Butler Parker Neu Nr. 237 Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von
Günter Dönges
PARKER fällt aus...
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Butler Parker Neu Nr. 237 Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von
Günter Dönges
PARKER fällt aus allen
Wolken
»Sehr interessant, Mr. Parker, doch auf die Dauer ziemlich langweilig«, urteilte Lady Agatha Simpson ein wenig abfällig. Sie saß auf einer überdachten Ehrentribüne und beobachtete Fallschirmspringer, die aus vorbeiziehenden Transportmaschinen der Air Force absprangen und sich in Ziellandungen übten. Die Männer, die bereits in ihren Gurten hingen, versuchten bestimmte Zielpunkte auf dem Boden anzuvisieren. »Mylady vermissen möglicherweise gewisse Höhepunkte?« vermutete Josuah Parker in seiner höflichen Art. Er hatte hinter seiner Herrin Stellung bezogen und bot das Bild eines urbritischen, hochherrschaftlichen Butlers. Josuah Parker trug einen schwarzen Covercoat, eine gleichfarbene Melone und dazu passende Handschuhe. Am angewinkelten linken Unterarm hing sein altväterlich gebundener Patentregenschirm. »Höhepunkte, das ist genau das, was bisher fehlt«, antwortete Lady Agatha, die seit dem sechzigsten Geburtstag die Lebensjahre nicht mehr zählte. Scan, Korrektur, Layout by Larentia Mai 2003 Diese digitale Kopie ist NICHT für den Verkauf bestimmt !
Sie war eine majestätische Erscheinung, ein wenig mehr als mittelgroß, vollschlank, und, was ihre Bewegungen betraf, ungemein dynamisch. »Mylady haben gewisse Vorstellungen, was die erwähnten Höhepunkte angeht?« fragte Parker und beugte sich diskret vor. Man war nicht allein auf dieser Ehrentribüne. Zu dieser Gala-Show hatte man Vertreter aus Politik, Wirtschaft und der Hochfinanz eingeladen. Man hatte gerufen, alle waren gekommen. Es war eine Art Auszeichnung, zu dieser Veranstaltung geladen zu werden. »Ich vermisse Fallschirme, die sich nicht öffnen, Mr. Parker«, beantwortete die ältere Dame laut und ungeniert. »Perfektion geht mir auf die Nerven.« »Fallschirme, Mylady, die sich nicht öffnen, dürften hier nicht sonderlich geschätzt werden«, meinte der Butler, »darüber hinaus wäre solch ein Versagen für die Betreffenden wohl äußerst unangenehm.« »Sie könnten sich ja im freien Fall an einen anderen Fallschirmspringer klammern«, meinte Agatha Simpson, »ich habe so etwas schon mal im Fernsehen gesehen. Es war recht hübsch.« Lady Simpsons Stimme war sehr dunkel, fast baritonal gefärbt - und volltönend. Die Worte waren nicht nur in der näheren Umgebung gehört worden. Einige Herren wandten sich verstohlen nach der Sprecherin um, hüteten sich jedoch, Stellung zu nehmen. Die ältere Dame war in Kreisen der Gesellschaft wohlbekannt. Mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, galt sie als eine immens reiche Frau, der man eine nachdrückliche Skurrilität durchaus zubilligte. Ihre Ungeniertheit war bereits Legende. »Es muß doch eine Kleinigkeit sein, mit einem Fallschirm abzuspringen«, überlegte sie halblaut. Parker beschloß automatisch, darauf nicht zu antworten.
Er kannte die sportliche Unternehmungslust seiner Herrin nur zu gut. »Man läßt sich hochtragen, steigt aus und schwebt nach unten«, stellte Agatha Simpson weiter fest. Sie wandte sich halb zu ihrem Butler um, doch Parker schien nichts gehört zu haben. »Ich habe immerhin aus dem Stand heraus Panzer gesteuert«, sagte sie, »erinneren Sie sich, Mr. Parker?« »Es war ungemein beeindruckend, Mylady«, gab der Butler zurück und dachte mit leichtem Grauen an diesen Tag. Seine Herrin war damals zu einer Vorführung neuartiger Panzerwagen eingeladen worden und hatte es verstanden, solch einen Kampfwagen heimlich zu besteigen. Anschließend war es ihr gelungen, mit großer Fahrt und scharfer Munition die Tribüne mit den Ehrengästen zu stürmen und zu leeren. »Ich denke, ich werde mich für einen Sprung melden«, redete die ältere Dame munter weiter, »Mr. Parker, veranlassen Sie das Nötige!« »Mylady werden in einer halben Stunde im Festsaal erwartet«, erinnerte Josuah Parker. »Sie trauen mir solch einen Sprung nicht zu?« Ihre Stimme enthielt bereits ein leichtes Grollen. Agatha Simpson fühlte sich herausgefordert. »Mylady haben ganz gewiß keinen Sport zu scheuen«, versicherte Parker. Er war ein Mann, der sich stets unter Kontrolle hielt, doch jetzt spürte er, daß sich auf seiner Stirn winzige Schweißperlen bildeten. »Ich lade Sie ein, mitzukommen«, redete Lady Agatha munter weiter und stand unvermittelt auf. »Verschwenden wir keine Zeit, oder haben Sie etwa Angst vor einem Sprung?« »Mylady werden meine bescheidene Wenigkeit stets an Myladys Seite finden, wenn die Umstände es erfordern«,
entgegnete der Butler gemessen, »aber darf man daran erinnern, daß Mylady die Güte hatten, Mr. Herbert Denfeld eine Unterhaltung zu gewähren?« »Aber das hat doch Zeit, Mr. Parker«, reagierte sie verärgert, »er läuft mir nicht davon. Er will ja was von mir, nicht umgekehrt.« »Mr. Denfeld dürfte nach dieser Sprung-Show von den Herren des Verteidigungsministeriums abgeschirmt werden.« »Nun gut, dann werde ich Denfeld eben vorziehen, Mr. Parker. Bringen Sie mich zu ihm!« Sie ließ sich von ihrem ursprünglichen Vorhaben nicht abbringen. Lady Agatha stand auf und schob sich mit der Eleganz eines Räumpanzers durch die Sitzreihen, wobei Hüte und Uniformmützen verschoben wurden oder auf dem Boden landeten. Einige Herren in höchsten dienstlichen Stellen rutschten sogar von ihren Sitzen und gesellten sich den Kopfbedeckungen zu. Agatha Simpson aber störte das alles nicht. Sie bahnte sich ihren Weg und stampfte dann über eine der hinteren Treppen von der Tribüne. »Wo finde ich diesen Wundermann?« fragte sie, als Parker zu ihr aufschloß. »Mr. Denfeld wohnt der Show dort von der Kontrollbaracke aus bei«, erklärte Parker und deutete auf eine Betonbaracke, die, etwa zweihundert Meter von der Tribüne entfernt, am Rand einer Rollbahn stand. »Ich brauche einen Wagen«, verlangte sie, »Sie wollen mir doch nicht zumuten, daß ich diese Strecke zu Fuß zurücklege, wie?« Agatha Simpson wartete Parkers Antwort erst gar nicht ab. Sie hatte einen Jeep entdeckt, der seitlich neben der Tribüne stand. Ein Ständer vorn auf dem Kotflügel sagte deutlich aus, daß dieser Wagen dem höchsten Militär zur Verfügung stand. Zwei Fallschirm- Springer in Paradeuniform standen in
strammer Haltung links und rechts neben dem Wagen. Sie standen nicht lange. *** »Mylady benötigen Ihre umgehende Hilfe«, sagte Josuah Parker, »Mylady leiden an einer gewissen Indisposition des Kreislaufs.« »Mein Herz«, röhrte die ältere Dame und nahm auf dem Fahrersitz Platz, bevor einer der beiden Männer protestieren konnte. »Mylady werden Ihre Hilfsbereitschaft an höherer Stelle zu rühmen wissen, meine Herren«, versicherte der Butler den beiden ratlos-verdutzten Wachen, »rechnen Sie möglicherweise mit einer lobenden Erwähnung.« »Genug«, ließ die passionierte Detektivin sich vernehmen, die den Zündschlüssel bereits bewegt hatte. Der Motor war angesprungen, Agatha Simpson legte bereits den ersten Gang ein. Parker hatte kaum Zeit, sich auf den Beifahrersitz zu setzen, als seine Herrin bereits lospreschte. Erst jetzt merkten die beiden Wachleute, daß da wohl doch einiges nicht stimmte. Sie versuchten, die Abfahrt zu stören und wollten sich vor dem Wagen aufbauen. Dann aber hechteten sie blitzschnell zur Seite, um nicht überrollt zu werden. »Gute Reaktion«, lobte Lady Agatha wohlwollend und steuerte die Betonbaracke an, »sagen Sie, Mr. Parker, wer ist dieser Denfeld eigentlich?« »Mr. Herbert Denfeld, Mylady, ist ein hochkarätiger Wissenschaftler, dessen Spezialgebiet die Elektronik ist«, gab Parker Auskunft, »er traf vor zwei Tagen hier in London ein, um mit britischen Kollegen an einem Symposium teilzunehmen.«
»Aha.« Sie nickte und hielt auf einen anderen Jeep zu, der ihnen genau entgegenkam. Die Insassen dieses Fahrzeuges waren wohl offensichtlich per Sprechfunk alarmiert worden und hatten die Absicht, Mylady und Parker zu stoppen. Lady Agatha dachte nicht im Traum daran, den Kurs ihres Wagens zu ändern. Sie schien den entgegenkommenden Jeep überhaupt nicht zu sehen. »Mr. Denfeld ist ein hoher Geheimnisträger«, berichtete Parker würdevoll weiter, als sei mit einer Kollission überhaupt nicht zu rechnen, »es wurde in jüngster Vergangenheit schon einige Male versucht, ihn zu entführen.« »Kein Wunder, daß er mich dann sprechen will«, sagte sie, »dieser Mann braucht Hilfe und Schutz, nicht wahr?« »Dies ließ Mr. Denfeld in der Tat anklingen, als er mit meiner Wenigkeit sprach«, antwortete Josuah Parker. »Mylady, könnte es nicht sein, daß der Fahrer des entgegenkommenden Jeeps auf ein Ausweichmanöver verzichten will?« »Eine Frage der Nerven, mein lieber Mr. Parker.« Die Detektivin lächelte grimmig und ging nicht vom Kurs ab. »Eine Lady Simpson kann man nicht schrecken.« Die Lage wurde kritisch. Die beiden Wagen näherten sich, ein Zuammenstoß schien unvermeidlich. Lady Simpson kniff die Augen zusammen, ihr Kinn reckte sich vor. Sie glich jetzt einem Energiebündel, das durch nichts mehr zu stoppen war. Im letzten Moment wich der Fahrer des anderen Jeep aus, riß den Wagen jäh zur Seite und stellte ihn auf die Außenräder. Die beiden Fahrzeuge passierten einander, der Zwischenraum betrug nur Zentimeter. »Sehen Sie, Mr. Parker, man muß nur deutlich machen, daß man keine Konzessionen eingehen will«, erklärte die Lady, »stellen Sie fest, wer dieser Lümmel von Fahrer ist. Ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen. Es geht nicht an, eine wehrlose
Frau zu ängstigen.« »Sehr wohl, Mylady«, antwortete Parker, der seine Muskeln entspannte. Er schaute sich diskret um und beobachtete den Jeep, der wieder auf seinen vier Rädern stand und einen kleinen Bogen fuhr, um dann die Verfolgung aufzunehmen. Lady Agatha hatte inzwischen die Baracke erreicht, prüfte den Griff der Bremsen und hatte wieder mal Glück. Die Bremsen blockierten nämlich, und der Jeep schlitterte über den Rasen bis dicht an die Längswand der Baracke. Die ältere Dame stieg aus und schritt energisch zur Tür. Butler Parker war einen Schritt schneller, lüftete die schwarze Melone und öffnete. Lady Agatha schritt in den flachen, langgestreckten Steinbau und ... hüstelte. Dann wandte sie sich empört an Parker. »Was soll denn das?« fragte sie und trat zurück. Tränen standen in ihren Augen. »Meine Wenigkeit möchte den Dingen keineswegs vorgreifen, Mylady«, antwortete der Butler, »aber gewisse Indizien sprechen dafür, daß man mit Tränengas gearbeitet hat.« »Sehen Sie doch!« Die ältere Dame hüstelte noch mal und deutete dann auf einige Gestalten, die regunglos auf dem Boden lagen. Einige Stühle waren umgestürzt und zerbrochen. »Hier dürften sich Dinge ereignet haben, Mylady, die man nicht mehr als regulär bezeichnen kann und darf«, sagte der Butler, »es steht zu befürchten, daß man Mr. Herbert Denfeld entführt hat!« *** »Weiß man genau, was passiert ist?« fragte Mike Rander zwei Stunden später. Lady Agatha und Butler Parker befanden
sich im Stadthaus der älteren Dame in Shepherd's Market. Die Detektivin glühte förmlich vor Tatendrang. Sie fühlte sich herausgefordert, witterte einen neuen Kriminalfall. »Der Tathergang, Sir, ließ sich nur vage rekonstruieren«, antwortete Josuah Parker, »nach Angaben der betroffenen Männer des Geheimdienstes erschienen plötzlich einige Fallschirmspringer und überraschten die Begleiter Mr. Denfelds.« »Sie warfen Tränengas und setzten die Beschützer dieses Amerikaners mit Waffengwalt außer Gefecht«, warf die ältere Dame erfeut ein, »es muß sehr hektisch gewesen sein, wie ich vermute. Die Entführer trugen übrigens Gasmasken. « »Eine böse Schlappe für den Geheimdienst«, meinte Kathy Porter, die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady. Die Achtundzwanzigjährige war schlank, groß und hatte kastanienbraunes Haar. Kathy Porter galt als Schönheit, doch sie bildete sich nichts darauf ein. Auf den ersten Blick war sie ein scheuer, zurückhaltender Mensch, doch sie konnte sich innerhalb weniger Sekunden in eine gefährliche Pantherkatze verwandeln. »Hat Denfeld etwas geahnt?« erkundigte sich Mike Rander bei dem Butler, »er hat Sie doch angerufen, oder?« »Ja, warum eigentlich?« Agatha Simpson sah den Butler fast vorwurfsvoll an. »Zur Zeit dieses Anrufs heute morgen meditierten Mylady noch«, erwiderte Josuah Parker und umschrieb damit die Tatsache, daß seine Herrin zu dieser Zeit noch dem Morgenschlaf gehuldigt hatte. »Mr. Denfeld bat nur um ein Gespräch mit Mylady nach der Demonstration der Fallschirmspringer. Einen akuten Grund nannte er hingegen nicht.« »Man kennt mich selbstverständlich auch in den USA«,
stellte die ältere Dame zufrieden fest, »wahrscheinlich brauchte er hier meine Hilfe.« »Seine Gastgeber werden ihm Ihren Namen genannt haben, Mylady«, warf Mike Rander ein. Der Vierzigjährige war nach seiner Rückkehr aus Amerika von Agatha Simpson wie selbstverständlich >vereinnnahmt< worden und verwaltete jetzt von seiner Anwaltskanzlei in der Curzon Street aus das Vermögen der Lady. Vor seinem Aufenthalt in den Staaten war Josuah Parker sein Butler gewesen. Die beiden Männer hatten sowohl in England als auch in den USA viele Abenteuer hinter sich gebracht und arbeiteten auch jetzt wieder zusammen. »Wer könnte diesen Elektroniker entführt haben?« fragte Agatha Simpson, »Mr. Parker, machen Sie mir Vorschläge.« »Es gibt, wenn man so sagen darf, zwei generelle Möglichkeiten, Mylady« schickte der Butler würdevoll voraus, »Mr. Denfeld könnte von einer fremden Macht entführt worden sein, oder aber von Gangstern, die auf ein Lösegeld hoffen oder Mr. Denfeld an eine Fremdmacht weiterverkaufen wollen.« »Sie sagen damit genau das, was ich vermute«, behauptete die Sechzigjährige und nickte wohlwollend, »ich fühle, daß ich es mit einer östlichen Macht zu tun habe. Sie fühlen das hoffentlich auch, Mr. Parker.« »Meine Wenigkeit wird sich bemühen«, gab Parker zurück, während Kathy Porter und Mike Rander einen amüsierten Blick tauschten. »Es war natürlich eine ausgemachte Frechheit, daß man auf meine Hilfe verzichtete«, redete Lady Agatha weiter. Ihre Stimme nahm einen grollenden Unterton an, »diese Leute vom britischen Geheimdienst wollten mich sogar verhören. Ich hoffe, Mr. Parker, ich habe den Laien meinen Standpunkt klar gemacht.« »Mylady waren überzeugend«, lautete Parkers Antwort, »man nahm erstaunt zur Kenntnis, daß Mylady von Mr.
Denfeld um ein Gespräch gebeten wurde.« »Man behauptet sogar, Denfeld habe mir bereits einige Hinweise gegeben und gewisse Befürchtungen mitgeteilt«, freute sich die ältere Dame, »ich habe selbstverständlich alles abgestritten.« »In einer Form, die erfreulicherweise das Gegenteil aussagte«, bemerkte Parker, »in diesem Zusammenhang wurde auch meine Wenigkeit einem strengen und eingehenden Verhör unterzogen.« »Das hört sich ja alles sehr gut an«, fand Mike Rander, »hoffentlich spricht es sich herum.« »Sie meinen hoffentlich das, lieber Mike, was auch ich meine«, fügte die ältere Dame hinzu, die im Moment nicht recht wußte, wie sie diesen Hinweis bewerten sollte. .»Falls die Entführer davon hören, müssen sie doch annehmen, daß Denfeld gewisse Hinweise gegeben hat«, erklärte Kathy Porter, »sie werden sich also notgedrungen mit Ihnen, Mylady, und mit Mr. Parker befassen müssen.« »Das war meine Taktik«, behauptete die Detektivin erneut und nickte zufrieden, »ich bin sicher, daß die Entführer sich melden werden, sie kommen gar nicht daran vorbei und ...« »Es hat geläutet«, sagte Parker in diesem Moment und deutete eine knappe Verbeugung an, »wenn man meine Wenigkeit entschuldigen möchte?« Er verließ den Salon, durchschritt die große Wohnhalle des altehrwürdigen Fachwerkhauses und erreichte den verglasten Vorflur. Parker öffnete einen Wandschrank, schaltete die Fernsehkamera ein, die über der überdachten Eingangstür installiert war, und wartete, bis ein Bild auf dem Kontrollmonitor erschien. Er sah zwei Männer mit hart geschnittenen Gesichtern, schmalen Lippen und kalten Augen. Parker wußte sofort, daß
er es mit Profis zu tun hatte. *** Sie stellten sich als Miller und Mayer vor, Namen, die offensichtlich falsch waren. Sie standen inzwischen im verglasten Vorflur und warteten darauf, daß Parker die Tür zur Wohnhalle öffnete. »Sie vertreten welche Institution, wenn man höflichst fragen darf?« Parker sprach über die Wechselsprechanlage mit den beiden Männern, die inzwischen ungeduldig geworden waren. »Los, machen Sie schon«, sagte der Mann, der sich Mayer nannte, »mit dieser Masche können Sie uns nicht kommen.« »Es geht um Denfeld«, warf der Mann ein, der sich Meyer nannte, »Sie wissen ja, wer das ist.« »Wenn Sie erlauben, werde ich die Herren anmelden.« Parker wandte sich um und verschwand in der Tiefe der Wohnhalle. Miller und Mayer witterten eine Möglichkeit, ihm zu folgen. Sie zogen fast synchron Schußwaffen aus ihren Schulterhalftern und wollten die Tür öffnen, was sich allerdings als unmöglich erwies. Miller rüttelte am Türknauf, wechselte ein paar Worte mit seinem Begleiter und holte dann noch zusätzlich eine Art Dietrich aus der Hosentasche. Er führte dieses Instrument in das Schlüsselloch und... zuckte dann wie unter einem unsichtbaren Peitschenhieb zusammen. Er ließ den Schlüssel los, als sei er plötzlich siedend heiß geworden und sah dann seinen Begleiter verblüfft an. »Was ist denn?« fragte Mayer ungeduldig. »Ich hab' einen Schlag abbekommen«, antwortete Miller, der noch immer verdutzt und irritiert war. »Unsinn«, gab Mayer zurück und beging den Fehler, es nun seinerseits zu versuchen. Er faßte nach dem Dietrich,
vorsichtig, ein wenig zögernd und lächelte abfällig. »Du bildest dir was ein, Partner«, sagte er dann, »nichts, rein gar nichts.« Er hatte seinen Satz gerade beendet, als es auch ihn erwischte. Er fuhr zusammen, stieß einen heiseren Schrei aus und riß seine Hand von dem Dietrich los. »Ich hab' mir was eingebildet, wie?« fragte Miller. »Diese verdammten Amateure«, ärgerte sich Mayer, »was diese Leute sich ausdenken!« »Treten wir doch die Tür ein«, schlug Miller vor, »ist ja nur Glas.« »Darf man sich erlauben, Ihnen eine Empfehlung zu geben?« war in diesem Moment die Stimme des Butlers zu vernehmen. Er hatte die Wohnhalle keineswegs verlassen und erschien wieder vor der Glasfront des Vorflurs. »Schließen Sie auf, sonst kracht's!« Mayer hatte die Geduld verloren und wurde sehr ärgerlich. Er richtete die Mündung seiner schallgedämpften Waffe auf den Butler. »Ihr Geschoß müßte sich mit Panzerglas auseinandersetzen«, antwortete der Butler höflich wie stets, »Sie werden mit einem Querschläger zu rechnen haben, dessen Flugbahn man unmöglich im vorhinein berechnen kann. Verletzungen Ihrerseits sind also nicht auszuschließen.« »Pan ... Panzerglas?« fragte Mayer stockend. »In der Tat! Doch falls Sie meine Worte anzweifeln, steht es Ihnen selbstverständlich frei, die sogenannte Probe aufs Exempel zu machen.« »Also schön.« Mayer und Miller verzichteten auf eine Probe und ließen ihre Waffen wieder in den Schulterhalftern verschwinden. »Wann können wir nun endlich die Lady sprechen? Es ist dringend, es geht um Denfelds Leben, lassen Sie sich das sagen.«
»Sie möchten eine Botschaft überbringen?« »Also schön, von mir aus eine Botschaft«, erwiderte Miller, »aber es ist 'ne Warnung. Denfeld hat mit Ihnen und der Lady gesprochen, nicht wahr?« »Am heutigen Morgen«, bestätigte der Butler gemessen. »Und was hat er gesagt?« wollte Mayer wissen. »Ihre, wenn ich so sagen, darf, Naivität ist geradezu bemerkenswert«, erwiderte Josuah Parker, »selbst wenn Mr. Denfeld Andeutungen gemacht haben sollte, würde meine Wenigkeit sich nicht erlauben, sie an Sie weiterzugeben.« »Wir könnten Sie dazu zwingen.« Mayer wurde ärgerlich. »Darf man fragen, warum Sie Mr. Denfeld nicht gefragt haben, was er Mylady und meiner Wenigkeit anzuvertrauen beliebte?« »Nichts, behauptet er jedenfalls«, warf Miller ein. »Was den Tatsachen entsprechen dürfte«, sagte Butler Parker. »Sie scheinen sich von uns 'ne falsche Vorstellung zu machen, Parker«, reagierte Mayer gereizt, »wir sind keine Anfänger. Wir wissen verdammt genau, wie man Daumenschrauben anzieht.« »Dafür traten Sie eben den Beweis an«, meinte Parker, »würden Sie Ihrem Auftraggeber ausrichten, daß Mylady sich mit dem vorliegenden Fall beschäftigen wird?« »Diese Frau überschätzt sich doch auf der ganzen Linie«, fand Miller. »Darum wandte Mr. Denfeld sich wohl auch an Mylady«, gab der Butler zurück und deutete diskret zur Haustür, »ist damit gesagt, was gesagt werden sollte, meine Herren? Darf ich mir erlauben, Ihnen die Haustür zu öffnen?« Miller und Mayer, wie sie sich nannten, nickten sich zu und machten dann kehrt. Sie gingen die wenigen Schritte hinüber
zur Haustür und bekamen auf diese Weise nicht mit, daß Josuah Parker zum Wandschrank trat. Dort langte er nach einem der vielen Kipphebel, die auf einer Art Schaltbrett angebracht waren. Miller und Mayer hörten plötzlich ein feines Zischen, schauten sich nervös um und kamen zu dem Schluß, daß wohl Aerosol den Vorflur füllte. Zu sehen war nichts, dafür aber zu spüren. Miller und Mayer entwickelten plötzlich Humor, lächelten sich an und brachen kurz danach in richtiges Gelächter aus. Sie wußten nicht, warum sie lachten, aber sie lachten bereits aus vollem Hals, nahmen auf dem Boden Platz, schlugen sich auf die Schenkel und fanden ihren Aufenthalt im Vorflur augenscheinlich mehr als komisch. Parker beobachtete die Szene. In seinem glatten Gesicht rührte sich kein Muskel. *** »Das war mehr als leichtsinnig, Mr. Parker«, stellte die ältere Dame fest, »solche Gangster hält man natürlich fest und verhört sie.« »Die Herren Miller und Mayer, Mylady, hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kaum Angaben machen können«, antwortete Parker, »sie dürften nur vorgeschoben worden sein und nicht wissen, wo man Mr. Denfeld untergebracht hat.« »Würde ich auch sagen«, schaltete Mike Rander sich ein, »aber wie ich Parker kenne, hat er die beiden Knaben ja bestimmt nicht ohne Andenken in den Hyde Park geschafft, oder?« »In der Tat, Sir, ich war so frei, beide Männer mit je einem kleinen Mini-Peilsender zu versehen.«
»Das klingt schon besser«, ließ die Detektivin sich in einem versöhnlichen Ton vernehmen. »Werden die Peilsender nicht entdeckt, Mr. Parker?« fragte Kathy Porter. »Dies, Miß Porter, sollte man hoffen.« »Eben«, warf Agatha Simpson hastig ein, »eben, aber warum eigentlich?« »Die Herren Miller und Mayer werden davon ausgehen, daß Mylady den Peilzeichen folgen werden«, schickte der Butler voraus, »sie werden ihren Auftraggeber entsprechend informieren und natürlich eine Falle bauen, die möglicherweise tödlich sein könnte.« »Aber eine Lady Simpson wird ihnen einen Strich durch die Rechnung machen und zum Angriff übergehen«, sagte die ältere Dame erfreut. »Mylady verzeihen die Eigenmächtigkeit meiner Wenigkeit?« »Nun ja, Mr. Parker, hin und wieder haben Sie einen brauchbaren Einfall«, stellte sie fest, »kümmern Sie sich um die Details, was diese Falle betrifft. Wann werde ich mit der Verfolgung beginnen?« »Vielleicht in einer Stunde, Mylady? Bis dahin dürften die Herren Miller und Mayer die Nachwirkungen des Lachgases überstanden haben.« »Nun gut, dann werde ich noch ein wenig meditieren«, entschied sie und erhob sich, »ich möchte nicht gestört werden, auch nicht von einem gewissen Mr. McWarden.« Sie rauschte majestätisch durch die große Wohnhalle, dann über die Treppe zur Galerie und verschwand im Korridor. Rander wandte sich dem Butler zu. »Wollen Sie tatsächlich den Peilzeichen folgen und in eine Falle tappen, Parker?« fragte er kopfschüttelnd.
»Selbst wenn man davon weiß, kann das lebensgefährlich werden«, fügte Kathy Porter besorgt hinzu. »Es ist meine bescheidene Absicht, die Herren Miller und Mayer ein wenig aus der Fassung zu bringen«, sagte Parker, »es ist nicht geplant, auf die Intensionen dieser beiden Gangster einzugehen, sie sollen vielmehr eingeladen werden, eine weitere Niederlage einzustecken. « »Damit wollen Sie die Entführer auf die Palme bringen, wie?« Rander hatte verstanden und lächelte. »Aus möglichen Reaktionen läßt sich vielleicht ablesen, mit welchen Entführern man es zu tun hat«, redete der Butler weiter, »Gangster pflegen andere Mittel anzuwenden als Mitglieder diverser Geheimdienste.« Bevor Kathy Porter oder Mike Rander dazu Stellung nehmen konnten, läutete das Telefon. Parker schaltete den Raumverstärker ein, nahm ab und meldete sich. »Hier spricht die Mord-Hornisse«, sagte eine künstlich verzerrte Stimme, »teilen Sie Ihren Leuten mit, Parker, daß ich zustechen werde, falls man sich in meine Dinge einmischen will!« »Ist dieser Anruf bereits die Reaktion auf gewisse Ereignisse, die sich hier im Haus abspielten?« fragte Parker in seiner gewohnt höflichen Art. »Gewisse Ereignisse?« reagierte die verzerrte Stimme hämisch. »Drücken Sie sich deutlich aus, Parker!« »Vor wenigen Minuten sprachen hier vier Männer vor, die sich mittels Gewalt Einlaß verschaffen wollten«, schwindelte der Butler, »es ist nicht auszuschließen, daß diese Besucher aus Ihrem Wespennest kamen.« »Kein Kommentar«, sagte die verzerrte Stimme, »noch mal, halten Sie sich heraus, was Denfeld angeht, oder der Mann ist geliefert!«
»Ich möchte nicht versäumen, mich auch im Namen Myladys für diesen Hinweis zu bedanken«, lautete Parkers Antwort, »aber wenden Sie sich nicht an die falsche Adresse? Mylady oder meine Wenigkeit hatten bisher keinen Kontakt mit Mr. Denfeld.« »Ich weiß genau, daß er Sie angerufen hat«, behauptete die Mord-Hornisse, »und was immer Denfeld Ihnen auch gesagt haben mag, vergessen Sie es. Ende!« Auf der Gegenseite wurde aufgelegt. Parker wandte sich Kathy Porter und Mike Rander zu. »Leicht verwirrt, wie?« fragte Rander lächelnd, »diese vier Besucher muß die Hornisse wohl erst mal verdauen, denke ich.« *** Parker stand vor dem Wandschrank. Er hatte die Fernsehkamera eingeschaltet und beobachtete auf dem Bildschirm des Monitors drei Männer, die ungeduldig warteten. Einer von ihnen war untersetzt, hatte einen leichten Bauchansatz und ein Gesicht, das an das einer stets gereizten Bulldogge erinnerte. Bei diesem Mann handelte es sich um Chief-Superintendent McWarden, der von der Existenz der Kamera wußte, nach oben sah und zwinkerte. Er ging sicher davon aus, daß Parker dieses Zwinkern mitbekam. Parker öffnete per Knopfdruck die Haustür und ließ die drei Männer in den verglasten Vorflur treten. McWardens Begleiter gingen schnell und ungeduldig zur Verbindungstür. »Würden Sie bestätigen, Sir, daß Sie sich freiwillig hier eingefunden haben?« erkundigte sich der Butler bei McWarden. »Kollegen vom Geheimdienst«, sagte McWarden über die
Wechselsprechanlage. »Könnten die Herren mit einschlägigen Ausweisen dienen?« stellte der Butler die nächste Frage. »Mann, was glauben Sie? Wir laufen doch nicht mit verräterischen Papieren herum«, entrüstete sich einer der beiden Geheimdienstler, »machen Sie schon auf, wir haben nicht viel Zeit.« »Es ist wirklich alles in Ordnung, Mr. Parker«, versicherte der Chief-Superintendent und schmunzelte, was nur sehr selten an ihm zu beobachten war, »die beiden Männer sind tatsächlich ungeduldig.« »Meine Wenigkeit steht Ihnen zur Verfügung«, sagte Parker, nachdem er die Verbindungstür per Knopfdruck geöffnet hatte, »Sie werden allerdings nur mit mir vorlieb nehmen müssen, Mylady meditieren, Miß Porter und Mr. Rander verließen das Haus vor etwa einer halben Stunde.« »Und genau Ihre Lady müssen wir sprechen«, sagte der zweite Geheimdienstler. »Mylady wird Ihnen Ort und Zeit einer Unterredung mitteilen lassen«, antwortete Parker. »Was soll das heißen?« Der Mann sah den Butler entgeistert an. »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß Sie hier auf Granit beißen werden«, warf McWarden genußvoll ein, »und wenn Sie glauben, eine schärfere Gangart anschlagen zu können, dann rechnen Sie mit Ihrer Versetzung. Lady Simpson kommandiert man nicht herum.« »Dann zu Ihnen, Mr. Parker«, sagte der erste Geheimdienstmann und zwang sich zur Ruhe, »Sie sagten draußen auf dem Militärfeld bereits aus, daß Denfeld Sie angerufen hat, nicht wahr?« »Meine bescheidene Aussage wurde per Kurzschrift und
Tonband Wort für Wort aufgenommen.« »Wir glauben, daß Sie nicht alles gesagt haben, Mr. Parker.« »Eine gesunde Skepsis ist stets angebracht, wenn ich mich so äußern darf.« »Denfeld hat Sie und damit auch Lady Simpson doch nicht grundlos angerufen. « »Eine treffliche Feststellung, zu der man Ihnen gratulieren darf.« »Was hat er gewollt?« »Ihnen dürfte bekannt sein, daß Mr. Herbert Denfeld in jüngster Vergangenheit nur mit knapper Not einigen Entführungsversuchen entkam.« »Natürlich wissen wir das, Mr. Parker. Moment mal, er glaubte, so etwas könnte ihm auch hier in London passieren? Ist es das gewesen, worüber er unbedingt sprechen wollte?« »Ist der Yard in diesen Fall eingeschaltet worden, Sir?« fragte Parker bei McWarden an, ohne auf die an ihn gestellte Frage einzugehen. »Flankierend«, sagte der andere Geheimdienstmann, herablassend, »es kann auf jeden Fall nicht schaden. Aber bleiben Sie bei der Frage. Befürchtete Denfeld, hier in London entführt zu werden? Nannte er Namen? Äußerte er einen bestimmten Verdacht? Mann, wenn Sie nicht antworten, haben wir Mittel, Sie ganz schnell weichzukochen.« »Sie versetzen einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann in Angst und Schrecken«, erwiderte Josuah Parker höflich, »ich fürchte, daß meine Wenigkeit mit dieser Androhung erst fertig werden muß.« »Hat Denfeld Namen genannt oder nicht?« fragte der Geheimdienstmann eindringlich. »In der Tat«, bekannte Parker. »Ein Name wurde erwähnt.« »Na also, es geht doch«, meinte der Mann jovial, »und
welcher?« »Seinen eigenen«, antwortete Parker, »mit weiteren Auskünften vermag ich leider nicht zu dienen.« McWarden feixte unverhohlen, wandte sich aber dann ab, um die beiden Vertreter des Geheimdienstes nicht zur Explosion zu bringen. *** »Reine Amateure«, sagte Miller, der am Fenster stand und auf die Straße blickte. »Kommen Sie?« erkundigte sich Mayer. Er stand lässig auf und ging ans Fenster. »Dieser Butler und die Lady sind bestens zu sehen«, fuhr Miller zufrieden fort »und der Schlitten, in dem sie sitzen, zieht einem fast die Schuhe aus.« »Sieht aus wie ein uraltes Taxi«, konstatierte Mayer, »die beiden Amateure sind sich noch nicht sicher, wie?« Miller und Mayer befanden sich in einem kleinen schäbigen Hotel im Stadteil Lambeth. Ihre anfänglich schlechte Laune nach der Panne im Haus der Lady Simpson hatte sich inzwischen grundlegend gehoben. Sie waren im Hyde Park auf einer Bank wach geworden, hatten erst mal ausgiebig über die Tücken eines gewissen Butlers geflucht und dann später den Miniatur-Peilsender entdeckt, der unter dem Revers von Mayers Anzug angebracht worden war. Aus diesem Kleinstsender, der kaum größer war als eine flache Anstecknadel, wollten die beiden Gangster Nutzen ziehen. Sie gingen davon aus, daß Parker den Peilzeichen folgte und sich hier einfand. Wie sie gerade sahen, ging ihre Rechnung auf. »Jetzt haben sie's rausgefunden«, meinte Miller zufrieden,
»jetzt wissen sie, wo der Sender ist.« »Dann können wir uns ja gleich mit diesen blutigen Amateuren befassen«, sagte Mayer, »sobald sie da drüben vor der Tür stehen, schlagen wir zu.« Sie hatten den Sender in einem ebenfalls gemieteten Hotelzimmer abgelegt, das sie allerdings nicht bewohnten. Ihr Plan war einfach und mußte klappen. Sobald Parker und die Lady vor der anderen Zimmertür standen und ihnen ungewollt den Rücken zuwandten, brauchten sie nur zu erscheinen und die beiden Amateure ins Zimmer zu bitten. »Er steigt aus«, meldete Miller, der weiter nach unten sah, »er geht jetzt ins Hotel.« »Und das alte Haus?« wollte Mayer wissen. »Die Lady sitzt noch im Schlitten«, berichtete Miller weiter, »kannst du verstehen, wieso Denfeld sich ausgerechnet an diese Leute gewandt hat? Reiner Wahnsinn!« »Hier ist eben alles anders«, mokierte sich Mayer, »drüben bei uns in den Staaten wären solche Amateure längst unter der Erde.« »Der Butler kommt raus«, meldete Miller überrascht, »Mann, der setzt sich wieder in sein Museumsstück.« »Die haben doch nicht etwa Lunte gerochen?« sorgte sich Mayer. »Die fahren wieder los«, stieß Miller hervor, »oder doch nicht? Moment mal, die halten an, parken ...« »Wir steigen zu denen rein«, meinte Miller, »los, Partner, beeilen wir uns, bevor die wieder abhauen!« Die Gangster hatten es plötzlich eilig, zogen ihre Jacketts über, überprüften den Sitz der Schußwaffen in den Schulterhalftern und stürmten aus dem Hotelzimmer. Sie benutzten die Treppe, um schneller nach unten zu kommen, durchquerten die kleine Empfangshalle und waren dann auf der
Straße. »Noch da«, sagte Miller erleichert, »damit ist alles gelaufen.« Die beiden Gangster pirschten sich an den hochbeinigen Wagen heran, der tatsächlich in früheren Jahren mal als Taxi gedient hatte, und waren sich sofort einig, wie sie vorzugehen hatten. Sie sahen, daß die beiden Fondsitze leer waren. Sie brauchten also wirklich nur noch einzusteigen. Als sie sich dem Wagen näherten, stellten sie fest, daß der Butler, der vor dem Lenkrad saß, an einem Ohrclip fingerte, um auf diese Art wohl die Peilzeichen des Kleinstsenders zu empfangen. Agatha Simpson, die auf dem Beifahrersitz saß, redete auf den Butler ein. Die beiden Insassen des hochbeinigen Wagens merkten nicht, in welcher Gefahr sie schwebten. »Links und rechts«, sagte Mayer zu seinem Partner, »und wenn die Türen zu sind, lassen wir uns kurz vorn blicken. Alles klar?« »Sonnenklar.« Mayer grinste und nickte. Für ihn war die Sache bereits abgehakt. Welche Chance sollten die beiden Amateure schon haben? *** »Mord-Hornisse? Nein, dieser Name ist mir fremd«, sagte Horace Pickett, ein etwa sechzigjähriger Gentleman, dessen weißes Haar ausgezeichnet zu dem gebräunten Gesicht paßte. Pickett trug einen dunkelgrauen Stadtanzug, war tadellos gekleidet und hielt sich straff. Er erinnerte an einen pensionierten Major der britischen Armee, obwohl er nie gedient hatte. Horace Pickett war in früheren Jahren mal ein >EigentumsUmverteiler< gewesen, wie er seine Tätigkeit als
internationaler Taschendieb bezeichnete. Natürlich hatte er sich nur für > Klienten < interessiert, die einen Verlust durchaus verschmerzen konnten. Es wäre gegen seine Berufsehre gewesen, seine Fingerfertigkeiten an Mitbürgern zu versuchen, die auf ihren monatlichen Verdienst angewiesen waren. Nun aber war Pickett längst in den wohlverdienten Ruhestand getreten und rechnete es sich zur Ehre an, von Butler Parker hin und wieder konsultiert zu werden. Er verehrte Lady Simpson und war Kathy Porter und Mike Rander fast väterlich zugetan. Picketts Verbindungen waren ausgezeichnet, und seitdem Parker ihm mal das Leben gerettet hatte, ließ er für ihn nur zu gern seine Verbindungen spielen. Am Nachmittag hatte er sich mit Kathy Porter und Mike Rander in einem Pub in der Innenstadt getroffen und war glücklich, wieder mal befragt zu werden. »Könnte es sich um einen Gangsterboß handeln, der sich hier in London neu etabliert hat?« fragte Rander. »Das werde ich sofort nachprüfen«, versprach Horace Pickett, »dürfen Sie mir sagen, um was es geht, Mr. Rander? « »Eine Entführung«, antwortete der Anwalt salopp, »ein amerikanischer Spezialist für Elektronik ist entführt worden.« »Und die Entführer glauben, Mr. Parker habe vorher noch einige wichige Tips vom Entführten erhalten«, fügte Kathy Porter hinzu. »Alles klar«, meinte Horace Pickett, »die Entführer haben sich da auf was eingelassen, was sie noch nicht überblicken können.« »Wegen Mr. Parker, nicht wahr?« Kathy lächelte. »Wegen Mr. Parker«, bestätigte Pikkett, »Sie wissen, daß ich ihn bewundere. Und ich bin ein Kenner, dem man so leicht nichts vormachen kann. Aber wie gesagt, der Name >MordHornisse< ist mir nicht bekannt.«
»Wagen Sie sich nicht zu weit vor, Pickett«, warnte Mike Rander, »schon allein der Name klingt nicht gut.« »Ich bin ein vorsichtiger Mann«, gab der Weißhaarige lächelnd zurück und strich mit dem kleinen Finger der linken Hand über den gepflegt-gestutzten Schnurrbart, »der Name deutet darauf hin, daß wir es mit Gangstern zu tun haben, nicht wahr?« »Es könnte sich auch um einen Trick handeln«, wandte Mike Rander ein, »Geheimdienstleute einer fremden Macht könnten sich diesen Ausdruck ausgedacht haben, um die Nachforschungen zu erschweren.« »Fest steht allerdings, Mr. Pickett, daß zwei echte Profis in Shepherd's Market waren. Sie nannten sich Miller und Mayer.« »Sehr originell«, erwiderte Pickett, »erfundene Namen. Gibt es Fotos von diesen beiden Gangstern?« »Die gibt es, Mr. Pickett.« Kathy Porter öffnete ihre kleine Handtasche und holte zwei Bilder hervor. Auf ihnen waren Miller und Mayer gut zu erkennen. »Mr. Parker hat sie aufgenommen, als sie im Vorflur des Hauses standen«, erklärte Kathy Porter, »Sie wissen ja, wie so etwas geschieht.« »Mr. Parker zeigte mir mal die fest eingebaute Kamera über der Zwischentür«, meinte Pickett und nahm die beiden Aufnahmen entgegen, »nein, diese Männer kenne ich nicht, aber es dürften Profis sein, das sieht man auf den ersten Blick.« »Sie können die Aufnahmen behalten, Mr. Pickett«, redete Kathy Porter weiter, »es könnte sein, daß sie mit dieser >MordHornisse< in Verbindung stehen, doch sicher ist das nicht.« »Das finde ich heraus«, antwortete Pickett, »für wen ist dieser Elektroniker denn interessant?« »Für jeden, der schnell das große Geld machen will«, schaltete sich Mike Rand er ein, »Gangster könnten ein
Lösegeld fordern oder den Mann an eine Fremdmacht verhökern. Dann wären da noch die Geheimdienste anderer Nationen. Namen spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle, Pickett.« »Dieser Elektroniker ist also sein Geld wert, ja?« »Fast unbezahlbar, Pickett Er hat mit der Steuerung von Marschflugkörpern zu tun, mit Raketen und mit Satelliten.« »Ich möchte Sie ja nicht nerven«, meinte Pickett, »aber wie konnte es passieren, daß solch ein Mann gekidnappt werden konnte?« »Fragen Sie das den Geheimdienst hier«, erwiderte der Anwalt ironisch, »man hat sich aber wahrscheinlich zu sicher gefühlt oder gab sich zu hochnäsig. Tja, und jetzt haben wir den Ärger.« »Und einen Beobachter«, sagte Kathy Porter in einem völlig normalen Tonfall, »nein, nicht reagieren. Ich sehe da am übernächsten Tisch einen Mann, der uns nicht aus den Augen läßt.« »Wie sieht er aus, Kathy?« fragte Mike Rander. »Durchschnittlich und unauffällig«, erwiderte Kathy Porter, um dann im nächsten Moment blitzschnell die Arme auszustrecken. Ihre Hände drückten sich gegen Rander und Pickett, die unvorbereitet waren und fast von ihren Stühlen rutschten. »Was ist denn, Kathy?« fragte Rander, nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte. »Es sieht fast aus wie der Stachel einer Hornisse«, sagte Kathy und deutete auf einen seltsamen Gegenstand, der noch federnd und vibrierend in der Holzvertäfelung der Wand steckte. »Wo steckt der Bursche?« Rander stand blitzschnell auf. »Schon gegangen«, sagte sie, »er warf, als er an der Tür war.
Ich bekam es gerade noch mit.« »Allmächtiger, was für eine heimtückische Waffe.« Mike Rander zog den Gegenstand aus dem Holz und prüfte ihn. Es handelte sich um eine Art Feile, die jedoch glatt war und nur einen verdickten Griff besaß, der ebenfalls aus Metall bestand. Dieser Wurfpickel war. kaum länger als fünfundzwanzig Zentimeter und nadelspitz. »Sieht aus wie ein abgeänderter Eispickel«, sagte Pickett sachlich, »falls er richtig trifft, dürfte er absolut tödlich sein.« »Die >Mord-Hornisse<, Pickett!« Mike Rander nickte. »Hören Sie, vergessen Sie Parkers Bitte nach diesem Insekt zu forschen. Ich bin nicht versessen darauf, an Ihrer Beerdigung teilnehmen zu müssen.« »So etwas schreckt mich nicht, aber ich weiß jetzt wenigstens Bescheid«, antwortete Pickett, »unheimlich, diese Waffe, aber auch verräterisch.« »Ein Mann, der damit arbeitet, muß Augenzeugen haben, nicht wahr?« warf Kathy Porter ein. »Darauf will ich hinaus«, antwortete Pickett, »erstaunlich, nicht wahr, daß keiner hier im Pub diesen Wurf mitbekommen hat.« »Tatsächlich.« Rander schaute sich um, »man hat das überhaupt nicht bemerkt.« »Diese Hornisse reizt mich«, sagte der ehemalige Eigentumsumverteiler und stand auf, »ich mache mich sofort an die Arbeit, aber ich sorge erst mal dafür, daß ich anders aussehe.« »Ich denke, auch wir fahren los«, sagte Rander, »Pickett, bitte, passen Sie auf sich auf! Dieser Tod kommt lautlos und nachdrücklich!« ***
Miller und Mayer waren routinierte Profis. Sie rissen die beiden hinteren Wagentüren auf und glitten blitzschnell in den Fond des hochbeinigen Monstrums, wie Parkers Wagen von eingeweihten Freunden und Feinden genannt wurde. Miller und Mayer bekamen nicht mit, daß die Trennscheibe zwischen den Vorder- und Rücksitzen nach oben fuhr und für Distanz sorgte. »Hallo«, sagte Miller aufgeräumt, »bevor Sie noch länger herumpeilen, sind wir lieber gleich gekommen.« »Welches Ziel schwebt den Herrschaften vor?« fragte Josuah Parker, während Lady Simpson sich noch nicht mal die Mühe machte, die beiden Mitfahrer zu mustern. »Wie war's denn mit 'ner netten ruhigen Gegend?« fragte Mayer nicht weniger aufgeräumt. Er hatte seine Schußwaffe gezogen. »Wäre Croyden angenehm?« fragte der Butler weiter. »Hauptsache, wir finden ein Waldstück«, sagte Miller ironisch, »und bis dahin werden wir uns unterhalten. Und zwar über Denfeld, okay? Was hat er Ihnen denn so alles gesagt? Lady, ich meine auch Sie! Ihr vornehmes Schweigen zieht bei uns nicht.« Lady Agatha wandte sich langsam und faltete ihre Stielbrille auseinander. Sie musterte Miller und Mayer durch die Lorgnette und schüttelte dann verweisend den Kopf. »Wie kann man nur so dumm sein«, sagte sie über die Wechselprechanlage, »die Gefängniszeiten, die Sie bestimmt hinter sich haben, sind von Ihnen schlecht genutzt worden.« »Moment mal, Lady, nicht so keß, wir geben hier den Ton an«, antwortete Mayer gereizt, »aber das haben Sie wohl noch gar nicht mitbekommen, wie?« »Lassen Sie endlich die blöde Trennscheibe 'runter«,
verlangte Miller und schlug mit dem Lauf seiner Waffe, die er ebenfalls gezogen hatte, gegen das Glas. »Aus wohlverstandenen Gründen sollte man darauf verzichten«, meinte Josuah Parker, »darf man übrigens darauf verweisen, daß auch dieses Glas schußsicher ist?« »Was soll das heißen?« Miller und Mayer rutschten synchron nach vorn. »Falls Sie schießen sollten, müßten Sie auch hier mit Querschlägern rechnen«, erläuterte der Butler, »die Seitenfenster und auch das Rückfenster sind aus dem gleichen Material, die beiden Türen wurden inzwischen elektrisch blockiert.« »Bluff«, fuhr Miller hoch und drückte die Klinke an seiner Seite kraftvoll nach unten. »Blödsinn«, urteilte Mayer vorschnell und betätigte auch seine Klinke. Sie ließ sich zwar ebenfalls bewegen, doch die Türen blieben verschlossen. Miller und Mayer sahen sich entgeistert an und rutschten dann zurück in ihre Sitze. »Was soll dieser Unsinn?« fragte Miller nach einer Weile. »Sie sind Mylady noch eine Erklärung schuldig«, antwortete der Butler höflich und gemessen, »Mylady möchte in Erfahrung bringen, in wessen Auftrag Sie nach Shepherd's Market kamen.« »Sie glauben doch wohl nicht, daß wir darüber reden«, antwortete Mayer wütend, »halten Sie sofort an, sonst zerschießen wir Ihren Schlitten, Parker!« »Der Aufbau des Wagens und auch die Bodenformation bestehen aus leichtem, aber zähem Panzerstahl«, kommentierte der Butler diese Drohung, »Sie brauchen sich also nicht zu genieren.« »Was haben Sie eigentlich vor?« Miller zwang sich zur Ruhe und versetzte seinem Partner einen leichten Stoß in die Seite,
um auf die neue Taktik aufmerksam zu machen. »Ich werde Sie verhören«, schaltete die ältere Dame sich ein, ohne den Kopf herumzunehmen, »ich denke, daß Sie in einigen Stunden reden werden.« »Einen Dreck tun wir«, brauste Mayer auf, »wie wollen Sie uns denn hier 'rausholen, he?« »Sie langweilen mich.« Agatha Simpsons Einwand klang vorwurfsvoll. »Wieso langweilen wir?« fragte Miller. »Mein Partner hat recht. Schön, wir sitzen fest in dieser verdammten Kiste, aber wir sind bewaffnet. Wie wollen Sie uns 'rausholen und zwingen, unsere Geschichte zu erzählen?« »Meine Wenigkeit darf Ihnen versichern, meine Herren, daß der Wagen über technische Einrichtungen verfügt, die dies ermöglicht«, antwortete Josuah Parker höflich. »Wann erreichen wir denn endlich den Sumpf?« ließ die Detektivin sich in diesem Moment vernehmen. »In schätzungsweise zwanzig Minuten, Mylady«, erwiderte der Butler. »Hat sich dort auch nichts verändert, Mr. Parker?« »Er wurde in jüngster Zeit mit einem hohen Drahtzaun umgeben, da erneut einige Wanderer im grundlosen Boden versanken.« »Sehr schön«, fand die ältere Dame, »und sie garantieren mir, daß man keine Spuren entdecken wird?« »Mit letzter Sicherheit, Mylady«, lautete die Antwort des Butlers, »erst spätere Generationen werden bei Torfarbeiten möglicherweise auf mumifizierte Menschen stoßen und ihr Unglück zutiefst bedauern.« Miller und Mayer schauten sich an und schluckten. Sie hatten das dumpfe Gefühl, daß man von ihnen sprach.
***
»Wir werden verfolgt«, sagte Kathy, als sie mit Mike Rander in ihrem kleinen Mini-Cooper saß. »Sieht's gefährlich aus, Kathy?« erkundigte sich der Anwalt. Er drehte sich erst gar nicht um. »Ein japanischer Wagen mit zwei Männern«, fügte sie hinzu, »sie haben ihre Hüte tief in die Stirn gezogen und tragen Sonnenbrillen.« »So laufen eigentlich nur noch Geheimdienstleute herum«, spöttelte Mike Rander, »aber gehen wir der Sache doch mal auf den Grund, Kathy.« »Aber gern«, antwortete sie, »sie rücken uns ohnehin schon zu nahe auf den Pelz, Mike.« Sie drückte das Gaspedal und steigerte die Geschwindigkeit des kleinen Wagens, der förmlich nach vorn schoß und dann verwegen durch den Verkehr kurvte. Der japanische Wagen folgte mühsam, doch er hielt den Abstand. Der Fahrer gab sich alle Mühe, sich nicht abhängen zu lassen. Kathy Porter hatte die Innenstadt hinter sich und steuerte eine Region an, die sie gut kannte. Sie sorgte immer wieder dafür, daß der verfolgende Wagen nicht völlig den Anschluß verlor. »Die West India Docks«, meinte Rander nach einer Weile, »ich hatte es mir schon fast gedacht. Das wird für die beiden Knaben teuer werden.« Kathy Porter lächelte, minderte das Tempo und ließ den Verfolgerwagen dicht aufholen. Dann aber gab sie wieder Vollgas und wischte in eine schmale Straße, die zu beiden Seiten von Werft- und Fabrikmauern begrenzt wurde. Obwohl ein fast dunkler, enger Straßenschlauch vor ihr lag, schaltete sie das Licht des Mini-Cooper aus. .»Jetzt bin ich gespannt«, sagte Mike Rander und wandte
sich um. Der japanische Wagen wurde sehr schnell. Die Insassen dachten wohl, hier zur Sache kommen zu können. Mit Augenzeugen war in dieser schmalen Straße ganz sicher nicht zu rechnen. »Aufpassen, Kathy«, erinnerte Mike Rander, ohne dabei aber seine Stimme anzuheben, »gleich wird Maßarbeit verlangt.« »Es wird schon klappen«, antwortete sie und konzentrierte sich. Dann, als ihrem Gefühl nach ein bestimmtes Hindernis erreicht war, schaltete sie das Standlicht ein und ... visierte den schmalen Zwischenraum an, der von zwei runden, säulenartigen Betonpfeilern gebildet wurden. Diese Pfeiler waren etwa einen Meter hoch und weiß gestrichen. Ihr Mini-Cooper wedelte elegant durch diesen Engpaß, das japanische Auto allerdings nicht. Der Fahrer schaffte es nicht, seinen Wagen zu bremsen, wenngleich er aufs Gaspedal trat. Ein Knirschen und Splittern von Glas war zu hören. Dann herrschte Stille. »Das war's«, sagte Rander, »lassen Sie mich 'raus, Kathy, ich werde mal kurz nachsehen.« Sie bremste und Rander stieg aus. Er drückte sich gegen die rechte Mauer und lief zurück zu den Betonpfeilern, die die wilde Fahrt der Verfolger jäh gestoppt hatte. Die Scheinwerfer des Wagens waren erloschen. Rander hörte das Zischen von heißem Wasserdampf, der wohl aus dem eingerissenen Kühler kam. Dann hörte er Flüche. Zwei Männer schoben sich gerade aus dem Wagen, der sich dem Aussehen einer Ziehharmonika genähert hatte, was die Falten betraf. Die beiden Insassen schienen bis auf leichtere Prellungen unverletzt zu sein. Dies bewies allein das wortreiche Fluchen. Rander nutzte die Gelegenheit, sich noch näher an die beiden Männer heranzuschieben. »Dieses verdammte Miststück«, sagte einer der beiden Männer und trat wütend gegen den erheblich verkürzten
Wagen. Er schien eine genau richtige Stelle getroffen zu haben, denn scheppernd löste sich ein Stück Wagenblech und landete auf dem Pflaster. »Hereingelegt, wie zwei Amateure«, sagte der andere Mann, »und dabei hatte man uns gewarnt.« »Wenn ich jetzt an den ganzen Papierkrieg denke, wird mir schlecht«, meinte der erste Mann, »alles mindestens in zehnfacher Ausfertigung.« »Was machen wir nun?« fragte der Begleiter. »Wir hauen ab, bevor die Cops hier aufkreuzen«, lautete die Antwort, »und der Wagen ist einfach gestohlen worden.« »Sie können bei uns einsteigen«, sagte Mike Rander in diesem Moment, »bis Sie hier in der Gegend ein Taxi erwischen, kann's lange dauern.« Die beiden Männer gingen hinter dem dampfenden und immer noch zischenden Wagen in Deckung. »Wer ist da?« hörte der Anwalt. »Mike Rander«, erwiderte er und lachte leise, »nun kommen Sie schon! Wer Papierkrieg in zehnfacher Ausfertigung führen muß, kann kein Gegner sein. Tut mir fast leid, daß Sie so plötzlich gestoppt worden sind.« *** Miller und Mayer fühlten sich keineswegs wohl. Sie kamen fast gleichzeitig wieder zu sich und dachten wohl unwillkürlich an die Szene im Hyde Park, als ihnen so etwas schon mal passiert war. Sie saßen allerdings nicht auf einer Parkbank, sondern bis zur Brust in einer zähen, breiartigen Masse, die dazu noch nicht mal besonders gut roch. Und sie fühlten sich sehr allein. »Wo sind wir?« fragte Miller. »Mann, das ist doch ein
Sumpf, oder?« »Das ist einer«, antwortete Mayer mit belegter Stimme, »und ich rutsche immer weiter ab!« »Die wollen uns doch nicht wegsacken lassen?« Millers Stimme wurde schrill vor Angst. »Hatten die nicht von Mumien gesprochen?« Mayer hütete sich, eine Bewegung zu machen. »Das war doch Bluff«, hoffte Miller, doch seine Stimme drückte das genaue Gegenteil aus. »Wir müssen schreien«, forderte Mayer, »irgend jemand muß uns doch hören.« »Weit und breit nichts als Nacht«, beschwerte sich Miller, »wie weit steckst du in der Brühe?« »Bis zur Brust. Und es geht langsam weiter abwärts.« »Bei mir auch. Diese verdammte Alte! Die läßt uns doch glatt absacken.« »Warum haben wir uns nur einfliegen lassen?« Die Unterhaltung erschöpfte sich damit erst mal. Die beiden Profis litten Höllenqualen und hatten Angst, auch nur einen Muskel zu bewegen. Um sie herum lasteten Dunkelheit und Schweigen. Als ein Nachtvogel sich meldete, wurde die Szenerie unheimlich wie in einem Horrorfilm. Selbst das Quaken eines Frosches, der im nahen Tümpel hauste, klang nicht erheiternd. »Wir müssen hier 'raus«, sagte Miller nach einer Weile. Seine Stimme war heiser. »Und wie?« wollte Mayer wissen. »Ich trau mich noch nicht mal, auch nur einen Finger zu bewegen.« »Die will uns tatsächlich umbringen, die Alte!« »Reiner Mord«, beschwerte sich Mayer mit elegischem Unterton in der Stimme.
»Schuld an dem ganzen Schlamassel hat Wentrop«, sagte Miller, »er hätte uns 'nen Tip geben müssen.« »Er hat uns ahnungslos auf die beiden Verrückten gehetzt«, klagte Mayer, »und ich wette, er hat genau gewußt, was uns blühen konnte.« »Sollten wir je 'rauskommen, sollten wir's schaffen, dann kann Wentrop sich auf was gefaßt machen«, schwor Miller, »diesem Eierkopf dreh' ich den Hals um.« »Wir müssen rufen«, beschwor Mayer seinen Partner, »wir müssen uns die Kehle aus dem Hals schreien. Irgend jemand muß uns doch hören ...« Sie einigten sich schnell auf dieses Vorgehen und brüllten dann im Duett ihre Hilferufe in die Nacht. Sie strapazierten ihre Stimmbänder bis zur Erschöpfung und schluchzten dann fast dankbar, als sie plötzlich das Licht einiger Taschenlampen gewahrten. Miller und Mayer rissen sich zusammen, aktivierten noch mal die Stimmbänder, bis sie nur noch heiser krächzen konnten. Inzwischen aber näherten sich die Lichtpunkte, und Gegenrufe wurden laut. Dann war es endlich soweit: Im Widerschein einiger Taschenlampen waren einige Gestalten zu sehen, die erstaunlich ungeordnet auf sie zuschritten. »Was ist denn los?« fragte eine erstaunte Stimme. »Warum brüllen Sie so?« »Vorsicht, Sumpf«, heiserte Miller entsetzt, als die Gestalten sorglos immer näher kamen. »Achtung, ihr sackt weg«, flüsterte Mayer mit dem erbärmlichen Rest seiner Stimme. »Hilfe, wir rutschen ab!« »Wieso denn das?« fragte eine andere Männerstimme und leuchtete die beiden Männer an. »Was macht ihr denn da in dem Wasserloch?« »Wasserloch?« Millers Stimme gab fast den Dienst auf.
»Wasserloch«, bestätigte der Mann und ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe wandern. Miller und Mayer, die sich im Sumpf wähnten, rissen weit die Augen auf und weigerten sich zu glauben, was sie sahen. Um sie herum War nämlich nichts als eine feste Weide. Miller und Mayer standen in einem eng begrenzten Loch. Um sie herum bedeckte Entengrütze das Wasser und strudelte Torfmull. Miller und Mayer riskierten es, die Beine auszustrecken, und berührten festen Grund mit ihren Schuhspitzen. Ohne viel Mühe schafften sie es allein, rettendes Land zu erreichen. Sie glichen begossenen Pudeln und mußte sich spöttisches Gelächter anhören. Miller und Mayer hätten dagegen gern etwas unternommen, doch sie trauten sich nicht. Einmal, weil Lady Simpson und Parker ihnen die Schußwaffen abgenommen hatten, zum anderen, weil sie sich einfach zu schwach fühlten, mit ihren Fäusten um sich zu schlagen. Sie sackten erschöpft ins taufeuchte Gras und haderten mit ihrem Schicksal. Es dauerte eine Weile, bis sie endlich in der Lage waren, einem nahen Dorfgasthaus zuzustreben. Sie sehnten sich nach Wärme und Trockenheit, sie dachten an Rache! *** »Pandix und Boulder«, stellten die beiden Männer sich vor, deren Wagen durch die Betonpfeiler so jäh gebremst worden war. »Amerikanischer Geheimdienst, nicht wahr?« erkundigte sich Mike Rander. »Das haben Sie gesagt«, meinte Pandix. »Kein Kommentar«, fügte Boulder hinzu, »verdammt,
warum haben Sie uns diesen Totalschrott bauen lassen?« »Warum haben Sie sich wie Gangster benommen?« gab Rander zurück. »Warum sind Sie hinter uns hergekarrt?« »Das wissen Sie doch«, meinte Pandix, ein untersetzter Vierziger. »Liefern Sie mir ein Stichwort«, bat Mike Rander, »sicher ist sicher. Und greifen Sie nicht etwa nach Schießeisen. Meine Partnerin läßt Sie nicht aus den Augen.« »Wir haben die Nase voll, keine Experimente«, antwortete Boulder, der so alt sein mochte wie sein Partner, doch er war schlank und etwas über mittelgroß. »Reicht Ihnen das Stichwort Denfeld?« »Sie haben Denfeld so ohne weiteres an den britischen Geheimdienst abgegeben?« wunderte sich Rander, »aber kommen Sie, verschwinden wir endlich. Nächtliche Verhöre durch die Polizei schätze ich überhaupt nicht.« »Wo steckt denn Ihre Partnerin?« erkundigte sich Pandix mißtrauisch. »Zu Ihrer Orientierung, Pandix, sie ist da, aber auch ich bin nicht ohne Waffe.« »War ja nur eine Frage«, entschuldigte sich der untersetzte Geheimdienstmann hastig. Er nickte seinem Begleiter zu. Die beiden Männer setzten sich in Bewegung und entdeckten dann Kathy Porter, die hinter einem Betonpfeiler in Deckung gegangen war. »Was dagegen, Ihre Kanonen abzulegen?« fragte der Anwalt. »Sie trauen uns nicht?« fragte Boulder. »Warum sollten wir?« gab Mike Rander zurück und lachte leise. »Wollten Sie uns nicht kurz vereinnahmen und dann befragen?« »Wir wollten Sie zu 'ner Unterhaltung einladen«, erwiderte
Pandix, »nicht mehr und nicht weniger.« »Wahrscheinlich war da an 'ne rauhe Tonart gedacht«, vermutete Mike Rander, »legen Sie Ihre Waffen dort auf dem Pfeiler ab. Und passen Sie auf, Miß Porter reagiert manchmal etwas zu schnell.« Die beiden Geheimdienstmänner aus den Staaten waren an neuen Scherereien nicht interessiert. Sie legten ihre Waffen ab und stellten sich dann vor der Fabrikmauer auf, um sich nach weiteren Waffen abklopfen zu lassen. Mike Rander barg die Brieftaschen, wogegen die Leute zwar protestierten, sich aber nicht wehrten. »Alles in Ordnung, Kathy«, rief Rander seiner Begleiterin zu, »wir können losgehen.« Die vier Personen beeilten sich, die schmale Straße hinter sich zu bringen. Der Mini-Cooper stand in einer Querstraße, doch Mike Rander und Kathy Porter hielten nicht auf den Wagen zu. Sie deuteten auf einen Pub an der nächsten Straßenecke. »Bis zur Schließung haben wir noch 'ne halbe Stunde Zeit«, sagte der Anwalt, »danach können Sie sich ein Taxi nehmen.« »Wie bekommen wir unsere Waffen zurück?« sorgte sich Pandix. »Holen Sie sich die Kanonen morgen in Shepherd's Market ab«, schlug der Anwalt vor, »Sie haben hoffentlich mitbekommen, daß Miß Porter und ich den US-Geheimdienst nicht unterschätzen.« »Uns hätte man Denfeld nicht entführt«, behauptete Boulder gereizt, »aber wir durften ja noch nicht mal mit 'raus zur FlugShow.« »Wir scheinen hier auf den Inseln nicht sehr beliebt zu sein«, ärgerte sich Pandix, »und jetzt haben wir den Ärger. Denfeld ist gekidnappt worden. Er hat aber vorher noch mit Lady
Simpson und Butler Parker gesprochen, nicht wahr? « »Woher wollen denn Sie das wissen?« staunte Kathy Porter. »Denfeld hat es uns schlicht und einfach mitgeteilt. Wir wohnten zusammen mit ihm in einem Hotel.« Pandix und Boulder blieben jäh stehen und musterten Kathy Porter. Man sah ihnen deutlich an, daß sie beeindruckt waren. So attraktiv hatten sie sich die Fahrerin des Mini-Cooper wohl doch nicht vorgestellt. »Sie können ja später immer noch pfeifen«, schlug Kathy Porter amüsiert vor und spielte damit auf die amerikanische Sitte an, daß man besonders hübschen Frauen anerkennend nachpfiff. »Sie brauchen uns noch nicht mal daran zu erinnern«, sagte Boulder und lächelte entspannt. »Trinken wir ein Glas Bier«, meinte Rander, »viel Zeit haben wir nicht. Hier auf der Insel wird pünktlich geschlossen.« »Scheußliche Sitten«, mokierte sich Pandix, »kommen wir also schnell zum Thema, einverstanden?« Sie betraten den Pub, und Rander und Pandix gingen nach vorn zum Tresen, um Bier zu kaufen. Boulder nutzte die Gelegenheit, Kathy Porter einen Vorschlag zu machen. »Sie können sich 'ne goldene Nase verdienen, Miß Porter«, sagte Boulder eindringlich, »was hat Denfeld diesem Butler gesagt? Um den dreht sich ja wohl alles.« »Was vermuten Sie denn?« wollte Kathy wissen. »Wir vermuten, daß Denfeld sich freiwillig kidnappen ließ«, meinte der US-Geheimdienstmann und senkte seine Stimme, »mißverstehen Sie mich nicht, mit freiwillig meine ich, daß er keinen Widerstand leistete und so.« »Sie glauben, er habe sich kaufen lassen, Mr. Boulder?« »Erpressen lassen«, korrigierte der Geheimdienstvertreter,
»Denfeld hat gerade erst geheiratet. Seine Frau ist eine blonde Sexbombe und wesentlich jünger als er. Er liebt sie abgöttisch, verstehen Sie?« »Ist sie mit nach Großbritannien gekommen?« fragte Kathy Porter. »Nein, sie ist in New York geblieben. Und mit ihr könnte man Denfeld unter Druck gesetzt haben.« »Sie sprachen da eben von einer goldenen Nase, Mr. Boulder.« »Sie sind nach unseren Ermittlungen nur so eine Art Gesellschafterin oder Sekretärin. Wir wissen auch, daß Lady Simpson eine verdammt geizi... äh, ich meine, sparsame Frau ist. Wie wäre es denn mit einer fetten Prämie für einen kleinen Tip?« »Darunter kann ich mir überhaupt nichts vorstellen«, erwiderte sie. »Tausend Pfund für einen guten Namen, Miß Porter. Die Sache bleibt selbstverständlich unter uns.« »Das klingt verlockend«, meinte sie lächelnd und sah zur Theke hinüber, wo sich Rander und Pandix angeregt miteinander unterhielten, »wird man Mr. Rander auch solch einen Vorschlag machen?« »Wir könnten dafür sorgen, daß er ein paar erstklassige amerikanische Firmen hier in London als Anwalt vertritt.« »Wird Mrs. Denfeld in New York denn nicht überwacht?« wunderte sich Kathy Porter, plötzlich das Thema wechselnd. »Natürlich, aber sie ist ziemlich munter«, erwiderte Boulder, »und einsperren können wir sie schließlich nicht.« ' »Von wem könnte Denfeld denn wohl erpreßt werden?« »Von jeder Fremdmacht, die an Spitzen-Technologie interessiert ist«, gab der Geheimdienstmann zurück, »von Gangstern, die Denfeld weiterverkaufen wollen. Aber stellen
Sie doch keine Fragen, was sagen Sie zu meinem Vorschlag? Sie können das Geld in bar bekommen, ohne jedes Risiko. Wir können es Ihnen auch auf ein Schweizer Konto überweisen lassen. Sie brauchen nur zu wählen.« »Tausend Pfund für einen Mann wie Denfeld?« Kathy schüttelte den Kopf. ,»Das klingt aber ziemlich schäbig.« »An welche Summe denken Sie denn, Süße?« Boulder wurde vertraulich. Er hatte das Gefühl, daß sein Köder bereits angenommen war. »Hunderttausend Dollar«, gab sie schlicht zurück. »Sind Sie verrückt?« empörte sich Boulder. »Denfeld ist noch viel mehr wert«, redete Kathy Porter weiter, »ich bin gespannt, wie andere Bieter darüber denken, Mr; Boulder.« »Man kann ja über alles reden«, lenkte der Geheimdienstmann hastig ein, »ich denke, wir werden uns einig. Wir bleiben in Verbindung, ja?« »Ich werde von Tag zu Tag teurer«, bluffte Kathy Porter, »sagen Sie das Ihren Vorgesetzten ... Und ich möchte nicht, daß Mr. Rander etwas von unserer Unterhaltung erfährt.« »Wir sitzen bereits in einem Boot«, freute sich Boulder, »glauben Sie, daß wir auf diesen Anwalt verzichten können?« »Bestimmt«, erwiderte Kathy Porter, »ich hasse diesen arroganten James-Bond- Verschnitt, auch wenn es nicht so aussieht.« *** »Die Herren Miller und Mayer stammen eindeutig aus den USA und sind nach ihren eigenen Worten eingeflogen worden«, sagte Josuah Parker zu Kathy Porter und Mike Rander, die sich im Fachwerkhaus der Lady in Shepherd's
Market eingefunden hatten. »Wie ich es übrigens sofort gewußt habe«, warf Agatha Simpson ein, »mich täuscht man eben nicht.« »Die Herren Miller und Mayer dürften mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für einen gewissen Wentrop arbeiten«, redete Parker weiter, nachdem er in Richtung Mylady eine zustimmende, knappe Verbeugung absolviert hatte, »man wird sich um diesen Mann kümmern müssen, wenn meine Wenigkeit dies anregen darf.« »Das werden selbstverständlich Sie in die Hand nehmen, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha umgehend, »unwichtige Details würden mich nur ablenken.« »Mylady können sich auf meinen Eifer verlassen«, lautete die Antwort des Butlers, in dessen Gesicht sich kein Muskel rührte, »mit der Gruppe Wentrop-Miller-Mayer dürfte man es mit Gangstern zu tun haben, die Mr. Denfeld in ihren Besitz bringen wollen, um ihn dann an Interessenten zu verkaufen.« »Richtig«, bestätigte Mike Rander, »und Pandix und Boulder repräsdentieren den US-Geheimdienst, das steht einwandfrei fest.« »Ist ihr Wagen auch tatsächlich restlos zertrümmert worden?« vergewisserte sich die ältere Dame bei Kathy Porter. Ihre Augen funkelten froh. »Totalschaden, Mylady«, erwiderte Kathy Porter, »aber den werden sie bestimmt verschmerzen können. Ich glaube, man wäre sogar bereit, mir hunderttausend Dollar zu zahlen.« »Und mir hat Pandix vier amerikanische Firmenvertretungen hier in London angeboten«, schaltete sich der Anwalt lächelnd ein, »schade, daß wir nicht wissen, was Denfeld von Ihnen wollte, Mylady.« »Das werde ich noch früh genug erfahren, mein lieber Junge«, antwortete Agatha Simpson, »Mr. Parker, vergessen
Sie nicht, die beiden Lümmel vom britischen Geheimdienst zu erwähnen.« »Dies wäre dann die dritte Gruppe, die nach Mr. Denfeld fahndet«, faßte Josuah Parker zusammen, »die Frage bleibt leider offen, von wem Mr. Denfeld entführt worden sein könnte.« »Von dieser Mord-Hornisse, selbstverständlich«, sagte die Detektivin, »aber diesem Insekt werde ich den Stachel ziehen, nicht wahr, Mr. Parker.« »Mylady werden auch diesen Fall mit gewohnter Perfektion lösen«, versicherte der Butler höflich. »Wir haben es mit einer Bande zu tun«, meinte der Anwalt, »es waren wenigstens vier Männer, die die Betonbaracke auf dem Militärfeld stürmten, die Aussagen gehen da zwar etwas auseinander, aber sie dürften nicht so wichtig sein. Diese Mord-Hornisse, um mal bei diesem Namen zu bleiben, hat Helfershelfer. Damit erhöht sich bereits das Risiko der Hornisse.« »Mr. Pickett forscht inzwischen nach, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha. »Kathy und ich haben Pickett auch die Gesichter von Miller und Mayer gezeigt«, warf der Anwalt ein, »aber ich mache mir Sorgen wegen Pickett. Ich muß immer wieder an den Stachel der Mord-Hornisse denken.« »Ist dieser sogenannte Stachel geschleudert oder verschossen worden?« wandte sich Parker an Kathy Porter. »Ich möchte sagen, daß er per Hand geworfen wurde«, erwiderte sie, »aber einen Eid würde ich darauf nicht leisten.« »Ist denn das so wichtig, Mr. Parker?« Agatha Simpson verhielt sich erst mal abwartend. »Falls der Stachel per Hand geschleudert wurde, Mylady, muß es sich um einen guten Messerwerfer handeln, der in
gewissen Kreisen nicht ganz unbekannt sein kann.« »Sie nehmen mir das Wort von den Lippen«, behauptete sie jetzt prompt, »solch ein Lümmel muß doch aufzuspüren sein.« »In der Tat, Mylady.« Parker deutete eine zustimmende, knappe Verbeugung an. »Ich fühle mich herausgefordert«, redete die ältere Dame weiter, »ich denke, daß ich wieder mal sehr gut sein werde, nicht wahr, Mr. Parker?« »Die bereits mehrfach erwähnte Mord-Hornisse, Mylady, ahnt noch nicht mal andeutungsweise, in welch einer akuten Gefahr sie sich befindet«, stellte Josuah Parker fest, »sich mit Mylady anlegen und messen zu wollen, kann nur katastrophal enden!« *** »Ich sitze in der Klemme, Mr. Parker«, sagte Horace Pickett, nachdem er seinen Namen genannt hatte. Mitternacht war lange vorüber, und Parker stand am Telefon in seiner Souterrain-Wohnung. Der Butler war noch nicht zu Bett gegangen. Er hatte sich in seinem Privatlabor aufgehalten und hier an der Entwicklung neuer, kleiner Überraschungen für seine Gegner gearbeitet. »Könnten Sie mir freundlicherweise nähere Einzelheiten zu jener Situation mitteilen, die Sie als Klemme bezeichnen?« erkundigte sich der Butler in seiner höflichen Art. »Ich soll doch nach einer Hornisse fragen«, meinte Pickett, dessen Stimme gedämpft klang, »ich glaube, ich bin da auf eine heiße Spur gestoßen, ich glaube aber auch, daß diese Hornisse mich hier in dem Bau festgenagelt hat. Ich trau' mich nicht heraus, ich bin sicher, daß ich mit einem Eispickel rechnen muß.«
»Eine Lage, die man nur als beklagenswert bezeichnen kann. Wo, wenn man fragen darf, befinden Sie sich, Mr. Pickett?« Pickett nannte den Namen einer Straße im Stadtteil Soho. Seine Stimme klang dabei noch leiser und vielleicht auch ängstlicher. »Sie haben keine Möglichkeit, Ihren momentanen Aufenthaltsort heimlich zu verlassen?« fragte Parker gemessen weiter. »Ich sitze hier in einem Hinterhaus, vom Fenster aus sind es gut und gern zehn Meter, ich will mir doch nicht den Hals brechen.« »Sie können mit Ihrem Entsatz rechnen«, versprach Josuah Parker, »meine Wenigkeit wird sich umgehend auf den Weg machen.« »Beeilen Sie sich«, bat Horace Pickett, »Parker, hören Sie, noch schnell einen Hinweis: meiden Sie den Torweg, Sie kommen über das benachbarte Grundstück in den Hinterhof!« »Man bedankt sich.« Parker legte auf und begab sich in sein Labor zurück. Er öffnete einen Schrank und rüstete sich für die nächtliche Exkursion aus. Während seiner Freizeit entwarf und baute er Hilfsmittel aller Art, wobei es ihm stets darauf ankam, etwaige Gegner völlig überraschen zu können. Danach streifte er sich seinen schwarzen Covercoat über, setzte die Melone auf und langte nach seinem altväterlich gebundenen Regenschirm. Er verzichtete darauf, Lady Simpson, Kathy Porter oder auch Mike Rander zu informieren. Er wollte das Risiko so klein wie möglich halten. Daß eine Falle auf ihn wartete, stand für ihn fest. Pickett hatte ihn sehr formlos nur mit >Parker< angeredet, was Horace Pickett selbst in Ausnahmesituationen nie getan hätte. Es stand fest, daß der ehemalige Eigentumsverteiler sich in einer prekären Lage befand. Ohne Not hatte er sicher nicht angerufen.
Parker benutzte nicht den normalen Ausgang, sondern ging in die Garage, wo sein hochbeiniges Monstrum stand. Er öffnete die Tür, steuerte das ehemalige Taxi in den schmalen Wirtschaftsweg, der zwischen dem alten Fachwerkhaus und einer hohen, elektronisch gesicherten Brandmauer lag, und sorgte durch einen Knopfdruck dafür, daß das starke Gittertor sich öffnete. Ein kleiner, leistungsstarker Sender, vorn im Wagen eingebaut, ließ einen Empfänger ansprechen, der seinerseits den Mechanismus des Tores in Bewegung setzte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Butler seinen Privatwagen auf die Durchgangsstraße steuern konnte. Während der Fahrt nach Soho wurde er nicht verfolgt, wie sich schnell herausstellte. Parker wunderte das natürlich nicht. Die Hornisse, um die es sich wohl tatsächlich handelte, brauchte schließlich nur in der Nähe von Horace Pickett zu warten, bis Parker auf der Bildfläche erschien. Dennoch, Parker handelte keineswegs unter Zeitdruck. Er wählte einige Seitenstraßen, um seiner Sache völlig sicher zu sein. Und er dachte an den Hinweis Picketts. Er sollte also auf keinen Fall den Torweg benutzen, der zum Hinterhaus führte, in dem man ihn festgenagelt hatte. Soho war erreicht. Selbst um diese Zeit pulsierte das Leben in diesem Stadtteil der Unterhaltung und des Vergnügens. Die schreiend bunten Lichtreklamen lockten Einheimische und Touristen an. Gewiß, die Pubs waren längst geschlossen, doch es gab eine Unzahl kleiner Lokale, Restaurants und Privatclubs. Durch die schmalen Straßen und Gassen schlenderten Menschen, die die Nacht zum Tage machten. Parker fand die angegebene Straße und handelte auf seine eigene, unverwechselbare Art. Er kurvte plötzlich von der schmalen Durchgangsstraße ab und ließ sein hochbeiniges Monstrum durch den Torweg gleiten. Als er einen Innenhof
erreichte, der groß genug war, den Wagen wenden zu können, spielte Parkers linke, schwarz behandschuhte Hand wie die eines Klavierspielers über die vielen Tasten und Kipphebel, die auf dem Armaturenbrett angebracht waren. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sein Wagen eingenebelt wurde. Dichte. Schwaden schossen unter den Trittbrettern hervor und breiteten sich aus, wallten durcheinander und stiegen hinauf zu den ersten Fensterreihen. Einige Sekunden später war der gesamte Hinterhof in dichten Nebel gehüllt. Butler Parker wendete nach Gefühl seinen Wagen, ließ ihn vor und wieder zurückgleiten, um etwaige Gegner zu verwirren, und stieg gemessen aus. Er wußte genau, wo die Tür zum Hinterhaus war. Und die visierte er an. *** Als er seiner Schätzung nach die Tür fast erreicht hatte, langte er ohne jede Hast in die rechte Tasche seines Covercoats und zog eine Handvoll ordinärer Knallerbsen hervor, wie man sie zum Jahreswechsel überall in einschlägigen Fachgeschäften erwerben konnte. Gezielt warf der Butler die kleinen Feuerwerkskörper in Richtung Haustür und nahm die vielen kleinen, reißenden Detonationen zur Kenntnis. Um dieses private Kleinstfeuerwerk noch abzurunden, ließ der Butler noch einige Kracher folgen, die von Natur aus dazu neigten, nach jeder Teilzündung feuersprühend durch die Luft zu hüpfen. Parker stand inzwischen hart an der Hausmauer und harrte der Dinge, die da vielleicht kamen. Der Butler hörte jetzt Flüche, unterdrückte Rufe und dann sogar einige Schreie. Parker schob sich vor und erreichte eine Stufe, die hinauf zur Haustür führte. Es überraschte ihn keineswegs, daß die Tür jetzt nicht mehr überwacht wurde. Der
Butler hielt bereits einen kleinen, würfelförmigen Gegenstand in der rechten Hand, den er in den Korridor warf. Er hatte gerade noch Zeit sich abzuwenden und die Augen fest zu schließen. Ein greller Lichtblitz, der an eine kleine Sonne erinnerte, leuchtete jeden Winkel des Korridors aus. Als Parker die Augen wieder öffnete, aber fast selbst noch leicht geblendet war, entdeckte er im dunkelroten Ausglühlicht des Würfels zwei Männer in einer Mauernische. Sie machten einen fast gelähmten Eindruck, hatten ihre Hände vor die Augen genommen und waren unfähig, sich von der Stelle zu bewegen. Parker sorgte für allgemeine Ruhestellung. Mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Regenschirms klopfte er leicht auf die Stirn der beiden Männer, die sich daraufhin beeilten, auf dem Boden Platz zu nehmen. Parker blieb stehen, als Licht im Treppenhaus eingeschaltet wurde. »Kommen Sie 'rauf, Parker«, rief eine undeutliche Stimme, »Ihre Tricks bringen überhaupt nichts.« Parker richtete die Spitze seines Schirmes fast senkrecht nach oben und drückte auf den versteckt angebrachten Auslöseknopf. Angetrieben von einer starken Ladung komprimierter Kohlensäure jagte ein kleines Geschoß hinauf zum höchsten Treppenabsatz, erreichte die Abschlußdecke und platzte hier auseinander. Dieser Abschuß war so gut wie geräuschlos geblieben. Auch das Zerplatzen des Geschosses war kaum zu vernehmen. Dafür aber hörte der Butler einen erstickten Schrei, der in Keuchen überging. Er hörte ferner hastige Schritte, dann das öffnen und Zufallen einer Tür, die seiner Schätzung nach aus Eisenblech bestand. Danach herrschte Stille. Auch draußen im Hinterhof war nichts mehr zu hören. »Mr. Parker?« Es war Horace Pickett, der sich meldete, halblaut und zögernd, ein Husten folgte. »Falls es genehm ist, können Sie herunterkommen«, schlug
Josuah Parker vor, »rechnen Sie allerdings mit gewissen Belästigungen und Reizungen Ihrer diversen Schleimhäute.« Horace Pickett war ungemein schnell unten. Er hüstelte, seine Augen tränten, dennoch lächelte er glücklich. Er stieg über die beiden am Boden liegenden Männer und kam auf den Butler zu. »Darf man davon ausgehen, daß Sie unverletzt sind, Mr. Pickett?« erkundigte sich der Butler gemessen. »Ich habe so gut wie nichts abbekommen«, antwortete Pickett und sah an sich hinunter, »diese Hornisse hat ein paar mal geritzt, mehr ist mir aber nicht passiert.« »Man sollte die ungastliche Stätte verlassen, zumal der Nebel sich lichtet«, schlug Parker vor, »die Details könnte man an einem anderen Ort durchnehmen, Mr. Pickett.« Die beiden Männer gingen durch den Nebel und erreichten das hochbeinige Monstrum, ohne belästigt zu werden. Nachdem Pickett im Fond des Wagens Platz genommen hatte, erkundigte sich der Butler nach den Hilfstruppen der Hornisse. »Schläger hier aus der Gegend, Mr. Parker«, antwortete Pickett abfällig, »die haben keine Ahnung, für wen sie zuschlagen sollten.« »Was meine Wenigkeit sich bereits dachte.« Parker nahm am Steuer Platz und bewegte den Wagen dann durch den Torweg zurück auf die Straße. Vor dem Torweg hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet. Man diskutierte den plötzlich aufgekommenen Nebel, der aus dem Hinterhof wallte. Pessimisten sahen sich in der Annahme bestätigt, daß London eben doch die Stadt des Nebels sei und machten sich daran, dies mit den Umstehenden zu diskutieren. Parker beschleunigte seinen Privatwagen, um Horace Pickett erst mal in Sicherheit zu bringen. Daß ihm ein Wagen folgte, beeindruckte ihn überhaupt nicht.
***
»Falls Sie eine kleine Erfrischung benötigen, Mr. Pickett, so kann damit gedient werden«, sagte Parker, der die Trennscheibe gesenkt hatte. Der Butler drückte auf einen Knopf, worauf aus dem unteren Teil der Trennwand zwischen Fond und Fahrerseite eine Klappe sich senkte und den Griff auf eine kleine Bar freigab. »Ich denke, ich habe sogar eine große Erfrischung nötig«, meinte Pickett und griff nach der Kristallflasche, nahm sich ein Glas aus dem Ständer und füllte Whisky ein. Nachdem der Mann sich gestärkt hatte, lehnte er sich zurück und atmete tief durch. »Beinahe hätte es mich wirklich erwischt«, sagte er, »Miß Porter und Mr. Rander hatten, mich auf diese Hornisse angesetzt, nicht wahr? Schön, ich habe meine Beziehungen spielen lassen, Mr. Parker, aber es war einfach nichts zu erfahren. Den Namen >Mord-Hornisse< kennt kein Mensch, es muß sich um einen Mann handeln, der hier in London neu ist.« »Und dennoch wurden Sie von besagter Mord-Hornisse kontaktiert?« »Im Grund habe ich mich wie ein Trottel benommen«, ärgerte sich Horace Pickett noch nachträglich, »hier in Soho wußte plötzlich einer Bescheid, aber er tat mächtig geheimnisvoll und lockte mich an einen Wagen heran. Und dann war's auch schon passiert. Ich mußte einsteigen und wurde in das Hinterhaus gefahren. Von dem Zimmer aus mußte ich dann anrufen. Sie haben mitbekommen, wie ich Sie angeredet habe, nicht wahr?« »Vielen Dank für diese Warnung«, antwortete Parker, »Sie standen dieser Hornisse also gegenüber? Könnten Sie freundlicherweise eine möglichst genaue Beschreibung
liefern?« »Der Mann hat eine Glatze«, antwortete Pickett spontan, »er hat ein rundes Gesicht, stechende Augen und einen Schnurrbart. Ja, und er trug eine getönte Brille. Er dürfte etwa um die vierzig sein, ist schlank und mittelgroß.« »Und dieser Mann handhabte einen Eispickel, Mr. Pickett?« »So ein Ding, wie's auf Miß Porter, Mr. Rander und auf mich geworfen wurde, Mr. Parker. Damit piekste er ein paarmal an mir herum.« »Wie reagierte dieser Mann, als man zu dem Schluß kam, daß im Hof einige Dinge sich nicht so abwickelten, wie man sie sich vorgestellt hatte?« »Die Mord-Hornisse wurde nervös«, erwiderte Pickett, »sie trat ans Fenster und sah nach unten. Dann lief der Mann aus der kleinen Wohnung ins Treppenhaus und schrie. Zuerst wußte ich ja nicht, was los war, aber als ich nachging, war alles klar; Sie haben so 'ne Art Tränengaspatrone nach oben geschossen, ja?« »Erstaunlich, daß die Hornisse, um bei diesem Namen zu bleiben, darauf verzichtete, Sie mundtot zu machen.« »Darüber denke ich auch die ganze Zeit nach, Mr. Parker, ich bin doch schließlich Augenzeuge, ich kann die Hornisse genau beschreiben. So was kann der Mann doch nicht vergessen haben.« »Woher wissen Sie, Mr. Pickett, daß die Helfershelfer des Mannes ordinäre Schläger waren?« »Ich habe ein paar davon gesehen, Mr. Parker. Zwei, drei Gesichter kenne ich sogar.« »Wo könnten diese Männer jetzt im übertragenen Sinn ihre Wunden lecken, Mr. Pickett?« »In einem Spiel-Salon, Mr. Parker, hier in Soho. Hinter dem Raum mit den Spielautomaten gibt's Getränke aller Art, dort
kann man auch pokern.« »Möglicherweise sollte man diesem Vergnügungsbetrieb einen Besuch abstatten«, sagte Josuah Parker, »Sie, Mr. Pickett, werden dazu allerdings nicht eingeladen.« »Ich bin schon wieder völlig in Ordnung, Mr. Parker«, protestierte Horace Pickett. »Meine Wenigkeit hört dies mit großem Vergnügen«, schickte Josuah Parker voraus, »aber Sie sollten sich, wenn es genehm ist, um einen gewissen Mr. Wentrop kümmern. Sagt dieser Name Ihnen etwas?« »Aber ja«, lautete die überraschende Antwort, »Dan Wentrop ist ein sehr raffinierter und gefährlicher Mann, Mr. Parker.« »Er unterhält eine eigene Organisation?« »Nein, dazu ist er zu gerissen. Er engagiert sich die Leute, die er eben braucht.« »Und welchem kriminellen Erwerb huldigt dieser Mister Wentrop?« »Er ist Hehler«, berichtete Pickett weiter, »aber er betreibt nach außen hin eine Hundepension.« »Würen Sie dies freundlicherweise noch mal wiederholen?« »Er hat eine Hundepension«, sagte Pickett erneut, »ich glaube, die ist in Redbridge. Wie sind Sie an diesen Namen gekommen? Ich darf doch fragen, ja? Sie meinen, er könnte die Hornisse sein?« »Eine erstaunliche Frage, falls Sie Mr. Dan Wentrop persönlich kennen«, wunderte sich Parker, »vor kaum zehn Minuten standen Sie doch einem Mann gegenüber, der sich als Hornisse bezeichnete.« »Ich glaube nicht, daß das die richtige Hornisse gewesen ist«, antwortete Horace Pickett nachdenklich, »würde ich sonst noch leben?«
»Eine gute Frage, Mr. Pickett. Ich darf Ihnen versichern, Sie würden nicht mehr leben, falls die tatsächliche Hornisse Sie gezwungen hat, meine Wenigkeit anzurufen. Wären Sie damit einverstanden, an der nächsten Straßenecke auszusteigen?« »Brauchen Sie nicht die Adresse, von der ich eben gesprochen habe? Ich meine die vom Spielsalon?« »Diese Information könnte vielleicht noch recht nützlich sein.« Parker ließ sich den Namen der Automatenhalle geben, um dann plötzlich Gas zu geben. Das hochbeinige Monstrum tat förmlich einen Satz nach vorn und ließ den verfolgenden Austin förmlich stehen. Dann wischte Parker um eine Straßenecke, hielt kurz und ließ Pickett aussteigen. Als der Austin um die Ecke bog, hatte Parkers Wagen bereits wieder Fahrt aufgenommen. Horace Pickett war in einem Hausflur verschwunden und nicht zu sehen. Parker warf einen Blick in den Rückspiegel und überlegte, ob für den Rest dieser Nacht noch weitere Aktivitäten angebracht waren. Im Grund waren die Schläger und der glatzköpfige Mann nicht mehr interessant. Doch wer konnte im Austin sitzen? Konnte es die Hornisse sein, die endlich zustechen wollte? Hatte sie auf der Straße vor dem Hinterhof erst mal abgewartet, was sich im Hinterhaus tat? Würde solch ein vorsichtiger Gangster eine Verfolgung riskieren, die nach Parkers Ansicht ein wenig dilettantisch wirkte? Butler Parker beschloß, diese Frage auf seine persönliche Art und Weise zu klären. Freund und Feind nannten seinen Wagen nicht grundlos eine Trickkiste auf Rädern. Der Butler bremste jäh seinen Wagen in einer Seitenstraße und kuppelte aus. Der Fahrer des Austin hatte alle Mühe, seinen Wagen nicht auffahren zu lassen. Und damit kam er dem Butler nur entgegen! Parker bemühte einen der vielen Kipphebel auf dem
Armaturenbrett, um dieses kleine Problem fast beiläufig zu lösen. *** Aus feinen Düsen, die sich an den hinteren Enden des kantigen Wagenaufbaues befanden, schossen je zwei Sprays hervor, die zuerst scharf gebündelt waren, sich dann aber nach der Art von Parfümzersträubern ausfächerten. Das Ergebnis war frappierend. Die Windschutzscheibe des Austin wurde tintenschwarz eingefärbt. Dies erlebten auch die beiden Männer, die gerade schnell ausgestiegen waren und nach vorn laufen wollten. Sie blieben jäh stehen, als ein fetter, öliger Film sich auf ihre Gesichter legte. Da sie völlig überrascht wurden, verklebten auch ihre Augen ein wenig. Die beiden Männer führten mit ihren Armen und Händen gestenreiche Bewegungen aus und begingen dann sogar noch den Kardinalfehler, sich die Augen zu reiben. »Obwohl Sie grundlos Tarnfarbe angelegt haben, kommen die Herren meiner Wenigkeit bekannt vor«, sagte Josuah Parker, »befanden Sie sich möglicherweise in der Begleitung von Chief-Superintendent McWarden?« »Meine Augen«, stöhnte der erste Mann. »Was haben Sie mit uns gemacht?« wollte der zweite Mann wissen. Seine Stimme drückte Wut und Irritation aus. »Darf man die Herren einladen?« erkundigte sich Parker und drückte die beiden Männer des britischen Geheimdienstes in den Fond seines Wagens. Anschließend überreichte er ihnen Papiertücher. »Darf man erfahren, wohin die Herren zu fahren wünschen?« fragte Parker weiter, »es wird mir eine Ehre sein,
Ihnen behilflich sein zu können.« »Was haben Sie uns da in die Augen gespritzt?« fragte der erste Geheimdienstmann, der sich die Hände am Papiertaschentuch abwischte und dann vorsichtig die Augen behandelte. Dazu benutzte er sein eigenes Taschentuch. »Sie müssen wahrscheinlich in die Schwaden des Auspuffs geraten sein«, erwiderte der Butler, »wie Sie wahrscheinlich bemerkt haben werden, benutze ich ein Modell, das vielleicht ein wenig angejahrt sein dürfte.« »Dieser Karren gehört auf den Schrottplatz«, kommentierte der andere Geheimdienstmann wütend und säuberte sich ebenfalls. »Versuche dieser Art wurden erst in jüngster Zeit unternommen«, meinte der Butler, »wie Sie sehen, gelingen sie nicht. Darf ich erfragen, mit wem ich die Ehre habe?« »Ich bin Ken Cupping«, sagte der Geheimdienstmann, »mein Begleiter heißt Bert Emerson.« »In der Tat«, ließ der Butler sich vernehmen, »Ihre Ausweise lauten auf diese Namen. Sie müssen Ihre Brieftaschen verloren haben. Wenn Sie gestatten, möchte ich sie Ihnen zurückgeben.« »Sie haben unsere Taschen gefilzt, Parker«, reagierte Ken Cupping wütend. »Das wird ein Nachspiel haben«, drohte Bert Emerson, »Sie wissen verdammt genau, daß wir für den britischen Geheimdienst arbeiten.« »Dies, meine Herren, ließen Sie nicht erkennen, als Sie meiner Wenigkeit in einer Manier folgten, die an Gangsterfilme erinnert.« »Wo ist der Mann, der bei Ihnen im Wagen war?« wollte Ken Cupping wissen. »Seinem Wunsch entsprechend, ließ ich ihn aussteigen. Ich
gehe davon aus, daß dies nicht ungesetzlich war.« »Was ist in dem Hinterhof passiert, Mr. Parker?« Bert Emerson war an der Reihe, Fragen zu stellen. Er konnte wieder sehen, wenn auch nicht viel, doch er gab sich eisenhart. »Sie beobachteten meine bescheidene Wenigkeit, meine Herren?« »Weil Sie verdächtig sind, Parker. Sie hintertreiben unsere Ermittlungsarbeit. Sie halten Tatsachen zurück, die zur Klärung eines Verbrechens beitragen.« Darf man davon ausgehen, daß Sie sich jetzt auf Mr. Herbert Denfeld beziehen, Mr. Emerson?« »Das wissen Sie verdammt genau, Parker! Was war in dem Hinterhof los? Hinter wem waren Sie her? Wollten Sie sich mit Denfelds Entführern treffen? Hatten Sie vielleicht sogar Kontakt mit dem Mann?« »Die Sturzflut Ihrer Fragen überfordert meine Wenigkeit«, entgegnete der Butler höflich und bedauernd, »darf man fragen, seit wann Sie mich beschattet haben?« »Seitdem Sie das Haus verlassen haben«, schaltete Ken Cupping sich ein, »haben Sie etwa gedacht, Sie könnten uns reinlegen?« »Gewiß nicht«, versicherte Parker, »man hat es schließlich mit zwei ausgesuchten Vertretern des Geheimdienstes zu tun, wie ich wohl vermuten darf. Es wäre sinnlos, auch nur den Versuch zu wagen, Sie überlisten zu wollen.« Ken Cupping und Bert Emerson hüstelten ein wenig. »Hören Sie, Mr. Parker«, begann Cupping nach einer Weile und gab seine bisherige Herablassung auf, »warum arbeiten wir nicht zusammen? Sie können dabei nur profitieren.« »Wir werden vergessen, was passiert ist«, rang Emerson sich ab. »Wie, meine Herren, stellen Sie sich eine Form der
Zusammenarbeit vor?« wollte Josuah Parker wissen. »Worüber hat Herbert Denfeld mit Ihnen gesprochen?« frage Ken Cupping. »Hat er Andeutungen gemacht?« fügte Emerson hinzu. »Mann ... Par ... äh, Mr. Parker, lassen Sie sich doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen! Oder sind Sie vielleicht scharf auf eine Prämie? Wenn es das ist, können Sie mit uns reden.« »Falls Sie nach Ihrer Waffe suchen, Mr. Emerson, sie befindet sich in meinem momentanen Besitz«, sagte Parker, »dies gilt auch für Sie, Mr. Cupping. Sie müssen Ihre Schulterhalfter nicht richtig gesichert haben. Wahrscheinlich haben Sie gewisse Dienstvorschriften mißachtet.« Cupping und Emerson hüstelten erneut und waren betroffen. Sie fühlten sich wiederum ertappt und überlistet. Sie hatten tatsächlich vorgehabt, den Butler mit Waffengewalt dorthin zu bringen, wo sie sich ungestört mit ihm unterhalten konnten. »Ihrer Aufmerksamkeit dürfte es inzwischen nicht entgangen sein, daß die Trennscheibe ausgefahren worden ist«, redete Parker über die Wechselsprechanlage weiter, »der Versuch, mit Ihren Händen nach meiner Kehle zu greifen, wäre sinnlos.« »Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich, Mr. Parker?« erkundigte sich Ken Cupping gereizt. »Sind Sie Patriot, Mr. Parker?« fragte Bert Emerson. »Mann, begreifen Sie doch endlich, wir haben uns bis auf die Knochen blamiert. Wir sind dafür verantwortlich, daß dieser Elektroniker entführt worden ist. Die ganze Welt wird über uns lachen. Wollen Sie das zulassen?« »Ein wenig mehr Humor könnte dieser Welt nicht schaden, wenn ich meine sehr private Meinung äußern darf«, antwortete Josuah Parker, »haben die Herren einen vagen Verdacht, von wem Mr. Denfeld entführt worden sein könnte?« »Na, vom wem wohl?« Cupping lachte gequält.
»Sie denken an eine östliche oder fernöstliche Macht?« »Natürlich«, fiel Emerson ein, »für diese Leute wäre Denfeld wichtiger als eine ganze Armee. Mit seinem Wissen könnten sie sich elektronisch dem Westen angleichen.« »Sie wissen jetzt, warum Sie uns helfen müssen«, sagte Ken Cupping, »die Sicherheit der westlichen Welt steht auf dem Spiel.« »Ich darf Ihnen wahrheitsgemäß versichern, daß meine Wenigkeit weiß, daß sie nichts weiß«, lautete Parkers schlichte Antwort, »mit dieser speziellen Bemerkung dürfte ich mich in guter Gesellschaft bedeutender Philosophen des Abendlandes befinden, wenn ich mich so ausdrücken darf.« *** »Hier spricht die Hornisse«, sagte eine undeutliche Stimme am Telefon. »Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Morgen zu wünschen«, erwiderte der Butler, »würden Sie später noch mal anrufen? Im Augenblick bereite ich mich darauf vor, Mylady das Frühstück zu servieren.« Parker hängte auf und widmete sich wieder den Vorbereitungen für das erwähnte Frühstück. Es klingelte erneut, Parker hob ab und nannte seinen Namen. »Sind Sie wahnsinnig, Parker?« fauchte die undeutliche Stimme, »haben Sie nicht mitbekommen, wer da gerade angerufen hat?« »Die sogenannte Mord-Hornisse, falls meine Wenigkeit richtig verstanden hat«, erwiderte Josuah Parker, »Sie werden sich noch ein wenig gedulden müssen. In - sagen wir - einer halben Stunde, steht man Ihnen zur Verfügung.« Der Butler legte erneut auf und blockierte dann das Telefon.
Er stellte die eingehende Hauptleitung in den Wohnraum seiner Souterrain-Wohnung um. Er wollte nicht noch mal gestört werden. Ihm war nichts anzumerken, als er das Frühstück im Salon servierte. Lady Agatha trug einen weiten, wallenden Hausmantel und war in bester Laune, als sie die Zusammensetzung ihres Diät-Frühstücks überblickte. Es gab gebackene Nierchen, geröstete Würste, Fisch, Rührei mit kroß gebratenem Schinkenspeck, diverse Wurst- und Käsesorten und frische Landbutter, die zum appetitlichen Brot paßte. »Von jedem nur eine Kleinigkeit«, sagte sie zu Kathy Porter und Mike Rander, die bereits gegessen hatten, »Sie müssen zugeben, Kathy und Mike, daß ich bereits erheblich abgenommen habe, nicht wahr?« »Sagenhaft, würde ich das nennen«, meinte der Anwalt und hatte Mühe, keine Miene zu verziehen. »Sie werden bald Ihre Kleider ändern lassen müssen, Mylady«, behauptete Kathy Porter und hütete sich, Mike Rander anzusehen. Sie hatte Angst davor, lachend loszuprusten. »Man muß den Mut zur Selbstkasteiung haben, meine Lieben«, redete die ältere Dame weiter und langte zu wie ein Scheunendrescher. Sie nickte anerkennend, als sie den Kaffee kostete. »Nicht schlecht, Mr. Parker«, meinte sie, »Sie sind auf dem richtigen Weg. Nur weiter so! Gibt es irgendwelche Neuigkeiten, die ich wissen müßte?« »In der Tat, Mylady«, antwortete der Butler und schilderte knapp seine Erlebnisse. Agatha Simpson starrte ihn an und runzelte die Stirn. »Warum bin ich nicht verständigt worden?« wollte sie dann wissen. »Mir, Mr. Parker, wäre die Hornisse nicht entwischt. Das wissen Sie hoffentlich!«
»Nach Lage der Dinge dürfte es sich nicht um die echte Mord-Hornisse gehandelt haben«, sagte der Butler, »Mr. Pickett war und ist durchaus der richtigen Ansicht, daß er dieses Beisammensein dann wohl nicht lebend überstanden hätte.« »Richtig«, schaltete der Anwalt sich ein, »die echte Hornisse dürfte diesen Glatzkopf nur vorgeschoben haben.« »Den ich dennoch zu sprechen wünsche«, verlangte die Detektivin und widmete sich wieder ihrer Diät, »Mr. Parker, veranlassen Sie das! Ich will auch mit diesen Lümmeln sprechen, die. Mr. Pickett in Verlegenheit brachten. Man muß den Flegeln zeigen, wer Herrin im Haus ist.«' »Mylady brauchen nur die Zeit zu bestimmen«, versicherte der Butler, »zur Zeit wäre mit einem Anruf der Hornisse zu rechnen.« »Und das sagen Sie erst jetzt?« Lady Agatha schnaufte verärgert. »Er hat bereits schon mal angerufen?« erkundigte sich Kathy Porter amüsiert. Sie ahnte, was sich zugetragen hatte. »In der Tat, Miß Porter«, erwiderte Parker, »ich bat den Anrufer, es später noch mal zu versuchen. Myladys Frühstück habe absoluten Vorrang.« »Das ist richtig, Mr. Parker.« Die Lady nickte wohlwollend und lächelte, als das Telefon sich meldete. »Ich, Mr. Parker, werde diesen Anruf entgegennehmen. « Parker schritt gemessen zum Wandtisch, holte den Telefonapparat und stellte ihn auf einen Beistelltisch. Dann reichte er seiner Herrin den Hörer. »So was sollten Sie mit mir nicht machen«, sagte die Hornisse, deren Stimme über den Verstärker gut zu verstehen war, »mich läßt man nicht warten, ist das klar?« »Was erlauben Sie sich, Sie Lümmel?« Lady Agathas
Stimme grollte. »Sie sollten froh sein, daß ich Sie überhaupt zur Kenntnis nehme! Nun, fassen Sie sich kurz!« »Ich verlange fünf Millionen«, erwiderte die Hornisse, »falls ich sie nicht bis zum Wochenende bekomme, wird Denfeld sterben, ist das klar?« »Lächerlich«, meinte Agatha Simpson abfällig, »man schlachtet eine Gans, die goldene Eier legt, nicht ab.« »Wollen Sie's darauf ankommen lassen? Ich habe auch bereits den Yard und die amerikanische Botschaft informiert. Da weiß man jetzt auch, worum es geht.« »Wie wollen Sie denen beweisen, Sie Flegel, daß Sie Denfeld entführt haben?« erkundigte sich die ältere Dame, »Sie können mir viel erzählen.« »Sie werden ein Tonband bekommen, etwa in einer Viertelstunde oder so. Hören Sie sich genau an, was darauf mitgeschnitten worden ist, klar?« »Ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe«, lautete Myladys Antwort, »aber ich kann mir vorstellen, warum Sie es so eilig haben. Sie merken, daß ich Ihnen auf den Fersen bin! Und das entspricht den Tatsachen, wie Sie genau wissen. Verlassen Sie sich darauf, ich werde Ihnen .den Mordstachel ziehen. So, und damit ist das Gespräch für mich beendet.« Agatha Simpson legte auf und sah triumphierend in die Runde. »So muß man mit diesen Leuten umgehen«, stellte sie dann fest, »ich hätte allerdings wohl fragen sollen, ob er das Lösegeld in Pfund oder Dollars verlangt, nicht wahr?« *** Butler Parker und Lady Simpson erregten einiges Aufsehen.
Sie erschienen in jener Spielhalle, deren Adresse Parker von Horace Pickett erhalten hatte. Hier sollten sich die Schläger befinden, die im Hinterhof auf das Erscheinen des Butlers gewartet hatten. Von diesen Männern war im Moment allerdings nichts zu sehen. Vor den Spielautomaten standen Halbwüchsige, erstaunlicherweise auch Hausfrauen und ältere Menschen, die sich hier die Zeit vertreiben wollten und darüber hinaus vielleicht sogar auf einen kleinen Gewinn hofften. Lady Agatha war sofort fasziniert, als sie die Gewinnautomaten entdeckte. Sie wurde von diesen Geräten magisch angezogen und konnte wieder mal nicht widerstehen. »Ich brauche etwas Kleingeld, Mr. Parker«, sagte sie und baute sich vor einem Automaten auf, der im Gewinnfall die Summe von fünfzig Pfund versprach. »Die Chancen, Mylady, einen Gewinn verbuchen zu können, sind äußerst gering«, erwiderte Parker, um seiner Herrin gleichzeitig Kleingeld auszuhändigen. »Ich spüre, daß ich gewinnen werde«, behauptete die ältere Dame und begann umgehend, das Gerät zu füttern und diverse Knöpfe zu drücken. »Sie können sich ja inzwischen nach diesen Lümmeln umsehen, die ich später dann befragen werde.« Die drei Walzen drehten sich, bunte Flackerlichter glühten auf, Klingelzeichen waren zu vernehmen und Glocken tönten. Lady Agatha beobachtete das blitzschnelle Vorbeigleiten der Trommelsymbole und bemühte sich, die Bremsen im richtigen Moment zu betätigen. Der Automat blieb Sieger. Agatha Simpsons Gesicht nahm einen leicht verärgerten Ausdruck an. Die Lady wartete auf das nächste Spiel, trat einen halben Schritt zurück und beobachtete erneut die Trommel. Als sie die Bremsknöpfe bediente, bemerkte sie, daß sie mit erheblicher Verzögerung ansprachen. Um den Automaten zur
Ordnung zu rufen, holte sie mit ihrem Pompadour aus und knallte das darin befindliche Hufeisen nachdrücklich gegen die Seitenwand des Spielgerätes. Der sogenannte »Glücksbringer«, eben das Pferdehufeisen, deformierte die Seitenwand, beeinflußte allerdings auch die Walzen. Der Apparat schien zu husten, röchelte dann und produzierte rasselnde Geräusche. Und dann passierte es bereits ...Während eine Sirene ertönte, prasselten Geldstücke aus dem Gewinnschacht und landeten in einer Schale. Agatha Simpson nickte zufrieden und öffnete ihren Pompadour. Ungeniert schaufelte sie die Münzen in den Handbeutel. Spieler von anderen Automaten waren durch die Sirene alarmiert worden, eilten herbei und staunten Lady Agatha an, die gerade einen Haupttreffer gezogen hatte. »Man muß diesen Automaten nur gut zureden«, sagte sie volltönend und steckte ein weiteres Geldstück in den Schlitz. Der Automat hustete, rasselte, produzierte seltsame Geräusche und ... beeilte sich dann, die ältere Dame erneut mit einem Gewinn zu beliefern. »Aller guten Dinge sind drei«, verkündete Agatha Simpson und übersah einen stämmigen Mann, der sie mißtrauisch beobachtete. Er gehörte zur Aufsicht und konnte nicht verstehen, wieso dieser Automat plötzlich Gewinne ausschüttete. Die Geräte waren doch schließlich so präpariert worden, daß Hauptgewinne einfach ausbleiben mußten. Der Mann entspannte sich. Nachdem die Walzen sich gedreht hatten, war ein klägliches Geläute zu vernehmen. Lady Agatha musterte das Gerät, fütterte es erneut und ließ die Trommeln laufen. Um sie dann aber zu ermuntern, donnerte sie ihren Glücksbringer diesmal gegen die andere Seite. Die Sirene ertönte prompt. Während die Walzen sich noch bewegten, prasselten die
Geldstücke aus dem Schacht und füllten die Schale. Lady Agatha verstaute auch diesen Gewinn im Pompadour, der prall gefüllt war. »Komm' mal mit, Schwester«, sagte der Mann der Aufsicht und tippte der älteren Dame nachdrücklich auf die linke Schulter, »so haben wir nicht gewettet, klar?« »Meinen Sie etwa mich?« Die Lady blitzte ihn an. »Haben Sie mich mit Schwester angeredet?« »Weil ich 'n höflicher Mensch bin«, sagte er und nickte leichtsinnigerweise. Er griff nach Lady Simpsons Pompadour, um den Gewinn sicherzustellen. »Sie wagen es, eine hilflose Frau anzugreifen?« Agatha Simpsons Stimme klang nicht gerade hilflos. Der Mann fuhr unwillkürlich zurück und übersah den linken, vorschnellenden Schuh der Lady. Sie trat ihm sehr ungeniert gegen das rechte Schienbein, worauf der Mann stöhnte und das Bein vom Boden löste, um es hochzuziehen. Agatha Simpsons Hilflosigkeit entwickelte sich weiter. Ihr perlenbestickter Handbeutel war bereits in gefährliche Schwingung geraten. Während der Mann noch herumtanzte, klatschte der Pompadour gegen seine Brust, worauf er sein Gleichgewicht verlor und gegen einen anderen Automaten fiel, der sich veranlaßt fühlte, etwas zur allgemeinen Unterhaltung beizutragen. Aus dem Gewinnschacht prasselten die Münzen. Sie füllten die Schale und ergossen sich auf den Boden. Die Umstehenden erkannten ihre einmalige Chance, hier endlich mal einen Gewinn einstreichen zu können. Man hechtete förmlich auf die Geldstücke und sammelte sie ein. Agatha Simpson maß das Treiben mit verständnisvollem Blick, wandte sich dann ab und hielt Ausschau nach Josuah Parker. Sie schritt energisch zu einer Tür, die im Hintergrund der Automatenhalle zu sehen war. Ein Mann stand breitbeinig davor und machte einen abweisenden Eindruck.
»Man plündert Ihre Automaten aus, junger Mann«, sagte sie, als sie ihn erreichte. »Nicht mein Bier«, gab er zurück. »Sie haben hier einen Butler gesehen?« »Weiß nicht«, meinte er und musterte sie mehr als nur neugierig. »Sie haben also, junger Mann!« Lady Agatha nickte bestätigend und nestelte an ihrer eigenwilligen Hutschöpfung, die von einigen Nadeln im Haar festgehalten wurde. Diese Hutnadeln erinnerten irgendwie an kleine Bratspieße. »Sind Sie etwa die Lady?« fragte der Mann und wandte sich halb zur Tür um. »Ich glaube, Sie werden erwartet.« »Und was ist das da?« Agatha Simpson zeigte mit ihrer linken Hand in eine Ecke des Saales, der Mann nahm neugierig und erwartungsvoll den Kopf herum, um dann aber zu stöhnen. Lady Agatha hatte ihm eine ihrer Hutnadeln gezielt in die linke Gesäßhälfte geschoben. »Sind Sie verrückt?« Der, Mann fuhr herum und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Dann erst sah er die lange Hutnadel in der Hand der älteren Dame und wich unwillkürlich zurück. »Die Nadel ist vergiftet«, meinte Lady Agatha fast freundlich, »beeilen Sie sich, vielleicht schaffen Sie es gerade noch bis zum Arzt!« Der Mann starrte die Lady an, rieb sich die schmerzende Stelle, begriff erst mit einiger Verzögerung und entwickelte sich dann zu einem Sprinter. Aus dem Stand jagte er durch den Spielsalon, kurvte durch den Eingang und verschwand auf der Straße. Lady Agatha aber schickte sich an, nach Josuah Parker zu suchen. ***
»Sehen Sie sich das an, Mike«, sagte Kathy Porter, die gerade von der Haustür gekommen war. Sie zeigte dem Anwalt ein Päckchen, kaum größer als eine Rekorder-Kassette. »Die angekündigte Kassette«, erwiderte Mike Rander, »sie sieht eigentlich regulär und harmlos aus, wie?« »Dennoch, Mike, wir sollten vorsichtig sein ...« Sie legte den Gegenstand, der in Zeitungspapier eingeschlagen war, vorsichtig auf den Tisch. »Das Päckchen hing am Türgriff, Mike. Es läutete, und ich konnte gerade noch einen Motorradfahrer sehen, der zur Straße zurückpreschte.« »Man ist direkt versucht, es zu öffnen.« Rander deutete auf das kleine, flache Päckchen. »Aber wir sollten dieser MordHornisse nicht trauen, Kathy.« »Warten wir, bis Lady Simpson und Mr. Parker wieder zurück sind«, schlug sie vor und schaute hoch, als die Türglocke anschlug. Diesmal ging der Anwalt zum Vorflur, öffnete den Wandschrank und schaltete die Fernsehkamera über der Haustür ein. Der Chief-Superintendent blickte in das Objektiv und lächelte. »Moment, McWarden.« Rander betätigte den elektrischen Türöffner und ließ den hohen Yardbeamten eintreten. McWarden grüßte Kathy Porter und sah sich erwartungsvoll um. »Nehmen Sie mit uns vorlieb, McWarden«, sagte Mike Rander, »Lady Simpson und Parker sind unterwegs.« »Ach ja? Wie interresant. Darf man erfahren, wohin sie sind?« »Keine Ahnung, McWarden. Haben Sie eine andere Antwort erwartet? Aber Sie können gern warten und Lady Simpsons Sherry dezimieren.«
»Wenn Sie nicht da ist und leidet, macht es mir keinen Spaß«, erwiderte der Chief-Superintendent, »ich weiß doch, daß sie fast Zustände bekommt, wenn ich ihren Sherry trinke. Aber ich warte gern . .. Gibt es Neuigkeiten?« »Sie haben von der Mord-Hornisse eine Tonbandkassette bekommen, nicht wahr, McWarden? Wir wurden von diesem Gangster angerufen.« »Ist Ihre Kassette auch schon eingetroffen?« McWarden hatte das flache Päckchen auf dem Tisch entdeckt. »Aber wir werden es nicht öffnen.« Rander winkte ab. »Das überlassen wir lieber Parker, der kennt sich darin aus. Was ist denn auf Ihrer Kassette zu hören?« »Die Stimme von Herbert Denfeld«, gab McWarden zurück, »er sagt, es ginge um sein Leben und man solle das Lösegeld unbedingt zahlen. Das ist eigentlich schon alles.« »Hat man seine Stimme identifiziert?« erkundigte sich Kathy Porter. »Es ist einwandfrei Denfeld«, beantwortete der Yardbeamte die Frage und nickte noch zusätzlich, »wir haben die Kassette gleich an unseren Geheimdienst weitergegeben. Die Leute dort haben einen Vergleich der Stimmenfrequenz vorgenommen. Der Mann auf dem Tondband ist eindeutig Denfeld.« »Wie klappt denn Ihre Zusammenarbeit mit unserem Geheimdienst?« Rander sah McWarden lächelnd-spöttisch an. »Die übliche Arroganz dieser Leute«, entgegnete McWarden, »sie halten uns für ausgemachte Trottel, aber sie sind sauer auf Parker. Sie wissen, was passiert ist? « »Mr. Parker hat da einige Andeutungen gemacht«, sagte Kathy Porter vorsichtig, »er hatte mit zwei Männern zu tun.« »Mit Ken Cupping und Bert Emerson«, erwiderte McWarden, »das sind die beiden Geheimdienstleute, die ich gestern mitbrachte. Mr. Parker muß sie ganz schön
verschaukelt haben.« »Cupping und Emerson können sich doch nicht beklagen«, meinte Kathy Porter lächelnd, »Mr. Parker setzte sie wieder neben ihrem Wagen ab, nachdem man sich unterhalten hatte.« »Cupping und Emerson haben die Schmiere noch immer nicht restlos vom Gesicht bekommen.« McWarden lachte schadenfroh. »Ich frage mich nur, wo Mr. Parker in der vergangenen Nacht gewesen sein könnte!« »Sie wissen doch, daß er sich hin und wieder die Beine vertritt«, schaltete Mike Rander sich ein, »er hat ja auch uns gegenüber stets so seine Geheimnisse, McWarden.« »In Soho soll es plötzlich dichten Nebel gegeben haben. Räumlich ganz eng begrenzt.« McWarden blickte Kathy und Mike abwartend an. »Für Nebel ist London ja weltbekannt, McWarden.« Rander lächelte. »Ich will dieses Thema nicht weiter vertiefen.« McWarden lächelte verständnisvoll. »Übrigens, der US-Geheimdienst hat ebenfalls eine Kassette erhalten, aber diese Leute sind noch arroganter als unsere Geheimdienstleute. Sie weigern sich, auch nur andeutungsweise zu sagen, was auf dieser Kassette zu hören ist.« »Wissen Sie denn jetzt wenigstens, McWarden, wer dieser Herbert Denfeld ist?« erkundigte sich der Anwalt, »für uns ist das nur ein Name, nicht mehr und nicht weniger. Ich wette, Sie haben inzwischen Ihre Übersee-Beziehungen genutzt und Erkundigungen über den Elektroniker eingezogen.« »Habe ich, Rander, daraus mache ich keinen Hehl. Man hat ja schließlich Freunde. Herbert Denfeld ist neunundvierzig Jahre alt, seine Frau Jill aber erst achtundzwanzig. Ein ganz netter Unterschied, wie?« »War Denfeld vorher schon mal verheiratet?« wollte Kathy
Porter interessiert wissen. »Der Altersunterschied ist wirklich beträchtlich.« »Er hat bereits zwei verkorkste Ehen hinter sich«, berichtete McWarden weiter, »die beiden Frauen reichten die Scheidung ein und nannten als Grund seelische Grausamkeit.« »Hört sich ja direkt aufregend an.« Kathy Porter lächelte. »Die übliche Floskel in den Staaten«, meinte der ChiefSuperintendent, »nach meinen Informationen fühlten sich beide Frauen völlig vernachlässigt. Denfeld war bisher eigentlich mit seinem Labor verheiratet. Sein Leben spielte sich zwischen dem Institut und seinem Privatlabor ab.« »Ist es sein Privatinstitut?« erkundigte sich Kathy. »Ja und nein. Seine Forschungsarbeiten werden von der einschlägigen Industrie finanziert, die ihm auch das Institut eingerichtet hat. Denfeld hat aber völlig freie Hand.« »Stammen aus den beiden ersten Ehen Kinder?« fragte Kathy Porter. »Nein, die beiden Ehen blieben kinderlos«, gab McWarden Auskunft, »noch etwas sollte man wissen: Denfelds Ehen wurden schnell und formlos gelöst, es gab keine Komplikationen. Seinen Unterhaltsverpflichtungen kann er spielend leicht nachkommen. Denfeld verdient schweres Geld, die Industrie weiß genau, was sie an ihm hat.« »Diese Industrie finanziert ihn also, sie schluckt auch die Ergebnisse und Patente?« Mike Rander stellte diese Frage. »Wie das genau gehandhabt wird, weiß ich nicht«, sagte der Chief-Superintendent, »aber man scheint da Lösungen gefunden zu haben. Jede Finanz- und Firmengruppe wird vermutlich auf ihre Kosten kommen.« »Diesen Wundermann würde ich mir gern mal ansehen«, sagte Kathy Porter, »das scheint ja ein zweiter Edison zu sein.« »Richtig, ich habe ja Fotos von ihm mitgebracht.«
McWarden griff in seine Brusttasche und reichte Kathy Porter und Mike Rander einige Bilder. Kathy sah sich die Aufnahmen aufmerksam an. Dann schüttelte sie den Kopf. »Sehr enttäuschend«, meinte sie endlich, »er sieht aus wie eine aufgedunsene Eule.« Herbert Denfelds Beschreibung entsprach, wenn auch etwas verzeichnet, den Tatsachen. Er war mittelgroß, dicklich, hatte ein schwammiges Gesicht, tiefligende Augen und schien Brillenträger zu sein. Diese Brille hatte er auf den Fotos auf die Stirn geschoben. »So sieht also ein Genie aus«, sagte Mike Rander, »er ist doch eins, McWarden, oder?« »Haben Sie auch Aufnahmen von seiner dritten Frau Jill?« fragte Kathy Porter. »Die sind bereits per Luftpost an mich unterwegs«, gab McWarden zurück, »sobald ich sie habe, werde ...« »Moment, das Telefon.« Rander ging an den Apparat und meldete sich. Er hörte kurz zu, um den Hörer dann kommentarlos an McWarden weiterzureichen. Der ChiefSuperintendent brauchte nur wenige Sekunden, um die Nachricht entgegenzunehmen. Er legte auf und nickte Kathy und Mike zu. »In Soho scheint Mylady zugeschlagen zu haben«, sagte er dann, »dort wurde eine Spielhalle demoliert!« *** »Ich mußte in Notwehr handeln«, behauptete Agatha Simpson und sah zufrieden in die Runde, »die Lümmel fielen über mich her und wollten handgreiflich werden.« »Eine hübsche Strecke«, konstatierte McWarden anerkennend und sah auf drei stämmige, muskelbepackte
Männer, die entnervt auf dem schmutzigen Boden saßen und augenscheinlich froh waren, daß die Polizei sich eingeschaltet hatte. »Und wo ist Mr. Parker?« fragte Mike Rander. Er und Kathy Porter hatten McWarden begleitet. »Drüben, im Hinterzimmer«, erwiderte die ältere Dame, »ohne meine Hilfe wäre er wohl von der Hornisse umgebracht worden.« »Moment - von der Hornisse?« McWarden stutzte und setzte sich umgehend in Bewegung. Er lief förmlich in den Raum, auf den Lady Agatha gezeigt hatte. Hier traf er auf Josuah Parker, der einen korrekt-unversehrten Eindruck machte. Er stand einem glatzköpfigen Mann gegenüber, der einen Schnurrbart trug. Dieser Mann hing recht ausgepumpt und erschöpft in einem einfachen Sessel und fingerte an einer Beule, die sich auf seiner Glatze deutlich ausbildete. »Alles in Ordnung, Mr. Parker?« fragte McWarden. »Anlaß zu Besorgnissen besteht keineswegs, Sir«, gab Parker zurück und deutete dann mit der Schirmspitze auf den Glatzkopf, »dies ist der Mann, der sich in der vergangenen Nacht als Hornisse ausgab.« »Das stimmt nicht«, empörte sich der Mann, »ich heiße Randy Green und ...« »Ich weiß, Green«, unterbrach McWarden ihn, »Sie sind wieder aktiv?« »Sagen Sie diesem Butler, daß ich nicht die Hornisse bin«, bat Green und maß Parker mit scheuem Blick. »Aber Sie kennen die Hornisse, oder?« fragte der ChiefSuperintendent. »Natürlich nicht, das heißt, nur vom Namen her. Und das auch erst seit vergangener Nacht. Das war eine ganz komische Geschichte, Sir. Ich bin hier angerufen worden und ...«
»Haben Sie sich hier eingenistet?« wunderte sich McWarden. »Ich hatte ... Ich war... Also, ich wollte mal mit diesen Killerautomaten spielen, mehr nicht. Und da wurde ich plötzlich ans Telefon gerufen, und ein Mann meldete sich, der sich Hornisse nannte. Ich glaube wenigstens, daß es so war.« »Sie haben also hier im Hinterzimmer gepokert«, meinte McWarden, »aber bleiben wir bei dem Anrufer. Was wollte er von Ihnen?« »Ich sollte 'nen kleinen Scherz einfädeln«, redete Randy Green weiter, »ich sollte einen Butler auf den Arm nehmen und...« »Sie zwangen einen Mr. Pickett, meine Wenigkeit anzurufen«, schaltete der Butler sich ein. »Zwingen? Naja, ich habe ihn zusammen mit ein paar Freunden überrumpelt«, verteidigte sich Randy Green, »aber der Mann war dann schließlich einverstanden, sich an dem kleinen Scherz zu beteiligen. Das kann ich beschwören.« »Seit wann sind Sie wieder auf freiem Fuß?« wollte der Yardbeamte wissen. »Seit einer Woche. Ich habe in Liverpool gesessen, aber das war ein reiner Justizirrtum, Sir. Eines Tages wird man das merken, bestimmt.« »Und wie sind Sie für den kleinen Scherz bezahlt worden?« »Nach dem Anruf trabte hier ein Mann an und brachte mir ein Päckchen mit Scheinen. Es war wirklich nicht die Welt, Sir, es handelte sich um fünfzig Pfund.« »Sie heuerten also ein paar Schläger aus der Spielhalle an und zogen Ihren kleinen Scherz ab, wie?« »Dazu kam's ja gar nicht, Sir, der Butler da spielte verrückt. Wie eben auch. Der war plötzlich hier im Zimmer und schlug mit der Krücke von seinem Schirm einfach so um sich.«
»Einfach so.« McWarden lächelte. In Parkers Gesicht rührte sich kein Muskel.. »Einfach so, Sir, drei Leute, die auch noch hier waren, hauten sofort ab und ließen mich allein zurück. Und dann bin ich mißhandelt worden ... Ja, mißhandelt, Sir! Ich bin zusammengeschlagen worden.« »Mir bricht gleich das Herz, Green«, spottete der ChiefSuperintendent, »kommen Sie, ich lasse Sie in Sicherheit bringen.« »Nichts wie weg«, erwiderte Randy Green erleichtert und stemmte sich aus dem Sessel. »Würden Sie freundlicherweise einen Blick auf diesen Eispickel werfen, Sir? « Parker deutete mit der Spitze des Schirms auf den Gegenstand, der auf dem Arbeitstisch lag. McWarden musterte ihn und verzog sein Gesicht. »Scheußlich«, meinte er dann, »der Stachel der Hornisse. Davon war auch etwas auf der Kassette zu hören, Mr. Parker. Sie haben übrigens auch so ein Tonband bekommen. Die Hornisse, wie sie sich nennt, ist zur Sache gekommen. Sie verlangt fünf Millionen.« »Und ich hab' nur hundert Pfund bekommen«, ärgerte sich Randy Green. »Fünfzig«, korrigierte McWarden und lächelte bissig. »Natürlich, fünfzig«, korrigierte sich der Glatzkopf, »ich hab' das durcheinandergebracht. Wollen wir jetzt gehen?« »Ab durch die Mitte«, sagte McWarden und schob den Glatzkopf in den Spielsaal. Hier herrschte leichtes Chaos, wie McWarden erst jetzt wahrnahm. Automaten waren umgestürzt und zertrümmert worden. Auf dem Boden lagen Geldmünzen. Einige Sitzbänke waren aus ihren Wandhalterungen gerissen worden. »Verhaften Sie diese Frau«, sagte ein etwa fünfzigjähriger
Mann, dessen Anzug zerrissen war. Er deutete auf Lady Agatha und keuchte vor Empörung. Sein Gesicht war krebsrot, in seinem Gesicht waren einige Schrammen zu sehen, die die Schwellungen zusätzlich unterstrichen, »verhaften Sie diese Frau, Sir! Sie hat meine Spielhalle in einen Trümmerhaufen verwandelt.« »Sie sind wer?« wollte McWarden genußvoll wissen. Er überließ Randy Green einigen Mitarbeitern, die mit ihm zum Ausgang gingen. Dort hatte sich eine Menge neugieriger Beobachter eingefunden. »Lon Bungay«, antwortete der aufgebrachte Mann, »mir gehört dieser Automatensalon. Sehen Sie sich an, wie es hier aussieht.« »Und das alles soll diese hilflose Dame angerichtet haben?« McWarden grinste schadenfroh, »ich möchte den Richter sehen, der Ihnen das abnimmt, Mr. Bungay.« »Diese Frau hat mich mißhandelt«, empörte sich Lon Bungay, »sie hat mich geohrfeigt und mit Ihrem Handbeutel auf mich eingeschlagen. Da muß ein Stück Eisen drin sein.« »Auch das wird Ihnen kein Mensch abnehmen, Mr. Bungay«, sagte McWarden, »welche Dame würde schon ein Stück Eisen mit sich herumschleppen? Möchten Sie zu dieser Behauptung etwas sagen, Mylady?« »Ich werde mich bei diesem Subjekt entschuldigen«, gab Agatha Simpson zurück, »aber nur unter vier Augen.« »Schon gut, schon gut«, sagte Lon Bungay hastig und suchte hinter einem noch intakten Automaten Schutz, »vielleicht habe ich mich auch geirrt!« *** Parker kam aus der Garage und legte die Kassette auf den
Tisch. Er hatte sie gründlich untersucht und herausgefunden, daß sie keine tödlichen Überraschungen bot. »Haben Sie sie schon abgespielt, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha. »Sicherheitshalber, Mylady«, antwortete der Butler, »es handelt sich um eine Mitteilung an Mylady und an meine Wenigkeit.« Der Butler stellte einen kleinen Rekorder auf den Beistelltisch, legte die Kassette ein und ließ sie abspielen. Zuerst war eine Männerstimme zu hören, die sich als Herbert Denfeld vorstellte. Der Elektroniker sagte klar und deutlich, man würde ihn umbringen, falls man bis zum Wochenende nicht fünf Millionen zahle. Er fügte hinzu, es ginge ihm den Umständen entsprechend gut. Nach dieser Nachricht des Elektronikers meldete sich die sogenannte Mord-Hornisse zu Wort. Die Stimme klang wieder undeutlich und war kaum zu verstehen. Die Hornisse verlangte die Einstellung jeder weiteren Ermittlung, sonst würde Denfeld eines langsamen, qualvollen Todes sterben. Nach diesem Zwischenteil wurde Josuah Parker direkt angesprochen. Die Stimme der Mord-Hornisse wurde schärfer und aggressiver. Die Hornisse teilte dem Butler mit, diesmal würden seine faulen Tricks nicht verfangen und er seinen Meister finden. Die Hornisse schloß mit der Mitteilung, Parker müsse sterben, sein Tod sei bereits beschlossene Sache. »Der Knabe scheint Sie nicht zu mögen«, sagte Mike Rander, nachdem die Nachricht beendet war. »Parker, ich würde diese Drohung nicht auf die leichte Schulter nehmen.« »Mich, hat dieses Subjekt erst gar nicht angesprochen«, ärgerte sich die ältere Dame. Sie schien ein wenig eifersüchtig zu sein. »Über Selbstverständlichkeiten dürfte die Mord-Hornisse kaum sprechen, Mylady«, erwiderte der Butler, »Mylady stehen selbstverständlich an erster Stelle auf der Mordliste.«
»Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben.« Sie beruhigte sich etwas. »McWarden und der US-Geheimdienst haben ähnliche Mitteilungen erhalten, nicht wahr?« »Dies ist der Fall, Mylady«, entgegnete der Butler, »darf man darauf aufmerksam machen, daß bis zum Wochenende nur noch zwei Tage verbleiben?« »Ja, was hat McWarden denn zu bieten?« fragte Rander, »ist die Regierung bereit, das Lösegeld aufzubringen? Wie wird der amerikanische Geheimdienst reagieren?« »Man wird Krisensitzungen einberufen«, warf Kathy Porter spöttisch ein. »Während ich den Fall löse, Kindchen.« Agatha Simpson hatte schon wieder Oberwasser gewonnen. »Mr. Parker, ich werde jetzt offensiv werden.« »Wie Mylady wünschen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Leiten Sie die erforderlichen Dinge ein«, erklärte sie weiter, »ich will keine Zeit verlieren. Sie wissen doch hoffentlich, wie ich an diese Mord-Hornisse herankomme, oder?« »Mylady denken an den Glatzkopf namens Randy Green?« »Tatsächlich? Äh, ich meine, warum auch nicht? Er hat sich schließlich als Mord-Hornisse ausgegeben.« »Diese Hornisse muß ihn also kennen«, schlußfolgerte Kathy Porter. »Ihn, und auch den Spielsalon«, warf Mike Rander ein. »Rein zufällig wird die Hornisse sich diesen Randy Green nicht ausgesucht haben.« »Für mich sind die Zusammenhänge sonnenklar«, behauptete Agatha Simpson, »ich sehe alles ganz deutlich vor mir! « »Dürfen wir mitsehen, Mylady?«fragte der Anwalt. »Der Betreiber dieses Automatensalons ist die Mord
Hornisse«, redete sie weiter, »ich denke, ich werde mich mit diesem Subjekt noch mal ausführlich unterhalten.« »Wieso kommen Sie ausgerechnet auf Lon Bungay?« staunte Mike Rander. »Er kennt diesen Glatzkopf und hat ihm auch die Schläger besorgt«, erwiderte die Lady, »damit hat er sich verraten. Und dann kommt ja auch noch meine Erfahrung hinzu, mein lieber Junge.« »Überredet, Mylady«, sagte Rander salopp, »diesen Argumenten beuge ich mich natürlich.« »Und was ist mit Ihnen, Mr. Parker?« Sie sah ihren Butler erwartungsvoll an. »Wenn Mylady erlauben, möchte ich das Tonband einer gewissen Anlayse unterziehen«, antwortete Josuah Parker, »es existieren darauf einige Hintergrundgeräusche, die man untersuchen sollte.« »Richtig«, behauptete sie umgehend, »die habe ich ebenfalls gehört. Eigentlich sofort.« »Und wie klingen die?« fragte Mike Rander. »Nun ja, eben wie Geräusche«, redete sie sich schnell heraus, »aber ich will Mr. Parker nicht vorgreifen, sonst könnte ich ihn womöglich noch beeinflussen.« Um keine weiteren Fragen beantworten zu müssen, erklärte die Detektivin, sie müsse noch ein wenig meditieren. Sie rauschte ins Obergeschoß des Hauses. *** Butler Parker befand sich in seinem Privatlabor und studierte die Kassette. Er spielte sie sich immer wieder vor und interessierte sich vor allen Dingen für die Hintergrundgeräusche, die allerdings nur andeutungsweise zu
vernehmen waren. Wenn ihn nicht alles täuschte, war das Bellen von einigen Hunden zu vernehmen, dann - nur einmal und sehr deutlich - das Heulen einer Fabriksirene. Während Parker die Geräusche in sich aufnahm und speicherte, beschäftigte er sich mit der Zubereitung eines Pulvers, dessen Basis fein gemahlener Pfeffer war. Parker fügte diesem Grundstoff noch andere Ingredienzen zu, um die Wirksamkeit noch zusätzlich zu erhöhen. Ihm ging es darum, eine Art Sekundeneffekt zu erzielen. Er schaute hoch, als vorn an der Tür zu seiner Souterrainwohnung angeklopft wurde. Parker öffnete und sah sich Mike Rander gegenüber. »Mich treibt die Neugier, Parker«, begann Rander in seiner saloppen Art, »haben Sie schon etwas herausgehört?« »Das Bellen einiger Hunde und das Geheul einer Fabriksirene, Sir. Ich möchte allerdings betonen, daß meine Wenigkeit keine elektronische Filterung vornahm.« »Das Bellen von Hunden?« Rander folgte dem Butler ins Labor und hörte sich das Tonband noch mal an. Dann schaute er hoch und schüttelte zweifelnd den Kopf. »Offen gesagt, Parker, ich höre nichts«, meinte er dann, »gut, diese Sirene bekomme ich gerade noch mit, doch mehr nicht.« »Wenn man die Dinge noch mal verdeutlichen darf, Sir?« Parker spulte das Band zurück und ließ es dann wieder vorlaufen. Als der bestimmte Punkt kam, hob er die Hand. Rander beugte sich vor, um noch besser hören zu können. Danach zuckte er die Achseln. »Fehlanzeige«, sagte er, »aber was das Hundegebell angeht, so verlasse ich mich da ganz auf Sie, Parker. Und da wir gerade von Hunden sprechen. Soll dieser Dan Wentrop nicht so eine Art Hundepension betreiben?« »In Redbridge, Sir«, bestätigte der Butler, »er ließ die beiden Gangster Miller und Mayer einfliegen, wie feststehen dürfte.«
»Das ist doch eine superheiße Spur, Parker. Miller und Mayer kommen aus den Staaten, unser Elektroniker ebenfalls. Da könnte es Zusammenhänge geben, « »Sie drängen sich einem förmlich auf, Sir, wenn ich so sagen darf.« »Laut unserem Horace Pickett ist dieser Wentrop doch ein raffinierter Gangster.« »Der auf bestimmte Art erfahren haben müßte, Sir, daß Mr. Herbert Denfeld nach London zu kommen gedachte.« »Er könnte diesen Tip von amerikanischen Freunden bekommen haben.« »Eine Möglichkeit, Sir, die man überdenken sollte.« »Fest steht, daß Denfelds Flug nach London nicht an die große Glocke gehängt wurde«, schickte der Anwalt voraus, »von diesem Trip wußten nur ein paar Mitarbeiter, dann natürlich seine Frau Jill und eben der US-Geheimdienst.« »Damit dürfte der Kreis der eingeweihten Personen bereits erfaßt worden sein, Sir. Auf meine Bitte hin überprüft Mr. Pickett zur Zeit, wann die Herren Miller und Mayer London erreichten. Meine Wenigkeit geht davon aus, daß sie möglicherweise dieselbe Maschine benutzten wie Mr. Herbert Denfeld.« »Dann müßte der Drahtzieher dieser Entführer in den Staaten sitzen!« »Dort dürfte man in der Tat wesentlich besser wissen, wer Mr. Denfeld ist, Sir.« »Dieser Drahtzieher, Parker, hat doch mit Miller und Mayer zwei Profis losgeschickt, oder? Ich meine, sind Miller und Mayer Gangster, die man ernst nehmen muß.« »In jedem Fall, Sir, wenngleich sie hier auch einige Niederlagen einstecken mußten. Sie waren, wenn ich so sagen darf, auf gewisse Reaktionen nicht vorbereitet.«
»Miller und Mayer könnten diesen Hundeliebhaber Wentrop engagiert haben, Parker.« »Mr. Dan Wentrop dürfte selbst in den USA einen gewissen Ruf haben, was die kriminelle Szene betrifft.« »Warum nehmen wir uns diesen Wentrop nicht vor?« »Meine Wenigkeit ist damit beschäftigt, Sir, einen gewissen Reizstoff herzustellen«, erklärte der Butler, »man sollte bei einem Besuch davon ausgehen, daß Mr. Wentrop sein Gelände von Hunden bewachen läßt, die auf den Mann dressiert sind.« *** »Sehr hübsch«, urteilte Lady Agatha zwei Stunden später. Es war Nachmittag geworden. Sie stand neben Parkers hochbeinigem Monstrum und blickte in das weite Tal, in dem die Farm lag. Es gab dort ein Haupthaus, eine große Scheune, einige Stallungen und dann im Anschluß daran eine Reihe von Hundezwingern. Alles machte einen wohlgeordneten Eindruck. Die Fahrt nach Redbridge war ein wenig verwickelt verlaufen. Butler Parker hatte schnell herausgefunden, daß ihnen zwei Wagen folgten, in denen allerdings inzwischen gute Bekannte saßen. Es handelte sich um die beiden USGeheimdienstleute Pandix und Boulder, die sich einen neuen Wagen zugelegt hatten, dann auch um die beiden Angehörigen des britischen Geheimdienstes, nämlich um Ken Cupping und Bert Emerson. Parker hatte diese vier Männer allerdings inzwischen abgeschüttelt und war sicher, daß sie nicht wußten, wo er sich zur Zeit aufhielt. Parker wollte um jeden Preis vermeiden, daß die vier Männer auf dem Farmgelände erschienen. Es stand dann nämlich zu befürchten, daß der entführte Herbert Denfeld in Lebensgefahr geriet, falls er auf der Farm festgehalten wurde.
»Worauf warten wir eigentlich noch?« erkundigte sich die ältere Dame, »ich will endlich diesen Wentrop sehen, Mr. Parker.« »Mylady sollten davon ausgehen, daß auch die Herren Miller und Mayer anwesend sind«, antwortete der Butler, »sie dürften einigen Groll hegen.« »Hoffentlich«, freute sich die Detektivin wieder mal im vorhinein, »ich habe nichts dagegen, ein paar Ohrfeigen auszuteilen.« Sie stieg zurück in den Fond des Wagens, Parker setzte sich ans Steuer. Das hochbeinige Monstrum glitt in gemächlicher Fahrt hinunter ins Tal und näherte sich der Farm, die im weiten Kreis von einem gut gepflegten Maschendrahtzaun umgeben war. Das Tor stand allerdings weit und einladend auf. Als Parker es durchfahren hatte, schloß es sich automatisch hinter dem Wagen. Parker beobachtete dies im Rückspiegel, doch es berührte ihn kaum. Für ihn war es klar, daß ein Mann wie Dan Wentrop sich absicherte. Als das Farmhaus erreicht war, ließ sich kein Mensch blicken. Lady Agatha stieg aus und schritt energisch auf die Haustür zu. Der Pompadour an ihrem linken Handgelenk war in leichte Schwingungen geraten. Parker folgte seiner Herrin und wartete auf Zwischenfälle. Der erste stellte sich umgehend ein. Um die Hausecke kurvten vier mächtige Hunde, die man wohl gerade von der Kette gelassen hatte. Sie waren schwarz, hatten prächtig ausgebildete Fänge und waren ganz versessen darauf, sich auf die beiden Besucher zu stürzen. Man hatte sie übrigens genau im richtigen Moment losgelassen, denn eine Rückkehr zum hochbeinigen Monstrum war bereits unmöglich, die Zeit dazu hätte nicht mehr gereicht. Josuah Parker, der sich auf bissige Hunde eingerichtet hatte, drückte auf den regulären Schirmknopf, worauf das Regendach
sich blitzschnell entfaltete. Die vier Hunde bremsten verdutzt ihren Schwung und stemmten sich mit ihren diversen Vorderläufen gegen ihren Schwung. Mit diesem plötzlichen schwarzen Hindernis hatten sie auf keinen Fall gerechnet und wirkten daher auch ein wenig irritiert. Parker nutzte die Verwirrung der Vierbeiner und bot ihnen seine Spezialmischung an. Aus der rechten Tasche seines schwarzen Covercoats holte er einen kleinen Blechzylinder, wie er zur Aufnahme teurer Zigarren verwendet wird. Diese Zylinder warf der Butler formlos den Hunden vor, die zusammenzuckten, als eine kleine, dumpf klingende Detonation zu hören war. Dadurch wurde das Reagenzglas im Zylinder zerstört, der die Spezialmischung umschlossen hatte. Von der Gewalt des Innendruckes angetrieben, schoß die Mischung durch eine Vielzahl von Schlitzen in die freie Luft und legte sich auf Augen und Riechorgane der vier Hunde. Der erste Hund setzte sich auf seine Hinterläufe und nieste ausgiebig. Der zweite Hund erinnerte plötzlich an eine riesige schwarze Katze, die sich mit einer ihrer Pfoten das Gesicht wusch. Der dritte Hund weinte im wahrsten Sinn des Wortes dicke Tränen. Der vierte Hund schrammte mit seiner empfindlichen Nase über den rauhen Boden, um den Juckreiz zu lindern. »Sehr sensible Tiere«, sagte die ältere Dame, »man scheint sie überzüchtet zu haben.« »Sie lassen eine gewisse Angriffslust durchaus vermissen, Mylady.« Parker deutete mit der Spitze seines Regenschirms auf die vier Hunde, »darüber hinaus scheinen sie den Menschen an sich geradezu zu meiden.« Er übertrieb keineswegs. Die Vierbeiner niesten, jaulten dazu, putzten sich ihre Nasen und zogen sich zögernd zurück. Sie zeigten keine Neigung mehr, über die beiden Besucher herzufallen.
»Ich werde ein ernstes Wort mit dem Züchter reden«, meinte die Detektivin und donnerte ihren Pompadour gegen das Türblatt, »ich hoffe doch, daß dieser Wentrop zu Hause ist.« »Ist er!« Die Tür schwang auf, und Lady Agatha blickte in die Mündung einer Automatik. Gehalten wurde die Waffe von einem sportlich straffen Mann, der etwa fünfzig sein mochte. »Sie sind Wentrop?« fragte Agatha Simpson, die die Waffe souverän übersah, »ich hoffe, Sie bieten mir eine Sitzgelegenheit an, junger Mann.« »Ich kann Ihnen sogar einen Sarg anbieten, Lady«, antwortete Wentrop, »mit mir macht man keine Faxen!« *** »Die Präsentation Ihrer Waffe grenzt, mit Verlaub gesagt, an Alberei«, äußerte Josuah Parker, der nach Lady Simpson den großen Wohnraum des Farmhauses betreten hatte. »Kommen Sie einem Dan Wentrop nicht mit Bluff, Parker«, sagte der Gangster. »Sie gehen davon aus, daß Mylady und meine Wenigkeit ohne eine gewisse Rückversicherung hier erschienen sind?« »Natürlich sind Sie auf eigene Faust gekommen. Ich weiß genau, wie Sie reagieren, wie Sie vorgehen. Sie lassen die Behörden immer aus dem Spiel.« »Wollen Sie mir nicht endlich eine Tasse Tee anbieten?« Die Stimme der Lady hatte einen grollenden Unterton, »es kann natürlich auch ein direktes Kreislaufbeschleunigungsmittel sein.« »Was kann es sein?« Dan Wentrop beugte sich vor. »Kognak oder Brandy, junger Mann«, erläuterte die Lady, »und legen Sie endlich die Waffe weg! Sie glauben doch wohl nicht, daß mir so etwas imponiert, wie?«
»Sie riskieren 'ne ganz schöne Lippe, Mylady«, wunderte sich Dan Wentrop. »Ich werde Sie später für diese Bemerkung ohrfeigen«, versprach Agatha Simpson. Sie hatte vor dem schweren Tisch Platz genommen und musterte den Gangster, der die beiden amerikanischen Profis Miller und Mayer hatte einfliegen lassen. »Darf man sich nach dem Befinden der Herren Miller und Mayer erkundigen?« Parker hatte sich zu Wort gemeldet. Er stand seitlich hinter Lady Agatha. »Wer sind Miller und Mayer?« Dan Wentrop zuckte die Achseln. »Zwei Lümmel, die sich als ausgekochte Gangster ausgegeben haben und in einem Moorloch etwas für ihre Gesundheit taten«, erklärte die ältere Dame genußvoll. »Bei dieser Gelegenheit wurde Ihr Name genannt, Mr. Wentrop«, fügte der Butler hinzu, »die Herren Miller und Mayer wußten zu diesem Zeitpunkt nicht, daß Mylady und meine bescheidene Wenigkeit ganz in der Nähe waren und zuhörten.« »Dann müssen Sie sich verhört haben«, behauptete Wentrop, »mit Gangstern habe ich nichts zu tun. Ich betreibe hier eine Hundepension und züchte auch besondere Rassen.« »Niesende Kampfhunde?« stichelte Agatha Simpson. »Lassen wir das.« Wentrop reagierte sauer. »Sagen Sie mir, was Sie hier wollen.« »Sind Sie die Mord-Hornisse?« Agatha Simpson antwortete ungeniert wie immer. »Was soll ich sein?« Wentrop grinste amüsiert. »Ein Gangster, der fünf Millionen erpressen will.« »Wer hat Ihnen denn diesen Bären aufgebunden?« »Das Tonband, das man Mylady per Kassette zugestellt hat«,
gab Parker zurück, »auf diesem Tonband war das typische Gebell von Hunden zu vernehmen. Darüber hinaus ließ sich das Geheul einer Fabriksirene herausfiltern. Diese Fabrik befindet sich jenseits des Wäldchens, wie bereits festgestellt wurde.« »Sie sind nicht auf den Gedanken gekommen, daß man mich aufs Kreuz legen will, Parker?« »Auch daran wurde natürlich gedacht, Mr. Wentrop«, entgegnete der Butler höflich, »Mylady bedanken sich übrigens, wenn auch im Rahmen, für die wirklich liebenswürdige Einladung, hier auf der Farm nach Mr. Denfeld zu suchen.« »Moment mal, was soll ich erlaubt haben?« »Sie haben Mr. Herbert Denfeld Gastfreunschaft gewährt, Mr. Wentrop?« »Wer ist Denfeld, zum Teufel?« Der Gangster hob seine Waffe, das heißt, er wollte es tun, doch er hatte den Pompadour der älteren Dame völlig unterschätzt. Aus dem Handgelenk riß Lady Simpson den perlenbestickten Handbeutel hoch und setzte ihn auf das Handgelenk von Dan Wentrop, der unwillkürlich aufschrie. Die Waffe wurde ihm aus den Fingern gefegt. Sie landete auf dem Boden. Dan Wentrop starrte Lady Agatha entgeistert an, gab sich dann einen Ruck und hechtete auf die Waffe, um sie wieder in seinen Besitz zu bringen. Agatha Simpson stand auf und bewies, daß der Golfsport ihre Armmuskeln gestählt hatte. Sie griff nach der Tischkante, um dieses Stück Möbel anzuliften. Butler Parker leistete ihr dabei eine gewisse Hilfestellung, um Myladys Absichten zu fördern. Gemeinsam lifteten sie den Tisch hoch und kippten ihn um. In diesem Moment hatte Wentrops gesunde Hand gerade die Waffe erreicht und wollte sie in Besitz nehmen. Eine Sekunde später gab er diese Absicht allerdings auf, was ursächlich mit
der gesamten Tischplatte zusammenhing, die sich auf seinen Rücken legte. Dan Wentrop brüllte entsetzt auf. Dann schlug seine Stimme um, kickste und röchelte ein wenig. Lady Agatha ging einen Schritt nach vorn, stieg ungeniert auf die Unterseite der Tischplatte, die jetzt nach oben zeigte, und fragte Josuah Parker nach Dan Wentrop, den sie verständlicherweise momentan nicht sehen konnte. *** Dan Wentrop schäumte vor Wut, rüttelte an den Stäben des Zwingers und überschüttete die ältere Dame mit ausgesuchten Beleidigungen. Er befand sich in einem besonders stark gebauten Hundezwinger und hatte inzwischen längst herausgefunden, daß die Tür mit einer Eisenkette und einem zuverlässig aussehenden Vorhängeschloß gesichert war. »Das ist Freiheitsberaubung«, sagte Wentrop schließlich, nachdem seine Stimme heiser geworden war und sein Vorrat an Flüchen sich erschöpft hatte, »ich verlange, daß Sie mich sofort freilassen.« Er war von Parker unter der Tischplatte hervorgeholt und in diesen Zwinger geschafft worden. Wentrop hatte davon nichts mitbekommen, da er einer kurzfristigen Ohnmacht erlegen war. Doch jetzt war er voll wieder bei Sinnen, nur seine Stimme machte einen überstrapazierten Eindruck. »Die Herren Miller und Mayer werden sicher zu einem späteren Zeitpunkt behilflich sein können«, bemerkte Parker, »mittels einer guten Eisensäge müßte die Kette wohl durchgetrennt werden können.« »Sie haben doch den Schlüssel«, brüllte Wentrop wütend. »Belästigen Sie mich nicht weiter«, raunzte die Detektivin
den Gangster an, »oder brauchen Sie eine kalte Dusche?« »Ich werde alles auf Sie hetzen, was ich auf treiben kann«, schwor Wentrop eindringlich, »ich werde nicht früher ruhen, bis Sie ...« »War das gerade eine Drohung, Mr. Parker?« Mylady wandte sich an ihren Butler. »Eindeutig, Mylady, wie ich versichern darf.« »Reichen Sie mir den Wasserschlauch, Mr. Parker.« Josuah Parker ging ein paar Schritte zurück und rollte dann den Wasserschlauch von einer Trommel. Das Endstück nahm Lady Simpson fest entgegen. Parker hingegen versicherte sich, daß der Schlauch an einen Außenhahn angeschlossen war. Er öffnete ihn bis zum Anschlag, und Agatha Simpson schickte sich an, den total überreizten Gangster abzukühlen. Sie besorgte das mit Gründlichkeit und Phantasie. Dan Wentrop war innerhalb weniger Sekunden pitschnaß und gurgelte. Er spuckte Wasser, hustete, schützte mit vorgehaltenen Armen sein Gesicht und wollte sich hinter einer Hundehütte in Deckung bringen, wurde aber mit dem harten Wasserstrahl wieder hervorgescheucht. Lady Agatha strahlte. So etwas war durchaus nach ihrem Geschmack. Wentrop fand diese ausgiebige Kaltwasserbehandlung weniger schön. Er hüpfte und sprang durch den an sich geräumigen Zwinger, um dem Wasserstrahl zu entgehen, doch Agatha Simpson erreichte ihn immer wieder. »Ich werde ihm eine kleine Verschnaufpause gönnen«, sagte sie endlich, und Parker stoppte den Wasserdurchlauf. Die Lady verlangte nun eine Durchsuchung der Farm und machte sich sofort an die Arbeit. Josuah Parker begleitete sie und wunderte sich übrigens nicht, daß die beiden Gangster Miller und Mayer nicht anwesend waren. Nach ihrem Bad im Wasserloch hatten sie sich wahrscheinlich von Wentrop getrennt. Oder Wentrop hatte die beiden eingeflogenen Gangster in der Stadt London
untergebracht, damit man sie nicht mit ihm in Verbindung bringen konnte. »Ist dieser Elektroniker überhaupt hier, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Simpson nach einer halben Stunde. »Die Anzeichen sprechen nicht dafür, Mylady«, antwortet Parker, »man sollte auch vielleicht unterstellen, daß Mr. Wentrop mit der Mord-Horrnisse nicht identisch ist.« »Das paßt mir aber gar nicht«, entgegnete sie grollend. »Darf man daran erinnern, Mylady, daß die Herren Miller und Mayer, die eindeutig im Auftrag von Mr. Wentrop handeln, ebenfalls in Erfahrung bringen wollten, worüber Mr. Denfeld sich mit Mylady oder mit meiner Wenigkeit unterhielt.« »Das kann ein Ablenkungsmanöver gewesen sein.« »Ohne Not, Mylady, würde ein Mann wie Mr. Wentrop solch ein Risiko nicht eingehen«, vermutete der Butler, »es ist wohl zu unterstellen, daß auch die Gruppe Wentrop, Miller und Mayer nach Mr. Denfeld suchen, wie die Herren der diversen Geheimdienste.« »Und die Tonbandkassette, Mr. Parker?« »Die Geräusche dürften stimmen, Mylady«, antwortete der Butler, »aber sie wurden wohl doch absichtlich unterlegt, um Mylady auf eine falsche Fährte zu führen.« »Und was folgere ich daraus?« fragte sie interessiert. »Die sogenannte Mord-Hornisse, Mylady, muß auch Mr. Wentrop kennen. Wie sie auch die Herren Randey Green und Lon Bungay kennen muß.« »Die beiden Lümmel aus der Automatenhalle, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady. Die Mord-Hornisse dürfte einen weiteren, schwerwiegenden Fehler begangen haben.«
***
»Hören Sie auf«, sagte Dan Wentrop, als Lady Simpson sich wieder dem soliden Hundezwinger näherte. Der Gangster saß auf der Hundehütte, hatte die Beine angezogen und machte einen mehr als nur aufgeweichten Eindruck. Seine Stimme klang müde. »Nun reißen Sie sich mal gefälligst zusammen, junger Mann«, fuhr Lady Agatha den Gangster an, »haben Sie mir nicht diese vier Schoßhündchen auf den Leib gehetzt? Wollen Sie das etwa abstreiten?« »Die Tiere liefen frei herum«, behauptete Dan Wentrop, »das heißt, sie waren fast frei.« »Sie müssen Lady Simpson und meine bescheidene Wenigkeit kennen, Mr. Wentrop«, stellte Josuah Parker fest, »grundlos werden Sie die Hunde nicht freigelassen haben.« »Nein, nein, ich kenne Sie nicht«, sagte Wentrop, »oder mal so gesagt, ich ahnte, wer Sie sind, gebe ich ja zu. Lady, nehmen Sie den Wasserschlauch da weg. Ich habe die Nase voll.« »Ich erwarte Ihr Geständnis«, entgegnete die ältere Dame, »aber fassen Sie sich kurz, junger Mann.« »Beginnen wir mit den Herren Miller und Mayer«, schlug Parker vor, »es steht eindeutig fest, daß Sie sie einfliegen ließen. Aus welchen Gründen geschah dies?« »Ich ... Ich hatte sie zu 'nem Urlaub hier auf dem Land eingeladen«, antwortete Wentrop, um dann hastig den Kopf zu schütteln, »anders ausgedrückt, weil ich einen Anruf aus den Staaten erhalten hatte. Ein alter Bekannter wollte mich für ein Geschäft interessieren. Und der schickte mir dann die beiden Leute auf den Hals.« »Sie sprechen von Miller und Mayer?«
»So nennen sie sich, aber ich wette, daß das falsche Namen sind, wenn die Pässe auch gültig sind.« »Und wie, wenn man höflichst weiter fragen darf, sollte dieses vorgeschlagene Geschäft aussehen?« »Das Geschäft hieß und heißt Denfeld, junger Mann«, schaltete die Detektivin sich grimmig ein, »dieser Name ist von den beiden Subjekten mehr als deutlich genannt worden.« »Davon weiß ich nichts, das heißt, Miller und Mayer sagten mir, wir sollten nach diesem Denfeld suchen. Es gäbe 'ne Bombenbelohnung, wenn wir ihn finden würden.« »War er denn abhanden gekommen, um es mal so auszudrücken?« erkundigte sich der Butler. »Miller und Mayer hatten rausgefunden, daß Denfeld entführt worden ist«, gab Dan Wentrop zurück, »darum ging's wohl.« »Dies wußten die beiden erwähnten Herren bereits in den USA?« »Wahrscheinlich.« Wentrop zuckte die Achseln. »Darf man in Erfahrung bringen, wie Ihr Freund in den Staaten heißt?« »Steve Fitchlay, aber das wird Sie nicht weiterbringen. Nach unserem Gespräch vor ein paar Tagen wollte er Urlaub machen. Er müßte jetzt in Mexiko sein.« »Die Telefonnummer, Mr. Wentrop«, fragte Parker erstaunlich knapp und kurz. »Die ... Die habe ich vergessen, wirklich, er rief von 'nem Hotel aus an, glaube ich.« »Ich denke, Mr. Parker, Sie vertreten sich etwas die Beine«, schlug Lady Agatha vor, »ich weiß, wie empfindlich Sie sind. Sie brauchen ja nicht unbedingt mitanzusehen, was hier gleich passieren wird.« »Ein Rat, Mylady, dem meine Wenigkeit sofort folgen
wird.« Parker lüftete die schwarze Melone und schritt gemessen davon. Agatha Simpson packte das Mundstück des Wasserschlauchs und machte sich bereit, die Kaltwasserkur fortzusetzen. Josuah Parker ging in das Farmhaus und nahm hinter dem Arbeitstisch Wentrops Platz. Er zog den Telefonapparat an sich und befragte sein Gedächtnis. Auf Anhieb hatte er eine ganz bestimmte Rufnummer parat, die sich auf einen Mann in New York bezog. Josuah Parker ließ sich ein Überseegespräch vermitteln und telefonierte ausgiebig. Wegen der Gebühren machte er sich verständlicherweise keine Sorgen. Die gingen ohnehin auf das Konto des Dan Wentrop. Als Parker später zum Zwinger zurückkehrte, legte die ältere Dame den Wasserschlauch gerade aus den Händen. Dan Wentrop saß in einer Ecke des Käfigs und fror. »Mylady konnten die Mitteilungsfreude Mr. Wentrops ein wenig anheben?« erkundigte sich der Butler. »Doch, aber sie ist vielleicht steigerungsfähig«, antwortete die Detektivin schadenfroh, »Wentrop hat eben zugegeben, daß er und die beiden Gangster Miller und Mayer die Absicht hatten, Denfeld zu entführen. Aber sie kamen zu spät, wie dieses Subjekt dort .behauptet. Andere Gangster müssen schneller gewesen sein.« »Mr. Wentrop dürfte sich mit diesen Hinweisen durchaus an die Tatsachen gehalten haben«, antwortete Parker, »bevor Mylady die Farm verlassen, sollte man Mr. Wentrop vielleicht ein Handtuch reichen, damit er sich wenigstens abtrocknen kann.« Parker hatte dieses Handtuch bereits mitgebracht und warf es dem Gangster zu, der es auffing und sich aufrichtete. Er sah die ältere Dame scheu und nervös an. »Noch etwas, Mr. Wentrop«, schickte Parker voraus, »es wird Ihnen sicher kaum etwas ausmachen, Mylady mitzuteilen,
wo man die Herren Miller und Mayer finden kann, nicht wahr?« Es machte Wentrop nichts aus! *** »Es ist ein Aufwaschen, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha, »ich fühle mich in bester Stimmung, Miller und Mayer werde ich McWarden auf einem silbernen Tablett servieren.« »Myladys Vermutung wurden bestätigt, wonach Mr. Wentrop als der Entführer von Mr. Herbert Denfeld nicht in Betracht kommt?« »Ich wußte es gleich«, gab sie wie selbstverständlich zurück, »Wentrop ist nicht die Mord-Hornisse. Sie wissen doch, daß ich diesen Inhaber der Automatenhalle für dieses Insekt halte.« »Mylady denken an Mr. Lon Bungay?« »Er ist die Mord-Hornisse«, bestätigte sie, während man hinüber zu Parkers hochbeinigem Monstrum schritt, »alle Verdachtsmomente deuten auf dieses Subjekt, Mr. Parker.« Der Butler verzichtete darauf, nach diesen Verdachtsmomenten zu fragen. Als er die Tür zum Fond seines hochbeinigen Monstrums öffnete, erschienen die vier Hunde an der Hausecke und stießen ein erleichtertes Geheul aus, trauten sich aber nicht weiter vor. Sie kamen überhaupt nicht auf den Gedanken, Revanche nehmen zu müssen. »Haben Sie im Farmhaus noch etwas entdeckt?« erkundigte sich Lady Agatha, als Parker auf das geschlossene Tor zurollte. »Meine Wenigkeit beschäftigte sich ausnahmslos mit dem Telefonapparat, Mylady.« »Sie haben telefoniert? Mit wem?« »Mit New York, Mylady. Ich war so frei, dort um eine
gewisse Mithilfe zu bitten. Mein Gesprächspartner war ein Polizeioffizier, den Mr. Rander und meine Wenigkeit mal vor Jahren kennenlernten.« »Das muß zu der Zeit gewesen sein, als Mr. Rander und Sie in New York und Chikago sich als Kriminalisten versuchten, nicht wahr?« »So könnte man es ausdrücken, Mylady.« »Und was soll dieser hohe Polizeioffizier für mich ermitteln?« fragte die ältere Dame weiter. »Den momentanen Aufenthaltsort der Mrs. Jill Denfeld, Mylady.« »Wie war das?« Sie richtete sich steil auf und schob sich dann sogar vor, während Parker den Wagen anhielt. Er hatte das geschlossene Tor erreicht. »Meine Wenigkeit ging davon aus, daß Mylady möglicherweise in Erfahrung bringen wollen, wo Mrs. Jill Denfeld weilt.« »Warum sollte ich? Ah, natürlich. So etwas muß man ja schließlich wissen.« Agatha Simpson geriet in einige Verlegenheit und war froh, daß Parker ausstieg, um das Tor zu öffnen. Dies erwies sich als relativ einfach. Nach dem Betätigen eines Hebels reagierte die Automatik und ließ die beiden Torhälften aufgleiten. »Wann werde ich genau Bescheid wissen, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha, als der Wagen sich wieder in Bewegung setzte. »Möglicherweise liegt ein Ergebnis bereits vor, wenn Mylady Shepherd's Market erreicht haben.« »Das mit dieser Jill Denfeld ist gar nicht so schlecht«, dachte Agatha Simpson halblaut, damit Parker auch nur ja alles verstehen konnte, »ich denke da natürlich an den Altersunterschied, oder?«
»Und an die Tatsache, Mylady, daß Mrs. Jill Denfeld als eine Art Sexbombe bezeichnet wurde«, meinte Josuah Parker höflich, »Mr. Rander und Miß Porter berichteten, wenn man daran erinnern darf, daß die beiden Geheimdienstmänner aus den USA Mrs. Jill Denfeld eindeutig so bezeichneten.« »Wie groß ist noch der Altersunterschied?« »Einundzwanzig Jahre, Mylady. nach den weiteren Auskünften der erwähnten Geheimdienstmänner soll Mr. Denfeld seine junge Frau geradezu abgöttisch lieben.« »Alter schützt vor Torheit nicht«, zitierte die Detektivin ,und lachte spöttisch auf, »Sie meinen also, Mr. Parker, daß ich glaube, daß sie etwas mit der Entführung zu tun hat?« »Auch solch eine Möglichkeit sollte man nicht ausschließen, Mylady.« »Es gibt noch eine andere?« staunte Agatha Simpson. »Welche meine ich denn da, Mr. Parker? Ich möchte es sofort wissen.« »Mr. Denfeld könnte auch erpreßt worden sein, Mylady. Das Druckmittel dazu wäre dann seine Frau, die er in Lebensgefahr wähnt.« »Das wollte ich gerade sagen, Mr. Parker.« Die Detektivin nickte nachdrücklich und glaubte das, was .sie sagte. »Und das genau ist die Lösung des Falles! Sie müssen zugeben, daß ich die Zusammenhänge wieder mal klar durchschaut habe!« *** Die beiden Gangster Miller und Mayer hielten sich im Doppelzimmer der kleinen Hotelpension auf und warteten auf einen Anruf. Sie hatten sich mit Trinkbarem versorgt, was ihre Stimmung aber keineswegs hob. Sie hatten bereits ausgiebig getrunken, doch sie litten, was ihre Psyche betraf, noch unter
dem Bad im Wasserloch, das sie für einen zähen, lebensgefährlichen Sumpf gehalten hatten. »Wentrop läßt verdammt auf sich warten«, sagte Miller, »die vereinbarte Zeit ist längst verstrichen.« »Der ruft noch an«, beruhigte Mayer seinen Partner, »der riskiert's doch gar nicht, uns in die Pfanne zu hauen.« »Falls doch, ist er reif«, schwor Miller, »dann soll er mal erleben, wie wir drüben in den Staaten arbeiten.« »Scheußliches Land«, meinte Mayer elegisch, »hier ist alles anders, hier kann man sich noch nicht mal frei entfalten.« »Wenn ich nur an diese Alte denke!« Miller schniefte. Er hatte sich eine leichte Erkältung zugezogen. Der Aufenthalt im Wasserloch war ihm nicht gut bekommen. »Und dieser Butler erst«, beschwerte sich Mayer, »diese Tricks müßten verboten werden. Bei uns drüben weiß man wenigstens, woran man ist. Aber der wird sich noch wundern!« »Den nehmen wir auseinander«, schwor Miller nachdrücklich, »den schneiden wir in Streifen.« »Aber Wentrop hätte uns einen Tip geben müssen«, ärgerte sich Mayer erneut, »der muß den Butler doch gekannt haben. Aber nein, der hat den Rand gehalten und nichts gesagt.« »Ob Fitchlay weiß, was für 'ne Flasche Wentrop ist? Der hat doch alles versaut.« »Als wir anrauschten, war Denfeld bereits kassiert worden.« Die beiden Gangster legten eine kleine Pause ein, zumal sie von einer nachdrücklichen Müdigkeit erfaßt worden waren. Sie rückten sich in den Sesseln zurecht, gähnten sich wechselseitig ausgiebig an und schlossen versuchsweise die Augen. Es dauerte nur noch wenige Augenblicke, bis sie eingenickt waren. Als die ersten Schnarchtöne von ihnen zu vernehmen waren, bewegte sich plötzlich der Knauf an der Zimmertür. Zentimeterweise öffnete sich dann diese Tür. Herein trat
Josuah Parker, der sich ein Taschentuch vor Mund und Nase hielt. Er eilte an Miller und Mayer vorüber, öffnete ein Fenster und nahm den beiden Gangstern dann erst mal die Waffen ab. Parker war richtigerweise davon ausgegangen, daß sie sich Ersatz besorgt hatten, was hier in London nicht sonderlich schwer war. »Kann ich endlich kommen?« fragte die herb-dunkle Stimme der Lady vom Flur her. »Die Konzentration des Schlafmittels könnte vielleicht noch ein wenig hoch sein, Mylady«, warnte Parker, der am Fenster stehen geblieben war. Er beschäftigte sich mit einer kleinen Stahlflasche, an deren Ventil ein dünner Gummischlauch befestigt war. In diesem Stahlzylinder, der kaum größer war als eine normale Thermosflasche, befand sich Lachgas, das mit speziellen Wirkstoffen angereichert war. Parker hatte dieses Gemisch auf dem Umweg über den Schlauch und das Schlüsselloch in das Zimmer der beiden Gangster geleitet. Der Erfolg war frappierend. Lady Agatha betrat inzwischen das Doppelzimmer, schnüffelte hörbar und eilte dann ans Fenster. Da Durchzug entstand, wehte das Gemisch verkehrt nach draußen. Parker schloß die Zimmertür und widmete sich den beiden Gangstern, die noch intensiv schliefen. Da die Ruhesessel kleine Gleitrollen besaßen, war der Transport nicht sonderlich schwer. Butler Parker rollte die beiden Gangster ins Bad und packte sie dann ins Becken unterhalb des Duschkopfes. Lady Agatha war neugierig nachgekommen und lächelte wohlwollend. »So ist es richtig«, meinte sie, »kaltes Wasser wirkt immer wieder Wunder, Mr. Parker. Drehen Sie voll auf!« Sie trat zurück, nahm in einem der Sessel Platz, der noch halb in der Tür stand und schaute zu, wie die Wassermassen
auf die beiden schlafenden Profis prasselten. Miller und Mayer schnauften, bewegten sich, ruderten mit den Armen abwehrend in der Luft, spuckten Wasser wie Dan Wentrop im Hundezwinger, husteten, schlugen die Augen auf und begriffen zuerst nicht, was mit ihnen geschah. Dann aber entdeckten sie Agatha Simpson und den Butler. Sie sahen die Waffe in Parkers Hand und verzichteten darauf, sich ins Trockene zu retten. Sie blieben lieber sitzen. »Zwischendurch vielleicht ein heißer Schauer«, schlug Lady Agatha dem Butler vor, »Wechselbäder sollen noch wirkungsvoller sein, aber nehmen Sie sich Zeit, Mr. Parker. Ich möchte die beiden Lümmel nicht zwingen, ein Geständnis abzulegen!« *** »Sie legten also freiwillig ein Geständnis ab?« erkundigte sich Mike Rander lachend. »Mylady mußte ordnend eingreifen, da die beiden Herren gleichzeitig reden wollten«, sagte Josuah Parker, »die verordneten Wechselbäder schienen keineswegs nach dem Geschmack der Gangster gewesen zu sein.« »Gab es wesentliche Neuigkeiten?« fragte Kathy Porter, die sich ebenfalls in der Wohnhalle aufhielt. Sie sah Lady Simpson erwartungsvoll an. »Mr. Parker wird die Details nennen«, sagte die Detektivin, »mich langweilen sie, wie Sie ja wissen, Kindchen. Mir wurde aber wieder mal bestätigt, daß ich die Dinge völlig richtig sehe.« »Mylady verstehen es immer wieder, einen Amateur und Dilettanten zu beeindrucken«, gab Josuah Parker gemessen zurück, »um aber auf den Kern der Aussagen zu kommen,
möchte ich folgendes unterbreiten: Die Herren Miller und Mayer wurden in New York von einem gewissen Steve Fitchlay beauftragt, nach London zu fliegen und sich hier an Mr. Dan Wentrop zu wenden, was auch gleich nach der Landung der Maschine geschah. Miller und Mayer, um bei dieser Kurzfassung zu bleiben, erfuhren erst hier an Ort und Stelle, daß geplant war, Mr. Herbert Denfeld zu entführen. Der Elektroniker sollte dann zur Farm des Mr. Wentrop gebracht und dort festgehalten werden. Von der Höhe des Lösegeldes wollen weder Miller noch Mayer gewußt haben.« »Sie haben auch keine Ahnung, wer Denfeld nun tatsächlich gekidnappt hat?« staunte Kathy Porter. »Die beiden Herren geben sich ahnungslos«, erwiderte der Butler, »und dies scheinen sie auch tatsächlich zu sein.« »Wentrop und dieser Fitchlay aus New York kennen sich von früheren Tagen her?« erkundigte sich Mike Rander. »Man dürfte auch jetzt noch hin und wieder zusammenarbeiten«, entgegnete der Butler, »in welcher Art dies geschieht, sollte und könnte Chief-Superintendent McWarden ermitteln.« »Er ist bereits verständigt worden und kassiert die Lümmel ab«, schaltete sich die ältere Dame genußvoll ein, »und ich denke, er wird auch bald hier auftauchen und sich bei mir bedanken.« »Wentrop ist also nicht die Mord-Hornisse«, erinnerte Mike Rander, »die Suche geht weiter.« »Für Sie ist übrigens angerufen worden, Mr. Parker«, warf Kathy Porter ein, »der Anruf kam aus New York. Ich soll Ihnen mitteilen, daß die betreffende Dame bereits am frühen Morgen hier in London eintreffen wird. Ich hoffe, Sie können damit etwas anfangen.« »Diese Dame heißt Jill Denfeld und ist die Frau des Elektronikers«, erklärte Agatha Simpson fachmännisch, »Mr.
Parker folgte meinem Rat und erkundigte sich nach ihr.« »Myladys Hinweis trafen wieder mal den Nagel auf den Kopf«, ließ der Butler sich vernehmen. Trotz der Behauptung seiner Herrin rührte sich kein Muskel in seinem Gesicht. Ein Butler Parker war durch nichts zu erschüttern, schon gar nicht durch die Behauptung der Lady Simpson. »Ich bin gespannt, wie sich Mrs. Denfeld verhalten wird«, meinte der Anwalt, »könnte sie sich nicht mit Wentrop in Verbindung setzen wollen?« »Dafür wurde bereits Vorsorge getroffen, Sir«, erwiderte Parker, »ich war so frei, Mr. McWarden auf solch eine Möglichkeit zu verweisen.« »Aha.« Agatha Simpson war leicht verwirrt. »Falls Mrs. Denfeld auf der Farm anruft, wird sich dort ein Mr. Wentrop melden«, redete der Butler weiter, »und falls sie anruft, dürfte feststehen, daß Mrs. Denfeld plante, ihren Mann kidnappen zu lassen, um ein hohes Lösegeld zu kassieren.« »Aha.« Lady Agatha räusperte sich und nickte dann hastig, als sei ihr dies alles längst bekannt. »Sie glauben also, daß Mrs. Denfeld mit diesem Fitchlay in Verbindung steht?« vergewisserte sich Mike Rander. »So dürften die Zusammenhänge sein, Sir. An der sattsam bekannten Tatsache aber ändert dies alles nichts: Mr. Denfeld ist entführt worden, und zwar von einem Gangster, der sich Mord-Hornisse nennt.« »Und die ich schon sehr bald enttarnen werde«, prophezeite die ältere Dame grimmig, »sie hat da doch wieder einen entscheidenden Fehler gemacht, nicht wahr, Mr, Parker?« »In der Tat, Mylady«, pflichtete der Butler ihr bei, sagte allerdings sonst nichts. »Eben.« Sie nickte. »Wie war das noch, Mr. Parker? Was hatte ich da herausgefunden?«
Kathy Porter und Mike Rander wußten natürlich längst, daß Lady Agatha nur darauf wartete, endlich ein Stichwort geliefert zu bekommen. Sie wußten auch, daß die Hausherrin nichts herausgefunden hatte. »Es handelt sich um die Kassette, Mylady, auf der die MordHornisse die Lösegeldzahlung in Höhe von fünf Millionen fordert«, erinnerte der Butler jetzt gerissen, »auf dieser Kassette war das Gebell von Hunden und der Ton einer Fabriksirene zu hören. Die Mord-Hornisse wollte damit wohl die Spur auf Mr. Wentrop lenken und hoffte auch, daß Mylady und meine Wenigkeit dort scheitern würden. Tatsächlich aber beweist dieses Tonband, daß die Mord-Hornisse sich nicht nur im Spielsalon des Mr. Bungay auskennt, sondern auch mit den Geschäften des Mr. Wentrop vertraut ist.« »Dieses zweibeinige Insekt hat keine Chance mehr«, meinte die Detektivin, »es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich zuschlagen werde, nicht wahr, Mr. Parker?« *** »Ich bringe schlechte Nachrichten«, sagte McWarden, nachdem Parker den Chief-Superintendent eingelassen hatte, »Randy Green ist von der Hornisse gestochen worden.« »Segnete er das, was man geheimhin das Zeitliche zu nennen pflegt, Sir?« »Noch nicht, aber es sieht schlecht für ihn aus, Mr. Parker. Als er den Yard verließ, wurde er einige Minuten später von diesem Stachel hier erwischt.« McWarden präsentierte dem Butler den Eispickel, mit dem Randy Green verwundet worden war. Er glich dem, den Parker bereits kannte, aufs Haar. »Fingerabdrücke konnten auch in diesem Fall natürlich nicht
festgestellt werden, Sir?« »Nichts, Mr. Parker. Ich habe mich eben erst noch mit Green unterhalten, aber der Mann will angeblich keine Ahnung haben, wer die Hornisse ist.« »Möglicherweise ist es die Angst, die seinen Mund schließt, Sir.« »Das kommt sicher noch hinzu, Mr. Parker.« McWarden und der Butler gingen hinüber in den Salon, in dem Lady Simpson, Kathy Porter und Mike Rander sich aufhielten. Hier wiederholte der Chief-Superintendent noch mal seinen Bericht. »Wo hat es diesen Randy Green denn erwischt?« wollte der Anwalt wissen. »Dieser Hornissenstachel landete unterhalb der linken Schulter in seinem Rücken«, antwortete McWarden, »dieser Pickel muß mit großer Wucht geschleudert worden sein.« »Das kommt davon, wenn man die Mord-Hornisse spielen will«, meinte die ältere Dame, »haben Sie schon den Betreiber dieser Automatenhalle verhört, McWarden?« »Lon Bungay.« McWarden nickte. »Er hat ein einwandfreies Alibi. Und er hat eindeutig Angst, das ist überhaupt nicht zu übersehen. Angst hat auch dieser Dan Wentrop.« »Wie fühlt sich dieses Subjekt denn?« fragte die Detektivin. »Der Mann ist fertig mit den Nerven«, entgegnete McWarden und schmunzelte, »er beschwerte sich ununterbrochen über seine Behandlung und behauptete, Sie, Mylady, hätten ihn total unter Wasser gesetzt.« »Lächerlich«, gab sie zurück, schmunzelte aber ebenfalls, »er beleidigte mich in vulgärer Form, war es nicht so, Mr. Parker?« »Die Wahl seiner Worte entsprach keinesfalls den gültigen Regeln einer gepflegten Konversation«, bestätigte Josuah Parker, »Mylady waren gezwungen, diesen Ausbrüchen des
Hasses in angemessener Form zu begegnen.« »Er will weder Miller, Mayer, noch diesen Steve Fitchlay aus New York kennen«, faßte McWarden zusammen, »und von einem Herbert Denfeld hat er angeblich noch nie etwas gehört.« »Wie lange werden Sie ihn festhalten können, McWarden?« fragte Mike Rander. »Für eine Untersuchungshaft über vierundzwanzig Stunden hinaus reicht es dicke«, gab McWarden zurück, »wir fanden in seinem Farmhaus eine Menge Waffen. Das gilt auch für die beiden Gangster Miller und Mayer. Wir wissen bereits jetzt, daß ihre Pässe gefälscht sind. Um diese Dreiergruppe brauchen wir uns vorerst keine Gedanken mehr zu machen. Sie scheiden aus dem Spiel aus.« »Mrs. Jill Denfeld wird bald hier eintreffen, nicht wahr, mein lieber McWarden?« »Wir werden jeden ihrer Schritte genau überwachen«, antwortete der Chief-Superintendent, »ich glaube auch, daß sie sich umgehend mit Wentrop in Verbindung setzen wird. Und damit dürfte sie dann in der Falle sitzen. Dann wäre erwiesen, daß Mrs. Denfeld mit Gangstern zusammenarbeitet, die ihren Mann entführen sollten.« »Bleibt die eigentliche Mord-Hornisse«, warf Kathy Porter ein, »wo mag sie Herbert Denfeld festhalten?« »Da stehen wir noch wie vor einer Mauer«, bedauerte McWarden, »wir haben die Kassette genau ausgewertet, aber das hat uns nicht weitergebracht. Und die Kollegen vom USGeheimdienst hüllen sich in Schweigen. Ich denke aber, daß auch sie noch keinen Schritt weitergekommen sind.« »Das höre ich gern, mein lieber McWarden. Sie werden mich sofort verständigen, wenn Mrs. Denfeld eingetroffen ist?« »Sie wissen doch, Mylady, wie gern und eng ich mit Ihnen
zusammenarbeite«, erklärte der Chief-Superintendent, »Vertrauen gegen Vertrauen, nicht wahr? Sie haben inzwischen vielleicht neue Erkenntnisse gewonnen? Es könnte ja sein.« »Gibt es neue Erkenntnisse, Mr. Parker?« Sie sah den Butler fragend an. »Damit ist leider nicht zu dienen, Sir«, erwiderte der Butler, »darf man erfahren, wie man über die Zahlung der verlangten fünf Millionen denkt?« »Man will zahlen, Mr. Parker.« McWarden verzog sein Gesicht. »Man kann ja gar nicht anders. Da kommt eine Art Einstein nach London und wird entführt. Für die Regierung ist das eine Riesenblamage. Man ist nicht gerade begeistert, aber man wird zahlen, das weiß ich verbindlich.« Nachdem Josuah Parker den späten Gast hinausgebracht hatte und in den Salon zurückgehen wollte, meldete sich das Telefon. Parker hob ab und wußte sofort, wer da anrief. »Hier ist die Mord-Hornisse«, sagte eine undeutliche Stimme, »wie ich höre, haben Sie dafür gesorgt, daß Wentrop, Miller und Mayer aus dem Verkehr gezogen wurden.« »Der Chief-Superintendent teilte Mylady gerade mit, daß Sie versucht haben, Mr. Randy Green zu ermorden.« »Man muß ja schließlich in Übung bleiben, Parker.« »Ich möchte nicht verhehlen, daß Sie inzwischen ein Stadium erreicht haben, in dem Sie wiederholt Fehler begehen.« »Worauf wollen Sie hinaus, Parker?« »Es ist eindeutig, daß Sie Wentrop, Green und auch Lon Bungay kennen. Ihr Mordanschlag auf Mr. Randy Green läßt den Schluß zu, daß dieser Mann Ihnen gefährlich werden kann.« »Glauben Sie, was immer Sie wollen, Parker.« »Meiner bescheidenen Ansicht nach stammen Sie aus dem
Dunstkreis der kriminellen Szene von Soho«, redete Parker weiter, »Sie werden verzeihen, daß meine Wenigkeit sich derart ungeschminkt ausdrückt.« »Weiter, weiter, Parker, Sie amüsieren mich!« »Selbstverständlich sind Sie auch mit Lon Bungay bekannt, der die Spielautomatenhalle betreibt.« »Es geht nichts über einen schönen Holzweg, Parker«, spottete die Stimme, die allerdings nach wie vor undeutlich war. »Vielleicht sollte man Mr. Bungay warnen«, sagte Parker, »er muß immerhin damit rechnen, daß er Ihren Stachel zu spüren bekommt.« »Wen ich erwischen will, Parker, den erwische ich, verlassen Sie sich darauf!« »Mr. Wentrop dürfte Ihrem Mordstachel inzwischen entzogen worden sein. Aber das werden Sie ja wissen.« »Ich weiß genau, was gespielt wird, Parker, das sollten Sie mir abnehmen.« »Könnte es sein, daß ich aus Ihrer Stimme einen amerikanischen Unterton heraushöre?« fragte Parker. Es erfolgte keine Antwort. Auf der Gegenseite wurde kommentarlos aufgelegt. *** »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, sagte der Butler. Er stand vor dem Schalter des Informationszentrums des Flughafens von Heathrow und lüftete höflich seine schwarze Melone, »Sie haben eine Nachricht für meine Wenigkeit, wie mir versichert wurde.« Parkers Auftreten war überzeugend. Die junge Ground
Stewardeß kam gar nicht auf den Gedanken, sich einen Ausweis zeigen zu lassen und die Identität des Butlers zu überprüfen. Sie starrte Parker einen Moment an und langte dann hastig nach einem Brief, der unter dem Deckbrett lag. »Herzlichsten Dank.« Parker nahm den Brief an sich und schritt gemessen davon. Er baute sich später so auf, daß er nicht hinterrücks angefallen werden konnte, öffnete den Umschlag und nahm die wenigen Zeilen zur Kenntnis, die ein gewisser Horace Pickett für ihn niedergeschrieben hatte. Der ehemalige Eigentumsverteiler teilte dem Butler mit, ein gewisser Steve Fitchlay sei bereits vor drei Tagen in London eingetroffen. Horace Pickett hatte das auf seine sehr eigene Art den Passagierlisten entnommen. Parker nahm die Nachricht mit Interesse entgegen und zog daraus seine Schlüsse. Nicht umsonst hatte er Pickett gebeten, sich nach einem möglichen Touristen namens Fitchlay zu erkundigen. Als Pickett sich noch in der Nacht gemeldet hatte, war er von Parker auf diesen Mann angesetzt worden. Er sah Pickett. Der Gentleman schritt militärisch-straff durch die große Empfangshalle, hatte den Butler längst gesehen, ließ sich jedoch nichts anmerken. Parker merkte sofort, wie vorsichtig Pickett war. Schließlich kannte der ehemalige Vermögensumverteiler sehr gut, mit welchen Stacheln die Mord-Hornisse arbeitete. Pickett sorgte stets dafür, daß er nicht plötzlich >gestochen< wurde. Nach etwa zwanzig Minuten landete die Maschine aus New York. In ihr befand sich Jill Denfeld, wie Parker von Pickett wußte. Daß aber auch die Mitarbeiter des Chief-Superintendent McWarden anwesend waren, fand Parker schnell heraus. Es gab da einige Fluggäste in der Halle, die ein wenig zu gelangweilt und zu unbeteiligt wirkten. Sie alle warteten darauf, sich an die Fersen der Jill Denfeld hängen zu können.
Man wollte ja schließlich herausfinden, ob sie sich mit Dan Wentrop in Verbindung setzen würde. Falls sie es tat, dann bestand kein Zweifel mehr daran, daß sie zumindest die Absicht gehabt hatte, ihren Mann entführen zu lassen. Es dauerte eine Weile, bis die Fluggäste die Zollabfertigung passiert hatten. Josuah Parker hatte sich einen guten Standort ausgesucht. Er konnte die Szenerie überblicken. Er sichtete die Passagiere, die nun nacheinander erschienen. Parker konzentrierte sich aber nicht allein auf die Fluggäste. Er blieb nach wie vor auf der Hut. Er unterschätzte die MordHornisse keineswegs, zumal er sie ja am Telefon recht nachdrücklich gereizt hatte. Seiner Ansicht nach bestand durchaus die Möglichkeit, daß diese Hornisse versuchen würde, Mrs. Jill Denfeld umzubringen. Aus seiner Sicht heraus gesehen wußte sie zuviel und konnte ihm gefährlich werden. Parker hatte seinen Universal-Regenschirm >geladen<. Dieser altväterlich gebundene Regenschirm war im Grund nichts anderes als ein gut getarntes Blasrohr, durch das er Pfeile, aber auch Spezialgeschosse verschießen konnte. Parker musterte die Menschen, die auf die Flugreisenden hinter einem Sperrgitter warteten. Befand die Mord-Hornisse sich darunter? Dann entdeckte der Butler Jill Denfeld. Sie war ein wenig zu bunt aufgemacht, was seinen Geschmack betraf, doch sie sah durchaus attraktiv und auch zusätzlich noch herausfordernd aus. Die junge Frau trug ein sehr anliegendes Kostüm, das ihre schlanke und dennoch üppig wirkende Figur noch zusätzlich unterstrich. Das Schwenken der Hüften war unübersehbar. Diese Jill Denfeld war, auch was die Farbe ihrer Haare betraf, eine mißlungene Kopie der Marilyn Monroe. Sie wurde sofort abgeschirmt, wie Parker beobachtete. McWardens Mitarbeiter kreisten sie unauffällig ein und gaben ihr Deckung. Pickett war im Moment nicht zu sehen. Parker
löste seinen Blick von der Monroe-Kopie und schaute sich die Menschen in seiner näheren Umgebung an. Ihm fiel auf, daß ein Mann, dessen Gesicht er nicht mehr mitbekam, sich ein wenig zu hastig abwandte. Parker löste sich aus der Nische und schritt auf diesen Mann zu, der wohl ahnte, wessen Interesse er erregt hatte. Der Mann ging schneller, boxte sich in eine Menschengruppe, tauchte in ihr unter, erschien dann plötzlich vor einer Reihe von Telefonzellen und sah Parker, der sich nicht hatte abschütteln lassen. Das war der Moment, in dem die Mord-Hornisse ihren Stachel einsetzte... *** »Sie sind getroffen worden?« Agatha Simpson musterte den Butler mißtrauisch. »In der Tat, Mylady«, erwiderte der Butler, »der Stachel traf meine linke Schulterpartie.« »Weiter, weiter! Sind Sie verletzt? Sie müssen sofort zu einem Arzt, Mr. Parker. Kathy, Mike, schnell, Mr. Parker ist von der Mord-Hornisse erwischt worden...« Agatha Simpson war außer sich. Sie drückte den Butler mehr als energisch in ihren Privatsessel und zeigte echte Sorge. Als Parker sich wieder erheben wollte, stieß sie ihn zurück. »Sie dummer Mensch«, meinte sie dann leise, »wie kann man sich nur in solch eine Gefahr bringen? Und dann diese unnötige Haltung. Haben Sie Schmerzen?« »Keineswegs, Mylady«, antwortete Parker, der bisher nicht dazu gekommen war, weitere Erklärungen zu diesem Zwischenfall abzugeben, »ich darf versichern, Mylady, daß meine Wenigkeit sich bester Gesundheit erfreut.«
»Mir gegenüber brauchen Sie nicht den Helden zu spielen.« Sie richtete sich auf und winkte Kathy Porter und Mike Rander hastig zu sich heran und deutete dann mit tragischer Geste auf Parker. »Die Mord-Hornisse hat ihn erwischt«, sagte sie, »diesen Mann kann man doch keinen Moment allein lassen.« »Sie machen eigentlich einen verdammt munteren Eindruck, Parker«, konstatierte der Anwalt. »Dem kann und muß ich beipflichten, Sir«, sagte Parker und schaffte es endlich, sich aus dem Sessel zu erheben, »die MordHornisse benutzte zwar ihren Stachel gegen meine Wenigkeit, doch dieser prallte am Rückenschild ab.« »Rückenschild?« Agatha Simpson holte tief Luft. Auf ihrer Stirn bildeten sich Falten. »Ich war so frei, Mylady, die alte Ritterrüstung dort auf dem Zwischenpodest als Schutz auszuleihen.« Während Parker redete, deutete er auf die Rüstung, die wieder einen vollständigen Eindruck machte. »Sie haben sich den Brust- und Rückenpanzer umgeschnallt?« fragte Kathy Porter. »Ein - immer wieder bewährter Schutz«, antwortete Parker und nickte zustimmend, »damit konnte die Mord-Hornisse nicht rechnen.« »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« grollte die ältere Dame. »Myladys Anteilnahme verschlug meiner Wenigkeit die Sprache.« »Bilden Sie sich darauf nur nichts ein«, raunzte sie, »ich weiß eben, wie schwer es ist, einen halbwegs guten Butter zu bekommen. Wieso erfuhr ich nicht, daß Sie schon kurz nach Mitternacht zum Flugplatz fuhren? Ich wäre sonst selbstverständlich mitgekommen und hätte diese Mord
Hornisse auch gestellt. Aber was tun Sie? Sie lassen diesen Gangster laufen! Es ist doch nicht zu glauben, alles muß man allein machen ...« »Sie haben die Ankunft der Jill Denfeld beobachtet?« schaltete Mike Rander sich ein. »In der Tat, Sir! Sie wurde von Mr. McWardens Mitarbeitern sofort abgeschirmt. Die Mord-Hornisse aber ließ sich erfreulicherweise durch meine Wenigkeit ablenken, falls sie plante, Mrs. Denfeld umzubringen.« »Die Mord-Hornisse wird eine Art Güterabwägung vorgenommen haben«, sagte Kathy Porter und lächelte, »Mrs. Denfeld oder Sie, wie?« »Eine Bemerkung, Miß Porter, die man nur als treffend bezeichnen kann«, antwortete der Butler, »diese Qual der Wahl wollte ich der Mord-Hornisse verschaffen.« »Ist diese Jill Denfeld heil aus der Halle gekommen?« fragte die Detektivin. »Weitere Zwischenfälle waren nicht zu verzeichnen, Mylady«, entgegnete der Butler, »Mrs. Denfeld fuhr sofort in ihr Hotel, wie sich festellen ließ.« »Dieses Hotel müßte doch in der Nähe vom Hyde Park sein«, warf Mike Rander ein. »Dies, Sir, entspricht den Tatsachen«, lautete die Antwort des Butlers, »Mrs. Denfeld ist im Dorchester Hotel abgestiegen, aber nach kurzem Aufenthalt in ein Taxi gestiegen und hat sich zu einer Leihwagenfirma bringen lassen.« »Das wissen Sie selbstverständlich von unserem guten Pickett, nicht wahr?« »Ein wertvoller und bemerkenswerter Mitarbeiter, Sir.« »Sie will wohl hinaus nach Redbridge, zu Wentrop, oder?« Kathy Porter sah Parker erwartungsvoll an. »Dies sollte man unterstellen, Miß Porter. Meiner
bescheidenen Ansicht nach möchte sie gewissen Dingen auf den Grund gehen und sich vergewissern, ob man sie betrügen will.« »Wieso betrügen?« fragte die ältere Dame. »Mr. Wentrop wird wahrheitsgemäß mitgeteilt haben, daß die Herren Miller und Mayer es nicht geschafft haben, Mr. Herbert Denfeld zu entführen«, antwortete Parker, »Mrs. Denfeld hingegen glaubt dies nicht, wie man wohl annehmen muß.« »Genau das wollte ich gerade sagen«, lautete prompt die Behauptung der Lady Simpson, »anders kann es ja auch gar nicht sein.« *** »Sie ist auf der ganzen Linie zusammengebrochen«, sagte McWarden und glühte vor Eifer, »es war eine Kleinigkeit, sie zu überführen. Sie fiel aus allen Wolken, als der Wentrop, dem sie gegenüberstand, sich als einer meiner Mitarbeiter vorstellte.« »Und wer hat Ihnen den Boden bereitet, mein lieber McWarden?« wollte die ältere Dame wissen. »Sie, Mylady, nur Sie allein.« McWarden war in Spenderlaune und scheute sich nicht, Lady Agatha zu schmeicheln. »Jill Denfeld hat zugegeben, daß sie die Absicht hätte, ihren Mann entführen zu lassen.« »Woher kennt sie denn Wentrop?« fragte Mike Rander. »Soweit sind wir noch nicht«, schränkte der ChiefSuperintendent ein, »aber auch das werden wir noch erfahren.« »Das sogenannte Bindeglied ist Mr. Steve Fitchlay«, ließ der Butler sich in diesem Augenblick vernehmen, »Mylady erfuhren dies von Mr. Wentrop.«
»Ja doch, richtig.« Sie erinnerte sich plötzlich und nickte ausgiebig.« »Und das erfährt man so ganz nebenbei«, ärgerte sich McWarden. »Mrs. Denfeld wird Ihnen, Sir, Details des anfänglich gemeinsamen Planes mitteilen können«, versicherte der Butler, »aber sie wird auf keinen Fall wissen, wo ihr Mann festgehalten wird.« »Weiß Wentrop es? Doch wahrscheinlich auch nicht, oder?« Rander sah den Butler erwartungsvoll an. »Mr. Wentrop dürfte zu den betrogenen Betrügern gehören, Sir«, sagte der Butler, »nicht umsonst schickte er die beiden eingeflogenen Gangster Miller und Mayer hierher ins Haus, um nachfragen zu lasen, ob und was die Mord-Hornisse gesagt hat.« »Zum Henker, wie finden wir diesen Fitchlay«, fragte McWarden halblaut. Er hatte beschlossen, sich nicht weiter zu ärgern. »Die Herren Randy Green und Lon Bungay dürften die momentanen Schlüsselfiguren sein«, teilte Josuah Parker mit. »Was ich die ganze Zeit über gewußt habe, aber auf mich wollte ja keiner hören«, schaltete die Detektivin sich ein. »Diese beiden Gauner werde ich sofort aus dem Verkehr ziehen«, schwor der Chief-Superintendent. »Sie würden mit letzter Sicherheit nichts in Erfahrung bringen können«, warnte der Butler, »wären Sie unter Umständen damit einverstanden, daß Mylady sich einschaltet?« »Ich bestehe sogar darauf«, sagte sie umgehend. »Und was versprechen Sie sich davon?« fragte McWarden zögernd. »Auskünfte, Sir, schlichter läßt es sich nicht ausdrücken.
Man muß diesen Herren klarmachen, daß sie für eine Zeche zahlen müssen, die Mr. Fitchlay ihnen hinterlassen hat.« »Randy Green liegt in Untersuchungshaft. Es hat ihn ziemlich schwer erwischt. Sie wissen das doch.« »Zuerst müßte man sich Mr. Lon Bungay zuwenden«, schlug der Butler weiter vor, »Myladys Überredungskünste werden sicher Ergebnisse zeitigen.« »Ich tu's nur verdammt ungern, aber ich gehe darauf ein«, meinte McWarden, »Hauptsache, ich bringe diese arroganten Burschen vom Geheimdienst um den Erfolg, um mal ganz ehrlich zu sein.« »Hoffentlich wissen die noch nicht, daß Fitchlay hier in London ist«, meinte Kathy Porter. »Sie haben sich einträchtig auf Wentrop gestürzt«, erklärte der Chief-Superintendent, »sie haben sich förmlich in ihn verbissen. Und jetzt erst werden sie sich mit Jill Denfeld befassen können.« »Wissen beide Geheimdienste bereits, daß sie verhaftet worden ist?« »Noch nicht, Miß Porter«, entgegnete McWarden, »aber lange werde ich das nicht unterschlagen können.« »Bis dahin habe ich die Mord-Hornisse gestellt und ihr den Stachel gezogen«, erklärte die Detektivin energisch. »Mr. Parker, treffen Sie alle Vorbereitungen. Ich möchte diesen Fall noch heute abschließen und Mr. Denfeld befreien. « *** »Wo der Chef ist? Keine Ahnung«, behauptete der Manager der Automatenhalle und zog sicherheitshalber bereits den Kopf ein. Vor ihm standen Lady Simpson und Butler Parker. »Ich glaube, Sie begehen einen sogenannten Kardinalfehler«,
schickte der Butler voraus, »Mr. Bungay befindet sich in Lebensgefahr, von Ihnen mal ganz zu schweigen.« »Von mir zu schweigen?« Der kleine rundliche Vierziger wurde nervös. »Die Mord-Hornisse räumt auf«, redete Parker weiter, »sie beseitigt alle Personen, die auch nur andeutungsweise Bescheid wissen. In diesem Zusammenhang sollten Sie sich unbedingt mal den sogenannten Stachel dieses zweibeinigen Insektes ansehen.« Parker griff in die Innentasche seines schwarzen Covercoats und präsentierte dem Manager den Eispickel, der gegen die Rüstung geprallt war. Der Manager beugte sich vor. Als er sich wieder aufrichtete, hatte sein Gesicht eine etwas fahlgelbe Farbe angenommen. »Absolut tödlich«, warf die Detektivin ein, »an sich, junger Mann, sollte ich Ihnen ja solch einen Insektenstich gönnen.« »Wo also könnte Ihr Besucher aus den Staaten sich aufhalten? « fragte Parker und spielte ohne Übergang auf Fitchlay an. »In Redbridge«, kam die prompte Antwort, »Moment mal, von wem haben Sie da gerade gesprochen?« »Von Steve Fitchlay«, entgegnete der Butler, »Sie haben soeben ausgesagt, wo die Mord-Hornisse sich Ihrer Ansicht nach befindet. Ich möchte Ihnen nicht verschweigen, daß Ihr Hinweis auf Tonband festgehalten wurde.« »Kein Wort habe ich gesagt«, brauste der Manager auf. »Ich werde beschwören, daß Sie ausgesagt haben«, schaltete die ältere Dame sich genußvoll ein, »und ich werde dafür sorgen, daß die Mord-Hornisse das auch erfährt.« »Sie ... Sie wollen mich unter Druck setzen, Sie wollen mich erpressen.« Der Manager, Lady Simpson und Parker befanden sich im
Büro der Automatenhalle. Der Manager schob sich vorsichtig an den Schreibtisch heran. Es war wohl seine Absicht, Alarm auszulösen. Seine linke Hand kroch dezent und fast unauffällig auf einen Klingelknopf zu, der rechts auf der Schreibtischplatte angebracht war. Als sie diesen Knopf fast erreicht hatte, langte die ältere Dame mit ihrem Pompadour nachdrückich zu. Der Manager stöhnte und verbrachte einige Sekunden damit, seine Hand zu betrachten, deren Finger sich nicht mehr bewegen ließen. »Sie haben mir die Finger gebrochen«, klagte er dann mit gepreßter Stimme. »Weil Sie mich bedroht haben, Sie Lümmel«, raunzte Lady Agatha, »ich habe in reiner Notwehr gehandelt, nicht wahr, Mr. Parker?« »Es wird mit Sicherheit bald nicht mehr um Ihre diversen Finger gehen, die übrigens nur geprellt wurden«, antwortete Parker in Richtung des Managers, »es geht bereits schon jetzt um Ihr Leben. Mr. Steve Fitchlay befindet sich also in Redbridge. Eine genauere Ortsbeschreibung könnte Ihre Lage wesentlich verbessern.« »Ist er auf der Farm dieses Wentrop untergeschlüpft?« wollte die ältere Dame wissen. »Nein, nein«, erklärte der Manager. Auf seiner Stirn bildeten sich dicke Schweißtropfen, »Mr. Bungay hat dort ein Landhaus, mitten in einem Waldstück.« »Wann fuhr Mr. Bungay dorthin?« fragte Parker ungewöhnlich knapp. »Vor anderthalb Stunden, es kann aber früher gewesen sein, genau weiß ich das nicht.« »Wo genau liegt dieses Landhaus?« »Ich kann's Ihnen auf der Wandkarte zeigen. Moment, Mylady, da steckt ja eine Nadel drin. Ich brauche Ihnen also
überrhaupt nichts zu sagen.« Parker trat an die Wandkarte und orientierte sich. Der Manager witterte eine Möglichkeit, die Dinge noch mal wenden zu können. Er sah sich ja nur einer Frau gegenüber, die keineswegs jugendlich oder sportlich aussah. Der Manager wartete, bis Lady Agatha zur Wandkarte blickte. Dann drückte er sich ab und warf sich auf Lady Simpson. Die Detektivin aber hatte mit solch einem Angriff gerechnet, ja, sie hatte ihn geradezu herbeigesehnt. Sie wich erstaunlich geschickt zur Seite aus und setzte ihren perlenbestickten Handbeutel dann genußvoll auf den Hinterkopf des Managers, der bereits mitten im Flug sein Bewußtsein verlor und dementsprechend hart auf der Schreibtischplatte landete. »Fühle ich mich noch angegriffen, Mr. Parker?« fragte sie dann und nestelte an einer ihrer Hutnadeln. »Vielleicht später, Mylady«, schlug Josuah Parker vor, »man könnte den Manager nach dem Erwachen einladen, sich an der Fahrt nach Redbridge zu beteiligen. Es ist als sicher zu unterstellen, daß er dieser Einladung Folge leisten wird.« *** »Sehr interessant, Mr. Parker, halten Sie einen Moment«, sagte die ältere Dame und stieg aus dem Wagen. Sie sah zum Himmel hoch und beobachtete zwei zweimotorige Maschinen, aus denen Fallschirmspringer purzelten. Josuah Parker und Lady Simpson hatten Redbridge hinter sich gelassen und befanden sich auf einer Landstraße, die an einem Flugplatz vorbeiführte. Die schwarzen Punkte am blauen Himmel schienen plötzlich leuchtend bunte Schirme auszustoßen. Sekunden später hingen die Springer in ihren Gurten und schwebten nach unten.
»Erinnern Sie mich daran, Mr. Parker, daß ich unbedingt springen will«, sagte die Lady, »es muß ein herrliches Gefühl sein, so durch die Luft zu schweben.« »Man wird es sich zur Ehre anrechnen, Mylady einen Fallschirm zur Verfügung zu stellen«, antwortete Parker, während seine Herrin wieder in den Wagen stieg. »Wie weit ist es noch?« fragte Agatha Simpson ungeduldig. »Gleich hinter dem Waldstück, Mylady, müßte das Landhaus des Mr. Bungay auftauchen.« »Ich werde es natürlich im Sturm nehmen«, versicherte sie. »Wie Mylady wünschen.« Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum weiter über die einsame Landstraße, bog in das Wäldchen ein und ... mußte ... unmittelbar darauf halten. Vor ihnen befand sich eine Abzweigung, die in den Wald führte. »Das Grundstück macht einen ungewöhnlich abgesicherten Eindruck«, sagte Parker und deutete auf einen soliden Drahtzaun am Ende der kurzen Abzweigung. »Diese Mauer und das Tor sind natürlich gesichert, nicht wahr?« »Davon sollte man ausgehen, Mylady.« »Aber ich möchte nicht angemeldet werden, Mr. Parker, das könnte Denfeld in Lebensgefahr bringen.« »Auch dies, Mylady, liegt im Bereich der Möglichkeit.« »Ich habe eine Idee, Mr. Parker.« »Mylady planen, per Fallschirm das Grundstück hinter der Mauer zu betreten? « »Wie gut Sie mich doch kennen, mein lieber Mr. Parker.« Sie nickte zustimmend. »Mylady sollten vielleicht in Betracht ziehen, daß viele Landungen per Fallschirm nicht gerade sanft zu nennen sind.« »Eine Frage der Geschicklichkeit, Mr. Parker.« »Das Fallschirmspringen, Mylady, erfordert langwierige
Übung.« »Die werde ich mir ersparen, Mr. Parker. Bringen Sie mich zum Flugplatz!« »Mylady, darf man ...« »Nein ...«, erwiderte sie barsch, »ich werde dieses Gangsternest aus der Luft ausräuchern, Mr. Parker, eine andere Möglichkeit gibt es gar nicht. Und das wissen auch Sie!« »Mylady könnten gewisse, vielleicht komplizierte Brüche davontragen.« »Nur, wenn man ungeschickt ist. Und Sie wollen doch nicht etwa behaupten, ich sei ungeschickt!« »Dies, Mylady, würde meine Wenigkeit sich nie erkühnen.« »Dann wenden Sie endlich, Mr. Parker!« Der Butler wußte aus Erfahrung, daß es sinnlos war, seine Herrin umstimmen zu wollen. Was sie sich mal in den Kopf gesetzt hatte, führte sie auch durch. Ein störrischer Maulesel war dagegen direkt weich wie Wachs. Parker wendete den Wagen und fuhr über die Landstraße zum Flugplatz zurück. Er mußte das Flugfeld in weitem Bogen umfahren und konnte dann endlich die Gebäude ansteuern. Agatha Simpson stieg aus und wechselte mit der Wache am Tor wenige Worte. Es dauerte nur knapp fünf Minuten, bis ein Militär-Jeep erschien, an dessen Steuer ein Offizier saß. Noch hoffte Parker, daß man seiner Herrin kategorisch den gewünschten Sprung verweigern würden, doch er sah sich getäuscht. Die ältere Dame aktivierte ihren Charme, der durchaus zur Verfügung stand, ließ sich in das Hauptgebäude bringen und stand dann dem Kommandeur der Fallschirmeinheit gegenüber, den sie kannte. »Sind Mylady bereits gesprungen?« erkundigte sich der Adjutant, der mit Parker im Vorzimmer geblieben war. »Dies entzieht sich meiner Kenntnis«, gab der Butler zurück.
»Sie schon mal?« »Hin und wieder, wenn es erforderlich war«, gab Parker zurück. »Eine tolle Sache«, meinte der Adjutant anerkennend, »eine Dame in diesem Alter! Und sie will unbedingt springen ... Das findet man nicht alle Tage.« »Mylady steuern Panzerwagen und U-Boote«, entgegnete der Butler, »Mylady sind technisch ungemein versiert, wie behauptet wird.« Die Unterhaltung der beiden Männer wurde unterbrochen. Mylady und der Kommandeur erschienen im Vorzimmer. Mylady lächelte siegesgewiß. »Ich werde zusammen mit einer kleinen Kampfeinheit abspringen«, sagte sie zu Parker, »Sie können sich an diesem Unternehmen beteiligen, Mr. Parker, aber ich bestehe nicht darauf. Ich werde Rücksicht auf Ihre Ungeschicklichkeit nehmen.« »Mylady sind zu gütig.« »Sie müssen noch eine Erklärung unterschreiben«, sagte der Kommandeur, der keineswegs einen glücklichen Eindruck machte, »wir, das heißt die Armee, übernehmen keine Haftung. »Papperlapapp, mein Bester«, erwiderte sie, »ich werde Ihren Leuten gleich zeigen, wie man abspringt!« *** Es war erstaunlich, Agatha Simpson zeigte keine Nervosität. Sie saß neben Parker auf einer Art Bank und teilte sie sich mit den anderen Fallschirmspringern. Die Maschine hatte längst abgehoben und gewann an Höhe. Durch die Ausstiegsöffnung konnte man gerade noch die sanft geschwungene, grüne Hügellandschaft erkennen.
Die jungen Fallschirmspringer musterten verstohlen Lady Agatha, die einen aufgekratzten Eindruck machte. Parkers Gesicht hingegen war ausdruckslos wie stets. Parker wunderte sich übrigens nicht, wieso man seiner Herrin erlaubt hatte, einen Fallschirm anzulegen. Sie hatte natürlich wieder mal mit ihren sehr engen Verbindungen zum Blutadel der Insel gearbeitet und den Kommandeur unter Druck gesetzt. Parker war nur froh, daß die Reißleine zwangsweise gezogen wurde. Lady Agatha brauchte also nicht selbst abzuschätzen, wann sie die Reißleine zu ziehen hatte. »Wir gehen gleich auf Kurs«, lautete die Durchsage des Piloten, »in drei Minuten sind wir soweit, alles bereitmachen!« Ein erfahrener Sergeant kümmerte sich um Lady Agatha und hakte ihre Reißleine ein. Parker erhob sich von der Bank und griff nach einem Picknickkorb, der aus dem Kofferraum des Wagens stammte. In diesem Korb befanden sich diverse Waffen, auf die der Butler keineswegs verzichten wollte. »Nein, nein, noch nicht«, brüllte der Sergeant entsetzt, als die ältere Dame durch die ausgehängte Tür nach draußen treten wollte. Er riß die Lady zurück und schüttelte den Kopf. »Aber jetzt«, sagte Lady Agatha, als eine Hupe zu vernehmen war. Sie stieß den Sergeant zurück und stieg nach außen, als habe sie vor, eine ganz normale Treppe zu benutzen. Parker beeilte sich, seiner Herrin zu folgen. Sie rauschte knapp vor ihm nach unten, noch hatte der Fallschirm sich nicht geöffnet. Doch dann blühte plötzlich eine weißrote Wolke über Lady Agatha auf. Der Fallschirm hatte sich geöffnet, und Parker hörte einen leichten Aufschrei. Eine Sekunde später hing auch der Butler bereits in den Gurten. »Darf man sich nach dem Befinden Mylady erkundigen?« fragte er, da es hier in der freien Luft erstaunlich ruhig war. »War das etwa schon alles?« fragte die Detektivin fast erbost.
»Mylady genossen den Sprung?« Parker schwebte halbhoch hinter ihr nach unten. »Das habe ich mir aufregender vorgestellt«, beschwerte sie sich fast, »ich denke, ich werde bald mal den freien Fall üben, Mr. Parker.« Dieser freie Fall wurde allerdings links und rechts von ihnen vollzogen. Die anderen Springer bestimmten selbst, wann sie ihre Reißleinen zogen. Da Josuah Parker ihnen vorher genau auseinandergesetzt hatte, um was es ging, ließen die austrainierten Männer sich tief herabstürzen und zogen praktisch im letzten Moment erst die Reißleine. Weit vor Mylady und Butler Parker landeten sie auf einer Wiese vor dem Landsitz und stürmten dann auf das Haus zu. Ein leichter Wind war aufgekommen. Agatha Simpson, schwerer als Parker, wurde seitlich kaum versetzt. Parker aber konnte nichts dagegen unternehmen, daß der Wind ihn abtrieb. Der Butler schwebte auf einen schmalen Waldweg zu. »Mylady mögen verzeihen«, entschuldigte er sich, »widrige Winde und Umstände erzwingen eine Trennung, die keineswegs beabsichtigt war und ist« »Ist da unten ein Teich, Mr. Parker?« rief sie. »Er scheint seich zu sein, Mylady«, versicherte Parker, der sich darauf konzentrierte, dem Schirm gewisse Hilfen anzubieten. Er schaffte es, auf einer kleinen Lichtung zu landen, fand sicheren Boden, federte ab und entledigte sich der Gurte. Es zeigte sich, daß Parker tatsächlich schon gesprungen sein mußte. Von Lady Agatha war nichts mehr zu sehen. Parker nahm den Picknickkorb hoch und zerrte den Fallschirm vom Waldweg. Als er es gerade geschafft hatte, hörte er das Aufheulen eines Wagenmotors. Wenig später kurvte ein Ford heran, der in einem der unteren Gänge hochgedreht wurde. Parker machte sich bereit, diesen Wagen zu stoppen. Er hatte
das sichere Gefühl, daß hier wenigstens zwei Männer versuchten, den Landsitz zu räumen. *** Sie sah ein wenig mitgenommen aus. Myladys Hut saß schief auf dem Kopf. Eine Seerose hatte sich als Dekoration eingefunden. Etwas Schilf zierte das Tweedkostüm der Agatha Simpson. Sie war pitschnaß, ihre Laune nicht besonders. »Mylady landeten im Teich?« erkundigte sich der Butler höflich. »Absichtlich«, behauptete, sie, »ich mußte das einfach testen. Aber ich weiß auch, daß ich vorzeitig aus der Maschine gestoßen wurde.« »Mylady unterliegen sicher einem Irrtum«, antwortete Josuah Parker. Diesmal hatte er wirklich große Mühe, ein aufsteigendes Lächeln zu unterdrücken. »Ich kann es nicht beweisen, aber ich möchte behaupten, daß Sie mir diesen Stoß ins Kreuz versetzt haben«, grollte sie, »wäre ich regulär ausgestiegen, hätte ich den Teich vermieden.« »Verfehlt, Mylady«, korrigierte der Butler, »Mylady deuteten gerade an, daß es Myladys Absicht war, in dem erwähnten Teich zu landen.« »Was haben Sie erreicht?« fragte sie, abrupt das Thema wechselnd. »Die Herren Bungay und Fitchlay konnten festgenommen werden, als sie den Landsitz in einem Ford verlassen wollten«, gab der Butler zurück, »Mr. Herbert Denfeld befindet sich bei bester Gesundheit und wird in wenigen Tagen die Scheidung einreichen.« »Er weiß also inzwischen, was seine Frau geplant hatte?«
»Er erfuhr es quasi aus erster Hand, Mylady. Mr. Fitchlay war so frei, es Mr. Denfeld zu sagen.« »Dann hätte ich also auch diesen Fall gelöst, Mr. Parker.« Sie nickte zufrieden. »Man wird Myladys Ermittlungsarbeit allenthalben rühmen.« »Nun ja.« Sie räusperte sich. »Gehen wir ins Haus und sagen Sie den jungen Leuten, daß ich kein anzügliches Lächeln zu sehen wünsche.« »Dies, Mylady, wird man sich mit Sicherheit nicht erlauben.« »Sie hätten mich nicht vorzeitig hinausstürzen dürfen, Mr. Parker.« »Dies war nicht der Fall. Darf man Mylady an die Boe erinnern, die Mylady seitlich versetzte?« »Richtig.« Sie nickte und entspannte sich. »Es war dieser Windstoß, der es auf mich abgesehen hatte. Eigentlich erstaunlich, daß ich trotz dieses Sturmes noch sicher landete, nicht wahr?« »Mylady bewiesen wieder mal Geistesgegenwart und Können«, versicherte Josuah Parker. »Und schließlich habe ich diesen Denfeld befreit«, rühmte sie sich umgehend. »Die diversen Geheimdienste werden nur mit großem Respekt von Mylady sprechen.« »Das möchte ich mir auch ausgebeten haben«, erklärte sie mit Nachdruck, »noch etwas, Mr. Parker.« Der Butler beugte sich diskret vor, da seine Herrin die Stimme senkte. »Es braucht ja nicht an die große Glocke gehängt zu werden, wo ich landete«, sagte sie.
»Mylady können sich auf die Diskretion meiner Wenigkeit unbedingt verlassen, auf der anderen Seite besteht kein Grund, das taktische Manöver Myladys zu unterschlagen.« »Taktisches Manöver?« Sie sah ihn irritiert an. »Myladys Landung glich, wie man mir versicherte, dem Einschlag einer voluminösen Bombe«, redete Parker weiter. »Dadurch wurden die beiden Gangster Fitchlay und Bungay total verunsichert, vergaßen, Denfeld zu töten und ergriffen umgehend die Flucht.« »Voluminöse Bombe?« Agatha Simpson schien dieser Vergleich nicht zu gefallen. »Voluminös, was die Akustik betraf«, definierte Parker umgehend, »tatsächlich war es ein heroischer Entschluß, daß Mylady diese Form der Landung wählten. Erst dadurch wurde es den Fallschirmjägern ermöglicht, den Landsitz im Sturm zu nehmen.« »Es war wirklich nicht leicht, den Teich anzuvisieren, Mr. Parker.« Sie atmete tief und befreit. »Dazu gehört schon viel Können.« »Mylady überzeugten wieder mal auf der ganzen Linie«, behauptete der Butler und wandte sich dann ab, um im Besitz seiner Fassung zu bleiben. Er stand dicht davor, sie zu verlieren. ENDE