diesem content of the social ties entstehenden emergenten affektiven, »Gefühl-vollen« sozialen Phänomene als »soziales Kapital« des Systems können dann in weiterer Folge sowohl »negative« als auch »positive« Folgewirkungen (intendierter wie nicht intendierter Natur) hervorbringen bzw. befördern und unterstützen, hemmen und verhindern. The community can become an ideal structure for avoiding learning gestehen selbst Wenger et al. (2002: 34) ein, und wann dies zu befürchten ist, kann mitunter schwer auszumachen sein, denn many disorders are simply extensions of the qualities that make communities success-
112
Fühlen
ful.188 Schon aus diesem Grund scheint es nicht akzeptabel, die Thematik rund um soziales Kapital ausschließlich unter seinen (erwarteten, nicht einmal: notwendigerweise erwartbaren) positiven Konsequenzen zu diskutieren189,190 (Abb. 6). Mit Staubmann (1995: 110f) und dessen Interpretation von Parsons organisiert eine gegenseitige emotionale Beziehung (unter Berücksichtigung kultureller Muster, d.h. Standards, Symbole usw.) eine Vielzahl von Bedürfnisdispositionen zu einem integrierten System bspw. der (bereits Adam Smith (2004) so wichtigen) Solidarität, wie auch bereits Durkheim Gefühlen als Integrationsfaktoren große Bedeutung beimisst (Durkheim/Mauss 1963).191 Sind „Sozialform“ bzw. „Individualform“ der Gefühle (Durkheim 2003: 369) »positiv« bzw. (zunächst) einseitig wie (vermutlich langfristig eher) wechselseitig auf die positive Stabilisierung des sozialen Zusammenhangs gerichtet (ganz gleich ob intendiert oder nicht)192, so sollen sie als social fabric sozialen Kapitals gelten können. Denn wie auch sinnhafte Kommunikation für die Anschlussfähigkeit keine Zustimmung benötigt (sondern auch als Gegenrede funktionieren kann), so müssen wohl auch negative gleich wie positive Emotionen als (potentiell!) anschlussfähig gehandelt werden. Trotz der generellen, mit der Unterscheidung zwischen »positiven« und »negativen« Emotionen verbundenen Schwierigkeiten bzw. der mancherorts grundsätzlich infrage gestellten »Sinnhaftigkeit« einer solchen Unterscheidung (Solomon/Stone 2002, Kristjánsson 2003), sollen an dieser Stelle weder vorrangig die Bewertungen psychischer Zustände als angenehm oder unangenehm noch ein (noch dazu aus mancher Perspektive eventuell Gefahr einer Relativierung lau188
189
190
191
192
Wie weit ist die »Sozialisation« neuer Mitglieder in einer Community in die bestehenden Denkund Handlungsmuster (vgl. unten) funktional bzw. ab wann beginnt das System zu versteinern und seine Änderungs- und Anpassungsfähigkeit (bzw. »Viabilität«) zu gefährden? Wie in Fn. 187 ein Verweis auf Dederichs (1999) und das Spannungsfeld zwischen positiven und negativen Aspekten sozialen Kapitals: „Im ökonomischen System kann soziales Kapital als Teil der informellen Wirtschaft funktional sein; neben den Vorteilen, die mit Zeit- und Geldersparnis, Vertrauen und Effizienz benennbar sind, lauten die negativen Konnotationen unsachgemäße Bevorzugung, Korruption und Systembeschädigung“ (1999: 135). Siehe dazu auch die oben kritisierte, da verkürzte »Netzwerksicht« auf Sozialkapital z.B. bei Inkpen/Tsang (2005), der zufolge network ties, die zwischen Firmen geknüpft werden, per se Sozialkapital darstellen und nicht von einer bestimmten »Qualität« sein müssen (vgl. Fn. 172). Auch wenn man es vermeidet, „sie als definitive Größen, als Kräfte mit Eigenexistenz anzusehen, die das bewußte Handeln des einzelnen beherrschen“ (Durkheim 2003: 356). In Parsons’ (durchwegs vergleichbarer?) Klassifikation sind „expressive Handlungen“ nicht an manifesten Zwecken orientiert, das heißt sie haben keine Ziele außerhalb der unmittelbaren Handlungssituation was jedoch nicht automatisch als Abwertung gegenüber kognitivinstrumentellen Orientierungen bzw. Verweis in eine Art Residualkategorie gelesen werden sollte (Staubmann 1995: 162).
Emotionen und Sozialkapital
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fendes?) moralisches Urteil als Kriterien herangezogen werden, sondern die Auswirkungen auf den Fortbestand des (wie bereits ausgeführt) vorrangig emotional stabilisierten Systems »Community« auf der Ebene der »Gruppe«. Es ist ferner anzunehmen, dass die bereits im Rahmen der Debatte um soziales Kapital ins Treffen geführten Konzepte des »Vertrauens« bzw. »Wohlwollens« sowohl dem Alltagsverständnis als positive (soziale) Gefühle gelten als auch der emotionalen Stabilisierung von Gruppen anders als ihre Gegensätze Sinne zuträglich sind.193 In diesen beiden Konzepten kumulieren demnach gewissermaßen die »Sozialformen« positiver Affekte denn nur, wenn sie kommuniziert werden (d.h. in die »Form« des Sozialen gebracht werden) können sie sich als emergente Phänomene konstituieren und wenn an ihre Selektionen angeschlossen wird (was zwar nicht selbstverständlich, jedoch wahrscheinlich ist und zwar nicht notwendig angenommen, jedoch erwartet werden kann), so reproduzieren sich aus diesen affektiven Kommunikationsmuster die Strukturen sozialen Kapitals und stellen damit die im Rahmen der Debatte um soziales Kapital ebenfalls durchwegs problematisierte Dualität von gleichermaßen Ursache und Wirkung deutlich heraus: A long tradition of research in social psychology also suggests that experiencing positive affect increases the likelihood that an individual will help others (…). Such altruism, in turn, can engender the positive emotion of gratitude in the person who receives help. Experiences of gratitude, in turn, often create the urge to reciprocate and thus form the base for a continuing cooperative relationship (…). (Fredrickson 1998: 311 m. Lit.v.)
In sozialen Systemen ist es also nicht die (ohnedies höchstens theoretisch mögliche) Kumulierung von »individuellen« Gefühlen, die von den strukturell gekoppelten psychischen Systemen repräsentiert werden (wie es die Idee der »emotionalen Ansteckung« suggeriert), sondern deren Kommunikation194 (als anschlussfähige affektive Kommunikation), die autopoietische Re-Produktion bzw. Konstitution auf emergenter Ebene als Sozialkapital des Systems ermöglicht. Dafür sprechen bspw. auch Studien von George (1989, 1990, 1995, 1996) oder die Ergebnisse, zu denen Cunningham (1988) kommt, nämlich dass good mood increases the likelihood of expansive, social, approach behaviors such as social interaction, prosocial behavior, and undertaking cognitive or physical challenges
193
194
Daneben nimmt Fredrickson (1998) an, dass positiven Gefühlen auch eine regulierende Funktion der negativen zukommt. Vgl. auch Bartel/Saavedra (2000: 202, passim).
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Fühlen whereas bad mood inhibits interest in such behaviors (…) (Cunningham 1988 zit. n. Batson et al. 1992: 300)195
So schlägt auch Fredrickson (1998) ausgehend von einer festgestellten Vernachlässigung ebensolcher positiver (zugunsten ausführlichere und facettenreichere Bearbeitung erhaltender negativer) Emotionen vor, zwei grundlegende Annahmen in der Untersuchung von Affekten zu überdenken. Während negative Gefühle nämlich zu einer Beschränkung des Handlungsrepertoires (im Extremfall: zu reflexartiger Antwort) führen, bewirken ihrer Ansicht positive Gefühle geradezu das Gegenteil: Wenngleich unauffälliger und weniger impulsiv erweitern sie das Spektrum der Optionen und das nicht (wie im Falle negativer Emotionen häufig beobachtbar) beschränkt auf physi(ologi)sche (autonome) Reaktionen: Some positive emotions seem instead to spark changes primarily in cognitive activity, und sie spricht in diesem Zusammenhang dann auch von thoughtaction tendencies (Fredrickson 1998: 303f). Wie bereits festgestellt worden ist, strukturieren Emotionen grundlegend die soziale Wirklichkeit das heißt der »Aufbau der sozialen Welt« ist in erster Linie ein »affektiver« und erst in zweiter ein »Sinn-hafter« und bilden »affektive« Kommunikationen entsprechende (»Sinn-haften« analoge) emergente »Eigenwelten«. Demgemäß können schließlich vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten nicht zu vernachlässigende Wirkungen zwischen diesen Dimensionen erwartet werden. „Kann es nicht sein, dass sich (…) Wahrnehmungen und Kognitionen vor allem deshalb miteinander verbinden, weil sie quasi »einander mögen«…?“, fragt beispielsweise Hinderk (2004: 75), und möglicherweise legen ereignishaft und autopoietisch (in anschlussfähiger Kommunikation) reproduzierte affektive Strukturen »Schienen« (Ciompi 1997ab, 2004), die sich zwar in »ihrer« Dimension der Kommunikation bezogen auf kognitive, aber dennoch strukturell unabhängig, laufend selbst im Anschluss an bereits existierende, bzw. im Rahmen der von ihnen vorgefundenen »affektiven« Strukturen reproduzieren. Vor diesem Hintergrund ist nun die Feststellung von Ciompi (1997ab: 249) „Sinn macht primär, was nicht nur kognitiv, sondern auch emotional zusammenpasst“ (vgl. bereits oben) in neuem Rahmen zu sehen. Die emergenten affektiven und kognitiven Strukturen sozialer Systeme (d.h. im hier vorgeschlagenen Sprachgebrauch »Sozialkapital« und »Wissen«) wirken damit möglicherweise weniger unmittelbar aufeinander ein als sie einen »Umweg« über ihre autopoietisch verlaufende kommunikative Reproduktion gehen, 195
Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Versuch der sozialen Annäherung (seeking out social contact), der Rippere (1977) auf die Frage What’s The Thing You Do When You’re Feeling Depressed? als häufigste Antwort angeboten worden ist (vgl. Morris 1992: 264).
Emotionen und Sozialkapital
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indem sie zum einen durch ihren Charakter als bereits erfolgte Selektionen aus einem Horizont von weiter bestehenden Möglichkeiten nicht nur die Bandbreite der potentiell erfolgreichen Anschlussoptionen für die Kommunikation ihrer Dimension einschränken, sondern sich vor allem aufgrund der engen Parallelität bzw. Komplementarität affektiver und kognitiver Strukturen (Strukturdimensionen) die letzteren möglicherweise an die ersteren »halten«, womit bereits bestehende, emotional positiv gefärbte Strukturen von kognitiven »Inhalten« (d.h. also: »Sinn-haften« Selektionen) nach- bzw. mitvollzogen werden. Nicht zuletzt zeigen Erkenntnisse der neueren Hirnforschung, dass „Erinnerungsinhalte, die mit starken Gefühlen verbunden sind, weit schneller ins Langzeitgedächtnis aufgenommen werden, als andere“, worin sich nach Simon (2004: 127) diese geschilderte „zentrale selektive Funktion von Emotionen“ zeigt. Damit könnte die kohärenzsteigernde Wirkung von Gefühlen (Hinderk 2004: 75) komplementär einen ebensolchen Effekt in der kognitiven Dimension der »Gedanken« bewirken. Zum anderen besteht potentieller Einfluss wohl vergleichsweise eher indirekt, im vorliegenden Kontext für soziale Systeme auf der Ebene von »Gruppe« sogar äußerst zentral in der stabilisierenden Wirkung durch emotionale Grenzerhaltung bzw. Identitätssicherung, die das Eingehen eines Risikos in der kognitiven Dimension (d.h. dem »Wissen«) erlauben, da durch Änderungen in dieser letzteren (mit a priori ja meist ungewissem Ausgang) nicht gleichzeitig der Fortbestand des Systems insgesamt am Spiel steht und man sich die Unsicherheit eines Versuchs eher »leisten« kann, als wenn man ausschließlich auf die sinnhaften Strukturen angewiesen und deshalb nicht so rasch änderungsbereit wäre.196 Das hieße, dass erst die Möglichkeit eines (vorübergehenden?) Divergierens der beiden (strukturell bzw. lose gekoppelten) Dimensionen die Stilisierung sinnhafter Erwartungsstrukturen als »kognitiv« (also: Wissen) bzw. deren tatsächliche Veränderung im Enttäuschungsfall (also: Lernen) wahrscheinlicher macht, es sich also um einen Bedingungszusammenhang handelt.
196
Vgl. Trope et al. (2001) zur Bedeutung affektiver Stabilisierung von Gruppen im Umgang mit unangenehmer Information.
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Fühlen
Abb. 7: Vollziehen in der autopoietischen Reproduktion Sinn-haft anschlussfähige Kommunikationen die affektive Struktur nach (links) oder verlaufen sie relativ entkoppelt (rechts)?
An dieser Stelle wäre daneben jedoch auch noch auf jene Berichte aus der Kulturanthropologie zu verweisen, die zeigen, „dass die sich am langsamsten verändernden Regeln von Kulturen durch affektive Kommunikation erlernt und weitergegeben werden“ (Simon 2004: 127). Dabei handelt es sich jedoch wohl neben dem Mit- und Nachvollziehen »affektiver« Strukturen durch sinnhafte bereits um die Stilisierung der letzteren als »normativ« (und nicht »kognitiv«). Diese mögliche Aufgabe der (für kognitive, also: Wissens-Strukturen ja konstitutiven) »Änderungsbereitschaft« unterstreicht zum einen die Bedeutung affektiver Phänomene für die Identität eines Systems überhaupt (vgl. Hall nach Simon 2004: 127), daneben zum anderen deren Beitrag zur Stabilisierung während der unsicherheitsbehafteten Zeitspanne wesentlicher Änderungen in der kognitiven (sinnhaften) Erwartungsstruktur. Grundsätzlich wären also hinsichtlich der Wirkungen von »Sozialkapital« auf »Wissen« zumindest zwei entgegengesetzte Effekte denkbar.197 Die »affektiven« Strukturen des sozialen Systems können zum einen die Bahnen für die »kognitiven« über weite Strecken vorzeichnen198 und damit noch dazu zu deren (gemeinsamen) Verfestigung beitragen. Andererseits wäre eine weniger starke (d.h. eher 197
198
Spätestens an dieser Stelle scheint der Hinweis angebracht, dass die Berücksichtigung von individuellen Interessen, unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten etc. also der Einbezug des Themas »Macht« i.w.S. im Rahmen der vorliegenden Arbeit aus Gründen inhaltlicher Fokussierung wie des Umfangs unterbleiben muss. Zu diesem blinden Fleck oft idealistisch verzerrter, normativ-tendenziöser Darstellungen vgl. immer wieder Schneider (insbes. 2006). Das entspricht wohl auch am ehesten den allgemeinen und speziellen „Operatorwirkungen“ von Emotionen bei Ciompi (1997ab, 2004).
Emotionen und Sozialkapital
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»flexible«) Bindung zwischen den beiden Dimensionen denkbar, die eine zumindest vorübergehende (weitgehende) Stabilisierung der »affektiven« bei gleichzeitiger Veränderung der »kognitiven« erlaubt und damit dem System die Möglichkeit eröffnet, Anpassungen im Wissensbestand (versuchsweise) vorzunehmen, ohne dabei unmittelbar auf alle Absicherungen neben den »Sinnhaften« verzichten zu müssen, sodass ein Umgang mit Enttäuschungen nicht den beteiligten psychischen Systemen überlassen, sondern bereits im Vorfeld innerhalb des sozialen Systems abgefangen werden kann. Das heißt, Lernen ist (auch im Bereich der Normen) ohne einen Verzicht auf Individualität (vgl. oben m. Baecker 2004: 16, m. Bezug auf Stenner) oder das Bezahlen mit (insbesondere: unangenehmen) individuellen Gefühlen möglich.
3.2.3 Soziales Kapital in einem differenzierten Modell Mittlerweile verbreitet rezipiert ist ein differenziertes Modell zur Untersuchung des Einflusses von Sozialkapital auf die Bildung von intellektuellem Kapital bzw. neuem Wissen (Nahapiet/Ghoshal 1998). Die Autorin und der Autor gehen dabei von der Beobachtung aus, dass Organisationen (wie bereits oben mit bspw. Tyrell 1983a: 79 festgestellt) reichlich Chancen zur Verdichtung sozialer Zusammenhänge in anderer als der intendierten Form provozieren, wobei in diesen dann auch Sozialkapital gewissermaßen als Nebenprodukt (vgl. ebenfalls oben) entstehen und sich im Laufe der Zeit ansammeln kann, sofern die dafür notwendige Beziehungspflege zur Kapitalvermehrung stattfindet.199 Auch für diese Autor(inn)en (1998: 243) umfasst soziales Kapital dabei mehr als die schlichten Netzwerkstrukturen in die Individuen eingebettet sind, jedoch gehen sie wohl etwas zu weit, wenn sie es definieren als the sum of the actual and potential resources embedded within, available through, and derived from the network of relationships possessed by an individual or social unit
und damit (m. Bezug auf Bourdieu 1986 und Burt 1992, aber auch Coleman 1988/2000, 1995 wäre zu nennen) neben dem Netzwerk (als Ressource) auch die durch dieses Netzwerk erschließbaren Ressourcen selbst einbeziehen (vgl. zur Notwendigkeit der Unterscheidung Portes 1998). Die erste der unterschiedenen Dimensionen ist als strukturelle (structural) jedoch zunächst auf dieses Netzwerk 199
Sozialkapital hat dabei die (meist positiv konnotierte) auch Wissen zugeschriebene Eigenschaft, sich im Gebrauch nicht zu verbrauchen, sondern zu re-produzieren oder gar zu vermehren.
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Fühlen
bzw. auf die Netzwerkbeziehungen selbst beschränkt. Das lässt sich mit den bisher in der vorliegenden Arbeit angestellten Überlegungen insofern problemlos vereinbaren, als die (Kommunikations-)Beziehungen conditio sine qua non bzw. die sich daraus ergebenden (emergenten) Strukturen gewissermaßen als »Form« des Sozialen konstitutiv auch für soziale Systeme sind. Ähnliches kann für die zweite, die relationale (relational) Dimension gelten. Zumindest insoweit als sie als eine affektive und emotional orientierte zu interpretieren ist und sie personal and emotional attachments bezeichnet, die als »Färbung« der Strukturen über rein quantitativ messbare Aspekte hinausgehen. Diese personal relationships können daneben wohl auch grundsätzlich eine Basis für Normen (d.h. »normativ stilisierte«, jedoch trotzdem bereits in erster Linie sinnhafte Kommunikationen) bilden. Anders stellt sich die Situation hinsichtlich der dritten Dimension dar, denn diese hätte als kognitive (cognitive) nach dem Verständnis der bisherigen Ausführungen in dieser Arbeit (nicht nur der Bezeichnung wegen) als »Wissen« zu gelten. Vielmehr ist es die Dynamik gerade dieses narrativen Wissens, das sich in der laufenden Aktualisierung durch eine »Community (of Practice)« und vor allem im Rahmen ihrer practice (vgl. unten) reproduziert, für die »affektive« (Sozialkapital-)Strukturen als wesentliche Bedingung vermutet werden müssen.200 Indizien für die Ursachen dieser Differenz, vor allem hinsichtlich der »inhaltlichen« Aspekte sozialen Kapitals, können im zugrunde gelegten Begriffsverständnis von »Wissen« (bzw. bereits vorher von »Informationen« wenn people exchange information) gefunden werden. Für Nahapiet/Ghoshal (1998: 250, passim) steht dieses wohl entgegen allen Beteuerungen einem objektivistischen nahe (vgl. networks for the transfer of information), was sich in der durchgehenden Betonung (der Metapher) von Transfer bzw. von exchange und combination of existing intellectual resources niederschlägt oder auch in Passagen zum Ausdruck kommt, in denen festgestellt wird, dass „one of the important barriers to the transfer of best practices within organizations is the existence of arduous relations between the source and the recipient“ (Nahapiet/Ghoshal 1998: 254, Hv. PR, m. Bezug auf Szulanski 1996). Damit wird zwar (der »relationalen«, damit der in dieser Arbeit betonten »affektiven« Dimension von) sozialem Kapital zwar eine wesentliche Bedeutung beim Umgang mit Wissen zugesprochen, 200
Anand et al. (2002: 88) meinen etwas überraschend (nicht nur was den impliziten Informationsbegriff betrifft: „Organizational social capital refers to the knowledge and information that organizations can access (…) using formal and informal ties (…)“, um in der Anmerkung aufzuklären: „We use the term social capital to refer to what Nahapiet & Ghoshal call the »cognitive aspect of social capital«.“ Stellt man dazu den Unterschied zur vorliegenden Arbeit im Begriffsverständnis in Rechnung, muss diese Dimension wohl als »Wissen« gelten.
Emotionen und Sozialkapital
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jedoch nicht als gemeinsam mit diesem Wissen in kommunikativer Praxis laufend neu zu erzeugend, sondern als von diesem »Wissenstransfer« unabhängig. Auch verdienen die Ressourcen von Individuen (a firm be viewed as »a collection of individuals« m. Penrose 1959: 46, zit. n. Nahapiet/Ghoshal 1998: 248) und deren Austausch (bzw. deren Kombination) zur Erhöhung des Wissensbestandes (vgl. Kogut/Zander 1992) dementsprechend viel Aufmerksamkeit, denn (…) new intellectual capital is created through combination and exchange of existing intellectual resources, which may exist in the form of explicit and tacit knowledge and knowing capability.
Und auch, wenn the combination and exchange of knowledge are complex social processes and that much valuable knowledge is fundamentally socially embedded, so ist dieses Wissen obwohl social knowledge nicht kollektives Wissen sozialer Systeme (vgl. oben und Willke 2002: 28, passim) wie bisher ausgeführt als deren »kognitiv stilisierte« Erwartungsstruktur und damit gewissermaßen über weite Strecken nicht intendiertes Ergebnis. Vielmehr werden neben der (bewussten) Antizipation eines positiven Ergebnisses aus Tausch und Kombination von eingebetteten (aber individuellen?) »Wissen« die Bedeutung individueller Motivation und ebensolcher Fähigkeiten für diese Interaktion betont, wobei davon ausgegangen wird, dass (…) social capital facilitates the development of intellectual capital by affecting the conditions necessary for exchange and combination to occur. (1998: 250)
Diese, bei Nahapiet/Ghoshal (1998: 132, passim) zentrale, unter anderem an Bourdieu (1986) orientierte Interpretation (sozialer) Beziehungen als Tauschverhältnisse (relationships are created through exchange)201 verweist auf einen Zugang zu den Konstrukten des sozialen Kapitals bzw. sozialen Wissens, der sich von dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten das heißt von der Beschreibung als zweier unterschiedlicher emergenter Phänomene sozialer Systeme anhand von Leitunterscheidungen deutlich abhebt.202 Vor dem Hintergrund dieser Auffassung bzw. des grundlegenden Verständnisses von sozialen als selbstreferentiellen, autopoietischen Systemen, die sich auf der Basis von Kommunikationen als Letztoperationen zum einen »affektiv« (d.h. mittels Gefühlen), zum anderen »Sinn-haft« (d.h. in Form von Wissen und Normen) re-produzie-
201 202
Bei Adler/Kwon (2000, 2002) werden in social relations auch favors und gifts „ausgetauscht“. Medien sind daher nicht mehr als ontologische Residuen zu verstehen (wie noch bei Parsons), sondern als kommunikative »Codes« bzw. allgemein als Bedingungen der Möglichkeiten für Differenzen (Unterschiede, die ihrerseits wieder einen Unterschied machen können,) zu sehen.
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Fühlen
ren203, will die vorliegende Arbeit daher vielmehr zwei der Anregungen von Nahapiet/Ghoshal (1998: 261) aufgreifen: Während die strukturelle Dimension als grundlegend für das Verständnis kommunikativer sozialer Systeme (bzw. deren conditio sine qua non) erachtet wird204, legt sich die hier vorliegende Untersuchung dann in weiterer Folge gewissermaßen »zwischen« die beiden »inhaltlichen« Beziehungsaspekte, die von Nahapiet/Ghoshal explizit getrennt betrachtet werden (1998: 261), wie in Abb. 8 dargestellt.
Social capital (A) Structural Dimension (Network ties …) Kommunikation als »Form«
(B) Cognitive Dimension (Codes, Narratives…)
Vorliegende Untersuchung
Wissen als »kognitiver Inhalt«
(C) Relational Dimension (Trust, Identification…)
Combination and exchange of intellectual capital
Creation of new intellectual capital
Access to parties for combining/ exchanging intellectual capital Anticipation of value through combining/ exchanging intellectual capital Motivation to combine/exchange intellectual capital
New intellectual capital created through combination and exchange
Combination capability
Sozialkapital als »affektiver Inhalt«
Abb. 8: »Sozialkapital« und »Wissen«, vereinfacht und ergänzt nach Nahapiet/Ghoshal (1998)
203
204
Das heißt auch: von operational geschlossenen Systemen (bspw. Luhmann 2001a: 59ff, 275ff), von denen jedes strukturell gekoppelt Umweltoffenheit sicherstellen muss: Die Grenze des Systems trennt Elemente, nicht Relationen „sie trennt Ereignisse, aber kausale Wirkungen läßt sie passieren“ (Luhmann 2001a: 52). Vgl. vielleicht als deutlichsten Rekurs den auf Simmel.
Emotionen und Sozialkapital
121
Immerhin sind es ja diese beiden Dimensionen (die »relationale« in Wechselwirkung mit der »kognitiven«), die in strong communities zu finden sind (1998: 258), wenngleich nach Ansicht der vorliegenden Arbeit unter Berücksichtigung der Bedeutung »affektiver« Kommunikation (1) erst wegen dieser besonders ausgeprägten »relationalen« Bindungen (strong) communities als solche bezeichnet bzw. (2) Auswirkungen auf die »kognitiven« (bzw. i.w.S.: »Sinn-haften«) Strukturdimensionen erwartet werden sollten. Daher sind es einerseits diese Beziehungen (1998: 261), die genauere Beobachtung nahe legen. Andererseits ist es (3) die suggerierte Möglichkeit einer »Anhäufung« von Wissen mit anschließender »Verteilung« bzw. (4) die kategorische Trennung von knowledge creation und diffusion (1998: 261) selbst, die angesichts eines Verständnisses von Wissen als emergente, autopoietisch reproduzierte kommunikative Struktur und komplexer Strukturveränderungsprozesse in sozialen Systemen eine Integration wünschenswert erscheinen lassen. Dies nicht zuletzt um eine weitere Annäherung an ein besseres Verständnis vom Zusammenwirken von Sozialkapital und Wissen (als emergente Phänomene unterschiedlicher Kommunikations-Gehalte) zu erreichen.
4.
Lernen
4.1
Communities of Practice
Angesichts der Herausforderungen die sich in und aus der »Wissensgesellschaft« für soziale Systeme auf allen Ebenen ergeben bzw. des vielfach ausgeblendeten oder zumindest unterbewerteten Bedingungszusammenhangs zwischen der affektiven, »Gefühl-vollen« und der »Sinn-haften« Kommunikationsdimension in sozialen Zusammenhängen einerseits, sowie unter Berücksichtigung der beschriebenen Eigenschaften von Sozialsystemen auf der Ebene von »Gruppe« andererseits, wird nun deutlich nachvollziehbar, weshalb »Communities (of Practice)« in vielen Fällen als vielversprechende, junge Alternativen für den Umgang mit »Wissen« insbesondere in der sie umgebenden modernen Lebenswelt gehandelt werden. Den die Ausführungen in der Regel einleitenden Ankündigungen als Neuheit205 werden jedoch meist unmittelbar auch Hinweise auf bei genügend großzügiger Auslegung (zumindest) bis in die Antike zurückreichenden Vorläufer vorangestellt. In der Tat sind soziale Zusammenhänge mit Zusammenarbeit und gemeinschaftlichem Erfahrungsaustausch zum Ziel vermutlich so alt wie die Menschheitsgeschichte, nämlich our first knowledge-based social structures, back when we lived in caves and gathered around the fire to discuss strategies for cornering prey, the shape of arrowheads, or which roots were edible, wie Wenger et al. (2002: 5) ausführen. Beginnend bei den Jagdgesellschaften der Höhlenmenschen und sich fortsetzend zu den Handwerkszünften im Europa des Mittelalters (Wenger/Snyder 2001, Wenger et al. 2002), wobei der Begriff des »Vorläufers« selbstverständlich entsprechend großzügig ausgelegt werden muss und nicht über wesentliche Eigenschaften einzelner »evolutionärer Zwischenstu-
205
In einer Rezension von Wenger et al. (2002) ist eingangs zu lesen, dass „as more and more companies are relying on their knowledge base, communities of practice have become a very visible reality in many organizations“, (Verburg 2003) und doch ist zu vermuten, dass sie bereits viel länger Realität (reality) und möglicherweise auch »sichtbar« (visible) sind, als ihnen (die ihnen zustehende) Beachtung zuteil geworden ist.
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Lernen
fen« wie bspw. manche Ziele der Handwerksgilden, nämlich hohen Institutionalisierungsgrad und hohe regulatorische Ansprüche bzw. vor allem Konservativismus oder Ablehnung von Neuerungen und Innovationen hinwegtäuschen darf. Dieser strukturellen Starrheit wird von der Mehrzahl der wohl bekanntesten Proponenten (Lave/Wenger 2003 {1991}, Lave 1993, Wenger 1999, Wenger/ Snyder 2001, Wenger et al. 2002 bzw. zunächst Orr 1996 {1990}, 1990, Brown/ Duguid 1991, 1998, 2000, 2001ab, 2002 usw.) mit dem Konzept der »Community of Practice« neben der Weitergabe von Wissen (im Sinne eines freien Diffundierens206 bzw. einer legitimate peripheral participation nach Lave/Wenger 2003 {1991}) nicht zuletzt dessen Weiterentwicklung erwartet, denn members share knowledge in free-flowing, creative ways that foster new approaches to problems (Wenger/Snyder 2001: 1). Als Voraussetzung dafür gelten jedoch nicht formale Mitgliedschaftsverbände als organisatorische Einheiten. Im Gegensatz zu ihren zahlreichen (mitunter in hohem Maße standardisierten) Vorläufern wird im Fall von »Communities (of Practice)« vielmehr deren informeller Charakter als (ursprünglich) loser Verbund von interessierten und initiativen Kolleginnen, die eher »beiläufig« als strukturiert und geplant im Kantinengespräch oder am mittlerweile bereits zu sprichwörtlichen Ehren gekommenen Kaffeeautomaten großzügigen Erfahrungsaustausch statt kleinlichen Egoismus praktizieren, betont (vgl. Henschel 2001: 45). Aber auch wenn sie als weitgehend selbstorganisierend und einflussresistent gelten, so wird dennoch auf der anderen Seite ihre Pflegebedürftigkeit unterstrichen. Denn nur, wenn sie analog zu einem gehegten Garten die benötigte zurückhaltende »Zuwendung« erführen, dürfe man eine komplementäre Ergänzung der und damit sogar entsprechend positive Auswirkungen auf die sie umgebenden (Formal-)Organisation erwarten (Wenger/Snyder 2001)! Nichtsdestotrotz handelt es sich um emergente Phänomene, die aus regelmäßigen Interaktionen als Kommunikations- und Handlungszusammenhang entstehen: Communities of practice are groups of people who share a concern, a set of problems, or a passion about a topic, and who deepen their knowledge and expertise in this area by interacting on an ongoing basis. (Wenger et al. 2002: 4)
Neben der ihren Mitgliedern gemeinsamen Problemstellung bzw. Passion für bestimmte Themen oder Fragen aus einem Fachgebiet (der domain der Community) als Kristallisationskern ist vor allem eine gemeinsame (kollektive), von den 206
Vgl. vor allem auch Begriff und Konzept der »Wissensinduktion« von Sammer (1999) oben bzw. Schneider (2001).
Communities of Practice
125
Mitgliedern geteilte (in der laufenden Reproduktion mit-vollzogene) in der Regel als eine auf gemeinsamer Wertebasis beruhend verstandene Identität kennzeichnend. Diese erlaubt für gewöhnlich, »echte« Communities (als emergentes, sinnhaftes wie affektives Ganzes) von Netzwerken zu unterscheiden (wie auch oben mit Schneider 2003a festgestellt)207. In diesen »Praxisgemeinschaften« könnten daher jene „sozialen Milieus, denen der Umgang mit Wissen, und das heißt problemgenau: der Umgang mit neuem Wissen selbstverständlich ist“ (Baecker 1999: 84f), gefunden werden. Nicht zuletzt weil von ihnen erwartet werden darf, dass sie der Reduktion von Wissen zu einem Objekt entgegenwirken, indem sie einerseits seiner »Prozesshaftigkeit« (vgl. schon oben m. Bezug auf Schneider 1996a, 2001) gerecht werden können208: Communities of practice do not reduce knowledge to an object. They make it an integral part of their activities and interactions, and they serve as a living repository for that knowledge (…) communities of practice are the ideal social structure for “stewarding” knowledge (…) they provide a social forum that supports the living nature of knowledge. (Wenger et al. 2002: 4)
Das heißt, Communities müssen zum einen die laufende kollektive auf individueller Ebene stets mit-vollzogene Reproduktion der sinnhaften Erwartungsstrukturen als conditio sine qua non ihrer Existenz sicherstellen, sie können aber zum anderen berücksichtigen, dass Kommunikation nicht notwendigerweise und vollständig über Sprache erfolgen muss, bzw. dass der Symbolaspekt nicht verabsolutiert werden darf: Die Verwendung von Sprache allein garantiert keinesfalls intersubjektiv verständliches (sinnhaftes [!]) Handeln. (…) Sicherlich ist der soziale Alltag der Menschen symbolisch »getränkt«. Aber keinesfalls läßt sich die gesamte alltägliche Wirklichkeit durch die ausschließliche Verwendung von Symbolen gestalten. (Hörning 2001: 48)
207
208
Zur Abgrenzung des Begriffs bspw. gegenüber Projektteams, task forces usw., aber auch anderen, eher dem klassisch-funktionalen Begriff der Organisation(seinheit)en entsprechenden sozialen Gebilden vgl. u.a. Wenger/Snyder (2001), Henschel (2001), Wenger et al. (2002). Nicht der möglichst effiziente Austausch von (geographisch) verstreuten Daten-Paketen zur unmittelbaren (Informations-)Bedarfsbefriedigung, sondern das Weiter-Entwickeln und Verarbeiten von raum-zeit-kontext- und vielfach: subjekt-abhängigem Wissen in einem sich durch Repetition und Distribution in der Erzählgemeinschaft selbst validierenden „narrativen Prozess“ (vgl. Lyotard 1986, 1987) steht hier im Vordergrund. Auf die Gefahr hin selbstverständlich, dass unmittelbare Effizienz- (und Effektivitäts-?) Verluste in Kauf genommen werden müssen, mit der Aussicht jedoch, mittel- bis längerfristig in den Genuss von Gewinnen kommen zu können.
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Denn wenn wir uns zudem in Erinnerung rufen, was weiter oben für soziale Systeme (und deren »Wissens-« bzw. »Normen-Bestände«) im Allgemeinen festgestellt werden konnte, so müssen wir außerdem in Rechnung stellen, daß die Ablehnung von Wissen nicht nur ein Beleg für aufklärungsresistente Irrationalität ist, sondern eine der stärksten Möglichkeiten, sich der eigenen Kultur zu vergewissern und diese Kultur zu demonstrieren. (Baecker 1999: 85)
Für eine hohe Veränderungsbereitschaft bedarf es demnach ganz besonders eines entsprechenden Ausmaßes an »Selbst-Gewissheit« bzw. »Selbst-Vertrauen«. Wo dies auf anderer Ebene als jener der sinnhaften, kognitiv stilisierten Erwartungsstrukturen sichergestellt werden kann (also zum Beispiel als »Selbst-Gefühl« in der affektiv-emotiven Dimension, wie oben dargestellt), verschafft sich das System zusammen mit einer partiellen (»strukturellen«?) Ent-Koppelung dieser Dimensionen möglicherweise einen wesentlichen Flexibilitätsvorteil gegenüber formal organisierten Systemen, die sich einseitig auf die »Sinn-hafte« Dimension verlassen. Vor dem Hintergrund des in der vorliegenden Arbeit bisher ausgearbeiteten systemtheoretisch orientierten Bezugsrahmens scheinen damit zwei Besonderheiten in der Literatur zu Communities of Practice an zentraler Stelle zu stehen. Zum einen ist es ein umfassendes Verständnis von »Wissen«, das im Begriff der practice zum Ausdruck kommt, zum anderen die Bedeutung, die der affektiven Dimension von Kommunikationsstrukturen und den daraus entstehenden emergenten Phänomenen der Community als Beitrag zum nutzbaren »Sozialkapital« zugerechnet (bzw. nach dem oben Gesagten beinahe: zugestanden) wird.
4.1.1 Practice In der Tradition alt-209 bzw. westeuropäischen Denkens vielfach unter dem Titel »cartesianisches Paradigma« auf die paradigmatische Formel cogito ergo sum reduziert210 steht nicht nur das (denkende, zweifelnde,…) »Subjekt« dem
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„Alteuropäisch“ nennt dieses Denken Luhmann (bspw. 2001a, 1997), zwar selbst vehementer Verfechter eines kognitiv(istisch)en Paradigmas (vgl. oben), jedoch vor allem in anderen Bedeutungszusammenhängen. Eine Denktradition, die Ryle (2002) als „Descartes’ Mythos“ im Kategorienfehler einer nicht hinterfragten Dualität verwurzelt sieht.
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»Objekt« der Erkenntnis gegenüber.211 Seinem individuell erlangten und sodann »explizit« formulierten Wissen wird auch der Vorzug gegenüber »kollektivem« bzw. »implizitem« gegeben (vgl. bspw. Cook/Brown 1999, Blackler 1995). Sogar Nonaka (1994), dem das Verdienst zugeschrieben wird, der Idee des impliziten Wissens (tacit knowledge) bzw. des Könnens212 von Polanyi (1964 {1958}, 1985 {1966}) zu breiter Bekanntheit verholfen zu haben, ist der Ansicht, dass realizing the practical benefits of that knowledge centers on its externalization and amplification through dynamic interactions between all four modes of knowledge conversion. (1994: 20, Hv. PR)
Seinem »Spiralmodell« der Wissensentwicklung bzw. vor allem der damit beschriebenen knowledge conversion kann wenngleich in der Zwischenzeit weit verbreitet (ähnlich wie bspw. Spender 1996 und andere) außerdem der grundsätzliche Vorwurf gemacht werden, die ursprüngliche Intention Polanyis zu verkennen (vgl. bspw. Cook/Brown 1999, Tsoukas/Vladimirou 2001). Wenn nämlich der Begriff von »Wissen« stets beide Aspekte einschließt, das heißt sich die beiden Dimensionen »explizit« und »implizit« nicht trennen lassen, sondern Implizites vielmehr einen „unentbehrlichen Bestandteil allen Wissens“ bildet, so würde nach Polanyi „das Ideal der Beseitigung aller persönlichen Elemente des Wissens de facto auf die Zerstörung allen Wissens hinauslaufen“ (1985: 27). Diesen Hinweis auf die Relevanz unhintergehbarer impliziter Wissensbestandteile sowie die zunehmende Bedeutung, vor allem aber die strukturellen Besonderheiten kollektiven bzw. »sozialen« Wissens (vgl. oben) in Betracht ziehend, gelangt man wohl mit Cook/Brown (1999) dazu, jede der vier möglichen Kombinationen als gleichwertig, vor allem aber: nicht auf (eine) andere reduzierbar zu betrachten (Vgl. auch Schneider 1996b: 21, passim).213 Nicht nur auf individueller, sondern auch auf kollektiver Ebene existieren damit Bereiche, die einer Verbalisierung bzw. »Explizierung« als WissensBestände (dennoch immer im Sinne von Zu- bzw. Zwischen-Ständen eines laufenden Prozesses) nicht zugänglich sind, die sich als unhintergehbar und zum 211
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Vgl. zur Sicht eines Praxistheoretikers auf die „konventionelle Subjekt-Objekt-Spaltung“ bspw. Hörning (2001). Zu den vor allem im Deutschen auftretenden sprachlichen Herausforderungen einer Unterscheidung zwischen »Wissen« (knowledge) und »Können« (knowing) vgl. auch Ryle (2002 {1949}) und dort die Anmerkungen der Übersetzer. Interessant wäre möglicherweise eine Erweiterung des Begriffspaars explicit und tacit (das verbreitet seine Übersetzung im Paar »explizit« und »implizit«, kaum jedoch »schweigend« usf. findet) um beispielsweise eine Kategorie implicit, um eine Art (explizierbares, aber) noch nicht expliziertes Wissen zu bezeichnen; im Gegensatz zu tacit knowledge bzw. knowing, das sich ja gleichsam per definitionem nicht »explizieren« lässt.
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Teil sogar als grundlegende Bedingungen möglicher expliziter Darstellungsformen erweisen. So bedürfen bspw. (informale) Erzählungen aber ebenso formale Routinen bzw. Abläufe notwendigerweise Rahmen der Interpretation (frames for understanding and interpreting), innerhalb derer ihnen Bedeutungen abgewonnen (zugeschrieben) werden können: „Their meanings emerge and undergo constant confirmation and/or modification through a kind of »negotiation in practice« as they are used (…)“ (Cook/Brown 1999: 292). An dieser Stelle tritt nur allzu deutlich die ursprüngliche dort auf individueller (personal) Ebene dargestellte Idee nichtreflexiver Wissensbestände zutage: „Polanyi defines explicit knowledge or knowing as something that can be reflected upon critically and tacit knowledge or awareness as an experience that cannot be he subject of reflection“, stellt Izard (1977: 152, Hv. PR) diesbezüglich fest, und rückt Letzteres sodann in die Nähe emotionaler Phänomene: „Tacit knowledge, like emotion while it is being experienced, is not subject to critical analysis by the person experiencing it.“214,215 In dieser Passage liegt zudem bereits ein weiterer Hinweis, der sich auch bei Cook/Brown (1999) dort unter Rückgriff auf Ideen des amerikanischen Pragmatismus, der Erkenntnis nicht als passiven Vorgang sondern als Teil eines Handlungszusammenhangs und Handlung als Voraussetzung und Ziel jedes Erkennens versteht, weiterverfolgt findet: »Wissen« wird als Aktivität (action), als Interaktion in der Konstitution der Lebenswelt verstanden, das heißt diese Aktivität gilt als eigenständige Erscheinungsform216 insbesondere jenes Wissens, das sich nicht vom tatsächlichen Handlungszusammenhang trennen lässt (vgl. skills und v.a. tacit knowing bei Polanyi 1964, 1985): Knowing is literally something we do, um es mit Dewey zu sagen (zit. n. Cook/Brown 1999: 387). Es ist nicht nur acquired in doing (Zuboff zit. n. Blackler 1995: 1024) und es ist nicht nur Bindeglied oder Verwendungszusammenhang für die vier zuvor identifizierten Wissensdimensionen (knowledge als a tool of knowing). Die handelnde Interaktion mit der Welt stellt selbst eine zentrale »Art des Wissens« dar.217 So versteht auch Giddens (1997: 53f) die »Praxis« menschlichen 214
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Damit wird vielleicht auch verständlicher, weshalb die Differenzierung von sozialem Kapital bei Nahapiet/Ghoshal (1998) neben einer strukturellen und einer affektiven auch die kognitive Dimension (in Form von shared narratives bzw. shared codes) umfasst und diese letztere nicht als kollektives explizites bzw. implizites (schweigendes) Wissen identifiziert wird (vgl. 3.2.3). Zu diesen auf Cook/Brown (1999) Bezug nehmenden Ausführungen vgl. auch die Abbildungen dort (1999: 383, 391, 393), sowie deren Versöhnung mit den Begriffen dieser Arbeit in Abb. 9. Ryle (2002: 47 Hv. PR) spricht sich gegen die Vorstellung von Wissen als Basis für Handeln aus, da „intelligentes Handeln nur aus einer einzigen Tätigkeit besteht und nicht aus zweien“. Schon Lane (1966: 650) stellt in seinem Aufsatz zur Verwendung des Begriffs »Wissen« mit Bezug auf Machlup (1962: 13) fest: „It includes both »the known« and »the state of knowing«.“
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Handelns nicht als fortlaufende Reihe diskreter Handlungen, die sich aus dem Kontext von Raum und Zeit herauslösen lassen. Vielmehr streicht er die Beziehung zum aktiven Erkennen heraus: „Menschliches Handeln vollzieht sich ebenso wie menschliches Erkennen als eine durée, als ein kontinuierlicher Verhaltensstrom.“ Dabei basiert es größtenteils auf »praktischem Wissen«, das es wiederum rekursiv in der sozialen Praxis erzeugt.218 Dieser für sich stehende und charakteristische „way of knowing“ (Vickers n. Cook/Brown 1999: 386) bezieht sich dabei wohl genuin auf einen (sozialen219) Kontext (By »practice« ... we refer to action informed by meaning drawn from a particular group context, wie Cook/Brown (1999: 387) es formulieren, bzw. man könnte sagen: „[N]icht jedes Tun ist schon Praxis. Erst durch häufiges und regelmäßiges Miteinandertun bilden sich gemeinsame Handlungsgepflogenheiten heraus, die soziale Praktiken ausmachen“ (Hörning 2004: 12, Hv. PR, ähnlich auch 2001: 164).220 Anders als in atomistisch-individualistisch orientierten Ansätzen wir hier eine konkrete (Handlungs-)Realisierung als notwendigerweise eingebettet in einen überindividuellen Handlungskomplex verstanden: Während »Handlungen« als analytische Einheit, als »Atome« in Gang gesetzt werden müssen, nach einem Impuls verlangen, bzw. Handelnde oft daraufhin (also: auf das warum oder wozu) befragt werden können, läuft eine Praxis immer schon öffentlich. Und die Frage, was sie am Laufen hält, sucht man besser durch Beobachtung als mittels Befragung empirisch zu beantworten. (Hirschauer 2004)
Damit weisen soziale Praktiken als soziale Phänomene weit über den einzelnen Handelnden und über die Situation ihrer Realisierung (»Aktualisierung«) hinaus (Vgl. Hörning 2001: 164).221 Wenngleich eine soziale Praktik in der oft zitierten Diktion von Schatzki (1996: 89) als nexus of doings and sayings „Zeit und Raum bindet, das heißt (…) über die Diskontinuität der Zeit und die Verstreutheit räumlicher Orte hinweg immer wieder neu hervorgebracht wird“ (Reckwitz 218
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Darüber hinaus betont Giddens (1997: 54f) auch durchwegs die Bedeutung des kollektiven »Wissensvorrats« bzw. „dessen, was ich lieber das in Begegnungen inkorporierte gemeinsame Wissen nenne“, denn dieses „ist dem Bewußtsein der Akteure nicht direkt zugänglich.“ Was an die Begriffe „Denkstil“ und „Denkkollektiv“ bei Fleck (bspw. 1983), oder die epistemic cultures von Knorr-Cetina (bspw. 1984, 1991, 1999) erinnert. Anders also als die „singuläre Aufführung und Präsentation“, die nach Hörning (2004: 12) der Performanzbegriff bezeichnet. Hörning betont an anderer Stelle (2001: 193f) neben diesem ständigen impliziten Verweis über die aktuelle Situation hinaus vor allem die sozialen Praktiken eignende spezifische Zeitlichkeit: „Die einzelne Handlung ist vom Vorher und Nachher [!] der Praktiken abhängig, in deren Zusammenhang sie stattfindet“, womit jedoch wohl ein Aspekt der Anschlussfähigkeit zulasten der beiden anderen Dimensionen über Gebühr? (vgl. unten) hervorgehoben wird.
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2004: 43), so transzendiert sie dieses Konkrete und erlaubt sie es dadurch zusätzlich, „die jeweiligen Kontexte zu überschreiten“ (Hörning 2004: 37): Praktisches Wissen zeigt sich nicht nur im Tun, sondern auch im darauf bezogenen Sprechen im Gewahrwerden, im Vermuten, im Erklären, im Schlussfolgern, im Rechtfertigen, im Kritisieren. (…) So wird im Reden über und im Abgleich von Beispielen auch oft das Allgemeine, das Regelhafte aufgeführt, für das die einzelnen Fälle Beispiele sein können. (2004: 37)
Praktiken sind ohne dieses praktische Wissen bzw. ohne derartige Wissensordnungen (Meier 2004) nicht denkbar, ihre Kontinuität ist ohne diese „kognitive Ordnung eines sozialen Wissens“ (Reckwitz 2004) kaum zu erwarten. Mit diesen sich als »Praxis« manifestierenden Wissensordnungen aber, die auch sozialen Systemen in Form von Handlungssystemen (Parsons 1951, 1964) Körperlichkeit verleihen, werden skilful performances mit Artefakten, »echten Menschen« usw. möglich. Bereits Schneider (1996b: 14) hat in ihrer frühen Arbeit als einen Zugang zum Thema »Wissensmanagement« die Konzentration „auf das, was die Griechen »techne« nannten, auf Wissen, welches sich in seiner Anwendung bewährt“ identifiziert. Hörning (2001: 234ff) jedoch möchte in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung getroffen sehen zwischen »technê«, als einem „Wissen um die Herstellbarkeit und den Gebrauch von Nützlichem“ bzw. als „Kompetenz, mit einer technischen Regel in einer sehr praktischen und den jeweiligen Kontextbedingungen entsprechend versierten Weise umzugehen und sich dabei auf Offenheiten und Unschärfen einzulassen“ einerseits und »praktischem Wissen«, das nicht in dieser Kompetenz aufgeht, andererseits: Praktisches Wissen ist mehr. Es ist Ausfluß einer sozialen Praxis, in der Technik zwar eine große Rolle spielt, die sich aber nicht in der Nützlichkeit der Dinge erschöpft.
„Praxis ist nicht nur Anwendung vernünftiger Mittel zur Erreichung vorgegebener Zwecke und Ziele“, schreibt Hörning (2001: 14), demzufolge die Idee der »sozialen Praxis« vielmehr eher einer »praktischen Klugheit« entspricht, da diese auch die Gewinnung von Kriterien, um den Einsatz der Kenntnisse und Fähigkeiten (als richtig/falsch, sinnvoll/sinnlos, gut/schlecht [!]) beurteilen zu können, beinhaltet (2001: 235ff). Gerade deshalb ist das »praktische Wissen« „imstande, in ein praktisches Denken (ein »Denken im Handeln«222) überführt zu
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So spricht Hörning (2004: 10, passim) dann (im gleichnamigen, von ihm mit Reuter editierten Sammelband) von doing culture bzw. in weiterer Folge von doing knowledge, wenn es darum geht, „wie Wissen gewusst wird“.
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werden“, wenngleich es sich nicht nur im »Tun« sondern genauso im Sprechen zeigt: Praktische Erkenntnis artikuliert sich nicht in Theorie, sie sucht nicht wie die theoretische Erkenntnis nach situationsunabhängiger Gewißheit. (2001: 11)
In der vorliegenden Arbeit ist ja bereits mehrfach festgestellt worden, dass der Begriff der »Praxis« nicht in Opposition zu jenem der »Theorie« gebracht werden soll: „Theoretisieren ist eine Praxis unter anderen“ meint bereits Ryle (2002: 28), und auch Wenger (1998: 48f) wird diesbezüglich sehr deutlich: Some communities specialize in the production of theories, but that too is a practice. ... Even when it produces theory, practice is practice. Ähnlich ist an dieser Stelle nun auf die in der Tradition von Austin (2002 {1962}) und seinem paradigmatischen How to do things with words bzw. in jener von Searle (2003 {1969}) und anderen stehenden Arbeiten zur Sprechakttheorie zu erinnern: Demnach »handeln« wir schließlich auch, wenn bzw. insbesondere indem wir etwas »sagen«. Schließlich ist Praxis (practice) nach diesem Verständnis auch stets ein SprechHandlungs-Wissen und »Sprechen« wie »Handeln« konvergieren dann in diesem Punkt im noch grundlegenderen, weil Soziales als Realität sui generis konstituierenden Akt des »Kommunizierens«. Die Folgen können in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Immerhin sind dann in diesem »Sprech-Handeln« ebenso verborgene implizite (besser: tazite) Bestandteile zu vermuten, die obwohl im Sprechen (sprechenden Handeln bzw. handelnden Sprechen) aktualisiert nicht explizit verbalisiert werden können (und um der Zerstörung zu entgehen, wohl auch nicht expliziert werden dürfen).223 Und letztlich sind angesichts des dieser Arbeit zugrunde liegenden und oben dargelegten Verständnisses vom Wissen sozialer Systeme (nicht nur dem der Gesellschaft oder dem von Organisationen sondern auch bspw. dem von Sozialsystemen auf Gruppen- bzw. Community-Ebene) als deren »kognitiv« stilisierte Erwartungsstrukturen, diese Systeme natürlich in der Kommunikation und das heißt letztlich: im Handeln auf »echte Menschen« (bzw. Personen) als Mitglieder (bspw. der »Community«) angewiesen (vgl. oben)224. Nur so können über die »Praxis« soziale Strukturen mit Personen (u.a. psychischen Strukturen) gekoppelt werden und nur so können diese Subjekte aus der Beobachtung und 223
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Vielleicht auch »sprechen-können« wie »denken-können« als Anwendung von genres (vgl. oben). Allerdings deutet die Idee des »kollektiven« Wissens bzw. die Zunahme der Bedeutung dieses »Wissens« sozialer Systeme darauf hin, dass der wertvollste Vermögenswert von Unternehmen nicht mehr so sehr (bzw.: so vorrangig) »Menschen« sind, sondern die in sozialen Zusammenhängen entwickelte kommunikative »Praxis«.
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Konfrontation mit ihrer Umwelt der Welt Sinn abgewinnen bzw. »ausverhandeln« (practice is a complex, collectively negotiated response to what they understand to be their situation wie es Wenger (1999: 78) ausdrückt)225. Und nur so können diese sozialen Systeme sich und ihren sozialen Wissensbestand auf der Grundlage selbst erzeugter Informationen (bzw. den diesen vorausgehenden Beobachtungsdaten) laufend reproduzieren226 und im Rahmen der strukturell angelegten und ebenfalls nur in diesem strukturellen Rahmen veränderbaren Möglichkeiten modifizieren und (weiter-)entwickeln227. Practice als a set of socially defined ways of doing things in a specific domain: a set of common approaches and shared standards that create a basis for action, communication and problem solving, performance and accountability (Wenger et al. 2002: 38)
ist damit nicht beschränkt auf explizites Wissen, sondern umfasst auch implizite Interpretationsrahmen (a very specific way of looking at nach Wenger 1999: 55). Ebenfalls schließt sie Kristallisationen in Form von Reifikationen nicht aus. Im Gegenteil: A community of practice produces abstractions, tools, symbols, stories, terms and concepts that reify something of that practice in a congealed form, wie bei Wenger (1999: 59) zu lesen ist. Von zentraler Bedeutung ist dabei insgesamt die soziale Konstruktion von Sinn(haftigkeit) bzw. von Lebenswelt im aktiven Handeln228 (the social experience of living in the world in terms of membership in social communities and active involvement in social enterprises mit Wenger 1999: 55). Durch dieses Handeln wird sowohl der gemeinsame Wis225
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„Soziale Praktiken beeinflussen hiernach erheblich unsere Vorstellung von Wirklichkeit“, denn nach Hörning (2001: 164, Hv. PR) „können wir nur insoweit über die Wirklichkeit der Welt wissen, sprechen und sie deuten, wie wir uns an ihr beteiligen, uns für sie interessieren, uns über sie aufregen (…)“ Und obwohl sich Wenger (1999: 126 Anm. 1) hinsichtlich dieses gewissermaßen sense-making vom Begriff der »Kultur« distanziert, ist das wohl eher graduell als prinzipiell zu verstehen (Practice is much more enterprise specific and thus community-specific than is culture), denn auch Ortner (1984), auf die er sich in diesem Zusammenhang sogar explizit bezieht, führt mit Bezug auf Geertz aus that culture is a product of acting social beings trying to make sense of the world in which they find themselves (1984: 130) und nimmt in ihrem Aufsatz zur anthropologischen Theorie practice as the key symbol of eighties anthropology (1984: 158, passim). In der blumigen Sprache von Wenger/Snyder (2001: 6) heißt das: „As communities of practice generate knowledge, they renew themselves. They give you both the golden eggs and the goose that lays them.“ „Praxis ist als Scharnier zwischen dem Subjekt und den Strukturen angelegt“, führt Hörning (2004: 13) aus, und „sie ist zugleich wiederholend und wiedererzeugend (…)“. Diese Praxis kann somit auch so etwas wie ein Sonderfall dessen sein, was Hörning (2001: 33) als „die soziale Praxis des einzelnen, sein übliches, manchmal auch sperriges Tun, sein wechselseitiges Handeln mit anderen und die ständig ablaufenden Prozesse gemeinsamer Sinnkonstitution (…)“ bezeichnet.
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sensbestand als auch das gemeinsame Selbstverständnis weiterentwickelt. »Gemeinsam« ist dieser Wissensbestand229 dabei nicht nur insofern, als a community’s knowledge is not held equally by all, but shared differentially across the community as a whole nach Brown/Duguid (2001b: 202) das heißt obwohl, bzw. gerade weil er von den einzelnen Menschen mitrepräsentiert und mitreproduziert werden muss. Darüber hinaus bedeutet Gemeinsamkeit auch, dass community knowledge is more than the sum of its parts (2001b: 203), nämlich als emergente (kognitive) Kommunikations- und natürlich auch Handlungsstruktur. Zusätzlich zur Unmöglichkeit der Trennung von »expliziter« und »impliziter« Wissensdimension (When it comes to meaningful knowing in the context of any enterprise, the explicit must always stop somewhere schreibt beispielsweise Wenger 1999: 69) sind diese beiden Aspekte von Wissen also außerdem in einem sozial (kommunikativen) konstruierten Handlungszusammenhang verwoben. Dadurch können schließlich kollektive (d.h. »soziale«) Wissensbestände in Form von (mehr oder weniger veränderungsbereiten) Erwartungsstrukturen entstehen, die ihrerseits wieder die laufende und notwendig anschlussfähige individuelle Neuinterpretation von Welt beeinflussen, sowie durch ihre selektive Wirkung zukünftige Möglichkeiten wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher werden lassen. Diese Historizität bzw. Pfadabhängigkeit verbindet dabei sowohl Bewahren (Erinnern) und Modifikation (Lernen bzw. Vergessen) in Form einer laufenden Re-Produktion der practice, die nicht als Objekt, sondern als emergente Struktur damit gleichzeitig selektiv-stabilisierend wie auch autopoietischanpassungsfähig zu verstehen ist (vgl. Wenger 1999: 93f): The simultaneous investment of practice in participation and reification can be a source of both continuity and discontinuity. (1999: 90)
Aber auch wenn Wenger (1999: 95f) zunächst für die Mitglieder der Community feststellt, dass „what they learn is their practice“ bzw. in weiterer Folge meint, dass „practice is the history of that learning”, so konzediert er wenig später in Übereinstimmung mit dem zuvor Festgestellten dass „practice is neither inherently stable nor inherently unstable” (1999: 97). Und obwohl er betont, dass die emergente Struktur nicht von dem Prozess der sie erzeugt getrennt werden kann, so ist weniger klar, ob es nur der Prozess des Lernens ist, der eine Community entstehen lässt: „To assert that learning is what gives rise to communities of practice is to say that learning is a source of social structure“ (1999: 96). Denn auch hier folgt wenngleich im Fall von Communities of Practice it is ... essen229
„Praktisches Handeln“ erfordert nach Hörning (2001: 31) „ein praktisches Wissen, das sich in einem Alltag voller Ungenauigkeiten und Unerwartbarkeiten bewährt.“
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tial always to assume learning (1999: 98) die einschränkende Relativierung umgehend: The negotiation of meaning is an open process, with the constant potential for including new elements. It is also a recovery process, with the constant potential for continuing, rediscovering, or reproducing the old in the new. (1999: 96) Change and learning (…) are in the very nature of practice; they can be assumed to occur, but they also include continuity as well as discontinuity. (1999: 98)
Dieses Pendeln zwischen Stabilität und (Ver-)Änderungsbereitschaft spiegelt dabei die sich für soziale Systeme laufend stellende und für die vorliegende Arbeit auch zentrale Herausforderung der Stilisierung von nicht nur Kommunikationsstrukturen, sondern letztlich (lebensweltlich) auch Handlungsmustern wider (vgl. oben). Die Wissensbestandteile und Wissensformen unterschiedlichster Art vereinende Praxis einer Community als kollektiver Wissensbestand ist aus dieser Perspektive als »kognitiv« stilisiert bzw. »veränderungsbereit gehalten« dem »normativ stilisierten« bzw. auch im Enttäuschungsfalle nicht aufgegebenen Normenbestand gegenüberzustellen. Gerade letztere sind es jedoch, die einen wesentlichen Beitrag zur Systemstabilität, bzw. überhaupt zur Aufrechterhaltung der Autopoiese leisten. Demgegenüber sind nach Brown/Duguid (1991: 50) the actual behaviors of communities-of-practice (…) constantly changing both as newcomers replace old timers and as the demands of practice force the community to revise its relationships to its environment.
Zusammenhängend mit der Frage nach den Möglichkeiten einer Veränderung emergenter Strukturen im laufenden Reproduktionsprozess ist damit nämlich die grundlegende Frage nach der Identität also nach dem Beständigen inmitten dieser (möglichen bzw. wie von Wenger (1999: 98, passim) suggeriert: sogar sehr wahrscheinlichen) Veränderungen als Bedingung der Existenz gestellt. Umso mehr noch, als communities of practice can form without being named or otherwise reified [and] most people do not think about their lives and their identities in these terms (Wenger 1999: 126) und die practice indem sie der Umwelt ausgesetzt wird einem laufenden Wandlungsprozess unterworfen ist, scheint dieser Punkt klärungsbedürftig. Im Fall sozialer Systeme ist dafür unmittelbar die wohl auch aus diesem Grund konstitutive Grenzziehung zu ihrer Umwelt relevant (vgl. oben), das heißt die in allen Zeitpunkten notwendig stattfindende Feststellung der Zugehörigkeit von Elementen (Operationen) entweder zum System oder zur Umwelt. Definition des »Innen« bzw. »Außen« ist schließlich die grundlegende Aufgabe, die ein (soziales) System für sich selbst zu leisten hat. Die dafür erforderliche,
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laufend zu aktualisierende (bzw. zu re-produzierende) und aufrecht zu erhaltende Grenzziehung ist gleichzeitig das Ergebnis dieser basalen System/Umwelt Differenz, auf deren Basis wiederum Elemente als Elemente in Anspruch genommen werden können (vgl. Luhmann 2001a: 35ff, 42f). Im Fall einer Community of Practice heißt das letztlich: „Practice is the source of its own boundary“, wobei Wenger (1999: 113) vermutlich auch diese identitätssichernde Bedeutung für das System im Blick hat, denn „the boundary is not only for outsiders; it also keeps insiders in.“230 Die Suche nach einem Anhaltspunkt inmitten dieser selbstreferentiellen Konstruktion wird jedoch sich selbst eingestehen müssen, dass trotz aller anzutreffender Reifikationen bzw. damit einhergehenden Symboliken sowie der damit einhergehenden realitätsformenden Wirkungen (vgl. Wenger 1999: 59f) kaum eine (weder eine abstrakte noch eine sich materialisierende) Entität, die als einheitsstiftend gelten kann, auszumachen sein wird. Allerdings erlaubt es erst ein übereinstimmend bestimmbarer nicht notwendigerweise ausdrücklich als solcher bestimmter Handlungs- bzw. Wissens-Bereich (domain) als Kristallisationskern für die Practice einer Community, von einer »Community of Practice« zu sprechen. Denn nur in Bezug auf einen solchen Bereich kann sich über eine persönliche (mehr oder weniger formale) Beziehungsstruktur hinausgehend auch Verantwortung für einen gemeinsamen Wissensbestand herausbilden. Er stellt damit gewissermaßen das »Thema« des sozialen Systems dar, mit dessen Hilfe »Beiträge« (wie »Beitragende«) selektiert werden können: Es wird reguliert, wer was wann (in welcher Form) beitragen kann (vgl. Luhmann 2001a: 212ff). Thema und Beiträge, bzw. domain und practice verweisen selbstverständlich entsprechend eng aufeinander the domain denotes the topic [!] the community focuses on, the practice is the specific knowledge the community develops, shares, maintains (Wenger et al. 2002: 29). Und wie auch die der Community zugrunde liegenden Handlungs- bzw. Kommunikationsstrukturen, sowie die sich daraus bildenden emergenten Wissensbestände bzw. ihre Praxis sich stets (»Sinn-haft«) anschlussfähig konstituieren müssen, so ist auch die (Handlungs- bzw. Wissens-)Domäne nicht beliebig (ver-) änderbar. Dennoch sind in den Strukturen wie im sie umgebenden sozialen System der »Community« die Möglichkeiten einer Modifikation und Weiterentwicklung angelegt: A domain is not a fixed set of problems. It evolves along with the world and the community (Wenger et al. 2002: 31). Dabei macht übertriebene 230
Später wird Wenger (1999: 149) das Thema der Identität weiter bearbeiten und davon ausgehen, dass There is a profound connection between identity and practice, womit er sich allerdings durchgehend auf die »personalen« Identitäten der Mitglieder einer »Community« bezieht.
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Engführung Anschluss- und damit Überlebensfähigkeit zu unwahrscheinlich, indem Beiträge zu stark selektiert werden oder das Thema zu rasch erschöpft ist. Allzu breit angelegte Themenbereiche erlauben demgegenüber zwar vielfältige Beitragsleistungen, das jedoch vermutlich nur zu den Kosten, die aus Strukturierungsverlusten (bzw. dem Rückfall in nicht bearbeitbare Komplexität) entstehen. Mapping domains and defining their content is an art stellen Wenger et al. (2002: 32) in diesem Zusammenhang fest. Immerhin geht es dabei um die wohl grundlegende Entscheidung für einen Wissens- bzw. Praxisbereich (also: gegen alle anderen möglichen Bereiche) und folglich um die Frage der Identität (The domain creates common ground and a sense of common identity (2002: 27)) bzw. um die Grenzziehung, mit der sich das System von seiner Umwelt und den Systemen in seiner Umwelt abgrenzen will. Und da trotz Abstraktheit immer auch (mögliche) lebensweltliche Themen und Probleme eine Rolle spielen (2002: 32), ist diese erwartungsgemäß in hohem Maße emotional besetzt: Without commitment to a domain, a community is just a group of friends. A shared domain creates a sense of accountability to a body of knowledge and therefore to the development of a practice. (Wenger et al. 2002: 30)
Damit wird an dieser Stelle schließlich deutlich, dass die »Sinn-hafte« Definition bzw. Anschlussfähigkeit einer Wissensdomäne sowie die Entwicklung einer kollektiven Praxis nicht ausreichend sind, um von einer »Community of Practice« sprechen zu können. Zu grundlegend sind dafür affektive Aspekte wie bspw. commitment als Bedingung für accountability zur Bestimmung genau jener (kollektiven) Identität, die als Besonderheit für »Communities« im Gegensatz zu sozio-ökonomischen Netzwerken unterschiedlichster Art gelten kann. So stellen auch Schwen/Hara (2003: 261) in ihrer Metauntersuchung fest, dass a healthy CoP is one in which the practitioners find personal and profound meaning in their work. Das finden sie auch in den Beispielen von Lave/Wenger (2003 {1991}) bestätigt, denn: (…) the weakest example of a productive CoP was the butchers. The designers of this system had made an important modification to a prior practice. The introduction of formal training and the restriction of practice on economic grounds in supermarkets made the practice far more restrictive, sterile and mechanical. There seemed to be far less negotiated meaning around a clear sense of professional identity formation. The exchanges were less about the practice of butchers and more about the routines that created efficiency. It is not that these topics are mutually exclusive, but it is the ratio that is at issue.
Auch bei Duguid (2003) findet sich in einem jüngeren Aufsatz (wie bereits implizit in Brown/Duguid 2001b) die Unterscheidung von Networks of Practice (NoP) in Abgrenzung zu Communities of Practice (CoP) in ähnlicher Weise (vgl. oben): Nicht nur quantitative bzw. geographische Ausdehnung, sondern in
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erster Linie eine (aufgrund der Extensivität?) weniger ausgeprägte implicit responsibility for the reproduction und dafür eher technisch-instrumentelle (Austausch-)Beziehungen kennzeichnen die Netzwerke. Ausgeprägte Mechanismen (mehrdimensionaler) sozialer Kontrolle und affektive Bindungen sind demgegenüber in Communities zu finden: „Relations among members are most dense in the CoP and fade gradually towards oblivion at the outer reaches of the NoP as the amount of practice in common diminishes (…)“ (Duguid 2003: 12). Daran wird deutlich (wie bereits oben festgestellt), dass soziale Konstruktionen von »Realität(en)« wie von Identitäten nicht nur aus der Beobachtungsperspektive psychischer Systeme (d.h. als individuelle bewusstseinsmäßige Konstruktion der Wirklichkeit bzw. der Aneignung von Welt) gesehen, sondern auch als emergente Phänomenbereiche sozialer (kommunikativer) Systeme verstanden nicht auf ihre »Sinn-hafte« Dimension reduzierbar sind, wenn sie nicht unzureichend und einseitig, ja sogar in hohem Maße defekt sein wollen. Die Kommunikationsstrukturen sozialer Systeme bedürfen als social fabric (Wenger et al. 2002: 28) zusätzlich zu einer (besser noch: vor einer) »Sinnhaften« Bestimmung einer affektiven (»Gefühl-haften«) Einfärbung als wesentlichen Beitrag zu einer basalen Form der Bestimmung von Identität und sozialer Wirklichkeit.
4.1.2 Community Sozialkapitalbeziehungen können nur in der Praxis existieren, stellt Bourdieu (1983: 191) fest, und in der Tat sind es diese »persönlichen« Verflechtungszusammenhänge, die als zweite bei sozialen Systemen dieser Ebene besonders deutlich in Erscheinung tretende weil »affektiv« gefärbte Seite der Medaille auch in Bezug auf Communities of Practice als web of enduring relationships (Wenger et al. 2002: 62) zu erwarten sind: The concept of practice connotes doing, but not just doing in and of itself. It is doing in a historical and social context that gives structure and meaning (…) In this sense, practice is always social practice. (Wenger 1999: 47)
Die beiden Begriffe der Practice wie der Community in »Community of Practice« verweisen aufeinander und tragen zur wechselseitigen Bestimmung bei, denn zum einen ist die Praxis (wie sehr sie auch kognitive Erwartungsstrukturen herausbilden mag) stets eine soziale (vgl. oben), und zum anderen ist sie auch selbst
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Identifikationsträger bzw. Identitätsgenerator für soziale Zusammenhänge231 (a shared practice thus connects participants to each other nach Wenger (1999: 77)), wobei allerdings keine Beschränkung auf »Sinn-hafte« (i.S.v.: kognitiver) Kommunikation besteht. Wesentlich sind nämlich vielfältige social relations as factors in the negotiation, die nicht einmal auf unmittelbaren sprachlichen Austausch beschränkt ist (1999: 53).232 Die Practice einer »Community«, die dabei als kollektives Erzeugnis Funktionen einer (Sub-)Kultur erfüllt, embodies a certain way of behaving, a perspective on problems and ideas, a thinking style, and even in many cases an ethical stance ... that binds the community together (Wenger et al. 2002: 39), geht also deutlich über die kognitiven Strukturen hinaus bzw. umfasst notwendigerweise auch als affektive Grundstruktur emotionale Aspekte. Das wird schon am (in der Literatur) von den Mitgliedern geforderten Gefühl der Verantwortung für die gemeinsame domain bzw. practice deutlich: Caring for a domain goes beyond mere interest (Wenger et al. 2002: 44). Darin tritt auch der Unterschied zu einer über weite Strecken mit gewissermaßen emotionaler Teilnahmslosigkeit (im Sinne weitgehender affektiver Neutralität) möglichen Aneignung professioneller Routinen zutage. Denn auch participation is more than mere engagement in practice (Wenger 1999: 57) und geht über den jeweils aktuellen Handlungszusammenhang hinaus.233 Es ist vielmehr anzunehmen, dass es vor allem die Kombination der individuellen und kollektiven »expliziten« wie »impliziten« Elemente im Rahmen ebendieser Praxis sind (vgl. oben knowing as action), die das Gefühl einer Art Einbettung entstehen lassen können: „The concept of participation is meant to capture this profoundly social character of life“ (Wenger 1999: 57). Dennoch gilt für die »Community« gemeinsam mit der ihr gleichzeitig zugrunde liegenden wie aus ihrem sozialen Zusammenhang entstehenden Praxis der aktive Kommunikations- bzw. Handlungszusammenhang als Entstehungsbedingung. Wenngleich sie sich in Reifikationen »niederschlagen« und zum Teil sogar materialisieren kann, so ist ihr eine Existenz im (herkömmlichen) »abstrakten« Sinn nicht möglich. Sie bedarf relations of mutual engagement und kann weder auf die Gemeinsamkeit von Charakteristika, noch auf geographische Nähe (Anwesenheit, Erreichbarkeit) reduziert werden. Bedeutender scheint in diesen 231 232
233
Die »Community of Practice« ist eben auch (erst) eine Community through Practice. Ähnlich wie bereits Luhmann (2001a: 207ff) in Zusammenhang mit dem kommunikationstheoretischen Paradox dass man nicht meinen muss, was man sagt und andererseits nicht sagen kann, was man meint klarstellt, dass weder Intentionalität noch Sprachlichkeit zur Definition des Kommunikationsbegriffs verwendet werden können. „Soziale Praktiken als soziales Phänomen weisen“, wie auch Hörning (2001: 164) feststellt, „weit über den einzelnen Handelnden und über die Situation hinaus, in der diese Praktiken jeweils zum Einsatz kommen.“
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Zusammenhang jedoch ein drittes der exemplarischen Negativkriterien bei Wenger (1999: 73f): A community of practice is not defined merely by who knows whom or who talks with whom in a network of interpersonal relations through which information flows.
Von einer Analyse der Verwendung des Begriffs »Information« soll an dieser Stelle abgesehen werden, um stattdessen auf den implizierten qualitativen Aspekt der Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer »Community« hinzuweisen, wie er bereits in ähnlicher Formulierung bei Bourdieu (1983) (bzw. in weiterer Folge bei sich an ihm und seinen Arbeiten Orientierenden) anlässlich der Beschreibung von sozialem Kapital als (emergentes) Produkt aus einer ganz bestimmten Art der Beziehungen in sozialen Zusammenhängen (vgl. oben) anzutreffen ist. Wie bereits oben ausgeführt, sind diese eine wesentliche Quelle nicht nur der Strukturierung sozialer d.h.: sozial (i.S.v. »affektiv-sinnhaft«) konstruierter Wirklichkeit, sondern auch der Konstruktion individueller wie auch insbesondere kollektiver Identität(en). As a site for identity formation, CoPs represent major personal investment by members, wie Duguid (2003: 13f) feststellt. Darauf zielen letztlich auch die Verweise auf den besonderen qualitativen Charakter von Communities ab. Nur deshalb können sie ihren Mitgliedern Heimat (Schneider 2003a) ein auch in einer »turbulenten« Zeit mit steigenden Veränderungsgeschwindigkeiten formaler Organisationsstrukturen bzw. dem Einsatz flexibler Arbeitsorganisationen weiter bestehendes Bedürfnis bieten234, wofür auch Wenger et al. (2002: 20) gleich zu Beginn ein illustratives Beispiel bringen, indem sie einen Techniker wohl stellvertretend für viele zitieren: „You are redeployed so often, the only source of stability is your community of practice. It is great to have them. These are people you know you will be with the rest of your career.“ Niederschlag finden diese grundlegenden Annahmen von der Notwendigkeit einer besonderen »Beziehungsqualität« in Communities in den Formulierungen ihrer Proponenten235, wie zum Beispiel bei Wenger et al.: A community of practice is not just a Web site, a database, or a collection of best practices. It is a group of people who interact, learn together, build relationships, and in the process develop a sense of belonging and mutual commitment. (2002: 34) 234
235
„They provide homes for identities. They are not as temporary as teams, and unlike business units, they are organized around what matters to their members. (…) If companies want to benefit from people’s creativity, they must support communities as a way to help them develop their identities“ (Wenger 1998). Überraschenderweise scheint Wenger (1999) dem Konzept der Community zunächst noch um einiges differenzierte (bzw. kritischer) gegenüberzustehen als in späteren Ausführungen.
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Lernen Interacting regularly, members develop a shared understanding of their domain (…) they build valuable relationships based on respect and trust (2002: 35) A strong community fosters interactions and relationships based on mutual respect and trust. It encourages a willingness to share ideas, expose one’s ignorance, ask difficult questions, and listen carefully. (2002: 28)
Es ist eine besondere Form der »Beziehungsarbeit« zu leisten, die Teil einer jeden Praxis (intrinsic part of any practice) ist: Sie verlangt work und constant attention (Wenger 1999: 74f), die sich im treating information and resources as something to be shared and being responsible to others (1999: 81) zeigt, vor allem aber ganz besonders ein Engagement in der »Beziehung« zur practice (denn diese reflektiert die Identität der »Community«) betrifft. Über dieses Engagement hinaus sind es dennoch die zwischenmenschlichen Beziehungen based on respect and trust (Wenger et al. 2002: 35) die als Voraussetzung für florierende Communities gesehen werden können. Simple socializing behavior ist erst der Anfang (Gongla/Rizzutto 2001), um von einfachen Interaktionssystemen zu diese überdauernden Sinnzusammenhängen zu gelangen (und schließlich die »nächste« Emergenzebene: jene der Gruppe zu erreichen). Vor allem aber bedeutet es, nicht nur Beiträge in der Form »Sinn-hafter« Kommunikation zu Themen beizusteuern, sondern sich auch »affektiv« zu »binden«. Diese Festlegung ist zunächst nur als einseitige Vorleistung möglich (vgl. Luhmann 2000b), bevor sie Anschlussfähigkeit offerieren kann. Dann aber ist es möglich (wenngleich nicht notwendigerweise wahrscheinlich), dass entsprechende Anschlusskommunikationen auch affektive Informationen zu induzieren versuchen und sich damit gemäß dem Prinzip der kleinen Schritte diese im »Wiedersehen« als (bspw. Vertrauens-)Kapital ansammeln (vgl. oben). Das Risiko einzugehen ohne eine Gegenleistung unmittelbar (sondern entweder zu einem späteren Zeitpunkt oder wie es Gouldner (1984) im Fall von »Wohltätigkeit« (vgl. oben) propagiert eben gar nicht) zu erwarten, kann sich so als Zündfunken erweisen. Aber auch »Nachsichtigkeit« trägt zu einem »positiven« Klima in der »Community« bzw. über die affektiv gefärbten Kommunikationen zu sozialem Kapital in Form von ebensolchen Erwartungsstrukturen im System bei. Im Laufe der Zeit finden die Mitglieder dann solace, support, and satisfaction in the intimate local long-standing traditions (Schwen/Hara 2003: 261). Vor allem angesichts ihrer Verortung auf der Ebene des sozialen Systems »Gruppe« kann diese Betonung affektiver Steuerungsmechanismen nicht überraschen. Es muss wohl sogar eher angenommen werden, dass in der hier verwendeten Terminologie (vgl. oben) die »Community« mit ihrer affektiven Strukturierung nicht nur in der Definition auf die »Practice« verweist, sondern gewissermaßen als »soziales Kapital« wesentlicher, weil konstitutiver, Bestandteil einer »Community of Practice« ist, da diese in der Tiefenstruktur das
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Korrelat zu dem dieser Praxis zugrunde liegenden expliziten wie impliziten »Wissen« in Form von sinnhaften (d.h. kognitiv stilisierten) Kommunikationsstrukturen darstellt. Diese Kommunikations- bzw. letztlich: Handlungsstrukturen bringen dabei in der »Realität« selten getrennt oder trennbar, sondern viel öfter bis zur Unkenntlichkeit verschmolzen »kognitive« (bzw. »normative«) und »affektive« emergente Phänomene hervor. Dieses Zusammenwirken von Emotionalität bzw. affektiver Strukturierung der »Community« (»Sozialkapital«) und ihrer Praxis (als umfassend integrierter »Wissens(be)stand«) findet seinen Ausdruck schließlich auch in den bekannten Formen, in die Kommunikationen selbst gebracht werden und die mitunter als eines der Spezifika von Communities ähnlichen sozialen Zusammenhängen gehandelt werden.236 Story-Telling und narrative Erzählungen (Narratives) sind nicht nur embedded in the social system in which they arise and are used (Brown/Duguid 1991: 54), sondern werden auch den Erfordernissen nach Detailgenauigkeit (wo sie erforderlich ist) und Einfachheit (wo sie sich nicht als reine Abstraktion von der Greifbarkeit der »Realität« entfernt) gerecht: Wie Berger/Luckmann (2004: 73) in Zusammenhang mit Tradition und Sedimentation von Wissen (im Rahmen der Institutionalisierung) berichten, abstrahiert die sprachliche Bezeichnung („Großes Töten von männlichem Nashorn, allein, mit einer Hand“) von individuellen Zufälligkeiten und „wird zur individuellen Möglichkeit für jedermann oder jedenfalls für einen bestimmten Jedermannstypus (…)“. Stories and their telling can reflect the complex social web, heben auch Brown/Duguid (1991: 44) die zentralen Vorteile hervor, denn sie sind (particular wie gleichzeitig adaptable) vor allem means to interpret each new situation in the light of accumulated wisdom and constantly changing circumstances, womit sie den Anforderungen ebendieser Komplexität, die allem Sozialen eignet, gerecht werden können. Außerdem schaffen sie intuitiv neben der Verschmelzung von »expliziten« und »impliziten« Dimensionen zum einen die Einbettung »individueller« in »kollektive« Wissensbestandteile, zum anderen aber in diesem 236
Bzw. gibt zu den Fragen Anlass, inwieweit nicht nur räumliche (geographische) Nähe, sondern darüber hinaus sogar regelmäßige face-to-face Interaktion für diese Effekte bzw. eine »echte« und funktionierende Community erforderlich sind, ob reine Virtualität bzw. Medienvermittlung (Dürr et al. 2004) auf andere, aber keine unlösbaren Problembereiche stößt, u.v.m. (vgl. bspw. Rheingold 1993, Schmidt 2000, Nohr 2001, Hall/Graham 2004, Schweiker 2004 aber auch ähnlich Constant et al. 1994, Lerner/Tirole 2001). Schwen/Hara (2003) stellen mit Bezug auf vorangegangene Untersuchungen fest, dass „the strongest CoP used collaborative technologies the least and (…) despite elaborate, sophisticated, and expensive technology, no discernable online CoP was observed“, und urteilen: „Current enthusiasm that a community of practice (CoP) would be a compelling tool to support learning in organizations is well beyond empirical evidence and is inconsistent with related theory for nurturing CoPs.“
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Zusammenhang weitaus bedeutender vor allem die Einbettung des ver- und geteilten knowledge in die im Handlungszusammenhang stets aufs neue aktualisierte Praxis des knowing. Damit leisten sie gleichzeitig einen Beitrag zur Sicherung, Veränderung, (Weiter-)Entwicklung des kollektiven Wissens (knowledge als auch knowing), was insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung, die den kollektiven impliziten Aspekten (vgl. bspw. oben die genres von Cook/ Brown 1999) zukommen, als wesentlich gesehen werden sollte. In gewisser Weise besteht ihr Beitrag in der Verbalisierung bzw. Explizierung und Transferierung der gemeinsamen Praxis (wo dies eben möglich ist) und gerade auf Basis dieser geteilten Praxis ist die Verbreitung von Wissen bzw. das Teilhaben am kollektiven Wissensbestand möglich (Brown/Duguid 2001b: 205 m. Bezug auf Orr 1996)237: shared practice demarcates the extent to which knowledge can spread. Und es ist diese epistemologische Form des knowing (Cook/Brown 1999) in der Praxis, auf die sich die Diskussionen um Communities of Practice konzentrieren (sollten). Kritisch Schwen/Hara (2003: 263) auch hierzu: The theory is about knowing. The theory is about the kind of thoughtful, reflective dialogues that occur […in solving…] every day problems. (…) Workers in a CoP are responding to their work environment by sharing stories, problematizing work-related issues, and actively constructing their knowing [!] process.
Story-Telling nutzt dabei „Geschichten als Balance von Fakten und Gefühlen, von Authentischem und Anonymisiertem“ (Eppler 2004: 405). Letztlich ermöglicht bzw. wesentlich unterstützt wird dies schließlich insbesondere durch einen hohen Grad an Personalität in den Beziehungen im Unterschied zu (anderen) networks of practice (Brown/Duguid 2001b, Duguid 2003) bzw. durch eine grundlegende Emotionalität, die als emergentes Phänomen aus den Strukturen affektiver Kommunikation entsteht und sich (in der Diktion der vorliegenden Arbeit) in der Form von Sozialkapital bemerkbar macht. So ist die direkte und unmittelbare, d.h. face-to-face (auf mehreren Ebenen gleichzeitig verlaufende, bzw. im Verständnis der vorliegenden Arbeit: verschiedene »Dimensionen« umfassende) Interaktion von »Menschen« noch immer die bewährteste Technik zur Vermittlung (d.h. Kommunikation bzw. »Induktion« wie oben mit Sammer bzw. Schneider betont) von Wissen (Brown/Duguid 2000, Dürr et al. 2004): „Das Gespräch ist eine der wichtigsten und effektivsten Kommunikationsformen für Wissensprozesse“, stellen bspw. Mengis/Eppler (2004: 88) in einem Beitrag zum Wissensdialog eingangs fest, um dann weiter auf die zentrale Rolle des 237
Duguid (2003: 10, Hv. PR) legt Wert auf die Feststellung, dass „the CoP perspective situates individuality in social relations, making separating individual from collective knowledge difficult and often pointless [!].“
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Dialogs selbst hinzuweisen. Als ein „partizipatives Gespräch, das emotionale Authentizität und analytische Rationalität miteinander verbindet“ (Mengis/Eppler 2004: 90 m. Bezug auf Gratton/Ghoshal 2002), kann er dieser erforderlichen (zumindest: affektiv-kognitiven) Mehrdimensionalität in besonderem Maße über („sogar“ würde Luhmann (1964) wohl sagen) persönliche Gespräche gerecht werden, bzw. zunächst einmal der Entwicklung der Beziehungsebene durch den Aufbau von Vertrauen, Gruppendynamiken (Mengis/Eppler 2004: 96ff) usw. zuträglich sein. Es sind dann vermutlich auch diese Nähe bzw. die zum Teil in der »Realität« sogar beinahe unkenntliche Verschmelzung der Dimensionen, die schließlich in verschwimmenden Abgrenzungen, wie sie bereits weiter oben gezeigt worden sind zum Ausdruck kommen: Während Izard (1977) in seiner Arbeit zu »Emotionen« deren Nähe zu tacit knowledge hervorhebt, reservieren Nahapiet/Ghoshal (1998) in ihrem Konzept des »sozialen Kapitals« eine (kognitive!) Dimension für kollektive vor allem implizite Wissensaspekte wie bspw. shared codes oder auch narratives. Verstanden als emergente Phänomene aus jeweils einer »kognitiven« bzw. »affektiven« Dimension der Kommunikationen (bzw. Kommunikationsstrukturen) sollte demgegenüber eine unterschiedene (nicht: trennende), wenngleich Komplementarität und wechselseitige Bezogenheit berücksichtigende Betrachtung möglich sein. Nach dem bisher Gesagten scheinen also in Communities of Practice in der Tat ideale soziale Zusammenhänge gefunden zu sein, die aus ihren Kommunikationsstrukturen nicht nur »Sinn-hafte« Emergenzen (als »Wissen«) hervorbringen, sondern darüber hinaus auch als Sozialsysteme auf Ebene von »Gruppe« in ihrer Angewiesenheit auf bzw. aus ihrer »Erfahrung« mit der Kommunikation von »Gefühlen« soziales Kapital hervorbringen. Dieses besonders dichte soziale Gewebe (social fabrics) ist es dann auch, das einen auffallenden Umgang mit der in eine kollektiv entwickelte Praxis eingebetteten kognitiven Strukturen238 bewirkt bzw. begünstigt. Ob jedoch alle in weiterer Folge eilig daran geknüpften Erwartungen von diesen sozialen Verflechtungszusammenhängen erfüllt werden können oder das Gewebe nicht bereits zu früh mit Forderungen überfrachtet worden ist, sollte nach Ansicht der vorliegenden Arbeit durchaus etwas weiter hinterfragt werden.
238
Das (explizite und implizite) »Wissen« (knowledge) und die »Praxis« (practice) werden demnach als interdependent verstanden, so wie die zwei Dimensionen des »Wissens« bei Polanyi (1964, 1985) explicit, tacit oder Ryle (2002 {1949}) know how, know what aufeinander verweisen und aufeinander angewiesen sind.
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Lernen »Form«
explicit tacit
Wissen (kognitive Struktur) Sozialkapital (affektive Struktur)
»Inhalt«
individual Gedanken, Gefühle
collective Kommunikationen, Emergenzen
concepts
stories knowing
skills
genres
Emotionen, Affektivstruktur
(Vertrauens-) Klima, …
Immaterielle Aspekte der Praxis
Abb. 9: Wissen (kognitive Kommunikation) in seinen Ausprägungen und Sozialkapital (als affektive Kommunikation) (Darstellung erweitert nach Cook/Brown 1999)
4.1.3 Wundermittel im Umgang mit Wissen Kaum wird in der einschlägigen Fach- bzw. Management-Literatur die Ansicht vertreten, bei Communities (of Practice) handle es sich um anhand universeller Eigenschaften eindeutig bestimmbare Gebilde einer homogenen Klasse sozialer Verflechtungstypen. Eher ist das Gegenteil der Fall. So konstatieren beispielsweise auch Wenger et al. (2002: 24f) (hier stellvertretend für viele genannt), dass Communities of Practice take many forms, wenn sie nicht nur die Kontextabhängigkeit ihrer Entstehung betonen, sondern daneben einen Merkmalskatalog eher allgemeiner Natur zur Typisierung vorschlagen. Die an Communities gerichteten Forderungen hingegen sind zahlreich und zum Teil widersprüchlich. Es lässt sich bisweilen durchaus der Eindruck gewinnen, die Idee der »Community of Practice« werde gleichsam als eine beinahe universale Lösung für bis dato ungelöst gebliebene Probleme von Organisationen in einer »Wissensgesellschaft« propagiert: In the main, however, the literature on communities of practice has trumpeted their positive role in organizational innovation schreiben jüngst Swan/ Scarbrough (2002), was sich beispielsweise bei Schoen (2001: 60) euphorisch wie folgt darstellt:
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Cop Mitglieder tauschen Wissen und Erfahrungen aus, sie arbeiten zusammen und lösen Probleme (Lesser & Prusak 1999), sie lernen gemeinsam und unterrichten sich gegenseitig (Stewart 1996), sie kombinieren Wissen und kommen zu kreativen Ideen (Brown & Grey 1995). CoPs dienen auch als Anlaufstellen für andere, die in dem jeweiligen Wissensgebiet den Kontakt zu einem Ansprechpartner, allgemeine Informationen oder Überblick zu Aktivitäten auf diesem Gebiet suchen (EIRMA 1999, S. 84). Eine CoP kann teilweise im entsprechenden Themengebiet auch Standards setzten [sic] oder zukünftige Richtungen diskutieren und propagieren (EIRMA 1999, S. 84)
Gegen derartige Pauschalurteile, das heißt insbesondere: unkritisch-generalisierende Darstellungen als »Stein der Weisen«, wendet sich denn auch Schneider (2004) sowohl überzeugend als auch mit Nachdruck. Sie weist darauf hin, dass nicht nur zwischen unterschiedlichen und anhand eines Merkmalkatalogs ausdifferenzierten Community-Typen wesentliche Unterschiede festzustellen sind, sondern auch diese idealtypischen Konstrukte selbst keineswegs derart eindimensional charakterisierbar sind, wie auf einen ersten Blick hin angenommen werden könnte. Das gilt auch für den Typ der Community »of Practice« als eine von einem oder mehreren Unternehmen betriebene und finanzierte Gemeinschaft bestimmter Mitglieder (…), deren Zwecke vom gemeinsamen Lernen über gemeinsame Problemlösungen und Produktentwicklungen bis zum Spin off auf Basis eines gemeinsam entwickelten Business Plans reichen können. (2004: 147)
Denn wenngleich in einschlägigen Publikationen bisweilen eingestanden wird, dass unterschiedliche Ausprägungen einen dementsprechend differenzierten und den jeweiligen Umständen angepassten Zu- und Umgang erfordern, so ist durchwegs festzustellen, dass die Community Literatur durch eine Reihe normativer Tendenzaussagen belastet [wird], die, wenn überhaupt, jeweils nur im Ansatz auf jeweils nur bestimmte Formen von Communities zutreffen. (Schneider 2004: 138)
Vor allem die Communities of Practice kennzeichnende Bedeutung regelmäßiger face-to-face Interaktion verweist deutlich auf ihre Nähe zu sozialen Systeme auf der Ebene von »Gruppe«, bzw. die Wichtigkeit persönlicher (zusätzlich zu informalen) Kommunikationsbeziehungen (vgl. bereits oben Luhmann 1981b). Dies kann daneben als Indiz für eine in wesentlichem Maße »affektive« Strukturierung interpretiert werden. Zumindest wenn davon ausgegangen werden muss, dass Gefühlskommunikation, die die Gegenüber als Personen bzw. in ihren Persönlichkeiten ernst nimmt, in bedeutendem Maß über (»analoge«) nonverbale Ausdrucksformen und erst in zweiter Linie über einen (»digitalen«) expressivsprachlichen evolutionär späteren (Luhmann 2001a) Modus läuft (vgl. unten zu Foolen 1997). Daraus ergeben sich nicht zuletzt Restriktionen die Größe bzw. den Umfang dieser sozialer Gebilde betreffend: Da gerade Wissensfunk-
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tionen einen intensiven Dialog voraussetzen, sind wohl auch Communities of Practice „auf eine Zahl beschränkt, bei der noch jede jeden kennt und die sozialen Prozesse der persönlichen Vertrauensbildung und Wissenskoordination möglich scheinen“ (Schneider 2004: 146). In Anlehnung an den zur Kategorisierung vorgeschlagenen Katalog an Merkmalsausprägungen identifiziert Schneider (2004: 138ff) zumindest vier (immanente) Spannungsfelder. Neben dem Formalisierungsgrad, der Regelung des Zugangs und der Möglichkeit »extrinsischer« Motivierung mittels incentives sowie deren Auswirkungen auf die Ausbildung von kollektiven Identitäten, Zugehörigkeiten und affektiven (Vertrauens-)Kulturen, verdient unter diesem Gesichtspunkt insbesondere auch die Frage des (nur selten explizierten) Zwecks nähere Betrachtung, das heißt, ob Communities schwerpunktmäßig leisten, d.h. Outputs erzeugen, oder lernen (d.h. Wirklichkeitssichten abklären, Informationen abgleichen) oder ob sie sich etwaig sogar eignen, Innovation hervorzubringen. (Schneider 2004: 139)
Immerhin handelt es sich bei den ihnen abverlangten (bzw. den ihnen zumindest zugetrauten) Aufgaben um wenigstens teilweise widersprüchliche Aufgaben. Wie bereits oben festgestellt werden musste, kann Nichtlernen des Systems zwar langfristig hohe Kosten (mangelnder Anpassung an Umweltbedingungen und damit möglicherweise nicht mehr sichergestellter Überlebensfähigkeit bzw. Viabilität) mit sich bringen, kurzfristig jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Stabilitäts- und damit zur Identitätssicherung leisten: „Da sich in fest gefügten Gruppen rasch neue Tabus bilden, kann die Hypothese gewagt werden, dass disruptiver Wandel innerhalb der Community eher die Ausnahme als die Norm ist“, wie Schneider (2004: 143) meint. Dem widerspricht selbstverständlich nicht das »Lernen« der Mitglieder. Vielmehr entspricht es ihm, indem von den Mitgliedern die laufend reproduzierten Erwartungsstrukturen (nicht nur als Systemstruktur, sondern auch als identitätsbestimmende »Organisation«239) mit-vollzogen werden und sich ihr Handeln daran orientiert. Darin spiegelt sich auch die Problematik der Institutionalisierung von Communities: Wenngleich sich mit ihr Stützen einziehen lassen (wodurch dauerhafter Bestand wahrscheinlicher wird), kann darunter allerdings die Innovativität leiden, weshalb damit ebenfalls nicht unbedingt viel gewonnen ist obwohl weniger Probleme auf das Konto der Volatilität gehen (Schneider 2004). Bewegung in die eine oder andere Richtung auf diesem Kontinuum verspricht eine Zunahme von Vor- aber auch entsprechenden Nachteilen. Während 239
Vgl. zur Unterscheidung von Struktur und Organisation insbes. Maturana/Varela (1990).
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hoch institutionalisierte Communities zwar effizienter arbeiten und mehr leisten (können), beschleunigen sie das Entstehen von Informations- und damit Machtasymmetrien bzw. machen sie mitunter regelmäßige Steigerungen der gebotenen incentives erforderlich. In späteren Lebensabschnitten drohen sie sogar zu „versteinern“ (Schneider 2004).240 Demgegenüber steht der Typus der selbstorganisierten, egalitären Community, der von den Sachbeiträgen und der Sozialkompetenz seiner Mitglieder lebt. Doch auch hier sind Hürden zu erwarten, denn: „Ohne Rollendifferenzierung, klare Führungsfunktion, vorgegebene Tagesordnungen und fixierte Ziele unterliegen sie der Gefahr der Unübersichtlichkeit und des Attraktivitätsverlustes bei Unterausstattung mit Beiträgen.“ Nach Schneider (2004) ist demgemäß eher wahrscheinlich, „dass die postulierten Wirkungen nicht in jedem Typ von Community zu erwarten sind.“ To create, expand, and exchange knowledge, and to develop individual capabilities sind nach Wenger et al. (2002: 42) jedoch die (keineswegs widersprüchlichen sondern vielmehr gleichzeitig möglichen und tatsächlich auftretenden) charakteristischen Aufgaben von »Communities of Practice«. Demnach (a) sind sie in der Regel nicht nur helping communities, das heißt stellen sie eine Plattform für den Austausch zu konkreter Problemlösung mittels geographisch entferntem, jedoch »vorhandenem« Wissen dar und (b) bieten sie ihren Mitgliedern Hilfe in deren »Sozialisationsprozess« durch legitimate peripheral participation, das heißt in dem Prozess, der sie sozusagen schrittweise zu einem Praktiker macht und ihnen nicht nur ermöglicht, sich die Praxis anzueignen241, sondern (c) wirken sie außerdem in ihrer Rolle der innovating communities als Unterstützung für Ideen und für die (i) »Weiterentwicklung« oder auch gleichzeitige (ii) »Neuausrichtung« der gemeinsamen Praxis (Wenger et al. 2002). Während davon auszugehen ist, dass sich die Prozesse (a) und (b) über weite Strecken im existierenden »Rahmen« (frame) der Community abspielen und durch diese Bestätigung der bestehenden Praxis gewissermaßen automatisch eine stabilisierende und identitätsstiftende Wirkung entfalten können, bietet Innovativität (c) in der Regel Möglichkeiten wenn auch noch keine Notwendigkeiten für ein Infragestellen von Denkrahmen (d.h. den orientierenden Zielwerten) und nicht
240
241
Ähnliche Phänomene stellen auch Kittleson/Southerland (2004) fest, wenn die Mitglieder einer Arbeitsgruppe selbst genau jenen Modus als den effizientesten beschreiben, der die Möglichkeiten gemeinsamer Wissenskonstruktion beschränkt. „In order to be a full participant“, heißt es nicht zuletzt bereits bei Wenger (1999: 74), „it may just be as important to know and understand the latest gossip as it is to know and understand the latest memo.“
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nur von Denk- und Handlungsmustern bzw. der practice (vgl. dazu Abb. 10 und genauer den folgenden Abschnitt).242
practice
(1) Änderung der practice
neue practice
Zielsystem
(2) Änderung des Denkrahmens
neues Zielsystem
Abb. 10: Lernen (in) der »Community«: Veränderung(sbereitschaft) von Erwartung(sstruktur)en
Working, learning, and innovating are closely related forms of human activity that are conventionally thought to conflict with each other. So beginnen auch schon Brown/Duguid (1991) ihren (wesentlich auf Orr (v.a. 1990, 1996 {1990}) sowie auf Lave/Wenger (2003 {1991}) bauenden) mittlerweile wohl zu den klassischen Ausgangspunkten für die Untersuchung von Communities gezählten Aufsatz mit dem vielversprechenden Untertitel Toward a Unified View of Working, Learning, and Innovation. Das soziale (bzw. „situierte“ nach Lave/Wenger 2003 {1991}) Lernen der Community-Mitglieder soll dabei gewissermaßen auf der individuellen Ebene der learners eine Brücke zwischen der Aneignung einer practice243 einerseits, sowie deren Anpassung bzw. Änderung (durch die eigenen Beiträge) andererseits schlagen: „The central issue in learning is becoming a practitioner not learning about practice.“ Und doch ist das Prinzip 242
243
Bei Wenger (1999: 214-221) taucht dieses Spannungsfeld überhaupt nur auf wenigen Seiten und am Rande auf. Brown/Duguid (1991) unterscheiden außerdem zuallererst zwischen canonical und noncanonical practice bzw. später überhaupt zwischen process (the way tasks are organized) und practice (the way tasks are done) (Brown/Duguid 2001a) um die Differenz zur Formalorganisation deutlich zu machen.
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der legitimate peripheral participation als eines von enculturation und becoming an »insider« nur eine Seite der Medaille. Die andere ist demzufolge nämlich eine Communities inhärente Dynamik „both as newcomers replace old timers and as the demands of practice force the community to revise its relationship to its environment.“ Die Weltanschauung (world view) von Communities of Practice ist nach Brown/Duguid (1991) demnach nicht nur noncanonical (also vom formalen Prozessdesign abweichend), sondern zudem auch fluid und inherently innovative (also einem permanenten Veränderungs- und Verhandlungsprozess unterworfen), ohne dabei jedoch Probleme der Identitätsbildung (continuously ... forging their own and their community’s identity) zu schaffen.244 Auch an dieser Stelle in Zusammenhang mit der Frage nach erforderlichen (und unausweichlichen?), sowohl funktionalen wie dysfunktionalen Stabilitäten in Communities kann also wieder an die von Schneider (2004) thematisierte Problematik der Institutionalisierung bzw. Ausbildung normativer Strukturen (besonders in kohäsiven sozialen Verflechtungen) erinnert werden, wie bereits oben die Bedeutung enttäuschungsresistenter (und damit auch: schwer veränderbarer) Erwartungen einigermaßen deutlich geworden ist: Gruppenidentität als Differenz zur Umwelt ermöglicht die Reproduktion des Systems erst durch mitunter rigide Beschränkung zulässiger Anschlussoperationen und Strukturänderungen (d.h. dann: Ausschluss der meisten und selektive Ermöglichung weniger). Allerdings kann auch hier die Vermutung emotionaler Stabilisierung einerseits bei gleichzeitiger (bzw. dadurch erst ermöglichter) »Sinn-hafter« (kognitiver) Veränderungsbereitschaft andererseits geäußert werden. Es bleibt dann jedoch zunächst weiter die Frage nach den Bedingungen für diese »emotionale Stabilisierung« offen, das heißt für die Ausbildung einer Sicherheit gebenden »affektiven« Struktur bei ebenfalls als konstitutiv angegebener möglicher wie faktischer Mitgliederfluktuation (vgl. Schneider 2004). Dementsprechende Sozialkapitalstrukturen können dann unter Umständen auf die »positivaffektive« Färbung der (»Gefühl-voll« wie »Sinn-haft« anschlussfähigen) Kommunikationen innerhalb des sozialen Systems »Community« zurückgeführt werden. Diese setzen dabei nicht so sehr instrumentelle Nutzenüberlegungen bzw. Reziprozitätsnormen voraus, sondern (zunächst) bspw. mit Gouldner (1984) eine Bereitschaft zu geben (d.h. Wohltätigkeit) bzw. mit Luhmann (2000b) eine riskante Vorleistung (d.h. Vertrauen) in persönlicher und nicht nur informaler (Luhmann 1964) Kommunikation voraus.
244
Vgl. zum Spannungsfeld zwischen „Reproduktion“ und „Subversion“ sozialer Praxis bspw. Hörning (2004) und Reckwitz (2004).
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Bis auf vereinzelte Indizien, an denen sich die Bedeutung affektiver Muster bzw. Phänomene ansatzweise erschließen lässt, sind jedoch grundsätzlich keine wesentlichen Verweise auf Wechselwirkungen kognitiver und affektiver Strukturen anzutreffen. Auch bspw. Henschel (2001: 140f9 meint zwar an für seine Arbeit zentraler Stelle, dass „die soziale Interaktion und Kommunikation in einer CoP (…) wesentlich intensiver ist als zu den übrigen Organisationsmitgliedern“, ohne die grundlegende Wirkung »Gefühl-voller« Strukturierung zu bemerken. Vielmehr beschränkt er sich dabei auf kognitive Aspekte, indem er ausführt, „daß die individuellen Handlungen in einem organisationalen Kontext wesentlich stärker von den mentalen Modellen der CoP geprägt sind als von den organisationalen mentalen Modellen.“
4.2
Wissensdynamik
Unter den an Communities im Zeichen des Lernens i.w.S. gerichteten Anforderungen finden sich (wie bereits in Abb. 10 und eingangs in Abb. 1 skizziert) neben jenen, die ihre Mitglieder betreffen wenn diese als ihre Rolle als »Praktiker« lernen, was hier unter dem Titel »Sozialisation« behandelt werden soll und die vor allem eine Übernahme (keineswegs passiv, sondern als aktive Teilhabe gedacht245) einer elaborierten Praxis zum Ziel haben (Becker 1953), jedoch auch solche die auf einen kollektiven Lernvorgang und damit vorrangig auf die Änderung der kollektiven practice abzielen. Erst in diesen letztgenannten Fällen soll daher gelten, dass in erster Linie die »Community (of Practice)« selbst wenngleich unter Teil-Habe bzw. Teil-Nahme und Mit-Vollzug ihrer Mitglieder lernt: »Perfektion« meint dabei zwar bereits eine neue Version der Praxis, erst »Innovation« allerdings kann eine neue Version der Praxis, die außerdem in einem neuen Denk- oder Handlungsrahmen abläuft bzw. auf ein verändertes bzw. angepasstes Ziel gerichtet ist, bedeuten. Diese Unterscheidung entspricht somit auch der Differenzierung von single- und double-loop learning (Bateson, Argyris/Schön)246,247. Spätestens an dieser Stelle kommt letzten Endes 245
246
Und demnach im Gefolge von Prozessen der sogenannten legitimate peripheral participation (Lave/Wenger 2003 {1991}) aber nicht in der Tradition hierarchischen Lernens (Willke 2001a: 41ff) gedacht. Bekanntlich haben zahlreiche Autoren in Anlehnung an Bateson (1981 {1972}) zwischen einund zweischleifigen Lernvorgängen (sowie Deutero-Lernen) unterschieden, wenngleich unter anderen Bezeichnungen bzw. mit Variationen im Bedeutungsgehalt wie bspw. Hedberg (1981), Staehle (1991) u.a.
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151
aber auch Sozialkapital als wesentlicher Einfluss- bzw. Bedingungsfaktor auf die bzw. der Lernfähigkeit einer »Community« ins Spiel.
4.2.1 Lernen als »Sozialisation«, »Perfektion« oder »Innovation« Zentral für das Themenfeld der Communities of Practice ist seit Beginn systematischer Auseinandersetzungen mit ihnen wohl vor allem die ursprüngliche Idee von Lave/Wenger (2003 {1991}) zum situated learning, nämlich die Vorstellung einer sich sukzessive aufbauenden und intensivierenden Teilhabe an kollektiven Wissensbeständen in der Form tradierter practice, erreichbar im wesentlichen über legitimate peripheral participation der (neuen248) Mitglieder und deren schrittweise Integration auf dem Weg zum insider (Orr 1990, 1996 {1990}, Brown/Duguid 1991, 1998, 2000, 2001ab, 2002). Vor dem Hintergrund der dafür erforderlichen Interpenetration bzw. strukturellen Kopplung (Luhmann 2001a) erscheint Lernen auf dieser ʊ nämlich der individuellen ʊ Ebene in der Tat als nur schwer vermeidbar, da bereits das Thema des Systems Beiträge wie Beitragende streng selektiert. Anzunehmen ist, dass zumindest langfristig die (strukturell »angekoppelten«) psychischen Systeme die im sozialen System prozessierten ʊ also auch und zuallererst: anhand dessen Leitdifferenz orientierten ʊ kommunikativen Differenzen als Prämissen für die eigenen Selektionen (auf der Ebene von Bewusstseinsinhalten bzw. Gedanken) übernehmen, um damit letztlich Mitgliedschaft zu erlangen. Dieser Vorgang der Sozialisation erinnert an die laufende (Re-)Konstruktion sozialer Wirklichkeit bei Berger/Luckmann (2004 {1966}) durch die komplementären Prozesse der Externalisierung individueller, dann vor allem aber der Internalisierung kollektiver Wissensbestände. Denn auch das soziale System der »Community« ist auf den nicht abreißenden Strom von Inputs (in Form Sinn-hafter Stimuli) als Output der strukturell angekoppelten Systeme in seiner Umwelt angewie247
248
Allerdings handelt es sich dabei um eine Unterscheidung mir der vorsichtig umzugehen ist, wenn man mit Easterby-Smith et al. (2000: 786) bedenkt dass „in practice [!] there is no distinction between single-loop learning and double-loop learning. Rather than trying to argue this point, researchers have tended to use single- and double-loop learning as a shorthand expression to describe what they see as more routine learning, versus more radical learning.“ Die Autoren beziehen sich dabei auf Huber (1991: 93), der bereits kritisch anmerkt: „It may be that more systematic empirical studies will not find the two types of learning distinct in practice.” Operationale Geschlossenheit und Autopoiese machen erforderlich, dass auch »alte« Mitglieder regelmäßig beitragen um die Mitgliedschaft im sozialen System »Gruppe« zu bestätigen und »strukturell gekoppelt« zu bleiben.
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sen, wie auch sich alle gemeinsam erst dadurch wechselseitig ermöglichen (Luhmann 2001a: 289ff). Was die Objektivation betrifft, so kommt der »Community (of Practice)« dabei wohl außerdem eine wesentliche Funktion249 in der Institutionalisierung« bzw. Legitimierung von »Wissen« bzw. »Praxis« zu. Ganz so, wie auch nach Lyotard (1986: 74ff, passim) »narratives Wissen« durch einen Prozess der (wiederholten) Weitergabe und nicht durch die Autorität einer (wissenschaftlichen) Instanz250 seine (»implizite«) Legitimation erhält.251 Wohl in beiden Fällen liegt das Erfordernis dafür in erster Linie im Auftreten neuer Generationen (Berger/Luckmann 2004: 66) bzw. eben neuer Mitglieder, da diesen der ursprüngliche Sinn nicht mehr aus eigener Erfahrung zugänglich ist und folglich vermittelt werden muss.252 Es ist diese Ebene individueller Lern- bzw. Sozialisationsprozesse, auf der zum einen die Rolle von Gefühlen bereits dargestellt worden ist (vgl. zur affektiven Strukturierung bzw. Aneignung sozialer Wirklichkeit oben bzw. Gerhards 1988) und zum anderen zwar von einem Lernen »in« der Community of Practice253 (bzw. auch möglicherweise: »in« der Organisation/den Organisationen)254, nicht jedoch von einem Lernen »der« Community of Practice gesprochen werden kann, da im Vordergrund die Aufrechterhaltung der autopoietischen Reproduktion von Organisation und Struktur255 durch die an der practice teilhabenden sowie 249
250
251
252
253 254
255
„Die Wirklichkeit der Alltagswelt ist nicht nur voll von Objektivationen“, sagen Berger/Luckmann (2004: 37, Hv. PR), „sie ist vielmehr nur wegen dieser Objektivationen wirklich.“ Betrachtet man beispielsweise Communities of Practice als jene Instanzen der Legitimierung, die den Autoritäten der »Organisation« (gewissermaßen analog zu jenen der »Wissenschaft« auf Ebene der Gesellschaft ) den Rang als traditionale Legitimierungsinstanzen ablaufen, so führt dies wohl zur nicht unberechtigten Annahme, dass der »gültige« Wissensbestand einer Community (d.h. die practice bzw. die noncanonical practice) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in jenen der Organisation (d.h. den process bzw. die canonical practice) integriert wird und die Organisation also gerade nicht lernt. „Das der Alltagssprache zugeschriebene konstitutive Vermögen liegt nicht in ihr selbst begründet, sondern in der Gruppe, die sie autorisiert und die ihr allererst Autorität verleiht“, heißt es auch bei Bourdieu (1976: 150). Womöglich handelt es sich demnach im Fall der Legitimation des Wissensbestandes einer Community (of Practice) nur um einen Sonderfall der Hervorbringung objektiver Faktizität aus subjektivem Sinn durch dessen intersubjektive Ratifizierung (vgl. Berger/Luckmann 2004 {1969}). Daneben ist es diese tradierte theory-in-use (nicht die espoused theory!), die nach Argyris/Schön (1978: 15f) die Identität eines (organisierten) sozialen Systems ausmacht bzw. die Antwort auf die Frage »in what sense is it still the same?« gibt: »It is this theory-in-use (…) which is most distinctively real (…)«. (Vgl. bereits oben zur Bedeutung von Stabilität für die Identität nicht nur sozialer Systeme). Dem „Lernen in Communities“ widmet Schneider (2003a: 57ff) einen eigenen Abschnitt. Dieses Verständnis des Zusammenhangs von »Communities of Practice« und »Lernen« findet sich auch bspw. bei Gherardi/Nicolini (2002). Vgl. Fn. 239.
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der in diese schrittweise sozialisierend integrierten Mitglieder und nicht deren Veränderung (im Rahmen der struktureller Möglichkeit) steht. Das Lernen eines (nicht nur, wenngleich hier v.a. interessierenden »sozialen«) Systems als durch Informationen ausgelöste partielle Strukturänderung(en) ohne Unterbrechung der Selbstidentifikation (Luhmann 2001a: 158) ist nicht notwendigerweise gleichzusetzen mit einem bewusst (durch Bewusstseine, psychische Systeme?) gesteuerten Prozess (wie bspw. bei Argyris/Schön (1978) durchgehend suggeriert bzw. in Form von inquiries als conditio sine qua non vorausgesetzt?). Die Enttäuschung veränderungsbereiter Erwartungen eines Systems hat zunächst »nur« eine andere Reaktion zur Folge (eben »Lernen«) als die normativ stilisierter (»Beharren«) eine Entscheidung, die ohnedies oft erst im Enttäuschungsfall fällt (vgl. oben).256 Die Möglichkeiten sowie Grenzen einer Änderung sind dabei in den Strukturen des Systems vorweg angelegt, aber nicht (wie bspw. im Fall der vielzitierten trivialen Maschinen eines Von Foerster (1984ab)257) determiniert, vorhersehbar oder gar steuerbar. Es entspricht dem Wissenserwerb als „Sedimentierung aktueller Erfahrungen“ (Schütz/Luckmann 2003: 173) in einem Prozess, in dem „eine neuartige Erfahrung nicht in das bishin als fraglos geltende Bezugsschema hineinpasst“ (2003: 35). (0) Beobachten und (1) Interpretieren dokumentierter Differenzen (=Daten) als Informationen
(2) Unterbrechen und (3) Wiederherstellen der Autopoiesis Abb. 11: »Lernen« des sozialen Systems als Änderung enttäuschter (Erwartungs-)Strukturen 256
257
Dazwischen spannt sich der (weitläufige) Bereich von „Unfällen oder sonstigen akzidentellen Schädigungen, die als Zufall abgewickelt werden können“ (Luhmann 2001a: 442) auf. Während triviale Maschinen Eingaben aus der Umwelt nach einem definierten Algorithmus in Ausgaben umwandeln, ist bei nichttrivialen Maschinen dieser Verarbeitungsmodus komplexer und der Output nicht determiniert. Ähnlich wie auch Informationen nicht als solche aus der Umwelt aufgenommen sondern nur im System mittels der bereits vorhandenen Strukturen erzeugt und damit aber auch nicht gezielt gesteuert werden können, ist auch einer Vorhersage der Folgen von Umweltreizen im System (bzw. dessen Output) nicht möglich.
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Damit scheint zudem weder »Lernen« auf einzelne Aspekte bzw. Erscheinungsformen von Wissensbeständen wie bspw. explicit knowledge beschränkt (sondern umfassender bzw. vor allem auch die Idee der practice einschließend zu verstehen), noch ist unmittelbar eine Entscheidung zugunsten ein- oder zweischleifigen Lernens gefällt (sondern vielmehr erst eine notwendige Voraussetzung dafür geschaffen). Um diese Unterscheidung als Beobachterin treffen zu können, ist bereits eine zusätzliche (unterstellte bzw. zugerechnete258?) Orientiertheit als Handlung auf ein Ziel hin erforderlich.259 Es „muß dem Handlungsprozeß eine Erwartungsstruktur unterlegt werden können, die auf Ergebnisse hinzielt etwa herzustellende Werke, zu verändernde Zustände, und sei es nur: Desennuierung der Teilnehmer“ (Luhmann 2001a: 278).260 Wird der zugrundeliegenden Erwartungsordnung (2001a: 426ff) die das Verhalten regelt bzw. erwartbar machen soll wie es bspw. Rollen, Programme usw. für das Verhalten mehrerer tun dann nicht entsprochen, so ist das als Abweichung erkennbar261, woraufhin es unter Umständen nicht nur zu einer Änderung in der (Erwartungsstruktur der) Praxis kommt, sondern auch andere Zielwerte zur Orientierung herangezogen werden (wie bereits in Abb. 10 skizziert). Anders als im Fall des (individuellen) Lernens »in« sozialen Systemen als Teilnehmerin bzw. als Mitglied d.h. also eigentlich: des Lernens psychischer Systeme, die mit sozialen Systemen strukturell gekoppelt sind und die mit hoher Wahrscheinlichkeit Selektionen als Prämissen für die intern selbst prozessierten Bewusstseinsinhalte übernehmen (vgl. Schneider 2003a) ist das kollektive Lernen als Lernen »von« sozialen Systemen darüber hinaus wohl noch leichter vermeidbar (und außerdem: üblich). Dafür sorgen nicht nur gemeinsame (kollektive?) »normativ« stilisierte Erwartungen, die durch ihre Aversion gegenüber Veränderung wesentlich zu Stabilisierung und Identitätssicherung beitragen, sondern sogar eigene „Einrichtungen der Enttäuschungsabwicklung“ (Luhmann 2001a: 453) im Fall kognitiv stilisierter Erwartungsstrukturen (also: »Wis258 259
260
261
Vgl. Fn. 24. Ähnlich wie bei Schütz (bspw. Schütz/Luckmann 2003) Handeln (als subjektive Bewusstseinsleistung) erst zur Handlung wird, wenn es auf einen Handlungsentwurf bezogen (also: motiviert) ist. Dennoch ist auch für ihn uneingeschränkt vernünftiges Handeln nicht möglich schon weil kein Handelnder alle Folgen seines Handelns absehen kann und vielmehr eine praktische Vernünftigkeit (ex post beurteilbar) anzustreben. An Sachwissen können Verhaltenserwartungen angeschlossen werden, wie jene ihrerseits über Kognitionen gesichert sein können (Luhmann 2001a: 450). „Der Alltag stellt mich vor Aufgaben, und ich muß meine Pläne in ihm durchführen“, so Schütz/Luckmann (2003: 69): „Er läßt mich in meinen Versuchen, meine Ziele zu verwirklichen, erfolgreich sein oder scheitern.“ Und Argyris/Schön stellen eingangs fest: „Organizational Learning involves the detection and correction of error“ (1978: 2).
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sen«) ganz besonders Erklärungen dieser enttäuschten Erwartungen: Sie dienen dazu, „die entstandene Sachlage zu renormalisieren“ indem sie „darauf spezialisiert sind, die Lernzumutungen einzuschränken oder den Einzelfall zu isolieren und als Sonderfall ohne Reichweite abzukapseln“ (Luhmann 2001a: 454).262 Werden demnach zum einen Ereignisse (oder Zustände) nicht bloß als »Erlebnisse« der Umwelt zugeschrieben, sondern als Ergebnisse eigenen »Handelns«, basierend auf Entscheidungen, bezogen auf Motive usw. (Luhmann 2001a: 159f) verstanden (2001a: 122ff), und zum anderen diese Ergebnisse als von den die Handlung orientierenden (»kognitiven«, d.h. veränderungsbereiten) Erwartungen abweichend interpretiert, so ist im veränderten anschließenden Erwarten und Handeln noch eine weitere Differenzierung möglich. Nach Argyris/Schön (1978) (im Anschluss an Bateson 1981 {1972}, vgl. bereits oben Fn. 246) sogar eine hierarchische: Je nach Ebene bzw. Reichweite unterscheiden diese Autoren zwischen dem Versuch, die Handlungsstrategie unter Beibehaltung des Zielsystems bzw. Prämissenrahmens anzupassen (= einschleifiges Lernen) und dem weiterreichenden Unterfangen, die Orientierung bzw. den Prämissenrahmen zu hinterfragen und ggf. zu verändern (= zweischleifiges Lernen). Auf dieser Ebene des Lernens wird dann in der Konfrontation des Systems (seiner Erwartungen) mit seiner Umwelt (bzw. einer seiner Umwelten) auch bereits eine Änderung der Normen und Zielwerte möglich. Auf diesen Überlegungen von Argyris/Schön (1978) beruht letztlich auch die für die vorliegende Arbeit vorgenommene (bereits weiter oben skizzierte und anschließend weiter ausgeführte) Differenzierung des breiten Feldes »Lernen«, an die nun hier weiter angeschlossen werden soll. Wenn nämlich von Communities of Practice neben der Initiation bzw. »Sozialisation« ihrer (neuen) Mitglieder auch die laufende Weiterentwicklung (und nicht nur: Tradierung) ihrer gemeinschaftlichen Praxis erwartet werden kann that, through their constant adapting to changing membership and changing circumstances, evolving communities-of-practice are significant sites of innovating (Brown/Duguid 1991: 41) so soll doch unter dem Titel der »Innovation« hier nur akzeptiert werden, was (in Entsprechung zum »zweischleifigen« Lernen) nicht nur eine Veränderung der practice, sondern zugleich deren Neuorientierung auf veränderte Ziele und Orientierungen also (außerhalb) des ursprünglichen Denk- und Handlungsrahmens (frame) herbeiführt, und damit möglicherweise (nicht notwendigerweise!) kurzfristig Effizienzverluste, langfristig jedoch eine Steigerung der Effekti-
262
Während in traditionellen Gesellschaften dazu magische Praktiken oder Hexenglaube gedient haben, scheint es in der modernen Gesellschaft „die kühlere Semantik von »Unfall«“ zu sein (Luhmann 2001a: 454).
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vität (im Idealfall auch der Effizienz) verspricht.263 Selbstverständlich kann die »Community« nämlich auch im bestehenden Denkrahmen und unter Beibehalten der Ausrichtung am bestehenden Zielsystem »lernen« und in die Weiterentwicklung der Praxis im Sinne einer »Perfektionierung« investieren. Dieses »die Dinge besser machen« (im Gegensatz zum Tun »besserer Dinge«) entspricht dann analog zum vorher Gesagten, einschleifigen Lernvorgängen. A priori ist wohl kaum feststellbar, welche der beiden Strategien vorzuziehen ist (normativ). Glaubt man Argyris/Schön (1978), so ist im Kontext von Organisationen jedoch vorrangig single-loop learning zu erwarten (deskriptiv):264 One of our major assertions will be that organizations tend to create learning systems that inhibit double loop learning that calls into question their norms, objectives, and basic policies. (1978: 4)
Dem stellen letztlich auch die ersten Arbeiten, die den Begriff der »Community of Practice« geprägt haben, die Innovationskraft kleiner, selbstorganisierender Gruppen gegenüber265: One of the central benefits of these small, self-constituting communities we have been describing is that they evade the ossifying tendencies of large organizations. (Brown/Duguid 1991: 50)
Selbstverständlich communities must tune their practice constantly in their attempt to get their job done (Wenger 1999: 94), doch ist dies eine laufende Änderung bzw. Anpassung an die Umwelt (oder auch interne, zum Teil individuell induzierte Erfordernisse) in der Form einschleifigen Lernens, die oft unbemerkt vonstattengeht: 263
264
265
Unabhängig von den Auswirkungen auf den Kontext, in den die Community of Practice eingebettet ist (also vorrangig: das bzw. die Unternehmen). Dort sind selbstverständlich durch einund zweischleifiges »Lernen« der Community sowohl positive als auch negative (oder: keine) Auswirkungen denkbar. Daneben gehen Argyris/Schön (1978) in ihrem Modell vom Prinzip des trial and error aus (Organizational learning involves the detection and correction of error (1978: 2), mit dem ein „Lernen vor dem Irrtum“ (Schneider 2001) nicht erfasst wird. Wenngleich ʊ wie Schneider (2001) vor allem für die individuellen Ebene festhält ʊ dem Stellvertreterlernen (enge) Grenzen gesetzt sind, so scheint es gerade im Zusammenhang mit den (kollektiven) Wissensbeständen von Communities (of Practice) berücksichtigenswert. Das nicht nur im Hinblick auf die individuelle »Sozialisation«, sondern auch vor dem Hintergrund der individuellen »Teilhabe« am gemeinschaftlichen Wissen, die stets nur eine unvollständige ist (bzw. sein kann), weshalb dieser Bestand auch auf anderen Wegen Veränderungen erfahren kann. »Lernen« ist hier durchwegs »individuelles Lernen« im Gegensatz zur ʊ wenngleich nicht so ganz im Begriffsverständnis der vorliegenden Arbeit verwendeten ʊ »Innovation« (vgl. z.B. Brown/Duguid 1991, Wenger 1999).
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to respond to the demands of a world in constant flux, but it would be an oversimplification to understand their learning strictly in terms of responses to new circumstances. The process of change reflects not only adaptation to external forces (…) (Wenger 1999: 94)
Bereits dieser laufende Wandel (bzw. dieses dynamische Gleichgewicht) stellt die Community vor die Herausforderung, ihre Identität dennoch weiterhin sicherzustellen to sustain this sense of continuity in the midst of discontinuities (Wenger 1999: 94). Umso mehr muss das wohl für zweischleifiges Lernen, das »echte« Innovation bringt, erwartet werden. Das klingt auch in dem kurzen Hinweis auf das Communities inhärente Spannungsfeld zwischen acquisition of knowledge und creation of knowledge bei Wenger (1999: 214ff) an, denn Letzteres scheint nicht so sehr auf inkrementale Verbesserungen ausgerichtet zu sein, weil a well-functioning community of practice is a good context to explore radically new insights without becoming fools or stuck in the dead end. A history of mutual engagement around a joint enterprise is an ideal context for this kind of leading edge learning (…). (Wenger 1999: 214, Hv. PR)
Wenn Henschel (2001: 118) im Rahmen von zweischleifigem Lernen „identitätsprägende Wissensbestände“ gefährdet sieht (vgl. auch Steele 1988), so verdient auch das in diesem Zusammenhang nähere Betrachtung. Schließlich wird »Wissen« (als kognitive stilisierte Erwartungsstruktur des Systems) definitionsgemäß veränderungsbereit gehalten. Aus der Perspektive der vorliegenden Arbeit ist wohl vielmehr davon auszugehen, dass diese Änderungsbereitschaft von Wissensbeständen aufrechterhalten werden kann und eine tatsächliche Änderung als single-loop learning bzw. »Perfektion« stattfinden kann, solange die Identität des Systems in erster Linie durch die stabilisierende Wirkung normativ geprägter Sinnstrukturen gesichert wird (vgl. oben). Dementsprechend »gefährlich« bzw. riskant ist jedoch das im Fall von double-loop learning bzw. von »Innovation« stattfindende Hinterfragen von ebendiesen normativen Rahmen (frames).266 Auf der Suche nach möglichen alternativen »Sicherungsmechanismen« sind (vgl. oben) bereits für Modifikationen kognitiver Strukturen (d.h. von »Wissen«) Emotionen bzw. die daraus emergierenden Phänomene ins Blickfeld geraten. Analog zu diesen Vermutungen, bzw. sogar als noch bedeutender könnte sich die Rolle von »Sozialkapital« als dieses »emergente Phänomen« affektiver Kommunikationen im Fall normativer Strukturanpassungen entpuppen. Wenn nämlich die »Sinn-haften« Strukturen des Sozialsystems insgesamt (bzw. über 266
Vgl. dazu auch das letzte Zitat aus Argyris/Schön (197:4).
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weite Strecken oder in zentralen Bereichen) in Frage gestellt sind, wären es die affektiven Kommunikationsstrukturen, denen die sensible Aufgabe der Indentitätssicherung bzw. Systemstabilisierung zukommt267. Ebenso könnte jedoch auch vermutet werden (vgl. auch dazu oben), dass die affektive Kommunikation nicht nur Schienen für die kognitiven Kommunikationen, sondern auch für die normativen legt und auf diese Weise den Rahmen (frame) vor allem festigt und immobilisiert, wie in den bereits zitierten anthropologischen Studien festgestellt werden konnte.
4.2.2 Wissensdynamik: Lernen »von« Communities An dieser Stelle können nun die zentralen Gedanken dieser Arbeit zur »Wissensdynamik« also dem »Lernen« bzw. den »Lernprozessen« in ihrem weitesten Sinne und ihren sozialstrukturellen Bedingungen in bzw. für »Communities (of Practice)« kurz nachgezeichnet, zusammengefasst und damit als Succus des theoretisch-konzeptionellen Beitrags zur Aufarbeitung dieses jungen Themenfeldes bzw. letztlich als Vorbereitung für empirisch-faktische Konfrontationen (d.h. für die Erstellung von Re-Konstruktionen im bzw. aus dem »Feld«) gebündelt werden: Vor dem Hintergrund der mit der Entstehung einer »Wissensgesellschaft« einhergehenden Anforderungen an soziale Systeme, und hier insbesondere an die auf formale Stabilisierung spezialisierten (weil auf sie angewiesenen!) organisierten Sozialsysteme (»Organisationen«) sehen sich neue soziale Formen wie auch die hier behandelten »Communities« vor allem in der diesbezüglich überwiegend von Optimismus und Euphorie geprägten Managementliteratur mit hohen, ja mitunter sogar überhöhten Erwartungen konfrontiert. Immerhin wird diesen sozialen Gebilden zugetraut, »Lernen« auf allen Ebenen (d.i. auf der individuellen wie auf der kollektiven)268 nicht nur zu ermöglichen, sondern darüber hinaus sogar in hohem Maße wahrscheinlich zu machen. Derartige Hoffnungen
267
268
Als Indizien für diese Bedeutung emotiv stabilisierter sozialer Zusammenhänge können auch die von Argyris (1996, bzw. Argyris/Schön 1978) ins Treffen geführten emotionalen Aspekte bzw. sogar (vorrangigen) Gründe für die so genannten „Defensivroutinen“ gelten, denn „defensive routines may be defined as any policy or action that prevents someone (or some system [!]) from experiencing embarrassment or threat, and simultaneously prevents anyone from correcting the causes of the embarrassment or threat” (Argyris 1996: 40). Präziser: Lernen der beteiligten psychischen wie sozialen Systeme.
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verdienen wohl in der Tat Beachtung, wenn Willke (2001b: 87)269 Recht behält und in der Wissensgesellschaft [d]ie Leitfrage für die Einschätzung der »Qualität« einer sozialen Form (…) ist, über welche systemische Intelligenz diese Form verfügt, welche Lernfähigkeit und welches Innovationspotential ihr zuzutrauen sind.
Die Überlegungen der vorliegenden Arbeit gehen in diesem Zusammenhang bisher nicht nur davon aus, dass (1) Communities als soziale Systeme auf der Ebene von »Gruppe« über weite Strecken durch »affektive« Strukturierung (im Gegensatz zur formalisierten »Sinn-haften« organisationalen Stabilisierung), bzw. aufgrund dieser günstigen Entstehungsbedingungen auch durch hohe Bestände an sozialem Kapital gekennzeichnet sind. Des Weiteren besteht Grund zur Annahme, dass (2) soziales Kapital als affektive (»Gefühl-volle«) Emergenz je nach Art, Intensität und Dauer seiner Kopplung mit der »Sinn-haften« Dimension in Kommunikationszusammenhängen sowohl veränderungsfördernd als auch hemmend auf »kognitive« und »normative« Strukturen (kurz: »Wissen« und »Normen«) wirken kann. Schließlich ist davon auszugehen, dass als Folge daraus (3) Irritationen aus der Umwelt einer Community auf der Ebene ihrer »Sinn-haften« Erwartungsstruktur bzw. ihrer practice unterstützt durch Sozialkapital sowohl (a) Lernen und Wissenserneuerung als auch (b) NichtLernen und Festhalten am bestehenden Wissen (ggf. sogar Abwehrreaktionen) zur Folge haben können, wobei Nicht-Lernen der Community keinesfalls unmittelbar mit einer generellen Absenz von Lernprozessen gleichzusetzen ist.270 Wie ist nun aber der damit aufgespannte Möglichkeitsraum beschaffen? In der Beantwortung dieser Frage kann die bereits am Beginn der Arbeit (vgl. Abb. 1) im Ansatz vorweggenommene idealtypische Darstellung denkmöglicher Reaktionen von Communities (oder generell: sozialen Systemen) und deren Mitgliedern (oder: psychischen Systemen) auf Umweltreize271 als Ärgernisse bzw. mehr oder weniger willkommene Anlässe für Lernprozesse erhellt werden, indem die affektive Kommunikationsdimension mit der von ihr hervorgebrachten Emergenz (»Sozialkapital«) nicht wie in der systemtheoretischen Tradition ausgeblendet, sondern als wesentlicher Aspekt ins Spiel gebracht wird: Sowohl (a) ein- oder zweischleifiges Lernen als auch (b) dessen Vermeidung (bei gleich269 270
271
Vgl. bereits oben am Beginn der Arbeit, S. 46. Vielmehr ist ja bspw. die legitimate peripheral participation von Lave/Wenger (2003 {1991}) im Wesentlichen eine individuelle Aneignung neuen Wissens (vgl. oben) bzw. [individual!] learning is an unavoidable aspect of participating in community life meint Huysman (2002). Wie sie ja nicht zuletzt psychische und soziale Systeme durch strukturelle Kopplungen wechselseitig füreinander bereithalten bzw. erzeugen (können/müssen/…).
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zeitig weiterhin möglichen individuellen, ein- oder zweischleifigen Lernprozessen) kann durch affektive Stabilisierung d.h.: dichten Bestand an sozialem Kapital in Form »Gefühl-voller« Strukturen von Kommunikationszusammenhängen befördert werden (vgl. Abb. 12): So kann an die Stelle einer lockeren (»losen«?) Kopplung von Gefühls- und Sinn-Dimension im Kommunikationszusammenhang möglicherweise eine enge Bindung treten. Durch diese »Engführung« der beiden Dimensionen von Kommunikation kommt es in weiterer Folge unter Umständen nicht nur zu einem Verstärkungseffekt bei der Beibehaltung normativ stilisierter Erwartungsstrukturen im sozialen System »Community« (also beim »normativen Beharren«), sondern zusätzlich zu einer Einschränkung der Flexibilität kognitiv stilisierter Erwartungen, die zwar weiterhin veränderbar gehalten werden, sich jedoch in affektiv vorgezeichneten Schienen (Ciompi) bewegen und damit von diesen eine Lenkung in Bahnen oder zumindest eine Ablenkung durch Attraktoren erfahren, wodurch sie letzten Endes an Unabhängigkeit und Beweglichkeit einbüßen. Da mit »mehr«, bzw. besser: »neuem« Wissen (also: mit neuen kognitiv stilisierten Strukturen) in der Regel auch die Möglichkeit für potentielle kognitive Dissonanz im System steigt (Festinger 1978), stellt diese Reaktion eine (kurzfristige) Risikovermeidungsstrategie (durch Ignorieren, Beharren) dar. Das heißt, soziales Lernen (d.i. hier: Lernen »des« sozialen Systems) wird verhindert, indem Sozialkapital (Gefühl) kollektives Wissen (Sinn) festigt und bindet, während gleichzeitig die Möglichkeit möglicherweise sogar: die hohe Wahrscheinlichkeit einer Übernahme von sozialem Wissen (Selektionen des sozialen Systems »Community«) durch einzelne Mitglieder in ihren individuellen Wissensbestand (als Selektionen eines psychischen Systems) besteht. Für den Fall individuellen Lernens (bei gleichzeitigem Beitragen zur Tradierung des Wissensbestandes der »Community«) wird in dieser Arbeit die Bezeichnung »Sozialisation« verwendet, wohingegen »Stagnation« den in der Literatur zu Communities (of Practice) kaum thematisierten (weil auch im co-evolutionären Prozess psychischer und sozialer Systeme vor allem in langer Frist vermutlich äußerst unwahrscheinlichen) Extremfall sowohl individuellen als auch gleichzeitig kollektiven Nicht-Lernens meint. Dem steht eine ebenso mögliche Flexibilisierung der (Erwartungs-)Strukturen aus »Sinn-haften« Kommunikationen durch in sozialen Systemen auf der Ebene von »Gruppe« besonders anzutreffende oder wenigstens zu erwartende affektive Strukturierung gegenüber: Aufgrund der Stabilisierung von Identität bzw. Re-Produktion von Grenzziehung durch anschlussfähiges und tatsächlich laufend anschließendes Prozessieren in der Gefühlsdimension (d.h. durch emergentes Hervorbringen von »sozialem Kapital« als »Gefühl-volle« Kommunikationsstruktur) ist die mit der Veränderungsbereitschaft von kognitiven (und even-
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tuell sogar: normativen) Strukturen einhergehende Unsicherheit auszuhalten. Um Lernen zu unterstützen, müssen Situationen und Zusammenhänge ausreichend, aber möglicherweise nicht notwendig »Sinn-haft« bzw. »kognitiv« (vgl. oben mit Durkheim 2004, Gerhards 1988) strukturiert sein, sodass rechtzeitig die Bildung neuer Erwartungen (vgl. oben mit Luhmann 1975), bzw. vor allem eine Fortsetzung der Kommunikation möglich ist. Wo der Wissensbestand der Community anlässlich von Enttäuschungen in Form von Irritationen (aus beobachteten Umweltreizen bzw. -zuständen erzeugten Informationen), gescheiterten Theorien, nicht geglückten (Sprech-)Handlungen usw. in einer Art und Weise verändert wird, dass das »Wissen« bzw. die practice zwar auf bestehende Zielwerte ausgerichtet und an existierenden Wert- und Normenbeständen orientiert bleibt, jedoch Verbesserung und Effizienzsteigerungen also: eine flexible Anpassung im aktuellen Denk- bzw. Handlungsrahmen (frame) erfährt, wird in der Diktion der vorliegenden Arbeit die Bezeichnung »Perfektion« verwendet, was in etwa dem Begriff des einschleifigen Lernens (Anpassungslernen, single-loop learning) entsprechend interpretiert werden kann. »Sinn-hafte« Kommunikationsstrukturen, »Sinn-haft« anschlussfähige Aspekte kommunikativen (Sprech-)Handelns || Wissen (»kognitiv« stilisierte Erwartungen) & Normen (»normativ« stilisierte Erwartungen) als emergente Phänomene Nicht-Lernen der Community überhaupt kein Lernprozess: »Stagnation«
individuelles Lernen »in« der Community: »Sozialisation«
kognitive und normative Kommunikationsstrukturen vollziehen die affektiven Strukturen (»Schienen«) in Engführung nach, alle stabilisieren den status quo K N A
Lernen der Community Einschleifiges Lernen: »Perfektion«
Zweischleifiges Lernen: »Innovation«
kognitive Strukturen kognitive und normative sind lose (ab)gekoppelt und Strukturen (also auch der veränderbar, während die frame) können aufgrund der affektiven und normativen affektiven Stabilisierung lose Strukturen das System (ab)gekoppelt und daher stabilisieren veränderbar bleiben K
N
K
A
N A
Wirkungen affektiver Stabilisierung auf die Lernfähigkeit der Community positiv-affektive (»Gefühl-volle«) Kommunikationsstrukturen als deren rekursive Vernetzung || »Sozialkapital« als emergentes Phänomen Abb. 12: Bedingungszusammenhang zwischen »Sozialkapital« und »Wissen« bzw. »Normen« in Communities als sozialen Systemen
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Lernen
Erst sofern die Stabilisierung (der Grenze bzw. der Identität) des Systems durch Sozialkapital nicht nur eine Flexibilisierung kollektiver Wissensbestände also: »ohnedies« kognitiv stilisierter, d.h. von Anfang an veränderungsbereit gehaltener Erwartungen erleichtert (ermöglicht), sondern auch ein Hinterfragen normativer Rahmen und evaluativer Orientierungen bzw. Ziele (Normenbestände, frames) erlaubt, wird der Begriff der »Innovation« gebraucht. Dabei handelt es sich dann um das besonders voraussetzungsvolle und damit letztlich entsprechend unwahrscheinliche zweischleifige Lernen (Veränderungslernen, double-loop learning), das auch Identität(en) prägende bzw. sichernde Bestände aus der »Sinn-haften« Kommunikationsdimension mobil(isierbar) macht. Mit anderen Worten: Solange die Systemgrenze durch eine affektive Leitdifferenz aufrechterhalten werden kann wie in Communities zu erwarten ist auch das Risiko, mit Wissens- und Normenbeständen auch »seine« Identität aufzugeben gering und es ist nicht notwendig, zugunsten des Fortbestehens von Identität auf Lernen zu verzichten. Diese idealtypische Darstellung (Abb. 12) des Verhältnisses von Gefühlsund Sinnkommunikation (also: von sozialem Kapital und sozialem Wissen), bzw. der »Auswahlmöglichkeiten« vor denen Communities angesichts von Lernanlässen (also: Anlässen zur Revision kognitiv und ggf. auch normativ stilisierter Erwartungsstrukturen) stehen, lenkt die nicht nur, aber insbesondere: empirische Aufmerksamkeit nun auf ebendieses Verhältnis, das den Möglichkeitsraum wesentlich bestimmt. Je nach sachlicher, sozialer vor allem aber zeitlicher Differenzierung (Dauerhaftigkeit oder zeitlicher Variabilität) scheinen nämlich die einen oder anderen Reaktionen bzw. Reaktionsmuster mehr oder weniger wahrscheinlich: Sind bei in kurzen Intervallen schwankender Intensität bzw. Enge der Kopplung viele unterschiedliche Antworten (auf Lernauslöser) unmittelbar hintereinander und damit vielleicht sogar scheinbar nebeneinander (»gleichzeitig«) denkbar, so scheint dies unwahrscheinlich unter Bedingungen, die durch eine langfristige entweder enge (sie lässt Lernvermeidung erwarten) respektive lose (hier kann Lernen der Community erwartet werden) Kopplung der beiden Dimensionen »Gefühl« und »Sinn« gekennzeichnet sind: (1) Die stabilisierenden Kommunikationsstrukturen in Communities (als soziale Systeme auf der Ebene von »Gruppe«) sind in wesentlichem Maße affektiver (nicht sinnhafter) Natur und bringen als Emergenz entsprechend Sozialkapital hervor. (2) Die Lernfähigkeit von sozialen Systemen beruht auf der Veränderungsbereitschaft ihrer kognitiven (und normativen) Erwartungsstrukturen, also: Wissen (und Normen), die allerdings auch Verunsicherung bringt und Systemstabilität sowie -identität gefährdet.
Wissensdynamik
163
(3) Je nach Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen affektiven Kommunikationsstrukturen (Sozialkapital) einerseits sowie kognitiven und normativen Strukturen (Wissen, Normen) andererseits ist als Reaktion des sozialen Systems Community auf Lernmöglichkeiten mehr oder weniger konstant bzw. abwechselnd entweder (a) »Stagnation« bzw. (b) »Sozialisation« oder (c) »Perfektion« bzw. (d) »Innovation« zu erwarten: [Community Ù Sozialkapital] Ö {Stagnation, Sozialisation, Perfektion, Innovation, …}
Umso voraussetzungsvoller erscheinen in diesem Lichte die in der Literatur vorgebrachten Wünsche bzw. Anforderungen an Communities, ihren Wissensbestand gleichzeitig zu bewahren, weiterzugeben und zu entwickeln. Von wesentlicher Bedeutung in der Beobachtung sind darüber hinaus nun vor allem jene Phänomene, die auf die Beantwortung von »Lernofferten« durch die Community schließen lassen bzw. als An-Zeichen auf eine spezifische Form der Reaktion hin-deuten (vgl. zu den diesbezüglichen Ausführungen im folgenden Abschnitt die anschließende, auch ein Beispiel skizzierende Abb. 13).
4.2.3 Phänomenologie des Community-Lernens Das Nicht-Lernen von Communities (»Stagnation«) mit der Immunisierung von Wissens- und Normenbeständen im Rahmen der practice bzw. deren Definition als unangreifbar (d.h. als von allen gegenwärtigen und zukünftigen Mitgliedern zu akzeptieren und tunlichst nicht in Frage zu stellen) ruft zunächst wohl unmittelbar die Idee des groupthink von Janis (1972)272 bzw. die »Theorie« der kognitiven Dissonanz von Festinger (1978)273,274 ins Gedächtnis. Immerhin lassen sich bereits im Bereich der Beobachtung bzw. Datenerzeugung Abwehrmechanismen erwarten, die potentieller »kognitiver Dissonanz« noch im Vorfeld einer eventuellen Verunsicherung einen Riegel vorschieben, und auf diese Art und Weise Identität stiftende Wissens- bzw. Normenbestände (zusätzlich zu den 272
273 274
Auch werden in Studien zum groupthink vielfach affektiv-emotionale Aspekte von »Gruppenkohäsion« hervorgehoben (vgl. dazu vielleicht auch Isen 2000). Zur Theorie der kognitiven Dissonanz auch Frey (1978b) und die Beiträge von Irle (z.B. 1975). Schulz-Hardt (1997) versucht überhaupt, das Phänomen des groupthink als einen Spezialfall auf die Theorie der kognitiven Dissonanz zurückzuführen, wobei er jedoch jene als einen genuin individualpsychologischen Prozess versteht, während hier gegenteilig davon ausgegangen wird, dass auch (bzw. vielleicht: gerade besonders) soziale Systeme kognitive Dissonanz reduzieren bzw. vermeiden wollen.
164
Lernen
Identität absichernden emotionalen Strukturen) in Schutz nehmen (vgl. Steele 1988). Diese Form der Abwehr neuer vor allem »nicht passender« Reize erspart den Erwartungsstrukturen überhaupt die Enttäuschung und somit gänzlich die Entscheidung über »kognitive« oder »normative« Stilisierung durch Vermeidung von »Informationsquellen« (d.h. von Umwelten mit potentiell, weil nur im Fall einer stattfindenden »Beobachtung« wirksamen, irritierenden Reizquellen). Aber auch im Rahmen der Erzeugung von Informationen kann durch »Rationalisierung« von unerwarteten und unliebsamen Informationen, bzw. von Beobachtungsdaten die mit den eigenen Erwartungen nicht übereinstimmen Lernen erfolgreich verhindert werden. Mit anderen Worten, es kommt zu einer Neu-Interpretation bzw. Um-Deutung von Beobachtungen des Geschehens in der Umwelt der Community zugunsten eines herrschenden Paradigmas (einer dominierenden Weltsicht bzw. entlang zentralen Leitlinien der practice) gegebenenfalls unter kurzfristiger und gleichzeitig: kurzsichtiger Zuhilfenahme von ad hoc Hilfskonstruktionen (vgl. Kuhn 1962). Und letztendlich wird auch auf der Ebene des sozialen bzw. systemischen Wissens durch die sowohl kognitiv-normative als auch affektiv-emotive Aufladung der etablierten Grenze zwischen In- und Outgroup eine Veränderung der Erwartungsstrukturen erschwert bzw. sogar über weite Strecken verunmöglicht. Distanziertheit und Abgrenzung gegenüber Newcomern, Ausgrenzung von interessierten (Noch-)Nicht-Mitgliedern sowie fehlendes Interesse an einer Wissensweitergabe, und stattdessen sogar möglicherweise der Versuch einer Monopolisierung und Abschottung aufgrund eines (zu) starken Wir-Gefühls, sind Anzeichen für die gänzliche Vermeidung einer Konfrontation der Erwartungsstrukturen mit der »Realität« bzw. einer laufenden Prüfung an einer sozial konstruierten Wirklichkeit. Zu diesen Prozessen auf systemischer Community-Ebene können jedoch nichtsdestotrotz individuelle Lernprozesse der Mitglieder zur Aneignung des Wissens bzw. der practice (in Form einer »Teilhabe« daran) und eben dadurch wiederum Reproduktion dieser (kollektiven) Wissensbestände und Erwartungsstrukturen der Community kommen. Zu dieser »Sozialisation« gehören die Tradierung von Wissensbeständen und die Weitergabe bzw. (individuelle) Internalisierung von Richtlinien richtigen (und «guten«?) Handelns. Damit verbunden sind auch die Übernahme bzw. die Aneignung von Arten und Weisen der »richtigen« Umweltbeobachtung Blicke auf die (Um-)Welt, Weltanschauungen usw. zur (nur prima facie »objektiven«) Datenbeschaffung. Und auch die Interpretationsrahmen (frames, genres), die Relevanz- und Normenstrukturen zur Informationsgenerierung sind geprägt durch die strukturelle Kopplung via »Mitgliedschaft« in der Gruppe bzw. (damit) durch die regelmäßige notwendige »Interaktion«.
Wissensdynamik
165
»Sozialkapital«
»Wissen«, »Normen«, »Lernen« und Nicht-Lernen der Community
Expressiv-Integrativ »Sozio-Emotional« ›positiv‹ 1 Shows solidarity Solidarität
a+
Instrumental-Adaptiv »Inhaltlich« ›Lerneffekte‹ »Datenebene« (Beobachtung): Suche nach neuen Stimuli
2 Tension release Entspannung
b+
»Informationsebene« (Interpretation): Hinterfragen dzt. ›gültiger‹ Informationen
3 Agrees Zustimmung
c+
»Wissensebene« (Strukturantwort): Änderung der practice, stories, genres
›negativ‹ 12 Shows antagonism a– Antagonismus
›Lernbarrieren‹ »Datenebene« (Beobachtung): Vermeidung (Abwehr) neuer Stimuli
11 Shows tension Spannung
b–
»Informationsebene« (Interpretation): Rationalisierung, Gruppendruck
10 Disagrees Ablehnung
c–
»Wissensebene« (Strukturantwort): Beibehaltung der practice, stories, genres
Änderungen in den basalen Zweck-Mittel Relationen des Kausalnetzes (beliefs), d.h. ein- oder zweischleifiges Lernen (»Perfektion« oder »Innovation«) der Community Abwehr von Änderungen in den basalen Zweck-Mittel Relationen des Kausalnetzes (beliefs), d.h. Individuelles Lernen (»Sozialisation«) oder gar kein Lernen (»Stagnation«)
»Lernen« Änderung der Wissens-Struktur ohne Identitäts-Gefährdung: b+ Vernetzung durch Informationstechnologie
+ Projekterfolg
Datenbanken mit best practices
+
»Beobachten«: Frust und ausbleibender Erfolg statt erfolgreicher Projekte …
a
Kontextferne, Kontextferne, … mangelnde Anwendbarkeit dF i
+ Projekterfolg
+
b»Nicht-Lernen« Groupthink oder ähnliche Glaubens- bzw. Abwehr-Haltungen (z.B. Rationalisierung als »Anwenderfehler« usw.) Abb. 13: Klassifikation von Reaktionen auf Umweltbeobachtungen
166
Lernen
Wenn Communities sich jedoch für Lernen »entscheiden«, so geht damit zumindest selbstkritisches Prüfen von Erwartungen (also von Wissens- und eventuell auch Normenbeständen) durch deren Konfrontation mit der Umwelt einher. Auf einer ersten Stufe steht dabei die Effizienzsteigerung der practice als »Perfektionierung« im Mittelpunkt, mit anderen Worten eine Verbesserung i.S.v. single-loop learning. Das setzt nun bereits in Zusammenhang mit der Beobachtung der Umwelt Aufgeschlossenheit voraus. Das heißt, es werden im Zuge der Datenbeschaffung möglicherweise gezielt (»bewusst«) kritische Meinungen von den Mitgliedern275 eingeholt, bzw. man ist nicht nur (oder zumindest: nicht nur vorrangig) um Bestätigung der sinnhaften Erwartungsstrukturen276 bemüht und man setzt sich dem Risiko der Irritation aus. Im weitesten Sinn ist eine Suche nach Neuem auch an unkonventionellen Orten und mit dem in Kauf genommenen Risiko, auf Unerfreuliches (Unerwartetes) zu stoßen, zu erwarten, sowie in Folge mit zumindest teilweise positiven Reaktionen der Community auf neue Beobachtungen, Sicht- und Denkweisen (z.B. aus der internen Umwelt wie bspw. von Mitgliedern) und letzten Endes mit »Falsifikationen« zu rechnen. Im Zentrum sollte daher auch bei der Verarbeitung von Daten zu verwertbaren Informationen der Versuch stehen, eine ständige Weiterentwicklung des Community-Wissens (der practice) auf Basis von »außen« kommender Anregungen (»Lernofferten«) betreiben zu können. Das kann auch bedeuten, dass »alte« von »jungen« Community-Mitgliedern lernen, bzw. vor allem auch letztere neue Ideen und Praktiken in den gemeinsam tradierten Bestand überführen. Das Streben nach ständiger Erweiterung (eigentlich: Erneuerung) des Wissens in Form einer Verbesserung (sprich: Entwicklung) der practice quasi als Prozess einer ständigen Verbesserung (Kaizen, vgl. Masaaki 1993) erfordert, dass bestehende »(Handlungs-)Theorien« der practice hinterfragt werden, sobald sie scheitern, wenn möglich jedoch solange sie (noch) »funktionieren«, »stimmen«, »verifiziert werden«. (Sachlich-fachliche) Kritik an und Hinterfragen der practice muss dann wohl willkommen sein und kann nicht unter Rücksichtnahme auf die Sozialkapitalstrukturen (das sind also die affektiven, »Gefühl-vollen« Beziehungsstrukturen) zurückgehalten bzw. abgelehnt werden. Vielmehr lassen affektive Stabilisierung und gleichzeitige kognitive Flexibilisierung das Gegenteil erwarten. Geraten schließlich zusätzlich zu den Wissensbeständen auch noch die normativen Rahmen (frames) innerhalb der bzw. rund um die practice zur Steigerung der (oder auch: Neudefinition von) Effektivität in Bewegung, so lässt sich entsprechend den Überlegungen der vorliegenden Arbeit von echter »Inno275 276
Auch sie (nicht nur Nicht-Mitglieder) sind schließlich Umwelt des Sozialsystems Community. Und damit letztlich auch um Selbst-Bestätigung (vgl. oben)!
Wissensdynamik
167
vation« auf Community-Ebene sprechen: Es werden dann aller Erwartung nach auch »Grundsatzfragen« diskutiert, das heißt Prämissen infrage gestellt und die Ziele der Community bzw. vor allem die Ausrichtung ihrer practice angepasst. Werte und Entscheidungskalküle werden der Kritik ausgesetzt und ggf. einer Änderung unterworfen, an Umweltanforderungen angepasst oder als quasi preadaptive advances vorsichtig ausprobiert und mit veränderten Umwelten konfrontiert.
5.
Erleben
5.1
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
Als »Form« des Sozialen wie als basale Operation (Einheit, Element) von sozialen Systemen ist in den bisherigen Ausführungen »Kommunikation« mit »Sinn-haftem« wie »Gefühl-vollem« »Inhalt« gleichermaßen bereits im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden. „Kommunikation heißt aber nicht bloß[277] reden, sondern meint das Verstehen von Mitteilungen als Grundlage der Koordination sozialen Handelns“, wie Lueger (2000: 36) klar herausstellt. Und Luhmann (2001a: 209) würde hier wohl noch weiter gehen, denn für ihn steht bereits aus anderen Gründen fest: „Wir können mithin Intentionalität und Sprachlichkeit nicht zur Definition des Kommunikationsbegriffs verwenden.“ Nichtsdestotrotz hat Sprache (und nicht nur Kommunikation als conditio sine qua non menschlichen Lebens, wie Watzlawick et al. (2003 {1969}) meinen, weiterhin als evolutionär bedeutende Errungenschaft in erster Linie auch des Sozialen zu gelten. Sie erschwert zwar die Feststellung dessen, was gemeint war, gleichzeitig aber auch das Bestreiten einer Kommunikationsabsicht (Luhmann 2001a: 209). Und seit den ersten Arbeiten zu einer »Sprechakttheorie« (Austin 2002 {1962}, Searle 2003 {1969} etc.) sind vielfältige Anstrengungen unternommen worden, der Bedeutung der Wirkung des Sprechens als (Sprech-)Handlung »Was tun wir, wenn wir etwas sagen?«, »Was tun wir, indem wir etwas sagen?« usw.278 gerecht zu werden: Nach dem »Erkennen« bzw. dem »Wissen« gilt nun auch das »Sprechen« als Aktivität in einem Handlungszusammenhang.279
277
278
279
»Nicht bloß« im Sinn von »nicht beschränkt auf« und vielmehr auch auf anderen Wegen als über »Sprechen« möglich. Als Hervorhebung daher auch so möglich: »Was tun wir, wenn wir etwas sagen?«, »Was tun wir, indem wir etwas sagen?« Bzw. Handlungsstrom (Giddens 1997)?
170
Erleben
5.1.1 Kommunizieren und Handeln Eine Theorie der Praxis (vgl. oben) kann dem Ideellen (»Wissen«) und dem Materiellen (»Situation«, »Artefakte«, »Körper«) gleichzeitig zu seinem Recht verhelfen, indem sie zwischen beiden Aspekten zwar unterscheidet, die beiden jedoch weder trennt, noch sie hierarchisiert oder gar verabsolutiert. Schließlich kann sie sich eingestehen, dass Praktiken sich aus Körperbewegungen zusammensetzen und dass Praktiken in der Regel Verhaltensweisen mit Dingen, mit Artefakten bilden, in deren Zusammenhang das praktische Wissen aktualisiert wird. (Reckwitz 2004: 45)
Nicht zuletzt aufgrund seines grundlegenden Verständnisses von »Kommunikation« als emergentes Geschehen aus der Synthese280 dreier Selektionen (Information, Mitteilung und Verstehen281) gesteht ja auch Luhmann (2001a: 191ff) durchaus Schwierigkeiten der (analytischen) Unterscheidung der Begriffe »Kommunikation« und »Handlung« ein, bzw. ist er sich der Tatsache bewusst, dass der kommunikative, Soziales als Realität sui generis konstituierende Prozess wenngleich nicht aus Handlungen »bestehend« um sich selbst steuern zu können, in Handlungen »dekomponiert« werden muss282 (2001a: 193). Dennoch legt er stets Wert darauf festzuhalten, „daß Kommunikation nicht als Handlung und der Kommunikationsprozeß nicht als Kette von Handlungen begriffen werden kann“ (2001a: 225), da die Handlung nach diesem Verständnis den (se-
280
281
282
Im Gegensatz zu anderen (vor allem die Möglichkeiten der Differenzierung bspw. die Sprechakttheorie analysierenden) Autoren betont Luhmann (2001a: 196f) also die Einheit: „Bühler spricht zum Beispiel von drei »Leistungen« oder drei »Funktionen« der menschlichen Sprache, nämlich: (ich ändere die Reihenfolge) Darstellung, Ausdruck und Appell (…). Die erste Bezeichnung meint die Selektivität der Information selbst, die zweite die Selektion der Mitteilung, die dritte die Erfolgserwartung, die Erwartung der Annahmeselektion. Das lenkt die Aufmerksamkeit nicht auf Bedingungen der emergenten Einheit, sondern auf Fragen der relativen Dominanz und des Wechsels der Dominanz einer der drei Funktionen.“ »Verstehen« meint hier nicht bereits Annahme oder Ablehnung (Anschlusskommunikation): „Wenn wir sagen, daß Kommunikation eine Zustandsänderung beim Adressaten bezweckt und bewirkt, so ist damit nur das Verstehen ihres Sinnes gemeint. Das Verstehen ist jene dritte Selektion, die den Kommunikationsakt abschließt.“ „Man kann es jetzt nicht einmal mehr ignorieren, sondern nur noch glauben oder nicht glauben“ (Luhmann 2001a: 203f). So zumindest, dass man Informationen nur durch absichtliches oder unabsichtliches Verhalten mitteilen kann (Luhmann 2001a: 195): „Im Unterschied zu bloßer Wahrnehmung von informativen Ereignissen kommt Kommunikation nur dadurch zustande, daß Ego zwei Selektionen unterscheiden und diese Differenz seinerseits handhaben kann. (…) Ego ist in der Lage, das Mitteilungsverhalten von dem zu unterscheiden, was es mitteilt“ (2001a: 198).
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
171
lektiven) Aspekt der »Mitteilung« und damit stets nur einen Teil der Kommunikation darstellt: Man kann den Kommunikationsprozess deshalb nicht voll erfassen, wenn man nicht mehr sieht als die Mitteilungen, von denen eine die andere auslöst. In die Kommunikation geht immer auch die Selektivität des Mitgeteilten, der Information, und die Selektivität des Verstehens ein, und gerade die Differenzen, die diese Einheit ermöglichen, machen das Wesen der Kommunikation aus. (2001a: 225f)
Da Kommunikation nicht direkt beobachtet, sondern nur erschlossen werden kann, wie Luhmann (2001a: 226) feststellt, müssen Systeme jedoch (ungeachtet der Unzulänglichkeiten des Begriffs) vor allem das Mitteilen als Handeln auffassen (und „nur in diesem Sinne wird das Handeln zur notwendigen Komponente der Selbstreproduktion des Systems von Moment zu Moment.“ (2001a: 227)283), Kommunikation als »Handeln« zurechnen, sowie sich schließlich selbst als „Handlungssystem“ konstituieren: Um beobachtet zu werden oder um sich selbst beobachten zu können, muß ein Kommunikationssystem (…) als Handlungssystem ausgeflaggt werden. (2001a: 226) Kommunikation ist die elementare Einheit der Selbstkonstitution, Handlung ist die elementare Einheit der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung sozialer Systeme. (2001a: 241, Hv. PR)
Diese Doppelantwort (Luhmann) auf die Frage nach den soziale Systeme konstituierenden Einheiten (basalen Operationen) macht auch die Beliebtheit der Ebene von Handlungen ohne deren weitere bzw. letztinstanzliche Rückführung auf Kommunikationen und in weiterer Folge das „geläufige Vorurteil“ der Zurechnung dieses Handelns auf Menschen (konkrete Subjekte) ohne Berücksichtigung der Trennung von den Bedingungen der Möglichkeit von Handlung (Luhmann 2001a: 229) für Beobachtungen sozialer Systeme verständlich.284 Handlungen entstehen jedoch erst auf der Basis von Zurechnungsprozessen. Was als Handlung gilt, ist abhängig von (sozialen) Kontexten, und wer »Handlungen« beschreibt, verwendet außerdem bereits ein voraussetzungsvolles Beobachtungsschema285. So wie für die Sprechakttheorie »Sprechen« nur als »sprachliches
283
284
285
Und Luhmann (2001a: 227) fügt hinzu: „Deshalb ist es nie falsch, wohl aber einseitig, wenn ein Kommunikationssystem sich selbst als Handlungssystem auffaßt.“ „Daß es physische, chemische, thermische, organische, psychische Bedingungen der Möglichkeit von Handlung gibt, versteht sich von selbst, aber daraus folgt nicht, daß Handeln nur auf konkrete Einzelmenschen zugerechnet werden kann“ (Luhmann 2001a: 229). Inklusive des für Beobachtungen konstitutiven und daher (»bewusst« oder »unbewusst«) in Kauf zu nehmenden blinden Flecks (vgl. oben).
172
Erleben
Handeln« begreifbar ist, so ist auch jede Kommunikation nur in ihrer zurechenbaren bzw. vor allem in ihrer zugerechneten Form als »Handeln« beobachtbar und letztlich in ihren Auswirkungen zu untersuchen: Die Strukturen, die den Erkenntnisgegenstand bilden (Lueger 2000: 26), repräsentieren „Ausdrucksoptionen von Phänomenen“, bzw. verbergen ihnen zugrunde liegende „virtuelle Strukturen“, die das eigentliche Ziel jeder Untersuchung darstellen (2000: 28f): Während man Handlungen oder Personen wahrnehmen kann, bleibt die Struktur verborgen, auch wenn ihre Wirkung über die Zeit hinweg erhalten bleiben kann. (…)
Von Interesse scheint auch in diesem Zusammenhang jener Begriff von Struktur „wie er im strukturalistischen und poststrukturalistischen Denken konzeptualisiert ist“, um mit Giddens (1997: 68f, Hv. PR) zu sprechen: „Hier wird er charakteristischerweise nicht als ein Muster für die Strukturierung von Gegenwärtigem, sondern als Schnittpunkt von Gegenwärtigem und Abwesendem gedacht“. Demgegenüber werden die zugrunde liegenden Codes vielmehr aus Oberflächenerscheinungen abgeleitet, da aus dieser Perspektive Struktur gerade durch die Abwesenheit des Subjekts gekennzeichnet ist (1997: 77). Mit dem bisher Gesagten wird nun auch klarer, weshalb interpretative Analysen Prozess und Strukturierung sinnhafter Kommunikation als Form der Wirklichkeitskonstruktion ins Zentrum rücken: Interpretative Analyse steht vor dem Problem, sich mit einem Gegenstandsbereich zu befassen, der sich einer Beobachtung nicht unmittelbar präsentiert, sondern sich nur erschließen läßt. Erkenntnisse sind daher Konstruktionen aus einer spezifisch wissenschaftlichen Perspektive, die den Erkenntnisgegenstand theoretisierend286 dem Verständnis zugänglich machen. (Lueger 2000: 40)
Ihr Analysieren ist dabei mehr als gründliches Beobachten der Realität (Lueger 2000: 50) und erfolgt außerdem selbst als aktives Handeln, in dem die zu untersuchenden Phänomene entlang der zugrunde gelegten Leitunterscheidungen erst erzeugt werden.
286
Dieses »theoretisierende Zugänglichmachen« ist für den Wissenschaftler dann ein »praktisches« insofern als producing theory die practice seiner community (of practice bzw. „of praxis“ (Willke)) darstellt (vgl. oben).
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
173
5.1.2 »Dimensionen« der Kommunikation als »Inhalt« der Form Bekannte Untersuchungen von Phänomenen »zwischenmenschlicher« Kommunikation haben neben den verschiedenartigen Möglichkeiten der Mitteilungsselektion (bspw. verbale vs. nonverbale) in erster Linie die Selektion mitgeteilter Information bzw. deren Verstehen zum Thema. Angeregt durch die Arbeiten von insbesondere Bühler (1965 {1934}), der Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion einer Nachricht unterscheidet287, sowie von Watzlawick et al. (2003 {1969}) mit der Trennung von Inhalts- und Beziehungsaspekt, differenziert Schulz Von Thun (2002 {1981}) schließlich möglicherweise am ausführlichsten Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell. Vor dem Hintergrund der Kommunikationsbasierung sozialer Systeme scheinen in diesem Zusammenhang jedoch eher die bereits bei Homans (1950) anzutreffenden Überlegungen zu einer Unterscheidung zwischen dem »Primärsystem« der Gruppe (es ist jenes der Aufgabenaktivität) und dem »Sekundärsystem« als jenem der sozialen Interaktion zu rein sozialen Zwecken beachtenswert (vgl. auch Argyle 1975: 216), da diese über die individuell-interaktionistische Ebene hinaus auf eine kollektive verweisen. Wie im Rahmen der vorliegenden Arbeit bereits dargelegt worden ist, sollte auch aus systemtheoretischer Perspektive nicht nur (bzw. vor allem: nicht zu rasch) auf »Sinn-hafte« Aspekte der Kommunikation allein abgestellt werden (vgl. Staubmann 1995, 2004, Ciompi 1997ab, 2004). Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich soziale Systeme sowohl aus »Sinn-haften«, wie auch aus affektiven, »Gefühl-vollen« Kommunikationen konstituieren und beide Dimensionen nach einer jeweils eigenen Logik anschlussfähig reproduziert werden können (bzw. um den Bestand des Systems zu gewährleisten: reproduziert werden müssen). Die Frage nach Bedingungen und Möglichkeiten »rein sinnhafter« bzw. »ausschließlich affektiver« Kommunikation muss (und kann) wohl an dieser Stelle unbeantwortet bleiben, die vorangegangene Interpretation kommunikativer Emergenzen als entweder Wissen oder Sozialkapital ist ja dementsprechend auch unter Berufung auf entsprechende »Aspekte« der Kommunikation d.h. als aufeinander verweisende »Seiten einer Medaille« erfolgt. Dementsprechend wird weiter von einer graduellen Abstufung bzw. einer zumindest stets vorhandenen und nicht hintergehbaren »affektiven« Tönung kommunikativer »Handlungen« ausgegangen:
287
Vgl. bereits Fn. 280 zum expliziten Bezug darauf bei Luhmann (2001a: 196).
174
Erleben A greeting can be warm or distant, a discussion friendly or competitive, a meal together harmonious or acrimonious, a kiss tender, passionate or dutiful. The qualities of interactions are one of the most important qualities of a relationship, and yet one of the most difficult to assess. (Fraser/Burchell 2001: 124)
Aus ähnlicher Perspektive wie die vorliegende Arbeit d.h. mit dem Erkenntnisinteresse (i.w.S.) how companies develop new ideas, share knowledge and experience, and enhance individual and collective learning beschreiben in einem kurzen Aufsatz auch Gratton/Ghoshal (2002) unter dem Titel Improving the Quality of Conversations das Zusammenspiel rationaler und emotionaler Aspekte in Dialogen bzw. deren Beitrag zur Qualität der Ergebnisse von Gesprächen. Während Rationalität in erster Linie der diskursiven Prüfung und Behandlung von Fakten zuträglich ist, trägt Emotionalität vor allem dazu bei, vertrauensvolle Beziehungen zu bilden und aufrecht zu erhalten: Emotional conversations build this alignment well beyond the limits of reason’s inherent instrumentality (2002: 215). Dieser Beitrag emotiver Kommunikationsmuster zur Stabilisierung und Unterstützung der (kognitiven und normativen) Belastbarkeit sozialer Systeme konnte auch in dieser Arbeit unter dem Titel »Sozialkapital« aus systemtheoretischer Perspektive abgeleitet werden (vgl. oben). Die Diskussion des besonders anspruchsvollen, nicht zuletzt jedoch auch besonders vielversprechenden »high-emotion-high-rationality Quadranten« (Creative Dialogue) beginnen Gratton/Ghoshal (2002: 216 Hv. PR) wie folgt: Rationality is essentially about structure; emotions are largely about meaning [!]. Rationality is an exercise in disaggregation. (…) Emotions, on the other hand, are holistic, less amenable to such disaggregation. They deal with feelings and ideas.
Nicht nur aufgrund unscharfer Begriffsabgrenzung (vgl. die Unterstr.) scheint die anschließende Feststellung, dass the two are always hard to combine zuzutreffen. Demgegenüber können aus dem in dieser Arbeit bis hierher erkennbaren Blickwinkel wohl auch nicht so sehr eine »Kombination« der beiden Dimensionen (also »Sinn-hafter« und »Gefühl-voller« Kommunikationsaspekte) als erstrebenswert angesehen, sondern vielmehr Qualitätsgewinne aus einer Art »losen Kopplung« und einer sich daraus ergebenden bedingten Unabhängigkeit von »Wissens-« und »Sozialkapitalbestand« als über weite Strecken getrennt emergierende Phänomene erwartet werden (vgl. oben). In Anlehnung an Gratton/ Ghoshal (2002) wäre wohl in systemtheoretischer Terminologie auf die Anschlussfähigkeit sinnhafter bzw. affektiver Kommunikationen abzustellen, die erst dann innerhalb der Systemstrukturen selektive Effekte hinterlassen können (vgl. oben bzw. Luhmann 2001a: 102).
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
175
Um nun diese Trennung der beiden aufeinander verweisenden Dimensionen näher zu untersuchen, soll erneut versucht werden, auf die wegweisenden systemtheoretischen Arbeiten von Parsons bzw. jene von Parsons und Bales zur Kleingruppenforschung (die wohl nicht zufällig auch für die hier im Mittelpunkt stehenden »Communities« als Systeme auf dieser Ebene interessant scheint) zurückzugreifen. Das Schema der Interaktions-Prozess-Analyse (Interaction Process Analysis IPA nach Bales (1950, 1999), Parsons/Bales (1953) usw.) basiert auf einer grundlegenden Unterscheidung zwischen adaptiv-instrumentellen und expressiv-integrativen Aufgaben des Systems288 wie bereits oben in Zusammenhang mit der Öffnung von Systemtheorie für mehr als nur kognitive bzw. »Sinn-hafte« Phänomene angemerkt bzw. einer zur Bewertung ihrer Beiträge (positiv vs. negativ, bittend vs. gebend). Die erste Achse erinnert mit dem dabei weniger an die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Terminologie, und doch steht sie mit ihrer Unterscheidung inhaltlich-instrumenteller Probleme (d.h. auch des Prozessierens »Sinnhafter« Differenzen) von »integrativen« Anforderungen (d.h. dem Verarbeiten sozio-emotionaler, expressiver bzw. eben affektiver, d.h. »Gefühl-voller« Selektionen) der hier verwendeten Gegenüberstellung von systemischer »Wissensbasis« einerseits und »Sozialkapital« andererseits nahe. Damit findet nun auch die grundlegende Parsonianische Differenzierung zwischen instrumenteller und affektiv-kathektischer Dimension (vgl. bereits oben 3.1.2) Eingang in die empirisch orientierten Teile der Abschnitte der vorliegenden Arbeit. Dieses maßgeblich von Bales (1950) entwickelte Schema289 zählt nicht nur zu den bekanntesten und am weitesten formalisierten bei gleichzeitiger hoher Generalisierung und breiter Anwendungsmöglichkeit (vgl. bspw. Crott 1979: 32ff u. dort zit. Lit. wie Lipinski/Nelson 1974 u.a.). Es scheint auch die beiden wesentlichen Aspekte der Kommunikation bzw. der sich daraus als emergente Phänomene bildenden Konstrukte Wissen und Sozialkapital wie sie im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen, zu erfassen (was nicht zuletzt auf die Beteiligung von Parsons zurückzuführen ist) und damit den zentralen Kategorien der »Sinn-haften« bzw. »Gefühl-vollen« Kommunikation gerecht werden zu können (vgl. Abb. 14).
288
289
Zur strukturfunktionalistischen Systemtheorie von Parsons von Luhmann bekannt pointiert auf einen Nenner zu bringen versucht mit action is system (Luhmann/Baecker 2002) vgl. bspw. Parsons (1951, 1964, 1977). Weiterentwickelt u.a. in Bales/Cohen (1982) zum so genannten SYMLOG-Modell (ein „System für die mehrstufige Beobachtung von Gruppen“), das durch die stärkere Ausdifferenzierung eine noch feinere Differenzierung ermöglicht.
176
Erleben
Ebene des sozialen Kapitals
Ebene des Wissens (der practice)
expressiv positiv [+]
expressiv negativ [-]
instrumentell-adaptiv
»affektive« Dimension der Kommunikation
»sinnhafte« Dimension der Kommunikation
Abb. 14: Interpretation der Wirkung von »Sozialkapital« auf »Wissen« (practice) mit dem Schema bzw. in der Terminologie der IPA nach Bales
Von weitaus größerem Interesse als die intentionalen Orientierungen einzelner (Sprach-)Handlungen bzw. (Sprech-)Akte für sich290,291 scheinen jedoch aus dem für diese Arbeit gewählten Blickwinkel die sich aus den Wechselwirkungen zwischen den beiden Dimensionen auf gewissermaßen kollektiv-überindividueller Ebene einstellenden Effekte (Vgl. oben unter 3.2.3 die Verortung der vorliegenden Arbeit im Modell von Nahapiet/Ghoshal (1998) zwischen kognitiver und relationaler Dimension). Wie bereits im Rahmen der Überlegungen zur »Gefühlvollen« bzw. »Sinn-haften« Systemstabilisierung bzw. Indentitätssicherung dargestellt, sind gegenläufige Einflüsse der expressiv-emotiven Wirklichkeitskonstruktion auf die instrumentell-inhaltliche Operationen vorstellbar (vgl. oben). Becker-Beck (1997) hält in diesem Zusammenhang die originale Vorgehensweise von Bales/Cohen (1982) so wie bspw. die Anwendung von Bales/Strodtbeck (1951) für nicht ausreichend. Sie plädiert demgegenüber für eine Untersuchung von vollständigen und umfassenden Botschaftsmustern. Letztere als Gegensatz zur ausschließlichen Auszählung von Häufigkeiten unterschiedlicher Verhaltenskategorien, sowie zu deren Beschränkung auf die Auswahl von nur den als »wichtig« erachteten Interaktionsereignissen. Dies jedoch unabhängig von Sender oder Empfänger. Die einzelnen Elemente [!] der Gruppe werden nicht berücksichtigt, so daß man von einer Analyse auf der Ebene des »Systems Gruppe« (O’Connor, 1980) sprechen kann. Eine derartige Betrachtungsweise wird vor allem von
290
291
Bzw. in weiterer Folge der Versuch eines Schlusses von dieser Intention auf die Persönlichkeit des (der) Handelnden. Vgl. zum Verhältnis von Intentionalität, Handlung und (sozialer) Praxis die Ausführungen oben.
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
177
Forschern eingenommen, die an der Identifizierung von Phasen der Gruppeninteraktion interessiert sind. (Becker-Beck 1997: 56)
Zusätzlich erfassen Untersuchungen (quasi in behavioristischer Tradition) vielfach nur das Interaktionsverhalten, wie Becker-Beck (1997: 111) kritisiert. Zwar sind wohl bereits Häufigkeiten und message patterns durch die Trennung der Dimensionen (als »Inhalt« der »Form«, vgl. oben) stark inhaltlich »imprägniert«, allerdings verdient der damit verbundene Hinweis, dass den Inhalten der Kommunikation mehr Bedeutung beizumessen sei, dennoch auch und vor allem aus dem hier vorliegenden Erkenntnisinteresse Beachtung. Die Bedeutung der sequentiellen Abfolge (neben bzw. auch unabhängig von der Häufigkeit des Auftretens) von Interaktionseinheiten („Akten“ bzw. „Interakten“ nach Becker-Beck 1997: 27) wird unter anderem und vor allem auch im Kontext der hier interessierenden Fragestellungen bedeutsam illustriert durch die Untersuchung von Brainstorming-Gruppen (Dabbs/Ruback 1987 referiert von Becker-Beck 1997: 92): Ideen wurden weniger im Anschluß an Vokalisationen einzelner oder simultanes Sprechen mehrerer produziert, sondern folgten vielmehr auf Schweigeperioden beim Sprecherwechsel. Die Autoren interpretieren dies dahingehend, daß ein hohes Vokalisationsniveau möglicherweise mit der Ideenproduktion interferiert.
Hinsichtlich der Einflüsse zwischen den »Dimensionen«292 hatte ja bereits Bales (1953: 123, passim) im Rahmen seiner Untersuchungen des „Gleichgewichtsproblems in kleinen Gruppen“ (so auch der Titel) reaktive Tendenzen d.h. vor allem den Abbau »instrumenteller« Spannungen durch »expressive« Manöver untersucht, wenn beispielsweise (…) the instrumental-adaptive activity of the preceding participant tends to build up tensions in the present participant to some point where he enters the process and changes to activity of an expressive-integrative relevance, which tends to »bleed off« the tension to some point at which he changes the focus himself and continues again with instrumentaladaptive activity. (1953: 123, Hv. PR)
292
Zur Anschlussfähigkeit innerhalb einer Dimension vgl. oben: „If the preceding reaction was far over on the affective side, however, there are appreciable tendencies for the member to continue in the affective area.” Aber, so Bales (1953: 122, Hv. PR) weiter: „If one’s former act was a display of antagonism, the present act is likely to be another, unless it passes over in tension release, either of which is more probable than a direct return to the task area.”
178
Erleben Kommunikationsstrukturen sozialer Systeme als emergente Phänomene
affektiv-kathektische, »Gefühl-volle« Dimension
instrumentelle, »Sinn-hafte« (kognitive/normative) Dimension
Sozialkapital
Wissen
»Dichte Beschreibung« SOZIALKAPITAL COMMUNITY || »WEBS OF AFFECTION«
explicit
individual
collective
concepts
stories
Zielsystem (frame)
knowing
tacit
positives Klima (Vertrauen…)
Emotionen, Affektivstruktur
individual collective
Expressiv-Integrativ »Sozio-Emotional« positiv 1 Shows solidarity Solidarität 2 Tension release Entspannung 3 Agrees Zustimmung negativ 12 Antagonism Antagonismus 11 Shows tension Spannung 10 Disagrees Ablehnung
evaluative Dimension
skills
genres
Instrumental-Adaptiv »Inhaltlich« Lerneffekte »Datenebene« (Beobachtung): Suche nach neuen Stimuli »Informationsebene« (Interpretation): Hinterfragen dzt. gültiger Informationen »Wissensebene« (Strukturantwort): Änderung der practice, stories, genres
Ebene der Denkbzw. Handlungsrahmen (frame) Neuorientierung bzw. Neuausrichtung
Lernbarrieren »Datenebene« (Beobachtung): Vermeidung (Abwehr) neuer Stimuli »Informationsebene« (Interpretation): Rationalisierung, Gruppendruck »Wissensebene« (Strukturantwort): Beibehaltung der practice, stories, genres
Untersuchungsrichtung
Ebene der Denkbzw. Handlungsrahmen (frame) Beibehalten des Zielsystems
»Dichte Beschreibung « und »kognitive Karte(n)«
WISSEN PRACTICE || »WEBS OF SIGNIFICANCE«
ZIELE VALUES
Abb. 15: Morphologische Systematisierung der konzeptionellen, aus systemtheoretischer Perspektive ausgearbeiteten Grundlagen zur Orientierung von Beobachtungen
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
179
Den nach Becker-Beck (1997) in empirischen Untersuchungen vernachlässigten kommunikativen »Inhalt« zu präzisieren ist nun vor allem in der »Sinn-haften« Dimension vonnöten (vgl. bspw. die Unterscheidung zwischen conceptual, procedural, administrative und off task »content« of conversation« bei Kittleson/ Southerland 2004), da auf der Ebene des kollektiven Wissensbestandes (das ist die in der Community geteilte, weiterentwickelte, weitergegebene practice) eine Abhängigkeit der »Dynamik« von den affektiven Strukturen (das ist das soziale Kapital) zu erwarten ist. Dabei wird jedoch selbstverständlich nicht von einer determinierenden Wirkung im Sinne einer direkten »Auslösung« affektiver Interaktionssequenzen als »Reaktionen« auf sinnhafte (Inter-)Akte als »Stimuli« ausgegangen, sondern vielmehr von einem entgegengesetzten Bedingungszusammenhang in dem die affektive Strukturierung des sozialen Systems »Community« entweder verhärtend und hemmend oder aber flexibilisierend und sogar dynamisierend wirken kann. Da insbesondere emergente Phänomene im Mittelpunkt des Interesses stehen, sind es darüber hinaus weniger die unmittelbaren »kognitiven« oder »normativen« (nebst »affektiven«) Reaktionen (bzw. Reaktionsmuster) auf eine affektive Interaktionssequenz, denen vorrangige Bedeutung beigemessen wird. Vielmehr sind die Auswirkungen affektiver Sequenzen und Strukturen auf die kollektiv gehaltenen Wissensbestände von Interesse, wo sie entweder Veränderungen auslösen oder aber auch Indizien für solche Strukturänderungen die selbst unbeobachtbar sind und nur erschlossen werden können darstellen (Vgl. Abb. 15).
5.1.3 Darstellung der »Sinn-haften« Strukturen als Karten Wie bereits festgestellt worden ist, stehen beim Erschließen (der Re- bzw. NeuKonstruktion293) sozialer, das heißt vor allem auch: kommunikativer »Wirklichkeiten« immer nur zunächst manifeste Phänomene, letztlich aber dahinter liegende virtuelle Strukturen traditionell als Sinn-, in dieser Arbeit auch als GefühlLandschaften im Mittelpunkt des Interesses (Lueger 2000, Flick 2002). Das gilt entsprechend auch für die hier in dieser Arbeit behandelten kollektiven Wissens-Bestände im Verständnis von bspw. Willke: Der Kern der Idee des kollektiven Wissens ist die Beobachtung, dass der Gehalt dieses Wissens nicht von den einzelnen Wissenspartikel geprägt ist, welche in den Köpfen von Personen oder sonstwie dokumentiert vorhanden sind, sondern von den Relationen und
293
So sind (gerade) kognitive Karten bloß representations of representations (vgl. Bougon 1992).
180
Erleben Verknüpfungsmustern zwischen diesen Wissenselementen. Die Verknüpfungen selbst konstituieren das eigenständige kollektive oder systemische Wissen (…). (1996: 284)
Ein „basales Wissenselement“ resultiert dabei für Willke aus der Erfahrung einer funktionierenden Konditionalregel: „Wenn x unter den Bedingungen des Kontextes y, dann z“. Er nennt dies dann schlicht eine „erfahrungsgeprobte ZweckMittel-Relation“ (2001b: 90). Und auch für Hall (1984) steht bereits fest, dass insbesondere kollektives Wissen vor allem »kausaler Natur« ist, das heißt sich in Ursache-Wirkungs-Relationen manifestiert294. Kognitive Karten295 als eine Art graphische Aufbereitung von Wissenstopologien (»Sinn-Landschaften«) werden daher auf individueller wie auch kollektiver Ebene in der Regel graphisch als (mehr oder weniger) komplexe Zusammenhänge in Form von Elementen und (gerichteten) Verbindungen (eben meist kausalen Wirkungen296) zwischen diesen Elementen dargestellt297,298. Dabei werden begrifflich gefasste, von gewählten Kontexten abhängige Sinneinheiten (»Konzepte«, »Labels«, wie unten mit Bougon (1992) noch ausgeführt wird) in subjektiv und systemrelativ geäußerte (oder in aus dem Gesamtzusammenhang erschlossene) Kausalzusammenhänge eingebettet, um dann als Kartenstruktur dargestellt zu werden: As in most maps, they provide a frame of reference of what is known, believed, and perceived, and hold the promise of identifying alternative strategies of change: of where we are now and where we can go299. (Wright 2004: 344)
294
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Für Haas (1992: 3) zählen ebenfalls neben shared principled vor allem shared causal beliefs zu wesentlichen Kennzeichen von epistemic communities nebst einem set of common practices [!] (vgl. aber stellvertretend für andere auch bspw. Borroi et al. 1998). »Karten« meinen hier demnach als representations of representations (Bougon) bereits Darstellung-(sform)en und nicht die originären, ihnen zugrunde liegenden bzw. die durch sie »repräsentierten« psychischen (Downs/Stea 1982) oder eben hier: sozialen »virtuellen« (Lueger 2000) Strukturen. Etwas irreführend (weil ungenau?) wirkt die Feststellung: In social systems ›the map is the territory‹ (Bougon 1992: 381). Diese cognitive maps or cause maps (sic bei Eden 1992) können nach Bartlett (1932) als die »zeitlichen« (im Gegensatz zu den »räumlichen« wie Ähnlichkeit etc.) Beziehungen etikettiert werden (vgl. Lehner 1996: 88). Bougon (1992: 370) merkt in diesem Zusammenhang an: „What is often confusing is that, depending on purpose, very different graphic expressions can be drawn and be presented as the map of a social system (…) Actually, these different drawings are merely different expressions of the same congregate cognitive map.” A cause map is essentially a cognitive map where the relationships are restricted to causal relationship, i.e., each relationship in the map is restricted to a may-lead-to, has-implicationsfor, supports, or cause-effect type of relationship (Tegarden/Sheetz 2003: 114). Vgl. auch den Aufsatz von Fiol/Huff (1992) mit einem entsprechenden Titel Maps For Managers. Where Are We? Where Do We Go From Here?
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
181
»Kausalität« und »Zeitlichkeit« sind es mithin, die als Ausdruck der den Strukturen (und damit auch den Karten) eignenden komplexen Dynamik300 bspw. in Form von sich selbst regulierenden (feed-back) oder auch verstärkenden (feedforward) Schleifen (loops) gelten können: Wenn „der Ausgangsknoten einer Kausalkette gleichzeitig Endknoten ist, so spricht man von einer Kausalschleife. (…) Ohne Verzögerung ist eine Schleife, die eine ungerade Anzahl von Minuszeichen enthält301, abweichungsdämpfend (homöostatisch), im anderen Fall abweichungsausweitend (morphogenetisch)“ und, wie man bei Lehner (1996: 104f) außerdem lesen kann, „indizieren abweichungsdämpfende Schleifen Bereiche in Organisationen, in denen Veränderungsbemühungen wenig aussichtsreich sind.“
+
+
+
Abb. 16: Schema einer möglichen graphischen Darstellung »kognitiver Karten« (mit einer homöostatischen Schleife rechts und einer morphogenetischen links)
Kognitive bzw. Sinn- (oder Bedeutungs-)Karten erscheinen damit aber auch in ihren zentralen Aufgaben (Funktionen) und Strukturen in der Tat als brauchbare Analogien zu sozialen System, darüber hinaus auch als nützliche Formen ihrer Darstellung, wenngleich in erster Linie ihrer »Sinn-haften« (»kognitiven« und »normativen«) Strukturen. Wie sich Sozialsysteme anhand einer zentralen (basalen) Leitunterscheidung ausdifferenzieren und durch die grundlegende Operation der (Selbst- wie Fremd-)Beobachtung Selbstreferenz sowie in weiterer Folge (autopoietische) Re-Produktion anschlussfähiger Elemente und Strukturbildung zur Reduktion von Komplexität durch selektive Aktualisierung von Sinn ermöglichen, so liegen dem Erstellungsprozess psychischer (mental) und sozialer (social?) Karten (maps) ebensolche Entscheidungen über Perspektive und Fokus 300 301
Trotz allfälliger Remanenzen. Die einfache Bezeichnung von Beziehungen als »verstärkend« oder »abschwächend« (Notation »+« bzw. »-«) ist wohl eher illustrativ zu verstehen, da sie mit Stegmüller (1979: 100, zit. n. Lehner 1996) wohl der gängigen Ansicht, Kausalität können auf deterministische Zusammenhänge beschränkt werden, entspricht.
182
Erleben
(also über die Selektivität der Beobachtung) bzw. über Symbolik und Sprache (also über den Sinn der Elemente in der Darstellung) zugrunde, die stets viabel hinsichtlich einer besonderen systemrelativen Umwelt getroffen werden müssen (vgl. Downs/Stea 1982: 90ff, oder auch Lehner 1996: 90f)302. Und nur, wenn diese von einem System hier: dem sozialen System Community zugrunde gelegten Entscheidungen (basalen Unterscheidungen) als Prämissen für die eigenen Beobachtungen der Forscher(innen) bzw. Leser(innen) herangezogen werden, kann die konstruierte Darstellung der »Sinn-haften« Struktur von einem anderen System verstanden (vgl. oben mit Luhmann 2001a: 245ff), das heißt als Re-Konstruktion betrachtet werden. Auch Stabilisierung und Veränderung bzw. Anpassung der Kartenstrukturen als fließende Gleichgewichte sind analog zu den Bewegungen (und Remanenzen) in sozialen Systemen zur Sicherstellung ausreichender Viabilität zu berücksichtigen. Denn Strukturen dienen nicht nur der Komplexitätsreduktion303 durch eine Einschränkung möglicher Anschlüsse (also Regulierung der Bandbreite anschlussfähiger bzw. anschlusswahrscheinlicher Operationen) auf ein der bounded rationality und der requisite variety gleichermaßen angemessenes Niveau. Noch grundlegender stellen sie einen Kon-Text bzw. einen Hintergrund für die Interpretation von Beobachtungsdaten dar, der mehr oder weniger flexibel und anpassungsfähig gehalten werden muss304: First, they may represent their ›information world‹ by employing knowledge structures (or schemata) which serve as top-down of theory-driven aids to information processing. These structures are largely created from experience and are felt to affect (…) ability to attend to, encode and make intelligent inference about new information. Secondly, they may pursue a bottom-up or data driven approach, whereby they let current or novel contexts shape their processing and inform or develop their existing schema. (Sparrow 1999: 142f)
302
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Während dieselbe Tatsache der systemtheoretischen Formulierung von Erkenntnis- bzw. allgemein von Wissensgenerierungsprozessen vielfach als unübersichtlich gilt, stellen Downs/Stea (1982: 111) fest „Die Feststellung, daß wir beim kognitiven Kartieren selektiv vorgehen, scheint zunächst trivial zu sein. Sich anders zu verhalten wäre gar nicht möglich. Wir müssen angesichts des großen Umfangs möglicher Umweltinformationen eine Auswahl treffen.“ Inklusive der in der Debatte um kognitive Karten nicht explizit auftauchenden, für (System-) Wissen jedoch konstitutiven Generalisierungsleistung (Luhmann 2001a: 135ff, 436ff). Wird diese berücksichtigt, besteht nicht so leicht die Gefahr, kognitive Karten in die Nähe von InputOutput-Modellen (Lehner 1996: 108) zu rücken. Vgl. die retention processes bei Weick (1969) und mit Bezug darauf Hall (1984) zu den Möglichkeiten der Reaktion auf enttäuschte (nicht erfolgreiche) policies also zum Beispiel entweder change beliefs (inklusive notwendiger Rechtfertigungen und Rationalisierungen) oder redouble effort (als »mehr desselben«).
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
183
Die für kognitive305 Kartographie erforderlichen Elemente mit dazwischen liegenden Verbindungen zusammenzustellen, stellt dabei zu Beginn eine der zentralen und folgenreichen Herausforderungen dar. Insbesondere auf der Ebene des kollektiven expliziten (bspw. stories) wie vor allem des impliziten (wie bspw. genres) Wissens können erwartungsgemäß (wissens-)strukturelle Änderungen nur im Rahmen vorgezeichneter Landkarten verortet werden. Zu den Wegen, entlang derer Antworten auf die grundlegenden offenen Fragen gesucht werden können, zählen neben traditionellen ethnographischen (dichten) Beschreibungen (Geertz 2003) von Daten, die durch Beobachtung, Interview usw. erlangt worden sind in wesentlichem Maß deren Interpretation. Diese erfolgt zum einen im Lichte der angewandten (d.h. ausgewählten) theoretischen Systeme und zum anderen in Zusammenhag mit anderen, in einen Bedeutungszusammenhang verwobenen Elementen.306 Wie für Langfield-Smith (1992: 350) the term ›belief‹ denotes those beliefs ... about a certain domain, sind die im Fall der vorliegenden Arbeit interessierenden Konstrukte ebenfalls um die domain einer Community mit einer bestimmten practice »X« zentriert. Hinsichtlich dieser taken-for-granted assumptions in Kausalzusammenhängen differenzieren Fiol/Huff (1992: 268, Hv. PR) dann auf einer rudimentären Ebene bspw.: Factors with many ›out‹ arrows are the givens (…) those with arrows both ›in‹ and ›out‹ denote means; while those with many ›in‹ arrows mark important ends.
Nicht nur das Mitnehmen von interpretations- und auslegungsbedürftigen Elementen als »Kristallisationskerne« für die zu konstruierenden Bedeutungen, sondern auch ein Beginnen auf noch grundlegenderer Ebene wird bspw. im Rahmen der Repertory Grid Technik (vgl. Tan/Hunter 2002: 43) vorgeschlagen307: One way is for the researcher to provide the elements (commonly referred 305
306
307
Die Betonung der grundlegenden Rolle affektiver Kommunikationsdimensionen in der Perspektive der vorliegenden Arbeit scheint auch wichtig, wenn man mit Eden (1992) bedenkt, dass [t]he proposition that cognition and behaviour are linked is (…) problematic because it ignores the role of emotion. Und doch schreibt bspw. Lehner (1996: 85) einleitend: „Wenn also Wissen in der Organisation verhaltensbestimmend sein soll, dann muß es Teil Kognitiver Karten sein.“ Ähnlich wie in dieser Arbeit Bestandteile bzw. »Arten« des Wissens unterschieden werden (vgl. oben bzw. Blackler 1995, Cook/Brown 1999, Lave/Wenger 2003 {1991}), findet sich außerdem bei Gee (2000) eine Differenzierung zwischen discourse (technical language and concepts associated with talking, reading, or writing) und Discourse (different ways of knowing, doing, reading, and writing), die vor allem in Zusammenhang mit der Untersuchung der practice einer Community (und damit nicht nur der verbalen Kommunikation (Interaktion) im strengen Sinne) bedeutsam erscheint. „The Rep[ertory]Grid is a cognitive mapping technique that attempts to describe how people think about the phenomena in their world. […It] entails a set of procedures for uncovering the
184
Erleben
to as supplied elements). The other way is to ask the research participant to provide them (elicited elements). Der zweite (qualitativer orientierte) Weg hat dabei den Vorteil to ensure that the elements are relevant to the participants (2002: 45) bzw. gewissermaßen die »Innensicht« (a view from inside (Senior 1996)) des sozialen Systems besser abzubilden oder überhaupt erst zugänglich zu machen (if the members of a team are asked ... they will describe these [characteristics] in terms of what is relevant to their experience (Senior 1996: 27). Diese Landkarten von »Sinn-Landschaften« haben als organized system of interpretation based on ... experiences (Tan/Hunter 2002: 42) jedoch nicht nur Bedeutung für die individuelle Ebene (d.i. to interpret the current situation and to anticipate future events (2002: 42)). Sie stehen in einem wechselseitigen Bedingungszusammenhang mit den kollektiven Konstrukten einer Gruppe, die als kollektiver Wissensbestand selbst zwar weder die Summe individuellen Wissens darstellen, noch völlig unabhängig von diesen bestehen (können), aber dennoch gewissermaßen von den »Teil-habenden« Mitgliedern eines sozialen Zusammenhangs »mitgewusst« für sich eine eigene emergente Ebene der »Existenz« in Anspruch nehmen können, weil individual-level maps absorb characteristics of common-level maps and conversely, common-level maps absorb characteristics of individual-level maps. (2002: 41)
Diese Prozesse eines wechselseitigen »Absorbierens« sind aus der (grundsätzlich systemtheoretisch orientierten) Perspektive der vorliegenden Arbeit bzw. vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen wohl am ehesten als Effekt aus strukturellen Kopplungen also hinterlassene »Struktureffekte« in psychischen bzw. mutatis mutandis in sozialen Systemen zu interpretieren (vgl. Abb. 17). Denn [simply] merging the cognitive maps of individuals into a collective cognitive map to represent the shared perceptions has been problematic, wie Tegarden/Sheetz (2003) im Rahmen ihres Vorschlags eines weitgehend selbststeuernden Kartierungsprozesses feststellen308, obwohl in der Vergangenheit weitgehend kollektive (»soziale«) Karten durch Aggregation bzw. Kombination individueller (»psychischer«) Strukturen zu erzeugen versucht worden sind. Eines der elaborierteren Beispiele dafür stellt das Erzeugen sogenannter congre-
308
personal constructs individuals use to structure and interpret events (…)” (Tan/Hunter 2002: 40). Vgl. extensiv zu diesem Thema bspw. auch Wright (2004: 344f). Die „Annahme, daß von der Übereinstimmung individueller Karten [d.h.: den Karten der psychischen Systeme] auf die Möglichkeit oder Effizienz der Zusammenarbeit [der Individuen bzw. Personen] geschlossen werden kann, muß allerdings hinterfragt werden“, wie Lehner (1996: 107, nicht zuletzt mit Bezug auf Bougon 1992) feststellt.
Untersuchung des Sozialsystems »Community (of Practice)«
185
gate maps (im Unterschied zu »einfachen« aggregate maps309) durch die Identifikation geteilter labels als »Grenzstellen« (und Manifestation bzw. »Reifikation« (vgl. oben und Wenger 1998) einer strukturellen Kopplung?310) zwischen individuellen und kollektiven Karten bei Bougon (1992) dar:311 The otherwise unorganized (unconnected) individuals become a social system when they link their behaviours on the basis of common labels (…) Concepts are private, idiosyncratic, and subjective; labels are public, verbatim and objective (…) (1992: 370)
»kognitive« Strukturen (»Wissen«) des sozialen Systems
»kognitive« Strukturen (»Wissen«) des psychischen Systems
strukturelle Kopplung über »Sprache«
Abb. 17: Individuelle und kollektive Wissensbestände bzw. (dargestellt in Form von) »Karten« als kognitive Strukturen strukturell gekoppelter »psychischer« und »sozialer« Systeme 309
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311
An früherer Stelle unterscheiden Weick/Bougon (1986) zwischen assembled, composite und average-based causal maps als Beispiele für über-individuelle Karten (vgl. auch Nicolini 1999). Insbesondere die konkrete Formulierung als cryptic labels (Bougon 1992), die in ihrer Bedeutung nie ganz offenbart werden können, zeigt Parallelen zur operativen (operationalen) Geschlossenheit psychischer, sozialer usw. Systeme, die sich gegenseitig in ihrer Koevolution stimulieren, auf Interpretations- bzw. Bedeutungsebene jedoch nicht interferieren können und daher füreinander stets »undurchsichtig« bleiben. Wodurch außerdem die Gefahr der (zunächst durch Verzicht auf das Beibringen der kognitiven Konstrukte zu vermeiden versuchten) Verzerrung durch einen Eingriff des Forschers nochmals ansteigt; vor allem, da die hohe ethnographische Authentizität (insbes. durch die behauptete Nicht-Reaktivität) durch das Zurverfügungstellen verschiedener Stimuli (bzw. Fragen) quasi als Vorschläge für sie Formulierung der cryptic nodes von Seiten des Forschers infrage gestellt ist (Nicolini 1999, u. m. Bezug darauf auch Tegarden/Sheetz 2003).
186
Erleben
Für die Konstitution einer »Community (of Practice)« ist das Teilen von labels (nur) eine notwendige (jedoch keine hinreichende) Bedingung. Aber auch für Wenger (1998: 58f, passim) the process of reification is central to every practice. Any community of practice produces abstractions, tools, symbols, stories, terms and concepts that reify something of that practice in a congealed form. Auch wenn er sich auf die sozialen Aspekte der »Kopplung« konzentriert und sie zugleich weiter (als sprachliche Konstrukte bzw. »Bezeichnungen«) fasst, wird die Nähe zur Idee der labels bei Bougon deutlich, wenn er meint, dass the process of giving form to our experience by producing objects that congeal this experience into »thingness«. In so doing we create points of focus around which the negotiation of meaning becomes organized (…) A certain understanding is given form. This form then becomes a focus for the negotiation of meaning (…) (1998: 58f, Hv. PR)
Auch aus diesem Grund kann es von Vorteil sein, den Prozess des »Kartographierens« als kollektives Unterfangen zu betrachten und nicht den Forschenden als »Instanz« die Aggregation bzw. Summation (Porac et al. 1989, Reger/Huff 1993, Daniels et al. 1994, McNamara et al. 2002) der einzelnen individuellen Karten zu überantworten (Eden 1992)312. Denn collective cognitions (…) persist in a particular form only during a collective encounter, wie Langfield-Smith (1992: 364) meint, weshalb auch sie davon ausgeht, dass the collective beliefs would only surface as a part of the group process. Zu diesem Zweck werden unterschiedliche Methoden Einzel- und Gruppeninterviews ebenso wie Techniken der Visualisierung etc. vorgeschlagen und angewandt (vgl. unten). Damit kann versucht werden, die »virtuellen« Strukturen (Lueger 2000) auf mittelbarem Weg zu erschließen, wobei die Karten selbst wohl eher als Objektivation (bzw. insgesamt sogar als Reifikationen) anzusehen sind. Wenngleich für Fiol/Huff (1992: 267) maps provide a frame of reference for what is known and believed und [they] exhibit the reasoning behind purposeful actions, so sollten sich wohl doch eher als Abstraktion der für die langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit notwendigen geteilten Denkmuster einer Gruppe (i.S.v. frames of reference that they use to impose structure and meaning on particular situations (Langfield-Smith 1992: 350, 352 u. zit. Lit.) verstanden werden: (…) in order for an organizational group to function, individuals must share a set of domain specific beliefs, that is a collective map. It is hypothesized that these collective beliefs may encompass more than the beliefs which are in common to the individuals within the group. These additional aspects do not necessarily form part of each individ-
312
In jedem Fall ist es selbstverständlich von grundlegender Bedeutung, seinen Leserkreis über die Motivation wie auch über ebendiese Entstehungsbedingungen in Kenntnis zu setzen.
Empirische Fundierung
187
ual’s belief system, but may arise as a result of the dynamics of the individuals acting as a group. (1992: 353)
Wie man nach Lueger (2000: 26f) die von sozialen Systemen erzeugte Strukturierung generell nur als Schlussfolgerung aus den beobachteten aktualisierten Selektionen erschließen (konstruieren) kann, stellt auch Langfield-Smith (1992: 364) fest: The identity of the collective cognitions may be inferred from the group’s discussion and behaviour. Dabei sind wohl insbesondere auch die bereits oben angesprochenen (analytischen) Zusammenhänge zwischen den Konzepten der basalen Operation »Kommunikation« (als Synthese dreier Selektionen, die nicht auf Sprache beschränkt ist), des »Handelns« (als wesentliche Erscheinungsform des Wissens) und des Sprechens (als Form des Handelns) zu berücksichtigen, die letztlich in der practice (als »kollektives (Sprech-)Handlungswissen kommunikativer sozialer Systeme«) konvergieren.
Kommunizieren Sprechen
Handeln
»Wissen« (practice)
Abb. 18: »Wissen« aus »kognitiv stilisierten« Kommunikationsstrukturen sozialer Systeme als Ergebnis der in »Form« von (Sprech-) Handlungen re-produzierten practice
5.2
Empirische Fundierung
„Nimmt man gesellschaftliche Phänomene ernst, will sie in ihrer sozialen Dynamik verstehen und möchte für Neues empfänglich sein, so zeigt sich im Forschungsverlauf, welche Fragen überhaupt sinnvoll gestellt werden können, und erst am Ende weiß man, auf welche Fragen eine Studie Antworten zu geben vermag“, stellt Lueger (2000: 51) programmatisch fest. Nun ist aber kein Forschungsvorhaben »fraglos« möglich, sondern es muss vielmehr Fragen stellen, um überhaupt Aussicht auf Antworten zu haben. Deswegen jedoch Linearität von Frage und Beobachtung bzw. Antwort und Interpretation zu erwarten (oder schlimmer gar: wider besseres Wissen zu unterstellen!) wäre jedoch ebensowe-
188
Erleben
nig plausibel. Und weil „qualitative Feldforschung sich nicht im voraus in allen Einzelheiten planen lässt“ (2000: 51), ist eine zyklische Organisierung des Forschungsprozesses die nicht nur, in erster Linie jedoch die »empirische« Beantwortung von Fragen betrifft erforderlich, was besonders in von der grounded theory (bspw. Strauss/Corbin 1998) inspirierten Vorgehensweisen, wie sie auch hier Anwendung findet, zum Ausdruck kommt.
5.2.1 Einbettung der Empirie und Entscheidungen qualitativer Forschung Das für die Analyse der laufend re-produzierten sozialen Realitäten erforderliche Verständnis von kommunikativen Prozessen und menschlichen Handlungsorientierungen lässt sich außerdem weniger aus der Perspektive außenstehender, unbeteiligter Beobachterinnen und Beobachter mittels (unter Umständen ausschließlicher) Anwendung hoch standardisierter (»quantitativer«, »harter«) empirischer Methoden erreichen. Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Tatsache, dass auch die Erkenntnisse von Forscherinnen und Forschern ihren Ursprung in Interaktionsprozessen haben, Rechnung zu tragen versucht. Dies erfolgt durch gezielten (d.h. nicht zuletzt: unter kritischer Reflexion auf ihre Stärken und Schwächen erfolgenden) Einsatz reaktiver Verfahren wie (teilnehmender) Beobachtung und mehr oder weniger strukturierter Befragung (»Leitfadeninterview«) einerseits, als auch nicht-reaktiver Techniken wie beispielsweise der Analyse von Dokumenten (und der in, mit und von ihnen konstruierten Realitäten!) als Wirklichkeitsebene sui generis andererseits. Da die empirische Datengewinnung jedoch wie ausdrücklich festgestellt als eine in »dichte« Beschreibung (Geertz 2003) mündende Darstellung nicht auf Einzelfall-Ebene stehen bleiben darf, wird in Anlehnung an die Vorgehensweise der grounded theory auf die erste erarbeitete Datenbasis aufbauend bereits unmittelbar mit einer durch Literatur gestützten Abstraktion begonnen. So können die in den ersten Abschnitten der Arbeit in vorrangig »theoretischem« Licht entwickelten und sodann auf »empirische Beine« gestellten Konzepte bereits in den jeweils folgenden Phasen der Datengewinnung Berücksichtigung finden, womit sie auch bereits einer ersten Validierung unterzogen werden. Das Fallstudienkonzeptionen eignende und »qualitative« Untersuchungen in besonderem Maße charakterisierende Moment der Offenheit bis zur Auswertung letzter Daten (vgl. oben mit Lamnek 1995b, Mayring 2002) zielt letztlich mittels »Vorab-Hypothesen« weniger auf eine Überprüfungs-, als auf eine Sensibilisierungslogik bezüglich der vom Fall gelieferten Informationen (vgl. oben mit Brüsemeister 2000).
Empirische Fundierung
189
Hinterfragenswerte Aussagen in der einschlägigen Literatur zum Thema »Communities (of Practice)« Wahl der grundlegenden (»theoretischen«) Beobachtungsperspektive
vgl. die Kapitel 1, 2, 3, 4, 5
(Re-)Formulierung der Aussagen sowie sich daraus ergebende Fragen aus dieser (systemtheoretischen) Perspektive Richten dieser (»kognitiv stilisierten«) Erwartungen an »das Forschungsfeld« Beobachtung des und (»empirische«) Interaktion mit dem Forschungsfeld/es
vgl. die Kapitel 5, 6
Reformulierung bestätigter und Adaption enttäuschter ursprünglicher (»kognitiv stilisierter«) Erwartungen
Abb. 19: Verflechtung von Theorie und Empirie in der Forschungspraxis
Weniger Prozesshaftigkeit (Flick 2002) an sich313 oder gar Linearität (bspw. Diekmann 1995), als vielmehr zyklischer (Lueger 2000) bzw. sogar zirkulärer (Flick 2002) Verlauf bzw. damit einhergehend: Notwendigkeit von Flexibilität und sodann vor allem Reflexivität kennzeichnet wohl am besten qualitativinterpretative (Feld-)Forschung mit ihren (oft verschlungenen) Vorgehensweisen und Methoden. Trotz damit einhergehender Probleme insbesondere „bei der Beantragung von Forschungsprojekten und bei der Bewertung der Forschung mit ihren Ergebnissen anhand klassischer Gütekriterien“ liegt in dieser Besonderheit auch „eine Stärke des Ansatzes, da sie zumindest wenn sie konsequent angewendet wird zu einer permanenten Reflexion des gesamten Forschungsvorgehens und seiner Teilschritte im Licht der anderen Schritte zwingt“ (Flick 2002: 71f). Vorrangig sind die Fragen der Organisierung von Feldforschung zwar in der (ersten) Planungsphase zu beantworten (Lueger 2000: 54ff). Diese Vor- und Aufbereitung von Rahmenbedingungen kann jedoch meist nur eine der Orientierungs- bzw. Einstiegsphase (mit der dann letztlich die Realisation des »eigentlichen« Vorhabens beginnt) vorausgehende »vorläufige« sein, die in weiterer
313
In welchem Forschungs»prozess« wäre sie nicht gegeben?
190
Erleben
Folge selbst mehr oder weniger zur Disposition stehen muss. Denn wie auch Lueger (2000: 60) konstatiert, lässt sich die durch den konkreten Feldeinstieg ausgelöste Dynamik kaum prognostizieren und man findet keine eindeutigen oder besten Lösungen. Für eine wissenschaftlich konsequente Vorgehensweise ist es dennoch nicht so elementar, welchen Zugang man wählt, sondern daß über den Zugang bewußt und reflektiert entschieden wird.
Wie auch Rolle bzw. »Status« im Feld mit der Zeit der Veränderung unterliegen und eine Entwicklung vom Fremden über den Besucher zum Initianten und letztlich Eingeweihten (vgl. Flick 2002: 94) erleben, so kann neben einem dynamischen (weil vom jeweiligen letzten Stand der Erkenntnis oder auch des erst erhofften Einblicks abhängigen) Auswahlprozess (sampling) auch eine schrittweise Anpassung der Methoden erforderlich werden. Dies erinnert wiederum an die Ethnographie als „keine kanonisierbare und anwendbare »Methode«, sondern eine opportunistische und feldspezifische Erkenntnisstrategie“ im Verständnis von Amann/Hirschauer (1997: 20). In die gleiche Kerbe schlägt das Plädoyer, dem Erfordernis, „die eigenen Selektionen bis auf weiteres für das Unerwartete offen und begriffliche Festlegungen für das Überraschende reversibel zu halten“ (1997: 20f) nachzugeben. Damit ist es neben (a) der sich aus notwendigerweise dichterem sowie auch intensiverem Kontakt ergebenden Zumutung (Flick 2002: 86ff) für andere insbesondere für jene, die sich für Auskünfte etc. zur Verfügung stellen auch (b) eine aufgrund der zentralen Bedeutung von Kommunikation für die ReKonstruktion der sozialer Konstruktion von Wirklichkeit nicht vermeidbare (nach allen Möglichkeiten zu vermeidende), sondern vielmehr konstitutive Perspektivität (Flick et al. 2002: 21), die zum einen (a) Entscheidungen über die Rolle, in der man ins Feld „einsteigen“ kann, ebenso zum Angelpunkt macht wie (b) das laufende „Zurücktreten hinter die eigenen Erfahrungen und die distante Analyse des gesamten Forschungshandelns“ (Lueger 2000: 62ff). Dieser Brückenschlag zum insider als outsider und die notwendige Reflexion bzw. der nicht ausbleibende Schritt zurück sind dabei gewissermaßen ethnographische Bedingungen des Erfolgs; mit Amann/Hirschauer (1997): (…) Etablierung einer für das Feld akzeptablen Beobachterrolle, die von Handlungszwängen entlastet und für Beobachtung, Selbstbeobachtung und Aufzeichnung freistellt. (1997: 27) (…) rhythmische Unterbrechung der Präsenz im Forschungsfeld durch Phasen des Rückzugs (…) Dem »going native« wird ein »coming home« gegenübergesetzt. (1997: 28)
Beiden Bedingungen ist die ihnen gebührende Beachtung zu schenken, wenn es darum geht, neben der Durchführung individueller »Interviews« (oder auch von
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»Gruppengesprächen«) zur Erarbeitung der zentralen Konzepte, Kategorien und (kognitiven) Konstrukte der kollektiven Praxis mit ihren inneren Zusammenhängen, vor allem auch in Form von über einen längeren Zeitraum andauernden Sequenzen offener (gleichzeitig jedoch nach Möglichkeit nicht-teilnehmender) »Beobachtung« Material zu sammeln, ohne die gewonnenen Einblicke durch allzu enge Verstrickungen in den Sinnzusammenhang der insider und damit durch mangelnde Distanzierung wieder zu entwerten. Gerade der Versuch, die Begriffe (concepts, labels) und Zusammenhänge (relationships) aus der Perspektive (bzw. im Sinn-Verständnis) der Mitglieder des sozialen Systems »Community« quasi bottom up zu rekonstruieren also auch und vor allem: die Leitdifferenzen des beobachteten Systems für eigene anschlussfähige Operationen der Beobachtung zu übernehmen (vgl. oben die Ausführungen mit Luhmann (2001a: 245ff) zur Sondermethodologie des »Verstehens«) ohne durch die dafür erforderliche Offenheit (möglicherweise sogar: Verletzlichkeit) die Leitunterscheidungen der Beobachtung eines outsiders und dessen „Doppelrolle“ aus Empathie und Fremdheit (Hermanns 2004) aufzugeben314 also: die Trennung der Beobachtungsebenen (zweiter, dritter und höherer Ordnung) und der diesen zugrundeliegenden Differenzen fallen zu lassen bzw. zumindest zu verwischen macht Umsicht und stets mitlaufende kritische Selbstbeobachtung unabdingbar. Dennoch scheint es von Vorteil, dieses Risiko einzugehen. Immerhin eröffnet sich damit nichtsdestotrotz die Chance, vollzogene Selektionen315 nicht nur (passiv) zu registrieren, sondern darüber hinaus aktiv an sie anzuschließen bzw. sie gleichsam auf höherer Beobachtungsebene zu thematisieren. Wenn darüber hinaus die Gesprächspartner nicht nur über einen komplexen Wissensbestand zum Thema der Untersuchung verfügen (Flick 2002: 127), sondern dieser Wissensbestand in Form subjektiver bzw. kollektiver Theorien aus expliziten wie impliziten Annahmen selbst zentrales Thema der Untersuchung ist, scheint der Einsatz sowohl leitfadengestützter (teilstandardisierter)
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Wie auch Lüders (2004) es sogar als nahezu uneinlösbare Forderung an den Ethnographen einschätzt, wenn dieser „als distanzierter Beobachter seinen wissenschaftlichen Aufgaben und Standards folgen muss, zugleich aber in den jeweiligen Situationen sozial und kulturell verträglich handeln muss.“ „Der Prototyp solcher Materialien“ die im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, sind mit Lueger (2000: 99) „Handlungen und Ereignisse, die mit ihrem Erscheinen schon wieder verschwinden und im Rahmen einer Feldteilnahme beobachtet werden. Zwar können diese mittels Film- oder Videoaufzeichnungen protokolliert werden, jedoch ist das aufgrund technischer und ethischer Rahmenbedingungen vielfach nur begrenzt durchführbar, läuft in vielen Fällen der Dynamik von Erhebungen (z.B. im Zuge einer weitgehenden Partizipation im untersuchten Aktionsfeld) zuwider und weist eine hohe perspektivische Selektivität auf.“
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Gespräche und in ihnen eingesetzter methodischer Hilfsmittel316 ebenso angebracht wie sich Diskussionen in der Gruppe wie sie ja bspw. auch Communities darstellen als Zugang zu kollektiven Wissensbeständen anbieten dürften (Flick 2002: 170ff). Zumal wie bereits angeschnitten die grundlegende Frage nach dem Beobachtenswerten (Konstrukten, Kategorien usw.) erst aus der Perspektive des zu beobachtenden Systems zu re-konstruieren ist. Dazu „müssen sich ForscherInnen in einen methodisch wenig abgesicherten und aufgrund der Flüchtigkeit des Materials in einen kaum kontrollierbaren Bereich begeben“, wie Lueger (2000: 98) feststellt, bzw. die Eigenarten des Feldes in Kauf nehmen und akzeptieren: Beobachtung läßt sich nicht auf eine planmäßige Erfassung wahrnehmbarer Tatbestände eines externen Objekts unter Berücksichtigung der theoretischen Annahmen einer Studie verkürzen. (…) Die beobachtete Welt (als Wirklichkeit) ist (…) ein beobachtungsinternes Phänomen, welches methodisch durch Distanzierungsverfahren (als hypothetische Unterstellung der Realität) externalisiert werden muß. (2000: 100)
Damit kann jedoch nicht die Absicht bzw. schon gar nicht die begründete Ablehnung von »Gütekriterien« einhergehen, wenngleich solche wohl mit Bedacht und mit Sorgfalt formuliert werden sollten, wie es bspw. im Bereich quantitativer Forschungsmethoden der Fall ist. Denn (auch) qualitative Forschung kann ohne ihren Besonderheiten (und damit bereits ihren Grundannahmen bzw. erkenntnistheoretischen Grundlegungen) gerecht werdende Bewertungskriterien nicht bestehen (Steinke 2004). Flick (2002: 394) ist dabei zwar zuzustimmen, dass Qualität in qualitativer Forschung sich nicht auf Grenzwerte zur Unterscheidung zwischen guter und schlechter Anwendung von Methoden reduzieren lässt, bezüglich basaler Kriterien und Standards (wie sie bspw. Steinke 2004 formuliert), sollte jedoch eine Einigung möglich sein und so meint ja auch Flick (2002: 394): Es solle „die Frage der Güte qualitativer Forschung auf der Ebene der Forschungsplanung (…) und auf den Ebenen der Prozessevaluation, der Ausbildung und der Beziehung zwischen Haltung und Technik angesiedelt werden.“ Neben dem hier formulierten forschungsethischen Imperativ für Anwender qualitativer Methoden erinnern die „Prinzipien des Qualitätsmanagements im qualitativen Forschungsprozess“ (2002: 407) dann jedoch bereits wieder an einen Wunsch klarer Prüfbarkeit und Evaluierung des Forschungsverlaufes. Einen ersten aber deswegen wohl kaum weniger bedeutenden Schritt stellen dem hingegen die „Kernkriterien qualitativer Forschung“ dar, die vor allem auf ge316
Flick (2002: 130ff) schlägt in diesem Zusammenhang auch die sog. „Struktur-Lege-Technik (SLT)“ vor, um mehr oder minder „spielerisch“ latente Strukturen an die Oberfläche zu bringen (vgl. dazu weiter unten).
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genstandsangemessene intersubjektive Nachvollziehbarkeit (anstelle intersubjektiver Überprüfbarkeit) durch Dokumentation und Offenlegung der im Prozess getroffenen Entscheidungen beinhalten, sowie für „empirische Verankerung“ (wie auch hier in Anlehnung an die grounded theory angestrebt) plädieren. Steinke meint: Die Bildung und Überprüfung von Hypothesen bzw. Theorien sollte in der qualitativen Forschung empirisch, d.h. in den Daten, begründet (verankert) sein. (2004: 328)
„Es macht keinen Sinn zu behaupten, eine bestimmte qualitative317 Methode sei die einzig wahre und zutreffende Methode“ wird außerdem auch Flick (2002: 399) deutlich, indem er auf Grundpfeiler in Form von „Prinzipien“ und (wie in diesem Abschnitt eingangs bereits ausgeführt) „Reflexion“ (vgl. das Eingeständnis von bzw. den Umgang mit „reflektierter Subjektivität“ bei Steinke 2004) verweist. Umso mehr scheint sich nicht zuletzt auch eine Bündelung möglichst »dichter« (falls hier ein Komparativ »Sinn« macht), vor allem aber: mehrdimensionaler, Beschreibungen im approach der Fallstudie (vgl. vorne) anzubieten.
5.2.2 Mehrdimensionalität »dichter« Beschreibungen und empirische Kartographie Im Anschluss an die methodologischen Orientierungen im ersten Abschnitt ergänzt nicht zuletzt um Überlegungen, wie zum Beispiel jene, dass das Handeln der Menschen stets mehr Sinn hat, als diese selber wissen (s. vorne, bzw. Bourdieu 1987) bzw. anknüpfend an die daraus bis hierher abgeleiteten methodischen Weichenstellungen wie die Ausrichtung auf eine vorwiegend interpretativ-qualitative Untersuchung scheint sich nun auch endgültig eine Nähe zu Perspektiven, die Kultur anthropologisch als »Text« (Geertz), soziologisch als »Diskurseigenschaft« (Foucault) oder semiotisch i.e.S. als »Kommunikation« i.w.S. (Eco) betrachten, abzuzeichnen. Demgegenüber bleibt gleichzeitig durchgehend deutlich der Versuch erkennbar, eine einseitige, ausschließlich kognitive Betrachtungsweise nach der Formel: »Kultur = Semantik« (Luhmann) zu umgehen. Nachdem die Bedeutung der affektiven Dimension für die Strukturierung sozialer Zusammenhänge (nicht nur, aber ganz besonders zu Zwecken der Stabilisierung bei gleichzeitigem Verzicht auf Formalisierung auf der Ebene von »Gruppe«) herausgearbeitet worden ist, scheint es nicht auszureichen, den Kul317
Ebenso: quantitative?
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turbegriff über »Wissen« als kognitive, bzw. über »Normen« als normative Sinnstruktur zu definieren. Vielmehr ist eine dringende Notwendigkeit gegeben, die ethnographisch- anthropologische (Re-)Konstruktion von webs of significance um eine Entsprechung in der affektiven Dimension zu ergänzen: Die Geertz‘sche practice der »Dichten Beschreibung« sollte also womöglich in ihrer Unmöglichkeit (Wolff 1992) noch eine Verdoppelung erfahren. Wie bei einer (wie auch immer einseitigen) Untersuchung von »Kultur« Bedeutung und Sinn nicht auf individueller Ebene quasi »mentalistisch«318 konzeptualisiert werden dürfen, sondern (wenn schon, so dann) auf der Ebene von »Diskursen« als geordnetes System öffentlicher Bedeutungen erfasst werden müssen, so hat demnach auch für Emotionen und Gefühlslagen zu gelten, dass sie in ihrer Beschreibung nicht eine Beschränkung auf sozial (kognitiv, physiologisch, …) induzierte, letztlich aber monadische Individualerlebnisse erfahren dürfen. Immerhin stellen sie eine wesentliche wenngleich auch traditionell unterschätzte (bzw. verdrängte?) Dimension sozialer »Wechselwirkungen« dar und verdienen folglich entsprechende Beachtung. Eine Betrachtung von Kultur »als Text« darf sich demgemäß nicht mit der Analyse der im Feld aktualisierten sinnhaften Selektionen (vgl. oben Lueger) bzw. i.w.S. mit Sinnverständnis (vgl. oben Luhmann) zufriedengeben, denn auch Textinterpretationen müssen (zumindest!) affektive Konnotationen (Eco 1992) ernst nehmen. Dass dies nicht nur »indirekt« über kognitive Prozesse oder »direkt« über nonverbale Kommunikationen (Kommunikationsbestandteile) möglich ist wohl auch, weil diese letzteren genauso »Sinn machen« und verstanden werden können, wie explizitverbale Kommunikationsakte319 hat auch vor nicht langer Zeit Foolen (1997) anhand von Überlegungen zur „expressiven Funktion“ der Sprache gezeigt. Diese kann demzufolge analog zur »epistemischen« Verwendung von Sprache (John must be ill anstelle der expliziten Äußerung I infer that John is ill), die über die »inhaltliche« Dimension (John is ill) hinausgeht, indem die diesen Inhalt prozessierende kognitive Operation selbst kommuniziert wird, verstanden werden. Während jene letztere jedoch auf der kognitiven Ebene stattfindet und auf kognitives Prozessieren verweist, legt »expressive« Sprachverwendung einen Rückschluss von kognitiven Operationen auf affektive Prozesse nahe, wie Foolen ausführt: In this view, the cognitive content domain is thus a »source domain« not only for epistemic meanings but also for expressive meanings. There is, however, a difference: epis-
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Vgl. zu Problemen und Versuchen der Überwindung bspw. Reckwitz (2000). Weder Sprachlichkeit noch Intentionalität können Kommunikation definieren (Luhmann 2001a: 207ff).
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temic uses of forms stay cognitive in character, in the sense that, in their epistemic use, they indicate operations of the cognitive apparatus, whereas expressive uses of forms leave the cognitive area altogether to shift to the expressive domain. (1997: 23)
Als anschauliches Beispiel dafür kann der fragende Ausruf desjenigen, der »etwas« in der Hand hält, dienen: Entweder What’s this? oder schon eher distanzierend! What’s that? (Foolen 1997: 25 u. zit. Lit.), denn affect can also be represented outside the body in language, drama, painting, music. Affective representation is not affect (…) is there anyone who has not been moved by a story, a novel, a piece of music, a painting, a movie? It is in sharing the communicated meaning of affective representations that some part of the solidarity among people is made possible (Bershady 2005: 85f),
und Sprechen als »digitale« Ausdrucksform (neben der »analogen« KörperSprache i.e.S.) hat aus diesem Blickwinkel beobachtet (zumindest) drei Funktionen, die sich aus zwei leitenden Unterscheidungen kumulativ ergeben je nachdem ob (kognitiver bzw. affektiver) »Inhalt« oder (ebensolcher) »Modus« betrachtet wird: content vs. epistemic bzw. content vs. expressive (Vgl. Abb. 20):
content function X ist krank. Y ist groß. Ich wünschte, Z wäre hier.
epistemic function X muss krank sein!
expressive function Wie groß Y doch ist! Wenn Z nur hier wäre!
Abb. 20: Funktionen der Sprache (des Sprechens) bei Foolen (1997)
So findet sich zwar auch bei Austin (2002) und Searle (1980) in deren Klassifikation illokutionärer Akte je eine Kategorie expressiven Charakters, die jedoch wohl nach diesem Verständnis eher der Inhaltsfunktion (content function) nahe steht. Geht es doch den »Expressiva« in erster Linie darum, illokutionären Zweck (illocutionary point) und psychische Einstellung (psychological state) eines Sprechers zusammenfallen zu lassen, ganz so, als ob den übrigen Illokutionen keine expressiven Dimensionen eigneten. Näher scheint hier zwar die Differenzierung von Sadock (1994), der in Bühler‘scher Tradition (vgl. oben) drei Parameter der Charakterisierung von Sprechakten unterscheidet. So kommt bei ihm zum informationell-repräsentationellen und effektiv-sozialen auch ein affektiv-emotiver Aspekt. Vor allem aber erlaubt diese Annäherung nicht nur eine Unterscheidung unterschiedlicher Informationsaspekte von Kommunikati-
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onsofferten (Luhmann), sondern legt auch eine an Foolen erinnernde Analyse bereits des (sprachlichen) Äußerungsaktes nahe: Sprechen ist also bereits auf dieser basalen Ebene mehr als »sprechen« und einem illokutionären Akt können demnach unterschiedlich modulierte Äußerungsakte (in dem Sinn, dass eine »Äußerung« als eine »Illokution« gilt bzw. mutatis mutandis eine Entschuldigung, Behauptung etc. stattfindet »indem« eine Äußerung passiert) entsprechen: Äußerungsakt (etwas sagen): »Ich entschuldige mich, dass …« »Ich behaupte, dass …« vs. »Es tut mir leid, dass …« vs. »Ich glaube, dass …« illokutionärer Akt (etwas tun): sich entschuldigen etwas behaupten perlokutionärer Akt (etwas erreichen): jemanden besänftigen jemanden überzeugen
In der jeweils zweiten Formulierung wird hier ein inhaltlicher Aspekt in eine »expressive« Formulierung gekleidet, der auf dieselbe Illokution zielt bzw. denselben perlokutionären Effekt auslösen möchte. Einzelne (Sprech-?)Handlungen und umso mehr: rekursiv sich vernetzende haben also einen »autonomen« Sinn, der nicht dem subjektiv »gemeinten« entsprechen muss320,321, vor allem aber sich nicht in diesem erschöpft, so wie schließlich auch jeder Interpretation von Texten bzw. »als« solche verstandener Kultur durch deren Autonomie Grenzen gesetzt (vgl. bspw. Eco 1992). Ähnliches mag dementsprechend in beiden Fällen auch für »affektive Autonomien« gelten.322 Sie zu (re-)konstruieren macht dann nicht nur die Beobachtung von Symbolen und/oder deren Bedeutung(en) notwendig, sondern fordert auch die(se) kognitive Anthropologie, sich den emotionalen Gehalten von bspw. Geertz‘schen Schaustücken bzw. von kulturellen Eigenwerten (Simmel) oder Eigenwelten (Eliade) als (mindestens) gleichwertigen Dimensionen zu öffnen: Ein plakatives Beispiel können Darstellungen der sich durch (aus unserer Sicht) ungewöhnliche »Formalität« bzw. emotionale Distanz im zwischenmenschlichen Umgang auszeichnenden Umgangsformen unter den KaskaIndianern (British Columbia) abgeben. Solche emergenten emotionalen Qualitä-
320
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Falls er diesem überhaupt entsprechen kann, wie nicht zuletzt rekurrierend auf Wittgenstein und dessen Privatsprachenargument Gegenteiliges bereits argumentiert worden ist (vgl. bspw. Kannetzky 2005). Zur prägnanten Gegenüberstellung soziologischer Dimensionen von »Sinn« vgl. Lueger (2000). Womit möglicherweise neben Sprachlichkeit und Intentionalität auch »Sinn-haftigkeit« aus der Definition von Kommunikation herausfällt (vgl. Luhmann 2001a bzw. Fn. 319)?!
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ten dürfen demnach nicht vernachlässigt werden, ohne unmittelbar in einen kaum angebrachten »Mentalismus« zu flüchten oder in Kulturen als solchen unter gestaltpsychologisch geformtem Blick »kollektive« Persönlichkeiten mit entsprechenden (von individuellen Charakteristika abgeleiteten) Merkmalen zu sehen (vgl. Benedict 1946, 1949). Nicht nur »Denken« (i.w.S. für kognitives Prozessieren von Bewusstseinen), sondern auch323 »Fühlen« (als Verarbeiten affektiver Differenzen durch psychische System) wären demnach durch und durch gesellschaftlich bzw. eine gesellschaftliche Tätigkeiten (Geertz 2002: 133, 135), bzw. als Teil einer Kultur: öffentlich (2002: 18)! Nicht zuletzt durch Sozialisierungsprozesse verstrickt sich der Mensch in (mehr oder weniger?) selbstgesponnene Gewebe, wie es in Geertz’ (2002: 9) prominenter Formulierung als locus classicus heißt: Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe.
Sozialisation ist aber keine ausschließlich (nicht einmal genuin und möglicherweise nicht einmal: primär) kognitive Erfahrung. Affektive Sozialisierung stellt (wie die kognitive) Weichen für die Aneignung von Welt und Kultur ist demnach nicht »bloße« (sinnhafte) Bedeutung (2002: 9) bzw. (kognitive) Bedeutungsstruktur (2002: 19), sondern auch (emotionale) Bewertung, also affektive Besetzung, die ein jeweils nach eigener Logik aufgebautes und funktionierendes Netz bildet. Beide Dimensionen, »Sinn« und »Affekt« sind damit zentrale Bestandteile der »Fasern«, aus denen Kultur gewebt ist; ob nun Wissen als „primäre Kulturkomponente“ (Parsons 1980) gilt oder nicht, kann sie doch auch in diesem Fall nur eine von (zumindest) zwei wohl aufeinander angewiesenen »Wissen« und »Sozialkapital« sein (Abb. 21). Das ist in der Diktion von Hörning (2001: 185) der wahre „Doppelcharakter von Kultur, der hier interessiert“: Nicht die Ergänzung von Wissensbeständen um Wissenskompetenzen, sondern die Ergänzung um eine eigenständige (affektive) Dimension!
323
Möglicherweise müsste es sogar heißen »umso mehr«, wenn der Stellenwert nonverbaler Kommunikation bzw. die (evolutionär frühe(re)) Bedeutung affektiver Aneignung und Strukturierung von Welt (die dann nicht nur ein Sinn-Horizont ist) in Rechnung gestellt werden.
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»Sinn«, »Bedeutung«
»Affekt«, »Gefühl«
sich rekursiv vernetzende soziale Operationen (»Kommunikationen«) || soziale Systeme epistemic function
content function
Medien
Kommunikative Emergenzen
expressive function
»webs of affection« »webs of significance« || || Beschreibung als »Bedeutungs-«, »Sinngewebe« »Bewertungs-«, »Gefühlsgewebe« Kulturkomponenten || || Sozialkapital eines Systems Wissen eines sozialen Systems ... entspringen zwei basalen, nicht aufeinander reduzierbaren Modi der Aneignung von Welt bzw. von (psychischen) Operationen sowie in weiterer Folge zwei grundlegenden Dimensionen der Kommunikation und damit letztlich: Kultur
Abb. 21: Bedeutungs- und Affektgewebe als rekursive Kommunikationsvernetzungen
Und es wird daher mehr oder weniger offensichtlich neben dem Herausarbeiten von Bedeutungsstrukturen (Geertz 2002: 15) auch eine Freilegung von Emotionsstrukturen (affektiven Mustern) zumindest als Kon-Text erforderlich bzw. neben der Analyse von »Sinn-haften« Diskurscodes die wenn auch nicht einen Handlungsverlauf festlegen (Geertz 2002), so doch einen Bereich möglicher Wahlen, einen Kommunikations-Kontext (Eco 1992: 292) darstellen auch eine Auseinandersetzung mit affektiven Codes oder Interpretationsmustern notwendig wenn der Mensch den Ereignissen, die er durchlebt nicht nur durch Kulturmuster in der Form sinnhafter Symbole einen Sinn verleiht (Geertz 2002: 136) sondern auch affektive Wertigkeiten. Denn diese Kulturmuster schaffen durch Denken bzw. Austausch bedeutungshaltiger Symbole (2002: 136) nicht nur »Sinn«, sondern strukturieren durch Be-Deutung und Ab-Grenzung (Draw a distinction!) Kommunikationszusammenhänge auch in ihrer affektiven Dimension durch Be-Wertung, das heißt sie verleihen Situationen und Konstellationen auch (emotionalen!) Wert.
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Die „emotionale Wirkung jenseits des Kommunikationswertes der Zeichen“ (Eco 1985: 187) steht damit als emotionale »Bedeutung« der kognitiven wohl um nichts nach. Zumindest ist davon auszugehen, wenn es tatsächlich falsch oder zumindest einseitig, »einäugig« und letztlich ein Verlust wäre, den Reichtum des Kommunikationsprozesses aufzugeben (Eco 1985: 108ff). Damit können aber die als Kommunikation aufgefasste Kultur (Eco 1985: 12, 32, passim) bzw. die als Kommunikationsprozesse untersuchten Kulturphänomene wohl eben nicht (»nur«) eine Welt des Sinnes (Eco 1985: 12) und die zentrale Frage nach den (Bedingungen der Möglichkeiten einer) Zirkulation von Bedeutung (1985: 31f) nicht (»bloß«) eine nach dem Prozessieren von Sinn(-hafter Kommunikation) sein: Kommunikation als genuin »soziale« (d.h. Soziales konstituierende) Operation der Transzendierung einzelner (»individueller«) Bewusstseine in der Verschmelzung der bekannten drei Selektionen (Luhmann) hätte demnach nicht nur mit den Unwahrscheinlichkeiten von Ankommen, Verstehen und Annehmen offerierter Sinn- sondern auch Gefühls-Gehalte (differences that can make differences) zu kämpfen324,325. Im Erfolgsfall ist das Ergebnis jedoch in der kognitiven wie in der affektiven Dimension mehr als die (Summe der) individuellen gedanklichen, also: psychischen (Bewusstseins-)Operationen: wenn Sinnund Affektgewebe entstehen. Die Bedeutung des homo narrans, des Menschen als eines Erzählers von Geschichten storyteller, weaver [!] of narrative (Sims 1999) wird weiter unten nicht zuletzt unter methodologisch-empirischen Aspekten intraorganisationaler Wissensdynamik in seinem Ablauf nochmals aufzugreifen sein. An dieser Stelle soll nur auf seine Erzeugnisse also Erzählungen (Lyotard) bzw. Diskurse (Foucault) oder Sprachspiele (Wittgenstein) sowie deren eigenständige Existenz, jenseits mentaler Strukturen erinnert werden326: 324
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Vgl. zur Verarbeitung affektiver Differenzen neben sinnhaften oben (S. 78) die Ausführungen mit Staubmann (2004). An dieser Stelle könnte wohl ein system-, kommunikations-, und evolutionstheoretisch orientierter Vergleich versucht werden, der in der affektiven Dimension ähnliche Unwahrscheinlichkeitsschwellen des Zustandekommens von Kommunikation bzw. entsprechende evolutionäre Überwindungsmechanismen zu identifizieren sucht, wie sie Luhmann (2001a: 216ff) für sinnhafte Kommunikation nennt (Verstehen durch Sprache, Erreichen durch Verbreitungsmedien und Erfolg durch symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien); falls Gefühlskommunikation als evolutionär früher(er) Mechanismus nicht darauf verzichtet (hat). Der Begriff des »Organisationalen Lernens« wird auch bei Argyris/Schön (1978) als Metapher gebraucht, denn »Organisationen« denken, lernen oder erinnern (vergessen) nicht „buchstäblich“ bzw. „im wörtlichen Sinne“ wie es Menschen tun (Huysman 1999) wenngleich die Thematik organisationalen Lernens is generally approached as an activity made up by individuals so ist das wohl nicht nur ein individual action bias (Huysman 1999), denn schließlich sind Organisationen als (organisierte) soziale Systeme weiterhin auf Individuen bzw. psychische Systeme in der
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Erleben In der vorgeschlagenen Analyse manifestieren die verschiedenen Modalitäten der Äußerung, anstatt auf die Synthese oder auf die vereinheitlichende Funktion eines Subjekts zu verweisen, seine Dispersion. (…) Und wenn diese Ebenen durch ein Bezugssystem verbunden sind, wird dieses nicht durch die synthetische Aktivität eines mit sich selbst identischen, stummen oder jedem Sprechen vorhergehenden Bewußtsein hergestellt, sondern durch die Spezifität einer diskursiven Praxis. (…) Diese Menge von einer diskursiven Praxis regelmäßig gebildeten (…) Elementen (…) kann man Wissen nennen. Ein Wissen ist das, wovon man in einer diskursiven Praxis sprechen kann, die dadurch spezifiziert wird (…). (Foucault 2003: 81f, 259)
Nicht nur »Wissen«, sondern auch »Affektivität« ist wie oben bereits dargestellt (vgl. noch weiter unten) bspw. für Pagès (1974) schon seit längerem eine Tatsache in sozialen Verflechtungszusammenhängen, die jedoch weniger einer Pluralität individueller Affekte also einer Affektivität »in« der Gruppe entspricht, sondern vielmehr eine affektiven Emergenz also einer Affektivität der Gruppe darstellt (1974: 81ff). Da in der vorliegenden Arbeit die (eine »affektive Leitdifferenz«) stabilisierende Funktion von Gefühlen nicht zuletzt als »Ersatz« für organisierte Formalisierung betont wird, scheint die Überzeugung von Pagès (1974: 95) interessant, wonach es eine in Gruppen „untrennbare Einheit des Gefühls und der Beziehung zum anderen“ gibt, die Beziehungen also „immer auch affektiv“ sind. Diese Feststellung geht jedoch „weit über die banale [!] Feststellung hinaus, daß jede menschliche Beziehung von Gefühlen begleitet ist“, wie Pagès (1974: 121, Hv. PR) schreibt: In jeder Gruppe existiert zu jedem Zeitpunkt ein vorherrschendes Gefühl, das von allen Mitgliedern der Gruppe mit individuellen Nuancen geteilt wird. Dieses zumeist unbewußte Gefühl beherrscht das Leben der Gruppe auf allen Ebenen. (1974: 81)
Diese Affektivität »der« Gruppe strukturiert schließlich (auch individuell fühlbar, nachvollziehbar bzw. beschreibbar) als Emergenz aus der affektiven Dimension von Kommunikationen soziale Zusammenhänge ebenso wie es kollektive, sinnhafte Anschlussfähigkeit restringierende (als kartographierte oder wenigs-
Umwelt angewiesen. So ist auch die von Prange (1999: 27 m. Lit.v.) geschilderte problematische Situation nur schwer nachzuvollziehen: „One of the greatest myths of organizational learning is probably the who question, that is, the way in which learning might be considered organizational. It remains fairly unclear whether we are talking about individual learning in organizations (Argyris and Schön, 1978; Cangelosi and Dill, 1965; Duncan and Weiss, 1979; Hedberg, 1981; March and Olsen, 1975), organizational learning that is like individual learning (see especially Hedberg, 1981), or some kind of aggregate emergent learning (Cyert and March, 1963; again Hedberg, 1981; Levitt and March, 1988; Weick and Roberts, 1993). Perhaps the idea of organizational learning is an anthropomorphic fallacy that leads to an inappropriate reification of the concept of organization (Jones, 1995).”
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tens annähern kartographierbare) »Wissensbestände«327 in Form von sich aus im »Feld« getroffenen Selektionen entstehenden Kommunikationsstrukturen tun: Cognitive mapping is perhaps the most useful means of exploring the nature of shared knowledge in social groups, und dennoch not a well-defined technique wenn man Carley/Palmquist (1992: 605) Glauben schenken darf. Und in der Tat bemüht sich bspw. Brown (1992) (wie unter anderem Langfield-Smith 1992) redlich, die Vorteile darzustellen. Neben »inhaltlichen« Kriterien der Datenqualität (Richness, Reliability, Truthfulness) seien es dabei vor allem jene der »technischen« Durchführung (Ease of Use, Training, Dependence on Skills), die für eine Anwendung bei der Untersuchung kollektiver Wissensbestände sprächen. Da davon ausgegangen wird, dass sich in kognitiven Karten als »Repräsentationen von Repräsentationen« (vgl. oben Bougon 1992) Sprech-Handlungen manifestieren bzw. in diesen concepts mit (kausalen) relationships verknüpft werden (vgl. oben): There are four basic objects in the representation scheme we employ: (1) concepts, (2) relationships, (3) statements, and (4) maps. Essentially we represent mental models as a network of concepts and the relationships between them, meinen auch Carley/Palmquist (1992: 607), scheinen generell (d.h. unabhängig vom explorativen Charakter einer Arbeit wie der vorliegenden) qualitativ-interpretative Methoden wie offen strukturierte Beobachtungen, aber auch Befragungen the freedom of response possible when using mapping has the capacity to produce very rich data (Brown 1992: 294) bzw. durch Visualisierungstechniken unterstützte Gruppendiskussionen angebracht (Manual mapping on large sheets of flipchart paper gave us better data berichtet auch bspw. Brown 1992: 295). Langfield-Smith (1992) wählt dafür neben ihrem Ausgangspunkt in den interviewbasierten Techniken von Eden, Bougon etc. außerdem ein mehrstufiges Design, in dem sie sowohl (bzw. zuerst) individuelle als auch (d.h. in einem weiteren Schritt) kollektive kognitive Karten erstellt: Einerseits für Vergleichszwecke, andererseits um den Befragten eine erste individuelle Annäherung an die instrumentelle Vorgehensweise zu ermöglichen. Ihr Ziel to elicit collective beliefs and represent them as a collective cognitive map (1992: 353) versucht sie dabei sowohl mit individuellen Interviews (to extract the themes or elements, aber auch um die Zusammenhänge zu erarbeiten) als auch mit GruppenWorkshops zu erreichen (1992: 353ff). Eine dermaßen differenzierte Herangehensweise scheint im hier vorliegenden Fall zwar interessant, jedoch (unter den vorliegenden Restriktionen) nicht in allen Punkten bspw. dem Kontrastieren längerer Mitgliedschaftsdauer mit 327
Analog bzw. über weite Strecken funktional äquivalent (Luhmann 1969): »Normenbestände«.
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Neueinstiegen in Form individueller (psychischer) Karten realisierbar. Allerdings werden selbstverständlich wie die explorative Ausrichtung der Arbeit nahelegt die zentralen, in der Community verwendeten Konstrukte (concepts, labels) soweit wie möglich328 nicht »mitgebracht«, sondern gemeinsam erarbeitet, um so durch die Übernahme »im Feld« vorgefundener »Selektionen« eine möglichst authentische Re-Konstruktion der Sinnlandschaft zur Grundlage machen zu können. Außerdem erfordert die Untersuchung sowohl den Aufbau von Vertrauen der Befragten in die Methode als auch in den Fragesteller, was durch dem Mapping-Workshop vorangehende Beobachtungssequenzen und Interviewgespräche erreicht werden kann. Als generelle Vorgehensweise schlagen nicht zuletzt auch Tegarden/Sheetz (2003: 114, Hv. PR) vor: Cognitive mapping usually begins by asking participants a question to elicit their perceptions. An analysis of various cognitive mapping techniques shows that most of the techniques maybe viewed as consisting of three major parts: (1) eliciting concepts, (2) refining concepts, and (3) identifying relationships between concepts. A common characteristic of these approaches is a focus on obtaining the views of people in the problem environment. These views are often obtained using broad questions with the intention that the participants will provide the details they believe are most important.
Erst in weiterer Folge könnte sich eine anschließende Untersuchung detaillierter den Veränderungen dieser kollektiven Sinn-Landschaften, der »Sinn-haften« Strukturen (»Wissen«, »Normen) des sozialen Systems widmen, das heißt: sie nicht nur aufzuspüren, sondern auch deren Kopplung an affektive, »Gefühlvolle« Strukturen (das »Sozialkapital«) und Veränderungsbereitschaft genauer studieren (Vgl. dazu die Desiderate unter 6.3).
5.2.3 Erwartungen und Fragen an das Feld Eine Untersuchung von »praktischem Wissen« in »Communities (of Practice)« zielt, wie ausgehend von grundlegenden Orientierungen und im Lichte der bisherigen Ausführungen deutlich geworden ist, über weite Strecken auf Strukturen unter der Oberfläche des bewussten und sichtbaren Alltagshandelns (in den Formen des Kommunizierens, Sprechens und Tuns) ab, weshalb ein Zurückgreifen auf allzu restriktive (restringierende) Erhebungsmethoden bzw. vor allem auch Erhebungsinstrumente (wie Befragungen mittels hoch standardisierter Fragebögen usw.) wenig Erfolg zu versprechen scheint. Nicht zuletzt deshalb soll in 328
Vgl. oben die einleitenden metodologischen Orientierungen.
Empirische Fundierung
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erster Linie eine eher ethnographisch orientierte, multimethodische Zugangsweise auf Basis nicht, bzw. nur begrenzt teilnehmender, offener Beobachtungen bzw. qualitativ-explorativer Gespräche, Befragungen oder Gruppendiskussionen i.w.S. über einen Zeitraum von einigen Monaten ins Auge gefasst werden. Den ersten Zugang zum Forschungsfeld der Community sowie das Herausarbeiten der Bedeutung grundlegender (Fach-)Begriffe als kollektiv geteilte Bedeutungskonstruktionen erleichtern dabei offene (offen strukturierte) Interviewgespräche mit »Experten« im Unternehmen bzw. in der Community. Aus den Ergebnissen dieser leitfadengestützten Gespräche lassen sich einerseits eine Basis für die Beobachtungen in der Community selbst konstruieren und andererseits ein (erster) Entwurf des Wissensbestandes als »kognitive Karte« (eventuell als Ausgangspunkt für weitere Einzel- oder Gruppeninterviews) erarbeiten. Diese kontinuierlichen für qualitative (Fall-)Studien geradezu typischen Wechsel zwischen explorativer Beobachtung und reflexivem Gespräch ermöglichen dabei nicht nur dem Forscher eine schrittweise Annäherung an die Praxis der Community und ein Verständnis für die Lern- und Innovationsprozesse, sondern sie eröffnen außerdem den Mitgliedern der Community eine neue Perspektive auf das eigene Handeln. Dieser distanzierte bzw. distanzierende Blick kann über eine Feedback-Schleife wieder als »(Selbst-)Beobachtung« eingespeist in der Community neue Potentiale aufzeigen. Mehrere Monate wird daher vor allem durch eine Teilnahme am Gruppenprozess bzw. durch Begleitung und Mit-/Nachvollzug der Abläufe, aber auch mithilfe unregelmäßiger, begleitender Interviews bzw. Gruppendiskussionen untersucht, wie Mitarbeiter in mehr oder weniger informellen Praxisgemeinschaften (»Communities of Practice«) praktisches Wissen austauschen und ihre Fertigkeiten weiterentwickeln, wie neu hinzukommende Mitglieder sich erforderliches Know-how aneignen und die Praxis damit am Leben erhalten, weiter verbreiten, verändern, mitgestalten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Beziehungsebene und ihre Bedeutung für Lernfähigkeit von Communities und für die Innovationsprozesse in ihnen gelegt. Da »theoretisch« erwartet werden kann, dass »soziales Kapital« (in Form von beispielsweise Vertrauen, Solidarität oder »Wohlwollen«) in einer Gruppe die Beziehungen stabilisieren und diese Gruppe als sozialen Raum gegenüber Turbulenzen in ihrer Umwelt absichern kann, wären nämlich als Folge nicht nur besseres Lernklima und höhere Innovativität bzw. Experimentierfreude denkbar. Das Bewahren von Bewährtem und die Weitergabe (statt die Weiterentwicklung) von verfestigten Traditionen, Vorstellungen und überlieferten Wissensbeständen sind ebenso »theoretisch« ableitbare Phänomene. Ein besseres Verständnis gerade solcher beiläufiger, meist unbewussten weil eben allzu alltäglicher Wechselwirkungen ist am besten über einen längere Zeit andau-
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ernden Prozess, der eine schrittweise Annäherung an das zunächst noch unbekannte Gebiet ermöglicht, zu erreichen. Nicht punktuelle Befragungsbesuche und sporadische Datenerhebungsaktivitäten mittels streng standardisiertem Instrumentenkorsett, sondern begleitende Analyse und Interpretation der oft unscheinbaren, praktisch von der Community ge-, und vom Forscher erlebten Abläufe sollen zu einem tieferen Verstehen des Geschehens und der zugrundeliegenden Strukturen im (theoretisch-deduktiv) postulierten Bedingungszusammenhang beitragen, das diesen zeitlichen Aufwand rechtfertigt. Erst in einer solchen Interaktion mit dem Untersuchungsfeld im Rahmen eines längeren Aufenthalts liegt eine Gelegenheit, zuerst ein gemeinsames Sprachverständnis und eine grundlegende Vertrauensbasis aufzubauen und so nicht nur das Außergewöhnliche, unmittelbar Auffällige, sondern auch das dem Alltäglichen zugrunde Liegende in den Blick zu bekommen bzw. dem Erkenntnisgewinn und dem Lernen zugänglich zu machen. Wenngleich der (erste) Zugang wesentlich über das verwendete Praxiswissen als solches also: in seiner konkret-praktischen (im Gegensatz zur abstraktgeneralisierten) Form laufen muss, so ist insgesamt und langfristig für diese Untersuchung weniger der Inhalt des Gesagten (bzw. insbesondere des Getanen), als die Art und Weise der Kommunikationen (bzw. ihrer Veränderungen) von Bedeutung. Daher ist für die Forschung auch kein bestimmter Fach- bzw. Aufgabenbereich im Unternehmen, in dem die untersuchte Community angesiedelt ist — wenngleich möglicherweise die Arbeit erleichternd — unbedingt und notwendig erforderlich, zumal die erwarteten Prozesse sich zumindest der Tendenz nach in jeder (!) Community zeigen lassen sollten! Die Ergebnisse dieser Exploration sind damit nicht nur aufschlussreich für eine Beurteilung des Potentials von Communities allgemein bzw. vor allem der Möglichkeiten ihres Einsatzes für den (in/formalen) Umgang mit Wissen. Sie leisten auch einen Beitrag zur Entscheidungsgrundlage von Unternehmen in Fragen des Wissensmanagement. Darüber hinaus können sich bei den Mitgliedern der untersuchten Community Lerneffekte »höherer Ebene« einstellen (Rückkoppelungsschleife!) indem eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Handlungspraxis und eine Reflexion der eigenen Lernprozesse bei den Mitarbeitern angestoßen werden. Bisher unter der Oberfläche verborgenes Wissen und Lernen kann damit selbst zum Gegenstand von Innovation bzw. Lernen werden und »innovative Innovation« bzw. »Lernen von Lernen« möglich machen»Was wissen bzw. können wir in der Community eigentlich?«, »(Wie) lernen wir in der Community eigentlich?« usw.). Dem Erkenntnisinteresse der Untersuchung entsprechend werden Art wie Fokus der Fragen im Verlauf einer eigenen Dynamik bzw. (Weiter-)Entwicklung
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unterliegen: Während am Beginn notwendigerweise das Erarbeiten einer Übersicht über die zentralen Konzepte und deren Bedeutungen im Mittelpunkt steht, dürfen dennoch nicht die ersten Zusammenhänge außer Acht gelassen werden, die einerseits den Konstrukten ihre Bedeutung verleihen und andererseits selbst erst dadurch als Relation entstehen. Dann können in weiterer Folge diese Wissenskonstrukte (als System aus Konzepten und ihren Verhältnissen) weiter, das heißt vor allem: immer detaillierter herausgearbeitet — und schließlich in »Karten« dargestellt — werden. Bevor solche kondensierte bzw. objektivierte und sogar materialisierte Visualisierungen (gemeinsam oder individuell) erstmals in Angriff genommen werden, sollten die Kategorien weitgehend aus den ersten Beobachtungen und Interviews herausgearbeitet worden sein, um ein zu starkes Überstülpen der eigenen (»mitgebrachten«) Schemata zu vermeiden. Vor allem bei der Beobachtung ist zunächst auf deren Verwendung zu achten: Listen for use, not for meaning, wie Spradley (1979: 97) mahnt. Erst ein solcherart — mithilfe von erst beschreibenden und dann strukturierenden Fragen (descriptive bzw. structuring questions nach Spradley 1979) — erlangtes Verständnis der Wissensstrukturen ermöglicht die Suche nach der Statik und Dynamik interner kognitiver Entwicklungen. Dazu zählen neben den Arten und Weisen der Datensuche (Beobachtung der Umwelt) auch die Informationserzeugung (Interpretation von Beobachtungsdaten) bzw. die Wissensmanipulation (Beibehaltung oder Änderung), sowie alle diese Prozesse in Abhängigkeit von affektiven Mustern in der Diktion der vorliegenden Arbeit: bedingt durch »soziales Kapital« (vgl. Abb. 22). Aus diesen Überlegungen lassen sich die an »Feld« bzw. an »Forschungssubjekte« zu stellende Fragen ableiten und konkretisieren. Dabei hat eine erste Annäherung zum Ziel, Überblick und grundsätzliches Verständnis dessen what is going on zu verschaffen, um Fragen wie »Worum geht es eigentlich dieser Community?« bzw. »Was ist die Praxis X dieser Community?« beantworten zu können (vgl. den Leitfaden im Anhang). In weiterer Folge kann versucht werden, tieferen Einblick zu erlangen (vgl. Teil A in Abb. 22 und den Leitfaden im Anhang) und diesen in die Form einer Beschreibung zu bringen, indem Antworten auf die Frage »Woraus/Worin besteht die Praxis X dieser Community?« gesucht werden. Letztendlich sollte dennoch durchwegs das Ziel im Auge behalten und somit vor allem beabsichtigt werden, gewissermaßen den »Durchblick« in Bezug auf die im Mittelpunkt stehende Frage »Wie verändert sich die Praxis X dieser Community mit ihren kognitiven und normativen Bestandteilen (Wissen und Normen) in Abhängigkeit von ihrer affektiven Struktur (Sozialkapital)?« zu erlangen (vgl. Teil B in Abb. 22 und den Leitfaden im Anhang).
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A 1) Welche sind die zentralen Konstrukte –– Konzepte (concepts) bzw. Begriffe (labels) –– die verwendet werden? 2) Welche Zweck-Mittel-Relationen (means, ends, givens) verbergen sich in den (un)formulierten Annahmen? a) Worum geht es in dieser Community (of practice X)? Was macht sie? Was ist bzw. will sie (nicht)? b) Was zeichnet diese Community aus und was unterscheidet sie von anderen Communities? c) Was zeichnet die Mitglieder dieser Community aus, was unterscheidet sie von NichtMitgliedern? d) Wie wird man Mitglied dieser Community? Wer kann (k)ein Mitglied dieser Community werden? e) Was bedeutet es zu Xen? Was muss man wissen um X wirklich zu verstehen (bzw. um Xen zu können)? f) Was macht einen Xer aus? g) Wie lernt man zu Xen, wie wird man ein Xer und was »tut« ein Xer? h) Welche Bedeutung hat für e)–g) Wissen (bzw. Normativität) und Emotionalität? Wie sehr ist die Identität nicht nur »normativ« sondern auch »affektiv aufgeladen«? i) Was sind die vorrangigen Probleme, die es in Bezug auf X gibt bzw. zu lösen gilt j) Welche Beziehungen (d.h.: zu wem) sind für die Community (ihre Mitglieder) von Bedeutung? k) Woher (aus welchen Quellen, von wem) bezieht die Community ihre wichtigsten »Informationen«? B 3) Welchen Veränderungen (Remanenzen) unterliegen die »Definitionen« dieser basalen Konstrukte? Welche Abhängigkeiten vom bestehenden sozialen Kapital (Affektivität) der Community zeigen sich? 4) Welche Veränderungen (Remanenzen) erleben diese Verkettungen? Wie sind diese Veränderungen bedingt/befördert/behindert durch das Soziakapital (affektive Kommunikation) des Systems Community? l) Welche »Beobachtungsstrategien« werden angewandt? Wird nach neuen (unerwarteten) Daten gesucht? m) Werden (Beobachtungs-)Daten, die nicht ins (Denk-)Konzept passen rationalisiert oder ernst genommen? n) Wie wird auf neue Denkweisen (v. a. die von Neueinsteigern) – ablehnend oder einladend – reagiert? o) Welche Chance haben Minderheiten gegenüber der Meinung einer (stark gefühlsgebundenen) Mehrheit? p) Werden bestehende »Theorien« hinterfragt (wenn sie scheitern, obwohl sie funktionieren…)? q) Wie eng laufen »affektive« und »sinnhafte« Kommunikation (i.w.S. Beziehungs- & Inhaltsebene) parallel bzw. wie eng sind »inhaltliche« und »expressive« Funktion der Sprache gekoppelt? r) Werden sinnhafte Strukturen emotional verfestigt oder gewinnen sie Unabhängigkeit und Flexibilität? s) Wird mit »inhaltlicher Kritik« (Scheitern der handlungsleitenden Theorie, Infragestellen gültigen Wissens, evt. sogar gültiger Normen) auch die Identität gefährdet, aber »affektiv« gesichert? Abb. 22: Statik und Dynamik der practice einer Community
6.
6.1
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Competence Center Innovation bei Mondi Business Paper
Um die in der vorliegenden Arbeit aus systemtheoretischer Perspektive329 ausgearbeitete Kritik auf »empirische Beine« stellen, das heißt sie nicht nur illustrieren, sondern sie darüber hinausgehend mit möglichst unerwarteten Beobachtungen irritieren zu können, muss die Suche nach einem geeigneten Fallbeispiel mit besonderer Umsicht erfolgen. Denn für eine Kritik an undifferenzierten Darstellungen in der einschlägigen Literatur, denen zufolge sich Communities sowohl durch Lernfähigkeit in allen Bereichen und auf allen Ebenen (also: individuell wie kollektiv), als auch durch Leistungsfähigkeit (Effizienz und Effektivität) in ihren Fachgebieten auszeichnen, ist aus der in der vorliegenden Arbeit grundgelegten Beobachterperspektive ein Gegenbeispiel gewissermaßen ein »schwarzer Schwan« zu diesen kaum theoretisch-deduktiv begründeten, dafür jedoch umso euphorischeren Beschreibungen am ehesten geeignet.330 Da die Suche nach einem solchen (also: einem den in der Literatur formulierten Erwartungen entgegenstehenden) Beispiel in »unwahrscheinlichen« (kontraintuitiven) Umgebungen sich zwar aller Erwartungen nach mühsamer gestalten wird, im Falle eines Fündigwerdens jedoch das darauf basierende Existenzurteil (Mayntz) mehr Beweislast tragen kann, stellen Bereiche institutionalisierten Lernens beispielsweise in der Form von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Unternehmensorganisationen vorrangige Zielgebiete dar. Als eine der ersten Communities in diesem weiten Feld gerät dabei eine zu Innovations-Themen ins Blickfeld, der nicht »nur« erfolgreicher Umgang mit Wissen, sondern darüber hinaus auch dessen erfolgreiche Anwendung (ökonomische Marktkapitalisierung) attestiert
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Nicht zu vergessen: Zuvor ergänzt um Affekt als ein gleichberechtigtes Medium des Sozialen (sozialer »Formen«) bzw. als ebenso möglicher »Inhalt« kommunikativer »Formen« wie Sinn. So schreibt beispielsweise Flyvbjerg (2006: 10) mit Bezug auf Popper: The case study is well suited for identifying ›black swans‹ because of its in-depth approach: What appears to be ›white‹ often turns out on closer examination to be ›black‹.
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wird: Das Competence Center Innovation im Hause Mondi Business Paper331, das im Jahr zuvor (2005) mit dem Best Innovator Award Österreich ausgezeichnet worden ist.332 Vom ersten Telefonat im Anschluss an eine einschlägige Veranstaltung der »Plattform Wissensmanagement« am Wiener Wilhelminenberg im Mai 2006 und dem ersten Besuch in Ulmerfeld-Hausmening (Niederösterreich) an stellt sich der Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Mondi Business Paper als außerordentlich unkompliziert heraus. Nur das erste Treffen mit dem Leiter des Competence Center Innovation gestaltet sich aufgrund von terminlichen Zwängen eher kurzfristig und improvisiert, wenngleich pragmatisch und mit Geschick eingefädelt von der Innovations- und Ideen- bzw. Wissensmanagerin persönlich. In weiterer Folge sollte die im Rahmen dieses Besuchs ausgesprochene Einladung einen Sommer lang aufrecht bleiben und auch bis in den Herbst mit Dank angenommen werden. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich damit über vier Monate und umfasst zehn Treffen der Community, zahlreiche individuelle Interviews und einen Mapping-Workshop. Vor dem Hintergrund der von einer nicht unbeträchtlichen Zahl an Unternehmen geäußerten (wohl großteils ungerechtfertigten) Bedenken und Vorbehalten dem Forschungsprojekt gegenüber, ist die hier angetroffene Offenheit ermutigend und das entgegengebrachte ehrliche Interesse motivierend. Insgesamt bestärken sie das bereits bestehende Commitment und die Absicht, sich auf das »Abenteuer Papier« über die alltägliche und beiläufige Nutzung hinaus einzulassen. Immerhin ist das in den österreichischen Tageszeitungen von der (heimischen) Papierindustrie gezeichnete Bild eher düster, was in Berichten der Presse grundsätzlich auf die seit einigen Jahren angespannte Situation der gesamten Branche zurückgeführt wird und beispielsweise in Schlagzeilen wie diesen zum Ausdruck kommt:
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Mondi Business Paper bezeichnet sich selbst (auf der Website www.mondibp.com im August 2006) als einen der weltweit größten Hersteller von hochwertigen, chlorarm und chlorfrei gebleichten Papieren für die Bürokommunikation, der als werte- und wachstumsorientierter Konzern mit der Unternehmensvision Pushing The Limits seinen Anspruch auf operative Exzellenz, Themenführerschaft und Innovationsstärke auf den Punkt bringen möchte. Auf der Website der Mondi Business Paper (www.mondibp.com) ist hierzu zu lesen: „Der Best Innovator Award wird europaweit in 8 Ländern vergeben. Aus insgesamt 500 Teilnehmern wurden 2005 die nationalen Gewinner ermittelt. Der Award zeichnet im besonderen die Leistungen der Teams Innovation sowie Forschung & Entwicklung“ (Vgl. auch www.bestinnovator.at).
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Keine Erholung für Papierindustrie (Wiener Zeitung Nr. 210 vom 31. 10. 2003, S. 13) Papierindustrie unter Druck (Salzburger Nachrichten vom 11. 9. 2003, S. 16) Schwaches Jahr für die Papierindustrie (Der Standard vom 31. 3. 2004, S. 19) Papierindustrie leidet (Der Standard vom 13. 4. 2005, S. 16) Papierindustrie plagen Sorgen! (Neue Kronen-Zeitung vom 26. 11. 2005, S. 13) Papierindustrie mit blassem Jahr (Kleine Zeitung vom 6. 4. 2006, S. 43)
So waren die vergangenen Perioden den Aussagen der Wirtschaftsjournalisten zufolge von geringem, aber immerhin positivem Ansteigen der Absatzmengen333, gleichzeitig jedoch von stagnierenden Umsätzen bei steigenden Kosten vor allem im Bereich der Energie gekennzeichnet. Zumindest was die Profitabilität betrifft, ist jedoch Mondi Business Paper (ehemals Neusiedler und zum Zeitpunkt der Untersuchung in Besitz der Anglo American Group) in der Presse als Außenseiter dargestellt, der dem langfristigen Abwärtstrend (Peter Oswald, Mondi Packaging in der Tageszeitung »Die Presse«) in der Branche erfolgreich trotzt: Mondi gilt im Branchenvergleich als hoch profitabel und verzeichnete bisher vergleichsweise geringe Ergebnisrückgänge. (Die Presse vom 9. 2. 2006, S. 15)
Vor diesem Hintergrund ist nun auch die Bedeutung von Innovation und ihrem Management also: ihrem gezielten, geplanten und gesteuerten Betreiben im Bereich von einerseits der Verbesserung von Produkteigenschaften (Nutzenseite) und andererseits der Optimierung von Prozessabläufen (Kostenseite) zu sehen. So lässt sich denn auch das Credo des Competence Center Innovation auf die prinzipiell einfache Formel „Wir machen Wissen zu Geld“ bringen, wie die pointierte Formulierung der Wissensmanagerin lautet. Und das in einer Branche mit über mehrere Jahrtausende zurückreichender Geschichte und mit über Jahrhunderte fortbestehenden Traditionen, wie dem noch immer verbreitet anzutreffenden Anspruch, die Papierherstellung als »Kunst« verstanden zu wissen und nicht als ein Handwerk unter vielen. Diese Sichtweise im Mittelalter durchaus auch von offizieller Seite unterstützt ist von den Papiermachern ebenso gepflegt worden wie diese ihr eigenes Tun beinahe in eine magische, der Alchemie nahe stehende Sphäre gerückt haben. Immerhin handelt es sich dabei damals wie heute um einen wahrlich außer333
Wozu in erster Linie der Absatz im Ausland beigetragen hat: „Die Inlandsnachfrage entwickelte sich schwach. Gleichzeitig stieg der Export (…) (Exportquote: 85,4 Prozent)“ (Der Standard vom 6. 4. 2006, S. 23).
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gewöhnlichen Vorgang, nämlich die Verwandlung von wertlosen und schmutzigen Lumpen bzw. anderen Materialien in wertvolles und reines, weißes Papier. So zeichnet sich denn auch vor allem im Europa des Mittelalters mit seinen Gilden, Zünften und anderen Vereinigungen334 gerade die Papierherstellung nicht gerade durch Innovationsfreudigkeit und Erfindergeist aus, was sowohl im Habitus tradiert und in der Praxis transportiert, als auch durch explizite Verbote und Gelübde kodifiziert wird335 (Vgl. Sandermann 1988). Diese Traditionsbeladenheit muss den (post)modernen Schreibenden sofern sie überhaupt Papier verwenden ebenso wenig bewusst sein wie das technisch-naturwissenschaftliche Know-how, das in jedem einzelnen der Blätter steckt: Wissen und Erfahrung, die nach über zweitausend Jahren einen Wegwerfartikel des täglichen Ge- und Verbrauchs hervorgebracht haben, der uns wohl auf dem Weg zum proklamierten »papierlosen Büro« (in einer »papierlosen Gesellschaft«?)336 ebenso noch eine Zeitlang begleiten wird, wie auch die unermüdliche Suche der Papiererzeuger nach Verbesserungsmöglichkeiten und deren konsequente Nutzung von Optimierungspotentialen.
6.1.1 Situation und »Kontext« Zwei Wochen nach dem ersten Besuch im Unternehmen stößt der Einstieg ins Forschungsfeld auf professionell-freundlichen Empfang, herzlich-gastfreundliche Aufnahme und kühl-distanzierte Höflichkeit zugleich. Es wird sofort deutlich, dass die Aussicht auf beobachtende Blicke, lästige, und zudem noch 334 335
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Die ja mitunter als Vorläufer von »Communities (of Practice)« gehandelt werden (vgl. 4.14.1). Sprichwörtlich ist wohl die Versprechensformel des U. Stromer (1329-1407), wonach er seinen Mitarbeitern gebot, das in der Mühle erlangte Wissen zehn Jahre lang nicht weiterzugeben, bzw. ihnen verbot, gar andernorts eine Papiermühle zu errichten: „Clos Obsser swur den Ayt, er gab seyn tres, daz er mir und mein erben trew solt sein (…) sol er nymant kain arbait zu papir tun dann mir oder mein erben (…) und sol auch daz nymant leren noch unterweisen noch ratt noch hilf noch stewr dar zu geben, daz nymant kain mulwerk zu papir mach in kaynerlay weiz on aller flacht geferd.“ Vor allem die Italiener sollten außer für ihn selbst „in allen teutschen landen hie disseits des Lampartischen Birgs niemandt khein Pappir machen“ (Vgl. zu Stromer und dessen „Püchl von mein geslecht und von abentewr“ v.a. Sandermann 1988). Und in Zeiten extremer Individualität, das heißt: Personengebundenheit von Wissen, Informationen und Daten (vgl. auch oben mit Willke) sowie ihrer meist nur persönlichen Weitergabe vom Meister an die Schüler sind die Folgen derartiger Vorgehensweisen für die Entwicklung des überindividuellen, kollektiven Wissensbestandes natürlich besonders weitreichend. Vgl. auch aktuell wieder „Das Märchen vom papierlosen Büro“, in: Infora Consulting Group, Change Management 4/2005.
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naive Fragen, sowie ein allgegenwärtiges Notizbuch nicht nur freudige Erwartungen hervorruft. Vermutlich ist es dabei weniger die Anwesenheit eines (weiteren) fremden forschenden Subjekts solche Besucher(innen) ist man in den Rollen von Diplomand(inn)en, Doktorand(inn)en oder Praktikant(inn)en durchaus in beachtlicher Zahl gewöhnt als das Gefühl, nun als Forscher(in) selbst zu beforschten »Objekten« zu werden. Das ist durchaus verständlich, vor allem da es nicht so einfach ist, den im konkreten Fall vorliegenden Forschungsgegenstand das Wissen sozialer Systeme und dessen Dynamik als erstens jenseits (natürlich nicht: unabhängig) von Einzelpersonen und deren individuellen Meinungen, Ansichten, Wissensbeständen, Handlungen usw., zweitens als möglichst (!) wertfreies Konzept zu etablieren. Dabei ist das Ambiente rund um das in der Regel wöchentlich stattfindende Meeting äußerst angenehm. Der wie sämtliche Büros im Gebäude der Holding modern (wenngleich nicht mit den sonst im Haus anzutreffenden Hightech Geräten, sondern »nur« mit Projektor und Leinwand) eingerichtete und ausgestattete Besprechungsraum wirkt einladend, und der Tisch in der Mitte ist bereits mit Getränken bestückt. Dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach und nach eintreffen, bietet eine erste Gelegenheit zu kurzen Vorstellungssequenzen: Neben dem bereits bekannten Leiter der Innovationsabteilung und der Wissensmanagerin stellen sich eine Chemikerin, ein Chemieingenieur, ein Verfahrenstechniker und eine Labortechnikerin vor. Die Überraschung über meine Anwesenheit ist offensichtlich nicht sonderlich groß, es genügt daher ein erster kurzer Verweis auf das Forschungsprojekt über »Communities«. Der an die gegenseitige Begrüßung anschließende Smalltalk der Mitarbeiter untereinander wird allerdings eindeutig von Gesprächen über den mittlerweile am Tisch befindlichen Kuchen, bzw. einen auftauchenden Nudelsalat dominiert, woraufhin auch die Aufklärung des Außenstehenden folgt, dass die Mitnahme von Essbarem (ganz besonders von Mehlspeisen und Süßigkeiten) nicht nur üblich und erwünscht ist, sondern quasi wesentlichen Bestandteil des informellen Aufnahmerituals darstellt. Das aber hätten längst nicht alle »Neuen« (auf Anhieb) verstanden, wie schmunzelnd, aber ganz offensichtlich durchaus nicht nur scherzhaft, hinzugefügt wird. Demgegenüber ist bereits nach wenigen Wochen »im Feld« die Rolle des Forschers als die eines unbeteiligten Beobachters nicht zuletzt aufgrund der Erfahrung der Gruppe im Umgang mit dem Auftauchen neuer Gesichter vollends akzeptiert (»Sie würden uns ja schon fast abgehen, wenn Sie nicht dabei wären.«) und die Irritation der Community damit gleichzeitig weitgehend minimiert. Schließlich scheint die Gruppe im weiteren Verlauf Anwesenheit und Absicht des Beobachters wenn auch nicht zu vergessen, so doch weitgehend zu vernachlässigen (»Nehmen Sie es uns bitte nicht übel, wenn wir uns nicht um Sie
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kümmern…«), was zwar zum einen die Annäherung an das Untersuchungs»objekt« (das going native) etwas verlangsamt, insgesamt jedoch Vorteile in Form eines die Reflexion unterstützenden »gesunden« Abstands zum Geschehen bringt. Vorteile, die eventuelle Nachteile aus der erstgenannten Langsamkeit aufwiegen. Nicht zuletzt müssen mit diesem gewahrten »Respektabstand« ja auch die oft unerfreuliche Distanz zur scientific community und der dadurch erschwerte (nicht nur: physisch-geographische) »Heimweg« zu fachlichen Diskursen bzw. Meta-Diskursen (das coming home) kompensiert werden. Dabei stellt sich gerade das Abstandnehmen von prima facie Interpretationen, oder zumindest das zeitweilige Zurücktreten hinter sie als eine der schwierigsten Aufgaben im Feld heraus, denn, wie auch von Feldman (1995: 64) beschrieben: The difficulty in interpreting qualitative data is not in learning how to create interpretations but in learning how to get away from preestablished interpretations. Zugleich handelt es sich fraglos nicht nur um eine der schwierigsten, sondern überdies um eine der wichtigsten zu entwickelnden Fähigkeiten, sich bewusst zu werden, how strong the temptation is to create order out of other cultures by imposing our own categories (Spradley 1979: 103). Denn immerhin greifen gemäß den hier zugrunde gelegten Prinzipien von Feldforschung (vgl. oben) Interpretation und Erhebung wechselseitig ineinander, und an die Stelle einer linearen Abfolge von Erhebungs- und Interpretationsphase tritt ein über Analyse und Reflexion vermittelter Kreislauf (vgl. 5.2.1 mit Lueger), in dem auch die jeweils jüngste Version der Interpretationen die nächsten Beobachtungen leitet und ihnen Richtung und Fokus vorgibt. Demgemäß versucht auch der hier verfolgte Ansatz eine zugleich konzeptuell-deduktive und grounded-induktive (vgl. 5.2 mit Strauss/Corbin) Art und Weise des Vorgehens zu entwickeln, indem die Praxis des Theoretisierens (vgl. 4.1.1 mit Wenger) mit jener des Verstehens als Sondermethodologie (vgl. 1.1.1 mit Luhmann) in einem Prozess mit zu Beginn offenem und ungewissem Ausgang verwoben wird. In ähnlicher Weise hat das Postulat der Offenheit qualitativer Forschung (vgl. 1.1.2 mit Lamnek, Mayring) auch für das breite Spektrum an Methoden selbst zu gelten, dessen Reichtum im Rahmen von (qualitativen) Fallstudien als dezidiert multimethodischen Forschungsansätzen (vgl. Lamnek, Stake bzw. Lit.v. in Fn. 28) bis zur tatsächlichen Arbeit im Feld als Möglichkeitsraum bestehen bleiben sollte. Nicht zuletzt deshalb sind vielversprechende Optionen auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter epistemologisch-methodologischen Aspekten diskutiert, nicht aber im Vorhinein aprioristisch eingeschränkt worden (vgl. oben): Wie die Wege im Gehen entstehen, so stellen sich nach und nach die interessanten Fragen sowie damit die methodisch-instrumentellen Erfordernisse heraus, anhand derer selbstverständlich auf der Basis vorangestellter, grundlegender Überlegungen und Reflexionen über Entwicklung, Einsatz und Er-
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kenntnisbeitrag von Hilfsmitteln (im konkreten Fall Interview- und Beobachtungsleitfäden, Mapping-Workshops, Strukturlege-Techniken usw.) entschieden werden kann.
6.1.2 Community: Identität und »Wir-Gefühl« Auch wenn in Interviews und anderen Einzelgesprächen stets die »Professionalität« der kollegialen Beziehungen beinahe in einer Art simplex ties (Gluckman, vgl. oben) betont wird, so fallen doch in den Community-Treffen die gar nicht selten eingestreuten Verweise auf (mehr oder weniger) private Lebensbereiche auf. In der Runde allgemein bekannte Freizeitaktivitäten (wie Motorradfahren), in gemeinsamer Erinnerung gebliebene Begegnungen und Bekanntschaften (wie zum Beispiel Geschäftskontakte) oder ebensolche Vorlieben der Abendgestaltung, die sich im Rahmen von Dienstreisen offenbart haben (wie der Besuch bayrischer Bierbeisel) etc.: Viele derartige Bezüge finden sich oft beiläufig ins Gespräch eingeflochten. Dadurch erhält das Kommunikationsgeschehen eine zusätzliche Dimension, da gerade diese eher informalen oder gar: persönlichen (Luhmann, vgl. oben) Kommunikationen neben der Aktualisierung von Sinn auch tendenziell häufiger von der affektiven Funktion der Sprache (Foolen, vgl. oben) Gebrauch machen. Schließlich werden damit die sozialen Beziehungen in Form von Kommunikationssträngen aber auch zu multiplex ties (Gluckman), und die Situation entfernt sich von einer ohnedies nur idealtypischen ausschließlich sachlich-fachlichen Auseinandersetzung bzw. einem in dieser Form realtypisch gar nicht möglichen dehydrated talk (Gratton/Ghoshal, vgl. oben). Es steigt also die Wahrscheinlichkeit, dass Kommunikationsofferten (Luhmann) in sozialen Verflechtungszusammenhängen (Systemen) neben »Wissenseffekten« auch (bleibende) Veränderungen in der Sozialkapitalstruktur auslösen (vgl. oben), indem affektive Differenzen gemeinsam mit Sinnhaften (bzw. sogar noch vor letzteren) anschlussfähig prozessiert werden. Das zeigt sich nicht nur in geänderten Kommunikations- bzw. Argumentationsmustern, sondern wird zusätzlich auf individueller Ebene (z.B. als »Zugehörigkeitsgefühl«, vgl. oben Neidhardt und Tyrell), aber ebenso auf emergenter Ebene (bspw. als »gutes Klima«) erleb- und spürbar. Eine Antwort auf die Frage nach den Gründen bzw. besser: Auslösern, oder gar Ursachen dafür kann nicht zuletzt in der Beobachtung gefunden werden, dass vom Community-Head angestoßene Kommunikationen durchwegs in besonders hohem Maße den Kategorien 1 bis 3 der bekannten und bereits kurz skizzierten Interaktions-Prozess-Analyse IPA von Bales (vgl. oben) zugeordnet
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werden können. Diese Kategorien bzw. Äußerungen repräsentieren den Quadranten positiver, expressiv-integrativer Äußerungen gewissermaßen als Atome kommunikativer Zusammenhänge und damit positiv-affektive Kommunikationsofferten: Scherze sind ebenso an der Tagesordnung wie Gelächter oder (paraverbale) Ausdrücke der Zufriedenheit (Pfeifen, …). Und auch wertschätzende Bemerkungen (»Da sehen Sie, wie wichtig es ist, dass wir Sie hier bei uns haben.«) stellen weniger die Ausnahme als eine Regel dar. Darin wiederum findet sich der (in Communities erwartete) überdurchschnittliche Gebrauch jener affektiven Funktion von Sprache (Foolen, vgl. oben), die soziale Verflechtungszusammenhänge als webs of affection und nicht nur als webs of significance (Geertz, vgl. oben) konstituiert. Ein Aspekt sozialer Systeme, der letzten Endes für Beobachter auf der Suche nach sozialem Kapital erkennbar wird. Hinzu kommt die regelmäßige und oftmalige mehr oder weniger explizit in Erscheinung tretende Bezugnahme auf die emotionale Ebene, als ein Weg der indirekten affektiven Kommunikation, nämlich jener »über« Emotionen (Foolen, vgl. oben). Darunter fallen beispielsweise die Aufforderung an eine Kollegin, engagierten Praktikant(inn)en die eine oder andere Belohnung zukommen zu lassen, »dass sie spüren, dass sie geschätzt werden«, oder aber jene Einladung an eine Praktikantin, noch zu einem abschließenden Gespräch zu kommen, »dass ich weiß, wie Sie sich gefühlt haben«. Und auch im Fall eines neuen Mitarbeiters sollte nicht vergessen werden, »ihn am Freitag nach der Befindlichkeit zu fragen«. Ebenso regelmäßig und oft wird diese Redeweise jedoch nicht akzeptiert, sondern (unbewusst?) auf eine rein Sinn-hafte Ebene transferiert. So antwortet ein neuer Kollege bei einem Treffen auf die abschließende Frage »Wie haben Sie sich gefühlt?« mit »Es war ganz interessant, aber ich habe wenig verstanden.« Wie erwartet ist es also offensichtlich und nicht zuletzt auch deshalb wohl traditionell betont eine mehrdimensionale, wenngleich aber deutlich identifizierbare Sinn-hafte Unterscheidung anhand derer sich das System »Community« aus den unterschiedlichsten Umwelten ausdifferenziert. Systemtheoretisch formuliert ist die Leitdifferenz, vermittels derer eine Regelung (Selbst-Steuerung) der zulässigen Themen, Beiträge und Beitragenden erfolgt, also eine Sinn-hafte: Es sind die Innovation und das Innovieren, denen man sich »verschrieben« hat, und um die sich folglich die Gespräche drehen. Während also die nichtfachlichen Aspekte beruflicher Zusammenarbeit thematisch möglich und bisweilen sogar die Privatleben der Mitglieder als Randthemen zulässig sind, ist es das Doing Innovation, über das sich der soziale Identitätskern der Gruppe erfassen lässt. Das heißt aber auch, dass es weniger die Themen (Themenbereiche) in Sachen Papiererzeugung alleine, als vielmehr deren innovationsorientierten Aspekte sind, die eine diskursive Schließung der Community erzeugen, bzw. mit
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denen deutlich die Kommunikationsgrenzen markiert werden und deutlich eine Zurechnung zum »Innen« des Systems nahe gelegt wird. Nicht zuletzt geschieht dies in vielen Fällen über einen hohen Grad der Neuartigkeit von Themen oder überhaupt der Vertraulichkeit von Informationen, der auch mit der zweiten Dimension der Grenzziehung zur Umwelt in enger Wechselwirkung steht. Immerhin ist es den Mitgliedern der Community zumindest zum Teil durchaus bewusst, dass die solcherart etablierte elitäre Position337 (wie auch der überdurchschnittlich hohe Anteil affektiver Kommunikation) einen wesentlichen Beitrag zum Entstehen des erlebten Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühls leistet. Unterstützung erfährt dies laufend und beiläufig durch die Abgrenzung nicht nur gegenüber einer amorphen Umwelt, sondern auch gegenüber anderen Systemen (»Unsere ›Abteilung X‹ ist ja so was von daneben … da habe ich wieder etwas mitgemacht am Montag …«), die nicht so sehr natürlich jedoch: auch Sinn als vorrangig Emotionen prozessiert. Diese affektive Grenzziehung tritt wie erwartet als gleichberechtigter, wenn nicht sogar grundlegender Mechanismus der Ausdifferenzierung in Erscheinung und erweist sich vor allem in Situationen der Gefährdung Sinn-hafter (kognitiver bzw. normativer) Strukturierungen als bedeutsam. So sieht sich die hier untersuchte Innovations-Community unter anderem gezwungen, hinsichtlich ihrer Erwartungen an die eigenen Erwartungen bzw. die interne kommunikative Strukturierung (»Wir sind die Abteilung, die am besten zusammenarbeitet.«)338 massiv »dissonante« Informationen zu verarbeiten, als die veröffentlichten Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung aus dem Vorjahr eine unerwartete (!), dafür jedoch nur allzu deutliche Sprache sprechen. Während hier vom Competence Center Innovation in einigen Bereichen durchaus Spitzenwerte »erzielt« worden sind, gilt für andere Gebiete das Gegenteil. Zu diesen letzteren zählen so relativ unspektakuläre und daher auch rasch abgehandelte Kategorien wie die zu selten erlebten Besuche bzw. Aufmerksamkeitszuwendungen durch den CEO, aber durchaus auch solche, die als »Kernkompetenzen« einer innovativen Community gelten können, wie beispielsweise die Qualität des Arbeitsklimas und kollegiale Hilfsbereitschaft oder das Funktionieren von Teamwork, die Abwesenheit von Spannungen und die Güte der Konfliktbearbeitung. Nachdem eine Sinn-hafte »Abwehr« durch direkte Externalisierung nicht funktioniert (die Befragung scheint methodisch in Ordnung zu sein und die an ihr zunächst vermuteten Schwächen stellen sich als nicht unbedingt gravie337
338
Zusammen mit den derzeitig erzielten und im Unternehmen bzw. durch die Vorgesetzten Wertschätzung erfahrenden Erfolgen. Vgl. hierzu und was an Gefühlen in sozialen Systemen auf der Ebene von Gruppe so »herumsteht« insbesondere Neidhardt und Tyrell.
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rend heraus) und generell die Möglichkeit eines Aufrechterhaltens der Erwartungen, also deren »normative« Stilisierung zunehmend unwahrscheinlich erscheint, beginnt die Auseinandersetzung mit dieser Beobachtung zunächst noch immer auf der Sinn-haften Ebene in der Form rational(isierend)er Argumentationen. Immerhin spiegelt die Befragung eine frühere, nun nicht mehr vorhandene personelle Konstellation wieder, bzw. dokumentiert sie deren »Nachwehen«.339 Aber auch Vergleiche mit anderen Unternehmensbereichen sollen zur Beruhigung beitragen, wobei die Diskussion an dieser Stelle bereits eine stärkere affektive Färbung erhält, wenn von »Schleimern« die Rede ist, oder das gute Klima in einer Abteilung wohl nicht ganz ernsthaft auf die große räumliche Trennung ihrer Mitarbeiter zurückgeführt wird (»Die verstehen sich so gut, weil sie sich eh den ganzen Tag nicht sehen … die können ja gar nicht zum Streiten kommen …«). Damit wird schließlich auch das »Wir-Gefühl« gewissermaßen aktiviert, nachdem zuvor das Energieniveau spürbar abgesunken ist, es aber auch keine besonders erkennbare Empörung gegeben hat. Nach dem Motto »Es kann nicht sein, was nicht sein darf« wird nun auf die Rede vom »Innovationsteam als EliteTeam« Bezug genommen und eine affektive Offensive gestartet: Von der ausgedrückten »Beunruhigung« über dieses (vergangene) Umfrageergebnis geht es nun sogar schon wieder kämpferisch (es ist das erste Mal, dass während der Besprechung einer der Teilnehmer aufsteht und umher geht, ohne nur den Raum für eine kurze Unterbrechung verlassen zu wollen) um die Sicherung wie offenkundig wird vor allem der Gefühl-vollen Grenzziehung zur Umwelt. An diesem Beispiel lässt sich die Bedeutung affektiver Strukturierung (im Innenverhältnis) bzw. Grenzziehung (zur Umwelt) in aller Deutlichkeit beobachten. Vor allem die letztere befreit das soziale System »Community« aus einer sonst gegebenen Abhängigkeit von Sinn-haften (normativen) Erwartungsstrukturen zur Aufrechterhaltung der Identität.340 Vielmehr ermöglicht sie kognitive Stilisierung der Erwartungsstrukturen, das heißt deren Veränderungsbereitschaft im Enttäuschungsfall (Luhmann, vgl. oben). So müssen »unangenehme«, weil den Erwartungen zuwiderlaufende Beobachtungen nicht vermieden oder abgewehrt werden (Vgl. c in Abb. 23) bzw. ist es schließlich möglich, »unpassende«, weil sich nicht in die bestehenden Erwartungsstrukturen einfügende Informationen zu akzeptieren (Vgl. d in Abb. 23). Anstatt sie unter Zuhilfenahme von Rationalisierungsstrategien gefügig zu machen (c), wird ihnen 339 340
Der als Urheber des schlechten Klimas Verdächtigte hat das Unternehmen bereits verlassen. Eine Abhängigkeit, in die sich beispielsweise Fuhse (2001) begibt, indem er sich in systemtheoretischer Tradition auf die Sinn-hafte Anschlussfähigkeit von Kommunikationen beschränkt (vgl. dazu und zur Kritik mit Staubmann und anderen oben).
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zugestanden, Enttäuschungen auszulösen und Strukturänderungseffekte zu hinterlassen, während die bestandssichernde Identität, das »Wir«, weiterhin kommunikativ anschlussfähig reproduziert wird (d).
Nicht-Lernen Abwehr dissonanter Informationen, Selbstbestätigung, Stabilisierung der Identität durch normatives (kontrafaktisches) Festhalten an Erwartungen
n
x Erwartung: »Wir sind die Abteilung, die am besten zusammenarbeitet«
Beobachtung: Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung
Lernen Verarbeitung zu (dissonanter) Information Verarbeitung der dissonanten Information
o
Flexibilisierung kognitiver und normativer Erwartungen durch lose Kopplung Stabilisierung der Identität , Grenzerhaltung durch affektiv anschlussfähig reproduzierte Kommunikation (»Sozialkapital«)
Abb. 23: Identitätssicherung durch affektive Grenzziehung und Flexibilisierung Sinn-hafter Kommunikationsdimensionen statt kontrafaktischen, normativen Beharrens
Das findet nicht zuletzt seinen Ausdruck in der bereits festgestellten Häufigkeit positiv-expressiver bzw. integrativer Kommunikationsakte (Bales, vgl. oben). Als ein Mitglied der Community über ein unerfreuliches und vor allem unangenehmes Erlebnis in einer kürzlich stattgefundenen Besprechung berichtet, wonach Vorschläge und Personen in unangemessener Art und Weise behandelt worden seien, reagiert die Community mit Verständnis (shows agreement) und Solidarität (shows solidarity) auf diese Schilderungen. Es wird Spannung abgebaut (tension release), indem sie andernorts wieder aufgebaut bzw. entsprechende Rückendeckung zugesichert wird. Der Umgang mit diesem Ereignis bzw. der daraus erzeugte Informationswert sind also keineswegs ausschließlich und vermutlich nicht einmal voranging Sinn-haft. Selbstverständlich sind auch die Kommunikationen in diesem Zusammenhang Sinn-haft anschlussfähig. Um jedoch in dieser Situation als Beitrag zu diesem Thema Teil des Systems Community werden zu können, ist jedoch in erster Linie eine Differenz im Me-
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dium Affekt zu aktualisieren, wobei die anschlussfähigen positiven Gefühle (vgl. oben) an ihrem Horizont auf die potentiellen negativen verweisen, die nur für diesen Moment in den Raum des Möglichen verwiesen worden sind.
6.1.3 Practice: »Doing Being Extraordinary« Die Aussage »Auch die Kreativität unserer Audits steigt gewaltig« bringt das Selbstverständnis bzw. die Identität (vgl. auch oben 6.1.2) der Community in einem Nebensatz (off the records wenngleich nicht abseits der Feldnotizen) pointiert zum Ausdruck. Man ist vor allem eines nicht (oder will es zumindest nicht sein): ordinary und unauffällig im Unternehmen. Diese Tatsache prägt dann auch die Praxis, die sich um diese »Außergewöhnlichkeit« dreht.
Doing Engineering
Doing Management
Doing Innovation Doing Laboratory Work
Abb. 24: Doing Innovation als integrative Praxis
Bereits die erste Begegnung mit den Mitgliedern der Community hat darüber hinaus deren fachliche Diversität gezeigt (vgl. oben) und das Erfordernis gelebter Interdisziplinarität in der Innovation vor Augen geführt. Dementsprechend ist auch die Praxis der Community gefordert, unterschiedliche Fachdiskurse bzw. die Praktiken einzelner Communities341 zu integrieren bzw. an neuen Leitdifferenzen (affektiv als »Wir-Gefühl«, kognitiv-normativ als »Innovation«) auszurichten. Das Doing Innovation ist damit nicht nur ein ständiges Streben nach
341
So zum Beispiel die Community der Laborant(inn)en, jene der Techniker(inn)en und Chemiker(inn)en, jene der Manager usw.
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einem gerade nicht »Doing Being Ordinary« (Sacks), sondern es erweist sich letztlich auch als Knowing einer übergeordneten bzw. integrativen Ebene oder besser: als »Amalgam« verschiedenster Doings342 (vgl. Abb. 24). Denn obwohl die Community-Mitglieder das Unterfangen »Wissen zu Geld zu machen« ganz offensichtlich eint, so sind ihre Perspektiven geprägt durch unterschiedliche einzeldisziplinäre Diskurse und folglich notwendigerweise divergent. Nichtsdestotrotz entsteht daraus im Rahmen eines laufend stattfindenden Aushandlungsprozesses, in den die unterschiedlichen Perspektiven eingebracht werden, ein rekursiver Sinnzusammenhang von eigener, neuer Qualität. Dieser nexus of doings and sayings (Schatzki, vgl. Fn. 342) dient somit in weiterer Folge seinerseits als gemeinsames Reservoir produzierter und reproduzierter Bedeutungen (»Sinn-Landschaft«). Als solcher kann er zunächst beobachtet, sodann aber auch (kommunikativ und interpretativ) erschlossen, rekonstruiert bzw. überhaupt erst: neu konstruiert werden (vgl. unten). Schließlich geht es um die Beantwortung der Frage, welche (sinnhaften) Selektionen im »Feld« aktualisiert werden (Lueger, vgl. oben), ganz gleich, ob die Handelnden sich dieses Sinns bewusst sind oder nicht (Bourdieu, vgl. oben), sowie deren Übernahme durch den Beobachter (in der Person des Forschenden und Schreibenden, letzten Endes vielleicht auch: eines Lesenden) als leitende Differenz für »Verstehen« als Sonderform des Beobachtens (Luhmann, vgl. oben). Wesentlich ist dabei die Betonung der »Neuartigkeit« nicht nur dahingehend, dass sich das Doing Innovation der Community als Amalgamierung343 kommunikativer Beiträge unterschiedlichster Diskursgemeinschaften weder auf die einzelnen (oder gar: einzelne) Doings reduzieren lässt, noch (wieder) in sie aufgelöst werden kann. Vielmehr ist es eine neue Leitdifferenz (Luhmann, vgl. oben), die eine Schließung eines sozialen Systems »Innovations-Community« ermöglicht, ohne zugleich deren gleichgerichtetes Prozessieren in all jenen anderen beitragenden Systemen in ihrer Umwelt die dieselbe Differenz selbstverständlich ebenfalls den eigenen Beobachtungen (im Sinne von »(fremd)verstehen«) zugrunde legen können zu verlangen. Struktureffekte in Systemen sind schließlich restringiert durch die vorhandenen Strukturen. Mit anderen Worten: »Innovieren« kann und muss nicht nur für jede(n) einzelne(n), sondern überhaupt in Technikerkreisen, in Labors oder in Managergremien jeweils anderes »bedeu-
342
343
In der bekannten Formulierung von Schatzki (1996) ist jede soziale Praxis ein nexus of doings and sayings. Ein sozialer (also: kommunikativer) Prozess, den zu untersuchen ebenfalls lohnend wäre, wofür in der vorliegenden Arbeit Zeit und Raum leider nicht zur Verfügung stehen.
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ten«.344 Gleichwohl gehen die (über Doppelmitgliedschaften vermittelten) Beiträge der unterschiedlichen Communities Techniker-, Labor- und Management-Praxis in der einen Innovations-Praxis, die sie damit »am Laufen« halten (reproduzieren), auf, sofern sie eingespeist und als anschlussfähig akzeptiert werden. Materialität und Immaterialität der »Praxis« Wie bereits ausführlich dargestellt (vgl. oben), kann die »Praxis« einer Community (of practice) nicht auf ihren Wissensbestand knowledge bzw. dessen Anwendung als praktisches Wissen (als Handeln345) knowing (as action) reduziert werden. Vielmehr stellen situativer Kontext und materielle Elemente wie räumliche Umgebung, Artefakte, menschliche Körper etc. integrale und damit auch definierende Bestandteile dieses Könnens bzw. dieses Handlungswissens, und damit auch jeder Praxis dar (Vgl. Abb. 25).346 Zwar liegt für die wöchentlichen Treffen keine im Detail ausgearbeitete Tagesordnung in schriftlicher (Papier-)Form vor, doch bildet die stets in mehr oder weniger ähnlicher Weise befolgte (»ritualisierte«) Struktur des live an der Projektionswand mitzuverfolgenden Protokolls einen wesentlichen, nicht zu unterschätzenden Rahmen. Nicht nur definiert es Kategorien (bzw. Bedingungen der Anschlussfähigkeit) vor, in die Beobachtungen dann eingepasst werden (bzw. an die sie Anschluss suchen) müssen. Auch die ständige (zumindest prinzipiell ständig mögliche) diskursive Auseinandersetzung über Begriffe und Formulierungen stellt eine besondere Art und Weise des Einflusses auf die Praxis (bzw. bereits einen besonderen Aspekt der Praxis selbst) dar. Es sitzen alle an einem Tisch und außerdem in annähernd gleicher Entfernung zu diesem Abbild des Geschehens. Und auch wenn eine347 aus der Runde über Laptop und Tastatur 344
345
346
347
Sodass auch Gherardi/Nicolini (2002) letztlich feststellen müssen, that discoursive practice in a constellation of interconnected practices is fundamentally and necessarily also a dissonance and a cacophony, ohne dass dies allein jedoch zum Zweifel an der »Existenz« einer solchen Praxis jenseits der »verbundenen« Praktiken (bzw. an der Ausdifferenzierung eines solchen Systems jenseits dieser »Konstellation« von Systemen) berechtigte. Nicht Wissen »im« Handeln, sondern Wissen »als« Handeln, wie Cook/Brown (1999) betonen (vgl. dazu ausführlich oben). So beschreibt beispielsweise Hirschauer (2004) Körper (jenseits aller biologischer Realität als lebendes System in seiner Wirkung auf soziale Systeme) als Konstruktion von Diskursen, ohne sie in naiver Einseitigkeit auf solche Konstruktionen reduzieren zu wollen: „Der Körper ist also nicht aprioristisch vorauszusetzen, er ist aber auch nicht bloß als Resultat von Diskursen und Praktiken zu verorten, er steckt vielmehr in den Praktiken“ (2004: 75). Mit einer (krankheitsbedingten) Ausnahme ist es während der mitverfolgten Sitzungen im Beobachtungszeitraum tatsächlich stets die Wissensmanagerin persönlich.
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vermittelt gate keeper-Funktionen übernimmt, so scheinen die gegebene Transparenz und Nähe eine Nicht(an)teilnahme beinahe zu verunmöglichen. Physi(kali)sche und soziale Dimensionen der situativen Umgebung bzw. »Verortung« in einem nicht nur immateriellen (sozialen), sondern auch in einem sehr materiellen Koordinatensystem »rahmen« demnach nicht nur die Ausführung (»Aufführung«) sozialer Praktiken (vgl. auch Goffman 1980), sondern fließen auf den ersten Blick: unmerklich in einem Prozess der Amalgamierung in die Praxis ein.
Immaterialität (Wissens- und Gefühlsordnungen)
Praxis (Knowing, Doing) Materialität (Situation und Artefakte)
Identität als Re-entry (Sinn-hafte und Gefühl-volle Leitdifferenz)
Abb. 25: »Praxis« als Amalgam aus materiellen und immateriellen Ingredienzien
Aber wenngleich auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchwegs darauf hingewiesen worden ist, dass soziale „Praktiken sich aus Körperbewegungen zusammensetzen und dass Praktiken in der Regel Verhaltensweisen mit Dingen, mit Artefakten bilden, in deren Zusammenhang das praktische Wissen aktiviert wird“, wie Reckwitz (2004: 45) formuliert (weshalb sie sich als nicht ohne weiteres auflösbares »Amalgam« aus Materialität und Immaterialität darstellen), so genießt dennoch wie im hier untersuchten konkreten Fall die kollektive Wissensordnung (Reckwitz) als emergentes Phänomen sui generis vor allem dann besonderes Interesse, wenn vermutet werden kann, dass der Handlungsanteil von Kommunikationen348,349 sich nicht nur vor allem auf SprechHandlungen beschränken, sondern (damit) vor allem auf einen verhältnismäßig eher geringen »körperlichen« Anteil reduzierbar sein wird. Schließlich stellen auch Berger/Luckmann (2004: 25) fest, dass es die Sprache ist, die das „Koordi348 349
Vielleicht besser: sich in Handlungen manifestierenden (materialisierenden) Kommunikationen. Zur Unterscheidung (nicht: Trennung) von Kommunikation und Handlung vgl. ausführlich oben bzw. Luhmann (2001a), Luhmann/Baecker (2002).
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natensystem“ im umfassenden Sozialsystem der Gesellschaft markiert und das Leben „mit sinnhaltigen Objekten“ füllt. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll auch hier der Versuch einer selbstverständlich stets nur fragmentarisch möglichen grafischen Visualisierung von Wissensbeständen (knowledge) unternommen werden, um die textuelle Beschreibung der Wissensaktivitäten (knowing) sowie der materiellen und kontextuellen Aspekte der Praxis des Doing Innovation und letztlich auch der Sozialkapitalbildung in kommunikativen sozialen Systemen zu ergänzen. Zu diesem Zweck wird wie ebenfalls bereits ausführlich dargestellt auf die Idee der »kognitiven« Karten (Bougon, Eden, Huff u.a., vgl. oben), bzw. der Karten von »Sinnlandschaften«, wie sie im vorliegenden Zusammenhang vielleicht besser genannt werden sollten, zurückgegriffen. Darstellung der Sinn-Landschaft der Community als Karte So steht zunächst auch die mit den Mitgliedern der Community getroffene Vereinbarung, die Aufmerksamkeit im Prozess bzw. im konkreten Workshop (Vgl. Anhang) nicht so sehr auf konkrete Projekte und Handlungszusammenhänge, sondern vor allem auf die Landschaft der Papierindustrie bzw. deren erwartete (sic) zukünftige Entwicklung zu richten, in der Tradition bekannter, bereits im weiten Feld kognitiver Kartographie durchgeführter Untersuchungen zu beispielsweise den Einschätzungen von Entwicklungen im Marktumfeld aus der Perspektive von Führungskräften (Brown 1992) oder deren Sicht auf die Unternehmensstrategie beeinflussende Faktoren (Tegarden/Sheetz 2003), zum Ablauf strategischer Entscheidungsprozesse, zur Kongruenz der Auffassungen von der Wettbewerbssituation (Porac et al. 1995, Daniels et al. 1994, Fahey/Narayanan 1989) oder Einschätzungen der Determinanten von Unternehmenserfolg (Markoczy/Goldberg 1995) und zahlreichen anderen. Dass damit das Vorhaben von den Mitgliedern der Community bereits als konzeptionelle Vorarbeit für den eigenen, unternehmens- bzw. abteilungsinternen geplanten strategischen Entwicklungsprozess (»Road-Map«) gesehen werden kann, lässt von Beginn an auf breite Akzeptanz und engagierte Unterstützung (in einer Win-Win-Situation) hoffen. Zusätzliche Dynamik für den Workshop bringt die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises, da neben sechs bekannten (»etablierten«) Mitgliedern auch zwei neue Mitarbeiter sowie Praktikantinnen mit an Bord sind. Vorteile hat diese Vielfalt an individuellen und außerdem auch an fachlich divergent geprägten Perspektiven verschiedenen Alters und unterschiedlich langer Unternehmenszugehörigkeit usw. wiederum vor allem für die unsicheren Zukunftserwartungen wohl durchaus angemessenen methodische Vorgehensweise (vgl. dazu ausführlich oben die Abschnitte 5.1.3 und 5.2.2), wonach auf eine
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erste Runde individueller Ideenfindung (Brainstorming) das gemeinsame Sammeln und Diskutieren (Sensemaking) der »Konzepte« (private concepts, die damit nicht mehr privat, sondern gewissermaßen »ver-öffentlicht« sind) folgt, sodass in einem weitere Schritt die zu Clustern verdichteten, weitgehend konsensual konfirmierten Begriffe bzw. (cryptic) labels in ein Netz kausaler Verknüpfungen eingebettet werden können. Diese Synthese der Beiträge zum Thema »Zukünftige Herausforderungen (d.h.: Gelegenheiten und Bedrohungen) in der Papierindustrie (d.h.: in der Wertschöpfungskette vom Wald bis zum Papier)« ist in Abb. 26 dargestellt. Sie repräsentiert also (als representation of representations wie oben festgestellt) die »Erwartungsstrukturen« der Community und illustriert damit auch besonders gut die kompexitätsreduzierende Wirkung, das heißt, wie mit ihrer Hilfe die Unübersichtlichkeit der »Welt« (indem ihr die Form von »Sinn« unterstellt wird) in »Sinn«-hafte Strukturen transformiert wird und so nun noch immer eine ganze Menge an anschlussfähigen Operationen (= Kommunikationen) offen bleibt, aber eben nicht mehr unübersichtlich vieles (oder gar: alles). –
+
sinkende Nachfrage (Substitute)
Image +
+
Technologie
+
+ + +
+ +
–
+
Qualität +
–
EnergieKnappheit & -Preis
neue Produkte & Märkte
+
UmweltSchutz & Politik
+ +
+ +
Wertschöpfung
steigende Nachfrage (Home-use) +
EnergieEffizienz bessere Ressourcennutzung
–
+ Ressourcen +
Cryptic labels der Community: fett: Gelegenheiten / Bedrohungen normal: Felder möglicher Antwortstrategien kursiv: Beides, d.h. Umwelterleben und Systemhandeln
+ –
positiv-verstärkende Wirkung negativ-abschwächende Wirkung
Abb. 26: Karte der »Sinnlandschaft« der Community zu zukünftigen Herausforderungen
224
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Indem diese Erwartungen nun an die Umwelt gerichtet werden, erhalten sie die Gelegenheit, an »der Realität« zu scheitern oder sich an ihr zu bewähren (Z.B. führt der Einsatz neuer Technologien tatsächlich zu mehr Energieeffizienz und in weiterer Folge zu einer Verbesserung des Unternehmensergebnisses). Werden Beobachtungen gemacht, die den Erwartungen entgegenstehen (wird also der Erlebensfluss unterbrochen), so besteht die Möglichkeit, sie zu verändern, falls sie dazu bereit d.h. »kognitiv stilisiert« und als »Wissen« zu bezeichnen sind. (Z.B. wenn hohe Produktqualität nicht automatisch zu einer Imagevebesserung führt, sondern unter Umständen durch eine oder mehrere Variablen mediiert werden muss.) Keineswegs handelt es sich dabei um einen Automatismus, da auch »Beharren« (= »normative Stilisierung«) eine denkbare Reaktion ist oder die Beobachtung überhaupt gar nicht erst systemintern verarbeitet wird (= Ignorieren, um kognitive Dissonanz abzuwehren). Die Lernfähigkeit eines Systems sagt eben noch nichts über seine Lernwilligkeit (bzw. Lernbereitschaft) aus, so eine grundlegende Annahme der vorliegenden Arbeit. Bei genauerem Hinsehen fällt dabei auf, dass es sich bei den verwendeten Konstrukten nicht nur um externe Entwicklungen (»Gelegenheiten«, »Bedrohungen«) handelt, sondern auch bereits mögliche interne Handlungsfelder (»Antworten«) auf diese Umweltveränderungen ganz selbstverständlich in die Darstellung eingeflossen sind. Vor diesem Hintergrund scheint mit der oben (in Anlehnung an Fiol/Huff 1992) getroffenen Unterscheidung zwischen givens, means und ends eine mehr als nur formale Unterscheidung möglich.
+
UmweltSchutz & Politik EnergieKnappheit & -Preis
–
givens
–
+ WertSchöpfung + EnergieEffizienz
end
means
Abb. 27: Ausschnitt aus der »Sinnlandschaft« der Community: givens, means und ends
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So sind politische Rahmenbedingungen (bspw. Umweltschutz) und globale Preisgefüge (bspw. Energie) bzw. deren Entwicklungen weitgehend als »gegeben« zu akzeptieren350. In der Grafik gehen von diesen givens positivverstärkende und negativ-dämpfende Wirkungen aus. Die Effizienz, mit der Energie im Unternehmen eingesetzt wird, ist demgegenüber ein durchaus variables Mittel (means), um ein definiertes Ziel (end) Wertschöpfung bzw. Profitabilität zu erreichen (Vgl. Abb. 27 als Auszug aus Abb. 26)
steigende QualitätsanForderung
+
ÜberKapazitäten in Europa
CommodityCharakter von Papier
+
Konkurrenz aus Fernost + +
+ Technologie + Neue Technologie
Bestehende Technologie
Neue Produkte & Märkte
Kostenund Preisdruck
EnergieKnappheit & -Preis –
–
+
Bestehende Produkte Wertschöpfung Neue Produkte
Abb. 28: Labels in der Sinnlandschaft der Community und concepts in den individuellen Karten der Mitglieder
Da die cryptic labels in aller Regel individuelle private concepts (also: die kognitiven Karten psychischer Systeme) in sozialen Systemen zu kollektiven »SinnLandschaften« koppeln, (vgl. ausführlich oben bzw. Abb. 17) können ihnen unterschiedliche Prämissen, Bedeutungen und Kausalstrukturen zugrunde liegen, wobei diese wiederum in unterschiedlichem Ausmaß (auf der Ebene sozialer Teilsysteme) geteilt bzw. auch durchwegs (auf individueller Ebene) idiosynkra-
350
Sieht man von Ausnahmen, wie dem (jedoch auch nur am Rande genannten) »Lobbying« ab.
226
Beschreiben
tisch gehalten werden können.351 Daneben verbergen sie wohl mindestens ebenso häufig unterschiedliche Denkmuster wie sie ähnliche an die Oberfläche zu bringen vermögen. Im hier dargestellten Fall läuft beispielsweise die (negativ wirkende) Kausalverbindung vom Konzept »Energieknappheit und -preis« über einen (latent bleibenden) Knoten »Kosten- und Preisdruck«, der seinerseits wiederum von zahlreichen weiteren Einflussfaktoren beeinflusst und bestärkt wird (Vgl. Abb. 28). In ähnlicher Weise divergieren bei als fraglos gegeben akzeptierter Wirkung von »Technologie« über »Produkte und Märkte« auf »Wertschöpfung« die Vorstellungen darüber, welche Technologien (bestehende oder neue) nun welche Produkte (bestehende oder neue) hervorbringen, um die aus der Grafik ersichtliche positive Wirkung (auf die man sich kollektiv ja bereits verständigt hat) zu erzeugen. Drei Beispiele für die »Wissensdynamik« in einer Community Während die Untersuchung von Veränderungen in den Sinn-haften (kognitiven, normativen) Erwartungsstrukturen eines sozialen Systems (Community) im Zeitverlauf nicht methodische Hürden allein zu überwinden hat, sondern darüber hinaus mit erheblichem Aufwand verbunden ist bzw. durch die erforderliche qualitative, im Koppelungsmechanismus der Kommunikationsdimensionen zum Ausdruck kommende Rückbindung an affektiv-emotionale Strukturen (»Sozialkapital«) wohl kaum formal-strukturell erfolgen kann, lassen sich die konzeptionell-deduktiv herausgearbeiteten Effekte (vgl. oben 4.2) in einer phänomenologisch-induktiven Beschreibung unmittelbar skizzieren. Exemplarisch wird daher an dieser Stelle gezeigt, wie sich die erwarteten Flexibilisierungs- und Inflexibilisierungswirkungen von sozialem Kapital auf individuelles wie auch kollektives (»soziales«) »Wissen« beobachten lassen: Das gilt sowohl für die (in der Diktion der vorliegenden Arbeit) »Sozialisation« und »Perfektion« als auch für die »Innovation«. Was die Aufnahme neuer Kolleginnen und Kollegen betrifft, so sind die derzeitigen Mitglieder sich hinsichtlich der an die »Neuen« gerichteten Forderungen einig: Es werden zumindest Zurückhaltung bzw. zunächst eher defensives Abwarten begrüßt, sofern nicht überhaupt ausdrücklich Anpassung gefordert wird. Damit will die Community also ganz explizit »Sozialisation« in der Form individuellen Lernens bzw. durch das Teil-Nehmen an der Praxis des Community-Lebens betreiben oder zumindest fördern. Zwar bezeichnet man sich wie 351
Vgl. vielleicht auch hierzu die im Falle der Koppelung von »Wissen« an »Sozialkapital« beobachteten (und unten beschriebenen) sozialen Differenzierungslinien innerhalb eines sozialen Systems (Community).
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für Innovatoren von Berufs wegen (und wie es durchwegs scheint: aus Berufung) zu erwarten als grundsätzlich offen für neue Ideen (»Offenheit ist bei uns hier institutionalisiert.«) und wünscht sich auch ausdrücklich Interessensbekundungen und professionelle Neugier (»Es ist vor allem am Anfang notwendig, viel zu fragen.«), doch steht die Übernahme von Denkrahmen (»Wir sind das Innovations-Team, das Elite-Team wie der Chef immer sagt.«), Normen (»Wir haben eine starke Wir-Kultur, bei uns sagt kaum jemand ›Ich habe gemacht‹, auch von den Projektleitern hörst du meistens ›Wir haben…‹ «) und auch von Wissen bzw. Können (»Wenn er am Freitag noch nicht mit dem ›Messgerät X‹ umgehen kann, sagen Sie mir es aber bitte!«) im Vordergrund. Während im Unternehmen von offizieller Seite ein neuer »OnboardingProzess« für den Einstieg neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt wird, hat die Community schon ihre eigene inoffizielle Vorgehensweise mit eingebauten Parametern für ein angemessenes und ihren implizit kollektiv definierten Anforderungen genügendes Assessment. Diese Kriterien sind eher an der Zusammenarbeit (»Wir haben gesagt bei uns, dass es nicht Denker gibt und Hackler, jeder muss alles können.«) und an der konkreten Handlungspraxis (»Wir werden ja sehen, wie weit er zum Problem dazu geht oder ob er fünf Meter vor dem Problem stehen bleibt.«) orientiert (»Wenn Sie ihm einen Auftrag geben, sehen Sie eh, wie er es angeht, wie oft er fragen kommt und welche Fragen er stellt …«). Wie dieses Beispiel352 zeigt, verfolgt die Community also offensichtlich eine Doppelstrategie, nach der neue Mitglieder sowohl »eingeweiht« als auch umgehend »auf die Probe gestellt« werden sollen. Es wird ihnen freizügig Zugang zum gemeinsamen Wissensbestand gewährt und die Aneignung der Praxis unterstützt, wofür diese wiederum guten Willen bekunden bzw. ihr Geschick unter Beweis stellen und damit sich letztlich der vollen Akzeptanz und Aufnahme »würdig« erweisen müssen. Dieses Lernen »in« Communities entspricht damit der Beschreibung von Communities als Lernumgebung für Individuen, die Selektionsentscheidungen aus dem (zumeist vor ihnen existenten, nun jedoch auch von ihnen mitkonstituierten) Sozialsystem als Prämissen für ihr eigenes Denken, Handeln (und: Wissen) übernehmen (Lave/Wenger, Wenger, Schneider etc., vgl. oben). Damit entspricht dieser Lernprozess am ehesten jenem in vielfach als Vorläufer von Communities bezeichneten, seit alters her bekannten Gilden und Zünften, bzw. beschreibt Phänomene bloßen sozialen Lernens in der Diktion Banduras (vgl. oben bspw. Fn. 34). Da gänzliches »Nicht-Lernen« von Individuen in sozia352
Hier geht es um den konkreten Fall eines neuen Mitarbeiters.
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len Zusammenhängen wohl als eher unwahrscheinlich gelten kann, ist dieser Typ der Wissensdynamik (im Rahmen der vorliegenden Arbeit »Sozialisation« genannt) im Falle kollektiven »Nicht-Lernens« ohnedies eher erwartet worden als die (hier als solche bezeichnete) »Stagnation«, also der Fall, in dem weder soziales noch psychisches (oder biologisches) System lernen. Außerdem wiegen demnach jene Beispiele schwerer, die einerseits als Indizien für weniger wahrscheinlichere Formen der Wissensdynamik, nämlich das Lernen »von« (statt: Lernen »in«) Communities gelten können und die andererseits Licht ins Dunkel der in einschlägigen Darstellungen behaupteten »Allroundfähigkeit« (Leisten, Lernen, Latency353) bringen können. Im zweiten Beispiel, in dem Überlegungen zu möglichen alternativen Papieren für Briefkuverts im Mittelpunkt des Interesses stehen, bieten sich auch tatsächlich nicht »nur« Möglichkeiten individuellen, sondern auch bereits kollektiven Lernens. Ausgangspunkt ist für die hier untersuchte Community dabei die schlichte alltagsweltliche Beobachtung, dass handelsübliche Briefkuverts in der Regel entweder aus dünnem Material (d.h.: ohne »Futter«) hergestellt, und infolgedessen meist nicht den von Schreiber und Leser geforderten Schutz der Intimsphäre vor fremden Einblicken gewährleisten können oder aber ebenfalls (noch) keine Rarität mit Seidenpapier »gefüttert« (also: auf der Innenseite zusätzlich beschichtet) werden, was sich in entsprechend erhöhten Kosten sowohl für den Hersteller in der Produktion, als auch in weiterer Folge für den Schreiber beim Kauf sowie später noch ein weiteres Mal beim Versand (durch erhöhte Portogebühren) bemerkbar macht. In allen diesen Bereichen könnten durch die Entwicklung eines dünnen, jedoch »blickdichten« Papiers Einsparungen erzielt und letztlich eine Marktnische besetzt werden. Grundsätzlich werden zu diesem Thema noch einige Informationen benötigt, weshalb neben Marktanalysen bzw. der Sammlung von Produktproben vor allem Messungen sowie Berechnungen und diverse Kalkulationen usw. durchzuführen sind. Bei alldem wird in der Community mehr oder minder davon ausgegangen, dass zum einen »gefütterte« Briefkuverts ausschließlich dort zur Anwendung gelangen, wo ein Durchscheinen des Inhalts vermieden werden soll, bzw. »Blickdichte« gewünscht wird (»So ein Kuvert kauft jemand, der nicht will, dass jemand durchsieht…«, »Wichtig bei denen ist nur, dass man nicht durchsieht.«), und wo darüber hinaus eine günstigere Alternative (hinsichtlich Materialkosten, Verkaufspreis und Portogebühren) von den Kunden unmittelbar vorgezogen
353
In Anlehnung an die Systemfunktion der Latent Pattern Maintenance im Parsonianischen strukturfunktionalistischen Theoriegebäude.
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würde (»Diese gefütterten sind ja höllisch teuer…« »Ja, sie sind doppelt so teuer und dann kommen noch die höheren Portokosten dazu.«). Bei allem Einfallsreichtum, wie man das ins Auge gefasste Ziel354 (»Blickdichte«) besser bzw. in »Perfektion« erreichen könnte, wird also in diesem Fall der Denkrahmen (»Es geht um Blickdichte«) dennoch nicht verlassen, verändert oder zumindest in Frage gestellt. Andere Beweggründe für eine Kaufentscheidung zugunsten »gefütterter«, nicht bloß »blickdichter« Kuverts (bspw. Ästhetik oder Prestige) scheint es aus dieser Perspektive dann nicht mehr zu geben. So führen auch Bemerkungen aus der Runde, die diese eingeschlagene Denkrichtung nicht so ganz unterstützen (»Diese Kuverts sind ja eigentlich ein Gag…«, »Man nimmt solche Kuverts ja auch nur für Hochzeitseinladungen oder so…«), keine unmittelbare Änderung der ganz offensichtlich normativ also: nicht lernbereit gehaltenen Erwartungen und damit des Denkrahmes (frame) herbei (vgl. Abb. 29).
Blickdichte durch »Innenfutter«
Kundenwunsch: Blickdichte Kauf »gefütterter« Kuverts Kundenwunsch: Geringe Kosten
Nachteil: Hohe Kosten
Neues Material entwickeln
Blickdichte durch neues Papier Kauf nicht gefütterter Kuverts
»Übersetzung« ins Zielsystem der Community: Entwickeln eines neuen Materials um die Erzeugung günstigerer blickdichter Kuverts zu ermöglichen.
Abb. 29: »Wissen« der Community über Kaufentscheidungen bei Briefkuverts
354
Oder sogar überhaupt ein »besseres Ziel«.
230
Beschreiben
Hier wird somit erkennbar, wie sich die Erwartungen der Community in manchen Bereichen bzw. vor allem hinsichtlich zentraler Eigenschaften des Gegenstands ihres Interesses des Materials Papier nicht zuletzt als nach außen erkennbare Manifestation (sowie natürlich auch: innen erfahrbare SelbstBestätigung) ihrer fachlichen Kompetenz, zu Ansprüchen verdichten können und in weiterer Folge der Beitrag dieser Erwartungen zur Identitätssicherung nicht nur auf normativer Stilisierung, sondern darüber hinaus auch auf deren enger Kopplung an affektive Strukturen bzw. Grenzziehungen beruht: Der »Opazität«355 kommt als Qualitätsmerkmal in der Branche hohe Bedeutung zu, weshalb sie eine zentrale Position im Wissensbestand der Community wie auch in den (individuellen) Wissenskarten der Mitglieder besetzt. Gleichzeitig stellt die diesbezügliche eigene Kompetenz ein zentrales Differenzierungskriterium dar, das sich zur Unterscheidung von anderen (Mitbewerb) eignet. Die diesbezüglichen Sinn-haften Erwartungsstrukturen laufen ganz offensichtlich eng entlang der Gefühl-vollen, Identität sichernden, Schienen und diese enge Koppelung zwischen »Sozialkapital« und »Wissen« (oder bereits »Normen«?) vermindert die Flexibilität erheblich, anstatt jenen Dispositionsspielraum zu schaffen, der glaubt man der Literatur ein Infragestellen und Verändern der Strukturen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich macht (Lernklima, Vertrauenskultur). Gerade identitätssichernde Wissens- bzw. Normenbestände werden affektiv imprägniert, bzw. durch eine ergänzende affektive Leitdifferenz bestärkt. Als Beispiel für echte »Innovation« in den Erwartungsstrukturen der Community kann demgegenüber die angestrengte Suche nach alternativen Stoffen als Leimungsmittel gelten, denn diese Suche ist (unter anderem) an neuen Zielen orientiert und nicht (nur) auf bestehende fixiert, wodurch sich jedoch das gesamte Zielsystem in komplexer Weise verändert. Immerhin existieren auch zwischen den Teil- und Unterzielen sich mit diesen Veränderungen dynamisch verschiebende Wechselwirkungen. Dabei werden in einigen mehr oder weniger nahe liegenden (scheinenden?) Umwelten der Community Informationssuchen angestrengt, anschließend (bzw. zwischendurch) neue Möglichkeiten überlegt und schließlich in kognitive, also: veränderungs- bzw. lernbereite! Erwartungen übersetzt, woraufhin letztlich ein Abtesten dieser Arbeitshypothesen in Versuchsanordnungen stattfinden kann. Dabei werden sowohl die Annahmen und Erwartungen einem kollektiven Diskussionsprozess unterworfen, als auch die stets nur vorläufigen Ergebnisse in deren Licht interpretiert. Schließlich folgen Experimente zwar für gewöhnlich einem »üblichen« Verlauf, doch garantieren die dokumentierten Ergebnisse keineswegs bereits eine 355
Opazität bezeichnet die Blickdichte bzw. die Nicht-Durchsichtigkeit von Papier.
Competence Center Innovation bei Mondi Business Paper
231
einheitliche Interpretation in der Community. Vor allem aber wird, wie von der vorliegenden Arbeit (»kognitiv«!) erwartet, diese Ergebnisinterpretation ihrerseits einerseits durch die Erwartungsstrukturen also: das Vorwissen und die Vorannahmen der Community, andererseits durch deren erlebte Bestätigung oder Enttäuschung beeinflusst. Deshalb werden nicht nur die explizit formulierten Erwartungen mit der (im Labor naturwissenschaftlich konstruierten) »Realität« konfrontiert, sondern wird ein breiter, implizit bleibender Erwartungshintergrund ebenso »mitgetestet« wie quasi auf einer Meta-Ebene der Prozess des »Erwartens« (also: des Bildens und Formulierens von Erwartungen) bzw. des »Testens« (also zum Beispiel: des Experimentierens) selbst. Ebenso werden anschließend durch das Ausverhandeln einer jeweils aktuell gültigen Auslegungsvariante (»des« Ergebnisses) nicht »nur« die expliziten Erwartungen bestätigt oder enttäuscht, sondern außerdem in kleinen Schritten die impliziten, unhinterfragten und immer bereits vorausgesetzten Interpretationsrahmen einem inkrementalen Entwicklungsprozess unterzogen (Vgl. Abb. 30). Demnach wird in diesem Beispiel nach Art des zweischleifigen Lernens (Bateson, Agyris/Schön u.a., vgl. oben) nicht nur im weitesten Sinn nach besseren Lösungen (Stoffe, Bindemittel) zur Erreichung eines gegebenen Ziels (Leimung, Retentionsfähigkeit) gesucht, sondern im Gehen neuer Wege auch ebendieses Ziel als erwünschter bzw. angestrebter Zustand in der Zukunft (Ökologie) neu interpretiert, bzw. mutatis mutandis das Ergebnis der Forschungen selbst bereits in diesem neu entstandenen (eigentlich: schrittweise geschaffenen) Rahmen und vor dem Hintergrund dieser neuen Zieldefinition ausgelegt. »Mit-Testen« des Hintergrundes und des Testvorganges selbst
implizite kognitive + normative Erwartungen (»Wissen«, »Normen«, »Ziele«) Ergebnis Interpretation
Experiment Interpretation
explizite kognitive Erwartungen (»Wissen«)
Bestätigung der Erwartungen Enttäuschung der Erwartungen
Aufrechterhalten oder Ändern der Erwartungen Abb. 30: Erwartungsbestätigungen oder -enttäuschungen prägen die Interpretationen von Experiment und Ergebnis
232
Beschreiben
Dadurch erweitert sich der Horizont in der Form von Denkrahmen und Handlungsabsichten und es machen oftmals implizite Hintergrunderwartungen in einem graduellen Entwicklungsprozess ebenfalls: implizit (beinahe) unmerkliche Veränderungen durch. Diese Mutationen in den (Sinn-haften) Erwartungsstrukturen »Wissen« bzw. »Normen« sind dabei vor allem aufgrund ihrer (möglichen) dreifachen Differenzierung sowie der damit unterschiedlichen und nur gleichzeitig erscheinenden Koppelung an die affektiven Kommunikationsstrukturen (»Sozialkapital«) schwer identifizierbar.
6.2
Ausdifferenzierte Kopplung der Kommunikationsdimensionen
„Je weniger uns ein Bereich der Wirklichkeit vertraut ist, umso größer ist der Erkenntniswert von Existenzurteilen und Einzelaussagen“, stellt Mayntz (2002: 14) fest, und so bringt auch die hier vorliegende Untersuchung einer Community, die sich selbst der Innovation also: dem Lernen in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen verschrieben hat, wie beabsichtigt etwas Licht in den bislang noch abgedunkelten Bereich der Kopplung zwischen »Sinn-hafter« und »Gefühlvoller« Kommunikationsdimension. Schließlich hat auch sie sich zum Ziel gesetzt, anhand einer Einzeldarstellung ein ebensolches »Existenzurteil« zu fällen. Während die breite Literatur über Communities diesen sozialen Formen neben effektiver Problemlösung und effizienter Aufgabenerfüllung auch sämtliche Formen des individuellen wie kollektiven Lernens zugleich zutraut, erscheint der vorliegenden Arbeit aus theoretisch abgeleiteten (guten) Gründen eine derartige Aussage zu undifferenziert. Vielmehr ist (1) die Bedeutung affektiver Strukturierung von sozialen Systemen auf der Ebene von Gruppe in der Form »sozialen Kapitals« zu berücksichtigen denn hier bevorzugt die Theorie sozialer Systeme (Luhmann) in einer problematischen, weil langen aber nichtsdestotrotz einseitigen Tradition zu stark »Sinn« als Medium des Sozialen. In weiterer Folge sind (2) sodann die möglichen Wechselwirkungen zwischen affektiven (Gefühl-voller) und kognitiven bzw. normativen (Sinn-haften) Erwartungsstrukturen näher zu analysieren. Mit Bezug auf die erste der beiden Forderungen konnte nun festgestellt werden, dass die affektive Dimension in der Tat eine bedeutende Rolle für die Sicherung der Identität des hier untersuchten sozialen Systems Community spielt. Insbesondere in Situationen Sinn-hafter Erwartungsenttäuschungen kann sie (unabhängig von »kognitiver« bzw. »normativer« Stilisierung dieser Erwartungen) die rekursive Reproduktion affektiv anschlussfähiger Kommunikationen gewährleisten. Freilich ist damit noch nichts über das jeweils konkrete Verhältnis
Ausdifferenzierte Kopplung der Kommunikationsdimensionen
233
zwischen affektiver und kognitiver bzw. normativer Struktur gesagt. Je nach Ausgestaltung dieser »strukturellen« Kopplung sind nämlich wie bereits ausführlich herausgearbeitet (vgl. oben) sowohl Flexibilisierung als auch Inflexibilisierung des sozialen Wissens, also: Lernbereitschaft und Lernaversion denkmöglich. Dass dabei ein Eindruck der »Gleichzeitigkeit« entstehen kann, der die hier kritisierten Darstellungen dazu verleitet, Communities so gut wie alles zuzutrauen und damit wird nun eine Antwort auf die zweite Frage vorgestellt liegt nun nach Ansicht der vorliegenden Arbeit vor allem in der auf den ersten Blick nicht unmittelbar erkennbaren Differenzierung dieses Kopplungsmechanismus selbst, wobei als Unterscheidungskriterien für eine je unterschiedliche Enge zwischen affektiven Strukturen (Staubmann, vgl. oben) bzw. Schienen (Ciompi, vgl. oben) und kognitiven Erwartungsstrukturen die drei bekannten Sinndimensionen (Luhmann, vgl. oben) dienen können (vgl. Abb. 31). Differenzierung der Kopplung von Kommunikationsdimensionen (»Sozialkapital« und »Wissen« bzw. »Normen«)
sachlich
sozial
zeitlich
Abb. 31: Möglichkeiten der Ausdifferenzierung der Kopplung von Kommunikationsdimensionen
So kann sich eine lose (oder eben: enge) Kopplung auf einen sachlich ausdifferenzierten Bereich des Wissens- bzw. Normenbestandes beschränken und somit auf diesem Gebiet »Lernen« wie im angeführten Beispiel von der Suche nach alternativen Bindemitteln (oder eben: »Nicht-Lernen« wie im Fall der Briefkuverts) wahrscheinlicher machen. Wissen bzw. Praxis einer Community sind schließlich weder homogen noch auf einen derart spezifisch begrenzten oder überhaupt begrenzbaren Bereich bezogen, sodass sie sich wohl kaum jemals insgesamt und auf einmal verändern können. Während der Community also bezogen auf einige Wissensdomänen Lernbereitschaft attestiert werden kann, trifft das auf manch andere Bereiche nicht zu. Die affektiven Schienen (Ciompi) binden also nicht alle Wissensbereiche in gleichem Ausmaß und nicht alle Wissensbereiche können sich in gleicher Weise lose von der Sozialkapitaldimension abkoppeln (Vgl. Abb. 32).
234
Beschreiben Stagnation
Sozialisation
Perfektion
Innovation
Beispiel
Neue Mitarbeiter in der Community
Neues Papier für blickdichte Kuverts
Neues Leimungsmittel
Beschreibung
Übernahme von Wissen (Umgang mit Geräten) und Normen (Generalistentum statt Denker-versusHaklerFraktionierung)
Änderung von Wissen (Sammeln von Messdaten, Erzeugen von Informationen) im Denkrahmen (Ziel ist die »Blickdichte« von Kuverts)
Laufendes Verändern der Wissensstruktur (Einfluss von Alter, Zusammensetzung…) bei Ausrichtung auf neue Ziele (Ökologie)
Zugrundeliegende Kopplung von »Sozialkapital« und »Wissen« (bzw. »Normen«)
Engführung affektiver und Sinn-hafter Strukturen, dadurch Stabilisierung und Inflexibilisierung
Engführung affektiver und normativer Struktur, davon entkoppelte kognitive Erwartungen
Entkopplung affektiver Stabilisierung von kognitiver sowie normativer Flexibilisierung
[ANK]
[AN] K
A N K
Abb. 32: Beispiele für sachliche Differenzierung der Kopplung zwischen den Kommunikationsdimensionen
Darüber hinaus wird der kollektive bzw. soziale Wissensbestand der ja weder aus der Summe individuellen Wissens »besteht« noch dessen gemeinsamer »Nenner« ist nicht von allen Mitgliedern »der« Community356 in derselben Weise geteilt und mitgetragen. Je nach dem Ausmaß der »Teilhabe« sind dementsprechende soziale Schichtungen des Wissensvorrates zu erwarten357, weshalb eine Community als soziales System auch in dieser Hinsicht partielle Lernschritte setzen kann. Da allein das Auftreten dieser sozialen Trennlinien das Erlangen eines Überblicks über die Wissenslandschaft der Community bzw. ein Überblicken in allen (drei) Dimensionen also nicht nur der sachlichen allein erschwert, kann für einen Beobachter höherer Ordnung durchaus der Eindruck entstehen, das gesamte System könne sich sowohl in »Perfektion« als auch in 356
357
Deren Bestimmung bzw. Eingrenzung selbst nicht immer einfach und eindeutig möglich ist (vgl. bspw. Schneider 2004, Brown/Duguid 2001b). Wie schon Schütz/Luckmann schreiben, ist absolut homogenes Wissen auf jeden Fall unvorstellbar, da „die Konstruktion einer völlig gleichmäßigen Verteilung des Wissens auf unhaltbaren Annahmen beruht“ (2003: 410 ff).
Ausdifferenzierte Kopplung der Kommunikationsdimensionen
235
»Innovation« üben, ohne dabei Sozialisationsaufgaben, Problemlösungseffektivität oder Arbeitseffizienz vernachlässigen zu müssen. Doch erscheint auch hierbei unmittelbar plausibel, dass Veränderungen in der Erwartungsstruktur nicht flächendeckend erfolgen (also: die Erwartungen nicht in einem großen »Wurf« über Bord gehen), sondern vielmehr in gewissen Bereichen (bzw. in einzelnen psychischen Systemen, also: in gewissen »Umwelten«, denn solchen sind Personen ja zuzurechnen) ihren Ausgang nehmen. Sofern sie nicht überhaupt in der Umwelt des sozialen Systems verbleiben (d.h. keinen Lerneffekt haben), können sie von dort aus in die Community bzw. eben in manche Bereiche der Community »diffundieren«. Die möglicherweise deutlichste Differenzierungslinie verläuft allerdings wohl dennoch entlang einer zeitlichen Achse358, sodass von »Lernbereitschaft« oder »Lernaversion« stets nur in Hinblick auf einen bestimmten Zeitpunkt bzw. abschnitt gesprochen werden sollte. Das ist nicht zuletzt deshalb unmittelbar einsichtig, da weder »Normen« für alle Zeit invariant gehalten (sondern durchwegs Veränderungen und Anpassungen unterworfen) werden noch »Wissen« jedwedem Änderungsdruck nachgibt (sondern manchen Enttäuschungen kürzer, anderen sogar länger standhalten kann359), wie bereits Luhmann (2001a: 443) vorsichtig einschränkend konstatieren muss. Auch diese Art und Weise der Handhabung der Unterscheidung wird jedoch wesentlichen Einfluss auf das Erleben von affektiv-sinnhaften Kopplungen also von »Sozialkapital« und »Wissen« als »starr« oder »flexibel« haben.
358
359
Von den drei an die Unterscheidung bei Luhmann (z.B. 2001a) angelehnten Dimensionen, hinsichtlich derer eine Unterscheidung in »fest« oder »lose« gekoppelte Kommunikationsdimensionen getroffen werden kann, scheint diese sogar am unausweichlichsten. So nicht zuletzt durch die Unmöglichkeit »zeitlosen« Operierens (also: Beobachtens, oder gar anschlussfähigen Denkens, Kommunizierens, Handelns), die bereits ein »Vorher« und »Nachher« und damit ein »Jetzt« erfordern bzw. erzeugen. Das Operieren, und damit: das Systeme konstituierende Unterscheiden, bezeichnet (»aktualisiert«) stets Aktuelles vor einem Horizont an Möglichem in der Gegenwart nur in ihr ist Erleben und Handeln möglich (vgl. Luhmann 2001a: 116f) indem es Anderes vernachlässigt und in die Umwelt verweist. Bereits die Überwindung dieser basalen Unterscheidung (Unterscheiden und Bezeichnen der anderen Seite) erfordert: Zeit. Sonst müsste ja auch jede wissenschaftliche Theoriekonstruktion bei der erstbesten (eher: der ersten denn der besten) Ungereimtheit verworfen werden.
236 6.3
Beschreiben Zusammenschau der Ergebnisse und Desiderate
Vor einer Kulisse aus Diagnosen, Prognosen oder doch nur Prophezeiungen, die Ankunft und die Auswirkungen einer sogenannten »Wissensgesellschaft« betreffend, nimmt die vorliegende Arbeit ihren Ausgangspunkt zum einen bei Erwartungen, denen zufolge in der Zukunft (wenn nicht bereits in der Gegenwart) dem »Wissen« steigende Bedeutung beizumessen ist, und zum anderen bei Beobachtungen, die sich mit den von Organisationen (präadaptiv) durchgeführten bzw. versuchten Veränderungen beschäftigen. Vor allem »Communities (of Practice)« werden in diesem Zusammenhang nach den Enttäuschungen der ersten Generationen im Wissensmanagement vermehrt als Stars in der Organisationstheorie gehandelt, da sie sich Augenzeugenberichten zufolge jenseits, bzw. innerhalb des stahlharten Gehäuses bürokratischhierarchischer Organisationen autokatalytisch und selbstorganisierend als jene Komfortzonen herausbilden, in denen von Mitarbeitern und Mitgliedern gut und gerne gelernt, gearbeitet und daneben auch noch ein produktiver Beitrag zum Organisationserfolg geleistet wird. Sie sollen damit letztendlich auch dem Organisationssystem jene Flexibilität bzw. Veränderungsbereitschaft (zurück-)geben, die per definitionem den Formalisierungs- und Stabilisierungsbemühungen zum Opfer gefallen ist. Leider geschieht dies jedoch meist ohne expliziten und strukturierten Rückgriff auf existierende Theoriegebäude, bzw. es beschränken sich Darstellungen in Ermangelung derartiger Argumentationslinien und Erklärungsmodelle auf die Schilderungen Betroffener und Beteiligter. Aus gutem Grund beginnt die vorliegende Arbeit daher nach einigen grundlegenden methodologisch-methodischen Orientierungen mit einer Analyse jener weltgesellschaftlichen Veränderungen bzw. Tendenzen, die in der Literatur gemeinhin unter dem Titel »Wissensgesellschaft« behandelt werden. Daraus sollen strukturell bedingte Anforderungen an organisierte Sozialsysteme, sowie letztlich eine Kontrastfolie für die Untersuchung der an alternative sozialer Verflechtungszusammenhänge, nämlich »Communities (of Practice)«, geknüpften Hoffnungen gewonnen werden. Da die Theorie sozialer Systeme in ihrer jüngsten und prominentesten, von Luhmann ausgearbeiteten Version als »Supertheorie« den Anspruch erhebt, ein Instrumentarium zur Beobachtung und Rekonstruktion sämtlicher sozialer Wirklichkeiten zur Verfügung stellen zu können, wird mit ihrer Anwendung nicht nur ein theoretischer Beitrag für die CommunityForschung geleistet, sondern darüber hinaus auch ein »Praxistest« der Systemtheorie selbst (wie er leider nur allzu oft unterbleibt) durchgeführt. Diese an die Systemtheorie gerichteten Erwartungen, nämlich soziale Wirklichkeit in all ihren Facetten beschreiben zu können, können allerdings zunächst nur insofern als erfüllt gelten, als sich Entwicklungen in der Sinn-haften (d.h.:
Zusammenschau der Ergebnisse und Desiderate
237
der im Medium »Sinn« als Medium des »Sozialen« erfolgenden) Strukturierung auf der Ebene der Weltgesellschaft mit ihren Folgen für Organisationen, aber auch auf die möglichen Antwortmöglichkeiten von sozialen Systemen auf der Ebene von »Gruppe« (zu ihnen sind »Communities« zu zählen) darstellen lassen. Veränderte Möglichkeitsbedingungen für »Wissen« im umfassenden Sozialsystem der Gesellschaft sowie dessen gestiegene Bedeutung, die sich in einer Zunahme der »kognitiven Stilisierung« von Erwartungsstrukturen zu Lasten der »normativen« ausdrückt, führen zu einer Dynamisierung sozialer Verflechtungszusammenhänge, die mit den klassischen, traditionellen Erfolgsbedingungen organisierter Sozialsysteme (wie z.B. Unternehmen) kollidiert. Diese gewinnen ihre Identität nicht zuletzt aus der Stabilisierung von Kommunikationen durch deren Formalisierung bzw. ihr Zuschneiden auf »Entscheidungen«, sowie durch einem Mangel an Veränderungsbereitschaft: Das Festhalten an Erwartungen (»normative Stilisierung«) definiert geradezu formale, regelbasierte Organisationen und wirkt identitätsstiftend (bzw. -sichernd). So weit treffen diese Veränderungstendenzen in der Umwelt auch »Communities«. Sie sehen sich ebenfalls mit zunehmenden kognitiven Flexibilitätsanforderungen konfrontiert, und sie müssen dabei (so wie Organisationen) darauf bedacht sein, mit zu raschem bzw. vor allem zu umfassendem Hinterfragen ihrer Erwartungsstrukturen nicht gleichzeitig auch ihre Identität aufzugeben: Man kann schließlich nicht alles auf einmal in Frage stellen. Allerdings haben »Communities« im Vergleich zu anderen (insbesondere: organisierten) sozialen Systemen in diesem Punkt einen Vorteil, der sich paradoxerweise aus ihrer evolutionären Rückständigkeit erklären lässt (wenngleich er mit Nachteilen in anderer Hinsicht erkauft werden muss). Als soziale Systeme auf der Ebene von »Gruppe« und damit zwischen »Interaktion« und »Organisation« angesiedelt bilden »Communities« eine Fähigkeit zur Latenz aus, die sich nicht so sehr auf formalisierte Kommunikationsstrukturen verlässt, sondern sich auf die Reproduktion eines »Wir-Gefühls« in ihren (weiterhin laufend notwendigen) Wiedersehen zurückführen lässt. Dieses »Wir-Gefühl« entspricht dabei einem zusätzlichen Modus der Konstruktion von Wirklichkeit bzw. der Aneignung von Welt und kann nicht auf einen anderen (insbesondere »Bedeutung«) reduziert bzw. in einen anderen »umgerechnet« werden. Für »Affekt« als Medium des Sozialen erweist sich die Theorie selbstreferentieller Systeme jedoch durch ihre frühzeitige (und wohl voreilige) Festlegung auf »Sinn« als blind. Daher wird in der vorliegenden Arbeit eine Erweiterung dahingehend vorgeschlagen, dass Sozialsysteme als ihre Kommunikationen stets in beiden Dimensionen der »Sinn-haften« wie der »Gefühl-vollen« anschlussfähig reproduzierend zu verstehen sind. Die Emergenz des Sozialen hat
238
Beschreiben
demzufolge nicht nur einen Bedeutungs-, sondern auch einen nicht gering zu schätzenden Gefühlsaspekt. Kultur ist, sofern sie mit Wissensvorräten, Bedeutungsreservoirs, Semantiken etc. gleichgesetzt wird, nur unvollständig beschrieben. Der Mensch ist in Gefühlsgewebe (webs of affection) mindestens genauso verstrickt wie in Bedeutungsgewebe (webs of significance). Damit kann die vorliegende Arbeit nun »soziales Kapital« als »affektive Emergenz« sozialer Systeme (zusätzlich zu »Wissen« als deren »kognitive Emergenz«) begreifen und gleichzeitig eine identitätssichernde Wirkung als Unterstützung bei der Verarbeitung von Unsicherheiten aus Lernprozessen als Revisionen der Erwartungsstrukturen in Aussicht stellen. Allerdings ist zu diesem Zweck das Verhältnis der beiden (im jeweils eigenen Medium eigenständig) rekursiv re-produzierten Dimensionen von Kommunikation zu untersuchen. Denkbar sind dabei sowohl eine lose Koppelung (d.h. affektive Identitätssicherung mit Flexibilitätsgewinnen in der Sinn-haften Dimension) als auch eine enge Bindung (mit Inflexibilisierung von Wissen und dessen Behandlung als veränderungsresistent, also als »normativ stilisiert«, wenn es affektiven »Schienen« folgt). Während die Literatur über »Communities (of Practice)« von deren hoher Lernbereitschaft begeistert ist und zugleich eine Veränderungsresistenz des Wissens dahingehend annimmt, dass neue Mitglieder den kollektiven Wissensbestand weniger irritieren als ihn für eigene Selektionen übernehmen, hat sich die vorliegende Arbeit eine differenziertere Betrachtung der Koppelung von sozialem Kapital und sozialem Wissen vorgenommen, da sie in dieser losen oder engen Koppelung von Gefühl-voller und Sinn-hafter Struktur den Schlüssel zur Lernfähigkeit (nicht: Lernwilligkeit!) von (nicht: in!) »Communities« vermutet. So ist eine völlige Absenz von Lernprozessen im Falle struktureller Koppelungen bzw. Interpenetrationen von psychischen und sozialen Systemen zwar denkmöglich, jedoch aufgrund der für die Reproduktion laufend erforderlichen wechselseitigen Irritationen kaum wahrscheinlich, nicht zuletzt da die gegenseitige Übernahme von Selektionen für eigene Operationen notwendige Voraussetzung für »Verstehen« ist. Demgegenüber ist individuelles Lernen bei kollektivem Nichtlernen (hier als »Sozialisation« bezeichnet) bereits eher zu erwarten. Erst »Perfektion« und »Innovation« bezeichnen dann eine Veränderung im Wissensbestand der Community (= kollektives Lernen oder soziales Lernen dem Verständnis dieser Arbeit nach), je nachdem ob der normative Rahmen beibehalten oder ebenfalls einer Revision unterzogen wird (also ob das soziale System ein- oder zweischleifig lernt). Auf diese theoretisch-deduktive Darstellung erwartbarer Lernreaktionen von »Communities« als »Phänomenologie des Lernens von Communities« folgt daher als letzter Schritt deren empirisch-induktive »Irritierung« mithilfe von
Zusammenschau der Ergebnisse und Desiderate
239
Ergebnissen aus zu diesem Zwecke durchgeführter mehrmonatiger Feldforschungsarbeit in einem Industriebetrieb. Dies dient nicht nur einer Konfrontierung der konzeptionellen Arbeit mit der Realität um der ersteren ein Scheitern an der letzteren zu ermöglichen , sondern darüber hinaus auch einer laufenden Revision der phänomenologischen Betrachtungen durch das Verschränken der Praxis des »Theoretisierens« mit jener des »Beobachtens-und-Rekonstruierensim-Feld« um sie dermaßen grounded auf empirische Beine zu stellen. Nach theoretischen Argumentations- und empirischen Beobachtungsschleifen kommt die vorliegende Arbeit zu dem Schluss, dass in der Literatur beschworene Universalität (= das Auftreten aller oben dargestellter Lernformen) und Parallelität des Lernens (= das gleichzeitige Auftreten dieser Lernformen) in »Communities« in erster Linie Ergebnisse einer undifferenzierten Beobachtung darstellen. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass die Koppelung der Kommunikationsdimensionen der »Gefühl-vollen« und der »Sinn-haften« zumindest entlang dreier Bruchlinien differenziert sein kann. Ein in sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht unterschiedlicher Zusammenhang zwischen »Sozialkapital« und »Wissen« (practice) erweckt dabei jedoch nur zu leicht den Anschein, als ob ein soziales System »Gruppe« tatsächlich universell und gleichzeitig Lernfähigkeit, das heißt Veränderungsbereitschaft (»kognitive Stilisierung«) der Erwartungsstrukturen, an den Tag legen kann. Damit können nun zu guter Letzt noch einige exemplarische Anknüpfungspunkte für »anschlussfähige« Arbeiten skizziert werden, die sich zum einen aus den hier vorliegenden theoretisch-deduktiven Beiträgen und zum anderen aus den empirisch-induktiven (grounded) Beobachtungen ableiten lassen. Als wünschenswert kann aus der entworfenen systemtheoretischen Perspektive eine weitere Ausarbeitung der affektiven Aspekte in der Theorie sozialer Systeme gelten, die Gefühle nicht leugnet bzw. sie in die Umwelt (genauer: in Systeme in der Umwelt) verbannt, sondern auch die Kollektivform von Gefühlen (Durkheim) anerkennt, um damit dieser grundlegenden, unhintergehbaren und nichtreduzierbaren Dimension sozialer Wirklichkeit(en) zur ihrem Recht zu verhelfen. Naheliegend scheint dies nicht nur für das oft (meist jedoch nur an der Oberfläche der Alltagsplausibilität) in diesem Zusammenhang zitierte, auch von Luhmann beackerte Gebiet intimer Beziehungen. Denn auch für unzählige andere Bereiche sozialer bzw. ökonomischer Verflechtungszusammenhänge hat die Sozialkapitalforschung360 gezeigt, welches Gewicht den affektiven Dimensionen von Kommu360
Vgl. bspw. Anand et al. (2002), Bolino et al. (2001), Bolino et al. (2002), Campbell (2000), Coleman (2000), Dederichs (1999), Fukuyama (1995b, 1997), Habisch et al. (2001), Knack/ Keefer (1997), Kostova/Roth (2003), Kröll (2003), Leana/Van Buren (1999), Maskell (2000), Maurer (2003), Melander/Nordqvist (2002), Meyerson (2001), Nahapiet/Ghoshal (1998), Podol-
240
Beschreiben
nikation(sstrukturen) zukommt (vgl. oben), sodass soziale Wirklichkeit kaum als angemessen re-konstruiert gelten kann, solange diese leider traditionelle Einäugigkeit fortbesteht. Als weiteres Desiderat kann ein Unternehmen gelten, das an die hier vorgenommene Etablierung des Phänomens (Merton) einer Koppelung von »Sinnhaften« und »Gefühl-vollen« Kommunikationsdimensionen durch konzeptionelle (theoretisch-deduktive) und explorative (empirisch-induktive) Arbeit anschließt, indem es eine »Operationalisierung« bzw. eine quantifizierende Darstellung der Zusammenhänge zwischen »Sozialkapital« und »Wissen« in »Communities (of Practice)« als sozialen Systemen versucht. Denkbar wäre dabei bspw. ein Modell, das Kontingenzfaktoren in oder aus den verschiedenen Umwelten des sozialen Systems Community bzw. in/aus den Systemen in diesen Umwelten wie soziale (Organisationen), psychische (Persönlichkeiten) usw. in die Überlegungen aufnimmt, um zu untersuchen, wo welche Koppelungen wann in welcher Häufigkeit oder mit welcher Wahrscheinlichkeit usw. usf. auftreten. Mindestens so interessant zu untersuchen erscheinen die (derzeit noch) im Dunkeln liegenden Ursachen für bzw. Einflüsse auf die dreifache Differenzierung der Koppelung von »Gefühl-voller« und »Sinn-hafter« Kommunikationsdimension, um möglicherweise Aufschluss über die Auslöser jeweilig (also im Falle sachlicher, sozialer361, zeitlicher Differenzierung) andersgearteter Koppelungen zu erhalten. Dazu könnte eine Untersuchung beitragen, die sich die Exploration zur Aufgabe macht, bei welchen Themen das Wissen vorwiegend eng (bzw. lose) an Sozialkapital gekoppelt ist, welche sozialen Differenzierungen eng gekoppelte (inflexible) von lose gekoppelten (flexiblen) Sinnprovinzen trennt und in welchen zeitlichen Abständen enge mit losen Koppelungen abwechseln (oder auch erstere von letzteren abgelöst werden). Zweifelsfrei stellt für diese und zahllose andere Expeditionen die aktuelle oder auch erst potentielle »Wissensgesellschaft« ein ergiebiges Feld dar bzw. markieren die Veränderungen und Veränderungsstendenzen sowie die laufende Ausdifferenzierung von neuen sozialen Formen wie bspw. von »Communities of (Practice)« noch (genauer) zu erforschendes Terrain. Karten, die darüber gezeichnet werden, und Reiseberichte, die über die Erforschung geschrieben werden, dürfen mit Spannung erwartet werden.
361
ny/Baron (1997), Portes/Sensenbrenner (1993), Schmid (2000), Seibert et al. (2001), Szreter (2000), Tsai/Ghoshal (1998), Twickel (2001), Walker et al. (1997), Watson/Papamarcos (2002), Woolcock (1998), Woolcock/Narayan (2000). Vgl. oben (Fn. 197) den Verweis auf hier nicht berücksichtigte persönliche Interessen bzw. Einflussdifferenzen (also: Macht) bzw. Schneider (2006).
7.
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