Dana Mietzner Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen
GABLER RESEARCH Innovation und Technologie im modernen Ma...
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Dana Mietzner Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen
GABLER RESEARCH Innovation und Technologie im modernen Management Herausgegeben von Prof. Dr. Guido Reger und Prof. Dr. Dieter Wagner
Innovation und Technologie sind die Schlüsselfaktoren für den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Damit einhergehende neue Entwicklungen in den Wirtschaftsund Sozialwissenschaften sollen durch diese Schriftenreihe zur Diskussion gestellt werden. Die Reihe bietet ein Forum für theoriegeleitete, anwendungsorientierte und interdisziplinär ausgerichtete wissenschaftliche Arbeiten, die der Weiterentwicklung des Wissens über Innovation und Technologie dienen. Im Mittelpunkt stehen die Identifizierung neuer Herausforderungen an das Management und das Wechselspiel mit dem wirtschaftlichen und politischen Umfeld eines Unternehmens. Die Reihe steht in engem Zusammenhang mit den Forschungsaktivitäten des Centrums für Entrepreneurship und Innovation der Universität Potsdam (CEIP), der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung der Universität Potsdam, die mit dem Brandenburgischen Institut für Existenzgründung und Mittelstandsförderung (BIEM) verbunden ist.
Dana Mietzner
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen Methodenevaluation und neue Ansätze Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Guido Reger
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Potsdam, 2009
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1687-7
Geleitwort Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Komplexität in einem globalen Wettbewerbsumfeld, der hohen Geschwindigkeit in der Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien, knapper Ressourcen und einem hohen Kostendruck kommt der strategischen Vorausschau neuer Märkte und Geschäftsmöglichkeiten heute und in Zukunft eine hohe Bedeutung zu. Die strategische Vorausschau kann dabei nicht mehr nur isoliert Technologieentwicklungen betrachten; vielmehr kommt es darauf an, Veränderungen im Kundenund Wettbewerbsverhalten, gesellschaftliche und sozio-kulturelle Umbrüche gleichberechtigt neben technologischen Veränderungen frühzeitig wahrzunehmen und Rückschlüsse für die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu ziehen. Dieses ganzheitliche Verständnis einer strategischen Vorausschau wird in dieser Veröffentlichung aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Prozessgestaltung und Wirkungen von Methoden der strategischen Vorausschau sowie die Verknüpfung der Vorausschau mit der strategischen Planung werden in der Innovationsforschung noch unzureichend diskutiert. Dies gilt insbesondere für die strategische Vorausschau in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Im Hinblick auf Vorausschaumethoden werden nur begrenzt Wirkungen, Möglichkeiten und Grenzen in der Umsetzung in Unternehmen untersucht. Demzufolge kann sowohl in der Wissenschaft als auch in der unternehmerischen Praxis von einer Lücke der empirischen Analyse bei der Implementierung der Vorausschaumethoden gesprochen werden. Dr. Dana Mietzner liefert in ihrer Arbeit einen systematischen Überblick zu Methoden der strategischen Vorausschau mit einem Schwerpunkt auf unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse. Sie zeigt auf, wie die Szenarioanalyse im Rahmen eines Open Foresight Ansatzes implementiert werden kann. Die systematische Evaluation des Szenarioprozesses bildet die Grundlage für die Diskussion von Erfolgsfaktoren und die Entwicklung einer szenariobasierten Vorausschau. Dr. Mietzner entwickelt in dieser Arbeit auf der Grundlage von Fallstudien in HighTech KMU, einem Action Research Ansatz und einem sehr fundierten Literaturstudium, eine szenariobasierte Vorausschau. Neu ist, dass dieses Konzept insbesonde-
VI
Geleitwort
re den Anforderungen von High-Tech KMU gerecht wird und auch die Vorausschau in die strategische Planung integriert.
Insgesamt betrachtet kann diese Publikation als ein umfassendes Kompendium für Innovationsmanager betrachtet werden, die mit den Herausforderungen von Veränderungen systematisch umgehen wollen, um frühzeitig Chancen und Risiken zu identifizieren und die Strategie des Unternehmens entsprechend auszurichten. Darüber hinaus liefert diese Arbeit einen fundierten wissenschaftlichen Beitrag zur strategischen Vorausschau, der für Studierende und Wissenschaftler im Technologieund Innovationsmanagement gleichermaßen interessant ist.
Univ.-Professor Dr. oec. Guido Reger Professor für Innovationsmanagement und Entrepreneurship, Direktor des Instituts für Gründung und Innovation der Universität Potsdam (BIEM-CEIP)
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis...............................................................................................................X,II Abbildungsverzeichnis................................................................................................................X9 Tabellenverzeichnis....................................................................................................................X,;
1
Einführung ....................................................................................................................................... 1 1.1 Problemstellung, Gegenstand, Aufbau und Ziel der Arbeit .............................. 2 1.2 Systematische Auswahl eines geeigneten Forschungsdesigns ......................... 7 1.2.1 Qualitätsanforderungen in der Fallstudienforschung .............................. 14 1.2.2 Action Research – Implementierung von Szenarioanalysen ..................... 15 1.3 Design der Untersuchung ............................................................................ 18
2
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau ...............25 2.1 Hintergrund, Gegenstand und Ziele der Zukunftsforschung.......................... 25 2.2 Vorgehensweise der Zukunftsforschung ....................................................... 29 2.3 Strategische Vorausschau in Unternehmen ................................................... 32 2.3.1 Elemente der strategischen Vorausschau ............................................... 35 2.3.2 Ziele und Aufgaben der strategischen Vorausschau ............................... 37 2.3.3 Klassifizierungen der Methoden der strategischen Vorausschau ............ 40 2.3.4 Neue Methoden in der strategischen Vorausschau ................................. 49 2.4 Anforderungen an die strategische Vorausschau ......................................... 54
3
Szenariobasierte Strategieentwicklung ..........................................................................57 3.1 Der Strategiebegriff ..................................................................................... 58 3.2 Strategieentwicklung mit Szenarien nach Schoemaker .................................. 63 3.2.1 Strategische Segmentierung .................................................................. 65 3.2.2 Unternehmensanalyse............................................................................ 67 3.2.3 Strategische Vision ................................................................................ 70 3.2.4 Entwicklung flexibler strategischer Optionen ......................................... 71 3.2.5 Fazit: Strategieentwicklung mit Szenarien nach Schoemaker .................. 73 3.3 Strategieentwicklung mit Szenarien nach van der Heijden ............................ 74 3.3.1 Analyse des Geschäftskonzeptes (Schritt 1) ........................................... 75 3.3.2 Analyse der Wettbewerbsposition (Schritt 2) .......................................... 80 3.3.3 Entwicklung strategischer Optionen und Maßnahmenplanung (Schritt 3) .............................................................. 83
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.3.4 Fazit: Strategieentwicklung mit Szenarien nach van der Heijden............. 86 3.4 Strategieentwicklung mit Szenarien nach Wilson .......................................... 87 3.4.1 Risikobewertung mit Szenarien .............................................................. 87 3.4.2 Strategiebewertung mit Szenarien ......................................................... 88 3.4.3 Strategieentwicklung unter Berücksichtigung eines Planungsszenarios .. 89 3.4.4 Strategieentwicklung unter Berücksichtigung aller Szenarien ................. 90 3.4.5 Fazit: Strategieentwicklung mit Szenarien nach Wilson........................... 91 4
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien .......................................................... 95 4.1 Historie der Szenariomethode .................................................................... 102 4.2 Formen der Szenarioentwicklung ............................................................... 110 4.3 Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung ................................................... 111 4.4 Richtung der Szenarioentwicklung ............................................................. 112 4.5 Zielgerichtetheit der Szenarioentwicklung .................................................. 113 4.6 Komplexität der Szenarioentwicklung ........................................................ 113 4.7 Funktionen von Szenarien .......................................................................... 114
5
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse ....................................................... 117 5.1 Modellgestützte Ansätze der Szenarioentwicklung ..................................... 117 5.1.1 Szenarioansatz nach Ute Hélène von Reibnitz et al. ............................. 118 5.1.2 Szenarioansatz nach Jürgen Gausemeier und Alexander Fink et al. ...... 130 5.1.3 Trendbasierter Szenarioprozess nach Burmeister, Neef et al. ............... 132 5.1.4 Die französische Schule La Prospective ................................................ 135 5.1.5 Der wahrscheinlichkeitstheoretische Ansatz ........................................ 138 5.2 Intuitive Ansätze der Szenarioentwicklung................................................. 140 5.2.1 Szenarioansatz nach Peter Schwartz (Global Business Network) ........... 140 5.2.2 Szenario planning nach Kees van der Heijden ...................................... 144 5.2.3 Scenario planning nach Paul Schoemaker ............................................. 151 5.3 Fazit: Vor- und Nachteile von Szenarioanalysen ......................................... 156 5.3.1 Vorteile der Szenarioanalyse ................................................................ 156 5.3.2 Nachteile der Szenarioanalyse ............................................................. 158
6
Strategische Vorausschau in Unternehmen ............................................................... 163 6.1 Anwendung der Szenariomethode in der strategischen Planung ................ 168 6.2 Untersuchung zur Praxis der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen (DLrBT) .......................................................... 182
Inhaltsverzeichnis
IX
6.2.1 Methodisches Vorgehen ...................................................................... 183 6.2.2 Definition des Begriffes „Dienstleistung in der roten Biotechnologie“ ... 184 6.2.3 Qualitative Inhaltsanalyse zur Praxis der strategischen Vorausschau in DLrBT ......................................................................... 198 6.2.4 Ergebnisdarstellung: Praxis der Früherkennung und strategischen Vorausschau in DLrBT .................................................... 202 6.3 Anforderungen an Methoden der strategischen Vorausschau ..................... 223 6.4 Einsatz der Szenarioanalyse in kleinen und mittleren Unternehmen – Good Practice ............................................................................................ 227 7
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen.................................. 233 7.1 Systematische Entwicklung eines maßgeschneiderten Szenariodesigns durch Kontextermittlung ........................................................................... 234 7.2 Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik ................................... 237 7.2.1 Vorgehen und Tools ............................................................................ 243 7.2.2 Implementierung der Szenarioanalyse Bioanalytik und in vitro Diagnostik ........................................................................ 245 7.2.3 Systematische Bestandsaufnahme ........................................................ 246 7.2.4 Entwicklung von Einflussfaktoren ........................................................ 249 7.2.5 Identifikation von Schlüsselfaktoren .................................................... 251 7.2.6 Entwicklung von Zukunftsprojektionen ................................................ 252 7.2.7 Bildung von Szenarien ......................................................................... 252 7.2.8 Szenariokommunikation und Ableitung von Handlungsempfehlungen . 253 7.2.9 Bewertung der Ergebnisse der Szenarioanalyse .................................... 254 7.2.10 Evaluation des methodischen Vorgehens ........................................... 255 7.3 Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie ....................................................... 259 7.3.1 Vorgehen und Tools ............................................................................ 266 7.3.2 Implementierung der Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie ................ 267 7.3.3 Systematische Bestandsaufnahme ........................................................ 268 7.3.4 Entwicklung von Einflussfaktoren ........................................................ 269 7.3.5 Identifikation von Schlüsselfaktoren .................................................... 269 7.3.6 Entwicklung von Zukunftsprojektionen ................................................ 270 7.3.7 Bildung von Szenarien ......................................................................... 270 7.3.8 Szenariokommunikation und Ableitung von Handlungsempfehlungen . 271 7.3.9 Bewertung der Ergebnisse der Szenarioanalyse .................................... 271
X
Inhaltsverzeichnis
7.3.10 Evaluation des methodischen Vorgehens ........................................... 273 7.4 Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT) ....... 275 7.4.1 Vorgehen und Tools ............................................................................ 281 7.4.2 Implementierung der Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT) ..................................................... 282 7.4.3 Systematische Bestandsaufnahme ........................................................ 284 7.4.4 Entwicklung von Einflussfaktoren ........................................................ 286 7.4.5 Identifikation von Schlüsselfaktoren .................................................... 286 7.4.6 Entwicklung von Zukunftsprojektionen ................................................ 287 7.4.7 Bildung von Szenarien ......................................................................... 287 7.4.8 Szenariokommunikation und Ableitung von Handlungsempfehlungen . 288 7.4.9 Bewertung der Ergebnisse der Szenarioanalyse .................................... 288 7.4.10 Evaluation des methodischen Vorgehens ........................................... 288 8
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze .......................................................................................... 291 8.1 Open Foresight: Szenarioanalysen im Netzwerk .......................................... 293 8.2 Closed Foresight: Neue Ansätze in der strategische Vorausschau mit Toolunterstützung am Beispiel von Biotechnologieunternehmen ............... 294 8.2.1 New Market Intelligence: Strategische Vorausschau mit Toolunterstützung ........................................................................ 294 8.2.2 New Market Intelligence Tool: Wesentliche Funktionen ........................ 296 8.3 Integrierter Ansatz: Strategische Vorausschau in Biotechnologieunternehmen mit Toolunterstützung .................................. 304 8.4 Erfolgsfaktoren und neue Ansätze der Szenarioanalyse .............................. 321 8.4.1 Erfolgsfaktor Commitment und Akzeptanz .......................................... 324 8.4.2 Erfolgsfaktor Strategiefokus ................................................................ 327 8.4.3 Erfolgsfaktor Szenariodesign ............................................................... 327 8.4.4 Erfolgsfaktor systematische Bestandsaufnahme ................................... 328 8.4.5 Erfolgsfaktor Szenariokommunikation ................................................. 329 8.4.6 Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit ................................................................ 330
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau ............................................... 333
ANHANG................................................................................................................................................ 345
Inhaltsverzeichnis
XI
A.1 Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse im Überblick ....................... 346 A.2 Interviewleitfaden im Projekt New Market Intelligence (Stand: August 2007)........................................... 354 A.3 Leitfragen zur Beschreibung der Einflussbereiche in der Szenarioanalyse Bioanalytik und in vitro Diagnostik (Beispiel) .................... 356 A.4 Systematische Bestandsaufnahme in Szenarioanalysen mit der Innovationscheckliste ................................................................................ 364 Literaturverzeichnis........................................................................................................................ 369
Abkürzungsverzeichnis CRM
Customer Relationship Management
CIA
Cross-Impact Analyse
DLrBT
Dienstleistungen in der roten Biotechnologie
et al.
und andere
f.
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FDA
Food and Drug Administration
ff.
folgenden Seiten
FuE
Forschung und Entwicklung
GBN
Global Business Network
GMP
Good Manufacturing Practice
i.S.
im Sinne
IC
Innovationscheckliste
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
MEG
Market Entrance Guide
MICMAC
Matrice d’Impacts Croisés - Multiplication Appliquée à un Classement
MIT
Massachusetts Institute of Technology
NMI
New Market Intelligence
SEF
Schlüsselerfolgsfaktoren
SGE
Strategische Geschäftseinheit
SRI International
Stanford Research Institute International
TIA
Trend Impact Analyse
TRIZ
Theorie des erfinderischen Problemlösens oder Theorie zur Lösung erfinderischer Probleme
u. g.
unten genannte(n)
u. U.
unter Umständen
vgl.
vergleiche
VoA
Vorausschauaktivitäten
Vol.
Volume
z.B.
zum Beispiel
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1
Struktur der Arbeit ...................................................................... 6
Abbildung 1.2
Entscheidungsbaum - Art der anwendungsorientierten Forschung ................................................................................... 8
Abbildung 1.3
Forschungsdesign (Teilbereich 1) .............................................. 20
Abbildung 1.4
Forschungsdesign (Teilbereich 2) .............................................. 21
Abbildung 1.5
Forschungsdesign (Teilbereich 3) .............................................. 23
Abbildung 1.6
Design der Untersuchung – Integrierter Ansatz ......................... 24
Abbildung 2.1
Prozess der Zukunftsforschung ................................................. 31
Abbildung 2.2
Konzept der strategischen Vorausschau .................................... 35
Abbildung 2.3
Elemente der strategischen Vorausschau .................................. 37
Abbildung 2.4
Ausgewählte Methoden der strategischen Vorausschau im Überblick ............................................................................. 48
Abbildung 2.5
Generischer Prozess der strategischen Vorausschau mit Methodenzuordnung................................................................. 53
Abbildung 3.1
Strategische Vorausschau und strategische Planung .................. 62
Abbildung 3.2
Modell der szenariobasierten Strategieentwicklung nach Schoemaker ...................................................................... 64
Abbildung 3.3
Schlüsselerfolgsfaktoren-Matrix ................................................ 66
Abbildung 3.4
Gap-Analyse .............................................................................. 70
Abbildung 3.5
Die strategische Vision.............................................................. 71
Abbildung 3.6
Ansatz der szenariobasierten Strategieentwicklung nach Schoemaker mit Methodenzuordnung ............................... 74
Abbildung 3.7
Strategieentwicklung mit Szenarien........................................... 75
Abbildung 3.8
Elemente des Geschäftskonzeptes ............................................ 77
Abbildung 3.9
Das Geschäftskonzept: Entwicklung eines Ursache-Wirkungsmodells ......................................................... 78
Abbildung 3.10
Ursache-Wirkungsdiagramm (Beispiel) ....................................... 80
Abbildung 3.11
Die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter .................................... 81
Abbildung 3.12
Qualitative Wettbewerbsbeurteilung .......................................... 82
Abbildung 3.13
Optionen/Szenario Matrix ......................................................... 85
Abbildung 3.14
Optionen/Stakeholder Matrix .................................................... 86
Abbildung 3.15
Bewertung der Ansätze zur Strategieentwicklung mit Szenarien (PMI) (Plus-Minus) ................................................ 92
XV,
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 3.16
Bewertung der Ansätze zur Strategieentwicklung
Abbildung 4.1
Zusammenhang zwischen Unsicherheit
mit Szenarien (PMI) (Interesting) ................................................ 93
und Vorherbestimmtheit ........................................................... 97 Abbildung 4.2
Explorative vs. antizipative Szenarien ...................................... 111
Abbildung 4.3
„Was-wäre-wenn-Szenarien“ vs.
Abbildung 4.4
Unterscheidungsformen der Szenarioentwicklung ................... 114
Abbildung 5.1
Der Szenario-Trichter und drei mögliche Grundtypen
„Was-muss-geschehen-dass Szenarien“ .................................... 112
des Szenarios.......................................................................... 119 Abbildung 5.2
Achtstufiger Prozess der Szenarioanalyse ............................... 121
Abbildung 5.3
System Grid mit Erläuterungen ................................................ 124
Abbildung 5.4
Die sieben Phasen des Szenario-Managements ........................ 131
Abbildung 5.5
Trendbasierter Szenarioprozess .............................................. 133
Abbildung 5.6
Corporate Foresight Toolbox .................................................. 134
Abbildung 5.7
Ermittlung von Ausprägungen der Schlüsselfragen durch die Morphologische Analyse (Schritt fünf ....................... 136
Abbildung 5.8
Ermittlung von Handlungsoptionen durch die Morphologische Analyse (Schritt sieben) ............................ 137
Abbildung 5.9
Ablauf der Szenariomethode nach Godet ................................ 138
Abbildung 5.10
Szenarioentwicklung – Auswahl geeigneter Faktoren ............... 142
Abbildung 5.11
Prozess der Szenarioentwicklung nach Schwartz ..................... 143
Abbildung 5.12
Ablauf des „scenario planning“ nach van der Heijden .............. 145
Abbildung 5.13
Dokumentation der treibenden Kräfte und möglicher Entwicklungen ........................................................................ 146
Abbildung 5.14
Clusterbildung und Ermittlung von Clusterüberschriften ......... 147
Abbildung 5.15
Bestimmung des Szenariorahmens .......................................... 148
Abbildung 5.16
Ausfüllen der Szenarien .......................................................... 148
Abbildung 6.1
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in 1989/90 ......... 168
Abbildung 6.2
Kriterienraster für die Auswahl zukunftsfähiger Unternehmen . 171
Abbildung 6.3
Methodeneinsatz in Unternehmen (Vergleich 1996 und 1999) . 172
Abbildung 6.4
Kriterienraster für die Auswahl zukunftsfähiger Unternehmen . 173
Abbildung 6.5
Regelmäßig und fallweise eingesetzte Methoden..................... 175
Abbildung 6.6
Status quo in Unternehmen: Anwendung der Methoden der Zukunftsforschung.................................................................. 179
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 6.7
XV,,
Zukünftige Bedeutung ausgewählter Methoden (Anzahl der Expertennennungen in absoluten Zahlen)................................ 180
Abbildung 6.8
Strategische Vorausschau in Biotechnologieunternehmen (Untersuchungsfragen) ............................................................ 183
Abbildung 6.9
Definition „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“ ........ 186
Abbildung 6.10
Webbasierter Datenexport anhand des Suchrasters ................. 200
Abbildung 6.11
Aufbereitung des Datenmaterials auf Basis der
Abbildung 6.12
Typen der strategischen Vorausschau
Abbildung 6.13
Anforderungen von Biotechnologieunternehmen an
Suchrasterinformationen (2. Auswertungsschritt) .................... 201
(Technologie/Marktfokus-Zukunftsorientierungs-Matrix) ......... 215
Methoden der strategischen Vorausschau ............................... 226 Abbildung 6.14
Einsatz von Szenarioanalysen in KMU (Untersuchungsfragen) .. 228
Abbildung 6.15
Anforderungen an den Einsatz von Szenarioanalysen in KMU (Ergebnisse aus Experteninterviews) ............................ 232
Abbildung 7.1
Vorgehen und Tools Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik .............................................................................. 244
Abbildung 7.2
Vorgehen und Zeitplan Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik ........................................................... 246
Abbildung 7.3
Der „Diamant“ - Dimensionen lokaler Wettbewerbskräfte ......... 248
Abbildung 7.4
Systematische Bestandsaufnahme in der Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik .......................................... 249
Abbildung 7.5
Einflussfaktoren Bioanalytik und in vitro Diagnostik ................ 250
Abbildung 7.6
Einflussbereiche und Schlüsselfaktoren ................................... 252
Abbildung 7.7
Vorgehen und Tools Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie .... 267
Abbildung 7.8
Vorgehen und Zeitrahmen Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie .............................................................. 268
Abbildung 7.9
Einflussbereiche und Schlüsselfaktoren Weiße Biotechnologie . 270
Abbildung 7.10
Vorgehen und Tools Szenarioanalyse DLrBT ............................ 282
Abbildung 7.11
Vorgehen und Zeitrahmen Szenarioanalyse DLrBT ................... 284
Abbildung 7.12
Die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter .................................. 285
Abbildung 7.13
Einflussbereiche und Schlüsselfaktoren für die Szenarioanalyse DLrBT ............................................................ 287
Abbildung 8.1
New Market Intelligence Tool (Konzept) ................................... 297
XV,I,
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 8.2
NMI Tool: Bereich Information: Datenbasis zu ausgewählten Ländermärkten ....................................................................... 299
Abbildung 8.3
Zuordnung von Relationen (aktuelle und potenzielle Wettbewerber, Kunden, Partner, Zulieferer) ........... 300
Abbildung 8.4
Darstellung der automatisch generierten Suchbegriffe am Bespiel eines ausgewählten Unternehmens ........................ 301
Abbildung 8.5
Wissenstransfer und Codezuordnung im NMI Tool .................. 304
Abbildung 8.6
Ablauf der strategischen Vorausschau mit
Abbildung 8.7
Leitfragen in der SWOT Analyse............................................... 307
Tool-Unterstützung ................................................................. 306
Abbildung 8.8
SWOT-Analyse (Vorlage) .......................................................... 309
Abbildung 8.9
Indikatoren im Stärken-Schwächen-Profil
Abbildung 8.10
Bewertung von Stärken und Schwächen der Wettbewerber
(Wettbewerbsanalyse und im Bereich SWOT-Analyse) ............... 310
im NMI Tool (Likert-Skala und qualitative Einschätzung) .......... 311 Abbildung 8.11
Leitfragen zu Ursachen und Quellen für Wettbewerbsvorteile .. 312
Abbildung 8.12
Ursache-Wirkungs-Diagramm .................................................. 313
Abbildung 8.13
System Grid (Visualisierung der Ergebnisse der Einflussanalyse im NMI Tool) ................................................... 316
Abbildung 8.14
Leifragen zur Bewertung des Geschäftskonzeptes vor dem Hintergrund der Szenarien......................................... 317
Tabellenverzeichnis Tabelle 1.1
Situative Entscheidungsmatrix für verschiedene Forschungsstrategien nach Yin.................................................... 9
Tabelle 1.2
Gütekriterien für Fallstudien und Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität .................................................. 14
Tabelle 2.1
Zukunftsforschung in Unternehmen - Abgrenzung
Tabelle 2.2
Methoden, Funktionen und Ziele ............................................... 41
Tabelle 2.3
Klassifizierung ausgewählter Methoden der Zukunftsforschung 43
Tabelle 2.4
Methoden entsprechend der TFA Working Group....................... 44
Tabelle 2.5
Methodenkombination .............................................................. 47
Tabelle 2.6
Neue Tools in der strategischen Vorausschau ........................... 52
zur Trend- und Marktforschung ................................................ 29
Tabelle 3.1
Gewichtung von Szenarien und Segmenten ............................... 69
Tabelle 3.2
Bewertung der Schlüsselerfolgsfaktoren .................................... 69
Tabelle 3.3
Kernkompetenzen - Wettbewerbsvergleich ................................ 83
Tabelle 4.1
Historie der Zukunftsforschung - Meilensteine in der
Tabelle 5.1
Vernetzungsmatrix ................................................................. 122
Entwicklung der Szenariomethode .......................................... 110
Tabelle 5.2
Gegenüberstellung von Trends und Unsicherheiten am Beispiel eines Pharmaunternehmens .................................................... 153
Tabelle 5.3
Szenario Matrix (Beispiel: Pharmaunternehmen) ...................... 154
Tabelle 5.4
Szenario Blueprints (Beispiel: Pharmaunternehmen ................. 155
Tabelle 5.5
Vor- und Nachteile von Szenarioanalysen im Überblick ............ 160
Tabelle 6.1
Studien zur strategischen Planung in KMU .............................. 164
Tabelle 6.2
Prognosepraxis in Deutschland und in der Schweiz, Umfrage 1988 (in %) ................................................................ 169
Tabelle 6.3
Zentrale Einsatzfelder der Methoden der Zukunftsforschung ........................................................... 177
Tabelle 6.4
Empirische Untersuchungen zum Anwendungsgrad der Szenarioanalyse (Auswahl) ....................................................... 181
Tabelle 6.5
Methoden der Biotechnologie im Überblick .............................. 185
Tabelle 6.6
Fallstudienübersicht Teil 1 (ausgewählte Basisdaten) ............... 188
X;
Tabellenverzeichnis
Tabelle 6.7
Fallstudienübersicht Teil 2 (ausgewählte Basisdaten) ............... 189
Tabelle 6.8
Fallstudienübersicht Teil 3 (ausgewählte Basisdaten) ............... 190
Tabelle 6.9
Fallstudienübersicht Teil 4 (ausgewählte Basisdaten) ............... 191
Tabelle 6.10
Fallstudienübersicht Teil 5 (ausgewählte Basisdaten) ............... 192
Tabelle 6.11
Fallstudienübersicht Teil 6 (ausgewählte Basisdaten) ............... 193
Tabelle 6.12
Fallstudienübersicht Teil 7 (ausgewählte Basisdaten) ............... 194
Tabelle 6.13
Fallstudienübersicht Teil 8 (ausgewählte Basisdaten) ............... 195
Tabelle 6.14
Fallstudienübersicht Teil 9 (ausgewählte Basisdaten) ............... 196
Tabelle 6.15
Fallstudienübersicht Teil 10 (ausgewählte Basisdaten) ............. 197
Tabelle 6.16
Suchraster der Datenextraktion „Strategische Vorausschau“ (1. Auswertungsschritt)................. 199
Tabelle 6.17
„Wissenschaftsgetriebener Ansatz“ der
Tabelle 6.18
„Netzwerkorientierter Ansatz“ der strategischen Vorausschau . 210
Tabelle 6.19
„Marketinggetriebener Ansatz“ der strategischen Vorausschau 211
Tabelle 6.20
„Gatekeeper-Ansatz“ der strategischen Vorausschau ............... 212
Tabelle 6.21
„Controllingbasierter Ansatz“ der strategischen
strategischen Vorausschau....................................................... 209
Vorausschau und keine strategische Vorausschau .................... 213 Tabelle 6.22
Klassifizierung der eingesetzten Methoden .............................. 217
Tabelle 6.23
Stärken und Schwächen in der strategischen Vorausschau der DLrBT ............................................................ 222
Tabelle 6.24
Kurzcharakterisierung der Interviewpartner.............................. 227
Tabelle 6.25
Suchraster der Datenextraktion „Good Practice“ ....................... 229
Tabelle 7.1
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse
Tabelle 7.2
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse
Tabelle 7.3
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse
Bioanalytik und In vitro Diagnostik (graue Felder) (Teil 1) ......... 238
Bioanalytik und In vitro Diagnostik (graue Felder) (Teil 2) ......... 239
Bioanalytik und In vitro Diagnostik (graue Felder) (Teil 3) ......... 240 Tabelle 7.4
Erfolgsfaktoren und Ausprägungen für die Umsetzung von Szenarioanalysen ..................................................................... 258
Tabelle 7.5
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie (graue Felder) (Teil 1) ............................. 261
Tabellenverzeichnis
Tabelle 7.6
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse
Tabelle 7.7
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse
XX,
Weiße Biotechnologie (graue Felder) (Teil 2) ............................. 262
Weiße Biotechnologie (graue Felder) (Teil 3) ............................. 263 Tabelle 7.8
Erfolgsfaktoren und Ausprägungen für die Umsetzung von Szenarioanalysen (Teil 2).......................................................... 274
Tabelle 7.9
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung
Tabelle 7.10
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung
Tabelle 7.11
Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse
der Szenarioanalyse DLrBT ....................................................... 276
der Szenarioanalyse DLrBT (graue Felder) (Teil 2) .................... 277
DLrBT (graue Felder) (Teil 3) ..................................................... 278 Tabelle 7.12
Erfolgsfaktoren und Ausprägungen für die Umsetzung von Szenarioanalysen (Teil 3).......................................................... 290
Tabelle 8.1
Codekategorien und Codes ...................................................... 302
Tabelle 8.2
Einflussanalyse (Matrix) im NMI Tool ........................................ 315
Tabelle 8.3
Wesentliche Merkmale der Szenarioanalysen über Überblick ......................................................................... 321
Tabelle 8.4
Beiträge des Macht-, Fach- und Prozesspromotors im „Open Foresight" ................................................................................ 326
Tabelle 8.5
Erfolgsfaktoren von Szenarioanalysen im Überblick .................. 330
1
Einführung
Die Führung und strategische Planung in Unternehmen ist zunehmend mit Unsicherheiten konfrontiert. Dies ist auf den globalen Wettbewerb, die hohen Geschwindigkeiten in der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien oder auf Veränderungen in den Konsumentengruppen zurückzuführen. Um langfristig im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen frühzeitig neue Geschäftsmöglichkeiten erkannt und die Entscheidungen in der Gegenwart unter Berücksichtigung möglicher zukünftiger Entwicklungen getroffen werden. Somit wird die langfristige Wettbewerbsfähigkeit beeinflusst (1) durch die Fähigkeit der Unternehmen Überraschungen und Veränderungen zu antizipieren, (2) durch das Ausmaß der Flexibilität in der Anpassung der Unternehmensstrategie im Fall des Eintretens von Veränderungen, (3) durch die Fähigkeit der strategischen Vorausschau neue Geschäftsmöglichkeiten frühzeitig zu erkennen und (4) durch die Eignung der strategischen Vorausschau Kreativität und Innovationen zu befördern und das organisationale Lernen zu begleiten.
Da die Zukunft ungewiss ist, werden in der strategischen Vorausschau oftmals mehrere alternative Zukünfte betrachtet und Konsequenzen für das Unternehmen abgeleitet. Im Rahmen dieser strategischen Vorausschau bietet sich die Entwicklung von Szenarien an, da sie Möglichkeitsräume aufzeigen und eine systematische Auseinandersetzung mit dem Unternehmen (Kompetenzen, Fähigkeiten, Ressourcen) und dem Unternehmensumfeld (Chancen und Risiken) erfordern. Gleichzeitig sind Szenarioanalysen eine sehr gute Basis, um Informationen und Daten zu strukturieren, was eine wesentliche Herausforderung in Strategieprozessen darstellt („structure the unstructuredness“).
Der Einsatz von Szenarien ist in Unternehmen der Großindustrie weit verbreitet - wie jedoch die konkrete Verknüpfung von Szenarioanalysen mit der Strategieentwicklung erfolgt, bleibt dabei oftmals unbeantwortet. In kleinen und mittleren Unternehmen sind sowohl eine strukturierte strategische Planung als auch die strategische Vorausschau und der Einsatz von Methoden wie Szenarioanalysen kaum verbreitet. Dies ist oftmals auf eine mangelnde Methodenkenntnis, knappe Ressourcen sowie ein geringes Verständnis, was Methoden der strategischen Planung und Vorausschau leisten können, zurückzuführen. Dem gegenüber steht die Notwendigkeit
2
Einführung
der KMU, sich in einem internationalen Wettbewerb zu behaupten und Kompetenzen für die Absicherung und den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen frühzeitig aufzubauen.
Die vorliegende Arbeit verdeutlicht, welche Funktionen Szenarien übernehmen können, beschreibt die Praxis der strategischen Vorausschau am Beispiel von Biotechnologieunternehmen, welche Anforderungen an die strategische Vorausschau und ihre Methoden seitens der Unternehmen gestellt werden und wie eine strategische Vorausschau mit Szenarien in KMU umgesetzt werden kann. Dabei werden Open und Closed Foresight Ansätze entwickelt und diskutiert. Im Ergebnis der Untersuchung werden neue Konzepte für einen verbesserten Szenarioansatz vorgestellt und es wird herausgearbeitet, wie der Vorausschauprozess in den Unternehmen durch ein webbasiertes Softwaretool unterstützt werden kann. Somit leistet die Arbeit einen Beitrag, die in der Literatur nur unzureichend thematisierte praktische Anwendung von Szenarioanalysen besser zu verstehen, basierend auf einer umfassenden Forschungsarbeit zu diesem Thema. 1.1
Problemstellung, Gegenstand, Aufbau und Ziel der Arbeit
Die Zielsetzung von Szenarioanalysen ist es, Zukunftsplanung zu etablieren, durch die es möglich wird, Unsicherheiten im strategischen Planungsprozess zu minimieren und den Blick und das Denken der Entscheider und Manager für unterschiedliche mögliche Zukünfte zu öffnen. In Unternehmen und Institutionen sind jedoch ein unterschiedliches Verständnis zu Szenarioanalysen, eine geringe Methodenkenntnis, begrenzte Ressourcen und die unzureichende Verknüpfung zur strategischen Planung, Hürden beim Einsatz von Szenarioanalysen in der Strategieentwicklung. Dies gilt umso mehr für Szenarioanalysen in kleinen und mittleren Unternehmen. Gleichzeitig besteht jedoch die Notwendigkeit, vor dem Hintergrund größer werdender Unsicherheit und zunehmender Komplexität auf globalen Märkten, neue Märkte und Geschäftsmöglichkeiten frühzeitig zu erkennen.
Ziel dieser Untersuchung ist es, (1) das Vorgehen der strategischen Vorausschau in kleinen und mittleren Unternehmen am Beispiel von Biotechnologiedienstleistern zu ermitteln und (2) Szenarioanalysen in unterschiedlichen Kontexten anzuwenden, (3) das methodische Vorgehen zu evaluieren, um Ansatzpunkte für einen verbesserten
Einführung
3
Szenarioansatz zu identifizieren, und (4) ein neues Verständnis eines szenariobasierten Vorausschauprozesses zu entwickeln. Dabei werden im Rahmen der Studie Ansätze entwickelt, die es auch kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, eine szenariobasierte strategische Vorausschau zu betreiben und Implikationen für die strategische Planung abzuleiten.
Um einen fundierten Überblick zum Themenfeld zu erhalten, werden vier Schwerpunktfelder innerhalb der Literaturanalyse untersucht. Ausgehend von einem globalen Verständnis wird Literatur hinzugezogen, die sich mit der Zukunftsforschung (engl. future studies) auseinandersetzt (vgl. z.B. Bell, 1997; Slaughter, 2000; TFA, Porter, Ashton, Clar, Coates, Cuhls, Cunningham, Ducatel, van der Duin, Georghiou, Gordon, Linstone, Marchau, Massari, Miles, Mogee, Salo, Scapolo, Smits, Thissen, 2003; TFA, Porter, Ashton, Clar, Coates, Cuhls, Cunningham, Ducatel, van der Duin, Georghiou, Gordon, Linstone, Marchau, Massari, Miles, Mogee, Salo, Scapolo, Smits, Thissen, 2004; WorldFutureSociety, 2005). Bezogen auf den unternehmerischen Kontext wird die theoretische Diskussion zu Vorausschauprozessen in Unternehmen (engl. strategic foresight) sowie zur Früherkennung hinzugezogen (vgl. z.B. Reger, 2001c; Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002). Dabei stehen insbesondere Methoden der strategischen Vorausschau, die sich auch in der Zukunftsforschung wiederfinden, im Mittelpunkt der Untersuchung. Des Weiteren wird das Verständnis und methodische Vorgehen in Szenarioanalysen als eine Methode in strategischen Vorausschauprozessen bzw. in der strategischen Planung diskutiert (vgl. z.B. Godet, 1987; von Reibnitz, 1988; Schwartz, 1996; van der Heijden, 1996; Fink, Schlake, Siebe, 2002; Schoemaker, 2002), wobei Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede im Vorgehen festzustellen sind. Insbesondere bei der Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen der Szenarioanalyse fällt auf, dass die Verlinkung zur strategischen Planung oder die Integration in Vorausschauprozesse nur unzureichend thematisiert werden. Gleiches gilt für die Diskussion von Szenarioanalysen im Kontext von kleinen und mittleren Unternehmen.
Der Zugang zum Datenmaterial wird im Wesentlichen durch zwei Projekte sichergestellt. In einem Projekt zu clusterorientierten Verzahnungsprozessen in der Biotech-
4
Einführung
nologie1 konnten drei umfangreiche Szenarioanalysen umgesetzt werden (action research). Eine Analyse wurde in einem Folgeprojekt2 aufgegriffen und fortgeführt. In diesem Projekt wurden zusätzlich Fallstudien bei Biotechnologiedienstleistern zur Praxis der strategischen Vorausschau durchgeführt.
Die vorliegende Arbeit richtet sich an Unternehmen und Institutionen, die Szenarioanalysen als einen Ansatz der zukunftsorientierten Planung nutzen möchten und die Aktivitäten der strategischen Vorausschau stärker professionalisieren möchten. Gleichzeitig ist es Ziel der Arbeit, einem hohen wissenschaftlichen Anspruch zu entsprechen und kritischen Lesern der wissenschaftlichen Community im Bereich der Zukunftsforschung, strategischen Vorausschau und Planung Inhalte für einen konstruktiven, wissenschaftlichen Diskurs zu liefern und einen Beitrag zu leisten, Begriffe und Ansätze der teilweise inflationär benutzen Terminologien zu Szenarien stärker zu systematisieren und neue Ansätze einer szenariobasierten strategischen Vorausschau aufzuzeigen.
Aufbau der Arbeit
Die Beantwortung der Untersuchungsfrage soll in enger Interaktion zwischen der Unternehmenspraxis und einer fundierten wissenschaftlichen/theoretischen Grundlage erfolgen. In Kapitel eins werden eine Eingrenzung des Forschungsfokus, die Darstellung von Forschungsfragen sowie die systematische Ableitung eines für die Beantwortung der Forschungsfragen geeigneten Designs vorgenommen. In Kapitel zwei erfolgen eine Einordnung der Szenarioanalyse in die Zukunftsforschung sowie eine Abgrenzung der Zukunftsforschung zur strategischen Vorausschau. Es werden Ziele, Aufgaben und Anforderungen an eine strategische Vorausschau herausgearbeitet. Ein Überblick zu den Methoden der strategischen Vorausschau soll einen Beitrag zur Verbesserung des methodischen Verständnisses in Vorausschauprozessen
1
Projekt: Clusterorientierte Verzahnungsprozesse in der Biotechnologie, ein Projekt im Rahmen der INNOPUNKT Kampagne 12 des Landes Brandenburg, finanziert aus Mitteln der Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg. Projektlaufzeit: 01.12.2005 bis 30.11.2006. 2 Projekt: New Market Intelligence: Identifizieren und Evaluieren von Auslandsmärkten für Dienstleistungen in der roten Biotechnologie, finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Projektlaufzeit: 01.11.2005 bis 30.04.2009.
Einführung
5
leisten. Kapitel drei spiegelt den Stand der Literatur zur Strategieentwicklung auf Basis von Szenarien wider. In Kapitel vier werden unterschiedliche Begriffe, Nutzen und Funktionen von Szenarien und Szenarioanalysen thematisiert. Die Darstellung verschiedener Ansätze für die Entwicklung von Szenarien ist das Ergebnis einer tiefen Literaturanalyse in Kapitel fünf. Dabei werden konkrete Ablaufschritte unterschiedlicher Ansätze dargestellt, um ein breites Verständnis zu entwickeln, wie Szenarioanalysen in Unternehmen und Institutionen tatsächlich umgesetzt werden können. In Kapitel sechs werden Vor- und Nacheile von Szenarioanalysen herausgearbeitet sowie Good Practice auf der Grundlage des „state of the art in theory“ vorgestellt. Kapitel zwei bis fünf bilden somit die theoretische Basis der Arbeit.
Ziel der Ausführungen in Kapitel sechs ist es, den „state of the art in practice“ herauszuarbeiten. Dabei erfolgt in einem ersten Schritt eine Analyse von Publikationen, die den Anwendungsgrad von Szenarioanalysen in strategischen Vorausschauprozessen in Unternehmen beschreiben, bevor in einem zweiten Schritt eine eigene Untersuchung anhand von 30 Fallstudien bei Biotechnologiedienstleistern erfolgt. Ziel der Untersuchung ist es, einen Beitrag zum Stand der Praxis der strategischen Vorausschau und zum Einsatz von Szenarien in kleinen und mittleren Unternehmen zu leisten. Auf Grundlage des Datenmaterials werden unterschiedliche Typen einer strategischen Vorausschau identifiziert und charakterisiert. Es wird deutlich, welchen Stellenwert die strategische Vorausschau hat und welchen Herausforderungen die Unternehmen gegenüberstehen. Des Weiteren wird im Ergebnis von Interviews mit ausgewählten Szenarioexperten Good Practice beim Einsatz von Szenarioanalysen in KMU herausgearbeitet. Die in Kapitel sechs diskutierten Ergebnisse liefern somit einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung eines szenariobasierten Vorausschauprozesses, der den Anforderungen der untersuchten Unternehmen gerecht wird.
In Kapitel sieben werden drei Szenarioanalysen vorgestellt, die im Zuge einer handlungsorientierten Forschung (action research) implementiert wurden. Die Szenarioanalysen treffen auf unterschiedliche Kontextsituationen. An den Analysen sind wiederum Unternehmen der Biotechnologie beteiligt. Es wird aufgezeigt, wie Szenarioanalysen an den jeweiligen Kontext angepasst werden können und welche Tools innerhalb der Szenarioanalysen zur Anwendung gelangen können. Gleichzeitig erfolgt
6
Einführung
eine Evaluation des methodischen Vorgehens. Kapitel sieben greift somit die Ergebnisse der theoretischen Diskussion auf und berücksichtigt die in Kapitel sechs herausgearbeiteten Besonderheiten in der strategischen Vorausschau in den untersuchten Unternehmen für die Implementierung von Szenarioanalysen.
In Kapitel acht werden neue Ansätze und Managementimplikationen für den Einsatz von Szenarien in der strategischen Vorausschau auf Basis der theoretischen Diskussion und der in Kapitel sechs und sieben empirisch entwickelten Erkenntnisse zusammengefasst und der praktische Nutzen begründet. Es wird herausgearbeitet, wie eine szenariobasierte strategische Vorausschau am Beispiel der Biotechnologieunternehmen implementiert werden kann. Abbildung 1.1 stellt den Aufbau der Arbeit im Überblick dar. Einleitung und Forschungsfragen Forschungsfokus Strategische Vorausschau Methoden der strategischen Vorausschau Szenarioanalysen in der strategischen Planung Ableitung von Forschungsfragen Wie müssen Szenarioanalysen in KMU durchgeführt werden, um eine systematische strategische Vorausschau zu ermöglichen? Wie kann die Verknüpfung von Szenarioanalysen und strategischer Planung erfolgen?
Kapitel 1
Ableitung und Darstellung des Forschungsdesigns State of the Art in Theory Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau Hintergrund, Gegenstand, Ziele und Vorgehensweise der Zukunftsforschung Strategische Vorausschau in Unternehmen Klassifizierungen der Methoden der strategischen Vorausschau
Szenariobasierte Strategieentwicklung Begriff, Nutzen und Funktionen Unterschiedliche Ansätze Fazit: Vor- und Nachteile
Kapitel 2
Kapitel 3- 5
State of the Art in Practice Anwendungsgrad der Szenarioanalyse in Unternehmen
Fallstudien zur Praxis der strategischen Vorausschau bei Biotechnologiedienstleistern Experteninterviews „Good Practice“: Szenarioanalysen in KMU
Kapitel 6
Action Research – Szenarioanalysen in unterschiedlichen Kontexten Entwicklung von Szenarien für die Bioanalytik und in vitro Dignostik
Entwicklung von Szenarien für die Weiße Biotechnologie
Entwicklung von Szenarien für Dienstleistungsanbieter in der roten Biotechnologie (DLrBT)
Kapitel 7
Ergebnisse und Schlussfolgerungen Neue Ansätze der strategischen Vorausschau und Managementimplikationen
Vorgehen der szenariobasierten Vorausschau am Beispiel von Biotechnologieunternehmen
Abbildung 1.1 Struktur der Arbeit
Kapitel 8
Einführung
1.2
7
Systematische Auswahl eines geeigneten Forschungsdesigns
Das Ziel dieser Arbeit ist es, dazu beizutragen, strategische Entscheidungen, die mit hohen Unsicherheiten verbunden sind, zu verbessern und Lösungen zu entwickeln, die nützlich sind für die unternehmerische Praxis. Dazu soll ein szenariobasierter Vorausschauprozess entwickelt werden, der es auch kleineren und mittleren Unternehmen ermöglicht, einen systematischen und kontinuierlichen Vorausschauprozess zu implementieren und diesen für das frühzeitige Erkennen von neuen Geschäftsmöglichkeiten zu nutzen. Kleine und mittlere Unternehmen sehen sich geringeren Ressourcen für den Einsatz von Methoden der Vorausschau, wie z.B. Szenarioanalysen, gegenüber. Darüber hinaus kann eine mangelnde Methodenkenntnis oder ein unterschiedliches Verständnis zu Methoden wie der Szenarioanalyse beobachtet werden. Ursache dafür sind unterschiedliche Begriffe, Vorgehen und Tools, die im Zusammenhang mit der Entwicklung von Szenarien in der Literatur beschrieben werden und stark zwischen einfachen intuitiven Verfahren und sehr komplexen Ansätzen variieren, was die Unsicherheit im Umgang mit diesen Methoden erhöht. Gleichzeitig besteht sowohl in der Literatur als auch in der unternehmerischen Praxis Konsens über die Notwendigkeit einer strategischen Vorausschau, die es ermöglicht, neue Geschäftsmöglichkeiten frühzeitig wahrzunehmen.
In der Literatur, wie auch in den Unternehmen, wird die Verknüpfung von Szenarioanalysen mit der strategischen Planung nur unzureichend diskutiert. Strategien resultieren nicht zwangsläufig aus Szenarioanalysen. Oftmals enden Vorausschauaktivitäten mit den entwickelten Szenarien; wie jedoch eine nachhaltige Einbindung in die Strategieentwicklung erfolgen kann, bleibt unklar.
Die vorliegende Arbeit ist somit anwendungsorientiert. In der anwendungsorientierten
Forschung
wird
zwischen
Hypothesen-testenden
Ansätzen,
Hypothesen-
bildenden und deskriptiven Forschungsansätzen unterschieden (siehe Abbildung 1.2).
Beitrag zum Praxiswissen
Deskriptive Forschung
Beschreibung ist nötig
Evaluation des Methodeneinsatzes
Evaluation:
Betrachtung der Theorie zur Bestätigung der Relevanz der Hypothesen
Forschung mit dem Ziel der Ermittlung von Hypothesen
Beitrag zum Praxiswissen
Forschung mit dem Ziel der Überprüfung der Hypothesen
Hypothesen sind verfügbar
Betrachtung der Theorie zum Finden von Hypothesen
Hypothesen sind notwenig
Keine Hypothesen
Durchführung von Szenarioanalysen
Implementierung:
Hypothesen sind verfügbar
Ermittlung der IST- Situation in der strategischen Vorausschau, Ermittlung von „Good Practice“, Entwicklung eines geeigneten Szenariodesigns, Ableitung von Anforderungen der Unternehmen an Methoden der Vorausschau
Intervention:
Keine Hypothesen
Mangelnde Ressourcen, kürzere Planungshorizonte, unterschiedliches und/oder ungenügendes Methodenverständnis, unzureichende Integration in die strategische Planung
Diagnose:
Anwendungsorientierte Forschung Verknüpfung von Szenarien mit der strategischen Planung ist unzureichend Szenarioanalysen werden in der strategischen Vorausschau in KMU kaum eingesetzt
Problemfindung:
8 Einführung
Abbildung 1.2 Entscheidungsbaum - Art der anwendungsorientierten Forschung (vgl. Dual, 2008, 218) (Auswahl entlang der durchgezogenen Linie)
Die Auswertung der Literatur und die Betrachtung strategischer Vorausschauprozes-
se resultierten in der Entwicklung von Hypothesen. Ziel der Arbeit ist es, Wissen im
Hinblick auf verbesserte strategische Vorausschauprozesse zu generieren, wobei die
Einführung
9
Szenarioanalyse als eine Methode der strategischen Vorausschau im Mittelpunkt der Betrachtung stehen soll. Folgende Hypothesen sollen getestet werden:
Hypothese 1: Szenarien, als ein Instrument der strategischen Planung, werden in kleinen und mittleren Unternehmen nicht oder nur selten eingesetzt.
Hypothese 2: Die Szenariomethode ist für die Strategieentwicklung geeignet und kann auch in kleinen und mittleren Unternehmen eingesetzt werden.
Somit erfolgt die anwendungsorientierte Forschung im Rahmen dieser Arbeit mit dem Ziel, Hypothesen zu überprüfen, um einen Beitrag zur Entwicklung von Praxiswissen zu leisten. Nach der Ermittlung der Art der anwendungsorientierten Forschung wird in einem nächsten Schritt eine angemessene Forschungsstrategie systematisch ausgewählt. Dazu soll an dieser Stelle die situative Entscheidungsmatrix von Yin eingesetzt werden. Abhängig von drei Rahmenbedingungen fällt die Auswahl der angemessenen Forschungsstrategie, je nach gegebener Situation, anders aus. Die betrachteten Rahmenbedingungen sind die Form der Forschungsfrage, die Notwendigkeit von Kontrolle bzw. der Zugang zu Verhaltenssituationen und schließlich die Untersuchung von gegenwärtigen oder historischen Ereignissen im Sinne eines zeitlichen Horizontes (vergleiche dazu Tabelle 1.1).
Form der Forschungsfragen
Kontext-/ Verhaltenskontrolle?
Ereignis in der Gegenwart?
Experiment
Wie? Warum?
Ja
Ja
Umfrage
Wer? Was? Wo? Wie viel(e)?
Nein
Ja
Analyse von Archivmaterial
Wer? Was? Wo? Wie viel(e)?
Nein
Ja/Nein
Geschichtliche Untersuchung
Wie? Warum?
Nein
Nein
Fallstudie
Wie? Warum?
Nein
Ja
Tabelle 1.1 Situative Entscheidungsmatrix für verschiedene Forschungsstrategien nach Yin (vgl. Yin, 2003, 5)
10
Einführung
Die Tabelle 1.1 zeigt die drei Rahmenbedingungen (Kontext) und in welchem Verhältnis sie zu den ausgewählten Forschungsstrategien stehen (Strategie). Die Bedeutung der Rahmenbedingungen für die Auswahl der angemessenen Forschungsstrategie wird hier kurz erläutert.
Die erste Rahmenbedingung behandelt die Ausrichtung und Stoßrichtung der Forschungsfragen. Eine einfache Kategorisierung ist die Einteilung nach typischen Fragewörtern „Wer“, „Was“, „Wie“ und „Warum“. Wenn die Forschungsfragen eher einen „Wer“-, „Was“- oder „Wo“-Charakter haben, kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Entweder handelt es sich um explorative Fragen, wie z.B.: „Was kann von erfolgreich durchgeführten Vorausschauprozessen gelernt werden?“. Diese Fragestellung rechtfertigt eine explorative Studie mit dem Ziel, Hypothesen und Annahmen für weiterführende Forschung zu entwickeln. In diesem Fall würden alle fünf Strategien für die durchzuführende Studie geeignet sein, da alle Strategien exploratives Potenzial aufweisen. Eine mögliche „Was“-Frage (auch „Wie viel“ oder „Welche“) könnte auch lauten „Was konnte im Ergebnis der Szenarioanalyse umgesetzt werden?“, „Was oder welche Ergebnisse konnten erzielt werden?“ „Welche Methoden werden angewandt im Unternehmen?“. Bei diesen Fragestellungen eignen sich Umfragen besser als die Anwendung einer vollständigen Fallstudie.
Auch „Wer“- und „Wo“-Fragen können typischerweise besser mit Umfragen und der Analyse von Archivmaterial beantwortet werden. „Wo wurden Szenarioanalysen in den letzten 10 Jahren eingesetzt?“, „Wer beschäftigt sich im Unternehmen mit der strategischen Vorausschau?“.
„Wie“- und „Warum“-Fragen sind eher beschreibend und der Einsatz einer Fallstudie, eines Experimentes oder einer geschichtlichen Untersuchung ist in diesen Situationen angebrachter. Geschichtliche Untersuchungen sind bei einem fehlenden Zugang zur eigentlichen Verhaltenssituation die bevorzugte Forschungsstrategie. Diese Vorgehensweise bleibt die einzige Wahlmöglichkeit, wenn z.B. keine zu befragenden Personen mehr heranzuziehen sind oder sogar nur historische Funde als Untersuchungsobjekte zur Verfügung stehen.
Die Fallstudie wird gewählt, wenn gegenwärtige Ereignisse den Untersuchungsgegenstand darstellen, die Verhaltenssituation aber trotzdem nicht beeinflusst werden
Einführung
11
kann oder soll. Es gibt gewisse Ähnlichkeiten zur geschichtlichen Untersuchung; die Fallstudie nimmt allerdings üblicherweise zwei weitere Datenquellen in das Forschungsdesign auf, die der historischen Untersuchung nicht zur Verfügung stehen: die teilnehmende Beobachtung der zu untersuchenden Ereignisse und das Gespräch mit beteiligten Personen in Form von Interviews.
Das Experiment ist eine geeignete Forschungsstrategie, wenn der Forscher das Verhalten beteiligter Akteure direkt, präzise und systematisch manipulieren kann und dies auch beabsichtigt. So können in einer klassischen Laborsituation ein oder zwei isolierte Variablen fokussiert betrachtet werden und alle weiteren Variablen durch den Forscher bearbeitet bzw. kontrolliert werden. Dies könnte z.B. ein organisierter Workshop oder eine Verhaltensstudie in Form eines Assessment Centers sein. Ein Experiment kann auch in Form eines Feldversuches durchgeführt werden, indem der Forscher eine Gruppe von Personen auf eine bestimmte Weise behandelt und deren Reaktionen beobachtet. Selbst wenn kein Einfluss auf die Verhaltensweise gegeben ist, wie z.B. bei der nachträglichen Analyse von Demonstrationen, kann die experimentelle Logik angewendet werden. In diesem Fall spricht man von einem „QuasiExperiment“ (vgl. Yin, 2003, 5 ff.).
Im Rahmen der in dieser Studie durchgeführten Szenarioworkshops wurde ein bestimmter Workshopablauf festgelegt, so dass in diesem Sinne von einer Kontextkontrolle auszugehen ist. Der Workshop ist Teil einer Szenarioanalyse, die in ihrer Gänze Gegenstand der Untersuchung ist. Dabei konnten der Ablauf der Workshops und der Ablauf der Szenarioanalyse insgesamt zwar festgelegt werden, jedoch war der Ablauf der Analyse stark von unterschiedlichen Kontextbedingungen (Zeit, Budget, Verfügbarkeit der Teilenehmer etc.) beeinflusst. So haben beispielsweise fehlende Akzeptanz wesentlicher Akteure gegenüber der Szenarioanalyse oder ein sehr begrenzter zeitlicher Rahmen stark den Ablauf der Analyse beeinflusst. Somit sind die Anforderungen an ein Experiment nicht erfüllt, da das Verhalten der involvierten Akteure nicht kontrollierbar ist. Gleiches gilt für sonstige Rahmenbedingungen, die als gegeben betrachtet werden mussten.
Basierend auf diesen Überlegungen kann konstatiert werden, dass die Anwendung von Fallstudien als Forschungsdesign ausgewählt wird, wenn die Forschungsfragen einen „Wie“- oder „Warum“-Charakter haben, der Untersuchungsgegenstand in
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Einführung
der Gegenwart liegt und es keine Kontrolle über das Verhalten der involvierten Akteure oder sonstige Rahmenbedingungen gibt. Die nachfolgenden Forschungsfragen werden im Rahmen dieser Arbeit im Rahmen von Fallstudien untersucht.
Wie können strategische Vorausschauprozesse in KMU gestaltet werden?
Wie werden Szenarioanalysen in Vorausschauaktivitäten integriert?
Wie muss eine Szenarioanalyse durchgeführt werden, um Strategien ableiten zu können?
Wie muss die Szenarioanalyse durchgeführt werden, um die Akzeptanz der Szenarien und der darauf basierenden Strategien bei Entscheidern und weiteren Akteuren herbeizuführen?
Wie können wesentliche Akteure in die Szenarioanalyse eingebunden werden?
Wie muss die Szenarioanalyse an unterschiedliche Kontextsituationen angepasst werden?
Wie muss die Szenarioanalyse, z.B. in KMU durchgeführt werden, die über weniger Ressourcen für den Methodeneinsatz verfügen?
Die Merkmale des Forschungsvorhabens entsprechen somit den genannten Kriterien, woraufhin die Fallstudie als eine angemessene Forschungsstrategie ausgewählt wurde. Yin sieht die Fallstudie nicht in einer hierarchischen Anordnung mit anderen Verfahren, sondern nimmt einen pluralistischen Standpunkt ein. Er betrachtet das Experiment, die Umfrage, die Analyse von Archivmaterial, die geschichtliche Untersuchung und die Fallstudie als gleichwertige und umfassende Forschungsstrategien, die sich sowohl gegenseitig unterscheiden als auch ergänzen können (vgl. Yin, 2003, 33 ff.).
In dieser Arbeit werden 30 Fallstudien mit Biotechnologiedienstleistern durchgeführt und als Fälle betrachtet. Des Weiteren kann in Form von neun Experteninterviews auf fallunabhängiges Datenmaterial zurückgegriffen werden.
Als Datenquellen dienen Interviewtranskripte und zusätzliches Datenmaterial, wie z.B. Unternehmensreports, Websites der Unternehmen, einschlägige BranchenWebsites, Creditreformdaten, Newsletter der Biotechnologie, die Fachzeitschrift Transkript, das BIOCOM Jahr- und Adressbuch, Frost&Sullivan Reports. Alle durchgeführten Interviews können als halbstandardisierte Interviews charakterisiert wer-
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den. Diese Form der Interviewführung ist wesentlich flexibler als standardisierte Interviews und erlaubt das Einbringen neuer Fragen als eine Konsequenz auf die Antworten des Interviewten. In einem halbstandardisierten Interview dient ein allgemeiner Themenrahmen zur Orientierung im Interview (vgl. z.B. Denzin, Lincoln, 1994, 368 ff.; vgl. Hugl, 2001, 363 f.). Die Interviews erfüllen die Kriterien Offenheit und Nicht-Beeinflussung. Trotz des Vorliegens eines Interviewleitfadens wird eine offene und unreglementierte Beantwortung der angesprochenen Themen angestrebt (vgl. Ratcliffe, 2002, 21). Die Nicht-Beeinflussung wird durch eine indirekte Gesprächsführung verfolgt. Grundlage einer indirekten Gesprächsführung ist eine vertrauensvolle Gesprächssituation in der der Interviewte die Möglichkeit hat, seine Ausführungen möglichst unbeeinflusst darzulegen. Gleichzeitig unterstützt der Interviewer die Interviewsituation durch aktives Zuhören und gelegentliche Zusammenfassungen des Gesagten (vgl. Hugl, 2001, 364). Die Interviewdaten (gesprochene Daten) wurden im Anschluss vollständig verschriftet (transkribiert). Durch die Transkription werden die Interviewaufzeichnungen in eine lesbare Form gebracht und werden dadurch nachvollziehbar und vergleichbar (vgl. Hugl, 2001, 365).
Die Auswertung der Interviewdaten erfolgt durch eine softwaregestützte qualitative Inhaltsanalyse (vgl. allgemeines inhaltsanalytisches Ablaufmodell, in: Mayring, 2000, 54 und die Ausführungen in Kapitel 6.2.3).
Um Validität und Reliabilität zu gewährleisten, wurden für die Untersuchung im Rahmen der Fallstudienarbeit und Experteninterviewauswertung die folgenden Leitlinien definiert.
Präsentation der Daten in hoch aggregierter Form
Rekonstruktion von Fallstudien entlang theoretischer Dimensionen
Rekonstruktion von Fallstudien durch die Darstellung von Zitaten
Anstreben der empirischen Absicherung bei kontraintuitiven oder überraschenden Befunden
Deutliche Darstellung, wenn die empirische Absicherung nur „schwach“ ist (Anzahl der Fundstellen)
Der Fallstudienansatz wird in der vorliegenden Arbeit als ein zweistufiges Konzept interpretiert, das eine individuelle Auswertung einzelner Fälle vorsieht und in einem
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Einführung
nächsten Schritt eine fallübergreifende Analyse ermöglichen soll. Die Ergebnisse der fallunabhängigen Datensammlung sollen ebenfalls in die fallübergreifende Analyse einfließen. 1.2.1 Qualitätsanforderungen in der Fallstudienforschung Die durch qualitative Forschung im Rahmen einer Fallstudie erlangten Daten geben dem Forscher die Möglichkeit, die Bedeutung beobachteter Handlungen und Ereignisse zu verstehen. Die Analyse qualitativer Daten gewährt Einblick, die „harte“ Daten allein nicht freigeben können (vgl. Mintzberg, 1979; Numagami, 1998, 3).
Zur Beurteilung von Logik und Aufbau von Fallstudien werden in der neueren Literatur üblicherweise fünf Kriterien herangezogen (vgl. Yin, 2003, 33 ff.), die in Tabelle 1.2 im Überblick dargestellt sind. Gütekriterien
Maßnahmen zur Qualitätssicherung Kontrollierbarkeit herstellen, „Grundsätzen ordnungsgemäßer Fall-
Objektivität
studienarbeit“ folgen (transparente und kontrollierbare Darstellung) Mehrere Datenquellen verwenden, Triangulierung,
Externe Validität
„Gutachtenstil“, Begutachtung des Berichtes durch Probanden, dichte Belegführung
Interne Validität
Musterbildung, Berücksichtigung von alternativen/gegensätzlichen Interpretationen und Theorien, logische Modelle
Reliabilität
Protokollführung, Datenbank
Utilitarität
Aufwand und Nutzen kontrollieren
Tabelle 1.2 Gütekriterien für Fallstudien und Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität (vgl. Yin, 2003, 34 f.; Göthlich, November 2003, 13)
In der Praxis wird das Kriterium der Objektivität als erfüllt angesehen, wenn eine intersubjektive Überprüfbarkeit hergestellt wird, an anderer Stelle wird auch von disziplinierter Subjektivität (vgl. Wilson, 1977, 258) sowie der Pflicht zur Selbstdisziplinierung gesprochen. Das Kriterium der Objektivität soll durch eine transparente und kontrollierbare Darstellung der Daten und Ergebnisse sichergestellt werden. Im Hinblick auf die Validität wird zwischen der Validität der Konstrukte sowie zwischen interner und externer Validität unterschieden. Konstruktvalidität ist gegeben, wenn
Einführung
15
die richtigen Konstrukte und Messgrößen für das zu untersuchende Phänomen gefunden werden. Dies kann bereits während der Datenerhebungsphase sichergestellt werden durch Nutzung mehrerer Datenquellen und ihrer Triangulation. Eine dichte Belegführung sowie eine abschließende Kontrolle durch die Probanden tragen ebenfalls zur Validität bei, da auf diese Weise Unstimmigkeiten artikuliert werden können. Bei der internen Validität ist zu prüfen, ob korrekte Ursache-Wirkungs-Schlüsse gezogen wurden. Anhand von Belegen soll vorgeführt werden, wie Schlussfolgerungen und Interpretationen entstanden sind. Somit bleibt dem Leser frei, den Ergebnissen zu folgen oder Kritik zu üben. Gegensätzliche Interpretationsmöglichkeiten, sowie die Urteilsbildung, warum einer bestimmten Interpretation gefolgt wird, sollen ebenfalls die Transparenz erhöhen. Externe Validität ist die Frage nach der Generalisierbarkeit. Sie wird bereits durch die Entscheidungen zum Forschungsdesign bedingt. Die Reliabilität oder Wiederholbarkeit wird gewährleistet durch das Aufstellen eines Forschungsprotokolls sowie die Archivierung von Primär- und Sekundärdaten in einer Datenbank. Mit dem Kriterium der Utilitarität oder Wirtschaftlichkeit wird berücksichtigt, dass Fallstudien im Vergleich zu z.B. quantitativen Methoden eine sehr aufwendige Forschungsmethode darstellen, die sehr zeit- und personalintensiv ist, sodass eine Wirtschaftlichkeitskontrolle notwendig wird (vgl. Göthlich, November 2003, 13 f.). 1.2.2 Action Research – Implementierung von Szenarioanalysen Neben der Durchführung von Fallstudien und Experteninterviews werden drei Szenarioanalysen im Rahmen der Studie implementiert. Der Prozess der Sammlung und Auswertung der empirischen Daten im Rahmen der drei Szenarioanalysen geht über passive Fallstudienarbeit hinaus und weist eher den Charakter der Handlungsforschung (Action Research) auf. Als Action Research wird eine Art Forschung bezeichnet, bei der der Forscher selbst Bestandteil des Untersuchungsgegenstandes ist und die anderen Teilnehmer und Elemente beeinflusst, um eine Veränderung herbeizuführen. Ziel dieses Vorgehens ist es, an konkreten Problemen aus der Praxis anzusetzen. Dabei wird Action Research als ein Prozess der systematischen Datensammlung aufgefasst, um Aspekte des zu untersuchenden Systems zu erfassen, die zu einer Verbesserung oder Veränderungen führen. Dieser Prozess beinhaltet die Entwicklung eines Verständnisses zum untersuchten System, die Ermittlung von Lösun-
16
Einführung
gen oder Entdeckungen, die Anwendung von angepassten Lösungen sowie die Bewertung der Ergebnisse dieser Handlungen (vgl. Cunningham, 1993, 9). Der Begriff Action Research ist auf Lewin zurückzuführen, der ein neues Verständnis der empirischen Forschung entwickelte. Lewin definierte die Kriterien, die die Qualität eines Forschungsprozesses beschreiben, neu (vgl. Lewin, 1946). Er veränderte die Rolle des Forschers vom distanzierten Beobachter zum direkt involvierten Teilnehmer an einem konkreten Problemlösungsprozess (vgl. Greenwood, Levin, 2007, 6 ff.). Nach Cunningham wird unter Action Research ein Begriff verstanden, der ein Spektrum von Aktivitäten beschreibt, die auf Forschung, Planung, Theoretisierung und Lernen abzielen. Action Research beschreibt einen kontinuierlichen Prozess in einer langfristigen Beziehung zu einer spezifischen Problemstellung (vgl. Cunningham, 1993, 4). Im Gegensatz zu passiven Ansätzen, wie den klassischen Fallstudien, ist es in der handlungsorientierten Forschung möglich, das Untersuchungsobjekt zu beeinflussen und Veränderungen vorzunehmen (vgl. Popp, 2001, 401). Für diesen Ansatz müssen dabei drei Aspekte erfüllt sein (vgl. Greenwood, Levin, 2007, 6 f.)
Die Problemstellung weist einen Forschungscharakter auf (Wissensgenerierung) Der Prozess der Problembearbeitung ist durch Partizipation gekennzeichnet. Bei dieser Form der Forschung handelt es sich um einen partizipativen Prozess, in dem jeder der beteiligten Akteure einen Teil der Verantwortung übernimmt.
Im Laufe des Problemlösungsprozesses werden Handlungsoptionen entwickelt.
Für die Anwendung von Action Research haben sich bislang keine eindeutigen Standards für die Lösung eines Problems durchsetzen können, die das „richtige methodische Vorgehen“ begründen würden (vgl. Cunningham, 1993, 9). Für die Anwendung von Action Research sollte ein Verständnis zu qualitativen Forschungsprinzipien vorhanden sein, ein Verständnis zu Veränderungsprozessen seitens des Forschers bestehen sowie die Bereitschaft sich mit Problemstellungen aktiv auseinanderzusetzen (vgl. Cunningham, 1993, 4) Die im Rahmen der Studie betrachteten Szenarioanalysen werden mit dem Ziel durchgeführt, Zukunftswissen zu generieren, das methodische Vorgehen zu evaluieren, um Ansätze für einen verbesserten Szenarioansatz zu entwickeln. Die Szena-
Einführung
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rioanalysen werden im Rahmen von Forschungsprojekten durchgeführt und durch Schlüsselakteure begleitet. Sowohl die Inhalte der Szenarioanalysen als auch das gewählte methodische Vorgehen stehen für Handlungsoptionen, die gemeinsam entwickelt wurden. Auch in der handlungsorientierten Forschung kann -ähnlich wie bei Fallstudien- auf unterschiedliche Methoden und Datenquellen der sozialwissenschaftlichen Forschung zurückgegriffen werden.
Durch das Instrument der teilnehmenden Beobachtung wird es möglich, Aussagen zum Ablauf des Prozesses und dem Verhalten der Akteure in die Untersuchung mit einfließen zu lassen, die durch statistische Zusammenhänge nur schwer erklärt werden könnten. Wenn auch Teilbereiche der Forschungsfragen z.B. auch im Rahmen einer Befragung bearbeitet werden können, so blieben doch wesentliche Aspekte der Untersuchung unbeantwortet, wie z.B. die Beschreibung des Prozesses der Szenarioentwicklung und Strategiebildung oder die Darstellung von Schwachstellen und methodischen Grenzen sowie die Betrachtung der Bedeutung und des Verhaltens der Akteure in Szenarioentwicklungs- und Strategieprozessen. Teilnehmende Beobachtungen, als ein Instrument der Datensammlung, beinhalten sowohl das Zuhören als auch das Beobachten von Personen in einer Form, die es erlaubt, analytische Interpretationen vorzunehmen. Der Vorteil einer teilnehmenden Beobachtung ist insbesondere darin zu sehen, dass Informationen aus erster Hand in einem natürlichen Umfeld gesammelt werden können. Darüber hinaus ermöglicht die teilnehmende Beobachtung Interpretationen und die Entwicklung eines tiefen Verständnisses zu dem beobachteten Verhalten, den Einstellungen und Situationen, was durch die alleinige Durchführung von Befragungen und Interviews nicht möglich ist. Ein Nachteil der teilnehmenden Beobachtung ist, dass sie durch Individuen durchgeführt wird, die den jeweiligen Untersuchungsgegenstand systematisch beobachten und die Ergebnisse zusammentragen, diese Inhalte jedoch auch in wissenschaftliche Informationen übertragen müssen, was ein hohes Maß an Validität und Reliabilität erfordert (vgl. Ghauri, Gronhaug, 2005, 120 f.).
Eine besondere Gefahr der teilnehmenden Beobachtung ist insbesondere eine mögliche Beeinflussung des Beobachters, so dass es schwierig wird, den Untersuchungsgegenstand neutral zu betrachten. In den im Rahmen der vorliegenden Arbeit
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Einführung
durchgeführten Szenarioanalysen erfolgt die Auswertung der durchgeführten Analysen zeitlich verzögert zur Durchführung, um einen neutralen Blickwinkel sicherzustellen. Des Weiteren sind an der Durchführung der Szenarioanalysen mehrere Personen im Forschungsteam beteiligt, so dass durch die Rückkopplung im Projektteam eine mögliche subjektive Wahrnehmung entzerrt werden kann. Eine weitere qualitative Methode, die im Rahmen der Durchführung der Szenarioanalysen zum Einsatz kommt, ist die Fokusgruppe. Im Rahmen der Fokusgruppe ist es möglich, dass Forscher und Akteure zusammentreffen zum gleichen Zeitpunkt, um eine Diskussion zu einem bestimmten Themenbereich zu initiieren. Die eingebrachten Meinungen der Akteure werden als Informationen aufgefasst und gesammelt und zu einem späteren Zeitpunkt ausgewertet. Die Methode Fokusgruppe unterscheidet sich von anderen Methoden wie z.B. Interviews insofern, dass hierbei nicht nur eine Interaktion zwischen dem Interviewer und dem Interviewten erfolgt, sondern auch zwischen den Akteuren. Die Methode Fokusgruppe erlaubt es, Informationen in einem kurzen Zeitraum von unterschiedlichen Akteuren zu sammeln. Die Diskussion wird jedoch deutlich von der Gruppengröße beeinflusst, von den Persönlichkeiten der Teilnehmer, ihrem Rollenverständnis, dem gewählten Ort und der „Chemie“ zwischen der Gruppe und den Forschern (vgl. Ghauri, Gronhaug, 2005, 114). 1.3
Design der Untersuchung
Nach der systematischen Ableitung eines geeigneten Forschungsdesigns und der Charakterisierung der Datenquellen in Kapitel 1.2 soll im Folgenden das gewählte Vorgehen im Detail dargestellt werden. Ziel ist es aufzuzeigen, welche Teilforschungsfragen mit welchem empirischen Material beantwortet werden sollen.
Für die vorliegende Untersuchung kann der Forschungsfokus durch drei Teilbereiche beschrieben werden:
(1) Ermittlung des Vorgehens in der strategischen Vorausschau in KMU, untersucht am Beispiel von Biotechnologiedienstleistern (Teil 1) (2) Szenarioanalysen in der Strategieentwicklung – Ermittlung von Good Practice (Teil 2)
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(3) Methodisches Vorgehen bei Szenarioanalysen für KMU, untersucht am Beispiel der Biotechnologie (Teil 3)
Ziel der empirischen Untersuchung im Teilbereich eins des Forschungsfokus sind die Ermittlung des grundsätzlichen Vorgehens in der strategischen Vorausschau und die Identifikation von Anforderungen an die Vorausschau, wobei insbesondere der Frage nachgegangen werden soll, inwieweit Szenarioanalysen in den untersuchten Unternehmen zum Einsatz gelangen. Die Sammlung der empirischen Daten erfolgt im Rahmen von halbstrukturierten Interviews mit offenen Fragen und durch die Auswertung weiterer Dokumente und Unternehmensdaten (vgl. Abbildung 1.3).
Die Auswahl der Interviewpartner erfolgt auf der Grundlage einer Datenbank in der 321 Biotechnologiedienstleister erfasst sind (vgl. Nolting, 2007). Für die Untersuchung wurden Unternehmen ausgewählt, die möglichst mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen und vorrangig im Zeitraum von 1985 bis 2000 gegründet wurden. Des Weiteren sollten die Unternehmen möglichst in unterschiedlichen Dienstleistungsbereichen tätig sein (vgl. die Darstellung der Dienstleistungskategorien in Reger, Mietzner, von Gizycki, Nolting, 2007). Diesen Kriterien entsprachen ca. 60 der 321 erfassten Unternehmen. Von den 60 Unternehmen konnten 30 Unternehmen für die Durchführung von Fallstudien gewonnen werden. Neben der Durchführung von Interviews mit der Unternehmensleitung wurden auch Creditreformdaten, Geschäftsberichte, die Websites der Unternehmen und der Branche, Reports von Analysten und Branchennewsletter ausgewertet.
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Einführung
Forschungsfokus (Teil 1): Vorgehen in der strategischen Vorausschau in KMU Forschungsfragen
Wie Wie Wie Wie
erfolgt die strategische Vorausschau in Unternehmen? können Vorausschauaktivitäten (VoA) in KMU charakterisiert werden? werden Szenarioanalysen in VoA in KMU integriert? erfolgt die Verknüpfung von VoA mit der strategischen Planung? Vorgehen
Fallstudien zur Praxis der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen Auswahl von Biotechnologiedienstleistern („rote“ Biotechnologie) aus einer Datenbank mit 321 Datensätzen (Stand: 31.05.2007) Branchenquerschnitt:
Auswahl von Unternehmen in unterschiedlichen Dienstleistungsbereichen
Unternehmensgröße:
Auswahl von Unternehmen mit 20 oder mehr Mitarbeitern
Zeitpunkt der Gründung:
Im wesentlichen Unternehmen, die nach der Novellierung des Gentechnikgesetztes (Beginn der 90er Jahre) bis heute, gegründet wurden Identifikation von ca. 60 Unternehmen
Durchführung von Fallstudien mit 30 Unternehmen Zeitraum der Erhebung:
Februar 2006 bis November 2007
Form des Datenmaterials:
Halbstandardisierte Interviews (überwiegend Face-to-Face) Dokumentenanalyse (Unternehmenshomepages, Branchenwebsites, Creditreformdaten, Newsletter der Biotechnologie, Frost&Sullivan Reports, Geschäftsberichte)
Form der Auswertung:
Anonymisierte Auswertung durch eine qualitative Inhaltsanalyse
Abbildung 1.3 Forschungsdesign (Teilbereich 1)
Im Teilbereich zwei wird der Versuch unternommen, Good Practice im Hinblick auf die Verknüpfung von Szenarioanalysen mit der strategischen Planung zu ermitteln. Dazu wurden Experteninterviews mit sieben führenden Experten (Berater, Wissenschaftler) sowie mit zwei Vertretern von Großunternehmen durchgeführt. Bei der Auswahl der Experten war es besonders wichtig, Experten zu Rate zu ziehen, die in ihren Veröffentlichungen Ansätze zur Verknüpfung von Szenarien mit der strategischen Planung diskutieren. Bei den Großunternehmen wurden zwei Vertreter von internationalen Pharmakonzernen ausgewählt, um gleichzeitig Anforderungen der Pharmaunternehmen an die Biotechnologie ermitteln zu können. Neben den Exper-
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teninterviews wurden Veröffentlichungen der Experten als Datenmaterial hinzugezogen (vgl. Abbildung 1.4). Forschungsfokus (Teil 2): Szenarioanalysen in der Strategieentwicklung - Good Practice Forschungsfragen Wie muss eine Szenarioanalyse durchgeführt werden, um Strategien ableiten zu können? Wie muss die Szenarioanalyse durchgeführt werden, um die Akzeptanz der Szenarien und der darauf basierenden Strategien bei Entscheidern und weiteren Akteuren herbeizuführen? Wie können wesentliche Akteure in die Szenarioanalyse eingebunden werden? Wie muss die Szenarioanalyse in KMU durchgeführt werden, die über weniger Ressourcen für den Methodeneinsatz verfügen? Vorgehen Experteninterviews: Szenarioanalysen in der Strategieentwicklung –Ermittlung von Good PracticeAuswahl von sieben Experten auf Grundlage der Literaturanalyse Erfahrung
Auswahl von Experten, die Szenarioprojekte in/mit Unternehmen durchgeführt haben
Link zur strategischen Planung
Ausgewählte Experten diskutieren die Verknüpfung von Szenarioanalysen mit der strategischen Planung in Veröffentlichungen Auswahl von zwei Experten aus Großunternehmen
Erfahrung
Experte aus dem Bereich Innovations- /FuE Management Experte ist CEO
Durchführung von neun Experteninterviews Zeitraum der Erhebung
April bis September 2007
Form des Datenmaterials:
Sechs halbstandardisierte telefonische Interviews Drei halbstandardisierte Face-to-Face Interviews Dokumentenanalyse (Homepage, Veröffentlichungen der Experten)
Form der Auswertung:
Anonymisierte Auswertung durch eine qualitative Inhaltsanalyse
Abbildung 1.4 Forschungsdesign (Teilbereich 2)
Im Teilbereich drei wird aufgezeigt, wie Szenarioanalysen mit KMU, untersucht am Beispiel der Biotechnologie, entwickelt werden können. Ziel dieser Teiluntersuchung ist die Evaluierung des methodischen Vorgehens, um Ansatzpunkte für einen verbesserten Szenarioansatz mit dem Anspruch zu ermitteln den Bedürfnissen in KMU gerecht zu werden (vgl. Abbildung 1.5). Dazu wurden drei umfangreiche Szenarioa-
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Einführung
nalysen zu unterschiedlichen Themenfeldern der Biotechnologie durchgeführt, beschrieben und evaluiert. In die Szenarioanalysen wurden jeweils die Akteursgruppen Biotechnologieunternehmen, Forschungsinstitute/Universitäten, Netzwerke/Politik und Venture-Kapitalgeber im Rahmen von Workshops einbezogen. Als Datenmaterial dienen Verlaufs- und Beobachtungsprotokolle sowie Dokumentationen von Szenarioworkshops und Treffen in Fokusgruppen (Filmaufnahmen), Berichte zu den Szenarioanalysen, um den Ablauf der Studie zu rekonstruieren. Des Weiteren wird das methodische Vorgehen entlang eines theoretischen Modells (vgl. Kriterienraster in Kapitel 7) dargestellt und im Hinblick auf das Erreichen der jeweiligen Zielstellung eingeschätzt. Im Fall der Szenarioanalysen wird auf die teilnehmende Beobachtung und Interviews als geeignete Methoden zurückgegriffen. Forschungsfragen, Vorgehen, Methode und Datenquellen sind in der nachfolgenden Abbildung 1.5 im Überblick dargestellt.
Einführung
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Forschungsfokus (Teil 3): Methodisches Vorgehen bei Szenarioanalysen Forschungsfragen Wie können Szenarioanalysen an unterschiedliche Kontextsituationen angepasst werden? Wie können wesentliche Akteure in die Szenarioanalyse eingebunden werden? Wie muss die Szenarioanalyse durchgeführt werden, um die Akzeptanz der Szenarien und der darauf basierenden Strategien bei Entscheidern und weiteren Akteuren herbeizuführen? Wie können Szenarioanalyse mit KMU durchgeführt werden, die über weniger Ressourcen für den Methodeneinsatz verfügen? Vorgehen Action Research: Eigene Durchführung von Szenarioanalysen (Action Research)
Themenfokus
Anzahl/Art beteiligter Akteure
Szenarioanalyse 1
Szenarioanalyse Bioanalytik und in vitro Diagnostik
Szenarioanalyse 2
Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
9 Forschungseinrichtungen/ Hochschulen 12 Biotechnologieunternehmen 7 Netzwerke/Politik 2 Venture Capitalists
Szenarioanalyse 3
Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie
9 Forschungseinrichtungen 17 Biotechnologieunternehmen 4 Regionale Netzwerke 1 Venture Capitalists
6 Forschungseinrichtungen/Hochschulen 22 Biotechnologieunternehmen 1 Netzwerk 2 Venture Capitalists 5 Pharmaunternehmen 1 Verband der pharmazeutischen Industrie
Durchführung von drei Szenarioanalysen Szenarioanalyse 1
Szenarioanalyse 2
Szenarioanalyse 3
Zeitraum der Erhebung:
Februar bis Juni 2006
Mai bis Juni 2006
August 2006 bis Dezember 2007
Form des Datenmaterials:
Halbstandardisiertes Interview mit Auftraggeber Bericht zur Szenarioanalyse Protokolle, Filme aus der teilnehmende Beobachtung Fokusgruppe
Halbstandardisiertes Interview mit Auftraggeber Bericht zur Szenarioanalyse Protokolle, Filme aus der teilnehmende Beobachtung Fokusgruppe
Bericht zur Szenarioanalyse Protokolle, Filme aus der teilnehmende Beobachtung
Form der Auswertung:
Auswertung durch qualitative Inhaltsanalysen Darstellung und Auswertung des Verlaufs anhand eines Kriterienrasters
Auswertung durch qualitative Inhaltsanalysen Darstellung und Auswertung des Verlaufs anhand eines Kriterienrasters
Auswertung durch qualitative Inhaltsanalysen Darstellung und Auswertung des Verlaufs anhand eines Kriterienrasters
Abbildung 1.5 Forschungsdesign (Teilbereich 3)
Mit der Betrachtung der drei unterschiedlichen empirischen Quellen wird der Versuch unternommen, sowohl die interne Perspektive der strategischen Vorausschau
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Einführung
(Teilbereich 1) als auch die externe Perspektive (Teilbereich 3) abzubilden. Die Ermittlung der Praxis der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen (interne Perspektive) beschreibt Vorausschauaktivitäten, die im Unternehmen durchgeführt werden und den Charakter eines „Closed Foresight“ Prozesses aufweisen (vgl. Kapitel 6). Mit der Durchführung von Szenarioanalysen, in einem Verbund mit mehreren Unternehmen und weiteren Akteuren, werden Vorausschauaktivitäten von der internen Unternehmensebene losgelöst (externe Perspektive). Die Durchführung der Szenarioanalysen, als eine ausgewählte Methode der strategischen Vorausschau, hat somit den Charakter einer „Open Foresight“ Aktivität. Dabei sind der Open und Closed Foresight Ansatz nicht als zwei gegensätzliche Vorgehen in der strategischen Vorausschau zu verstehen, sondern als zwei sich gegenseitig ergänzende Konstrukte. Der Forschungsfokus drei, der auf eine Ermittlung von Good Practice in der Verknüpfung von Szenarien mit der strategischen Planung abzielt, liegt quer zum Closed und Open Foresight und stellt die Verknüpfung zwischen der internen Unternehmensperspektive der strategischen Vorausschau und der externen Perspektive,
Forschungsfokus Szenarioanalyse „Zukunft der Biotechnologie“ (Teilbereich 3)
Biotech KMU
Netzwerke
Politik
Forschung
VC
Forschungsfokus Strategische Vorausschau in Unternehmen (Teilbereich 1) Praxis der strategische Vorausschau in Unternehmen (Biotech- KMU)
Verknüpfung der Ergebnisse aus den Szenarioanalysen mit der strategischen Planung
Forschungsfokus Szenarioanalysen in der Strategieentwicklung – Good Practice (Teilbereich 2)
der Durchführung von Szenarioanalysen im Verbund, dar (vgl. Abbildung 1.6).
Abbildung 1.6 Design der Untersuchung – Integrierter Ansatz
Context- based Open Foresight
Closed Foresight
Strategische Vorausschau
2
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Zu den zentralen Aufgaben einer strategischen Planung gehören das Erkennen und Beobachten von Trends, wodurch wichtige Informationen für die betriebliche Zukunftsforschung, das strategische Management und ein am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientiertes Innovationsmanagement gewonnen werden können (vgl. Jakob, Kiehne, Schwarz, Kaiser, Beucker, 2007, 6). In Anbetracht einer zunehmenden Komplexität und Dynamik innerhalb und außerhalb des Unternehmens, des erhöhten Innovationsdrucks sowie einer hohen Kapitalintensität kommt dem frühzeitigen Erkennen technologischer und gesellschaftlicher Umbrüche sowie Marktveränderungen eine entscheidende Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg zu (vgl. Koenig, 2004, 65 ff.). Für diese strategischen Vorausschauprozesse steht eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung. So können z.B. mit der Szenarioanalyse unterschiedliche Zukunftsoptionen dargestellt werden, die eine Grundlage bilden für strategische Entscheidungen in der Gegenwart.
Während der Durchführung von Fallstudien bei Biotechnologiedienstleistern (DLrBT3) wurde bereits deutlich, dass unter Methoden der strategischen Vorausschau oftmals klassische Markt- oder Trendstudien verstanden werden. Um das Verständnis zur Früherkennung als Teil einer strategischen Vorausschau im Unternehmen (engl. strategic foresight) und der Zukunftsforschung (engl. future studies) zu verbessern, sollen im folgenden Kapitel Hintergrund und Gegenstand der Zukunftsforschung sowie Elemente, Ziele und Methoden einer strategischen Vorausschau betrachtet werden sowie eine Abgrenzung zur Markt- und Trendforschung erfolgen. Die Darstellung möglicher Systematisierungen der Methoden der strategischen Vorausschau sowie ausgewählter Anwendungsfelder, soll das Verständnis über die Art und Komplexität der Methoden erhöhen. 2.1
Hintergrund, Gegenstand und Ziele der Zukunftsforschung
Gegenstand der Zukunftsforschung sind antizipierte zukünftige strukturelle Entwicklungen und ihre Wirkungen sowie aus diesen zu ziehende Folgerungen für die Ge-
3
DLrBT: Mit der Abkürzung DLrBT sind Unternehmen gemeint, die Dienstleistungen in der Roten Biotechnologie anbieten. Eine umfassende Definition ist in Kapitel 6 dargestellt.
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Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
genwart (vgl. FMG, 2004). Zukunftsforschung ist weniger eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin, vielmehr ist sie ein wissenschaftliches Problemfeld, zu dem mehrere wissenschaftliche Disziplinen, wie z.B. die Nationalökonomie, die Soziologie, die Politikwissenschaft und die Naturwissenschaften, beitragen, die zukünftige Entwicklung durchschaubar zu machen. Für Unternehmen versteht sich Zukunftsforschung als eine wissensorientierte Dienstleistung zur Vorbereitung und Unterstützung von strategischen Entscheidungen. In diesem Sinne zeichnet sich die Zukunftsforschung durch eine mittel- bis langfristige Orientierung aus, einen wissenschaftlich fundierten Methodeneinsatz, einen praxis- und disziplinenübergreifenden Ansatz sowie eine deutliche Handlungsorientierung (vgl. Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 13).
Ossip K. Flechtheim prägte bereits 1943 den Begriff der Futurologie. Er untergliederte diesen Begriff in drei Teile: Prognostik, Planungswissenschaft und Philosophie der Zukunft (Ideologie- und Utopiekritik). Grundelemente der Zukunftsforschung sind nach Ossip Flechtheim (vgl. Flechtheim, 1971, 13): 1. Die Welt ist dynamisch, sie ändert sich in ihren Grundstrukturen, sie produziert Neues. 2. Gewisse Grundstrukturen des Wandels sind zumindest teilweise erkennbar. 3. Richtung und Tempo der Änderungen können hier und da in groben Zügen vorhergesehen werden. 4. Auch antithetische Prognosen und Projektionen haben ihren Wert - sie können zur Klarlegung von Problemen und Krisen beitragen und sogar teilweise richtig sein (Spezifizierung bezüglich Zeit, Raum, Gruppe usw. oder Grad der Wahrscheinlichkeit). 5. Innerhalb des Rahmens besteht Freiheit der Wahl und der Gestaltungsmöglichkeit. 6. Durch das Erkennen des Notwendigen, Möglichen und Gewollten wird die Zukunft mitgestaltet.
Zukunftsforschung entdeckt, erfindet, testet und bewertet mögliche, wahrscheinliche und wünschenswerte Zukünfte. Zukunftsforscher versuchen darzustellen, was in der Zukunft sein kann oder könnte („Die mögliche Zukunft“), welche Zukunft vermutlich eintreten wird („Die wahrscheinliche Zukunft“) und welche Zukunft es geben
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
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sollte („Die bevorzugte oder wünschenswerte Zukunft“) (vgl. Bell, 1997, 73). Die Zukunftsforschung versucht zu erklären, welche Ursachen Veränderungen begründen, z.B. dynamische, technologische Entwicklungen und politische, ökonomische, soziale und kulturelle Entwicklungen. Dabei suchen Zukunftsforscher nach Theorien, um Veränderungsprozesse zu erklären und Menschen darin zu unterstützen, Veränderungen wahrzunehmen und zu verstehen. Die Zukunftsforschung will ermitteln, was durch bestimmte Handlungen geändert werden kann, welche Trends möglicherweise beschleunigt oder behindert werden können oder welche Phänomene durch menschliches Handeln ausgelöst werden, wie z.B. das Ausschöpfen knapper werdender Ressourcen, Umweltverschmutzungen oder Umwelt schützendes Verhalten oder Änderungen der Geburtenraten (vgl. Bell, 1997, 111 f.). In diesem Sinne leistet die Zukunftsforschung auch einen Beitrag für die strategische Vorausschau in Unternehmen.
Wird Zukunftsforschung im Zusammenhang mit Unternehmen diskutiert, so wird sie als ein Instrument zur Vorbereitung von Entscheidungen betrachtet. In Unternehmen bestehen die Aufgaben des Managements zum einen in der Führung der Mitarbeiter, zum anderen im Treffen von Entscheidungen. Diese Entscheidungen sind zukunftsbezogen. Das Management benötigt sowohl Informationen über die Vergangenheit und die Gegenwart als auch über die Zukunft, denn nur so kann es verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Wenn es sich entscheidet, nichts zu tun, dann beruht auch dies auf der Annahme, dass sich nichts ändert – alles so bleibt, wie es ist. Verbesserte theoretische Ansätze, vertieftes Faktenwissen und die höhere Leistungsfähigkeit moderner Datenverarbeitung ermöglichen es, die Auswirkungen starker gesellschaftlicher, demographischer oder technologischer Trends in der Zukunft in bestimmten Grenzen besser zu erkennen als das früher möglich war. Trotzdem können langfristig immer nur alternative Zukünfte und die Zukunft nicht als einzelnes Ereignis ermittelt werden (vgl. Steinmüller, 1997, 6-10).
Das Büro für Zukunftsgestaltung untersuchte u.a. aus welchen Motivationen Zukunftsforschung in Unternehmen betrieben wird und welche Zielsetzungen an Zukunftsforschung geknüpft sind (vgl. Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002). Im Kern lässt sich die Palette der unmittelbaren Ziele auf sechs Punkte beschränken:
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Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Identifizierung relevanter Trends zur Reduzierung von Unsicherheit. Unternehmen suchen Antworten auf die Frage, was das Unternehmen in den nächsten Jahren beeinflussen wird.
Vorbereitung strategischer Entscheidungen durch die Identifikation von Herausforderungen, Chancen und Risiken, die das Ableiten von Handlungsempfehlungen und die Initiierung von konkreten Projekten ermöglichen.
Unterstützung bei Innovationsprozessen durch die Bereitstellung von Informationen, die bei der Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen helfen.
Entwicklung zukünftiger und Optimierung existierender Geschäftsfelder, wobei insbesondere Wachstumsmärkte und neue Anwendungsfelder gesucht werden.
Sensibilisierung des Unternehmens für Zukunftsfragen.
Entwicklung einer breiten Wissensbasis, wobei dabei das Problem zu lösen ist, wie Informationen in handlungsorientiertes Wissen transformiert werden können.
Die Zukunftsforschung zeigt nicht die Zukunft im Einzelnen, sondern alternative Entwicklungsmöglichkeiten auf, sie liefert Entscheidungsregeln. Daraus lässt sich die Erkenntnis ableiten, dass die Zukunft grundsätzlich vielfältig und offen ist. Es handelt sich nicht um eine klar vorausbestimmbare, unausweichliche Entwicklung. Die Zukunftsforschung versucht für Menschen (Kunden, Institutionen, Organisationen, Länder) alternative Zukünfte zu „erfinden“ und Wege zu suchen, damit diese ihr bevorzugtes Zukunftsbild erreichen (vgl. Graf, 1999, 356). In der Zukunftsforschung werden komplexe dynamische Systeme und Prozesse in ihren strukturbestimmten Elementen erfasst, um Handlungs- und Orientierungswissen zu erarbeiten (vgl. Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 7). Im Gegensatz zur Trendforschung beispielsweise, die das Prozesshafte im Heute analysiert und nicht die Welt in 20 Jahren, sondern die vollendete Gegenwart untersuchen will, beschäftigt sich die Zukunftsforschung mit möglichen, wünschbaren und wahrscheinlichen Zukunftsentwicklungen und Gestaltungsoptionen sowie deren Voraussetzungen in Vergangenheit und Gegenwart (vgl. Horx, 1997, 19 und die Gegenüberstellung von Markt- und Trendforschung sowie Zukunftsforschung in Tabelle 2.1). Somit enthält Zukunftsfor-
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
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schung neben analytischen und deskriptiven Komponenten immer auch normative, prospektive, kommunikative und gestalterische Elemente (vgl. Kreibich, 1995, Sp. 2814). Markt- und Trendforschung
Zukunftsforschung
Ermittlung und Deutung kurzfristiger soziokultureller Phänomene
Analyse und Identifikation potenzieller Veränderungen mit mittel- und langfristigen Folgen
Liefert Informationen für das Marketing
Liefert strategisches Entscheidungswissen
Endkundenorientierung
Umfeldorientierung, Unternehmenskontext (sozio-ökonomischer und Anwendungskontext, aufstrebende Technologien)
Produktorientierung
Prozessorientierung
Typische Fragestellungen:
Typische Fragestellungen:
Wie können Point-of-CareTestverfahren für die Nutzung im Home-care-Bereich verbessert werden?
Welche gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnisse sowie Einstellungen könnte es in Zukunft geben?
Wie kann die Handhabung von Blutzuckerschnelltests verbessert werden?
Welche neuen Krankheitsbilder werden den Markt der Diagnostik in Zukunft beeinflussen?
Welche neuen Technologien werden die Entwicklungen in der in vitro Diagnostik beeinflussen?
Tabelle 2.1 Zukunftsforschung in Unternehmen - Abgrenzung zur Trend- und Marktforschung (in Anlehnung an: Neef, Burmeister, 2005)
2.2
Vorgehensweise der Zukunftsforschung
Fragen an die Zukunft gibt es viele. Entsprechend vielfältig sind Methoden und Ansätze, mit denen sich nicht nur Wissenschaft und Gesellschaft, sondern auch Unternehmen diesem Thema nähern (vgl. tnsinfratest, 2004, IX). Der inter- und multidisziplinäre Ansatz der Zukunftsforschung führt zu einem Methodenmix, der es ermöglicht, das heute noch Unbekannte wissenschaftlich fundiert erfassbar zu machen und daraus Handlungs- und Gestaltungsoptionen abzuleiten (vgl. Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 7). Der Werkzeugkasten der Zukunftsforschung ist vielfältig und hat einen eindrucksvollen technischen Stand erreicht. Computer durchsuchen riesige Möglichkeitsräume und simulieren mit zunehmender Rechnerkraft im-
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Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
mer komplexere Systeme. Aufwendige statistische Verfahren, wie multidimensionales Skalieren oder Cluster-Analysen, machen die inhaltliche Nähe möglicher Welten räumlich sichtbar (vgl. Hürter, 2005, 36).
Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass die Zukunftsforschung nicht darauf abzielt, eine einzige Zukunft durch den Einsatz einer besonders Erfolg versprechenden Methode der Zukunftsforschung zu entdecken. In der Zukunftsforschung wird eine Vielzahl möglicher Zukünfte identifiziert. Dabei ist es jedoch nicht möglich, alle möglichen Zukünfte umfassend zu kennen. Das System unterschiedlicher Einflussfaktoren ist schlichtweg zu komplex, zu interaktiv, dependant und non-linear, um ein vollständiges Wissen über mögliche Zukünfte entwickeln zu können. Die Zukunftsforschung nutzt Methoden, die Zusammenhänge simplifizieren und modellieren, die Zukunftsforschung stereotypisiert und versucht, aus vergangenen Ereignissen zu lernen (vgl. Gordon, 1994a, 1).
Nach Coates (2004, 29) beginnt die Zukunftsforschung immer mit der Beschreibung des Systems, das den entsprechenden Untersuchungsgegenstand (z.B. ein Unternehmen, ein Produkt oder eine strategische Geschäftseinheit) umgibt und in unterschiedlicher Weise auf ihn einwirkt. Darauf basierend können Einflussfaktoren und treibende Kräfte (Schlüsselfaktoren) identifiziert werden, die den Ausgangspunkt für die Erforschung von Zukunftspotenzialen darstellen. Auf diese Informationen gestützt, wird es möglich, Zukunftsbilder zu erstellen, die die Grundlage bilden für Handlungsempfehlungen, Strategien und die unternehmerische Planung.
Die Zukunftsforschung versucht somit, auf der Basis von Schlüsselfaktoren und akteuren sowie Trends, Zukunftsbilder zu entwickeln, die Grundlage sind für Entscheidungen in der Gegenwart. Dabei ermittelt die Zukunftsforschung die treibenden Kräfte innerhalb der Schlüsselfaktoren sowie bestimmte Trends, die die Entwicklung der treibenden Kräfte beeinflussen. Die zu beachtenden Trends können sowohl globale Entwicklungen sein, wie z.B. die demografische Entwicklung oder der Umgang mit den natürlichen Ressourcen, als auch Trends, die spezifischer auf den Untersuchungsgegenstand zugeschnitten sind, wie z.B. Entwicklungen in Bezug auf eine bestimmte Technologie. In einem nächsten Schritt werden mögliche Veränderungen innerhalb der Trends erforscht, so genannte Trendbrüche, die durch Kriege oder Naturkatastrophen ausgelöst werden könnten. Basierend auf der Betrachtung
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
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von treibenden Kräften, Trends und möglichen Trendbrüchen können alternative und wünschenswerte Zukünfte ermittelt werden, die Grundlage sind für Pläne, Handlungsempfehlungen und Strategien. Nach Coates (2004, 32) stehen für jeden der in der Abbildung 2.1 dargestellten Schritt verschiedene Methoden der Zukunftsforschung zur Verfügung. Dazu gehören z.B. Trendextrapolationen, kausale Modelle, die Szenariotechnik, Brainstorming, die Morphologische Analyse, Delphi, CrossImpact-Analysen, Relevanzbäume, Systemanalysen, Simulationen, Spiele, Projektionen, Studien, Korrelationen, Vorreitermodelle oder historische Analogien.
Beschreibung Beschreibung des des Untersuchungsgegenstandes Untersuchungsgegenstandes
Entwicklung Entwicklung eines eines Systemdiagramms Systemdiagramms
Definition Definition von von Schlüsselfaktoren Schlüsselfaktoren
Identifikation Identifikation von von Schlüsselakteuren Schlüsselakteuren
Identifikation Identifikation der der treibenden treibenden Kräfte Kräfte
Demografie
Identifikation Identifikation von von Trends Trends Globalisierung innerhalb Umweltschutz innerhalb der der Technologie treibenden treibenden Kräfte Kräfte Wild Cards - Kriege - Katastrophen - Revolution
Nat. Ressorcen
Wertvorstellungen Wissen Arbeit Religion/Kultur …
Erforschung Erforschung von von Veränderungen Veränderungen
Entdeckungen/ Erfindungen
Entwicklung Entwicklung von von Bildern Bildern alternativer alternativer Zukünfte Zukünfte
Entwicklung Entwicklung von von Strategien/ Strategien/ HandlungsHandlungsempfehlungen/Plänen empfehlungen/Plänen Abbildung 2.1 Prozess der Zukunftsforschung
Definition Definition von von wünschenswerten wünschenswerten Zukünften Zukünften
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Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
2.3
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Wie in der Zukunftsforschung versuchen auch Unternehmen, im Rahmen einer strategischen Vorausschau zukünftige Entwicklungen und Ereignisse vorwegzunehmen bzw. zu antizipieren. Die Zukunft ist nicht vorhersehbar, aber sie ist zu einem bestimmten Teil gestaltbar. Je nach den derzeitigen Eingriffen, die unter anderem aufgrund einer systematischen Früherkennung vorgenommen werden, wird sich die Zukunft anders gestalten als ohne jegliches Handeln. Diese Erkenntnis wurde in der Zukunftsforschung schon lange Zeit vertreten, und es wurde versucht, nicht lineare, sondern heuristischen Modelle über die Zukunft zu erstellen (vgl. Jantsch, 1967). Besser, als die Zukunft des Unternehmens dem Zufall zu überlassen, ist es, mit Alternativen zu planen und aus Irrtümern zu lernen. Wer Unsicherheit und Risiko in seinen Geschäftsaktivitäten reduzieren möchte, muss zunächst Früherkennung betreiben und eine Unternehmensstrategie entwickeln.
Die heute diskutierten Ansätze der strategischen Vorausschau basieren auf der Erkenntnis, dass strategische Planungen häufig durch ein unerwartetes Auftreten von Chancen und Bedrohungen (Diskontinuitäten) Veränderungen unterliegen. Diese Veränderungen treten jedoch nicht plötzlich auf, sondern kündigen sich durch so genannte „schwache Signale“ an (vgl. Ansoff, 1976). Dabei handelt es sich um Hinweise auf Innovationen, wobei insbesondere technologische Innovationen im Mittelpunkt stehen. Die Informationen sind zumeist qualitativer Natur, intuitive Urteile, die keine eindeutigen Interpretationen zulassen.
In der Literatur werden im Rahmen der Diskussion zu Methoden und Prozessen der strategischen Vorausschau häufig die Begriffe Technologiefrüherkennung (vgl. z.B. Reger, 2001a), Technology Intelligence (vgl. z.B. Lichtenthaler, 2000; Savioz, 2002; 2004) oder auch technologische Frühaufklärung (vgl. z.B. Geschka, 1995) verwendet. Unter Technologiefrüherkennung wird in der Literatur z.B. das systematische Beobachten bestehender und das Erkennen neuer Technologien, Markt- bzw. Kundenveränderungen und Wettbewerber verstanden, die sich häufig in Form „schwacher Signale“ ankündigen (vgl. Reger, 2001c, 535). Ein ähnliches Verständnis entwickelt Savioz (2002, 36 f.) unter dem Begriff Technology Intelligence, worunter alle Aktivitäten zusammengefasst werden, die eine Entscheidungsfindung im Hinblick auf sowohl technologische als auch grundsätzliche Managemententscheidungen un-
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
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terstützen. Dazu werden relevante technologische Informationen und Trends (Chancen und Risiken) des unternehmerischen Umfeldes gesammelt, analysiert und verbreitet.
Eine einheitliche Definition existiert in der wissenschaftlichen Literatur und betrieblichen Praxis jedoch nicht. Früherkennung wird in der Literatur und Praxis oft auf einen bestimmten Bereich z.B. als ‘Technology Watch oder Scouting‘ auf die Technologie oder als ‘Competitor Intelligence‘ auf Wettbewerber begrenzt und oftmals nicht integriert betrieben. Unter dem Begriff ‘New Market Intelligence‘ wird wiederum ein Konzept verstanden, das dazu dient, eine Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle des Unternehmens vornehmen zu können, neue Geschäftsfelder zu erkennen und eine Grundlage für Entscheidungen über die Optimierung der Ressourcenallokation zu entwickeln. Diese Orientierung speziell auf neue Geschäftsfelder ist bislang jedoch kaum vorhanden.
Hinsichtlich der Technologiefrüherkennung hat diese auf staatlicher Ebene einen deutlichen Aufschwung erfahren und ist in der Literatur gut dokumentiert (vgl. dazu z.B. die Zusammenstellung in Cameron, Loveridge, van der Meulen, Castanier, Vasquez, Presmanes, 1996). Dagegen spielt die Technologiefrüherkennung und insbesondere die Prozessgestaltung in Unternehmen und in der wissenschaftlichen Literatur eine geringere Rolle (vgl. Reger, 2001c, 534). Dies trifft insbesondere für die Früherkennung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu. Hier existieren nur wenige empirische Untersuchungen und Gestaltungskonzepte für das Management. Dies steht im Gegensatz zu der Notwendigkeit der Früherkennung für die Strategieentwicklung (strategische Vorausschau) und das Innovationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen (vgl. Reger, 2001a, 75). Eine Ausnahme davon sind die Arbeiten von Drilhon und Estimé (1993) und von Savioz (2002). Savioz untersucht das Schweizer Unternehmen „Institut Straumann AG“ und u.a. 13 Start-up Unternehmen (6 Biotechnologieunternehmen, 4 Medizintechnikunternehmen, 3 IT/ Elektronikunternehmen) als Validierungsfälle im Hinblick auf die Praxis der Technologiefrüherkennung (vgl. Savioz, 2004, 207 ff.).
Eine strategische Planung ist ohne die Früherkennung von neuen Technologien, Märkten oder aufstrebenden Wettbewerbern nicht möglich. Früherkennung ermöglicht es, Trends, Treiber, Unsicherheiten, Einflüsse und Technologien zu identifizie-
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Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
ren, Risiken und Annahmen über zukünftige Entwicklungen abzuleiten, um daraufhin relevante Strategien zu entwickeln, die robust sind und tragfähig in unterschiedlichen möglichen zukünftigen Unternehmensumfeldern. Auch die im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Biotechnologiedienstleister (vgl. Basisdaten der untersuchten Unternehmen in Tabelle 6.6 ff.), die in der Regel Leistungen anbieten, die Nischenprodukte und -dienstleistungen sind, die rasch überholt sein können, bewegen sich häufig auf sehr kleinen Märkten, die kaum ein weiteres Wachstum ermöglichen und zudem eine frühe Internationalisierung erfordern. Um Wettbewerbsvorteile realisieren zu können, müssen die eigenen Kompetenzen analysiert und bewertet werden, wesentliche Strategien wichtiger Wettbewerber erkannt, die Bedeutung neuer Technologien verstanden und ausreichend Informationen zur Beurteilung neuer Geschäftsfelder beschafft werden.
Der integrierte Ansatz der Früherkennung neuer Technologien, aufstrebender Wettbewerber, neuer Märkte und Kundenanforderungen und sich verändernder gesellschaftlicher Phänomene sowie die systematische Integration der Ergebnisse aller Früherkennungsaktivitäten in die strategische Planung werden in der vorliegenden Arbeit als strategische Vorausschau bezeichnet (vgl. auch Abbildung 2.2).
Das Konzept der strategischen Vorausschau basiert auf der Zukunftsforschung, was den integrativen Charakter der Vorausschau hervorhebt. Die Abbildung 2.2 soll verdeutlichen, dass in einem ersten Schritt die Zukunftsforschung Informationen zu gesellschaftlichen und sozio-/kulturellen Entwicklungen, zu ökonomischen Entwicklungen, generellen politischen und technologischen Entwicklungen liefert. Da Unternehmen vielfältigen globalen Entwicklungen ausgesetzt sind, muss eine strategische Vorausschau immer auch Entwicklungen in der Gesellschaft oder Politik beobachten und in der strategischen Diskussion berücksichtigen. Die Früherkennung neuer Technologien, aufstrebender Wettbewerber und neuer Märkte oder sich verändernder Kundenanforderungen, die deutlich spezifischer auf das Unternehmen zugeschnitten ist, wird in einem zweiten Schritt durch unternehmensadäquate Aktivitäten realisiert. Dabei kann die Früherkennung unterschiedliche Perspektiven einnehmen (Technologie, Wettbewerb, Neue Märkte/Geschäftsfelder). Im integrierten Ansatz einer strategischen Vorausschau fließen die durch die Zukunftsforschung identifi-
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
35
zierten Entwicklungen in die Aktivitäten der Früherkennung ein, die das für die strategische Planung notwendige Entscheidungswissen liefert.
Strategische Vorausschau
Perspektiven der Zukunftsforschung
Gesellschaft Sozio- / kulturelle Entwicklungen
Ökonomische Entwicklungen
Politische Entwicklungen
Technologische Entwicklungen
Perspektiven der Früherkennung Technologie Technologische Früherkennung Technology Intelligence Technologische Frühaufklärung Technology Watch Technology Scouting
Wettbewerb
Competitor Intelligence
Neue Märkte/ Geschäftsfelder New Market Intelligence Customer Intelligence
Strategische Planung Abbildung 2.2 Konzept der strategischen Vorausschau
2.3.1 Elemente der strategischen Vorausschau Um ein methodisches Verständnis für die strategische Vorausschau und ihrer Dimensionen zu entwickeln, soll das Konzept der strategischen Vorausschau unter methodischen Aspekten näher betrachtet werden. Nach diesem Verständnis beinhaltet die strategische Vorausschau drei Bereiche, deren Zusammenspiel und Interaktionen das Konzept der strategischen Vorausschau begründen (vgl. Abbildung 2.3). Die Komponenten der strategischen Vorausschau sind das Zukunftsdenken (Vorausschau, Vorwärtsdenken), die strategische Planung (strategische Analyse, Prioritätensetzung) und die Netzwerkarbeit (Mitwirkung, Dialog). Als Elemente des Zukunftsdenkens können die Langfristigkeit und die Entwicklung von Alternativen benannt werden. Dabei können im Hinblick auf die Langfristigkeit des Zukunftsdenkens gerade für kleine und mittlere Unternehmen keine Zeithorizonte von bis zu 10
36
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Jahren angewendet werden. Dies liegt zum einen in der Schnelllebigkeit spezifischer Branchen (z.B. Biotechnologie, Informationstechnologie) begründet, zum anderen sollen Vorausschauaktivitäten auch handlungsorientiert sein, was bei KMU zumeist eine Betrachtung kürzerer Zeithorizonte erfordert. Zukunftsdenken impliziert auch, Alternativen unterschiedli cher Entwicklungsmöglichkeiten zu betrachten und nicht nur bisherigen oder gewünschten Entwicklungen zu vertrauen.
Die strategische Planung ist eng verknüpft mit dem Zukunftsdenken. Gleichzeit hat Planung einen partizipativen Charakter, der auch die Nähe der strategischen Planung zur Netzwerkarbeit verdeutlicht (vgl. auch Cuhls, 2003, 111). Unter dem Netzwerk-Ansatz werden im Rahmen der Vorausschau unterschiedliche Aktivitäten verstanden. Zum einen zielt die strategische Vorausschau oftmals darauf ab, verschiedene Personengruppen in den Prozess zu involvieren, zum anderen wollen viele Methoden der Früherkennung auch Netzwerke aufbauen oder auch bestehende Netzwerke für die Vorausschau nutzen und einen Beitrag für eine Verbesserung der Netzwerkarbeit leisten.
Jeder der drei Bereiche der strategischen Vorausschau (strategische Planung, Zukunftsdenken, Netzwerkarbeit) hat seine eigenen Methoden und Ansätze. Viele dieser Methoden sind sehr stark spezialisiert, andere wiederum weit reichend bekannt, wie z.B. Methoden der strategischen Planung als Teil des klassischen Managements. Für die strategische Vorausschau sind insbesondere die Methoden relevant, die eine Interaktion der drei Bereiche hervorrufen und dadurch eine strategische Vorausschau bewirken.
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Netzwerkwerkzeuge und techniken, Gruppenarbeit und - einfluss, Umfrageansätze, etc.
37
Ausweitung der Partizipation, Etablierung und Neubelebung von Netzwerken
Netzwerkarbeit
Informierende und legitimierende Handlungen, Einsatzbereitschaft etablieren
Teilen von Visionen. Austausch von Wissen, gemeinsames Verständnis Strategische Vorausschau
Planungswerkzeuge und techniken, OR und SystemAnsätze
Strategische Planung
Strategische Handlungspläne
Methoden und Prognosetechniken, modellierend und visionär
Zukunftsdenken Identifikation von Indikatoren und festlegen von Zielen, Evaluierungsprozessen und - methoden
Zukunftsberichte, Szenarien, Prognosen und Visionen
Abbildung 2.3 Elemente der strategischen Vorausschau (vgl. Miles, 2002, 6)
2.3.2 Ziele und Aufgaben der strategischen Vorausschau Reduktion von Unsicherheit, Erkennen von Chancen und Risiken Ein übergeordnetes Ziel der strategischen Vorausschau ist es, durch eine systematische Früherkennung neuer Technologien, neuer Märkte, aufstrebender Wettbewerber und sich verändernder gesellschaftlicher Phänomene Implikationen für die strategische Planung abzuleiten, um somit Unsicherheiten im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen des Unternehmens und des Unternehmensumfeldes zu reduzieren sowie Risiken und Chancen, die aus strategischen Entscheidungen resultieren (z.B. Investitionen, Entwicklung neuer Geschäftsfelder), besser einschätzen zu können. An dieser Stelle soll kurz dargestellt werden, wie Risiko und Unsicherheit in der strategischen Vorausschau zueinander in Beziehung stehen. In der Entscheidungstheorie sind „Risikosituationen […] dadurch gekennzeichnet, dass der Entscheider den denkbaren Ergebnissen der Alternativen bzw. den für diese Ergebnisse maßgeblichen ,Umweltzuständen’ Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen kann“ (Laux, 2005,
38
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
XXI). Unsicherheit liegt dann vor, wenn der Entscheider sich zwar ein Urteil darüber bilden kann, welche Zustände eine positive Eintrittswahrscheinlichkeit haben, also durchaus eintreten könnten, darüber hinaus die Wahrscheinlichkeiten aber nicht näher spezifizieren kann (vgl. Laux, 2005, XXI).
Abweichend von den Überlegungen der Entscheidungstheorie, die eine deutliche Abgrenzung zwischen Risiko und Unsicherheit über die Möglichkeit der Vergabe oder Nichtvergabe von Eintrittswahrscheinlichkeiten vorsieht, verknüpft z.B. Finke Unsicherheit und Risiko und sieht Unsicherheit als Voraussetzung für Risiko. Veränderungen sind auf Ereignisse zurückzuführen, die entweder sicher eintreten werden oder eintreten können. Ereignisse, deren Eintreten ungewiss ist, sind naturgemäß unsicher. Unsichere Ereignisse sind aber nicht in jedem Fall riskant. Nach Finke wird ein Ereignis als Chance (positives Risiko) aufgefasst, wenn das Eintreten unsicher ist und das Eintreten des Ereignisses dem Nichteintreten vorgezogen wird. Analog dazu wird ein Ereignis als Risiko (negatives Risiko) eingeschätzt, wenn es unsicher ist und das Nichteintreten dem Eintreten vorgezogen wird (vgl. Finke, 2005, 16).
Aufgrund des Zukunftsbezuges der strategischen Planung ist diese naturgemäß unsicher. Über längere Zeithorizonte ist es nicht mehr möglich, plausible Eintrittswahrscheinlichkeiten für das Eintreten bestimmter Ereignisse anzunehmen. Alle unsicheren Ereignisse, die Auswirkungen auf das Erreichen der Unternehmensziele haben, sind riskant (positives oder negatives Risiko). Risiken, im Sinne negativer Unternehmensentwicklungen, ergeben sich oftmals daraus, dass Entscheidungen auf der Grundlage begrenzter Informationen getroffen werden müssen (vgl. Bitz, 2000, 13). Mit der Verwendung des Begriffes „strategische Vorausschau“ wird deutlich, dass es sich um strategische Entscheidungen handelt, die von langfristiger Tragweite und Unsicherheiten gekennzeichnet sind, d.h. keine glaubhaften Eintrittswahrscheinlichkeiten angenommen werden können. In der vorliegenden Arbeit wird das Verständnis nach Finke für die Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Unsicherheit und Risiko (positives und negatives Risiko) in der strategischen Vorausschau aufgegriffen.
Kontinuierliche Beobachtung der Unternehmensumwelt Mit Hilfe der Früherkennung soll dabei eine kontinuierliche Beobachtung der Unternehmensumwelt als eine wesentliche Aufgabe der strategischen Vorausschau erfol-
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
39
gen. Um eine kontinuierliche Beobachtung sicherzustellen, ist die Entwicklung von Netzwerken sinnvoll. Als Beobachter eignen sich Mitarbeiter und Führungskräfte, die an den Schnittstellen zum Unternehmensumfeld agieren, aber auch Experten im und außerhalb des Unternehmens, die z.B. Entwicklungen neuer Technologien dezidiert beobachten.
Informationssammlung, -aggregation und Aufbereitung Mit der strategischen Vorausschau soll die Informationsbasis für strategische Entscheidungen nachhaltig verbessert werden. Methoden der strategischen Vorausschau bieten zudem die Möglichkeit, eine Informationsvielfalt zu systematisieren und zu strukturieren sowie in Alternativen zu planen, um mögliche Risiken und Chancen frühzeitig wahrzunehmen und die Unternehmensstrategie anzupassen. Eine weitere Aufgabe der strategischen Vorausschau ist es, die gesammelten Informationen abzulegen, zu aggregieren und einen funktions- und ebenenübergreifenden Austausch zu ermöglichen. In diesem Sinne ist die strategische Vorausschau eng mit dem Wissensmanagement verknüpft.
Kommunikation und Visualisierung Die gesammelten und aufbereiteten Informationen dürfen nicht nur verwaltet werden. Vielmehr geht es darum, einen aktiven Kommunikationsprozess zu befördern, der sich nicht nur mit Prognosen und Daten befasst, sondern auch Ideen, Spekulationen und Visionen ermöglicht (vgl. Burmeister, Neef, Beyers, 2004, 13). Eine wesentliche Aufgabe der strategischen Vorausschau ist es deshalb auch, die durch die Früherkennung gesammelten Informationen für eine strategische Planung nutzbar zu machen, was eine Verknüpfung der Früherkennungsaktivitäten mit der internen Unternehmensebene und dem Management erfordert. Dazu müssen die Ergebnisse aus dem Vorausschauprozess adressatengerecht aufbereitet und visualisiert werden.
Für die strategische Vorausschau steht eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung, die sich z.B. in ihrem Komplexitätsgrad, Aufwand und ihrer Aussagekraft der ermittelten Ergebnisse sehr stark unterscheiden. Die Methoden unterstützen z.B. eine kontinuierliches Monitoring des Unternehmensumfelds durch Methoden wie das Environmental Scanning, Technology Watch oder Patentanalysen, die Informationssammlung und Bewertung z.B. durch Expertenbefragungen, Delphi-Studien, Szenarioanalysen oder Kreativitätstechniken und die Kommunikation und Visualisierung
40
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
durch Methoden wie z.B. Roadmaps, Future Labs oder Simulationen. Damit leisten die Methoden einen Beitrag, um Unsicherheiten zu reduzieren und Chancen und Risiken im Sinne einer strategischen Planung wahrzunehmen.
Ziel der weiteren Ausführungen ist es, einen Überblick zu den Methoden zu liefern, die im Rahmen einer strategischen Vorausschau zur Anwendung kommen können. Als Methoden werden in diesem Zusammenhang Regeln und Anweisungen verstanden, die das Vorgehen weitgehend festlegen. Den Methoden liegt dabei ein plausibles Konzept zugrunde, das eine Beurteilung der Aussagefähigkeit und auch der Anwendungsgrenzen zulässt. Außerdem sollen Methoden nachvollziehbar sein (vgl. Geschka, 1995, 630). 2.3.3 Klassifizierungen der Methoden der strategischen Vorausschau Die Literatur bietet eine Vielzahl von Methoden, die für die strategische Vorausschau genutzt werden können (vgl. z.B. Joseph, 1983; Martino, 1983; Porter, Roper, Mason, Rossini, Bank, Wiederholt, 1991; Pfeiffer, 1992; Geschka, 1995; Brockhoff, 1996; Ashton, Klavans, 1997; Makridakis, Wheelwright, Hyndman, 1998; Lichtenthaler, 2000; Kobe, 2001). Seit Mitte des letzten Jahrhunderts haben die Zukunftsforscher eine kaum überschaubare Anzahl an Methoden entwickelt, in denen Indizien identifiziert, Faktoren gewichtet und Einflüsse verrechnet werden (vgl. Honsel, 2008, 58). Nach Coates wird in der Zukunftsforschung zwischen 30 bis 150 Methoden und Techniken unterschieden. Geschka hat in seiner Bestandsaufnahme über 50 Methoden identifiziert, die er der Technologievorhersage oder der Technologiefrühaufklärung zuordnet (vgl. Geschka, 1995, 630). Eine Einordnung der Methoden kann nach unterschiedlichen Kriterien und aufgrund unterschiedlicher Einflüsse erfolgen. Ein möglicher Einflussfaktor kann die jeweilige Technologiestrategie sein (vgl. Gerybadze, 1994, 136), die Komplexität des Umfeldes und die Unsicherheit der Branche (vgl. Balachandra, 1980, 164; vgl. Lichtenthaler, 2000, 332). Ein weiterer möglicher Faktor ist z.B. der Zeithorizont. Einige Autoren differenzieren auch zwischen qualitativen und quantitativen Methoden (vgl. Reger, Blind, Cuhls, Kolo, 1998, 12). Die United Nations Industrial Development Organization unterscheidet bei Methoden der Technologie-Vorausschau zwischen der Kategorisierung „Prognose“, „Managing“ und „Creating“. „Managing“ fokussiert darauf, den Wandel handhabbar zu machen, „Crea-
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
41
ting“ geht davon aus, dass die Zukunft noch nicht existiert und erst noch geschaffen werden muss (vgl. Honsel, 2008, 59).
Ein weiteres mögliches Auswahlkriterium kann auch die Komplexität der Methode selbst sein. Krystek und Müller-Stewens (1993, 202) betonen die Notwendigkeit der Akzeptanz der jeweiligen Methode. Demzufolge sollte eine Ausweitung der „Sophistication“ einer Methode nur dann erfolgen, wenn dies ohne offene Widerstände gewünscht wird. Eine Methode könnte schnell an Bedeutung verlieren, wenn der Ansatz nicht von den Beteiligten überschaut werden kann. Lichtenthaler (2000, 330) beobachtete einen Wechsel von quantitativen Methoden zu qualitativen Methoden. Er erklärt dies mit einem neuen Verständnis der strategischen Vorausschau, die zunehmend teilnehmende Aktivitäten nutzt, anstatt Früherkennung an bestimmte Abteilungen zu delegieren. Hjelt et al. (2001) unterscheiden die drei Hauptkategorien Delphi-Studien, Kritische Listen sowie Panels und Netzwerke, die nach Auffassung der Autoren in der Praxis besonders häufig zur Anwendung kommen.
Tabelle 2.2 gibt einen Überblick zu ausgewählten Methoden, zugeordnet zu bestimmten Funktionen und Aufgaben der Früherkennung im Unternehmen. Alle ausgewählten Methoden sind geeignet, um Informationskomplexität zu reduzieren, während besonders mit Roadmaps, Szenarien, Portfolioansätzen, Lead-Usern und dem Quality Function Deployment auch eine kommunikative Funktion verbunden wird.
Methode
Organizational learning
Exploration
Kommunikation
Vergleich und Kontrolle
Publication frequency analysis
X
X
Bibliometrics
X
X
Quantitative seminar observations
X
Patent frequency analysis
X
X
Patent linkage analysis
X
X
S-curve analysis Benchmarking studies Portfolios
X X
X
42
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Methode
Organizational learning
Delphi studies
Exploration
Kommunikation
Vergleich und Kontrolle
X
X
Expert studies
X
Flexible expert interviews
X
Technology roadmaps
X
X
X
Product-Technology roadmaps
X
X
X
Product roadmaps
X
X
X
Learning curves Simulations
X
Option-pricing methods Scenario analysis
X
X
X
Lead-user analysis
X
X
X
Quality function deployment
X
X
X
Tabelle 2.2 Methoden, Funktionen und Ziele (vgl. Lichtenthaler, 2000, 330 ff.)
Sehr beliebt sind in der traditionellen Zukunftsforschung die Klassifikationen in normative und explorative Studien (vgl. Steinmüller, 1995) oder in Planung, Prognose, Utopie (vgl. Picht, 1970). Zukunftsforschung, die darauf abzielt, eine Vielzahl möglicher Zukünfte zu identifizieren, wird als explorative Zukunftsforschung bezeichnet, während Zukunftsforschung, die als eine Vorschau auf wünschenswerte Zukünfte zu verstehen ist, als normativ bezeichnet wird. Explorative Methoden der Zukunftsforschung unterstützen die Entwicklung von Zukünften, die plausibel scheinen und auf Interaktionen von Schlüsselfaktoren basieren und externe und interne Entwicklungen berücksichtigen, während normative Methoden Wünsche für zukünftige Entwicklungen aufgreifen (vgl. Gordon, 1994a, 2). In der Tabelle 2.3 sind ausgewählte Methoden der Zukunftsforschung in einer einfachen Klassifizierung dargestellt.
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Methode Cross Impact Analysis Decision Analysis Decision Models Delphi Econometrics Futures Wheel Morphological Analysis Participatory Methods Regression Relevance Tree Scenarios System Dynamics Tech Sequence Analysis Time Series Forecast Trend Impact Analysis
Quantitativ
Qualitativ
Normativ
Explorativ
X
X
X
X
X
X
X X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X X
43
X X
X
X
X X
X
X
X
X
X
X
X
Tabelle 2.3 Klassifizierung ausgewählter Methoden der Zukunftsforschung (vgl. Gordon, 1994a, 3-4) Eine weitere Kategorisierung stammt von der Technology Futures Analysis Working Group (2003), die in der Tabelle 2.4 zusammengefasst ist. Die Einteilung erfolgt in neun Familien (‚Families‘), in quantitative (‚Hard‘) und qualitative (‚Soft‘) Methoden sowie in normative und explorative Methoden. Dabei stellt die international zusammengesetzte Expertenrunde fest, dass eine Vielzahl von Methoden zur Zukunftsforschung existiert, die allerdings nebeneinander und unsystematisch entwickelt wurden und unterschiedliche Reifegrade aufweisen.
44
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Familiy: Creativity
Cr
Method [& Variations]
Hard or Soft
Exploratory or Normative
Brainstorming [Brainwriting; NGP-Nominal Group Process]
S
N/Ex
Cr
Creativity Workshops [Future Workshops]
S
Ex/N
Cr
Science Fiction Analysis
S
N
Cr
TRIZ
H
N/Ex
Cr
Vision Generation
S
N/Ex
Family: Descriptive & Matrices
Method [& Variations]
Hard or Soft
Exploratory or Normative
Desc
Analogies
H/S
Ex
Desc
Backcasting
S
N
Desc
Checklists for Impact Identification
S
Ex
Desc
Innovation System Modelling
S
Ex
Desc
Institutional Analysis
S
Ex
Desc
Mitigation Analyses
S
N
Desc
Morphological Analysis
S
N/Ex
Desc
Multiple Perspectives Assessment
S
N/Ex
Desc
Organizational Analysis
S
Ex
Desc
Roadmapping [Product-Technology Roadmapping] Social Impact Assessment [Socio-Economic Impact Assessment]
H/S
N/Ex
S
N/Ex
Desc Desc
State of the Future Index (SOFI)
H/S
N/Ex
Desc/M&S
Sustainability Analysis [Life Cycle Analysis]
H
Ex
Desc/M&S
Technology Assessment
H/S
Ex
Desc/Stat
Risk Analysis
H/S
N/EX
Desc/V Desc/V
Relevance Trees [Futures Wheel] Requirements Analysis [Needs Analysis, Attribute X Technology Matrix]
S S/H
N/Ex N
Desc/V
Stakeholder Analysis [Policy Capture, Assumptional Analysis]
S
N
Family: Expert Opinion
Method [& Variations]
Hard or Soft
Exploratory or Normative
ExOp
Delphi (iterative survey)
S
N/Ex
ExOp
Focus Groups [Panels; Workshops]
S
N/Ex
ExOp
Interviews
S
N/Ex
ExOp
Participatory Techniques
S
N
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Family: Modeling & Simulation
Method [& Variations]
Hard or Soft
Exploratory or Normative
M&S
Agent Modeling
H
Ex
M&S
Causal Models
H
Ex
M&S
CAS (Complex Adaptive System Modelling) [Chaos]
H
Ex
M&S
Diffusion Modelling
H
Ex
M&S
Systems Simulation [System Dynamics, KSIM]
H
Ex
M&S
Technological Substitution
H
Ex
M&S/Stat
Cross-Impact Analysis
H/S
Ex
M&S/V
Economic Base Modelling [Input-Output Analysis]
H
Ex
Family: Monitoring & Intelligence
Method [& Variations]
Hard or Soft
Mon
Monitoring [Environmental Scanning, Technology Watch]
Mon/Stat
Bibliometrics [Research Profiling; Patent Analy- H/S sis, Text Mining]
Family: Scenarios
Method [& Variations]
S
Hard or Soft
45
Exploratory or Normative
Ex Ex Exploratory or Normative
Sc
Focus Groups [Panels; Workshops]
S
Ex/N
Sc
Field Anomaly Relaxation Method (FAR)
S
Ex/N
Sc
Scenarios [Scenarios with consistency checks; Scenario Mgmt.]
H/S
N/Ex
Sc/M&S
Scenario-Simulation [Gaming; Interactive Scenarios]
S
N/Ex
Family: Statistical
Method [& Variations]
Hard or Soft
Exploratory or Normative
Stat.
Correlation Analysis
H
Ex
Stat.
Demographics
H
Ex
Family: Trend Analysis
Method [& Variations]
Hard or Soft
Exploratory or Normative
Tr
Long Wave Analysis
H
Ex
Tr
Precursor Analysis
H
Ex
Tr
Trend Extrapolation [Growth Curve Projection]
H
Ex
Tr/Stat
Trend Impact Analysis
H
N/Ex
46
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Family: Valuing/Decision/ Economic
Method [& Variations]
Hard or Soft
Exploratory or Normative
V
Action [Options] Analysis
S
N/Ex
V
Analytical Hierarchy Process (AHP)
H
N
V
Cost-Benefit Analysis [Monetized & Other]
H
Ex
V
Decision Analysis [Utility Analyses]
S
N/Ex
Multicriteria Decision Analyses [DEA - Data Envelopment Analysis]
H
N
Legende: Family Codes: Cr Creativity Desc Descriptive & Matrices Stat Statistical ExOp Expert Opinion Mon Monitoring & Intelligence Codes: H Hard (quantitative) S Soft (qualitative)
Family Codes: M&S Modeling & Simulation; Sc Scenarios Tr Trend Analysis V Valuing/Decision/Economic Ex N
Exploratory Normative
Tabelle 2.4 Methoden entsprechend der TFA Working Group (TFA, Porter, Ashton, Clar, Coates, Cuhls, Cunningham, Ducatel, van der Duin, Georghiou, Gordon, Linstone, Marchau, Massari, Miles, Mogee, Salo, Scapolo, Smits, Thissen, 2004, 287-303)
Im Rahmen der strategischen Vorausschau kommt oftmals nicht nur eine Methode zur Anwendung, sondern ein Set oder eine Kombination von Methoden, um die Ergebnisse der Untersuchungen zu zukünftigen Entwicklungen robuster zu gestalten. Für eine Trend-Impact-Analyse ist es z.B. notwendig, die Eintrittswahrscheinlichkeiten möglicher zukünftiger Ereignisse zu berücksichtigen. Diese Eintrittswahrscheinlichkeiten können z.B. mit Hilfe der Delphi Methode ermittelt werden. Ein weiteres Beispiel ist eine Cross-Impact-Matrix, die - eingeschlossen in ein System-DynamicModell -, auch die Interaktion externer Ereignisse berücksichtigen würde. Weitere mögliche Kombinationen unterschiedlicher Methoden sind in der Tabelle 2.5 aufgeführt.
Relevance Tree Scenarios System Dynamics Tech Sequence Analysis Futures Wheel Trend Impact
J
J
H
H
U
47
Tech Seq.
J
Futures Wheel
J
Trend Impact
J
System Dynamics
J
Scenario
J
Relevance Tree
J
J
E
Participatory Methods
Genius
Decision Model
Delphi
Cross Impact Decision Analysis Decision Model Delphi Genius Forecasting Participatory Methods
Decision Analysis
Methode
Cross Impact
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
B D
B
H
H
U
H
C
T F
P J
J
I
J
J
E
J
J
H
C
J
J
H
C
J
E
C H
J
S J
I
J
I
I
E X E
C
C
X
Legende: B: C: E: F: H: I: J: P: S: T: U:
Background/Hintergrundinformation Clarifies Assumptions/Klärung von Annahmen Event Linkage/Ereignisverbindung Forecast of Exogenous Variables /Vorschau auf exogene Variable High Order Impact/hoher Folgeeinfluss Internal Consistency/interne Konsistenz Judgement Gathering/Bewertungssammlung Present Images/aktuelle Bilder Helps Structure/Stukturschaffung Time Series Questions/Zeitreihenanlyse Useful in Sensitive Analysis/nützlich in störanfälligen Analysen
Tabelle 2.5 Methodenkombination (Gordon, 1994a, 9)
Grupp et al. haben die Methoden der Zukunftsforschung in kognitiv-appellative Methoden, statistisch-ökonometrische und strukturell-erklärende Methoden differenziert (vgl. Grupp, Blind, Cuhls, 1998, 4).
48
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Kognitiv- appellative Methoden Große Kollektive
Kleine Kollektive
Meinungsumfrage
Brainstorming
Rationale Erwartung (Sachumfrage)
Brainwriting
Rückgekoppelte Umfrage (Delphi)
Expertengespräch (auch Panel- Diskussion) Individualinterviews
Statistisch- ökonometrische Methoden Extrapolationsklasse Ökonometrische Klasse Trendexploration
Modell mit Lag
Historische Analogie
Frühwarnindikatoren (Patente, Maps)
Wachstums- u. Lern- kurven (Degression)
Lineare Programmierung
Dekomposition
Chaos- , Fuzzymethoden
Entscheidungsklasse Morphologischer Kasten Baummethode (Risiko, Relevanz) Verflechtungsmatrix Nutzwertanalyse Org.- analysen
Diffusion
Strukturell- erklärende Methoden
Szenario- Klasse
Strukturanalysen
QKC* Umfeld
Computersimulation
QKC* Gegenstand
Stoffflussmodelle
Ohne QKC*
I/O- Modellsimulation
Gekoppelt bottomup mit top- down Makromodell
Simulationssysteme
Bewertungsklasse Kosten- Nutzen- Analyse (Rentabilität, interne Verzinsung)
*quantitativer Konsistenzcheck
Abbildung 2.4 Ausgewählte Methoden der strategischen Vorausschau im Überblick (Grupp, Blind, Cuhls, 1998, 4)
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
49
Die kognitiv-appellativen Methoden werden in kleine und große Kollektive untergliedert als Ausdruck der an der Anwendung der Methode beteiligten Personen. Statistisch-ökonometrische Methoden werden im Hinblick auf die Extrapolationsklasse, die ökonometrische Klasse und die Entscheidungsklasse unterschieden. Strukturell erklärende Methoden unterteilen die Autoren in Szenario-Klasse, Strukturanalysen und Bewertungsklasse (siehe Abbildung 2.4). Die Darstellungen der Methoden zeigen, auf welche Vielfalt an Methoden für die strategische Vorausschau zurückgegriffen werden kann. Auch die Interpretation der Anwendung der Methoden kann sehr verschieden sein. Selbst sehr bekannte Methoden, wie die SWOT-Analyse oder Delphi, werden in unterschiedlicher Weise genutzt. Die Vielzahl der Methoden verdeutlicht auch, welchen Herausforderungen KMUs gegenüberstehen, wenn die strategische Vorausschau als permanente oder nur projektbezogene Aufgabe im Unternehmen implementiert werden soll. Die Methoden, die in Vorausschauprozessen zur Anwendung gelangen, sind nicht fest vorgegebenen, als viel versprechend in der strategischen Vorausschau wird ein Mix aus unterschiedlichen Methoden angesehen (vgl. Cuhls, 2003, 98). 2.3.4 Neue Methoden in der strategischen Vorausschau Bedingt durch die rasante Entwicklung von Internetanwendungen und das Web 2.0 stehen zunehmend auch internetbasierte Tools für die strategische Vorausschau zur Verfügung. Eine Reihe von internetbasierten Anwendungen werden für das Wissensmanagement und die Wissensgenerierung genutzt und ermöglichen die Sammlung von Informationen, die gemeinsam, z.B. im Rahmen eines Intranets von Mitarbeitern genutzt und auch bearbeitet werden können. Durch die Entwicklung von Bibliotheken, Wikipedias oder das Aufbereiten von Marktinformationen in Form von Newsseiten wird es möglich, umfangreiches Wissen darzustellen, gemeinsam zu nutzen und weiterzuentwickeln, um somit z.B. „schwache Signale“ zu erkennen oder fundierte Bestandsaufnahmen, wie sie z.B. bei Szenarioanalysen notwendig werden, zu begleiten. Auch Kommunikationstools, wie z.B. das Instant Messaging, werden für Vorausschauprozesse genutzt; sie ermöglichen z.B. die Kommunikation in Echtzeit, wodurch Informationen schneller ausgetauscht werden können. Die Kommunikation mit Experten im Rahmen von Befragungen oder Interviews kann somit unabhängig von Ort und Zeit erfolgen. Weitere internetbasierte Services sind z.B. SocialBookmarking-Systeme wie del.icio.us, die es ermöglichen, Bookmarks anderer Be-
50
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
nutzer zu bestimmten Themen zu durchforsten, Schlagworte zu durchsuchen und relevante Internetseiten mit anderen Nutzern zu teilen, wodurch Suchprozesse im Internet wesentlich vereinfacht werden. Des Weiteren gibt es Datenbanken und teilweise kommerzielle Sammlungen zu globalen Trends, auf die Unternehmen zugreifen können. Weitere Methoden, die für Vorausschauprozesse genutzt werden können, sind Visualisierungstools. Diese werden genutzt, um z.B. Produktinnovationen erlebbar zu machen, um mit Kunden, Entwicklern, Zulieferern oder einer breiteren Öffentlichkeit in Dialog zu treten. Im Gegensatz zu Reports erlauben es Visualisierungstool wie future labs oder die Schaffung von Erlebniswelten, neue Entwicklungen und Ideen über die Optik und Haptik zu vermitteln. Damit sind Visualisierungstools ein Mittel der Entscheidungsvorbereitung aber auch ein Kommunikationsinstrument, um Ergebnisse der Vorausschauaktivitäten auch innerhalb des Unternehmens kommunizierbar aufzubereiten und den Mitarbeitern im Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die nachfolgende Tabelle liefert einen Überblick zu neueren Tools in der strategischen Vorausschau.
Tools Wissensmanagementtools
Beschreibung
Wissensmanagementsystem für allgemeine Kunden und Marktinformationen i.S. von Neuigkeiten
Library (interne Bibliothek)
Wiki
Technology Database
Kommunikations- und Visualisierungstools E-Mail Mailing List
Wettbewerbsinformation Informationen zu Zulieferern Branchenspezifische News wesentliche Kontaktdaten Events Überblick zu wesentlichen Journals, Netzwerken, Softwarelösungen, Managementliteratur mit der Möglichkeit eigene Bereiche einzurichten, i.S.v. my journals Links zu Bibliotheken Literaturempfehlungen interne Enzyklopädie, die eine Sammlung von Websites enthält und von den Nutzern selber bearbeitet werden kann Überblick zu spezifischen Technologieanbietern Suchfunktionen
elektronische Post als wichtigster Internetdienst Nachrichtenaustausch für eine geschlossene Gruppe von Menschen
Umsetzung Weboberfläche (intern)
Weboberfläche (intern)
Weboberfläche (intern) oder branchenweit
Weboberfläche (intern)
E-Mail-Programm Internet E-Mail Internet/Intranet
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Tools
Instant Messaging
Directory (Verzeichnis, Register)
Future lab
Erlebnistage mit Kunden
Beschreibung Nachrichtenaustausch ist innerhalb dieser Gruppe öffentlich Mailinglisten sind historisch die Urform von Newsgroups und Internetforen Moderator möglich unterschiedliche Lese- und Schreibrechte Kommunikation in Echtzeit mit anderen Teilnehmern kurze Mittelungen werden meist über das Internet an Empfänger geschickt, auf die der Empfänger unmittelbar antworten kann Möglichkeit des Austauschs von Dateien Videokonferenzen Telefonkonferenzen übersichtliche, meist nach bestimmten Strukturen gegliederte, listenmäßige darstellbare Anordnung von Informationen Darstellung von Produktideen, Projektideen in Erlebniswelten Diskussion mit Kunden, Partnern, Zulieferern Darstellung neuer Produkte, Prozesse, Dienstleistungen
Visualisierung und emotionale Ansprache Sonstige Internet-Tools und Services Social Bookmarking Anlegen persönlicher Lesez.B. del.icio.us, Simpy, Furl zeichen mit Schlagworten und Tags Connotea, CiteULike (Fokus auf persönliche Sammlung ist Wissenschaftler) öffentlich sichtbar, einzelne Lesezeichen können auch als privat gekennzeichnet werden und von der Veröffentlichung ausgeschlossen werden der öffentliche Charakter des Dienstes lässt sich beispielsweise für einen Linkblog nutzen: (der einzelne sieht, welche anderen Nutzer seine Lesezeichen in ihre Sammlung aufgenommen haben, und kann anschauen,
51
Umsetzung
Software (z.B. Instant Messenger)
Software zum Verwalten von Verzeichnisstrukturen Einrichtung eines Labors, Raumes, Bereiches, Hauses
Einrichtung eines Labors, Raumes, Bereiches, Hauses
Podcast, Filme, Musik, etc.
Internetdienst
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Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Tools
Beschreibung
Wikipedia
Google, Yahoo Ressourcen im Internet www.shapingtomorrow.com
mit welchen Tags sie gekennzeichnet wurden) mobiler Zugriff auf gespeicherte Daten unabhängig vom Rechner nutzbar (Firma, Heimrechner etc.) freie Enzyklopädie, die eine Sammlung von Websites enthält und von den Nutzern selber bearbeitet werden kann Internetsuchmaschine
Sammlung zu Trends, die regelmäßig aktualisiert werden
Umsetzung
Internetplattform
Internetdienst kommerzielle Homepage
Tabelle 2.6 Neue Tools in der strategischen Vorausschau (vgl. auch Beiträge in: euroSF, 2007)
In der nachfolgenden Abbildung 2.5 werden ausgewählte Methoden dem generischen Prozess der strategischen Vorausschau (vgl. Reger, 2001b, 89) gegenübergestellt und Methoden zugeordnet, die jeweils geeignet sind, um den Informationsbedarf zu formulieren, Daten zu sammeln, zu interpretieren und konkrete Entscheidungen herbeizuführen (vgl. dazu auch Miles, 2002).
2
Informationsquellen und Methoden auswählen
Monitoring ROAME Lenkungsausschuss Database search Web search Wissensmanagementtools Interne Library (my journals)
1
Suchgebiet auswählen
Informationsbedarf bestimmen,
Benchmarking Umfeld- Scanning Expertenbefragungen Delphi Brainstorming MindMapping Social Bookmarking Wikipedias Trendsammlungen Relevanzbäume
3
Daten sammeln und speichern
5
Entscheidungen vorbereiten
SWOT Morphologische Analyse Cross Impact Analyse Trendextrapolationen Szenarioanalyse Simulationen
4
Filtern, Analysieren, Interpretieren
Planung – Netzwerkarbeit – Zukunftsdenken
Handlungspläne Demonstrators Panel Embedding Foresight Unit Training Publikationen Road Maps Future laboratories Filme Bilder, Poster
6
Bewerten und Entscheiden
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau 53
Abbildung 2.5 Generischer Prozess der strategischen Vorausschau mit Methodenzuordnung
54
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
Eine Kurzbeschreibung zu ausgewählten Methoden der strategischen Vorausschau ist im Glossar dargestellt. 2.4
Anforderungen an die strategische Vorausschau
Mit der Früherkennung kann es gelingen, Unternehmen gegenüber „schwachen Signalen“ zu sensibilisieren und Trends zu erkennen. Die Ergebnisse der Früherkennung fließen in die strategische Planung ein und begründen somit einen strategischen Vorausschauprozess. Auch wenn die Notwendigkeit einer strategischen Vorausschau vielen Unternehmen plausibel ist, so ist der Verbreitungsgrad tatsächlich funktionierender Vorausschauprozesse als gering einzuschätzen (vgl. MuellerStewens, Lechner, 2003b, 208).
Diese Einschätzung wird auch durch die eigene qualitative Untersuchung in Form von Fallstudien (vergleiche dazu Kapitel 6) bestätigt. Im Rahmen von Interviews in deutschen Biotechnologieunternehmen wurden 30 CEOs und Führungskräfte im Business Development oder Marketingverantwortliche interviewt (vgl. dazu Basisdaten der Fallstudien in Tabelle 6.6 ff.). Ziel der Untersuchung war es u.a., das Vorgehen im Rahmen strategischer Vorausschauprozesse zu untersuchen und Anforderungen an ein systematisches Früherkennungstool zu ermitteln. Die Untersuchung macht das Dilemma der Unternehmen deutlich. Wenn auch die Bedeutung von Vorausschauprozessen angesichts hoher Unsicherheiten in einer schnelllebigen, international ausgerichteten Branche, wie der Biotechnologie, von dem überwiegenden Teil der Unternehmen als hoch angesehen wird (vgl. nachfolgende Aussagen der Interviewpartner), so wird doch, insbesondere aufgrund geringer Ressourcen (verantwortliche Mitarbeiter, Zeit) und einer unzureichenden Methodenkenntnis, auf den Einsatz von Methoden wie der Szenarioanalyse verzichtet (vgl. Kapitel 6).
„…also wenn man das so versteht zu erkennen was einmal gefragt sein könnte oder welche Innovationen interessant sind, hat die Früherkennung schon eine starke Bedeutung…“ (P25)
„…für uns ist es [..] wichtig, dass wir neue Trends relativ schnell erkennen, damit wir unser Produkt darauf abstellen können.“ (P34)
Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
55
„Ich denke schon, dass es einen wichtigen Stellenwert hat, dass man das Ganze systematisch betrachtet, dass man Informationen sammelt, neue Firmen identifiziert aber auch die Firmen beobachtet, …“ (P36)
Um die strategische Vorausschau im Unternehmen zu implementieren, müssen besondere Anforderungen an die Prozessflexibilität, die Motivation des Managements und der Mitarbeiter, an die Nachvollziehbarkeit der eingesetzten Methoden und an eine adäquate Kommunikation und Visualisierung gestellt werden.
Prozessflexibilität Wird die strategische Vorausschau als ein Prozess aufgefasst, so ist dennoch von einem sequentiellen Abarbeiten einzelner Phasen abzusehen (vgl. Haertel, 2002, 46). Stattdessen sollte der Prozess möglichst flexibel gestaltet werden und an die unternehmensspezifischen Bedürfnisse angepasst werden (vgl. Cuhls, 2003, 96). Auch beim Einsatz ausgewählter Vorausschaumethoden muss eine Anpassung an die jeweilige Zielstellung, unternehmensspezifische Anforderungen oder zur Verfügung stehende Ressourcen (z.B. Zeit, Personal, Budget) erfolgen (vgl. dazu auch die Darstellungen zur Kontextbetrachtung in Szenarioanalysen in Kapitel 7).
Motivation von Führungskräften und Mitarbeitern Die Beobachtung, Aufnahme und Aufbereitung von Informationen stellen für die jeweiligen Mitarbeiter und Führungskräfte oft eine zusätzliche Aufgabe dar, die möglicherweise durch das operative Geschäft verdrängt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Erfassung und Einschätzung von Informationen sehr aufwendig sind (vgl. Miüiü, 2006, 312). Krystek und Müller-Stewens (1993, 265 ff.) unterscheiden in diesem Zusammenhang auch zwischen Wissens-, Willens- und Fähigkeitsbarrieren.
Nachvollziehbarkeit der eingesetzten Methoden Die Vielfalt und Komplexität der Methoden der strategischen Vorausschau können den Versuch der Implementierung von Vorausschauprozessen gefährden („Methoden-Overkill“). Da der Prozess der Verarbeitung von Informationen bereits ein hohes Maß an Komplexität aufweist, erscheint zunächst die Anwendung einfacher Methoden sinnvoll, um zunächst ein Verständnis für Vorausschauprozesse im Unternehmen zu entwickeln. Im Vordergrund sollten also nicht inkrementelle Methodenver-
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Die Szenarioanalyse: Eine Methode der strategischen Vorausschau
besserungen stehen, sondern eine strikte Anwendungsorientierung (vgl. Haag, 1993, 265). Auch Entscheidungsträger müssen die im Rahmen von Vorausschauprozessen entwickelten Ergebnisse nachvollziehen können, wenn strategische Entscheidungen auch auf Grundlage der Informationen und Ergebnisse getroffen werden müssen.
Kommunikation und Visualisierung Informationen und erarbeitete Ergebnisse müssen schnell verfügbar und übersichtlich dargestellt werden. Berichte mit langen Prosatexten und einer ungenügenden Visualisierung werden als minderwertig beurteilt (vgl. Haertel, 2002, 76; vgl. Miüiü, 2006, 311). Somit ist es nicht nur von Bedeutung, Informationen zu sammeln und zu aggregieren, sondern diese Informationen im Unternehmen schnell, einfach und übersichtlich zur Verfügung zu stellen. Wenn Mitarbeiter und das Management den Mehrwert der strategischen Vorausschau erkennen, sichert dies wiederum Akzeptanz und Fürsprache (vgl. Roll, Weber, 2006, 204).
3
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Ein Ziel von Szenarioanalysen, als eine ausgewählte Methode der strategischen Vorausschau, ist es, einen Betrag für die Strategieentwicklung in Unternehmen zu leisten. Strategien resultieren jedoch nicht zwangsläufig aus Szenarien, sondern müssen, ähnlich wie die Szenarien selbst, in einem systematischen Prozess entwickelt werden. In der Literatur zu Szenarioanalysen und zum strategischen Management wird der methodischen Verknüpfung von Szenarioanalysen mit der Strategiebildung sowie den dahinter stehenden Methoden nur wenig Beachtung geschenkt, so dass für eine Anwendung im Unternehmen häufig unklar bleibt, wie aus oder mit Szenarien tatsächlich Strategien abgeleitet werden können. Auch aus der unternehmerischen Praxis liegen kaum dokumentierte methodische Ansätze vor, was sicher auch auf die Sensitivität strategischer Planungsprozesse in Unternehmen zurückzuführen ist (vgl. Wilson, 2000, 23). Ausnahmen bilden die Veröffentlichungen von Paul Schoemaker (vgl. Schoemaker, 2002), dessen Ansatz den Ressource Based View aufgreift und Schlüsselerfolgsfaktoren und Kernkompetenzen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, der Ansatz nach Kees van der Heijden (vgl. van der Heijden, 2005), der einen auf dem Konstrukt des Geschäftskonzeptes basierten Ansatz verfolgt, das von Fink et al. beschriebene Vorgehen, das vorschlägt, robuste Strategien durch die Integration von Lenkungsszenarien und strategischen Optionen zu entwickeln (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002), oder vier unterschiedliche Formen der Strategieentwicklung mit Szenarien, die von Ian Wilson beschrieben werden (vgl. Wilson, 2000).
Die Ansätze weisen im Vorgehen teilweise Ähnlichkeiten, aber auch Besonderheiten auf. Im Folgenden soll zunächst näher auf den Strategiebegriff eingegangen werden, bevor drei ausgewählte methodische Ansätze vorgestellt werden, die konkret aufzeigen, wie eine auf Szenarien basierte Strategieentwicklung umgesetzt werden kann. Die ausgewählten Ansätze werden in einer PMI-Tabelle (vgl. PMI Technik in De Bono, 2002/2005, 25 ff.) gegenüberstellt. In der PMI-Tabelle werden wesentliche Vor- und Nachteile sowie interessante Aspekte des jeweiligen Vorgehens herausgestellt. Dabei ist von besonderem Interesse, welcher Ansatz auch für kleine und mittlere Unternehmen umsetzbar ist.
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Szenariobasierte Strategieentwicklung
3.1
Der Strategiebegriff
Ähnlich wie bei der Szenarioanalyse hat auch der Begriff Strategie seinen Ursprung im militärischen Bereich und wurde vor allem durch Carl von Clausewitz geprägt. Clausewitz wurde durch sein Hauptwerk Vom Kriege bekannt, dass Theorien über Strategie, Taktik und Philosophie enthält und einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Kriegswesens in allen westlichen Ländern hatte. Seine Theorien finden noch heute im Management und im Marketing Anwendung. Nach von Clausewitz wird Strategie als der Gebrauch des Gefechtes zum Zwecke des Krieges bezeichnet (vgl. Hungenberg, 2004, 5). Als eigenständige Disziplin hat sich das strategische Management in den 30er- bis 40er- Jahren schwerpunktmäßig in den USA entwickelt, angetrieben durch die amerikanischen Business Schools.
Wesentliche Impulse zur Entwicklung des strategischen Managements gingen von Edith Penrose (Penrose, 1959) aus, die in ihrem Buch „The Theory of the Growth of the Firm“ die Einzigartigkeit eines Unternehmens durch die Qualität der Ressourcen erklärt. „It is the heterogeneity and not the homogeneity of the productive services and available or potentially available from its unique character” (vgl. Penrose, 1959, 75f.). Weitere wichtige Impulsgeber sind Alfred Chandler, der den Wachstumsprozess von vier Unternehmen untersuchte und seine Erkenntnisse in der These „structure follows strategy“ zusammenfasst (vgl. Chandler, 1962; Chandler, 1995) sowie Kenneth Andrews und Igor Ansoff. Andrews baut auf den Erkenntnissen von Chandler auf und beschreibt eine Strategie als „…the pattern of decisions in a company that determines and reveals its objectives, purposes, or goals, produces the principal policies and plans for achieving those goals, and defines the range of business the company is to pursue, the kind of economic and human organization it is or intends to be, and the nature of the economic and none-economic contribution it intends to make to its shareholders, employees, customers, and communities” (Andrews, 1992, 52).
Ansoff behandelt in seinem Werk „Corporate Strategy“ (vgl. Ansoff, 1965; 1966) die Grundzüge des strategischen Managements und lässt es zu einer Technik werden, die beherrscht werden muss. Dazu entwickelt er erste Konzepte, wie z.B. die SWOTAnalyse, die Produkt-Markt-Matrix oder Phasenmodelle, die bis heute wichtige Techniken in der Managementpraxis sind. Weitere Impulsgeber für das strategische Ma-
Szenariobasierte Strategieentwicklung
59
nagement sind Beratungsunternehmen wie die Boston Consulting Group oder McKinsey,
die
Konzepte
wie
den
Erfahrungskurvenansatz,
Marktwachstums-
Marktanteilsmatrix oder die Geschäftsfeldsegmentierung begründen (vgl. MuellerStewens, Lechner, 2003a, 12).
Anfang der 90er- Jahre des vergangenen Jahrhunderts entwickelt sich, die Gedanken von Penrose aufgreifend, der Resource Based View des strategischen Managements als Gegenpol des von Porter beschriebenen Activity Based View bzw. des MarketBased View. Diese Entwicklungen spiegeln den Versuch wieder, das Forschungsinteresse stärker in das Unternehmen hinein zu verlagern, um daraus Quellen für Wettbewerbsvorteile zu ergründen. Mitte der 90-er Jahre tauchen zusätzlich Begriffe wie der Capability Based View oder der Knowledge Based View in der wissenschaftlichen Diskussion auf. Inzwischen werden beide Ansätze nicht mehr als konträr betrachtet sondern als zwei komplementäre Ansätze aufgefasst. Das Forschungsinteresse richtet sich heute stärker auf eine dynamische Theorie des strategischen Managements (vgl. Mueller-Stewens, Lechner, 2003a, 13f.). Eine endgültige Definition zum Strategiebegriff und ein einheitliches Verständnis existieren nicht. Welge, AlLaham erkennen zwei Strömungen, die die unterschiedlichen Strategieverständnisse systematisieren: das klassische Strategieverständnis und die Gegenposition, das erweiterte Strategieverständnis, die Schule um Mintzberg. Vertreter des klassischen Strategieverständnisses, zu denen beispielsweise Chandler gehört, verstehen unter einer Strategie ein geplantes Maßnahmenbündel eines Unternehmens zur Erreichung langfristiger Ziele. Eine Strategie ist demnach das Ergebnis einer formalen und rationalen Planung. Dem klassischen Strategieverständnis folgend, sind Strategien durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
Strategien bestehen aus einer Reihe miteinander verbundener Einzelentscheidungen.
Strategien sind ein hierarchisches Konstrukt.
Strategien treffen Aussagen zur Positionierung eines Unternehmens.
Strategien treffen Aussagen zur Ressourcenallokation (vgl. Welge, Al-Laham, 2003, 13 f.)
Kritik an dem klassischen Strategieverständnis wird insbesondere von Mintzberg geäußert. Strategien sind nach Mintzberg nicht zwingend nur als das Ergebnis for-
60
Szenariobasierte Strategieentwicklung
maler und rationaler Planungen zu betrachten, sondern es existiert ein viel breiteres Spektrum von Strategietypen. Aus einer Reihe von Fallstudien leitet Mintzberg fünf unterschiedliche Strategieverständnisse in der Praxis ab (vgl. Welge, Al-Laham, 2005, 18). Er weist allerdings auch darauf hin, dass die verschiedenen Strategieverständnisse eher als sich gegenseitig ergänzende und nicht als konkurrierende Definitionen zu verstehen sind (vgl. Mintzberg, 1987, 20):
Strategie als Plan: Die Strategie ist eine Beschreibung, wie ein Unternehmen seine Ziele erreichen soll. Sie ist ein Plan, d.h. eine bewusst geplante Vorgehensweise, ein Leitfaden, wie mit einer bestimmten Situation umzugehen ist.
Strategie als List: Hierbei wird eine Strategie als ein Manöver verstanden. Sie besteht aus taktischen Maßnahmen, mit denen Wettbewerber überlistet werden sollen.
Strategie als Muster: Nach diesem Strategieverständnis entwickelt sich eine Strategie unbeabsichtigt aus den Handlungen und Entscheidungen eines Unternehmens. Diese Strategien entstehen eher zufällig und sind erst im Nachhinein als solche erkennbar.
Strategie als Position: Eine Strategie stellt die Positionierung eines Unternehmens in seiner Umwelt dar. Sie verdeutlicht die Wettbewerbs- und Marktposition und beschreibt, mit welchen Mitteln ein Unternehmen welche Produkte auf welchen Märkten anbietet. Die Position kann dabei sowohl geplant angestrebt wie auch eher zufällig erreicht werden.
Strategie als Denkhaltung: Gemäß diesem Strategieverständnis ist eine Strategie eine gemeinsame Weltanschauung oder Denkhaltung, die von den Mitgliedern einer Organisation geteilt wird. Sie beschreibt das kollektive Einstellungsmuster eines Unternehmens, welches das strategische Verhalten maßgeblich beeinflusst (vgl. Mintzberg, 1987, 11-17; Mintzberg, 1994, 23-29; Welge, AlLaham, 2003, 16 f.).
Nach Mintzberg existieren beabsichtigte Strategien, die tatsächlich realisiert werden und als geplante Strategien bezeichnet werden, sowie beabsichtigte Strategien, die nicht realisiert werden. Des Weiteren gibt es zufällige Strategien, deren Realisierung nicht beabsichtigt war (vgl. Mintzberg, 1994, 24 f.) Eine Unterscheidung zwischen geplanten und zufälligen Strategien ist unter anderem auch bei Christensen und Raynor zu finden. Sie weisen darauf hin, dass zufällige Strategien oftmals aus takti-
Szenariobasierte Strategieentwicklung
61
schen Entscheidungen von Mitarbeitern entstehen, die weder zukunftsorientiert noch strategisch denken. Zufällige Strategien ergeben sich aus Reaktionen auf Probleme oder Chancen, die im Analyse- und Planungsstadium einer geplanten Strategie nicht berücksichtigt wurden (vgl. Christensen, Raynor, 2004, 214 f.).
Im Rahmen dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass Strategien formal und rational planbar sind. Somit stellt die Strategie, in Anlehnung an Mintzbergs Verständnis, eine Beschreibung dar, wie ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann. Dabei wird die Strategie als ein flexibles Konstrukt aufgefasst, das in Anbetracht von Veränderungsprozessen im Unternehmensumfeld auch angepasst werden kann. Um Veränderungen im Unternehmensumfeld sichtbar zu machen und Konsequenzen abzuleiten, ist eine systematische, strategische Vorausschau notwendig, wobei die Szenarioanalyse eine mögliche Methode ist, um Vorausschauprozesse zu begleiten. Strategien werden im Rahmen dieser Arbeit wie folgt charakterisiert: x
Strategien legen Aktivitätsfelder eines Unternehmens fest.
x
Strategien sind wettbewerbsbezogen, d.h. sie bestimmen Handlungen in Relation zum Wettbewerb.
x
Strategien nehmen Bezug auf die Ressourcen des Unternehmens, auf die Stärken und Schwächen in ihrer relativen Position zum Wettbewerb.
x
Strategien nehmen Bezug auf die Umweltsituationen und Umweltentwicklungen, auf Chancen und Risiken. Sie reagieren auf Veränderungen im Unternehmensumfeld und/oder versuchen, diese auch aktiv zu beeinflussen.
x
Strategien sind zukunftsorientiert, sie basieren auf Erwartungen über die Entwicklung eigener Kompetenzen und Umweltzustände.
x
Strategien sind das Ergebnis eines systematischen Planungsprozesses.
x
Strategien erfordern für ihre erfolgreiche Umsetzung die Formulierung von Maßnahmenplänen.
Im Konzept des strategischen Managements werden die Prognose und strategische Früherkennung als ein Teilschritt des strategischen Managements aufgefasst (vgl. z.B. Welge, Al-Laham, 1999, 96; Mueller-Stewens, Lechner, 2003a, 206 ff.). In der vorliegenden Arbeit wird die strategische Vorausschau als ein Prozess verstanden, der der strategischen Planung vorausgeht bzw. die strategische Planung im Sinne eines fortlaufenden Prozesses begleitet, wesentliche Informationen aufbereitet und
62
Szenariobasierte Strategieentwicklung
zur Verfügung stellt und Impuls- und Ideentrigger für die strategische Planung ist (vgl. Abbildung 3.1). Die Abbildung soll auch verdeutlichen, dass die Aktivitäten innerhalb der strategischen Vorausschau sehr themenoffen angelegt sind, um „schwache Signale“, die aus anderen Branchen oder Geschäftsfeldern zu beobachten sind oder Entwicklungen im gesellschaftlichen Umfeld zu berücksichtigen und somit eine laterale, cross-funktionale und zukunftsoffene Herangehensweise zu unterstützen.
Perspektiven der Zukunftsforschung Ökonomische Entwicklungen
Gesellschaft Sozio- / kulturelle Entwicklungen
Politische Entwicklungen
Technologische Entwicklungen
Perspektiven der Früherkennung Technologie Technologische Früherkennung Technology Intelligence Technologische Frühaufklärung Technology Watch Technology Scouting
Wettbewerb
Competitor Intelligence
Neue Märkte/ Geschäftsfelder New Market Intelligence Customer Intelligence
Strategische Planung Strategische Zielbildung Entwicklung der Unternehmenspolitik, des Leitbildes und strategischer Zielsetzungen
Unternehmensanalyse und Umfeldanalyse
Formulierung, Bewertung und Auswahl von Strategien
Strategieumsetzung und Strategie- Kontrolle
Abbildung 3.1 Strategische Vorausschau und strategische Planung
Szenariobasierte Strategieentwicklung
63
Die im Folgenden vorgestellten Ansätze der Strategieentwicklung mit Szenarien bedienen sich dabei der zentralen Prinzipien der Strategieentwicklung; des Aufbaus von Stärken und dem Vermeiden von Schwächen, der Konzentration der Kräfte, der Optimierung der Ressourcenbasis und der Ausnutzung bzw. des Aufbaus von Synergiepotenzialen. Die vorgestellten Ansätze gehen aber noch einen Schritt weiter und versuchen, alternative Zukunftsentwicklungen zu berücksichtigen, um somit einen Beitrag zur Verringerung der Unsicherheit zu leisten. 3.2
Strategieentwicklung mit Szenarien nach Schoemaker
Der Ansatz einer szenariobasierten Strategieentwicklung nach Schoemaker baut auf dem Ansatz des Resource Based View auf, wonach Wettbewerbsvorteile durch unternehmensspezifische Ressourcen und Fähigkeiten errungen werden können (vgl. Rasche, 1994; vgl. Barney, 1997; vgl. z.B. Collins, Montgomery, 1998; vgl. auch die Grundlogik des ressourcenbasierten Ansatzes in: Träger, 2008, 38 ff.). Schoemaker erweitert diesen Ansatz und geht in der szenariobasierten Strategieentwicklung der Frage nach, welche neuen Kernkompetenzen aufgebaut werden müssen, um im Wettbewerb auch in Zukunft bestehen zu können.
Schoemaker führt in seinem Ansatz den Begriff der Schlüsselerfolgsfaktoren (SEF) (engl. key success factors) ein, worunter er Fähigkeiten, Ressourcen und Aktivitäten versteht, die bereits im Unternehmen vorzufinden sind oder noch entwickelt werden müssen. Der Begriff der Schlüsselerfolgsfaktoren leitet sich aus der Annahme ab, dass bestimmte Ressourcen und Fähigkeiten einen größeren Anteil an dem Erfolg eines Unternehmens innerhalb einer bestimmten Branche haben als andere (vgl. Schoemaker, 2002, 70 f.) Im Gegensatz zu den SEF sind die table stakes Ressourcen und Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Etablierung von Geldautomaten innerhalb der Finanzdienstleistungsbranche, die zwar wichtig sind für den Unternehmenserfolg, jedoch keine Möglichkeit bieten, sich von Wettbewerbern zu differenzieren. SEF hingegen bestehen aus einem komplexen System zusammenhängender Komponenten, wie beispielsweise verschiedener Aktivitäten, Ressourcen oder Fertigkeiten (vgl. Schoemaker, 2002, 72 ff.), durch die Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten erlangen können (vgl. Schoemaker, Hofheimer, Randall, 2002, 10 f.).
64
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Schritt 4
Schritt 5
Unternehmensanalyse
Ermittlung der strategischen Vision
Identifikation von Kernkompetenzen
Schritt 6 Schritt 3
Strategische Segmentierung Identifikation von Segmenten und Schlüsselerfolgsfaktoren
Ermittlung von strategischen Optionen Schritt 7
Schritt 2 Entwicklung von Szenarien (vgl. Kapitel 5.2.3)
Implementierung
Schritt 1 Bestandsaufnahme
Abbildung 3.2 Modell der szenariobasierten Strategieentwicklung nach Schoemaker
Der in der Abbildung 3.2 dargestellte siebenstufige Prozess der Strategieentwicklung beginnt mit der Identifikation externer Herausforderungen und der Untersuchung der Unternehmensperformance. Im zweiten Schritt der szenariobasierten Strategieentwicklung erfolgen eine Bewertung des Unternehmensumfeldes und die Entwicklung von Szenarien (vgl. Kapitel 5.2.3). In der dritten Phase wird die strategische Segmentierung vorgenommen, bevor in Schritt vier durch eine interne Analyse die aktuellen Kernkompetenzen des Unternehmens ermittelt werden. Im fünften Schritt wird die strategische Vision herausgearbeitet. Im nächsten Schritt wird untersucht, wie die strategische Vision umgesetzt werden soll. In diesem Prozessschritt werden alternative strategische Optionen entwickelt, mögliche Projekte und Handlungspläne erarbeitet und Prioritäten festgelegt. In der letzten Phase erfolgt eine Umsetzung der entwickelten Handlungspläne und Projekte im Sinne der strategischen Vision (vgl. Schoemaker, Randall, Schuurmans, 1999, 6).
Im Folgenden sollen insbesondere die Schritte drei bis sechs betrachtet werden, da sie den Kernprozess der Strategieentwicklung beschreiben. Der Ansatz der Szenarioentwicklung (Schritt eins und zwei) nach Schoemaker wird in Kapitel 5.2.3 ausführlich dargestellt, wobei unabhängig davon, nach welchem Ansatz Szenarien entwickelt wurden (vgl. die unterschiedlichen Ansätze der Szenarioentwicklung in Kapitel 5), der hier vorgestellte Prozess der Strategieentwicklung zur Anwendung gelangen kann.
Szenariobasierte Strategieentwicklung
65
3.2.1 Strategische Segmentierung Die Szenarioanalyse liefert bereits Informationen zu SEF, die möglicherweise in Zukunft von Bedeutung sind. Neben der Betrachtung der Szenarien ist es notwendig, eine strategische Segmentierung (Schritt 3) vorzunehmen, wodurch eine Einordnung des Unternehmens in das ganzheitliche Wettbewerbsumfeld ermöglicht wird sowie zukünftige Ressourcen und Fähigkeiten ermittelt werden können. Die Auswahl der Segmente kann von traditionellen Marktsegmentierungen (z.B. nach Produkten, Dienstleistungen, geografischen Regionen) abweichen. So sind z.B. das Ausmaß der Regulierung oder die Wertschöpfungskette ebenfalls mögliche Segmente, die Aussagen zu SEF erlauben. Auch sind Segmentierungen entlang möglicher Ursachen, die zum Scheitern führen könnten, geeignete Segmente für die strategische Betrachtung. Die Auswahl geeigneter Segmente kann sowohl intuitiv als auch modellgestützt durch multidimensionales Skalieren, Clusteranalysen oder einfache statistische Verfahren erfolgen. Ein guter Ansatz ist es, Segmente zu entwickeln, die in allen Szenarien auftreten und deren Betrachtung in allen entwickelten Szenarien Sinn ergibt. Wenn auch das grundsätzliche Segmentierungsschema für alle Szenarien gleich ist, so können dennoch Art und Größe des Segmentes variieren ebenso wie die Maßnahmen, die notwendig sind, um Wettbewerbsvorteile zu sichern in den einzelnen Szenarien. Für die strategische Segmentierung gelten die folgenden Leitlinien: (1) Das Segmentierungsschema muss in allen Szenarien anwendbar sein. (2) Die Segmentierung sollte umfassender und weitreichender angelegt sein, als der aktuelle Produktfokus oder die aktuelle Technologie. (3) Die Anzahl der Marktsegmente muss begrenzt sein (5 bis 8 Segmente). (4) Die Segmente müssen sich deutlich voneinander abgrenzen (vgl. Schoemaker, 2002, 81 f.). Eine besondere Herausforderung ist es, Segmente zu identifizieren, die erst in Zukunft entstehen könnten. Für die frühzeitige Identifikation von Technologien wurde eine Reihe von Ansätzen wie (z.B. Lead-User (vgl. z.B. Hippel, 2005), Weak Signals (vgl. z.B. Ansoff, 1976) und Methoden (vergleiche dazu die Methoden in Kapitel 2) entwickelt. Um neue Fähigkeiten zu identifizieren in neuen und bestehenden Segmenten, müssen Unternehmen, auch außerhalb der Branche nach neuen Anwendungen für ihre aktuellen Fähigkeiten suchen, um zu erkennen, was aufstrebende Märk-
66
Szenariobasierte Strategieentwicklung
te sein könnten. Dabei kann eine kreative Anwendung der Vorausschaumethoden Hilfestellung geben. Nach der Identifikation von SEF und strategischen Segmenten werden diese Segmente in einer Matrix positioniert und die jeweiligen Szenarien zugeordnet. „Last Frontier Szenario“
„Health Care Held
In allen Szenarien auftretende SEF:
Hostage Szenario“
Strategische Segmente
Kunden
CRM
CRM
CRM
Data Mining
Data Mining
Data Mining
Branding
Branding
Branding
Genomics, Biotech
Consumer Marketing
Consumer Marketing
Consumer Marketing
Lobbying Datenschutz Kranken-
CRM
CRM
CRM
haus/Ärzte
Data Mining
Data Mining
Data Mining
Branding
Branding
Branding
Genomics, Biotech
Direktvertrieb
Direktvertrieb
Direktvertrieb
Lobbying Datenschutz
synergeti-
CRM
CRM
CRM
scher Ef-
Data Mining
Data Mining
Data Mining
fekt über
Branding
Branding
Branding
alle Seg-
Genomics, Biotech
Lobbying
mente
Datenschutz
Abbildung 3.3 Schlüsselerfolgsfaktoren-Matrix (Schoemaker, 2002, 88)
In allen Szenarien auftretende SEF: Einige der SEF können innerhalb eines strategischen Segments allen Szenarien zugeordnet werden. Der SEF „Consumer Marketing“ tritt in beiden Szenarien im Segment „Kunden“ auf. Für das Segment „Krankenhaus/Ärzte“ konnte „Consumer Marketing“ jedoch nicht als SEF ermittelt werden, sondern der SEF „Direktvertrieb“. In welchen der SEF investiert wird, hängt von der strategischen Bedeutung des Segmentes ab.
Ein synergetischer Effekt über alle Szenarien: Einige SEF treten in allen Segmenten eines Szenarios auf. Die Genomics und Biotechfähigkeiten sind wichtige SEF, unabhängig davon, um welches Segment es sich handelt. Lobbying und Datenschutz treten über alle Segmente für das Szenario „Health Care Held Hostage“ auf. In wel-
Szenariobasierte Strategieentwicklung
67
che Fähigkeiten in Zukunft investiert wird, hängt davon ab, welchem Szenario die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit zugeordnet wird.
Robuste SEF: Einige der SEF gelten für alle Szenarien über alle Segmente (siehe grauer Matrixbereich). Unabhängig davon welches Szenario eintritt oder auf welche Segmente das Unternehmen abzielt, werden diese Ressourcen und Fähigkeiten einen Wettbewerbsvorteil begründen. In diese SEF kann mit einer relativ hohen Sicherheit investiert werden. 3.2.2 Unternehmensanalyse Die strategische Vision definiert, wie sich das Unternehmen im Wettbewerb positioniert und welche Fähigkeiten es benötigt, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein. Eine effektive strategische Vision wird durch das Unternehmensumfeld und die eigenen Ressourcen charakterisiert. Unternehmensumfelder können oftmals durch bereits sich deutlich abzeichnende Trends und definierbare Unsicherheiten, aber auch durch eine weit reichende Unklarheit in bestimmten Bereichen charakterisiert werden. Trotzdem erlauben diese Umfelder es, kalkulierbare Risiken einzugehen.
Um eine strategische Vision aufzubauen, müssen Kernkompetenzen entwickelt werden, die die im ersten Schritt ermittelten Schlüsselerfolgsfaktoren in einem bestimmten Umfeld bedienen. Kernkompetenzen können wie folgt charakterisiert werden:
Kernkompetenzen ermöglichen Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten.
Kernkompetenzen können nur schwer nachgeahmt oder imitiert werden.
Kernkompetenzen stellen eine Quelle der Wertschätzung seitens Kunden und Stakeholdern dar.
Kernkompetenzen sind auf mehrere Produktlinien anwendbar.
Kernkompetenzen sind komplex und über mehrere Gruppen und Personen verteilt (vgl. Schoemaker, 2002, 99).
Da sich Unternehmen hinsichtlich ihrer Kernkompetenzen wesentlich voneinander unterscheiden und diese in der Regel nur über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden können, sind die potenziellen Strategien eines Unternehmens durch seine Kernkompetenzen charakterisiert. Für die Strategieentwicklung ist die Betrachtung
68
Szenariobasierte Strategieentwicklung
der Kernkompetenzen daher von besonderer Bedeutung (vgl. Schoemaker, 1997, 60). Kompetenzen, die als Kernkompetenzen identifiziert werden, verbleiben im Unternehmen, während andere Kompetenzen auch outgesourct werden könnten. Bei Biotechnologieunternehmen stellt die Forschung und Entwicklung -im Sinne einer Kommerzialisierung akademischen Know-hows- die Kernkompetenz dar, während der Verkauf und das Marketing außerhalb der Kernkompetenzen liegen und deshalb an Pharmaunternehmen auslizensiert werden.
Ranking der SEF Für die Entwicklung der strategischen Vision ist es erforderlich, Klarheit darüber zu erlangen, inwiefern die eigenen Kernkompetenzen den SEF entsprechen und auf welche SEF sich die Vision letztendlich konzentrieren soll. Um eine Einschätzung im Hinblick auf die Bedeutung einzelner SEF ableiten zu können, wird die Schlüsselerfolgsmatrix hinsichtlich ihrer Robustheit gegenüber Szenarien und Segmenten näher untersucht. Die Bewertung der SEF erfolgt durch eine Gewichtung der Segmente und Szenarien. Hierzu wird ein einfaches Beispiel mit zwei Szenarien, Segmenten und Schlüsselerfolgsfaktoren betrachtet. Es ergeben sich aus den Szenarien und Segmenten vier Szenario-Segmentkombinationen, die in Tabelle 3.1 dargestellt sind. Nachdem für die einzelnen Szenarien eine Einschätzung über ihre Wahrscheinlichkeit vorgenommen sowie die Segmente hinsichtlich ihrer Bedeutung für den zukünftigen Erfolg gewichtet wurden, kann für jede der Kombinationen ein Gewicht errechnet werden. Im Fall der Kombination aus Szenario 1 und Segment 2, die in Zelle C der
Matrix
abgebildet
ist,
ergibt
sich
die
Gewichtung
dieser
Szenario-
Segmentkombination aus dem Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeit von Szenario 1 (30 Prozent) und der Gewichtung von Segment 2 (40 Prozent) (vgl. Schoemaker, 2002, 106 ff.).
Szenariobasierte Strategieentwicklung
69
Segmente
Szenarien Szenario 1 (Eintrittswahrscheinlichkeit: 0,3)
Szenario 2 (Eintrittswahrscheinlichkeit: 0,7)
Segment 1 (Bedeutungswahrscheinlichkeit: 0,6)
A (0,18)
B (0,42)
Segment 2 (Bedeutungswahrscheinlichkeit: 0,4)
C (0,12)
D (0,28)
Tabelle 3.1 Gewichtung von Szenarien und Segmenten (vgl. Schoemaker, 2002, 108)
In einem nächsten Schritt wird die strategische Bedeutung der SEF für die einzelnen Zellen der Matrix (vgl. Tabelle 3.2) bewertet. Die Bewertung der SEF erfolgt in der betrachteten Szenario-Segmentkombination durch eine einfache Klassifizierung von 0 = keine Bedeutung für den Unternehmenserfolg bis 1 = von Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Die Bewertung der einzelnen SEF wird als Summe der Produkte aus SEF und Zelle berechnet (vgl. Schoemaker, 2002, 108). Für den SEF 2 ergibt sich beispielsweise die Bewertung von 0,54 aus (0*0,18) + (1*0,42) + (1*0,12) + (0*0,28).
Szenario-Segmentkombinationen SEF SEF 1: Fähigkeit ein Markeimage zu entwickeln und zu pflegen SEF 2: Fähigkeit spezifische Informationen zu neuen Technologien zu sammeln und zu systematisieren SEF 3: Fähigkeit Informationen zu Auslandsmärkten (Indien und China) zu sammeln und zu systematisieren
A (0,18)
D B C (0,42) (0,12) (0,28)
Bewertung
1
1
1
1
1
0
1
1
0
0,54
1
0
1
1
0,58
SEF 4: …
Tabelle 3.2 Bewertung der Schlüsselerfolgsfaktoren (vgl. Schoemaker, 2002, 109)
70
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Um aktuelle und insbesondere zukünftige SEF zu bedienen, ist die Entwicklung oder Weiterentwicklung bestimmter Fähigkeiten eine notwendige Voraussetzung, um im Wettbewerb bestehen zu können. Um diese Fähigkeiten zu identifizieren, empfiehlt Schoemaker die Durchführung einer Gap-Analyse. In einem Benchmarking werden dabei die Stärken des Unternehmens mit denen des Wettbewerbs aber auch mit Unternehmen außerhalb der Branche mit dem Ziel verglichen, die Lücke zwischen aktuellen Fähigkeiten und den ermittelten zukünftigen Anforderungen und Fähigkeiten zu erkennen (vgl. dazu z.B. Welge, Al-Laham, 1999, 275 ff.).
Die Gap-Analyse von zwei SEF ist in Abbildung 3.4 beispielhaft dargestellt. Die Ressourcen und Fähigkeiten, die der SEF 1 erfordert, zählen zu den Kernkompetenzen des Unternehmens und sind wesentlich stärker als bei den Wettbewerbern ausgeprägt. Das Unternehmen kann sich hierdurch von seinen Konkurrenten differenzieren. Im Fall des SEF 2 handelt es sich hingegen um einen Faktor, der in gleichem Maß von den Wettbewerbern beherrscht wird und keine Möglichkeiten zur Differenzierung im Wettbewerb bietet (vgl. Schoemaker, 2002, 101 ff.). Wettbewerber A Ressourcen und Fähigkeiten nicht vorhanden
Ressourcen und Fähigkeiten nicht vorhanden
Wettbewerber B
Eigenes Unternehmen
Schlüsselerfolgsfaktor 1 Eigenes Unternehmen Wettbewerber A Wettbewerber B Schlüsselerfolgsfaktor 2
Benchmark Ressourcen und Fähigkeiten stark vorhanden Benchmark
Ressourcen und Fähigkeiten stark vorhanden
Abbildung 3.4 Gap-Analyse (vgl. Schoemaker, 2002, 103)
3.2.3 Strategische Vision Basierend auf der Identifikation von SEF in Schritt eins, der strategischen Segmentierung in Schritt zwei und der Identifikation von Kernkompetenzen in Schritt drei sowie der Ermittlung der Bedeutung der SEF in Schritt vier, wird die strategische Vision im fünften Schritt der Strategieentwicklung ermittelt.
Szenariobasierte Strategieentwicklung
71
Die einzelnen Bestandteile der strategischen Vision sind im Bereich Output in Abbildung 3.5 dargestellt. Die strategische Vision wird durch die Unternehmensziele beschrieben. Die strategische Vision beschreibt aktuelle Kernkompetenzen, die weiter entwickelt werden müssen, sowie neue Kernkompetenzen, die erworben werden müssen. In diesem Zusammenhang steht die Darstellung von Zukunftsmärkten und zukünftigen Produkten.
Input Szenarien Schlüsselfaktoren Aktuelle Kernkompetenzen Visionen der Wettbewerber
Analyse und Dialog
Output
Gewichtung der Segmente und Szenarien Lücke zwischen Schlüsselerfolgsfaktoren und gegenwärtigen Kernkompetenzen Leistungsfähigkeit der Organisation Übereinstimmung mit der Unternehmenskultur und -geschichte Unterstützung durch die Geschäftsleitung
Unternehmensziele Kernkompetenzen, die weiter entwickelt werden sollen Beschreibung die darlegt, wie die erforderlichen Kompetenzen erworben werden sollen Zukünftige Produkte und Märkte Klare Vorstellungen über die Kultur, Werte und Philosophie des Unternehmens
Abbildung 3.5 Die strategische Vision (vgl. Schoemaker, 2002, 105)
3.2.4 Entwicklung flexibler strategischer Optionen Konkrete Schritte zur Umsetzung der strategischen Vision werden durch die strategischen Optionen formuliert (vgl. Schoemaker, Randall, Schuurmans, 1999, 6). Die Entwicklung strategischer Optionen erfolgt auf der Grundlage der strategischen Vision und der Szenarien in einem dreistufigen Prozess:
(1) Entwicklung einer Vielzahl von Optionen mit Hilfe von Kreativitätstechniken (2) Bewertung der Konsequenzen im Hinblick auf das Unternehmensumfeld, die Kunden und den Wettbewerb (3) Ranking der strategischen Optionen unter Beachtung der strategischen Vision
Im ersten Schritt wird eine möglichst große Anzahl unterschiedlicher Optionen generiert. Ausgangspunkt der Suche nach strategischen Optionen stellen die Szenarien dar. Um möglichst viele Alternativen zu finden, kann jedes Szenario dahingehend
72
Szenariobasierte Strategieentwicklung
untersucht werden, welche Schritte unternommen werden müssten, sofern eine absolute Sicherheit über das Eintreten des Szenarios vorläge. Ziel dieses Schrittes ist es, so viele potenzielle Optionen wie möglich zu ermitteln, unabhängig davon, wie wahrscheinlich das Eintreten einzelner Szenarien oder Ereignisse tatsächlich ist (vgl. Schoemaker, 2002, 122 f.). Die ermittelten strategischen Optionen müssen möglichst flexibel gestaltet werden. Dies kann durch eine Erhöhung des Grades der Reversibilität erfolgen, indem der Frage nachgegangen wird, inwiefern Ressourcen auch für andere Zwecke oder alternative Anwendungen genutzt werden können. Eine weitere Möglichkeit die Flexibilität zu erhöhen, ist ein Investment, das stufenweise erfolgt (vgl. Schoemaker, 2002, 126).
Im nächsten Schritt erfolgt eine Abschätzung möglicher Konsequenzen für die ermittelten strategischen Optionen, insbesondere im Hinblick auf das Kunden- und Wettbewerbsverhalten aber auch im Hinblick auf das Verhalten weiterer Stakeholder (z.B. strategische Partner, Lieferanten, Politik, Lobbyisten). In diesem Prozessschritt kommen Methoden, wie z.B. die Conjoint-Analyse oder die Auswertung von Consumer Reports zum Einsatz.
Im letzten Schritt erfolgt eine Bewertung und ein Ranking der strategischen Optionen. Dazu können die folgenden Kriterien genutzt werden:
notwendige Ressourcen und Investitionen (Welche Ressourcen müssen für die
Amortisationszeitpunkt (Wann kann ein Nutzen aus den Investitionen gewon-
Umsetzung des Projektes aufgebracht werden?)
nen werden?)
Risiko (Mit welchen Risiken ist die strategische Option verbunden?)
Erfolgswahrscheinlichkeit (Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die gewählte strategische Option zum Erfolg führt?)
Übereinstimmung mit der Unternehmenskultur (Wie gut passt das Projekt zur Unternehmenskultur?)
Konformität mit der strategischen Vision (Inwieweit leistet die strategische Option einen Beitrag zur Umsetzung der strategischen Vision?) (vgl. Schoemaker, 2002, 134).
Szenariobasierte Strategieentwicklung
73
Auch für die Bewertung der strategischen Optionen steht eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung, wie z.B. die Real-Option-Analyse, Projektsimulationen, Portfolioansätze oder multiattribute Verfahren. 3.2.5 Fazit: Strategieentwicklung mit Szenarien nach Schoemaker Das dargestellte Vorgehen zeigt auf, wie mit Hilfe von Szenarien Strategien in einem systematischen Vorgehen entwickelt werden können. Nach welchem Ansatz die Szenarien entwickelt werden (vgl. Darstellung zu unterschiedlichen Ansätzen in Kapitel 5), hat keinen Einfluss auf den Ablauf der Strategieentwicklung, so dass die Unternehmen frei sind in der Entscheidung für ein Vorgehen in der Szenarioanalyse. Der Ansatz der Strategieentwicklung basiert auf dem Konzept des Resource Based View und stellt so genannte Schlüsselerfolgsfaktoren und Kernkompetenzen, die diese Schlüsselerfolgsfaktoren bedienen, in den Mittelpunkt. In den einzelnen Prozessschritten kommen unterschiedliche Methoden der strategischen Planung und strategischen Vorausschau zur Anwendung (vgl. Abbildung 3.6). Welche Methoden im Einzelfall genutzt werden, bleibt den Unternehmen überlassen, so dass der dargestellte Prozess unternehmensspezifisch angepasst werden kann (customized approach). Dies bedeutet zugleich, dass ein gutes Verständnis für komplexe strategische Planungsprozesse und deren Instrumentarium im Unternehmen vorhanden sein sollte, insbesondere deshalb, weil die vorgeschlagenen Methoden überwiegend anspruchsvoll sind. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass dieser Ansatz hauptsächlich in größeren Unternehmen mit eigenen strategischen Planungsabteilungen zur Anwendung kommt. Eine Schwierigkeit in dem vorgestellten Vorgehen besteht in der Abgrenzung von Schlüsselerfolgsfaktoren und Kernkompetenzen. Hier ist davon auszugehen, dass in der praktischen Umsetzung Überschneidungen auftreten.
74
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Schritt 3
Schritt 4
Strategische Segmentierung Identifikation von Segmenten und Schlüsselerfolgsfaktoren
Unternehmensanalyse Identifikation von Kernkompetenzen
Methoden für die Segmentierung: Einfache statistische Verfahren Multidimensionales Skalieren Clusteranalyse
Methoden: Gewichtung von Segmenten Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten für Szenarien Bewertungsmatrix SEF Benchmarking GAP-Analyse
Methoden für die Identifikation zukünftiger Segmente: Lead-User-Ansatz Ansatz der Weak Signals Methoden der strategischen Vorausschau (vgl. Kapitel 2) Sonstige Methoden: SchlüsselerfolgsfaktorenMatrix
Schritt 2 Entwicklung von Szenarien (vgl. Kapitel 5.2.3)
Schritt 1 Bestandsaufnahme
Schritt 5 Ermittlung der strategischen Vision
Schritt 6 Ermittlung von strategischen Optionen Methoden: Kreativitätstechniken Conjoint Analyse Auswertung von Reports Real-Option-Analyse Projektsimulation Portfolioansätze Multiattribute Verfahren
Schritt 7 Implementierung
Abbildung 3.6 Ansatz der szenariobasierten Strategieentwicklung nach Schoemaker mit Methodenzuordnung
3.3
Strategieentwicklung mit Szenarien nach van der Heijden
Im Folgenden soll ein weiterer Ansatz der szenariobasierten Strategieentwicklung untersucht werden. Kees van der Heijden beschreibt in seinen Veröffentlichungen einen pragmatischen Ansatz, der es Unternehmen ermöglicht, die strategische Planung mit Szenarien zu verknüpfen. In diesem Ansatz erfolgt, unter Berücksichtigung der entwickelten Szenarien, die Strategieentwicklung auf der Grundlage der Analyse des Geschäftskonzeptes und der Wettbewerbsposition (vgl. Abbildung 3.7). Die einzelnen Schritte der Strategieentwicklung werden in den nachfolgenden Ausführungen beschrieben.
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Szenarioanalyse
Schritt 1
Schritt 2
Analyse des Geschäftskonzeptes
Analyse der Wettbewerbsposition
75
Schritt 3
Ermittlung strategischer Optionen und Maßnahmenplanung Evaluation strategischer Optionen Entwicklung eines ganzheitlichen Strategiekonzeptes als ein iterativer Prozess Abbildung 3.7 Strategieentwicklung mit Szenarien
3.3.1 Analyse des Geschäftskonzeptes (Schritt 1) Ausgangspunkt ist in seinem Ansatz die Beschreibung des Geschäftskonzeptes, womit der Erfolgsansatz des Unternehmens visualisiert werden soll. „The business idea is a more tightly defined concept that integrates all major factors for success in an organised way. It depicts what is fundamental for success in specific terms in one holistic representation” (van der Heijden, 2005, 63).
Das Geschäftskonzept stellt eine rationale Erklärung dar, warum Unternehmen in der Vergangenheit erfolgreich waren und wie sie in der Zukunft erfolgreich sein wollen. Den Ursprung der Geschäftsidee stellt eine Erfindung dar, die aufgrund eines besonderen Verständnisses zukünftiger Kundenbedürfnisse gemacht werden kann (vgl. van der Heijden, 2005, 75). Dieses Kernelement der Geschäftsidee soll verdeutlichen, dass es für den Erfolg eines Unternehmens unabdingbar ist, zukünftige Bedürfnisse der Gesellschaft möglichst frühzeitig zu antizipieren (vgl. van der Heijden 2001, 16) und sich ständig neu zu erfinden (vgl. van der Heijden, 2005, 89).
76
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Die Beschreibung des Geschäftskonzeptes erfolgt durch die folgenden vier Elemente:
1. Beschreibung des Kundennutzens. 2. Beschreibung der Art des Wettbewerbsvorteils (Differenzierung oder Kostenvorteil). 3. Beschreibung der Kernkompetenzen, die den Wettbewerbsvorteil begründen. 4. Beschreibung der Ressourcen, die in die Weiterentwicklung vorhandener Kernkompetenzen oder in die Entwicklung neuer Kernkompetenzen investiert werden, i.S. einer Feedbackschleife (vgl. van der Heijden, 2005, 74).
Die Elemente des Geschäftskonzeptes sind in der nachfolgenden Abbildung 3.8 dargestellt. Auf Basis von Informationen und Erkenntnissen über sich entwickelnde Bedürfnisse, entsteht die Idee für ein Geschäft oder eine strategische Geschäftseinheit. Durch eine einzigartige Leistungserstellung werden ein Wettbewerbsvorteil begründet und Mittel erwirtschaftet, die in die weitere Entwicklung der Kernkompetenzen oder in die Entwicklung neuer Kompetenzen investiert werden. Grundlagen des Geschäftskonzeptes sind -ähnlich wie im Ansatz von Schoemaker (vgl. Kapitel 3.1)- die Kernkompetenzen, durch die es möglich wird, einen Wettbewerbsvorteil aufzubauen. Van der Heijden definiert Kernkompetenzen als
weitestgehend irreversibel nicht an andere Unternehmen transferierbar die Grundlage für Wettbewerbsvorteile Nach van der Heijden kann die Entwicklung von Kernkompetenzen durch verstärkte Investitionen nur bedingt beschleunigt werden. Sie entstehen in einem sukzessiven Entwicklungsprozess durch kollektives Lernen und den Austausch von Informationen. Erfolgreiche Geschäftskonzepte basieren auf mehreren Kernkompetenzen, die sich synergetisch beeinflussen (vgl. van der Heijden, 2005, 71).
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Geschäftsidee
Charakteristische Ressourcen und Kompetenzen
77
Erkenntnisse über sich entwickelnde gesellschaftliche Bedürfnisse
Strategisches Investment und Lernen
Einzigartige Aktivitäten Ergebnisse Wettbewerbsvorteile
Abbildung 3.8 Elemente des Geschäftskonzeptes (van der Heijden, 2005, 75)
Um ein Verständnis für das Geschäftskonzept zu entwickeln, empfiehlt van der Heijden keine verbalen Beschreibungen, sondern die Entwicklung eines UrsacheWirkungs-Diagramms (vgl. Abbildung 3.8), um das Geschäftskonzept des Unternehmens oder eines Geschäftsbereichs zu beschreiben. Die Entwicklung des Ursache-Wirkungs-Diagramms und die damit verknüpfte Auseinandersetzung mit Wettbewerbsvorteilen und Kernkompetenzen erfolgt weitestgehend im Rahmen von Workshops im Managementteam. Der Ablauf der Entwicklung des Ursache-WirkungsModells des Geschäftskonzeptes ist in der nachfolgenden Tabelle im Überblick dargestellt.
78
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Prozessschritt
Beschreibung
Datensammlung
Entwicklung einer gemeinsamen Datenbasis zum Geschäftskonzept
Business Fundamentals SWOT-Analyse Wer ist der typische Kunde? Was sind Wünsche und Probleme der Kunden? Welche Leistungen nimmt der Kunde in Anspruch? Welche Werte bekommt der Kunde vom Unternehmen vermittelt? Welche Aktivitäten führen dazu, dass Kunden die Leistungen des Unternehmens in Anspruch nehmen? Wie leicht oder schwierig ist es für Wettbewerber, diese Aktivitäten zu kopieren? Zeichnen sich die Wettbewerber durch besondere Leistungen aus, die nur schwer zu kopieren sind? Competitive Advantage Wettbewerbsvorteil Warum sollten neue Kunden das Angebot des Unternehmens kaufen? Worin besteht der Wettbewerbsvorteil? Produktdifferenzierung oder Kostenvorteil? Competitive Advantage Wettbewerbsvorteil Was sind die einzigartigen Faktoren, die es ermöglichen, den Wettbewerbsvorteil auszuschöpfen? Warum würden andere Unternehmen das Geschäftsmodell nicht kopieren? Cause-and-Effect Diagram Kompetenzen Entwicklung eines UrsacheWirkungs-Diagramms Was sind die Ursachen/Quellen für Wettbewerbsvorteile? Wo kommen diese Quellen her und wie können sie nachhaltig gesichert werden?
Methoden
Interviews, Feedbacks, Workshops
Sammlung unterschiedlicher Meinungen im Rahmen eines Workshops im Managementteam
Workshop im Managementteam
Dokumentation von ersten Ideen zur Einzigartigkeit des Unternehmens
Darstellung eines ersten Ursache-WirkungsDiagramms
Workshop im Managementteam
Workshop im Managementteam
Cause-and-Effect Diagram Kompetenzen
Sukzessive Ergänzung des UrsacheWirkungs-Diagramms um Elemente, die einen Wettbewerbsvorteil begründen Hinterfragung der Einzigartigkeit, um Kernkompetenzen zu identifizieren
Distinctive Competencies Wettbewerbsvorteil
Identifizierung einzigartiger Elemente im Ursache-Wirkungs-Diagramm Identifizierung von Elementen die nicht oder nur sehr schwer nachgeahmt werden können durch exis-
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Prozessschritt
Beschreibung
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Methoden
tierende oder neue Wettbewerber (spezifische Aktivitäten, gesetzliche Schutzrechte, Reputation, Vertrauen, Prozesses, Netzwerke, Team-Knowhow) Cleaning up
Erneute Erstellung und Bereinigung des Ursache-Wirkungs-Diagramms
Darstellung des bereinigten UrsacheWirkungs-Diagramms
Test der Ergebnisse durch einen Abgleich mit den in der SWOT Analyse ermittelten Stärken und Schwächen Sind alle Stärken im UrsacheWirkungsdiagramm abgebildet? Kann das Geschäftskonzept die identifizierten Schwächen überwinden?
Workshop im Managementteam
Reduzierung des Ursache-WirkungsDiagramms auf wesentliche Elemente (vgl. Abbildung 3.10)
Workshop im Managementteam
Späteres Strategiemeeting
Review of the Business Idea
Essentials
Strategic Repercussions
Diskussion der Ergebnisse, Analyse betrachtet bis zu diesem Punkt das Geschäftskonzept aus Sicht der Vergangenheit und der Gegenwart Betrachtung von Zukunftsoptionen wird durch die Verknüpfung der Ergebnisse mit Szenarien möglich
Bildet das Geschäftskonzept eine Basis, um Zukunftschancen auszuschöpfen? Was passiert, wenn die identifizierten Gefahren Wirklichkeit werden? Wie haben sich Wertevorstellungen der Kunden in den einzelnen Szenarien geändert? Was sind neue Bedürfnisse der Stakeholder? Wie kann die Performance des Geschäftskonzeptes in den einzelnen Szenarien eingeschätzt werden? Was sind Schwachpunkte wo liegen Stärken? Was sind mögliche Optionen, um auf neue Kundenanforderungen zu reagieren? (Weiterentwicklung oder Verbesserung des Geschäftskonzeptes) Entwicklung von Strategien auf Basis der Optionen
Abbildung 3.9 Das Geschäftskonzept: Entwicklung eines Ursache-Wirkungs-Modells (vgl. van der Heijden, 2005, 194 ff.)
80
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Investment Dividends
International affiliation
Dominant position
Profitability
Low cost
Staff loyality/ cohesion
economies of scale
Quality top/middle management
Differentation
Abbildung 3.10 Ursache-Wirkungs-Diagramm (Beispiel) (van der Heijden, 2005, 205)
3.3.2 Analyse der Wettbewerbsposition (Schritt 2) Der nächste Schritt in der Strategieentwicklung ist in diesem Ansatz die Analyse der Wettbewerbsposition. Ziel dieses Schrittes ist es, Wettbewerbsvorteile noch detaillierter herauszuarbeiten als in Schritt eins. Die Herausarbeitung der Wettbewerbspositionierung erfolgt wiederum im Managementteam im Rahmen eines Diskussionsprozesses, der durch einen Moderator begleitet werden sollte (vgl. van der Heijden, 2005, 209 f.).
Die erste Fragestellung in diesem Diskussionsprozess fokussiert auf die Identifikation von Kunden, um die im Wettbewerb gerungen wird. Diese Fragestellung wurde bereits im Rahmen der Geschäftskonzeptanalyse (Schritt 1) betrachtet, wird jedoch an dieser Stelle stärker spezifiziert. Dazu werden Kundensegmente gebildet, um unterschiedliche Bedürfnisse und Einstellungen abzubilden. Die Segmentierung kann nach Produkten, Technologien, Eigenschaften der Kunden oder auch geografischen Regionen erfolgen.
Szenariobasierte Strategieentwicklung
81
In einem zweiten Schritt werden Wettbewerber analysiert. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf potenziellen Wettbewerbern, die in bestehende Märkte eindringen könnten, oder Wettbewerbern, die Produkte des Unternehmens substituieren könnten. Während aktuelle Wettbewerber von den meisten Unternehmen sehr gut beobachtet werden, ist das frühzeitige Erkennen neuer Wettbewerber weitaus schwieriger und erfordert einen strategischen Vorausschauprozess (vgl. Kapitel 2). Neben potenziellen Wettbewerbern müssen auch andere Player untersucht werden, deren Verhalten sich auf den Wettbewerb auswirken würde, wie z.B. Zulieferer. Genauso wie das Verhalten der Zulieferer Folgen hat, haben auch Kunden Einfluss auf den Wettbewerb. Gibt es nur wenige Kunden, haben diese eine hohe Marktmacht, stehen dem Unternehmen eine Vielzahl von Kunden gegenüber, wird das Unternehmen eine höhere Marktmacht erzielen. Dieser Zusammenhang wird im Ansatz der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter beschrieben (vgl. Porter, 1985; von Reibnitz, 1992; Porter, 1999).
Potenzielle neue Wettbewerber
Lieferanten
Rivalität unter bestehenden Unternehmen
Kunden
Ersatzprodukte
Abbildung 3.11 Die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter (vgl. Porter, 1999, 34)
Basierend auf der Diskussion der Wettbewerbskräfte im Managementteam werden für jeden der fünf Bereiche Player identifiziert, so dass ein guter Überblick zu aktuell wichtigen Playern und wesentlichen zukünftigen Akteuren entsteht (vgl. dazu auch das Vorgehen in der Bestandsaufnahme anhand der Wettbewerbskräfte in Kapitel 7.4).
Im Zusammenhang mit der Wettbewerbsanalyse müssen auch wesentliche Kostentreiber betrachtet werden, die entlang der Wertschöpfungskette identifiziert werden und dem Managementteam vorliegen sollten. Diese Kosten müssen mit den ge-
82
Szenariobasierte Strategieentwicklung
schätzten Kosten der Hauptwettbewerber verglichen werden. Kostenvor- oder nachteile ergeben sich z.B. aus unterschiedlichen Preisen für Rohmaterialen, Unterhaltungskosten für Ausstattung und Fabriken, Produktivität, Economies of Scale, Economies of Scope (geteilte Aktivitäten, Synergien), unterschiedlichen Marketingaktivitäten und Logistik oder Kostenvorteile, die sich aus dem Lernkurveneffekt ergeben.
Neben einer quantitativen Betrachtung der Wettbewerbssituation wird das Wettbewerbsverhalten auch qualitativ untersucht. Für die Ermittlung der unterschiedlichen Profile wesentlicher Wettbewerber kann auf die folgenden Leitfragen zurückgegriffen werden (vgl. van der Heijden, 2005, 215 f.):
Offensives Wettbewerbsverhalten
Initiieren die Wettbewerber strategische Veränderungen? Was sind mögliche nächste Schritte? Wie ernsthaft sind die Absichten des Wettbewerbs? Wie angreifbar sind die Wettbewerber bei Veränderungen im Um-
Defensives Wettbewerbsverhalten
feld oder offensivem Verhalten? Welche offensiven Schritte würden Gegenschläge des Wettbewerbs auslösen? Was sind die Marktsegmente oder strategischen Dimensionen,
Wettbewerbsfeld
auf die der Wettbewerb nicht gut vorbereitet ist (Fähigkeiten, Kompetenzen), an denen der Wettbewerb nicht interessiert ist oder in denen der Wettbewerb nicht aktiv sein will?
Abbildung 3.12 Qualitative Wettbewerbsbeurteilung (vgl. van der Heijden, 2005, 215 f.)
Da das Wesen einer erfolgreichen Strategie in markanten Unterschieden zum Wettbewerb zu sehen ist, werden die Ergebnisse aus der Wettbewerbspositionierung mit dem in Schritt eins erarbeiteten Geschäftskonzept verknüpft. Die Beantwortung von Leitfragen soll auch diesen Schritt erleichtern (vgl. van der Heijden, 2005, 216):
Wer sind die Wettbewerber heute?
In welcher Form konkurrieren sie mit dem Unternehmen?
Welche Rückschlüsse lassen sich daraus auf das Geschäftskonzept ableiten?
Wie kann das Geschäftskonzept angepasst werden, um eine höhere Effektivität zu erzielen?
Szenariobasierte Strategieentwicklung
83
Wer wird nach einer Anpassung des Geschäftskonzeptes ein neuer Wettbewerber sein?
Wie können wir im Hinblick auf neue Wettbewerber reagieren?
Wo kommen unsere Wettbewerber in 5, 10, 20 Jahren her?
Welche Rückschlüsse lässt das auf das Geschäftskonzept zu?
Welche neuen Kernkompetenzen müssen entwickelt werden?
Die u.g. Tabelle 3.3 bietet eine Möglichkeit, die Wettbewerbsposition mit den eigenen Kernkompetenzen zu vergleichen.
Wettbewerber A
Eigene Kernkompetenz 1 w
Eigene Kompetenz 2 ss
Eigene Kompetenz 3 w
Wettbewerber B
sl
w
W
Wettbewerber C
ss
w
ss
Legende: w: schwache Wettbewerbsposition ss: starke Wettbewerbsposition (kurzfristig) sl: starke Wettbewerbsposition (langfristig) Tabelle 3.3 Kernkompetenzen – Wettbewerbsvergleich
3.3.3 Entwicklung strategischer Optionen und Maßnahmenplanung (Schritt 3) In diesem Schritt wird das Geschäftskonzept mit Hilfe von Szenarien auf seine Robustheit überprüft. Dabei wird das Geschäftskonzept aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet (vgl. van der Heijden, 2005, 273):
Interne Perspektive: Verfügt das Unternehmen über die nötigen Ressourcen, um sich in allen Szenarien zu behaupten und zu entwickeln (unternehmerische Fähigkeiten)?
Externe Perspektive: Entwickelt sich das Unternehmen in den richtigen Bereichen unter Berücksichtigung der Art des Unternehmens und dem Unternehmensumfeld (Unternehmensportfolio)?
84
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Die Szenarien werden für eine Bewertung der Fähigkeiten des Unternehmens (capability review), für die Bewertung des Portfolios (portfolio review), für die Generierung strategischer Optionen und für eine Überprüfung der strategischen Optionen genutzt. Wird das Geschäftskonzept vor dem Hintergrund der Szenarien als zukunftsrobust angesehen, wird in Form so genannter Portfoliooptionen nach Möglichkeiten gesucht, die Geschäftsidee weiter auszubauen (vgl. van der Heijden, 2005, 276 f.).
Eintritt in neue Märkte: Es werden neue Märkte mit den bestehenden Produkten bedient.
Marktentwicklung: Es werden Investitionen in eine Erweiterung des gegenwärtigen Marktanteils getätigt.
Produktentwicklung: Auf Grundlage der Geschäftsidee werden neue Produkte entwickelt.
Horizontale Integration: Das Unternehmen expandiert durch die Übernahme anderer Unternehmen in angrenzende Märkte.
Konzentrische Diversifikation: Das Unternehmen expandiert unter Verwendung seiner Kompetenzen in angrenzende Märkte (vgl. van der Heijden, 2005, 276).
Wird die Geschäftsidee hinsichtlich der Szenarien dagegen nicht als robust betrachtet, werden so genannte Kompetenzoptionen entwickelt (vgl. van der Heijden 1997, 21). Die Szenarien dienen dabei als Ideentrigger: Wie würde sich das Unternehmen in den jeweiligen Szenarien positionieren? Was wären Erfolg versprechende Geschäftsmöglichkeiten?
Als Kompetenzoptionen bieten sich in der Regel die folgenden Alternativen an:
Marktentwicklung: Entwicklung von Kompetenzen im Hinblick auf eine Marktentwicklung.
Produktentwicklung: Entwicklung von Kompetenzen, um Produktideen zu generieren.
Eintritt in neue Märkte: Es werden neue Märkte mit den bestehenden Produkten bedient.
Vertikale Integration: Es werden Kompetenzen eingekauft, die eine Erweiterung der aktuellen Aktivitäten ermöglichen.
Szenariobasierte Strategieentwicklung
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Konzentrische Diversifikation: Es werden Kompetenzen eingekauft, die den Eintritt in neue Geschäftsfelder erlauben (vgl. van der Heijden, 2005, 277)
Beispiele für Kompetenzoptionen sind der Aufbau neuer Kompetenzen in der Forschung und Entwicklung sowie der Aufbau von Kompetenzen, um den Kundenzugang zu verbessern oder eine serviceorientierte Unternehmenskultur zu entwickeln (vgl. van der Heijden, 1997, 20).
Die ermittelten Portfolio- und Kompetenzoptionen können weit reichende konzeptionelle Änderungen beinhalten oder auch leicht umsetzbare Maßnahmen umfassen. Die Vielzahl der möglichen Optionen wird zu Clustern zusammengefasst, wobei ein Cluster für eine mögliche strategische Option stehen soll. In einem nächsten Schritt werden die strategischen Optionen evaluiert. Für die Evaluation werden die Kriterien finanzieller Erfolg, identifizierte Risiken in den Szenarien, Strategic Fit und Cultural/Organisational Fit genutzt (van der Heijden, 2005, 282).
Um sicher zu gehen, dass die strategischen Optionen in allen Szenarien getestet werden, können dieser wieder in Form einer Matrix gegenübergestellt werden (vgl. Abbildung 3.13).
Strategische Optionen
Szenarien
Szenario A
Szenario B
Szenario C
Option 1
+
++
-
Option 2
-
+
+
Option 3
-
+++
+
Abbildung 3.13 Optionen-/Szenario-Matrix (vgl. van der Heijden, 2005, 284)
In ähnlicher Form kann auch eine Bewertung der Reaktionen der Stakerholder in den unterschiedlichen Strategieoptionen erfolgen (vgl. Abbildung 3.14).
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Szenariobasierte Strategieentwicklung
Strategische Optionen
Stakeholder
Stakeholder A
Stakeholder B
Stakeholder C
Option 1
+
++
-
Option 2
-
+
+
Option 3
+
-
+
Abbildung 3.14 Optionen-/Stakeholder-Matrix (vgl. van der Heijden, 2005, 286)
Ziel der Erstellung der Matrizen ist es nicht, eine Auswahl zu treffen, sondern aufzuzeigen, welche strategischen Optionen weiterentwickelt werden müssen. Eine Weiterentwicklung strategischer Optionen führt zu einer Verschmelzung einzelner Optionen, wodurch die Gesamtzahl strategischer Optionen weiter reduziert wird. In diesem Sinne handelt es sich bei der Strategieentwicklung mit Szenarien um einen iterativen Prozess, der in dieser Entwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes mündet (vgl. van der Heijden, 2005, 286 f.). 3.3.4 Fazit: Strategieentwicklung mit Szenarien nach van der Heijden Auch van der Heijden zeigt mit seinem Ansatz einen möglichen Weg auf, wie Szenarien in die Strategieentwicklung implementiert werden können. Auch in seinem Ansatz ist das Vorgehen für die Entwicklung von Szenarien prinzipiell frei wählbar. In den einzelnen Prozessschritten der Strategieentwicklung sind Doppelungen festzustellen, die zwar gewollt sind, aber in der praktischen Umsetzung voraussichtlich vermieden werden, da der Nutzen nicht deutlich wird.
Die Strategieentwicklung erfolgt weitestgehend durch Moderation im Managementteam. Dabei werden Leitfragen, die den Prozess steuern und einfache methodische Instrumente (Ursache-Wirkungs-Diagramm, Brainstorming, Bewertungsmatrizen) genutzt. Der Ansatz ist auch geeignet, um den Businessplan mit der Strategieentwicklung zu verknüpfen. Der Businessplan kann als Ausgangspunkt für die Strategieent-
Szenariobasierte Strategieentwicklung
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wicklung genutzt werden; die Ergebnisse fließen in die Entwicklung des Geschäftskonzeptes ein und sind somit eine fundierte Basis für den Dialog mit Stake- holdern. Wurde der Businessplan zunächst als ein Kommunikationsinstrument verstanden, um Kapitel zu akquirieren, Kooperationen herbeizuführen oder Personal zu gewinnen, so sollte der Businessplan im Anschluss nicht verworfen werden, jedoch dahingehend angepasst werden, dass er Ausgangspunkt für einen fortlaufenden internen Strategieprozess werden kann. Somit bietet die Strategieentwicklung nach van der Heijden eine gute Möglichkeit auch für Start-up Unternehmen eine zukunftsrobuste Strategie im Managementteam mit relativ einfachen Methoden zu entwickeln. 3.4 Strategieentwicklung mit Szenarien nach Wilson Ian Wilson unterscheidet drei unterschiedliche Formen der Strategieentwicklung mit Szenarien. Nach seinem Verständnis können Szenarien (1) für die Risikobewertung (2) für die Bewertung der Strategie und (3) für die Strategieentwicklung auf der Basis des wahrscheinlichsten Szenarios oder (4) für die Strategieentwicklung auf Basis mehrerer Szenarien genutzt werden (vgl. Wilson, 2000, 26 ff.). Dabei unterstellt Wilson, dass die Arbeit mit Szenarien in der Strategieentwicklung eine anspruchsvolle Aufgabe ist, die Praxis und Erfahrungen seitens des Managements benötig. Insofern sind die o.g. Ansätze auch evolutionär zu verstehen. Die Risikobewertung mit Szenarien stellt demzufolge eine einfache Form der strategischen Planung mit Szenarien dar, während eine umfassende Strategieentwicklung auf Basis mehrerer Szenarien weitaus anspruchsvoller ist. Unabhängig davon, wie die Strategieentwicklung mit Szenarien abläuft, ist es zunächst wichtig, einen deutlichen Entscheidungsfokus herausarbeiten, d.h. im Managementteam festzulegen und Einigung darüber zu erzielen, für welchen Bereich strategische Entscheidungen getroffen werden sollen (vgl. Wilson, 2000, 24). 3.4.1 Risikobewertung mit Szenarien Ein typischer Anwendungsfall für die Risikobewertung mit Szenarien sind das Herbeiführen von „Go“- oder „Stop“- Entscheidungen in der strategischen Planung, z.B. für die Entwicklung eines neuen Geschäftsfeldes oder die Errichtung einer neuen Betriebsanlage. In diesem Ansatz werden in einem ersten Schritt Schlüsselfaktoren (z.B. Marktwachstumsraten, Veränderungen innerhalb gesetzlicher Bestimmungen, bestimmte technologische Entwicklungen) identifiziert, die in der Zukunft erfüllt
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Szenariobasierte Strategieentwicklung
sein müssen, um eine „Go“ Entscheidung, z.B. für ein bestimmtes Investitionsprojekt, treffen zu können. In einem zweiten Schritt werden die Ausprägungen der Schlüsselfaktoren in den einzelnen entwickelten Szenarien mit den gewünschten Bedingungen, die eine „Go“-Entscheidung herbeiführen würden, verglichen. Es wird untersucht, wie erfolgreich sich „Go“-Entscheidungen in den einzelnen Szenarien erweisen würden. Letztlich wird versucht, auf Basis aller Szenarien eine strategische Entscheidung zu treffen, die die Entwicklungen in den Szenarien aufgreift und berücksichtigt (vgl. Wilson, 2000, 26 f.). 3.4.2 Strategiebewertung mit Szenarien Eine andere Funktion von Szenarien ist die Bewertung von existierenden Strategien vor dem Hintergrund der Szenarien. Dabei wird eine unternehmensweite Strategie oder eine Geschäftsfeldstrategie auf ihre Robustheit in den unterschiedlichen Szenarien getestet (vgl. Wilson, 2000, 27).
Dazu ist es in einem ersten Schritt notwendig, eine konkrete strategische Fragestellung (z.B. die Frage nach der Ausweitung eines Geschäftsfeldes auf verwandte Dienstleistungen, Fokussierung auf hochpreisige Marktsegmente) und die damit verbundenen Zielstellungen herauszuarbeiten. Die in den Szenarien beschriebenen Bedingungen werden dahingehend bewertet, ob sie zum Erreichen oder Verfehlen der definierten Zielstellung beitragen. Diese Analyse führt dazu, dass Chancen und Risiken in den Szenarien identifiziert werden und herausgearbeitet werden kann, ob der Wettbewerbsvorteil auch unter den in den Szenarien beschriebenen Bedingungen abgesichert werden kann oder aufgegeben werden muss. Durch diesen Prozess wird es möglich, Optionen zu identifizieren, die in der aktuellen Strategie Berücksichtigung finden müssen.
Dieser Prozess ist ein einfacher Ansatz, um Szenarien in strategische Planungsprozesse zu integrieren. Dabei ist die Bewertung einer bereits vorhandenen Strategie weniger sophistisch als die Entwicklung einer neuen Strategie; nichtsdestotrotz ist die Bewertung von Strategien mit Szenarien ein nützlicher Ansatz in strategischen Planungsprozessen.
Szenariobasierte Strategieentwicklung
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3.4.3 Strategieentwicklung unter Berücksichtigung eines Planungsszenarios Der Ansatz versucht eine Verbindung zwischen der strategischen Planung auf der Basis von herkömmlichen Trendfortschreibungen und einer Planung auf Basis von unterschiedlichen Zukunftsbildern. In diesem Ansatz wird ein Szenario als Ausgangspunkt für die Strategieentwicklung betrachtet und alle weiteren Szenarien werden genutzt, um die entwickelte Strategie zu testen und Modifikationen vorzunehmen (vgl. Wilson, 2000, 27 f.).
Schritt 1: Ermittlung von Chancen und Risiken Im ersten Schritt werden alle Szenarien überprüft, um Chancen und Risiken zu identifizieren. Dabei wird zunächst jedes einzelne Szenario betrachtet und in einem nächsten Schritt alle Szenarien im Überblick, um gemeinsame Stärken und Schwächen zu identifizieren.
Schritt 2: Maßnahmenentwicklung Im zweiten Schritt werden auf Basis der in allen Szenarien gleichermaßen ermittelten Chancen und Risiken Maßnahmen eingeleitet, die in jedem Fall umgesetzt werden sollten.
Schritt 3: Szenarioauswahl Es erfolgt die Auswahl eines Szenarios, das für die weitere strategische Planung genutzt werden soll. Bei diesem Szenario handelt es sich in der Regel um das wahrscheinlichste Szenario.
Schritt 4: Strategieentwicklung Die im zweiten Schritt der Analyse ermittelten Maßnahmen werden zu einer umfassenden Strategie auf der Basis des ausgewählten wahrscheinlichsten Szenarios gebündelt. Ziel dieses Schrittes ist es, eine Strategie zu entwickeln, die vor dem Hintergrund des wahrscheinlichsten Szenarios Erfolg versprechend ist.
Schritt 5: Strategietest Die entwickelte Strategie wird nun auch gegen alle weiteren verbleibenden Szenarien im Hinblick auf ihre Belastbarkeit, Stabilität und gegen Schwachstellen getestet.
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Szenariobasierte Strategieentwicklung
Schritt 6: Strategieanpassung Im letzten Schritt werden die Ergebnisse aus dem Test der Strategien aufgegriffen und die Strategie wird, soweit notwendig, modifiziert. 3.4.4 Strategieentwicklung unter Berücksichtigung aller Szenarien In diesem Ansatz nutzt das Management alle Szenarien für den strategischen Planungsprozess, ohne dass ein Szenario, aufgrund einer angenommenen höheren Wahrscheinlichkeit, eine andere Wertigkeit erfährt. Diese Form der Strategieentwicklung ist auf der einen Seite sehr anspruchsvoll, bewirkt andererseits jedoch einen optimalen Nutzen der Szenarien in Strategieprozessen. Das Management verfügt in diesem Ansatz über eine Vielzahl strategischer Optionen. Gleichzeitig erfordert dieser Ansatz die sorgfältige Bewertung dieser Optionen gegenüber unterschiedlichen Zukunftsannahmen (vgl. Wilson, 2000, 28 f.).
Schritt 1: Identifikation von Schlüsselfaktoren in einer erfolgreichen Strategie Im ersten Schritt prüft das Management, welche Schlüsselfaktoren eine Strategie umfassend beschreiben. Beispiele für diese Schlüsselfaktoren sind der geografische Fokus, der Marktfokus, die Produktpalette, Basiselemente des Wettbewerbs, Marketing, Distribution und Technologie.
Schritt 2: Ermittlung optimaler strategischer Elemente Im zweiten Schritt werden für jedes einzelne Szenario, die optimalen Ausprägungen der im ersten Schritt ermittelten Schlüsselfaktoren herausgearbeitet (z.B.: Wie müsste die optimale Marketingstrategie in Szenario A, Szenario B oder Szenario C aussehen?).
Schritt 3: Entwicklung einer abgesicherten Strategie Basierend auf den einzelnen strategischen Elementen in Schritt 2 wird eine ganzheitliche Strategie entwickelt. Dabei werden die strategischen Elemente herausgegriffen, die unter Beachtung aller Szenarien eine abgesicherte Strategie begründen.
Szenariobasierte Strategieentwicklung
91
3.4.5 Fazit: Strategieentwicklung mit Szenarien nach Wilson Wilson betont in seinem Ansatz, dass die Strategieentwicklung mit Szenarien eine veränderte Denkhaltung erfordert, die für die Strategieentwicklung mit Szenarien wichtiger ist als die Entwicklung von komplexem methodischem Know-how. Wilson beschreibt unterschiedliche Wege, wie Strategien mit Szenarien abgeleitet werden können. Dabei unterscheidet er zwischen einfachen und anspruchsvollen Ansätzen, die als ein evolutionäres Konzept aufzufassen sind.
Plus
Minus
Verwendung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für einzelne Szenarien widerspricht dem Anspruch auf Robustheit
Genaue Abgrenzung zwischen Schlüsselerfolgsfaktoren und Kernkompetenzen ist kaum möglich
Eher für den Einsatz in Großunternehmen geeignet, die über eigene strategische Planungsabteilungen verfügen
Managementinstrumentarium (Methodenkenntnis) muss beherrscht werden
Ansatz der Strategieentwicklung integriert Methoden der strategischen Planung (z.B. SWOT, Portfolioansätze, Benchmarking, GAP- Analyse)
Die Entwicklung eines ganzheitlichen strategischen Konzeptes, im Rahmen eines iterativen Prozesses, ist sehr anspruchsvoll und aufwendig
Ansatz weist Doppelungen im Prozess auf, die zwar gewollt sind, aber in der praktischen Umsetzung möglicherweise nicht nachvollzogen werden können
Ansatz der Strategieentwicklung ist für den Einsatz in KMU geeignet
Ansatz nutzt weitestgehend einfache Bewertungsmatrizen und Brainstormings im Managementteam als Methoden für die Strategieentwicklung
Generischer Prozess, eine genaue Ausgestaltung muss unternehmensspezifisch erfolgen („customized approach“)
Ansätze können auch in KMU genutzt werden, da die Strategieentwicklung mit Szenarien eher eine Veränderung im Denken erfordert als komplexes methodisches Knowhow
Ansatz der Strategieentwicklung ist ein evolutionäres Konzept und beschreibt Risikobewertung, Strategiebewertung und Strategieentwicklung unter Berücksichtigung des wahrscheinlichsten Szenarios oder unter Beachtung aller Szenarien als drei alternative Ansätze, die die Implementierung einer szenariobasierten strategischen Planung erleichtern soll
Ansatz der Szenarioentwicklung ist frei wählbar
Ansatz der Szenarioentwicklung ist frei wählbar
Deutliche Darstellung des Prozesses
Ansatz der Szenarioentwicklung ist frei wählbar
Ansatz nach Wilson (vgl. Wilson, 2000)
Ansatz nach van der Heijden (van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002)
Ansatz nach Schoemaker (vgl. Schoemaker, 2002)
92 Szenariobasierte Strategieentwicklung
Abbildung 3.15 Bewertung der Ansätze zur Strategieentwicklung mit Szenarien (PMI) (PlusMinus)
(Interesting) Verknüpfung mit dem Businessplan des Unternehmens möglich Ansatz kann auch für Start- up Unternehmen und im Zusammenhang mit der Unternehmensgründung gut angewandt werden
Integration des Instrumentariums der strategischen Planung
Anpassung des Prozesses an bisheriges Vorgehen in der strategischen Planung ist deshalb möglich
Identifikation zukünftiger strategischer Segmente bietet Anknüpfungspunkte zur strategischen Vorausschau
Ansatz nach van der Heijden (van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002)
Ansatz nach Schoemaker (vgl. Schoemaker, 2002)
Szenariobasierte Strategieentwicklung setzt eher eine verändert Denkhaltung voraus als die Kenntnis komplexer Planungsmethoden
Szenariobasierte strategische Planung wird als ein evolutionäres Konzept aufgefasst, das in seiner einfachsten Form eine Risikobewertung ermöglicht oder als sophistizierter Ansatz Strategieentwicklung vor dem Hintergrund aller Szenarien ermöglicht
Ansatz nach Wilson (vgl. Wilson, 2000)
Szenariobasierte Strategieentwicklung
Abbildung 3.16 Bewertung der Ansätze zur Strategieentwicklung mit Szenarien (PMI)
93
Interesting
4
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Der Ausdruck Szenario beschreibt heute einen Begriff, der inflationär und mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten verwendet wird. Sowohl in der Literatur als auch in der Unternehmenspraxis gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und Ansätze des Szenariobegriffes und der dahinter stehenden Auseinandersetzung mit zukünftigen Entwicklungen sowie Vorschläge zur Systematisierung unterschiedlicher Ansätze (vgl. Millett, 2003, 16; vgl. van Notten, Rotmans, van Asselt, Rothman, 2003; vgl. Bishop, Hines, Collins, 2007). So kann der Szenariobegriff als eine generische Bezeichnung für unterschiedliche Ansätze aufgefasst werden, wie z.B. den Ansatz der strategischen Planungsszenarien (strategic planning scenarios), ein Begriff, der vom SRI, dem früheren Stanford Research Institute verwendet wird oder Godet’s Szenariomethode und Batelle’s Szenariotechnik.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen des Szenariobegriffes. Hermann Kahn definiert Szenarien als erzählende Beschreibungen zukünftiger Situationen, die auf kausale Prozesse und Entscheidungspunkte fokussieren (vgl. Schnaars, 1989, 106). „Sie [Szenarien] lenken die Aufmerksamkeit, manchmal dramatisch und überzeugend, auf eine größere Vielfalt von Möglichkeiten, die bei einer Analyse der Zukunft in Betracht gezogen werden müssen.“ (Kahn, Wiener, 1967, 252).
Einen Überblick über elf verschiedene Auffassungen aus dem Jahr 1976 geben Lippold und Welters (1976, 5). Dabei besteht bei allen Autoren Konsens darüber, dass eine Szenarioanalyse das Ziel hat, mehrere, meist zwei bis fünf, mögliche Entwicklungen der Zukunft zu beschrieben. Dabei wird im Rahmen einer Szenarioanalyse zuerst die Gegenwart genauer betrachtet, danach das Gesamtsystem, in dem sich z.B. ein Unternehmen bewegt. Oftmals wird versucht, die für die zukünftige Entwicklung kritischen Punkte besonders hervorzuheben, die den weiteren Verlauf stark beeinflussen. Die meisten Autoren befürworten, dass jedes Zukunftsbild in sich stimmig und plausibel sein muss. Uneinigkeit herrscht jedoch über die Methode, zu diesem Zukunftsbild zu gelangen (vgl. Lippold, 1976). Eine neuere Typologie beschreiben van Notten et al. (vgl. van Notten, Rotmans, van Asselt, Rothman, 2003). Die Autoren schlagen eine Typologie vor, die sich an den Kernbereichen Projektziel, Prozessdesign und Inhalt der Szenarien orientiert, um unterschiedliche Typen von Szenarien zu identifizieren.
96
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Ute von Reibnitz versteht unter der Szenariomethode eine Planungstechnik, die in der Regel zwei sich deutlich unterscheidende, aber in sich konsistente Szenarien X entwickelt und daraus Konsequenzen für das Unternehmen ableitet (vgl. von Reibnitz, 1992, 14).
Godet und Roubelat (1996, 166) verstehen unter Szenarien eine Beschreibung einer zukünftigen Situation und einer Folge von Ereignissen, die eine Entwicklung von der gegenwärtigen Situation in die Zukunft beschreibt. Fahey und Radall (vgl. Fahey, Randall, 1998, 6) beschreiben Szenarien als „… descriptive narratives of plausible alternative projections of a specific part if the future. They are methodically researched and developed in sets of three, four, or more to study how an organization, or one of its decision, would fare in each future in the set.”
Auch im Verständnis von Slaughter sind Szenarien in sich schlüssige Bilder möglicher Zukünfte und ein äußerst nützliches Instrument mit einer Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Sie können Trends und alternative Entwicklungen aufzeigen, Einflüsse und Implikationen der Entscheidungsfindung, Wahlmöglichkeiten und unterschiedliche Wege zur Zielereichung verdeutlichen und ermöglichen Erkenntnisse durch das Aufzeigen von Ursache-Wirkungs-Effekten (vgl. Slaughter, 2000, 117).
Porter beschreibt ein Szenario als ein besonders nützliches Instrument für junge Branchen, die mit großer Unsicherheit konfrontiert sind, gepaart mit der Gewissheit, dass Veränderungen stattfinden werden. „Szenarien sind in sich abgegrenzte, in sich geschlossene Ausblicke auf den zukünftigen „Zustand der Welt“, die mit dem Ziel ausgewählt werden, die Zahl der möglichen Situationen zu begrenzen.“ (vgl. Porter, 1999, 301).
Im Unterschied zu Prognosen, die die Vorhersage einer möglichen Zukunft anstreben, wobei Daten der Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben werden, bilden Szenarien unterschiedliche Zukunftsbilder ab. Im Gegensatz zu Szenarien wird bei Prognosen oftmals unterstellt, dass sich die wesentlichen Rahmenbedingungen nicht ändern werden (vgl. von Reibnitz, 1992, 15). Ein weiteres Abgrenzungskriterium ist der unterschiedliche Zeithorizont, der mit Prognosen und Szenarien betrachtet wird. Während für einen nahen Zeithorizont Prognosen ein geeignetes Instrument sind, nimmt doch im weiteren Zeitverlauf die Unsicherheit zu und Entwicklungen sind we-
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
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niger vorbestimmt, so dass der Einsatz von Szenarien sinnvoll wird, um mit der gleichzeitig zunehmenden Unsicherheit umgehen zu können (vgl. Abbildung 4.1). In einem sehr weiten Planungshorizont sind nahezu alle Entwicklungen unsicher und Planungen können nicht sinnvoll erfolgen (H=Hoffnung). Im mittleren Feld (S=Szenario) gibt es einen gewissen Grad an Vorherbestimmtheit bei gleichzeitiger Unsicherheit, so dass der Szenarioansatz als ein möglicher Weg angesehen wird, um mit Unsicherheiten im Planungsprozess umzugehen. Die Anwendung von Prognosen in der S-Zone, anstatt von Szenarioanalysen, würde zur Vortäuschung einer falschen Sicherheit führen, bedingt durch die Diskrepanz zwischen Unsicherheit und Vorbestimmtheit in der S-Zone. Die Anwendung von Szenarien in der P-Zone, anstatt von Prognosen, würde ebenso zu einer unzureichenden Planung führen, da hier Prognosen genauere Hinweise liefern, die in die unternehmerische Planung eingehen (vgl. van der Heijden, 1996, 96).
Unsicherheit
Vorbestimmtheit
Abbildung 4.1 Zusammenhang zwischen Unsicherheit und Vorherbestimmtheit (vgl. van der Heijden, 1996, 92 f.)
Einige Autoren unterscheiden zwischen scenario building (Szenarioentwicklung) und dem scenario planning (Szenarioplanung). Scenario building bedeutet dabei, dass über die Unsicherheiten im Hinblick auf zukünftige Umfelder spekuliert wird. Damit ist die Entwicklung einiger unterschiedlicher möglicher Zukünfte für eine bestimmte Untersuchungssituation gemeint oder die Entwicklung von „memories of the future“ (Schwartz, 1996, 32). Nach diesem Verständnis ist scenario building eine notwendi-
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Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
ge Bedingung für scenario planning, eine Managementtechnik, die von Führungskräften genutzt wird, um mentale Modelle der Zukunft zu artikulieren, um darauf basierend, zu besseren Entscheidungen zu gelangen.
Scenario planning kann zusammenfassend als eine Methode bezeichnet werden, die zur Verbesserung bei Entscheidungen vor dem Hintergrund möglicher Zukunftsumfelder dient (vgl. z.B. Ringland, 2006). Unterschiedliche Varianten des scenario planning sind insbesondere im anglo-amerikanischen Sprachraum verbreitet. Ein grundlegender Unterschied zu den in Kontinentaleuropa gebräuchlichen Ansätzen liegt insbesondere in der beschleunigten Entwicklung einfacher Zukunftsbilder, die sich möglicherweise leichter in den strategischen Führungsprozess integrieren lassen. Ein zentrales Problem bei dieser Form der Szenarien sind die fehlende Nachvollziehbarkeit der Szenarioentwicklung sowie die geringe Eignung für komplexe Fragestellungen (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 22).
Der in Kontinentaleuropa gebräuchliche Begriff der Szenariotechnik konzentriert sich auf die Entwicklung komplexer Zukunftsbilder. Dabei beschreiben die Szenarien mehrere mögliche Zukunftsentwicklungen, die jeweils auf einem komplexen System von Faktoren, Trends und Projektionen beruhen. Fink et al. sehen das zentrale Problem dieses Ansatzes in der Vernachlässigung der Integration in den strategischen Früherkennungsprozess (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 22). Demzufolge hat das Beratungsunternehmen ScMI den Begriff des Szenario-Managements geprägt. Damit ist insbesondere die Integration von Szenarien in den Prozess der strategischen Unternehmensführung gemeint. Das Szenario-Management umfasst die systematische Anwendung von alternativen Zukunftsbildern komplexer Systeme zur Identifikation und Erschließung von Erfolgs- und Nutzenpotenzialen. Dabei bildet das SzenarioManagement einen Schnittpunkt zwischen den methodischen Ansätzen des zukunftsoffenen, vernetzten und strategischen Denkens (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 22 f.). Darüber hinaus beinhaltet der Ansatz des Szenario-Managements die für den Begriff der Szenariotechnik stehende systematische Vorgehensweise der Szenarioentwicklung sowie Ansätze des System Dynamics, das komplexe Simulationsmodelle entwickelt und in den Strategieentwicklungsprozess integriert (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 22).
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
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Folgende Hauptcharakteristika für Szenarien, die sich auch in den beschriebenen unterschiedlichen Definitionen zum Szenario-Ansatz wieder finden, können abgeleitet werden:
Entwicklung alternativer Zukunftsbilder ausgehend von der Gegenwart anstatt der Weiterentwicklung von Trends.
Berücksichtigung von sowohl qualitativen Perspektiven als auch von quantitativen Daten.
Berücksichtigung einschneidender Diskontinuitäten.
Hinterfragung von strategischen Basisannahmen.
Entwicklung einer lernenden Organisation, die zu einer gemeinsamen Sprache führt und eine effektive Basis ist für die Kommunikation von komplexen und manchmal auch paradoxen Bedingungen und Optionen.
Nach Ratcliffe (vgl. 1999, 5) liegt der Hauptnutzen von Szenarien in der Entwicklung von in sich schlüssigen, integrierten Bildern, die verdeutlichen, wie sich die Zukunft möglicherweise entwickelt. Diese Zukunftsbilder bilden wiederum den Kontext für Planungsprozesse, sie ermöglichen den Test von Ideen oder sind Stimulus für neue Entwicklungen.
Neilson und Wagner (2000, 10 f.) machen deutlich, dass Szenarien strategisches Denken provozieren wollen, durch die Beseitigung von Hindernissen auf dem Weg zum kreativen Denken. Danach zielen Szenarien ab auf:
die Entwicklung einer Vorstellung über zukünftige Chancen und Gefahren,
die Projektion multipler Zukünfte, die auf optimistischen und pessimistischen Projektionen der vergangenen Entwicklungen basieren,
die Förderung von strategischem Denken und Lernen,
die Etablierung einer strategischen Konversation,
das Vorhersehen einer zukünftigen Situation,
das Hinterfragen von Annahmen über die „offizielle“ Zukunft,
die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über zukünftige Entwicklungen,
die Führung im Sinne neuer Initiativen oder Richtungen,
die Entwicklung von Optionen für die Entscheidungsfindung,
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Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
die Bildung eines Rahmens für eine gemeinsame Vision über die Zukunft, um die Organisation und das individuelle Verhalten zu beeinflussen,
die Entwicklung von internen und externen Kommunikationskanälen, die hierarchische Grenzen und Raum und Zeit überwinden helfen.
Basierend auf den beschriebenen Definitionen und Nutzen von Szenarien kann konstatiert werden, dass es ein wesentliches Ziel von Szenarioanalysen ist, mögliche Ausgänge von Ereignissen darzustellen. Weitere Ziele sind die Entwicklung eines offenen Denkens und die damit verbundene Erleichterung der Diskussion und Kommunikation von Strategien sowie die Überzeugung der Entscheidungsträger.
Szenarien entsprechen dem menschlichen Denken. Einige Autoren argumentieren, dass Menschen den ganzen Tag mit der Vorausplanung ihrer Handlungen beschäftigt sind. „The mind constantly tells itself stories of the future“ (Schwartz, 1996, 32). Vor Prüfungen gehen Menschen die Fragen im Kopf durch, verteidigen sich in Träumen gegen imaginäre Gegner und führen Selbstgespräche, um ein Gespräch zu planen. Diese Art der alltäglichen Planung erfolgt über „So-könnte-es-sein-Bilder“, nicht in Wahrscheinlichkeiten, Relevanzbäumen oder Diagrammen, sondern in Form von Geschichten. „A story line is one of the most powerful means of packing a complex set of events and relationships into something that is manageable and therefore memorable” (vgl. van der Heijden, 1997, 12).
Szenarien zwingen zum offenen Denken. Manager beurteilen die Lage relativ zu ähnlichen, bekannten Situationen (anchoring), lassen sich von einem von der Entscheidung völlig unabhängigen Umfeld beeinflussen (framing), sind übertrieben optimistisch bei allem was ihnen selbst zustoßen könnte (overconfideme), und interpretieren auch widersprüchliche Daten in diesem Sinne (self-serving bias). Die SzenarioAnalyse zwingt aber zu mehreren möglichen Ausgängen. Die Szenarioanalyse kann helfen auch die Folgen von negativen Entwicklungen zu bedenken, auch wenn das naturgemäß nicht leicht fällt (vgl. Teach, 2004, 97 ff.).
Szenarien erleichtern die Entwicklung und Kommunikation von Strategien. „Most organizations do not leave the development of strategy to an individual. Strategy can be effective in organizations only if it is shared among people: it must be articulated, discussed and negotiated” (van der Heijden, 1997, 12). Ein Unternehmen ist
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
101
eine Gruppe und deshalb muss das Ziel, die Idee, die diese Gruppe zusammenhält, mit allen Beteiligten diskutiert werden. Das Erstellen einer in sich plausiblen Geschichte zwingt dazu, ein diffuses Gefühl der Zukunft in Worte zu fassen und erleichtert die Diskussion. Einige Autoren vertreten auch die Auffassung, dass weniger die Szenarien an sich, sondern eher der Szenarioerstellungsprozess ein wesentlicher Vorteil der Analyse ist (vgl. Coates, 2000, 115 ff.). Vor allem im Rahmen der Strategieentwicklung mit dem Top-Management sind Meinungsverschiedenheiten ein besonderes Problem. Im Gegensatz zu Teams, die sich z.B. in der operativen Projektarbeit befinden, haben Vorstände oft bestimmte Eigenschaften. Sie sind vielen äußeren Einflüssen ausgesetzt, müssen Entscheidungen mit weit reichenden Folgen treffen, agieren oft politisch und nach Machtgesichtspunkten, fühlen sich sichtbar nach außen und sind oft Menschen, die sich durchsetzen können. Darüber hinaus halten sie sich für einen ausgewählten Kreis und wollen diesen nicht verlassen (vgl. Nadler, 1996, 42 ff.). Bedingt durch diese Eigenschaften ist es schwierig, langfristige, strategische Entscheidungen zu diskutieren, die möglicherweise auch eine Richtungsänderung herbeiführen. Die Szenarioanalyse kann vor der Strategieentscheidung einen konfliktfreieren Denkprozess anregen und implizite Annahmen verdeutlichen. Die entwickelten Szenarien können im Unternehmen kommuniziert und somit Teil eines unternehmensweiten Change-Management-Prozesses werden. Neben der Kommunikationsfunktion haben Szenarien auch eine Überzeugungsfunktion, womit insbesondere die Überzeugung des Managements gemeint ist, wenn Richtungsänderungen nötig werden und Entscheider nicht am Szenarioerstellungsprozess direkt beteiligt sind. Die Herausforderung in der Kommunikation der Szenarien ist dabei, dass sie in einem ersten Schritt vom Management akzeptiert werden, was zumindest eine teilweise Übereinstimmung mit ihren Vorstellungen und Erwartungen erfordert. In einem zweiten Schritt muss mit Szenarien aber auch der Versuch unternommen werden, vorgefasste Meinungen zu durchbrechen.
In der vorliegenden Arbeit wird die Szenarioanalyse als eine Methode in der Vorausschau neuer Märkte und Geschäftsmöglichkeiten verstanden, die darauf abzielt, unterschiedliche in sich konsistente und plausible Zukunftsbilder zu entwickeln. Während der Szenarioentwicklung finden qualitative und quantitative Informationen und Daten Berücksichtigung. Dabei wird das Unternehmen oder der jeweilige Untersuchungsgegenstand vor dem Hintergrund eines komplexen Netzwerkes von Einflussfaktoren betrachtet, für die verschiedene Entwicklungen möglich sind. Sowohl die
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Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Szenarien als auch die Szenarioanalyse selbst ermöglichen die Auseinandersetzung mit zukünftigen Entwicklungen und sind Grundlage für die Ableitung von strategischen Implikationen. Nach diesem Verständnis ist die Methode geeignet, um mit Unsicherheiten umzugehen, Chancen zu erkennen und Risiken zu minimieren. 4.1 Historie der Szenariomethode Die historische Entwicklung der Szenariomethode ist äußerst komplex und beeinflusst durch eine Vielzahl von Unternehmen und Instituten, wie z.B. der RAND Corporation4, dem Stanford Research Institute, Shell und vielen anderen (vgl. van der Heijden, 1996, 27; vgl. Ringland, 1998, 193 ff.).
Wie viele Methoden im Bereich der unternehmerischen Planung hat auch der Szenarioansatz einen militärischen Hintergrund. Der 2. Weltkrieg machte gezielte, schnelle technische Entwicklungen nötig (z.B. RADAR, Raketen, Atombombe, Computer). Später führte die Mondlandung Politikern und Managern vor Augen, dass die bisher im militärischen Bereich anerkannten Planungsmethoden auch für große, zivile Projekte nötig und erfolgreich sind. 1966 gingen z.B. Ingenieure der US-Rüstungsfirma TRW der Frage nach „What will the world want ad need in the next twenty years?“ Die Ideen reichten von 3D-Farbfernsehen für 1977 bis zu kommerziellen Raumflügen für das Jahr 1980 (vgl. Schnaars, 1989, 11 ff.; vgl. Ringland, 1998, 13). In der Zeit von staatlich finanzierten Großprojekten im Kalten Krieg erschienen derartige Vorhersagen plausibel und resultierten aus einem großen Vertrauen in den technischen Fortschritt. Die weitere Entwicklung erschien planbar. Bald wurde jedoch offenkundig, wie sehr die Futurologen sich geirrt hatten. “The technology suggests wonder, the market usually accepts less” (Schnaars, 1989, 47). Auch waren die Probleme 20 Jahre später nicht mehr die gleichen, weshalb sich die Technologie anders als vorgesehen entwickelte: “The race for space of the 1960s (...) did not continue into the 1970s. [...] We thought about energy in the 1970s and forgot about space. We forgot about both in the 1980s” (Schnaars, 1989, 22).
4
RAND Cooperation ist ein vom amerikanischen Verteidigungsinstitut gegründetes Institut für Zukunftsforschung, das sich neben militärischen auch mit ökonomischen, technischen und sozialen Zukunftsperspektiven beschäftigt (vgl. Gausemeier, Fink, Schlake 1996, 91).
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
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Ministerien auf der ganzen Welt begannen trotz dieser Rückschläge Interesse an der Zukunft zu entwickeln und gaben Studien bei neuen Forschungsinstituten in Auftrag, die Leitlinien für langfristige politische Maßnahmen, wie z.B. Regionalplanung (Frankreich: DATAR), Bildungspolitik (USA, Stanford Research Institute SRI) oder für die Luftwaffe/Außenpolitik (USA, Rand Corporation) erarbeiten sollten. Später, als mit dem Beginn des Vietnamkrieges weniger Geld für andere Zwecke zur Verfügung stand und zudem auch Großunternehmen immer mehr Interesse an langfristigen Planungen hatten, verlagerten die Institute ihren Schwerpunkt auf den privaten Sektor (vgl. Häußler, 2005, 2).
Letztlich muss konstatiert werden, dass der Kalte Krieg der Zukunftsforschung zum Durchbruch verhalf. Während dieser Zeit benötigte insbesondere der militärische Sektor in den USA Vorstellungen davon, wie man sich in der Zukunft durchsetzen könnte. Innerhalb der 1948 in Santa Monica gegründeten Rand Corporation entstanden eine Vielzahl von Methoden und Planungsinstrumenten, die sich zunächst in der Wissenschaft und später in den Unternehmen durchsetzten. Im Zuge der gesellschaftlichen Reformbewegung der 60er-Jahre geriet die mit der Zukunftsforschung einhergehende Fortschrittsgläubigkeit in die Kritik. Auf Initiative des Club of Rome, einer Vereinigung renommierter Wissenschaftler und Unternehmer aus 25 Ländern, simulierte ein Team am MIT ökonomische und bevölkerungspolitische Faktoren, wodurch die Grenzen des Wachstums aufgezeigt wurden. Diese Thesen wurden in der zu diesem Zeitpunkt technik-, wirtschafts- und amerikaskeptischen Öffentlichkeit bereitwillig aufgenommen. Zukunftsvorstellungen wurden zu einer Aneinanderreihung von Umweltkatastrophen und Atomkriegen (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 39). Diese „Katastrophenprophezeiungen“ sollten vorrangig dazu dienen, aufzuschrecken und Beteiligte und Verantwortliche dazu zu bewegen, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Zukunftsvisionen nicht Wirklichkeit werden zu lassen. Von Reibnitz stellt dazu fest, dass die Neuheit darin bestand, dass sie komplexe Zusammenhänge und Wechselbeziehungen erstmals in einer deutlichen Konsequenz aufzeigte (vgl. von Reibnitz, 1992, 12).
Im unternehmerischen Bereich gewann die Szenariotechnik seit Anfang der 70erJahre, ausgelöst durch die Ölkrise, an Bedeutung. Vor dieser Zeit reichten zumeist noch univariable Prognoseverfahren für die Planung aus. Von einem univariablen Prognoseverfahren wird gesprochen, wenn eine Zeitreihe mit einer Variablen in die
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Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Zukunft transformiert wird, wobei die Zeit determiniert ist (vgl. Barth, 1984, 117). Bekanntester Vorreiter in der Entwicklung einer auf Szenarien basierten strategischen Planung war die Shell-Gruppe. Grund für die Entwicklung der Szenariotechnik bei Shell war die Erkenntnis, dass bei sich stetig ändernden Umfeldsituationen die Verwendung von reinen quantitativen Prognoseverfahren nicht mehr ausreichend sei (vgl. von Reibnitz, 1992, 12; van der Heijden, 1996, 15 f.). Ein Wegbereiter bei der Entwicklung von Szenarien ist Pierre Wack. Er entwickelte mit seinen Kollegen zu Beginn der 70er-Jahre in der neu gegründeten Planungs-Abteilung der RoyalDutch/Shell-Gruppe alternative Szenarien zur Ölpreisentwicklung. Als im Oktober 1973 durch die OPEC ein Ölembargo verhängt wurde, löste dies die erste Ölkrise aus. Shell war gut vorbereitet und nutzte diese Chance. Das Unternehmen konnte auf seine Alternativstrategien zurückgreifen, die zuvor aufgrund gebildeter Szenarien entwickelt worden waren. Innerhalb kurzer Zeit avanciert Royal-Dutch/ Shell zum zweitgrößten und profitabelsten Mineralölkonzern in der Welt (vgl. Daum, 2001, 2). Nach der Ölkrise begannen weitere Unternehmen, insbesondere aus den betroffenen Branchen der Mineralöl-, Chemie- und Automobilindustrie, mit der Einführung der Szenariotechnik (vgl. von Reibnitz, 1992, 13).
Im französischen Sprachraum fand nicht zuletzt durch den Ansatz der Soziologen de Jouvenel und Berger eine parallele Entwicklung statt. Dort entstand eine Konzeption mit dem Titel „Prospective Analysis“ bzw. „La Prospective“ (vgl. Bradfield, Wright, Burt, Carins, van der Heijden, 2004, 9 ff.).
Die wesentlichen Schritte der Entstehung und Entwicklung der Zukunftsforschung, die auch als Meilensteine für die Entwicklung der Szenariomethode aufgefasst werden können, sind in der nachfolgenden Übersicht dargestellt. Zeitraum
Phasen
Antike
Orakel von Delphi
Historie der Zukunftsforschung - Meilensteine in der Entwicklung der Szenariomethode Nach einer Theorie beruhte die Macht der Weissagungen darauf, dass ein Heer von Spitzeln und Informanten des Tempels im gesamten antiken Griechenland Informationen
Personen/ Institutionen
Priester im antiken Griechenland
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Zeitraum
Phasen
Historie der Zukunftsfor- Personen/ schung - Meilensteine in Institutionen der Entwicklung der Szenariomethode sammelte, die an die Priester weitergegeben wurden. Durch diese „GeheimdienstErkenntnisse“ waren die Priester bestens informiert und konnten Einfluss auf die Politik und damit auf die Zukunft nehmen (vgl. Rydl, 2005).
16. Jahrhundert
1516: „Utopia“ - der erste Zukunftsroman
Der englische Parlamentarier Thomas Morus beschreibt die Vision eines besseren Staates mit einer idealen Gesellschaftsordnung in Form eines verschachtelt erzählten Romans (vgl. Rydl, 2005).
18. Jahrhundert
Szenario - Ein Begriff aus dem Theater
Szenarium bezeichnet ursprünglich die Szenenfolge eines Dramas. Der Begriff wird auf den Übersichtsplan für die Regie übertragen.
Mitte des 19. Jahrhunderts
„Wissenschaft der Zukunft“
Friedrich List Der in die USA ausgewanderte Ökonom Friedrich List schlägt vor, eine neue Wissenschaft zu schaffen, die Wissenschaft der Zukunft, die ebenso großen Nutzen leisten dürfte wie die Wissenschaft der Vergangenheit (vgl. Flechtheim, 1971, 46).
40er-Jahre des 20. Jahrhunderts
Zukunft wurde von ZuBeginn der wissenkunftsforschern nicht schaftlichen Zukunftsmehr als eine vorherbeforschung stimmte Verlängerung der Gegenwart verstanden.
Thomas Morus
Ossip K. Flechtheim
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Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Zeitraum
Phasen
Historie der Zukunftsforschung - Meilensteine in der Entwicklung der Szenariomethode Ossip K. Flechtheim prägte 1943 den Begriff der Futurologie, den er als die kritische und systematische Beschäftigung mit der Zukunft beschrieb (vgl. Steinmüller, 1997, 10).
Personen/ Institutionen
Studien zur wissenschaftstheore-tischen und methodologischen Absicherung der Zukunftsforschung in den USA Erfindung der Zu50er-Jahre kunftsforschung des 20. Jahrhunderts
neue Methoden (quantitative und semiquantitative Optimierungs- und Entscheidungsverfahren, verschiedene Systemtechniken, Brainstormings und andere Kreativmethoden) als wissenschafts-theoretische Verfahren (vgl. Steinmüller, 1997, 6) Hermann Erfordernisse moderner Kahn Kriegsführung und die zunehmende Komplexität menschlicher Planung und Naturbeherrschung, Auftraggeber für Zukunftsstudien ist der Staat Die RAND Corporation erstellt Studien über den Nuklearkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion. Die Rand Corporation führte als erste den Szenariobegriff in Planungsprozesse ein Französischer Manager und Forscher Gaston
Gaston Berger
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Zeitraum
60er-Jahre
Phasen
Historie der Zukunftsfor- Personen/ schung - Meilensteine in Institutionen der Entwicklung der Szenariomethode Berger gründet 1957 das Centre International de Prospective in Paris und führt den Begriff „prospective“ ein (vgl. Steinmüller, 1997, 10).
Zukunftsforschung als Hermann Kahn popularisierte als Direktor des Instrument der MachHudson-Institutes den barkeitsideologie Szenariobegriff, insbesondere in der Studie über das Jahr 2000 „Ihr „Geburtsstunde der werdet es erleben“, die Szenariomethode“ als Geburtsstunde der Szenariotechnik gilt (vgl. Kahn, Wiener, 1967).
Hermann Kahn, Hudson-Institut, und Anthony J. Wiener
Die Mission des HudsonInstitutes ist es, Zukünfte in unkonventioneller Weise zu entwickeln. Kahn begründet zusammen mit Anthony J. Wiener das „scenariowriting“, das als erste Methode der Szenarioerstellung angesehen werden kann. 1960 gründete Bertrand de Jouvenel „Association Futuribles Internationale“ und entwickelt in seinem Buch „L'Art de la Conjecture“ (1964) das Konzept der „futuribles“ - „états futurs possibles descendants du présent“ („mögliche Zukünfte“). Er plädierte für die Konzeption einer offenen, nichtdeterministischen Zukunftsforschung. Diese bezieht die weichen Faktoren, Alternativdenken und normative Elemente
Bertrand de Jouvenel, Association Futuribles Internationale
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Zeitraum
Phasen
Historie der Zukunftsforschung - Meilensteine in der Entwicklung der Szenariomethode ein (vgl. Steinmüller, 1997, 10).
Personen/ Institutionen
1968 Gründung des Club of Rome Unternehmen wie General Electric und Royal Dutch Shell nutzen Szenarien als Grundlage für die strategische Planung. 70er-Jahre
Zukunftsforschung differenziert sich
Zukunftsforschung verändert sich. Der Glaube an die Berechenbarkeit zukünftiger Entwicklungen schwindet. Die Welt wird erstmals als vernetztes System wahrgenommen. 1972: „Die Grenzen des Wachstums“, Bericht des Club of Rome.
Meadows, D.H., Meadows, D.L.
Pionierunternehmen wie Shell etablieren die Szenariomethode im Rahmen der strategischen Planung.
Shell/Group Planning, Piere Wack, Arie de Geus
Enquete Enquete-Kommission des Kommission Deutschen Bundestages, Zukunft der Kernenergie mit verschiedenen Energiepfaden etabliert die Szenariotechnik in Deutschland. 80er-Jahre
Zukunftsforschung etabliert sich
Szenariobegriff erfolgreich und inflationär
Kombination von Projek- Batelle Institut tion bzw. Extrapolation mit normativen Herangehensweisen bei der Erarbeitung von Orientierungswissen Szenariotechniken gewinnen an Bedeutung
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Zeitraum
Phasen
Historie der Zukunftsfor- Personen/ schung - Meilensteine in Institutionen der Entwicklung der Szenariomethode (Verzicht auf Quantifizierungen, die einseitig sind und nicht quantifizierte Aspekte außer Acht lassen) Brainstorming-Techniken und verschiedene partizipatorische Methoden verbreiten sich zunehmend (vgl. Steinmüller, 1999, 51-53) Einsatz von Szenarien bei volkswirtschaftlichen Hochrechnungen, bei der strategischen Planung von Unternehmen, Technikfolgenabschätzung, Regional- und Stadtplanung
90er-Jahre
Zukunftsforschung in den Unternehmen Szenariotechnik als bevorzugte Methode der Zukunftsforschung
methodisches Vorgehen wird verfeinert, Umsetzungs- und Vermittlungsfragen treten in den Vordergrund, Unternehmen sind Auftraggeber für Studien Nutzung von Wild Cards (überraschende Störereignisse), speziell in der Szenariotechnik Erste bekannte Sammlung von Wild Cards veröffentlicht 1992 das BIPE Conseil (Issy-LesMoulineaux/ Frankreich) gemeinsam mit dem Copenhagen Institute for Futures Studies (Dänemark) und dem Institute for the Future (Menlo Park/USA) (vgl. Steinmüller, 1999, 51-53).
BIPE Conseil (Issy-LesMoulineaux/ Frankreich), Copenhagen Institute for Futures Studies (Dänemark) Institute for the Future (Menlo Park/USA
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Zeitraum
1.Jahrzehnt des 21. Jh.
Phasen
Historie der Zukunftsforschung - Meilensteine in der Entwicklung der Szenariomethode Zukunftsforschung als Globaler Handlungsdruck, vernetze Problemwissensorientierte lagen, Suche nach kreatiDienstleitung ven Lösungsansätzen und Innovationen liefern Nährboden für den Einsatz von Szenarien
Personen/ Institutionen
Millenium Project (UN)
„Millenium Project“ des American Council der United Nations University mit der Grundidee eine weltweite Kapazität für Frühwarnsysteme und die Analyse von Langzeitthemen und strategien aufzubauen, gilt als eines der anspruchsvollsten und größten Früherkennungsprojekte weltweit.
Tabelle 4.1 Historie der Zukunftsforschung - Meilensteine in der Entwicklung der Szenariomethode (u.a. zusammengestellt nach Gausemeier, Fink, Schlake, Siebe, 1996, 91 f.; Steinmüller, 1997, 10 ff.; 1999, 51 ff.; Godet, 2001, 84 f.; Fink, Schlake, Siebe, 2002, 91 f.; Burmeister, Neef, Beyers, 2004, 35 und 1999, 51 ff.)
4.2
Formen der Szenarioentwicklung
Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis hat sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Formen und Unterscheidungskriterien für Szenarien herausgebildet. Eine Möglichkeit, verschiedene Formen der Szenarioentwicklung darzustellen, ist eine Unterscheidung nach dem Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung (explorativ vs. antizipativ), nach der Richtung der Szenarioentwicklung (induktiv, deduktiv, inkremental), nach der Zielgerichtetheit der Szenarienentwicklung (deskriptiv vs. präskriptiv) und nach der Komplexität der Szenarioentwicklung (modellgestützt vs. intuitiv) vorzunehmen (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 61 ff.).
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
4.3
111
Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung
Nach dem Ausgangspunkt der Erstellung von Szenarien können die Szenarien in explorative und antizipative Szenarien unterschieden werden. Bei der Erstellung von explorativen Szenarien wird von einem festen Zeitpunkt in der Gegenwart ausgegangen. Basierend auf einen analysierten Ist-Zustand werden mehrere zukunftsgerichtete Entwicklungsmöglichkeiten dargestellt (siehe Abbildung 4.2).
Explorative Szenarien Was- wäre- wennSzenarien Startpunktsteuerung
Mögliche Ereignisse = mehrere Zukunftsbilder
Basisannahmen = konkrete Ist- Situation
Gegenwart
Zukunftshorizont
t
Antizipative Szenarien Was- muss- geschehen- dassSzenarien Mögliche Ereignisse = mehrere Entwicklungsverläufe, ggf. mehrere IstSituationen
Gegenwart
Endpunktsteuerung Basisannahmen = konkrete Zukunftsbilder
Zukunftshorizont t
Abbildung 4.2 Explorative vs. antizipative Szenarien (Gausemeier 1996, 111)
112
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Bei antizipativen Szenarien steht ein zukünftiger Zustand bereits fest. Rückwärts gewandt wird bei antizipativen Szenarien nach Entwicklungsverläufen gefragt, die zu diesem Zustand führen könnten (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 62). Synonym zum Begriff der antizipativen Szenarien wird in der Literatur auch der Begriff normative Szenarien verwendet. Mit diesem Begriff werden wünschenswerte und demnach festgelegte Zukunftsbilder beschrieben, von denen ausgehend mehrere Entwicklungsverläufe in die Gegenwart entwickelt werden können (vgl. AngermeyerNaumann, 1985, 95 f.; Graf, 1999, 53).
Krystek und Müller-Stevens unterscheiden zwischen „Was-wäre-wenn-Szenarien“ und „Was-muss-geschehen-dass-Szenarien“ (vgl. Krystek, Müller-Stewens, 1993, 216). Innerhalb beider Formen unterscheiden die Autoren zwischen einer deskriptiven (i.S.v. explorativen) und normativen (i.S.v. antizipativen) Variante, wie in der nachfolgenden Abbildung 4.3 dargestellt ist. „Was-wäre-wenn-Szenarien“ Deskriptive Variante
Normative Variante
Gegeben sind Vermutungen zu sich verändernden Ursachengrößen in einem System; gefragt wird nach den Wirkungen im System Gegeben sind die Mittel, die für Handlungen im System zur Verfügung stehen; gefragt wird nach den Zielen, die damit erreicht werden können
„Was-muss-geschehen-dass-Szenarien“ Deskriptive Variante Normative Variante
Gegeben sind die Wirkungen einer Systemveränderung; gefragt wird nach den dafür notwendigen Änderungen in den verursachenden Größen Gegeben sind die zu erreichenden Ziele; gefragt wird nach den für die Zielerreichung erforderlichen Mitteln
Abbildung 4.3 „Was-wäre-wenn-Szenarien“ vs. „Was-muss-geschehen-dass-Szenarien“ (vgl. Krystek, Müller-Stewens, 1993, 216)
4.4
Richtung der Szenarioentwicklung
Werden die Szenarien induktiv entwickelt, ergeben sich die Szenarien aus einer systematisch entwickelten Verknüpfung von möglichen Entwicklungen einzelner Schlüsselfaktoren. Erfolgt die Szenarioentwicklung deduktiv, wird zu Beginn des Szenarioerstellungsprozesses ein Rahmen für jedes Szenario abgesteckt. Bei der inkrementalen Entwicklung von Szenarien dient die wahrscheinlichste Zukunft als
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
113
Ausgangspunkt, von dem ausgehend verschiedene Varianten entwickelt werden (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 62 f.). 4.5
Zielgerichtetheit der Szenarioentwicklung
Mit der Entwicklung von Szenarien wird ein spezifisches Ziel verfolgt, was jedoch nicht impliziert, dass sich diese Ziele automatisch in den Szenarien wiederfinden lassen. Szenarien können unabhängig von den späteren Zielvorstellungen der Anwender erstellt werden. Diese Szenarien basieren auf Kausalitätsbeziehungen (Ursache-Wirkungs-Beziehungen) und enthalten keine Werturteile des Anwenders. Diese Form eines Szenarios wird als deskriptives Szenario bezeichnet. Wenn die Ziele des Anwenders an maßgeblichen Stellen bei der Szenarioentwicklung einfließen, sind die Szenarien präskriptiver Natur. Sie werden auf der Basis von Finalitätsbeziehungen (Mittel-Ziel-Beziehungen) erstellt (vgl. Gausemeier, Fink, Schlake, Siebe, 1996; Fink, Schlake, Siebe, 2002). 4.6
Komplexität der Szenarioentwicklung
Bei der Entwicklung von Szenarien sind unterschiedliche Vorgehensweisen möglich. Grundsätzlich können jedoch zwei verschiedene methodische Ansätze unterschieden werden. Bei der modellgestützten Szenarioentwicklung werden spezielle mathematische Algorithmen eingesetzt, um die komplexen Zukunftssituationen zu handhaben. Bei der intuitiven Szenarioentwicklung wird auf den Einsatz entsprechender Algorithmen verzichtet. Bei diesem Ansatz werden Szenarien durch die Bewertung einzelner Gruppen oder einzelner Personen gebildet. In Europa und im deutschsprachigen Raum hat sich stärker die systematische und modellgestützte Verknüpfung von Faktoren und Trends durchgesetzt. Bei diesem Ansatz werden Ursache-Wirkungs-Beziehungen berücksichtigt (vgl. Fink, Schlake, Siebe 2002, 62 f.). Die beschriebenen unterschiedlichen Formen der Szenarioerstellung sind in der nachfolgenden Abbildung 4.4 dargestellt.
114
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung Richtung der Szenarioentwicklung
Zielgerichtetheit der Szenarioentwicklung
Komplexität der Szenarioentwicklung
Explorative Szenarien
Antizipative Szenarien
Entwicklung aus der Gegenwart
Entwicklung aus der Zukunft
Induktiv Verknüpfung von Faktoren/Trends
Deduktiv Vorgabe eines Frameworks
Inkremental Weiterentwicklung eines Zukunftsbildes
Deskriptive Szenarien Ursache-WirkungsBeziehungen
Präskriptive Szenarien
Modellgestützte Szenarioentwicklung
Intuitive Szenarioentwicklung
Verwendung mathem. Algorithmen
Ziel-Mittel-Beziehungen
Keine Nutzung von Algorithmen
Abbildung 4.4 Unterscheidungsformen der Szenarioentwicklung (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002)
4.7
Funktionen von Szenarien
In Bezug auf den Einsatz im Unternehmen lassen sich unterschiedliche Funktionen von Szenarien ableiten (vgl. Angermeyer-Naumann, 1985, 307 ff.) und aus den vorangegangenen Ausführungen zusammenfassen.
Explorations- und Analysefunktion Eine Funktion der Szenarioanalyse ist die Explorations- und Analysefunktion. Da das Unternehmensumfeld durch eine zunehmende Komplexität gekennzeichnet ist, finden Szenarien Anwendung zur Unterstützung bei langfristigen Entscheidungen. Da langfristige Entscheidungen durch eine hohe Bedeutung und Tragweite gekennzeichnet sind, ergibt sich ein hohes Risiko insbesondere dann, wenn von nur einer möglichen Zukunft ausgegangen wird.
Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung Durch den Einsatz von Szenarioanalysen wird es möglich, sich mit unterschiedlichen, alternativen Entwicklungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen und diese bei langfristigen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Szenarioanalyse sorgt für eine
Begriff, Nutzen und Funktionen von Szenarien
115
Sensibilisierung gegenüber unterschiedlichen Einflussfaktoren, die das Unternehmensumfeld beschreiben. Mit Hilfe der Szenarien wird es möglich, komplexe zukünftige Situationen des Unternehmensumfeldes zu betrachten. Somit leistet die Methode einen Beitrag zur Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Szenarioanalyse im Rahmen der strategischen Vorausschau eine wesentliche Funktion erfüllt. Durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Einflussfaktoren und deren Interdependenzen, wird das Management für mögliche neue Geschäftsfelder sensibilisiert, oder es hilft, Umfeldfaktoren zu identifizieren, die im Rahmen der Vorausschau berücksichtigt werden. Szenarien ermöglichen das Verdichten der Umfeldfaktoren, so dass schwache Signale erkannt und als relevant wahrgenommen werden (vgl. Fink, Schlake, Siebe, 2002, 28).
Lernen innerhalb der Organisation Die Entwicklung von Szenarien im Unternehmen schult das Denken in alternativen Zukünften. Des Weiteren müssen im Rahmen des Szenarioerstellungsprozesses unterschiedliche Einschätzungen und Erfahrungen berücksichtigt und eigene Denkmuster überprüft werden. Somit leistet die Methode einen Beitrag zur Eigenkontrolle und dem Lernen im Unternehmen. Im Zuge der Entwicklung von Szenarien kann es zu einer zunehmenden Offenheit gegenüber alternativen Denkrichtungen und auch zu Änderungen im Sinne der Unternehmenskultur kommen (vgl. Graf 1999, 166 ff.; van der Heijden 1996, 51).
Kommunikationsfunktion Gelingt es, Führungskräfte in den Entwicklungsprozess der Szenarien zu integrieren, erfüllt die Methode auch eine Kommunikationsfunktion (vgl. Meristö, 1989, 353; vgl. Duncan, Wack, 1994, 19). Herrscht in den Unternehmen eine offene Unternehmenskultur, die Meinungen und Einschätzungen zulässt und fördert, kann der Kommunikationsprozess neue Gedanken hervorbringen und den Beurteilungsrahmen aller Beteiligten vergrößern. Des Weiteren sind Szenarioerstellungsprozesse im Unternehmen eine Chance, um Spannungen zwischen unterschiedlichen Funktionsbereichen und Managementebenen innerhalb des Unternehmens zu überwinden. Es wird gemeinsames Wissen über zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten generiert und somit eine neue Art der Kommunikation erreicht (vgl. von Reibnitz, 1987, 160 ff.; vgl. Geschka, 1999, 534 ff.; vgl. Hahn, 1999, 13).
5
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Bevor ausgewählte Ansätze für die Entwicklung von Szenarien gegenübergestellt werden, ist es notwendig zu klären, worin sich der Begriff (Szenario-)Technik von Methoden oder Tools unterscheidet bzw. inwieweit dieses Begriffe synonym verwendet werden. Sowohl unter dem Begriff Methode als auch unter dem Begriff Technik wird ein systematisches Vorgehen verstanden, das genutzt wird, um ein Produkt zu generieren. Da beide Begriffe in der Literatur oftmals synonym verwendet werden, ist es kaum möglich, eine eindeutige Abgrenzung beider Begriffe vorzunehmen. Während Methoden einen beständigen, organisierten und auch akademischen Bedeutungsumfang haben, scheint Technik eher auf die genaue Ausführung abzuzielen. Der Begriff Tool (Instrument, Werkzeug) wird auch oftmals im Zusammenhang mit der Entwicklung von Szenarien genutzt und auch synonym zu Methode oder Technik verwendet. Tools sind jedoch, nach dem Verständnis in dieser Arbeit, Gegenstände und Hilfsmittel, wie z.B. Fragebögen, Arbeitsblätter oder Software.
Um ein Verständnis für unterschiedliche Ansätze, typische Prozessschritte und Terminologien zu entwickeln, soll in dieser Arbeit in einer einfachen Klassifizierung zwischen zwei grundsätzlichen Ansätzen für die Entwicklung von Szenarien unterschieden werden; dem modellgestützten Ansatz sowie dem intuitiven Ansatz. Während der modellgestützte Ansatz stärker in Kontinentaleuropa zur Anwendung gelangt, werden intuitive Ansätze überwiegend im angloamerikanischen Raum genutzt. Im Folgenden werden ausgewählte modellgestützte und intuitive Ansätze der Szenarioentwicklung vorgestellt (vgl. auch zusammenfassende Darstellung in Anhang A.2). 5.1
Modellgestützte Ansätze der Szenarioentwicklung
Der Szenarioansatz nach von Reibnitz soll umfassend vorgestellt werden, da dieser Ansatz als ein grundlegender und richtungweisender Ansatz angesehen werden kann. Gausemeier et al. greifen den Ansatz von von Reibnitz auf, entwickeln ihn weiter und prägen den Begriff des Szenario-Managements. Das Beratungsunternehmen Z_Punkt erweitert den modellgestützten Ansatz, indem es eine Trendbetrachtung an den Anfang des Prozesses stellt und auf eine notwendige Kontextbetrachtung fokussiert. Auch der Ansatz von Godet wird den modellgestützten Ansätzen zugeord-
118
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
net. Er nutzt Analyse- und Kreativmethoden wie z.B. die morphologische Analyse innerhalb der einzelnen Prozessablaufschritte, die grundsätzlich den von von Reibnitz beschriebenen Schritten entsprechen. 5.1.1 Szenarioansatz nach Ute Hélène von Reibnitz et al. Ute von Reibnitz und Prof. Dr. Horst Geschka haben bereits in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Methode unter der Bezeichnung Szenario-Technik, insbesondere im deutschsprachigen Raum populär gemacht und einen großen Beitrag für die weitere Verbreitung der Methode im unternehmerischen Kontext geleistet. Der Ansatz wurde von einigen Autoren aufgegriffen und teilweise weiter entwickelt, jedoch ohne der Methode eine grundsätzlich neue Ausrichtung zu geben. Die beiden Autoren unterscheiden in ihrem Szenarioansatz verschiedene Grundtypen von Szenarien, die entwickelt und üblicherweise mittels des Szenario-Trichters veranschaulicht werden (siehe Abbildung 5.1). Dieser symbolisiert Komplexität und Unsicherheit bezogen auf die Zukunft. Je weiter man von der heutigen Situation in die Zukunft geht, desto größer wird die Unsicherheit und desto umfassender und vielfältiger wird die Komplexität (von Reibnitz, 1991, 45). Die Szenario-Technik wird daher insbesondere bei langfristigen Zeitspannen eingesetzt in denen Ceteris-paribus-Bedingungen zu unwahrscheinlich werden und der Unsicherheitsgrad hoch ist.
Nach von Reibnitz (1991) können drei Grundtypen von Szenarien entwickelt werden (vgl. auch Abbildung 5.1):
Ein positives Extrem-Szenario (best-case-scenario), das die bestmögliche zukünftige Entwicklung modelliert. Es soll sich hierbei um eine Art „Wunschszenario“ handeln, das einen positiv bewerteten Zukunftszustand beschreibt, dessen tatsächliche Realisierung zwar unwahrscheinlich, aber niemals unmöglich sein darf.
Ein negatives Extrem-Szenario (worst-case-scenario), mit dem die schlechtmöglichste Zukunftssituation modelliert wird. Es soll sich hierbei um eine Art „Horror-Szenario“ handeln, d.h. einen negativ bewerteten Extremzustand, für den wiederum gilt, dass er zwar unwahrscheinlich, aber niemals unmöglich sein darf.
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
119
Ein Trend-Szenario (Trend-Extrapolation), bei dem die heutige Situation in die Zukunft fortgeschrieben wird. Es handelt sich hierbei um eine Art „Weiter-sowie-bisher-Szenario“, mit dem eine Zukunft modelliert wird, die als eine „verlängerte Gegenwart“ interpretiert werden kann.
Es ist in der Literatur umstritten, ob überhaupt ein Trend-Szenario ausgearbeitet werden soll. Ute von Reibnitz (1991, 28) spricht sich gegen Trend-Szenarien aus, weil sie nach ihrer Ansicht dazu verführen, alles so zu belassen, wie es ist, und keine Kurskorrekturen vorzunehmen. Von Reibnitz spricht sich für eine Zuspitzung auf Extremszenarien aus, da dadurch die Spannweite möglicher Zukünfte besonders deutlich wird und anschließend das Spektrum möglicher Maßnahmen diskutiert werden kann. Positives Extremszenario
Trendszenario
Negatives Extremszenario
t0
ti
tj
tn
Abbildung 5.1 Der Szenario-Trichter und drei mögliche Grundtypen des Szenarios (vgl. von Reibnitz, 1988, 30)
Gegenüber der Szenario-Technik wurde zum Teil das Argument der mangelnden Wissenschaftlichkeit erhoben (vgl. Sträter, 1988, 419). Dies erfolgt meist vor dem Hintergrund eines Verständnisses von Wissenschaft, das die Quantifizierbarkeit zukünftiger Geschehnisse in den Vordergrund rückt. Als übliche quantitative Prognoseverfahren gelten Trendextrapolationen, Korrelationen und Regressionen, die vor dem Hintergrund von Ceteris-paribus-Bedingungen die Zukunft modellieren. Der
120
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Ansatz der Szenario-Technik ist hingegen das Aufgeben der Ceteris-paribus Bedingungen und die Einbeziehung der Änderung der Rahmenbedingungen (vgl. Segner, 1976, 12). In Anlehnung an von Reibnitz (1991, 28) müssen Szenarien folgenden Kriterien entsprechen:
Größtmögliche Stimmigkeit, Konsistenz und Widerspruchsfreiheit, d.h., die einzelnen Entwicklungen innerhalb eines Szenarios dürfen sich nicht gegenseitig aufheben.
Größtmögliche Stabilität des Szenarios, d.h., die Szenarien dürfen nicht bei kleineren Erschütterungen oder Veränderungen einzelner Faktoren zusammenbrechen.
Größtmögliche Unterschiedlichkeit der Grundtypen, d.h., man soll bei der Ausgestaltung der Extrem-Szenarien möglichst nahe an die Ränder des Trichters herankommen.
Zukunftsszenarien können nicht einfach ad hoc formuliert werden, sie müssen systematisch vorbereitet und in einem stringent aufgebauten Prozess entwickelt werden. Die Teilnehmer müssen das erforderliche Zukunftswissen erwerben und gut vorbereitet sein. Szenarien, die im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung entwickelt werden, sind sehr komplex und werden in einem sieben- bis achtstufigen Prozess systematisch entwickelt, dieser Prozess kann auch durch Software unterstützt werden. Ein mögliches Ablaufschema ist in Abbildung 5.2 dargestellt.
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
4. Alternativenbündelung Konsistenzbewertung
5. Szenario-Interpretation Vernetzte Szenarioentwicklung
3. Trendprojektion Eindeutige Projektoren Alternative Projektoren
6. Störereignisanalyse Präventivmaßnahmen Reaktivmaßnahmen
2. Einflussanalyse Einflussfaktoren identifizieren und bündeln
7. Konsequenzen-Analyse Chancen / Risiken Aktivitäten
1. Aufgabenanalyse Definition Untersuchungsfeld Gegenwärtiger Zustand
8. Szenariotransfer Leitstrategie Umfeldbeobachtungssystem
121
Abbildung 5.2 Achtstufiger Prozess der Szenarioanalyse (in Anlehnung an Geschka, 1990, 319)
1. Aufgabenanalyse Das Ziel dieses Schrittes ist es, die aktuelle Situation eines Unternehmens oder einer strategischen Geschäftseinheit zu untersuchen. Zu diesem Zweck werden die aktuelle Corporate Identity, Ziele und Strategien, Stärken und Schwächen des Unternehmens oder der strategischen Geschäftseinheit betrachtet. Auf Basis dieser Analyse ist es möglich, unternehmerische Probleme zu identifizieren und auch einen Zeithorizont für die zu erstellenden Szenarien zu definieren. Die Aufgabenanalyse sollte besonders akribisch erfolgen. Dabei ist laut von Reibnitz von einem Zeitaufwand von ca. 20% des Gesamtaufwandes auszugehen, da dieser Schritt die Grundlage für den weiteren Prozess bildet (vgl. von Reibnitz, 1992, 30 ff.; vgl. Götze, 1993 ff.; vgl. Geschka, 1999, 526 f.).
2. Einflussanalyse In diesem Schritt werden die Einflussfelder, die den Untersuchungsgegenstand umgeben, untersucht. Der Untersuchungsgegenstand kann ein Produkt sein im Zusammenhang mit einer Produktstrategie oder ein Geschäftsfeld im Kontext einer Geschäftsstrategie. Beispiele für mögliche Einflussbereiche sind der Markt, die Technologie, Zulieferstrukturen und politische Rahmenbedingungen. Von der umfangreichen Anzahl der Einflussbereiche werden die Bereiche herausgefiltert, die die Zukunft des Untersuchungsgegenstandes am stärksten beschreiben. Die ermittelten
122
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Größen werden durch Schlagworte umschrieben, analysiert und hinsichtlich der Stärke ihres Einflusses auf den Untersuchungsgegenstand bewertet, wodurch die Anzahl der Einflussbereiche reduziert wird. Die Wirkungszusammenhänge der relevanten Bereiche werden mit Hilfe einer Vernetzungsmatrix abgeschätzt (siehe Tabelle 5.1). Die Vernetzungsmatrix dient der Analyse der Wirkungszusammenhänge und Interdependenzen zwischen den Bereichen und vermittelt einen ersten Einblick in die Systemzusammenhänge. In der Vernetzungsmatrix werden die Einflussbereiche hinsichtlich ihrer gegenseitigen Einflussstärke mit einer Bewertungsskala von Null (kein Einfluss) über Eins (schwacher oder indirekter Einfluss) bis zwei (starker Einfluss) eingetragen (vgl. von Reibnitz, 1992, 36).
Systemelemente
A
A....
B
C
D
E
F
G
Aktivsumme
2
2
2
2
1
2
11
1
1
0
0
0
3
2
2
1
2
9
2
1
1
8
0
0
3
0
3
B....
1
C....
0
2
D....
0
2
2
E....
0
2
0
1
F....
0
1
0
0
2
G....
1
1
1
0
0
0
Passivsumme
2
10
6
6
8
3
3 5
40:7=5,7
Tabelle 5.1 Vernetzungsmatrix (von Reibnitz, 1992, 32)
Die Addition der Zeilenwerte ergibt die Aktivsumme, die aufzeigt, wie stark ein einzelnes Element direkt auf alle anderen einwirkt. Die Passivsumme resultiert aus der Spaltensumme, die für jedes Element angibt, wie stark es direkt von allen anderen beeinflusst wird. Zur grafischen Verdeutlichung der Umfelder werden die Daten der Vernetzungsmatrix in ein System Grid übertragen (siehe Abbildung 5.3), aus dem sich vier charakteristische Felder ergeben (vgl. von Reibnitz, 1992, 38). Je nach Positionierung der Elemente im System Grid ergeben sich unterschiedliche Wirkungszusammenhänge. Die Systemelemente lassen sich jetzt, entsprechend der Bedeutung der einzelnen Felder, in einer Rangfolge einordnen. Als ein Ergebnis dieses Schrittes liegen nun Einflussbereiche mit den entsprechenden Faktoren in strukturiert aufbe-
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
123
reiteter Form vor. Dieses Ergebnis sollte kritisch diskutiert werden, da es auf subjektiven Einschätzungen beruht (vgl. Götze 1993, 145ff.; von Reibnitz 1992, 33 ff.; Geschka 1999, 527 f.).
3. Trendprojektionen Für die ermittelten Umfelder werden nun Kenngrößen oder Deskriptoren ermittelt, die Teilaspekte des Umfeldes charakterisieren. Deskriptoren können Ereignisse, Trends oder andere Faktoren sein, die den Untersuchungsgegenstand beschreiben. Die Problemfelder des Untersuchungsgegenstandes werden durch die Untersuchungsfelddeskriptoren charakterisiert. Kritische Deskriptoren sind einige wenige, die sich aber aus fast allen Einflussbereichen ableiten lassen und so Kenngrößen für das Unternehmensumfeld bilden (vgl. von Reibnitz, 1992, 45).
Es sollten sowohl Deskriptoren mit quantitativen Ausprägungen verwendet werden, aber auch nicht quantifizierbare, auf qualitativen Einflüssen basierende Größen Berücksichtigung finden (vgl. Geschka, 1999, 527). Die einzelnen Deskriptoren werden auf einen definierten Endzeitpunkt in der Zukunft projiziert. Diese Projektionen müssen auf plausiblen Begründungen basieren, denn sie sind die Systembausteine der Szenarien. Einige unkritische Deskriptoren werden wohl in ihrer Fortschreibung keine Trendbrüche aufweisen. Diese werden in der Zukunft nur eine Ausprägung annehmen, die sich meist mit analytischen Prognosemodellen gut fortschreiben lässt. Es existieren aber auch Kenngrößen, deren weitere Entwicklung nicht eindeutig abschätzbar ist. Für diese Größen sind alternative Entwicklungsmöglichkeiten (Ausprägungen) möglich. An dieser wird die Charakteristik der Szenario-Technik deutlich. Bei dieser Methodik wird davon ausgegangen, dass es unmöglich ist „vorherzusagen“, welche Ausprägung die kritischen Deskriptoren annehmen werden. Es ist jedoch möglich, durch sinnvolle Annahmen einen Bereich festzulegen, innerhalb dessen alle Umweltentwicklungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden (vgl. Heinecke, Schwager, 1995, 30).
124
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
1. Die Addition der Aktivsumme aller Elemente, geteilt durch die Anzahl der Elemente, ergibt den Schnittpunkt der Aktivachse. 2. Die Addition der Passivsumme aller Elemente, geteilt durch die Anzahl der Elemente, ergibt den Schnittpunkt der Passivachse. 3. Von den Schnittpunkten werden Geraden gezogen, so dass vier Felder entstehen. 4. Die Aktiv- und Passivsummen der Elemente werden im Grid abgetragen, hierdurch wird die Merkmalsbestimmung der Elemente sichtbar. Aktivachse 12 11
aktiv
ambivalent A
10 9
C
8
D
7 6 5 4 3
F
G
E
B
2 1
puffernd 1
2
3
passiv 4
5
6
7
8
9 10 11 12
Passivachse
Feld I: aktive Systemelemente – Elemente, die in diesem Feld positioniert sind, zeichnen sich durch sehr hohe Aktivität aus, d.h. diese Elemente beeinflussen alle anderen im System relativ stark. Außerdem besitzen sie eine relativ niedrige Passivität, d.h., diese Elemente werden relativ wenig von allen anderen Elementen beeinflusst. Feld II: ambivalente Systemelemente – Elemente, die in diesem Feld positioniert sind, zeichnen sich durch relativ hohe Aktivität und relativ hohe Passivität aus. In vielen Fällen sind Aktivität und Passivität ausgewogen; Elemente in diesem Bereich beeinflussen das System genauso, wie das System sie beeinflusst. Feld III: puffernde und niedrig ambivalente Systemelemente – Elemente in diesem Bereich sind dadurch charakterisiert, dass sie das System relativ gering beeinflussen und relativ wenig vom System beeinflusst werden. Das heißt sie besitzen eine geringe Aktivität und Passivität. Feld IV: passive Systemelemente – Elemente in diesem Bereich zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich von allen Systemelementen sehr stark beeinflussen lassen. Durch ihre hohe Passivität beeinflussen sie das System selbst relativ gering und sind durch ihre geringe Aktivität charakterisiert. Eine 45°-Linie würde die relativ aktiven Systemelemente (oberhalb) von den relativ passiven Systemelementen (unterhalb) abtrennen. Entsprechend der Bedeutung der einzelnen Felder würde in dem vorangegangenen Beispiel die Reihenfolge wie folgt aussehen. Rang 1 = A; Rang 2 = C; Rang 3 = D; Rang 4 = E; Rang 5 = B; Rang 6 = F; Rang 7 = G Grundregel 1 der Systemdynamik – Den Hebel dort ansetzen, wo die größte Verstärkungswirkung erzielt werden kann. Dies sind in der Regel aktive Elemente, in einigen Fällen auch ambivalente Elemente mit einer deutlichen Aktivbilanz. Grundregel 2 der Systemdynamik – Nach Möglichkeit sollten keine passiven oder puffernden Elemente ausgewählt werden, da sie im gesamten System relativ wenig bewirken.
Abbildung 5.3 System Grid mit Erläuterungen (vgl. von Reibnitz, 1992, 37 f.)
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
125
Bei quantitativen Deskriptoren lassen sich alternative Annahmen finden, indem von den Extremausprägungen ausgegangen wird und diese in Teilbereiche aufgespaltet werden. Kritische Deskriptoren, deren Entwicklung von anderen unsicheren Kenngrößen abhängt und von denen kein bedeutsamer Einfluss auf das Untersuchungsfeld zu erwarten ist, können an dieser Stelle ausgeschlossen werden. Diese können bei der finalen Ausarbeitung der Szenarien wieder mit eingearbeitet werden (vgl. Heinecke, Schwager, 1995, 29 f.).
Das Ergebnis dieses Schrittes sind zum einen die unkritischen Deskriptoren mit ihren einzelnen Entwicklungen und zum anderen kritische Deskriptoren mit ihren alternativen Ausprägungen. Heinecke und Schwager (vgl. SinusGmbH, 2006) berücksichtigen in ihrem Ansatz, der auf dem von von Reibnitz aufbaut, Eintrittswahrscheinlichkeiten für Projektionen. Dies steht jedoch im Widerspruch dazu, dass mit Szenarien insbesondere dann gearbeitet wird, wenn die Entscheidungen in Anbetracht von Unsicherheit getroffen werden müssen, also Wahrscheinlichkeiten kaum angegeben werden können. Wenn Wahrscheinlichkeiten festgelegt werden können, werden Zukunftsbilder eher prognostiziert als tatsächlich zukunftsoffen antizipiert im Sinne von Szenarioanalysen. Die Deskriptoren charakterisieren die einzelnen Umfelder und sollten systematisch tabellarisiert werden, wodurch Transparenz im gesamten Prozess sichergestellt wird (vgl. Götze 1993, 155 ff.; von Reibnitz 1992, 45 ff.; Geschka 1999, 527 f.; Heinecke, Schwager 1995, 29 ff.).
4. Alternativenbündelung Die Zusammenstellung von Annahmebündeln mit relativ geringem rechnerischem Aufwand ist durch eine Konsistenzanalyse möglich. Hier werden die verschiedenen alternativen Entwicklungen der kritischen Deskriptoren auf Verträglichkeit und Logik überprüft. Zuerst wird eine subjektive Einschätzung von Experten vorgenommen. Diese erstellen die Konsistenzzahlen und werten diese mit Hilfe von Software aus. Als Instrumente für die zum Teil schwer zu bestimmenden Konsistenzzahlen können Sensitivitätsanalysen hinzugenommen werden. Durch sie wird überprüft, wie sich die Änderung des Konsistenzmaßes eines kritischen Deskriptors auf das System auswirkt (vgl. von Reibnitz, 1992, 51).
Diese Konsistenzzahlen werden in eine Matrix übertragen, die nach den Einflussbereichen der alternativen Ausprägungen aufgeteilt ist. Computerunterstützt wird eine
126
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Konsistenzmatrix mit ihren durchschnittlichen Konsistenzzahlen ermittelt, also die Annahmebündel, die am besten zusammenpassen. Anschließend wird eine Rangfolge erstellt und Kombinationen, die widersprüchlich sind, werden aussortiert. In diesem Schritt werden somit die kritischen Deskriptorenausprägungen über die Konsistenzanalyse zu konsistenten Annahmebündeln zusammengefügt und daraus einige wenige Rohszenarien für die Umfelder bestimmt. Es empfiehlt sich, als Ausgangsbasis für den nächsten Schritt die Rohszenarien strukturiert nach Einflussgrößen mit den jeweiligen Deskriptorenausprägungen, in Form einer Tabelle zu erstellen (vgl. Götze 1993, 121 ff.; von Reibnitz 1992, 49 ff.; Geschka 1999, 528 f.; Heiecke, Schwager 1995, 31 ff.; Angermeyer-Naumann 1985 290 ff.; Meyer-Schönherr 1992, 60 ff.).
Bevor sich die Annahmebündel ermitteln lassen, sollte in diesem Vorgehen die Anzahl der Szenarien fixiert sein. Angermeyer schlägt vor, mit Hilfe der SzenarioTechnik vier oder mehr Szenarien zu erstellen, um die Vielfalt der evolutionären Entwicklungen zu erkennen (vgl. Angermeyer-Naumann, 1985, 302). Das ist gerechtfertigt, wenn Szenarien nicht Grundlage von Entscheidungen sind, sondern einen Eindruck zu generellen Entwicklungen von Umfeldern der jeweiligen Unternehmen geben sollen. Sollen Szenarien zu strategischen Planungen herangezogen werden, ist es nach von Reibnitz zweckmäßig, sich auf maximal vier zu beschränken, da eine größere Anzahl nur schwer zu handhaben ist und sich Szenarien möglicherweise auch inhaltlich überschneiden könnten (vgl. von Reibnitz, 1981, 38). Im Ansatz nach von Reibnitz stellen zwei bis drei Szenarien das Optimum dar. Werden drei Szenarien gewählt, so ist darauf zu achten, dass nicht zwangsläufig das mittlere präferiert wird (vgl. von Reibnitz, 1992, 49 ff.).
5. Szenario-Interpretation In diesem Analyseschritt werden Rohszenarien um die erarbeiteten Prognosen der eindeutigen (unkritischen) Deskriptoren ergänzt und daraus Endszenarien gestaltet. Von besonderer Relevanz ist die Einarbeitung der Interpretationsergebnisse des 2. Schrittes, in dem aufgezeigt wurde, wie die einzelnen Einflussbereiche und somit die Deskriptoren zusammenhängen. Die Umfeldszenarien können aus der Gegenwart heraus über mehrere Zeitstufen entwickelt werden, bis der gewählte Zeitpunkt erreicht ist. In jedem Zeitabschnitt ist eine Evaluierung, ob die Annahmen tatsächlich
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
127
noch verträglich sind, notwendig. Bei auftretenden großen Divergenzen ist eine Korrektur des Annahmebündels erforderlich.
Alle Szenarien werden grundsätzlich schriftlich dokumentiert und gleichwertig dargestellt, hinsichtlich des Umfangs, der Struktur und Art der Formulierung, so dass keine Vorauswahl suggeriert werden kann. Sie sollen zudem in eine für alle Beteiligten verständliche Form gebracht werden und einen Vergleich mit der Gegenwart ermöglichen. Sinnvoll kann es sein, die einzelnen Szenarien differenziert nach Themen, alternativen Entwicklungen aufzulisten, wobei sie mit Titeln versehen werden können (vgl. Meyer-Schönherr, 1992, 194 ff.). Empfehlenswert ist zusätzlich eine knappe, strukturierte Darstellung (vgl. Götze 1993, 121 ff.; Geschka 1999, 49 ff.; von Reibnitz 1992, 49 ff.; Heinecke, Schwager 1995, 31 ff.; Angermyer-Naumann 1958, 290 ff.; Meyer-Schönher 1992, 60 ff.).
6. Störereignisanalyse Das Ziel dieses Schrittes ist es, mögliche plötzlich auftretende interne oder externe Störereignisse zu erfassen, die sich auf das Unternehmen auswirken würden, um notwendige präventive Maßnahmen und Maßnahmen für den Fall des Eintretens eines Störereignisses zu entwickeln. Beispiele für Störereignisse sind z.B. die Ölkrise 1973, die Tschernobyl-Katastrophe 1986 oder Naturkatastrophen.
Die Reflektion auf das Trichtermodell (siehe Abbildung 5.1) verdeutlicht, dass sich die Szenariopfade der entwickelten Szenarien innerhalb des aufgespannten Raumes befinden. Entwickelt sich ein Unternehmensumfeld stetig, so wird sich in der Zukunft eine Situation einstellen, die innerhalb des aufgespannten Raumes liegt. Der Weg dorthin verläuft relativ gerade und es kann schon früh abgeschätzt werden, wie dieses Zukunftsbild gestaltet sein wird. Treten jedoch plötzlich einschneidende Ereignisse auf, die vorher nicht erkennbar waren, wird die Entwicklungsrichtung beeinflusst. Die dann entstehende Situation kann außerhalb des bestimmten Entwicklungsraumes liegen, sofern die Szenarien auf fehlerbehafteten oder unzureichenden Informationen basieren. Die Störfeldanalyse dient deshalb dazu, die Güte der entwickelten Szenarien abzuschätzen. Durch die Betrachtung von Störereignissen und Simulationen ihrer Wirkung werden die entworfenen Szenarien auf ihre Stabilität geprüft. Bewirken die Störereignisse eine Vergrößerung des Trichterrandes, wurden wichtige Einflüsse nicht beachtet oder entscheidende Zusammenhänge zu gering
128
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
bewertet. Die Störfälle müssen dabei nicht immer negative Konsequenzen für das Unternehmen bedeuten. Sie können auch vorteilhafte Auswirkungen beinhalten. Unter Verwendung von Kreativitätstechniken können Störereignisse ermittelt werden. Es ist darauf zu achten, nicht nur die wahrscheinlich eintretenden Fälle zu erfassen, sondern auch diejenigen, die einen bedeutenden Einfluss auf das Unternehmensgeschehen nehmen können. Diese Störereignisanalyse kann die Grundlage neuer Umfeldszenarien bilden, die im Vergleich zu den vorherigen mehr oder weniger variieren (vgl. Götze, 1993, 133 und 307 ff.). Es können Schlüsseldeskriptoren herausgearbeitet werden, die darauf stark reagieren. Szenarien, die sehr instabil auf Störgrößen reagieren, müssen neu gestaltet werden.
Als Ergebnis im Vorgehen nach von Reibnitz liegen zwei möglichst stabile, unterschiedliche Szenarien vor. Zu jedem signifikanten Störereignis sollten zudem Präventivmaßnahmen ausgearbeitet werden, durch die sich Auswirkungen von Störereignissen verhindern oder vermeiden lassen (vgl. Götze 1993, 121 ff.; von Reibnitz 1992, 49 ff.; Geschka 1995, 28 f.; Heinecke, Schwager 1995, 31 ff.; Angermeyer-Naumann 1985, 290 ff.; Meyer-Schönher 1992, 60 ff.).
7. Konsequenzen-Analyse In diesem Schritt wird untersucht, welchen Einfluss die entwickelten Szenarien auf die einzelnen Parameter, z.B. einer Geschäftsstrategie, haben. Die Szenarien bieten Informationen und Material für zukünftige Chancen, aber auch Gefahren, die dann im nächsten Schritt den notwendigen Anstoß für die Entwicklung von Strategien geben.
War der Ausgangspunkt eine konkrete Fragestellung, genügt es, aus den Umfeldszenarien Problem- und Chancenfelder abzuleiten, die sich in Gestaltungsideen umsetzen lassen. Lag eine Aufgabe mit Orientierungscharakter vor, müssen die aus den Umfeldszenarien gewonnenen Erkenntnisse auf das Untersuchungsfeld abgestimmt werden. Oft ist es nötig, analog zu den Umfeldszenarien noch Untersuchungsfeldszenarien zu erstellen, sofern nicht schon brauchbare Szenarien von anderen Stellen dafür zur Verfügung stehen. Um Kenntnis darüber zu erlangen, wie die Umfelder mit dem Untersuchungsgegenstand zusammenhängen, sollte für jedes Umfeldszenario eine Matrix erstellt werden, in der alle Deskriptoren des Umfeldes denen des Untersuchungsfeldes gegenübergestellt und mit ihrer Einflussstärke bewertet werden.
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
129
Daraus lassen sich diejenigen Umfelddeskriptoren ermitteln, die den größten Einfluss auf den Untersuchungsgegenstand nehmen. Dieser Schritt ist innerhalb der Szenario-Bearbeitung von besonderer Bedeutung für die strategische Planung. Abschließend müssen die Resultate in einer Form aufbereitet werden, die den Bedürfnissen von Entscheidungsträgern entgegenkommt (vgl. Heinecke, Schwager, 1995, 47).
8. Szenario-Transfer Unter Szenario-Transfer ist die Anwendung der Szenarien für die strategische Planung zu verstehen. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass die Entwicklung einer Strategie ein hoch kreativer Prozess ist. Es ist falsch anzunehmen, dass die Strategie immer automatisch aus den Szenarien resultiert (vgl. von Reibnitz, 1988, 31-56). Die Implementierung ist hier nicht als die Umsetzung der durch die Szenario-Technik gewonnenen Ergebnisse in konkrete Handlungsanweisungen zu verstehen, sondern als die Berücksichtigung der Ergebnisse im strategischen Planungssystem.
Ziel ist es, die Erkenntnisse in das Planungssystem zu transformieren und den Ergebnissen entsprechende Strategien zuzuordnen. Hierbei ist es streitbar, ob dies noch im engeren Sinne als Gegenstand der Szenario-Technik anzusehen ist (vgl. Geschka, 1999, 530). Es dient jedoch zur Integration der Szenario-Technik als Instrument im strategischen Planungsprozess. Dazu werden alle Ergebnisse der einzelnen Phasen zusammengetragen und ausgewertet, um auf dieser Basis Strategien zu entwickeln oder bestehende zu überprüfen bzw. das Zielsystem an die neuen Erfordernisse anzupassen (vgl. Heinecke, Schwager, 1995, 48).
Ausgangspunkt bildet die Konsequenzanalyse des vorangegangenen Schrittes. Für jedes Szenario werden unter Berücksichtigung der Präventiv-/Reaktivmaßnahmen vorläufige Strategien entwickelt. Es erfolgt eine Rückkoppelung zum ersten Schritt. Es wird überprüft, inwieweit die im ersten Schritt beschriebenen gegenwärtigen Ziele und Strategien mit den erstellten Leitstrategien übereinstimmen. Nun werden durch den direkten Vergleich mögliche Schwachstellen in der strategischen Planung aufgedeckt. Unter Beachtung der Erkenntnisse aus der Szenario-Technik und des zugrunde gelegten Ist-Zustand werden die Strategien bestimmt, die für das Unternehmen besonders Erfolg versprechend sind. Die Ausarbeitung und die Auswahl der Strate-
130
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
gien auf Grundlage mehrerer Szenarien werden dadurch erschwert, dass sich deren Wirkungen nicht eindeutig bestimmen lassen, da unbekannt ist, welches Szenario eintritt. In der Regel ist die Ausarbeitung mehrerer Strategien vorteilhaft (vgl. Götze, 1993, 309 ff.).
Nach Auswahl und Formulierung der Szenarien müssen in einem nächsten Schritt Maßnahmen zur Implementierung getroffen werden. Dazu gehören einerseits die Formulierung von Leitlinien für die Entscheidungsbereiche des Unternehmens und andererseits die Durchführung organisatorischer Maßnahmen, vor allem die Zuordnung zu Kompetenzen (vgl. Heinecke, Schwager, 1995, 50). 5.1.2 Szenarioansatz nach Jürgen Gausemeier und Alexander Fink et al. Jürgen Gausemeier ist Professor für Rechnerintegrierte Produktion am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn. Seine ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Alexander Fink und Oliver Schlake gründeten 1998 die ScMI AG, ein Beratungsunternehmen für Zukunftsgestaltung und strategische Unternehmensführung. Die ScMI AG hat sich in Deutschland als Anbieter von Beratungs- und Dienstleistungen für die Entwicklung und Anwendung von Szenarien in Unternehmen und Organisationen positioniert und auch einen entsprechenden Bekanntheitsgrad erreicht. Nachfolgend soll der Ansatz der ScMI AG vorgestellt werden, der ursprünglich am Institut von Professor Gausemeier verfolgt und später in der Beratungspraxis bei ScMI weiterentwickelt wurde.
Im Ansatz der ScMI AG umfasst der Szenario-Management-Prozess sieben Phasen, von denen die Phasen eins bis vier der Szenarioentwicklung zugeordnet werden, während die Phasen fünf bis sieben den Szenariotransfer beschreiben (siehe Abbildung 5.4). Die Entwicklung der Szenarien beginnt mit der Analyse des Gestaltungsfeldes. Dabei kommen traditionelle Instrumente der strategischen Analyse wie Portfolios, Segmentierungen oder Erfolgsfaktoren zum Einsatz. Die eigentliche Szenarioentwicklung beginnt mit der Vernetzungsanalyse im Szenario-Feld. Ziel dieses Schrittes ist die Identifikation von Schlüsselfaktoren, die die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten des Szenariofeldes signifikant beschreiben. In Schritt drei erfolgt die eigentliche Vorausschau. Im Rahmen dieses Schrittes werden für jeden ermittelten Schlüsselfaktor Projektionen mehrerer alternativer Entwicklungsmöglich-
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
131
keiten beschrieben. Diese Zukunftsprojektionen sind in der Regel keine quantitativen Prognosen, sondern qualitative Beschreibungen, mit denen sich Entwicklungen verdeutlichen lassen. Trotzdem verwendet ScMI an dieser Stelle den Begriff der Szenario-Prognostik.
Der vierte Schritt ist die Szenario-Bildung, die mit der Bewertung der Verträglichkeit der einzelnen Zukunftsprojektionen im Rahmen einer Konsistenzanalyse beginnt. Es entstehen zwei bis acht plausible Szenarien. Diese werden analysiert, interpretiert und in einer kommunikationsfähigen Form beschrieben. An diesen Schritt schließt sich der Szenario-Transfer an mit drei zentralen Phasen. Zunächst muss das in den Szenarien enthaltene Zukunftswissen einer Organisation oder der jeweiligen Zielgruppe zugänglich gemacht werden. Dazu stehen unterschiedliche Wege der Kommunikation zur Verfügung. Die sechste Phase umfasst das traditionelle Anwendungsfeld der Szenarien, die Strategieentwicklung, bzw. die Bewertung bestehender Unternehmens-, Geschäfts- oder Produktstrategien. Eine weitere Phase, die unterschieden wird, ist die Nutzung der Szenarien für die strategische Früherkennung (Schritt 7). Gestaltungsfeld-Analyse Gestaltungsfeld Gestaltungsfeld-Analyse Ausgangssituation (Stärken und Schwächen)
Szenariotransfer
Szenarioentwicklung
1
Szenario-FeldSzenario Feld-Analyse Szenario-Feld-Analyse Auswahl von Schlüsselfaktoren
2
Szenario-Prognostik Szenario Szenario-Prognostik Entwicklung von Zukunftsprojektionen
3
Szenario-Bildung Szenario Szenario-Bildung Verknüpfung der Zukunftsprojektionen zu Szenarien
4
Szenario-Kommunikation Szenario Szenario-Kommunikation Zukunftswissen der Organisation
5
Strategische Strategische Frü üherkennung Fr Früherkennung
StrategieStrategie Strategie-entwicklung entwicklung bzw. bewertung bzw. --bewertung 6
7
Flexibilität und Agilität im Wettbewerb
Zukunftsrobuste Visionen und Strategien Zukunftsthemen
Abbildung 5.4 Die sieben Phasen des Szenario-Managements (Fink, Schlake, Siebe, 2002, 67)
132
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Der Ansatz der ScMI AG ist äußerst systematisch und basiert auf der von von Reibnitz und Geschka begründeten Szenario-Technik. Der Szenariotransfer wird von ScMI stärker spezifiziert und genauer beschrieben. Der Prozessabschnitt des Szenariotransfers ist der eigentlichen Szenarioentwicklung gleich gewichtet. Vorteilhaft gegenüber anglo-amerikanischen Ansätzen bei dieser Vorgehensweise ist die hohe Nachvollziehbarkeit der Szenarioentwicklung, nachteilig die aufwendige Konsistenzanalyse. 5.1.3 Trendbasierter Szenarioprozess nach Burmeister, Neef et al. Auch die Szenarioentwicklung nach Burmeister, Neef et al. orientiert sich an den bereits dargestellten Szenarioansätzen. Im Ansatz von Burmeister, Neef et al. wird zwar ein Prozess vorgestellt, der aber nicht sehr feingliederig ist. Eine wesentliche Prämisse in diesem Ansatz ist das angepasste Design, da jeder Szenarioprozess Besonderheiten aufweist und an die spezifischen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen des Unternehmens oder der betrachteten Geschäftseinheit angepasst werden muss. Der Szenarioprozess wird als ein sozialer Prozess aufgefasst, der eine möglichst weitgehende Integration aller Beteiligten vorsieht und in allen Arbeitsschritten ein Maximum an Transparenz ermöglichen soll, insbesondere im Hinblick auf die im Rahmen der Analysen verwendeten Tools.
Die eingesetzten Instrumente sollten dabei der jeweiligen Aufgabe angemessen und so einfach und robust wie möglich sein. Die Ergebnisse werden von vornherein auf eine bestimmte Form (Text, Multimediapräsentation) hin aufbereitet, so dass eine optimale Kommunikation möglich wird (vgl. Burmeister, Neef, Beyers, 2004, 48).
Aus Abbildung 5.5 wird deutlich, dass im ersten Schritt des Szenarioprozesses Trends sowie die beteiligten Akteure und Akteursstrategien identifiziert und systematisiert werden. Basierend auf Trends und Akteuren werden Schlüsselfaktoren identifiziert und analysiert, die in Schritt drei in die Szenariokonstruktion eingehen. Im Rahmen der Szenariokonstruktion werden Konsistenz-, Plausibilitäts- und Robustheitsanalysen und die Analyse von Wechselwirkungen auf Märkte und Produkte vorgenommen. In Schritt vier werden die Szenarien angereichert und in eine kommunizierbare Form gebracht. Im Rahmen dieses Schrittes fließen „Wild Cards“ mit ein, die
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
133
die Szenarien in starkem Maße beeinflussen könnten. Aus den Szenarien werden Chancen und Risiken sowie strategische Optionen abgeleitet.
Störereignisse „Wild Cards“ 2.
1.
Trends Identifikation Systematisierung
Akteursstrategien
Schlüsselfaktoren Komplexitätsreduktion
3.
Szenariokonstruktion Szenario- Konstruktion Wechselwirkungsanalyse, Wirkung auf Märkte/ Produkte
4.
Szenarioanreicherung
Strategien
Identifikation Systematisierung
Identifikation Systematisierung
Analyse und Auswahl
Konsistenz- , Plausibilitäts- und Robustheitsanalyse
Präzisierung der Zukunftsbilder, Szenario- Writing Visualisierung
Ableitung von Chancen, Risiken und strategischen Optionen
Abbildung 5.5 Trendbasierter Szenarioprozess (vgl. Burmeister, Neef, Beyers, 2004, 48)
Im Ansatz von Z_punkt werden Szenarien nicht isoliert betrachtet, sondern sind Teil einer systematischen Zukunftsarbeit (siehe Abbildung 5.6) im Unternehmen, die auch als Corporate Foresight bezeichnet wird (vgl. Becker, 2002, 33; Burmeister, Neef, Beyers, 2004). Unter Corporate Foresight wird ein ganzheitlicher Ansatz verstanden, der wissenschaftlich fundierte Methoden nutzt, um frühzeitig relevante Entwicklungen auf den Märkten und in den Umfeldern wahrzunehmen. Dabei werden im Rahmen von Corporate Foresight Szenarien erarbeitet, aus denen strategische Entscheidungen abgeleitet werden können. Corporate Foresight initiiert und begleitet Innovationsprozesse, die neben der technischen auch soziale und organisatorische Dimensionen der Innovationen berücksichtigen. Darüber hinaus soll Corporate Foresight die Organisation von internen Kommunikations- und Transferprozessen auf eine breite unternehmenskulturelle Basis stellen (vgl. Burmeister, Neef, Beyers, 2004, 35).
134
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Abbildung 5.6 zeigt den Basisprozess des Corporate Foresight, der basierend auf einem Trendmonitoring über die Analyse von Veränderungen Zukünfte antizipiert, um Einflüsse auf das Unternehmen ableiten zu können, die dann z.B. in die Strategieentwicklung einfließen. Für jeden der einzelnen Prozessschritte stehen Methoden zur Verfügung, die, je nach Kontext, in unterschiedlicher Kombination eingesetzt werden können. Für die strategische Frühaufklärung können z.B. im Rahmen des Monitorings ein Technologie- und Umfeldmonitoring sowie Branchenscanning durchgeführt werden, die Grundlage sind für die Key-Factor-Analyse. Die ausgewählten Faktoren finden Berücksichtigung in der Szenarioentwicklung bevor im letzten Schritt Implikationen für die Frühaufklärung abgeleitet werden (vgl. grauen Linienverlauf der strategischen Frühaufklärung in Abbildung 5.6). Um konkrete Innovationsprojekte anzuregen, werden im Monitoring Umfeld- und Kundeninformationen betrachtet, die während der Analyse wesentlicher Treiber in den Kontext eingebettet werden, um in einem nächsten Schritt in Kreativitätsworkshops Ideen für Produktinnovationen zu entwickeln (vgl. schwarzen Linienverlauf eines Innovationsprojektes in Abbildung 5.6). Basisprozess Monitoring Die relevanten Trends erkennen
Toolbox
Analyse Die Treiber des Wandels verstehen.
Projektion Die Zukunft antizipieren.
Transformation Impacts für das Business ableiten.
Strategische Frühaufklärung
Umfeldmonitoring
Key FactorAnalyse
Szenarioentwicklung
Strategische Alterntiven
Technologie monitoring
KontextAnalyse
Roadmapping
Frühaufklärung
Branchenscanning
Wild CardsAnalyse
Kreativprozesse/ Workshops
New Business Development
Consumer Research
ConsumerInsights
Z- Kontext Innovation
ProduktInnovationen
Innovations- Projekt
Abbildung 5.6 Corporate Foresight Toolbox (Neef, Burmeister, 2005)
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
135
5.1.4 Die französische Schule La Prospective Der ursprünglich von Gaston Berger und Bertrand de Jouvenel als „La Prospective“ entwickelte Ansatz wird heute durch den Hochschulprofessor und Berater Michel Godet (vgl. Godet, Monti, Meunier, Roubelat, 2003) vertreten. In diesem Szenarioansatz, der auch als die „französische Schule“ bezeichnet wird, finden Trendanalysen, Risikoanalysen im Hinblick auf Diskontinuitäten sowie der Aufruf zu strategischen Handlungsplänen Berücksichtigung. Der integrierte Ansatz der Szenarioplanung verknüpft Szenarien, Kompetenzbäume, ursprünglich entwickelt von Marc Giget (1998) und die strategische Analyse (vgl. Godet, 2001, 70). Der Ansatz von Godet basiert hauptsächlich auf Einflussanalysen. Die von Godet und weiteren Vertretern der französischen Zukunftsforschung seit Mitte der 70er-Jahre entwickelte „prospective-toolbox“ ist eine szenarioorientierte Kombination verschiedener Methoden und Techniken (vgl. Arkade, Godet, Meunier, Roubelat, 1999, 2). In den 80er-Jahren wurde die Methode am Conservatoire National des Arts et Métiers mit der Unterstützung von EDF, ELF und dem Verteidigungsministerium weiter entwickelt (vgl. Godet, Roubelat, 1996). In seinem Buch „Scenarios in Strategic Management“, beschreibt Godet 1987 den zu diesem Zeitpunkt verbreiteten Enthusiasmus für den La prospective-Ansatz, ein Konzept, das sich selbst von den negativen Assoziationen, die mit konventionellen Zukunftsmethoden verbunden waren befreit, indem der Zukunftsorientierung dieser neue Name „La prospective“ gegeben wird.
Auch in Godets Ansatz wird im ersten Schritt das zu betrachtende Problem im jeweiligen organisatorischen Kontext analysiert. In einem zweiten Schritt muss es gelingen, das gesamte Unternehmen vom Know-how bis hin zu den jeweiligen Produktlinien in einem Kompetenzbaum darzustellen. Mit Hilfe einer Strukturanalyse werden im dritten Schritt wesentliche Schlüsselvariablen des Unternehmens und des unternehmerischen Umfeldes identifiziert. Im Rahmen des vierten Schrittes wird die Dynamik des Unternehmens untersucht. Dabei werden die Entwicklung des Unternehmens und Stärken und Schwächen sowie wesentliche Akteure in der jeweiligen strategischen Umgebung betrachtet.
Im fünften Schritt des Szenarioentwicklungsprozesses soll die Unsicherheit im Hinblick auf Schlüsselfragen an die Zukunft verringert werden. Dazu können ganz unterschiedliche Methoden und Instrumente zum Einsatz gelangen, wie z.B. die Befra-
136
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
gung von Experten. Ziel dieses Schrittes ist es, Megatrends, mögliche Wild Cards, Gefahren und Risiken zu ermitteln sowie eine Bewertung der Risiken vorzunehmen. Die gewonnenen Inhalte werden zu Szenarien zusammengefasst. Die Kohärenz, Plausibilität und Relevanz der Szenarien werden in Godets Ansatz durch das Erstellen einer morphologischen Analyse sichergestellt. Dabei werden mögliche Ausprägungen der Schlüsselfragen in der Matrix dargestellt und konsistente Kombinationen abgeleitet (vgl. Abbildung 5.7). Relevant keyquestions
Most likely responses and wildcards
Q- 1 Demography
1
2
3
Q- 2 Economics
1
2
3
Q- 3 Technical
1
2
3
?
Q- 4 Social
1
2
3
?
Coherent scenarios
Scenario X (1,2,2,1)
Scenario Y (2,2,3,2)
Scenario Z (3,4,3,3)
?
4
?
…
? stands for all other possibilities At least 320 possible scenarios: 4*5*4*4
Abbildung 5.7 Ermittlung von Ausprägungen der Schlüsselfragen durch die morphologische Analyse (Schritt fünf) (Godet, 2001, 78)
In Schritt sechs werden strategische Optionen entwickelt, die unter Beachtung der Corporate Identity und des wahrscheinlichsten Szenarios Bestand haben. Die strategischen Optionen werden im siebten Schritt des Prozesses evaluiert und es wird der Versuch unternommen, Entscheidungen und konkrete Handlungen im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen abzuleiten. Dabei werden für jede relevante Handlungsebene, die aus den Schlüsselfragen resultiert, mögliche Handlungsoptionen entwickelt. Durch eine schlüssige Kombination der Handlungsoptionen entsteht eine kohärente und schlüssige Strategie (vgl. Abbildung 5.8).
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Relevant levers of actions
Possible Actions on each lever
L- 1 Human
1
2
3
L- 2 R&D
1
2
3
L- 3 Financial
1
2
3
?
L- 4 Commercial
1
2
3
?
Coherent Strategies
137
Strategy X (1,2,2,1)
Strategy Y (2,2,3,2)
Strategy Z (3,4,3,3)
?
4
?
…
? stands for all other possibilities At least 320 possible scenarios: 4*5*4*4
Abbildung 5.8 Ermittlung von Handlungsoptionen durch die morphologische Analyse (Schritt sieben) (Godet, 2001, 79)
Schritt acht ist erfolgskritisch, denn im Rahmen dieses Schrittes müssen Teilnehmer von der Vorstellung über zukünftige Entwicklungen und Entscheidungen hin zu tatsächlichen Entscheidungen gelangen vor dem Hintergrund strategischer Wahlmöglichkeiten und einer entsprechenden unternehmerischen Zielhierarchie. Schritt neun entspricht einem Handlungsplan, in dem Zielvereinbarungen entwickelt und ein Koordinations- und Monitoringsystem festgelegt werden. Schritt acht und neun werden von einem engeren Teilnehmerkreis (steering committee) bearbeitet (vgl. Godet, 2001, 80 f.).
Der beschriebene Prozess ist nicht linearer, sondern mit verschiedenen Feedbackschlaufen versehen, was zu einer Neuformulierung zuvor zugrunde gelegter Annahmen führen kann. Abbildung 5.9 visualisiert den Szenarioansatz nach Michel Godet.
138
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
1
Anticipation
The The problem problem formulated formulated The The system system examined examined Strategic Strategic prospective prospective workshops workshops
3 Key Key variables variables Internal-external Internal-external Retrospective Retrospective Structural Structural analysis analysis
2 Diagnosis firm Diagnosis of firm Competence Competence tree tree Strategic Strategic Analysis Analysis
4 Dynamics Dynamics of of firm firm in in relation relation to to its its environment environment
5 Environment Environment scenarios scenarios megatrends, megatrends, wild wild cards, cards, threats threats and and opportunities opportunities Evaluation of risks Evaluation of risks
6 From From identify identify to to visions visions and projects Strategic Strategic options options Possible Possible actions actions
Action
Decision
7 Evaluation Evaluation of of strategic strategic options options Mulitcriteria Mulitcriteria analysis analysis 8 From to strategic strategic choices choices From project project to (by (by the the steering steering committee) committee) Organsation Organsation of of objectives objectives into into hierarchy hierarchy 9 Plan Plan of action of and implementation action and Contracts Contracts of of objectives objectives Coordination and follow-up Coordination and follow-up Strategic Strategic watch watch
Abbildung 5.9 Ablauf der Szenariomethode nach Godet (Godet, 2001, 82)
5.1.5 Der wahrscheinlichkeitstheoretische Ansatz
Der wahrscheinlichkeitstheoretische Ansatz wurde ursprünglich durch Olaf Helmer und Ted Gordon entwickelt. Dieser Ansatz ist eine Zusammenstellung von zwei unterschiedlichen quantitativen Techniken: der Trend-Impact-
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
139
Analyse, die Ted Gordon ursprünglich in der Future Group nutzte, und der Cross-Impact-Analyse, die in vielen Zusammenhängen zur Anwendung gelangt. Beide Methoden können im Rahmen von Szenarienanalysen eingesetzt werden oder als eigenständige Methoden aufgefasst werden.
Trend-Impact-Analyse Die Trend-Impact-Analyse wurde in den frühen 70er-Jahren entwickelt und wird oftmals mit der Future Group aus Connecticut in Verbindung gebracht. Nach Gordon (vgl. Gordon, 1994b) basiert die Trend-Impact-Analyse auf der Überlegung, dass traditionelle Prognoseverfahren, Vergangenheitsdaten fortschreiben, ohne noch nie aufgetretene Ereignisse zu berücksichtigen. TIA ist ein einfacher Ansatz, der ursprünglich entwickelt wurde, um einfache Trendanalysen aussagekräftiger zu gestalten. Der Prozess kann mit den folgenden vier Schritten beschrieben werden.
1. Sammlung von themenspezifischen Vergangenheitsdaten 2. Extrapolation der Vergangenheitsdaten unter Nutzung von Algorithmen 3. Zusammenstellung einer Liste von noch nie aufgetretenen Ereignissen, die den angenommenen Kurvenlauf stören würden 4. Expertenbewertung im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Ereignisse im Zeitverlauf sowie eine Einschätzung des Einflusses der Ereignisse auf den Untersuchungsgegenstand
Cross-Impact-Analyse Die Cross-Impact-Analyse wurde ursprünglich von Gordon und Helmer bereits 1966 im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der „RAND corporation“ als eine Prognosemethode entwickelt. Seit dieser Zeit wurden eine Reihe von kausalen Cross-Impact-Varianten und Korrelationsmodellen entwickelt und weitere Methoden kombiniert. Im Ergebnis dieser Aktivitäten wurden z.B. die IFS (Interactive Future Simulation – auch bekannt als BASICS) vom Battelle Memorial Institute (vgl. Millett, 2003), die interaktive CrossImpact-Simulation (INTERMAX) von Enzer an der Universität von Kalifornien und SMIC, das französische Synonym zur Cross-Impact-Analyse, von Dupperin und Dabus (vgl. Gordon, 2004) entwickelt.
140
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Ein Ziel der Entwicklung von Szenarien ist in diesem Ansatz nicht nur die Beschreibung der Charakteristik unterschiedlicher Zukunftsbilder und deren Implikationen, sondern auch die Berechnung der relativen Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens. Im Rahmen von CIA wird die Wahrscheinlichkeit des gemeinsamen Eintretens von zwei Zukunftsprojektionen eingeschätzt. 5.2
Intuitive Ansätze der Szenarioentwicklung
Der Ansatz der intuitiven Szenarioerstellung basiert auf dem Konzept der intuitiven Logik, das ursprünglich von Ian Wilson und dem Stanford Research Institute entwickelt wurde und erfolgreich von Pierre Wack und Arie de Geus in der Planning Group von Shell zur praktischen Anwendung kam. Die Arbeit von Peter Schwartz, die 1996 ihren Niederschlag in seinem Buch „The Art of the Long View“ fand, ist ein geeignetes Beispiel für die Beschreibung eines Ansatzes, der als ein intuitiver Ansatz der Szenarioentwicklung sowohl in der Literatur als auch in der Szenariopraxis Anwendung findet. Dieser Ansatz ist durch eine stärkere Betonung von Pragmatismus statt Abstraktion in der Szenarioerstellung gekennzeichnet.
Dem Ansatz von Schwartz folgen auch Autoren wie Kees van der Heijden, Adam Kahane, J.P. Leemhius und Paul Schoemaker. Diese Autoren betonen, dass es keine einzelne, standardisierte Methode gibt für die Entwicklung von Szenarien, sondern einen Prozess der Szenarioentwicklung, der in hohem Maße von der Kreativität und dem Wissen der Teilnehmer getragen wird, die ihre Ideen und Analysen in einem kreativen Umfeld entwickeln (vgl. Masini, Vasquez, 2000, 52). 5.2.1 Szenarioansatz nach Peter Schwartz (Global Business Network) Detaillierte Beschreibungen von formalisierten Tools sind, anders als in dem modellgestützten Vorgehen, im Ansatz nach Schwartz nicht aufgeführt. Der Prozess der Szenarioentwicklung in seinem Ansatz ist ein iterativer Prozess, der nicht so stark strukturiert ist wie die Prozesse der kontinentaleuropäischen Ansätze.
Innerhalb dieses Prozesses bewegen sich die beteiligten Akteure zwischen den einzelnen Phasen, die auch miteinander verflochten sind. In einem der ersten Schritte werden die Faktoren identifiziert, die zukünftige Entwicklungen fundamental beeinflussen. Diese so genannten treibenden Faktoren werden unterschieden in konstante,
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
141
vorhersehbare und unsichere Faktoren (vgl. Postma, Liebl, 2005, 163). Konstante Faktoren sind Faktoren, die nicht verändert werden können (z.B. das Verlangen der Menschen nach Essen und Einkommen), Veränderungen der vorhersehbaren Faktoren und die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens sind absehbar (z.B. Entwicklung der Bevölkerung). Diese vorhersehbaren Trends und Entwicklungen sind entweder langsame Veränderungsphänomene oder das Ergebnis zwangsläufiger Situationen und unvermeidlicher Entwicklungen. Die Szenarioanalyse fokussiert schwerpunktmäßig auf unsichere Faktoren. Bei unsicheren Faktoren sind zwar die möglichen Entwicklungen bekannt, aber nicht, welche dieser Entwicklungen eintreten werden. Ein Beispiel für unsichere Faktoren ist die Entwicklung der Beziehungen zwischen Europa und den USA.
Die Unterscheidung zwischen den drei Arten von Faktoren ist ein entscheidender Schritt im Szenarioentwicklungsprozess, da diese Faktoren wesentliche Unterschiede zwischen den Szenarien begründen, während konstante und vorhersehbare Faktoren in jedem Szenario auftreten. Die Schritte 2 bis 4 (siehe Abbildung 5.11) zielen auf die Reduktion der Vielzahl der Faktoren auf eine Anzahl von treibenden Faktoren, die leichter zu handhaben ist.
Im nächsten Schritt (Schritt 5) werden die grundsätzlichen (zwei) Bereiche von Unsicherheiten identifiziert, denn sie machen die Grundlage und das Fundament für die unterschiedlichen Szenarien aus. Van der Heijden et al. (2002) schlagen vor, für diesen Schritt eine zwei-dimensionale Matrix anzulegen, auf der die Höhe des Einflusses (niedrig/hoch) und die Höhe bzw. das Ausmaß der Unsicherheit (hoch/niedrig) abgetragen werden kann für jeden Faktor. Die wichtigsten (größter Einfluss auf den Untersuchungsgegenstand) und die Faktoren deren Entwicklung am wenigsten abgesehen werden kann, werden für die Entwicklung der Szenarien ausgewählt (siehe Abbildung 5.10).
142
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
hoch A Vorhersehbarkeit
hoch C
D Szenario 4
E F H
Szenario 1
G gering B
hoch B
I Szenario 3
gering
B gering
Szenario 2
A hoch
gering A
Einfluss
Abbildung 5.10 Szenarioentwicklung – Auswahl geeigneter Faktoren (Postma, Liebl, 2005, 164)
Mit der Herausarbeitung und Beschreibung dieser Unsicherheiten bilden sich die Szenarien heraus, die jeweils unterschiedliche Zukunftsbilder beschreiben. Jedes Szenario wird ausgefüllt mit Ereignissen, Trends und Mustern.
Damit die Szenarien eine hohe Akzeptanz im Unternehmen und Management erreichen, nehmen die Akteure am Szenarioentwicklungsprozess teil und übertragen die Szenarien in den jeweiligen Entscheidungszusammenhang, wodurch verständliche, fassbare und in sich konsistente Szenarien entstehen. Dabei geht es nicht darum, eine wünschenswerte Zukunft zu betrachten oder auf „good“- und „bad“- Szenarien abzuzielen. Jedes der entwickelten Szenarien stellt ein Zukunftsbild dar, in das die entsprechenden Unsicherheiten eingebettet sind.
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Erkennung vorherbestimmter Elemente - Ranking nach Bedeutung und Unsicherheit
Identifikation der kritischen Unsicherheiten, Auswahl des Szenariofundaments
Schritt 4
Schritt 5
Identifizierung der treibenden Kräfte für die Szenarien
Ausarbeitung der Szenarien
Schritt 3 Identifikation der Einflussfaktoren – Informationssammlung
143
Schritt 6 Analyse der Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung Schritt 7
Schritt 2 Identifizierung der zentralen Fragestellung /des Entscheidungsproblems
Auswahl von Indikatoren für das Monitoring Schritt 8
Schritt1
Abbildung 5.11 Prozess der Szenarioentwicklung nach Schwartz (erstellt nach Schwartz, 1996)
Nach der vollständigen und detaillierten Entwicklung der Szenarien wird die Verbindung zur zentralen Fragestellung bzw. zum Entscheidungsproblem hergestellt. Dabei wird die Fragestellung im Kontext des jeweiligen Szenarios betrachtet.
Wie müsste die Entscheidung im Falle des jeweiligen Szenarios getroffen werden?
Welche Gefahren wurden offenkundig?
Ist die Entscheidung oder Strategie robust in jedem Szenario oder behält die Strategie nur innerhalb eines Szenarios ihre Gültigkeit?
Wenn eine Strategie nur in einem der Szenarien robust ist, beschreibt dies eine riskante Situation, insbesondere dann, wenn das Unternehmen nur wenig Einfluss auf das Eintreten eines Szenarios hat. An dieser Stelle sollte überlegt werden, wie die Strategie angepasst werden könnte, um sie robuster zu gestalten für den Fall, dass es Anzeichen für das Nichteintreten des gewünschten Szenarios gibt.
Im letzten Schritt der Szenarioanalyse (Schritt 8) ist es wichtig zu identifizieren, welches Szenario der tatsächlichen Entwicklung nahe ist. Aus diesem Grund ist es notwendig, nach der Entwicklung der Szenarien und der Ableitung von Implikationen
144
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
für die Entscheidungsfindung, Indikatoren auszuwählen, um die Strategie oder Entscheidung in einem fortlaufenden Prozess einem Monitoring zu unterziehen. Mit Hilfe des Monitorings wird es für ein Unternehmen möglich zu erkennen, wie Umfeldveränderungen die Strategie beeinflussen. Wenn die Szenarien sorgfältig entwickelt wurden, können Veränderungen ausgewählter Schlüsselindikatoren in unternehmensspezifische Implikationen übertragen werden. Der vorgestellte Prozess ist im Überblick in der Abbildung 5.11 dargestellt. 5.2.2 Szenario planning nach Kees van der Heijden Kees van der Heijden ist Direktor des Centre of Scenario Planning and Future Studies der Universität Strathclyde Graduate School of Business (USGSB). Van der Heijden ist Mitbegründer des Global Business Network und ehemaliger Leiter der Environment Division in Group Planning bei Royal Dutch/Shell in London. Sein Ansatz der Szenarioentwicklung basiert auf dem Ansatz der mit Peter Schwartz in Verbindung gebracht wird, weist aber eine stärkere Systematik auf und bindet Ursache-WirkungsEffekte mit ein, um die Plausibilität und Konsistenz der Szenarien zu überprüfen (vgl. van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002). Sein Ansatz zielt darauf ab, eine Konversation zu zukünftigen möglichen Entwicklungen anzuregen. Ähnlich wie auch Paul Schoemaker (vgl. Kapitel 5.2.3) vertritt van der Heijden die Auffassung, dass es keinen standardisierten Weg gibt, Szenarien zu entwickeln. Er betont, dass die Entwicklung von Szenarien das Ergebnis des Wissens der am Prozess beteiligten Akteure und deren Kreativität ist (vgl. Masini, Vasquez, 2000, 52).
Das „scenario planning“ erfolgt in sechs Schritten, die in der nachfolgenden Abbildung 5.12 im Überblick dargestellt sind und in den folgenden Ausführungen näher erläutert werden. In diesem Prozess beschreibt van der Heijden ein Vorgehen, das im unternehmerischen Kontext Anwendung findet. Die Szenarien werden durch ein Szenarioentwicklungsteam vorbereitet und im Rahmen von Workshops mit weiteren Teilnehmern im Detail entwickelt.
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Phase 3
145
Phase 4
Stakeholder-Analyse Stakeholder Analyse Entwicklung Entwicklung der der Szenarien Szenarien
Phase 2
Phase 5
Systemcheck Systemcheck
Analyse Analyse des des Kontextes Kontextes Phase 1
Strukturierung Strukturierung des des Szenarioprozesses Szenarioprozesses
Phase Phase 66
Beeinflussung Beeinflussung strategischen strategischen Denkens
Abbildung 5.12 Ablauf des „scenario planning“ nach van der Heijden (eigene Abbildung, zusammengestellt nach van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002, 192-228)
1. Strukturierung des Szenarioprozesses Ziel des ersten Schrittes ist es, Entscheidungsprobleme im Unternehmen zu identifizieren, die mit unsicheren Entwicklungen und Ereignissen im Zusammenhang stehen und einen hohen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens haben. Im Rahmen dieses Schrittes wird ein Szenarioentwicklungsteam zusammengestellt, das möglichst außerhalb des Unternehmens und in Distanz zu den Teilnehmern am Szenarioprozess arbeiten sollte. Im Rahmen des ersten Schrittes wird auch der zur Verfügung stehende Zeitrahmen für die Szenarioanalyse festgelegt, der oftmals durch Kosten, Zeit und die Notwendigkeit der Analyse beeinflusst ist. Grundsätzlich ist von einem Zeitrahmen von cirka 10 Wochen auszugehen.
2. Analyse des Kontextes In dieser Phase werden Interviews mit den Teammitgliedern geführt, um Einschätzungen im Hinblick auf aktuelle und vergangene Entwicklungen, dominierende Perspektiven und schließlich auch den Grad der Übereinstimmung innerhalb der Teammitglieder zu ermitteln. Die zusammengetragenen Ergebnisse aus den Interviews werden in einem Interview-Report zusammengeführt, wodurch der Rahmen für den weiteren Szenarioentwicklungsprozess festgelegt wird. Dieser Interview-Report wird eine Woche vor dem Szenarioworkshop an die Workshopteilnehmer weitergegeben.
146
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
An dieser Stelle kann auch überprüft werden, ob die im Report thematisierten Fragestellungen und identifizierten Schlüsselkonzepte von allen Interviewten unterstützt und als gemeinsamer Ausgangspunkt akzeptiert werden. Die kritischen Unsicherheiten, die in den Interviews benannt wurden, sind Grundlage für den weiteren Prozess.
3. Entwicklung der Szenarien In der dritten Phase werden die Szenarien im Rahmen eines Workshops erstellt, indem treibende Kräfte durch einen strukturierten Prozess identifiziert werden und Komplexität reduziert werden muss. Dazu ermitteln die Workshopteilnehmer in Einzel- und Gruppenarbeit die treibenden Kräfte, die die betrachtete Problemstellung bis zum definierten Zeithorizont beeinflussen. Dabei werden bereits für jeden treibenden Faktor zwei unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigt, um die Tauglichkeit der ermittelten Faktoren für den weiteren Prozess zu ermitteln (vgl. Abbildung 5.13). Driving Forces
Polar outcomes
1 1a 1b
2 2a 2b
Abbildung 5.13 Dokumentation der treibenden Kräfte und möglicher Entwicklungen (van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002, 204)
Die treibenden Faktoren werden im Rahmen der Workshops zu Gruppen zusammengefasst; mögliche Überlappungen und Unstimmigkeiten werden bereinigt. Durch diesen Clusterungsprozess können die Komplexität und Vielzahl der treibenden Faktoren reduziert werden. Die ermittelten Cluster sollten verwandte Faktoren erfassen und sich deutlich von anderen Clusterzusammenstellungen unterscheiden.
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
147
Um eine weitere Reduzierung der Komplexität zu erzielen, werden für jedes Cluster treffende Titel vergeben, in denen sich die Faktoren widerspiegeln. Durch die Ermittlung von Ursache-Wirkungs-Effekten innerhalb der Faktoren eines Clusters wird die Konsistenz der Cluster überprüft. Wenn einzelne Faktoren nicht durch UrsacheWirkungs-Beziehungen innerhalb des Clusters beschrieben werden können, werden sie der jeweiligen Clustergruppe entnommen (siehe Abbildung 5.14).
Cluster heading
Cluster heading Cluster as cluster heading
Abbildung 5.14 Clusterbildung und Ermittlung von Clusterüberschriften (van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002, 205)
Nach der kritischen Durchsicht der Cluster, werden die Clusterbezeichnungen in eine Matrix eingeordnet, in der Einflüsse (hoch/gering) und Unsicherheiten (hoch/gering) zugeordnet werden müssen (vgl. auch Abbildung 5.10).
Basierend auf der Einordnung in die Matrix werden zwei Bereiche ausgewählt, die den höchsten Einfluss auf die Problemstellung haben, kombiniert mit der höchsten Unsicherheit. Dabei werden die Clusterbereiche ausgewählt, die im rechten unteren Feld der Matrix positioniert sind (siehe Abbildung 5.15). Die ausgewählten Bereiche bilden die beiden Szenariodimensionen, die die Grundlage sind für die Entwicklung von vier Szenarien. An dieser Stelle werden die zuvor zusammengetragenen Überlegungen zu treibenden Faktoren in der Szenarioentwicklung berücksichtigt, um unterschiedliche Zukunftsbilder zu entwickeln. Für jedes der vier unterschiedlichen Zukunftsbilder werden einige Stichworte gesammelt, die das Zukunftsbild prägnant
148
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
und plausibel beschreiben. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine generelle Beschreibung der vier Szenarien.
B1 A2 + B1
A1 + B1
Dimension B
B2 A2 + B2 A2
A1 + B2 Dimension A
A1
Abbildung 5.15 Bestimmung des Szenariorahmens (van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002, 210)
B1 A2 + B1
A1 + B1
Szenario 3
Szenario 1
Szenario 4
Szenario 2
Dimension B
B2 A2 + B2 A2
A1 + B2 Dimension A
A1
Abbildung 5.16 Ausfüllen der Szenarien (van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002, 211)
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
149
Die unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten der treibenden Faktoren, die zu Beginn von Schritt drei ermittelt wurden, werden den unterschiedlichen Feldern der Matrix zugeordnet (siehe Abbildung 5.16).
In einem nächsten Schritt werden vier Gruppen im Rahmen des Workshops gebildet, die jeweils die unterschiedlichen Szenarien, basierend auf der gemeinsam entwickelten Matrix, ausformulieren. Dabei bilden die Projektionen der treibenden Faktoren den Ausgangspunkt der Bildung von Ursache-Wirkungs-Ketten, die zu den Szenarien führen. Weiterhin identifiziert die Arbeitsgruppe das auslösende Ereignis oder eine eintretende Entwicklung, die als Startpunkt des Szenarios anzusehen sind, wie und warum spezifische Ereignisse und Entwicklungen in einer bestimmten Folge auftreten. Dabei konzentrieren sich die Überlegungen darauf, wie das Unternehmen durch diese Entwicklungen beeinflusst wird.
Jedes Team präsentiert die ausformulierten Szenarien allen Teilnehmern. Dabei werden die Szenarien kritisch diskutiert und untersucht, welche Beziehungen zwischen den Szenarien bestehen, um den Teilnehmerkreis für mögliche Signale zu sensibilisieren, die auf bestimmte Entwicklungen und Richtungsänderungen im Unternehmen hinweisen.
4. Stakeholder-Analyse Die Stakeholder-Analyse erfolgt mit dem Ziel das Verständnis der Problemstellung im Unternehmen und die Logik innerhalb der Szenarien zu testen. Für diesen Schritt können die folgenden Leitfragen Anwendung finden:
Wer sind die derzeitigen Schlüsselpersonen und Entscheider im Unternehmen?
Welche Problemstellungen beschäftigen die Entscheider?
Welche Kunden haben das größte Interesse an der Organisation?
Wer sind die Akteure in diesem Szenario?
Bleiben diese Akteure gleich oder gibt es in Zukunft andere Akteure?
Würden sich die Akteure tatsächlich so verhalten, wie in den Szenarien beschrieben?
150
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
5. Systemcheck In Schritt 5 werden in einem Einflussdiagramm (Loop-Diagramm) die Faktoren dargestellt, die das Szenario untermauern. Dabei werden die Ereignisse beschrieben, die das Szenario ausmachen. Durch die Erstellung des Diagramms und das Stellen von „Warum-Fragen“ erfolgt der Konsistenzcheck. Ein zusätzlicher Wert ist die Erstellung von System-Dynamics-Modellen, um das Verständnis für Systemzusammenhänge zu erhöhen und somit eine größere Sicherheit für die Konsistenz der Szenarien zu erhalten.
6. Beeinflussung strategischen Denkens Ziel dieses Schrittes ist die Kommunikation der Szenarien innerhalb der Organisation. Dazu muss ein Weg der Szenariokommunikation gefunden werden, der insbesondere das Interesse der Entscheider weckt, die nicht am Szenarioentwicklungsprozess teilgenommen haben. Ob es gelingt, die Aufmerksamkeit der jeweiligen Adressaten zu wecken, steht oftmals in unmittelbaren Zusammenhang mit der Art der Präsentation der Szenarien, die z.B. in Form einer formalen Vorstellung oder auch in Form von Zeitungsartikeln erfolgen kann, die eine zukünftige Situation beschreiben.
Die Kommunikation der Szenarien erfolgt mit dem Ziel, das aktuelle strategischen Denken und Planen zu beeinflussen. Dabei kommt es zur Auseinandersetzung mit Indikatoren, die Hinweise liefern für neue Entwicklungen.
Was sind aktuelle Fragestellungen, Trends und Entwicklungen, die die Fragestellung beeinflussen?
Was sind unterschiedliche Entwicklungsperspektiven, die berücksichtigt werden müssen?
Was sind Schlüsselindikatoren, die aufzeigen, welche Entwicklungsperspektiven eintreten werden?
Sind bereits Teile eines Szenarios eingetreten?
Die Entwicklung der Szenarien und die innerhalb der Szenarien berücksichtigten Einflüsse und Implikationen, die sich auf die gesamte Wertschöpfungskette, die Organisation mit ihren komplexen Lieferanten- und Kundenbeziehungen auswirken, stimulieren das strategische Denken. Um von den Szenarien zu adäquaten Handlungen zu
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
151
gelangen, müssen die aktuellen Kernkompetenzen des Unternehmens kritisch hinterfragt und mögliche Lücken im Hinblick auf zukünftige Perspektiven offenkundig werden. Unter Beachtung der aktuellen Ressourcen können dann Handlungspläne entwickelt werden, die auf die ursprüngliche Problemstellung Bezug nehmen. 5.2.3 Scenario planning nach Paul Schoemaker Schoemaker ist Chairman und CEO der Decision Strategies International, Inc., ein Beratungsunternehmen mit einem Schwerpunkt auf Entscheidungsfindung und szenariobasiertem strategischen Management. Als früherer Mitarbeiter in der strategischen Planung bei Royal Dutch/Shell vertritt er, ähnlich wie Kees van der Heijden und Peter Schwartz, einen intuitiven Szenarioansatz, das scenario planning.
Nach Schoemaker liegt der Kern des scenario planning in der Ermittlung von Sachverhalten, die bekannt sind (Trends), und Entwicklungen, die unbekannt sind (Unsicherheiten). In Schoemakers Szenarioansatz werden Trends und Unsicherheiten miteinander verwoben. Die entstehenden Szenarien sind somit als ein Muster zu verstehen, dass sich aus dem Verknüpfen von Trends und Unsicherheiten bildet.
1. Stringing the Loom Der erste Schritt in Schoemakers Ansatz ist die Definition des Szenariofokus und der Fragestellungen, die im Rahmen des Szenarioentwicklungsprozesses beantwortet werden sollen. Im Rahmen dieses ersten Schrittes wird die Anzahl der zu entwickelnden Szenarien, die geografische Region, für die die Szenarien gelten soll, die zu betrachtenden Geschäftsbereiche und die Stakeholder, die einen Einfluss auf zukünftige Entwicklungen haben, festgelegt. Der Zeithorizont bestimmt sich durch die Geschwindigkeit technologischer Veränderungen, den Produktlebenszyklus, die Planungshorizonte der Wettbewerber, die Stabilität des politischen, sozialen und rechtlichen Umfeldes oder den Zeitraum, der benötigt wird, um neue Fähigkeiten zu entwickeln. Grundsätzlich sollte der Zeithorizont umso kürzer sein, je kürzer der Produktlebenszyklus ist. In einer stabilen Industrie kann der Szenariohorizont durchaus in zehn Jahren liegen, während im Fall einer Internetfirma ein Zeitraum von drei Jahren schon außergewöhnlich lang ist.
152
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Zu Beginn des Szenarioprozesses muss eine Eingrenzung im Hinblick auf Produkte, Märkte, Technologien, geografische Gebiete, verwandte Branchen und Wettbewerber erfolgen. Wie die Eingrenzung erfolgen soll, hängt somit stark vom Thema ab. Sind die strategischen Herausforderungen global und betreffen sie alle Produkte und Märkte des Unternehmens oder beziehen sie sich auf ein spezifisches Geschäftsfeld? Wer hat ein besonderes Interesse an der Fragestellung, wer wird beeinflusst und wer könnte die Fragestellung beeinflussen? Zu diesen Stakeholdern gehören z.B. Kunden, Lieferanten, Wettbewerber, Shareholder oder Politiker aber auch andere Akteure, wie z.B. Lobbying-Partner oder die Medien.
Im Rahmen des Szenarioentwicklungsprozesses ist zu ergründen, welche Rolle die einzelnen Akteure spielen, wie Macht und Einfluss sich im Zeitverlauf verändern könnten und welche Akteure maßgeblich zukünftige Entwicklungen beeinflussen.
2. Definition von Leitfragen und Sammlung von Informationen Nach der Festlegung des Szenariofeldes und der Stakeholder in Schritt 1 müssen nun Informationen zusammengetragen werden, die das Rohmaterial für die Szenarien bilden. Dazu müssen Leitfragen und Themenfelder mit einer hohen strategischen Bedeutung formuliert werden, die dazu dienen, die aktuelle strategische Situation zu bewerten und Alternativen für zukünftige Entwicklungen zu ermitteln. Dabei ist es hilfreich, auch die Entwicklungen der Vergangenheit zu betrachten, um abzuleiten, welche Informationen möglicherweise wichtig sind und welche Bereiche (soziale, technologische, ökonomische Bereiche) Unsicherheiten bedingen. Bei der Entwicklung der Leitfragen sind sowohl das Management als auch andere Stakeholder über Interviews einzubeziehen. Diese Leitfragen und Informationssammlungen sind ein Ausgangspunkt für das scenario planning.
3. Identifikation der dominanten externen Kräfte Die durch Interviews zusammengetragenen Informationen sind die Quelle für die Identifikation dominierender externer Kräfte, die als Treiber in Veränderungsprozessen fungieren. Bei der Analyse der Informationsbasis sollten Muster identifiziert werden, wodurch sich treibende Kräfte für die zukünftigen technologischen, ökonomischen, politischen oder sozialen Umfelder ableiten lassen.
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
153
4. Ermittlung bedeutender Trends und Unsicherheiten Um die möglichen, zukünftigen Entwicklungen der treibenden Kräfte zu ermitteln, werden Trends (definitive Aussagen) und Unsicherheiten (Fragen zu zukünftigen Entwicklungen) in die Betrachtung mit einbezogen (vgl. Tabelle 5.2). Trends T1 Access to information will dramatically increase globally.
T2 Health care costs will shift to individuals
Unsicherheiten U1 Will new medical technologies deliver truly innovative products and services?
U2 Will society allow health care information
and away from government/payer reim-
to be captured and used to improve health
bursement.
care delivery? (e-health care)
T3 Industry consolidation will continue to alter industry players and dynamics.
U3 How will the global economy change (in terms of unemployment, inflation, natural resources availability, capital availability)?
T4 Consumers will have more influence on decisions regarding health care service se-
U4 To what extent will government play a
lections; the demand for high(er)-quality
role in determining health care benefits and
care, preventive care, homeo-
spending (centralized planning versus priva-
pathic/alternative medical solutions, and so
tization)?
on will increase. U5 Will regulation restricting the pharma T5 There will be continued movement to-
ceutical industry and health care delivery,
ward market convergence (regional trading
including intellectual property rights and
blocs, free trade, common currency), more
environmental issues, intensify?
free market activity, and greater harmonization in the health care regulatory environment.
U6 How universal will access to health care be in the United States seven years from now?
T6 Pricing of health care products and services will become increasingly transparent. T7 Innovative technologies, such as minia-
U7 How involved will consumers be in health management?
turization, genomic research, stem cell research, and combinatorial chemistry will continue to be developed and supported with investment, with the expectation that they will produce true innovation.
Tabelle 5.2 Gegenüberstellung von Trends und Unsicherheiten am Beispiel eines Pharmaunternehmens (Schoemaker, 2002, 54 f.)
154
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Nach der Identifikation der Unsicherheiten werden unterschiedliche Projektionen für jede Unsicherheit entwickelt. Die Korrelationen zwischen den Faktoren können in einer Einflussmatrix dargestellt werden, die verdeutlichen hilft, welche Unsicherheiten die zentralen Unsicherheiten und welche Faktoren eher isoliert von anderen Faktoren
sind.
Dieser
Schritt
ermöglicht
die
Identifikation
der
zwei
„Top-
Unsicherheiten“, die den Ausgangspunkt bilden für die Szenarioentwicklung.
5. Entwicklung detaillierter Szenarien Durch die Entwicklung von jeweils zwei Extremprojektionen für jede der beiden ausgewählten Unsicherheiten, entsteht eine Vier-Felder-Matrix, wie in der nachfolgenden Tabelle 5.3 dargestellt.
U2: E-Health Care?
U1: New Medical Technologies? Incremental Improvement from New Medical Technologies
Breakthrough Improvement from New Medical Technologies
Gradual Improvement in Capture/ Use of Health Care Information via Internet
Scenario A: Health Care Held Hostage
Scenario B: Intel Inside ... You
Quantum Change in Capture/ Use of Health Care Information via Internet
Scenario C: Consumers Take Control
Scenario D: The Last Frontier
Tabelle 5.3 Szenario Matrix (Beispiel: Pharmaunternehmen) (Schoemaker, 2002, 57)
Die Darstellung der Szenarien in der Vier-Felder-Matrix erscheint zunächst sehr vereinfacht, ist aber ein Ausgangspunkt für die weitere Ausformulierung der Szenarien, indem die übrigen Trends und Unsicherheiten jeweils den Szenarien zugeordnet werden (siehe Tabelle 5.4).
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Uncertainty
Scenario A: Health Care Held Hostage
Scenario B: Intel Inside …you
Scenario C: Consumers Take Control
155
Scenario D: The Last Frontier
U1: Role of new technologies in innovation
Incremental
Breakthrough Incremental
Breakthrough
U2: Capture and use of health information
Incremental
Incremental
Breakthrough
Breakthrough
U3: Health of the global economy
Recession
Strong growth
Modest
Boom
U4: Role of government in health care
Significant; Centralized
Modest; Centralized
Modest; Decentralized
Free market; Privatized
U5: Intensity of industry regulation
High
High
Low; Selfregulation
Low; Selfregultion
U6: Level of access to health care
Limited access; Bankrupt payers
Limited access
Majority access
Universal access
U7: Level of consumer involvement
Low
Low
High
High
Tabelle 5.4 Szenario-Blueprints (Beispiel: Pharmaunternehmen) (Schoemaker, 2002, 58)
Die entwickelten Szenarien werden auf ihre Konsistenz und Plausibilität überprüft:
Wie gut passen die dargestellten Sachverhalte zusammen?
Sind die entwickelten Unsicherheiten inkonsistent?
Verhalten sich die Trends schlüssig zueinander?
Wie wurde das Verhalten der Stakeholder berücksichtigt?
Gibt es vorhersehbare Verhaltensmuster zwischen den Akteuren im System?
Basierend auf diesen Überlegungen können neue Kombinationen und neue oder veränderte Szenarien gebildet werden. Darüber hinaus ist es auch nützlich, die Konsistenz der Szenarien im Dialog mit Kunden, Wissenschaftlern, strategischen Partnern, Zulieferern oder Beratern zu prüfen. Der Dialog liefert einen wichtigen Beitrag für eine strategische Konversation mit Stakeholdern. Die endgültigen Szenarien werden in Report- oder Präsentationsform aufbereitet, um in dieser Form wichtige Hinweise für die Entscheidungsfindung vor dem Hintergrund von Unsicherheiten zu liefern.
6. Animation der Szenarien Auf dem Weg von der gegenwärtigen Situation zu einem möglichen Zukunftsbild sind Hindernisse und Störungen möglich, insbesondere bei der Betrachtung eines sehr weiten Zukunftshorizontes. Durch die Erstellung eines Einflussdiagramms wird
156
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
es möglich darzustellen, wie sich treibende Kräfte entwickeln und welche Auswirkungen resultieren. Somit können besonders kritische Punkte innerhalb des Szenarios visualisiert werden und eine höhere Sensitivität gegenüber unterschiedlichen Entwicklungen erreicht werden. Die Darstellung jedes einzelnen Szenarios in einem Einflussdiagramm liefert somit weitere Hinweise für die Wirkung von Kräften auf das Gesamtsystem. Noch komplexere Interaktionen können mit dem System-DynamicsAnsatz dargestellt werden. 5.3
Fazit: Vor- und Nachteile von Szenarioanalysen
In den folgenden Ausführungen werden Vor- und Nachteile der Szenarioanalyse als ein Instrument der strategischen Vorausschau diskutiert. Die Ableitung von Vor- und Nachteilen ist das Ergebnis einer tiefen Literaturanalyse und spiegelt zugleich Erfahrungen wider, die am Centrum für Entrepreneurship und Innovation der Universität Potsdam (BIEM-CEIP) bei der Entwicklung von Szenarioanalysen gesammelt wurden. 5.3.1 Vorteile der Szenarioanalyse Der Vorteil der Methode liegt unabhängig davon ob sie intuitiv oder sehr stark modell-gestützt angewandt wird in der aktiven und zukunftsoffenen Auseinandersetzung mit Unsicherheiten, gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungen.
Angesichts der starken Vernetzung und steigenden Dynamik der unternehmensinternen und -externen Einflussfaktoren wird diese Auseinandersetzung zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Mit dem Entwickeln unterschiedlicher, konsistenter Zukunftsbilder wird die Vorausschau potenzieller Chancen und Gefahren sowie möglicher Trendbrüche oder Störereignisse ermöglicht, was Grundlage für die Entwicklung von Präventiv- und Reaktivmaßnahmen innerhalb der strategischen Planung ist. Szenarien erlauben eine multikontextuelle und multidimensionale Betrachtungsweise, die eine Problemstruktur in ihren vielschichtigen Interdependenzen und Wirkungszusammenhängen erfassen hilft.
Die Szenarioanalyse, als ein Problemstrukturierungs-, Analyse- und Prospektionsinstrument zur Generierung von Orientierungswissen, ist besonders geeignet, realisierbare Zielkombinationen zu ermitteln und unternehmerische Konsequenzen zu bewerten, indem sie zur Erhöhung der Transparenz hochkomplexer Systeme und
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
157
ihrer Zusammenhänge in der Langfristplanung beiträgt (vgl. Jonda, 2004, 76). Die Betrachtung alternativer Entwicklungsmöglichkeiten reduziert die Versuchung anzunehmen, dass das, was heute ist, auch in der Zukunft so sein wird. Hoffmann bezeichnet dies als „Übertragungsdenken“: „Szenarien stellen […] die ‚mental maps‘ der Führungskräfte in Frage und fördern die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen, bislang verdrängten Argumenten“ (Hoffmann, 1993, 26).
Das Erstellen von Szenarien stellt grundsätzlich einen interdisziplinären Prozess dar, der eine Vielzahl von unternehmensspezifischen wie auch wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, technologischen, ökologischen oder kulturellen Aspekten und Perspektiven integriert sowie interne und externe Rahmenbedingungen gleichermaßen berücksichtigt. Der interdisziplinäre Ansatz der Szenarioanalyse bietet die Basis für eine ausgewogene und vertiefte Wissensfundierung, wobei sowohl praktische als auch theoretische Hintergründe berücksichtigt werden können. Der sich aus Szenarioanalysen ergebende Lerneffekt trägt zur Erhöhung der Beurteilungs- und Bewertungskompetenz der Beteiligten bei. Des Weiteren ist das Potenzial der Methode zur Steigerung der Kommunikationsfähigkeit zu benennen, da eine Vielzahl an Interessen und Sichtweisen zur Diskussion gestellt werden kann. Dieser Kommunikationsprozess fördert ein Klima der Offenheit und trägt zur Steigerung des gemeinsamen Problemlösungsverständnisses sowie zur Erhöhung der Konsensfähigkeit unter den Beteiligten bei.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Szenariomethode ist in der Einbeziehung von quantitativen und qualitativen Daten und Größen zu sehen. Darin liegt der größte Unterschied gegenüber Methoden der Prognostik oder Langfristplanung begründet, die sich in der Regel auf die Extrapolation quantitativer Daten beschränken. Die Analyse unterstützt die Wahrnehmung von Veränderungen der Einflussfaktoren, die überwiegend qualitativen Charakter aufweisen, jedoch entscheidend sind für die weitere Unternehmensentwicklung. Dabei kann es sich um z.B. sich verändernde Werthaltungen der internen und externen Bezugsgruppen, sich wandelnde Machtverhältnisse am Markt, langfristige Veränderungen des Kaufverhaltens, die Akzeptanz neuartiger Technologien und sich abzeichnende Veränderungen im politischen Umfeld handeln (vgl. Jonda, 2004, 78). Die Methode ist somit Basis für die Ausgestaltung eines Frühwarnsystems durch permanentes Beobachten der Entwicklungen der wichtigsten Einflussfaktoren.
158
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Ein weiterer Vorteil der Szenarioanalyse kann in ihrem Selbstverständnis als Methodenverbund liegen. So können beispielsweise Kreativitätstechniken, die Delphi Methode, Portfolio-Ansätze oder der Systems-Dynamics-Ansatz im Rahmen unterschiedlicher Teilschritte der Analyse zum Einsatz kommen, die einen stärker quantitativen oder qualitativen Charakter der Analyse unterstreichen. Auch einzelne Teilschritte der Szenarioanalyse (z.B. die Einflussanalyse) können als nützliche Methoden angesehen werden, um Implikationen für die strategische Planung zu erhalten.
Die Flexibilität der Anwendbarkeit der Methode im Hinblick auf die Breite, Tiefe und Intensität der Analyse stellt einen weiteren Vorteil dar. Je nach Zielstellung, zur Verfügung stehender Ressourcen (Budget, Zeit) und weiteren Anforderungen des Unternehmens oder der Branche kann die Methode dem Kontext angepasst werden (vgl. auch Kapitel 7.2). 5.3.2 Nachteile der Szenarioanalyse Ein generelles Problem in der Szenarioanalyse ist die Abhängigkeit von subjektiven Einschätzungen und Meinungen der am Szenarioprozess beteiligten Akteure. Erfolgskritisch ist die Auswahl der Input-Informationen und der damit im Zusammenhang stehenden Einflussfaktoren, insbesondere vor dem Hintergrund steigender Komplexität der Problemsituation, einer oftmals unzureichenden Methodenkompetenz und von Schwierigkeiten hinsichtlich einer langfristigen Betrachtung komplexer Problemlagen. Die Qualität der Ergebnisse von Szenarioanalysen hängt ganz entscheidend von der fachlichen Qualifikation der durchführenden Personen, deren Fähigkeit zu vernetztem Denken und der Güte der eingesetzten Techniken ab. So erfolgt beispielsweise die Konsistenzanalyse im modellgestützten Ansatz oftmals auf Basis der Einschätzung von Experten und ist somit stark von der Qualität der Experten abhängig. Außerdem können möglicherweise Akzeptanzprobleme entstehen, wenn die späteren Entscheidungsträger, das Top-Management, nicht selbst an der Szenarioanalyse beteiligt sind. So kann der Einsatz von Szenarien daran scheitern, dass sich Entscheidungsträger nicht an diesem Prozess beteiligen bzw. ihn nicht nachhaltig unterstützen (vgl. Fink, 1999, 28). „Die Aufgabe der Planer besteht darin, das Interesse und das Engagement der Entscheidungsträger zu wecken. Sie werden jedoch nur
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
159
Erfolg haben, wenn sie die Realitäten fest in den Mikrokosmos des Managements einbinden“ (Wack, 1985, 69). Becker (1985, 118) verweist allerdings darauf, dass im Rahmen induktiver Szenarioansätze die Beteiligung von Entscheidungsträgern auch hinderlich sein kann, weil diese Szenarien vorbestimmen können und damit die Kreativität des Prozesses der Szenarioerstellung verringern. Ein weiteres Problemfeld ist eine überhöhte Erwartungshaltung gegenüber den generellen Möglichkeiten einer Szenarioanalyse. Angermeyer-Naumann (1985, 327) konstatiert, dass insgesamt „(…) zu hohe Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der (Szenario-)Methode
gestellt
werden.
Der
damit
verbundene
Versuch,
nicht-
quantifizierbare Entwicklungen in ein quantifizierbares Denkraster einzufügen, entspricht ebenfalls einer Überschätzung der Möglichkeiten der Methode.“ Der Einsatz von Szenarien führt insbesondere dann zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn Unternehmen eine groß angelegte unternehmerische Entscheidung allein auf Szenarien aufbauen wollen (vgl. Schoemaker, 1998, 422-431). Fahey und Randall (1998, 17) beschreiben wie Szenarien deshalb bei Royal Dutch/Shell als ein Gerüst für die Entscheidungsfindung verstanden werden: „Currently at Shell, scenarios play a significant role in the decision-making process, but they aren’t allowed to steal the show … Scenarios are used to frame a decision, but they never divert attention away from the decision itself.“ Ein Nachteil der Methode kann in dem im Rahmen der Analyse notwendigen Reduktionsschritt gesehen werden. Um die Szenarioanalyse durchzuführen, muss zur Verringerung der Komplexität eine Reduktion der Einflussfaktoren erfolgen. Dadurch werden unter Umständen Bereiche ausgeblendet, die sich später als wesentlich erweisen könnten.
Für die im Rahmen des modellgestützten Vorgehens durchzuführende Konsistenzanalyse müssen hunderte von Feldern mit Experteneinschätzungen gefüllt werden. Die Ergebnisse der Cross-Impact- und Konsistenzanalyse weisen dabei nach Untersuchungen am Fraunhofer Institut eine durchschnittliche Fehlerrate von 55% auf (vgl. Jakob, Kiehne, Schwarz, Kaiser, Beucker, 2007, 7). Ein schwieriger Prozessschritt, selbst nach erfolgreicher Entwicklung von Szenarien, ist der Szenariotransfer, worunter die Ableitung von Implikationen für die strategische Planung und konkrete Entscheidungen verstanden werden. Dies ist möglicher-
160
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
weise darauf zurückzuführen, dass die Methode einen „Möglichkeitsraum“ aufzeigt, eine Auswahl an Zukünften, die hauptsächlich auf qualitativen Informationen beruhen.
Die Szenarioanalyse ist komplex, was auch für die Planung und Durchführung von Prozessen der Szenarioentwicklung gilt. Der damit im Zusammenhang stehende notwendige Zeit- und Ressourcenaufwand für Szenarioanalysen kann deshalb oftmals gerade in KMU ohne externe Unterstützung nicht geleistet werden, da diesen Unternehmen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen bzw. die zur Verfügung stehenden Ressourcen stärker auf das operative Geschäft ausgerichtet sind. Eine Möglichkeit sind Multi-Client-Studien, in deren Rahmen Szenarien für z.B. Unternehmen der gleichen Branche entwickelt werden (vgl. z.B. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a). Nachteil der Multi-Client-Studien ist die Vernachlässigung des Szenariotransfers in die strategische Planung, aufgrund der gemeinsamen Entwicklung von Szenarien zusammen mit anderen Unternehmen oder Institutionen. In der nachfolgenden Tabelle sind wesentliche Vor- und Nachteile von Szenarioanalysen im Überblick dargestellt.
Vorteile von Szenarioanalysen
Nachteile von Szenarioanalysen
Aktive und zukunftsoffene Auseinandersetzung mit Unsicherheiten (Wettbewerbsvorteil)
Abhängigkeit von subjektiven Einschätzungen und Meinungen der am Szenarioprozess beteiligten Akteure
Früherkennung potenzieller Chancen und Gefahren sowie möglicher Trendbrüche oder Störereignisse
Auswahl der Input-Informationen und der damit im Zusammenhang stehenden Einflussfaktoren ist erfolgskritisch
Entwicklung von Präventiv- und Reaktivmaßnahmen innerhalb der strategischen Planung auf der Grundlage von Szenarien
Erfassung der Problemstruktur in ihren vielschichtigen Interdependenzen und Wirkungszusammenhängen durch eine multikontextuelle und multidimensionale Betrachtungsweise
Qualität der Ergebnisse von Szenarioanalysen hängt von der fachlichen Qualifikation der durchführenden Personen, deren Fähigkeit zu vernetztem Denken und der Güte der eingesetzten Techniken ab
Generierung von Orientierungswissen
Akzeptanzprobleme, wenn Entscheider nicht an der Szenarioanalyse beteiligt sind Beteiligung von Entscheidungsträgern kann aber auch hinderlich sein, weil diese Szenarien möglicherweise vorbestimmen wollen
Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse
Vorteile von Szenarioanalysen
161
Nachteile von Szenarioanalysen
Bewertung unternehmerischer Konsequenzen durch die Erhöhung von Transparenz in hochkomplexen Systemen
Zu hohe Erwartungshaltung gegenüber den generellen Möglichkeiten einer Szenarioanalyse
Förderung der Aufgeschlossenheit der Entscheider gegenüber neuen, bislang verdrängten Argumenten
Ableitung von Strategien und Maßnahmen auf Basis eines Möglichkeitsraums fällt schwer
Ausgewogene und vertiefte Wissensfundierung
Hoher Zeit- und Ressourcenaufwand
Erhöhung der Beurteilungs- und Bewertungskompetenz
Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit
Erhöhung der Konsensfähigkeit unter den Beteiligten
Einbezug von quantitativen und qualitativen Daten und Größen
Die Methode ist Basis für die Ausgestaltung eines Frühwarnsystems
Selbstverständnis als Methodenverbund (z.B. Kreativitätstechniken, Delphi-Methode, System Dynamics)
Flexibilität der Methode je nach Kontext
Tabelle 5.5 Vor- und Nachteile von Szenarioanalysen im Überblick
6
Strategische Vorausschau in Unternehmen „Immer mehr integrieren deutsche Unternehmen die Methoden der Zukunftsforschung in ihre strategischen Planungen. Aber was in anderen Ländern, wie bei-
spielsweise im angelsächsischen Raum, gang und gäbe ist, ist hierzulande – von den großen Konzernen abgesehen – mitunter ein zäher Annäherungsprozess“ (Haderlein, 2007).
Die Auseinandersetzung mit der Historie, unterschiedlichen Ansätzen und Vorgehensweisen der Szenariomethode führt unweigerlich zu der Frage nach dem Anwendungsgrad der Szenariomethode in Unternehmen, insbesondere vor dem Hintergrund strategischer Planungsprozesse. Kapitel 6.1 liefert einen Überblick zu Untersuchungen zum Einsatz der Szenariomethode in strategischen Planungsprozessen unabhängig davon, ob die Methode intuitiv oder modellgestützt angewandt wurde und veranschaulicht Bekanntheits- und Anwendungsgrad und damit die Bedeutung der Szenariomethode in den untersuchten zumeist großen Unternehmen.
Wenn auch der Einsatz der verschiedenen Methoden in kleinen und mittleren Unternehmen sowohl in der Praxis als auch in der Literatur nur selten betrachtet wird, so besteht dennoch Einigkeit darüber, dass die meisten Methoden zu anspruchsvoll und zu teuer sind, um sie tatsächlich in KMU einsetzen zu können (vgl. Minder, 2001, 125). Verschiedene empirische Studien weisen darauf hin, dass die strategische Planung, im Zuge derer Vorausschauaktivitäten durchzuführen sind, in KMU nach wie vor noch häufig eher zufällig, unstrukturiert, sporadisch, inkremental, mangelhaft oder gar nicht betrieben wird (vgl. Welter, 2003, 36 f.; vgl. Held, Ruppert, Ziegenbein, 2007, 9). Somit weicht der Entscheidungsprozess in KMU erheblich vom Erklärungsansatz einer rationalen Entscheidung ab, wonach Entscheidungen als das Ergebnis einer rationalen Wahl bzw. Entscheidung des Homo oeconomicus erklärt werden (vgl. Welter, 2003, 34).
Held et al. sprechen von strategischer Planung, wenn sowohl Wertvorstellungen als auch längerfristige Absichten, Unternehmensziele und Unternehmensstrategien zumindest teilweise schriftlich niedergelegt sind. Nach dieser Definition findet in nur 42% der in 2006/2007 befragten 631 deutschen KMU überhaupt eine strategische Planung statt (vgl. Held, Ruppert, Ziegenbein, 2007, 26).
164
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Dies steht im Gegensatz dazu, dass die strategische Planung auch von KMU als ein wesentlicher Prozess angesehen wird, wie die Studie von Held et al. aufzeigt. Annähernd 85% der 631 befragten KMU halten demnach die strategische Planung für sinnvoll (vgl. Held, Ruppert, Ziegenbein, 2007, 22 f.). Strategische Planung wird von über 42% der befragten Unternehmen, neben dem Faktor „gute und qualifizierte Mitarbeiter“ (74,5%) und einer entsprechenden Kapitalausstattung (32,5%) als ein wesentlicher Erfolgsfaktor angesehen (vgl. Held, Ruppert, Ziegenbein, 2007, 22 f.). Innerhalb der Unternehmen, die eine strategische Planung betreiben, stehen aktuelle strategische Fragestellungen im Mittelpunkt der Betrachtung. Fragen zu Zukunftsmärkten, technologischen Trends oder sich wandelnden Konsumwelten werden kaum explizit genannt (vgl. Held, Ruppert, Ziegenbein, 2007 f.).
Die nachfolgende Tabelle gibt einen chronologischen Überblick zu wesentlichen internationalen und nationalen Studien zum Stand der strategischen Planung in KMU.
Autor(en)
Anzahl
Land
Wichtigste Erkenntnisse
Quelle
Jones (1982)
69
USA
(Jones, 1982)
Sexton/Van Auken (1982)
357
USA
„Planer“ sind durchschnittlich älter und haben eine höhere formale Ausbildung als „Nicht-Planer“ < 25% strategische Planung 20% kein strategisches Verhalten
Gable/ Topal (1987)
179
USA
Gibb/Scott (1985)
16
Großbritannien
Shuman/Seeger (1986)
220
USA
Carland et al. (1989)
368
USA
Shrader et al. (1989)
97
USA
Naffziger/Kuratko
115
USA
Einteilung in zwei Gruppen : „Planer“ erstellen ihre Pläne eher schriftlich als „Nicht-Planer“ Strategische Planung in KMU ist projektabhängig und nicht formalisiert Planung ist abhängig vom Erfolg früherer Planungsaktivitäten, aktuellen Erfolg und persönlichen Einstellungen Positiver Zusammenhang zwischen Persönlichkeit (Leistungsorientierung, Risiko- bzw. Innovationsneigung) und Art der Planung (formal, nicht formal, keine) 23% strategische Planung (> 1 Jahr) Je kleiner das Unternehmen, desto eher nur operative Planung
> 80% formale Planung
(Sexton, van Aucken, 1985) (Gable, Topol, 1987) (Gibb, Scott, 1985) (Shuman, Seeger, 1986) (Carland, Carland, Aby, 1989) (Shrader, Mulford, Blackbourn, 1989) (Naffziger,
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Autor(en)
Anzahl
Land
Wichtigste Erkenntnisse
(1991) Lyles et. al. (1993)
188
USA
Risseeuw/Masural (1994)
1211
Niederlande
Olson/Bokor (1995)
500
USA
Naffzinger/ Mueller (1999)
71
USA
Gibson/Cassar (2002)
3554
Australien
Stonehouse/ Pemberton (2002)
159
Großbritannien
Esser et al. (1985)
214
Deutschland
Kropfberger (1986)
262/161
Österreich
Haake (1987)
127
Schweiz
Fröhlich/ Pichler (1988)
107
Österreich
37% haben formale Pläne mit einem Zeithorizont von mind. 3 Jahren. Strategische Entscheidungsfindung variiert stark zwischen formalen und informalen Planern, formale Planer höheres Umsatzwachstum Planungsaktivitäten steigen mit zunehmender Unternehmensgröße Erfolg wird beeinflusst von dem Grad der Planungsformalisierung sowie dem Strategieinhalt 47% kein schriftliches „mission statement“ 49% überprüfen ihre Zielerreichung mehrfach jährlich, Geschäftsführung und TopManagement legen Pläne fest >30% schriftliche Planung, davon aber nur 50% jährlich Größere Unternehmen planen eher als kleinere Je besser die Ausbildung, desto eher wird geplant Mit zunehmender Anzahl der Jahre an Berufserfahrung fällt die Wahrscheinlichkeit zu planen 70% Planungshorizont von 1-3 Jahren 92% strategische Planung 27% strategische Planung Je mehr Beschäftigte das Unternehmen hat, desto eher wird strategisch geplant In GmbH und AG wird eher strategisch geplant als in anderen Rechtsformen. 32% keine Absatzplanung 49% nur Kurzfristplanung(1 Jahr) 27% Mehrjahresplanung 39% langfristige Geschäftspolitik Portfolio- und Lebenszykluskonzepte kaum bekannt 28% keine schriftliche Planung 31% nur Kurzfristplanung 27% Langfristplanung Strategische Planung insgesamt 14% Planung vorwiegend bei Finanzen, Produktion, Absatz 23% keine Planung 31% Kurzfristplanung 33% Langfristplanung
165
Quelle Kuratko, 1991) (Lyles, Baird, Orris, D.F., 1993) (Risseeuw, Masurel, 1994) (Olsen, Bokor, 1995) (Naffiziger, Mueller, 1999)
(Gibson, Cassar, 2002)
(Stonehouse, Pemberton, 2002) (Esser, Höfner, Kirsch, Wieselhuber, 1985)
(Kropfberger, 1986)
(Haacke, 1987)
(Fröhlich, Pichler, 1988)
166
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Autor(en)
Anzahl
Land
Scholz (1991) Leitner (2001)
1461
Deutschland Österreich
Kraus (2006)
468
Österreich
Deimel/ Kraus (2006)
101
Deutschland
H. Held, M. Ruppert, F. Ziegenbein,
631
Deutschland
100
Wichtigste Erkenntnisse 12% strategische Planung 73 % strategische Planung 55% Stärken/ Schwächen- Analyse <20 % Portfolio- und Produktlebenszyklusanalyse 0% Kernkompetenzanalyse 62% schriftlich festgehaltene Unternehmenspolitik 88 % Strategiefestlegung aufgrund von Erfahrung 31 % Strategiefestlegung aufgrund von Intuition 18 % Planungshorizont von > 2 Jahren geringer Formalisierungsgrad 77 % keine strategischen Instrumente Planung steigt mit zunehmender Unternehmensgröße und Komplexität der Rechtsform Erfahrung und Intuition sind für die Entscheidungsfindung wichtiger als Planung 40 % schriftliche Planung 50 % strategische Planung Planungshorizont eher kurzfristig (<3 Jahre) 42% nutzen strategische Planung ca. 85% der KMU halten die strategische Planung für sinnvoll
(2006/2007)
Quelle
(Scholz, 1991) (Leitner, 2001)
(Kraus, 2006)
(Deimel, Kraus, 2006) (Held, Ruppert, Ziegenbein, 2007)
Tabelle 6.1 Studien zur strategischen Planung in KMU (vgl. auch Darstellung in Welter, 2003, 36; vgl. Meyer, 2007, 33 ff.)
Die Anwendungsquote der strategischen Planung ist im deutschsprachigen Raum noch vergleichsweise gering (vgl. Meyer, 2007, 39).
Ein Teil der Studien zur strategischen Planung in KMU (vgl. Tabelle 6.1) ist der Frage nach der Erfolgswirkung strategischer Planung nachgegangen. Dabei wird der Versuch unternommen, den bereits für Großunternehmen mehrfach bestätigten positiven Zusammenhang (vgl. Ramanujam, Venkatraman, 1997; Rue, Ibrahim, 1998) zwischen strategischer Planung und Unternehmenserfolg auch auf KMU zu übertragen. Wenn auch die Studien teilweise nur schwer vergleichbar sind, so überwiegen dennoch die Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen strategischer Pla-
Strategische Vorausschau in Unternehmen
167
nung und Unternehmenserfolg feststellen konnten (vgl. Deimel, Kraus, 2006, 4; vgl. Meyer, 2007, 36). Ursachen, die dazu führen, dass auf eine strategische Planung und Vorausschau in KMU verzichtet wird, sind eine Überbetonung des operativen Geschäfts, das es nicht erlaubt, einer fundierten strategischen Planung nachzugehen (knappe Zeitressourcen) (vgl. Deimel, Kraus, 2006, 6) sowie fehlendes Know-how. Des Weiteren können der strategischen Planung negative oder kritische Einstellungen gegenüberstehen. So wird die strategische Planung oftmals mit aufwendigen Marktanalysen in Verbindung gebracht, deren Aufwand nicht als sinnvoll erachtet wird. Auch das Bremsen des Innovationscharakters von KMU durch strategische Planungsinstrumente wird als ein Grund für eine fehlende strategische Planung angesehen sowie die Annahme, dass Planung die Freiheit und die Fähigkeit die Intuition zu nutzen einengt (vgl. Masurel, Smits, 2000, 95; vgl. Meyer, 2007, 30). Weitere Ursachen sind Angst vor Veränderungen oder ein tradiertes Denken (vgl. Meyer, 2007, 30).
Den Gründen, die gegen den Einsatz der strategischen Planung sprechen, stehen z.B. die Möglichkeiten des Einsatzes von Szenarioanalysen gegenüber. Durch die Entwicklung von Szenarien kann der wahrgenommene Möglichkeitsraum der Unternehmen erweitert werden, wodurch Veränderungsprozesse früher erkannt und besser verstanden werden (vgl. auch Meyer, 2007, 38).
Umfassende empirische Untersuchungen, die explizit der Frage nachgehen, inwieweit Methoden der strategischen Vorausschau und insbesondere die Szenarioanalyse in KMU zum Einsatz gelangen, liegen jedoch bis zum Untersuchungszeitpunkt nicht vor. Die in Kapitel 6.2 dargestellte qualitative Untersuchung zur Praxis der strategischen Vorausschau in kleinen und mittleren Unternehmen, untersucht am Beispiel von Biotechnologieunternehmen, soll Aufschluss darüber geben, in welcher Form überhaupt eine strategischen Vorausschau als ein Teil der strategischen Planung durchgeführt wird, wie Vorausschauaktivitäten im Unternehmen organisiert werden, welche Quellen genutzt werden und welche Methoden dabei zum Einsatz gelangen. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, inwieweit Szenarioanalysen in den untersuchten Biotechnologieunternehmen zur Anwendung gelangen. Zuvor wird in Kapitel 6.1 aufgezeigt, welche Untersuchungen zum Anwendungsgrad der Szenarioanalyse in Unternehmen bereits vorliegen. Die Untersuchungen bestätigen einen
168
Strategische Vorausschau in Unternehmen
zunehmenden Anwendungsgrad von Szenarien in der strategischen Planung, fokussieren jedoch deutlich auf Großunternehmen. 6.1
Anwendung der Szenariomethode in der strategischen Planung
Robert E. Linnemann und Harold E. Klein untersuchten bereits 1977 erstmals den Einsatz der Szenariotechnik innerhalb der 1000 größten amerikanischen Industrieunternehmen. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Nutzerquote von 13% ermittelt. Diese Quote stieg zwischen 1977 und 1981 auf 35% an, wie eine Folgeuntersuchung zeigte (vgl. Linnemann, Klein, 1983). Auch in Europa wurden ähnliche Untersuchungen durchgeführt. Eine von Meyer-Schönherr in 1989/90 durchgeführte Untersuchung ergab für deutsche Unternehmen eine Nutzerquote von 26,4%. Meyer-Schönherr untersuchte 460 der umsatzstärksten deutschen Unternehmen, Banken und Versicherungsgesellschaften. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Untersuchung sind in der nachfolgenden Abbildung 6.1 zusammenfassend dargestellt:
Die Nutzerquote liegt bei 26,4 %.
Die Nutzung der Szenariotechnik in der strategischen Planung nimmt seit Mitte der 80er-Jahre kontinuierlich zu – mit weiterhin steigender Tendenz.
Mit zunehmender Unternehmensgröße (gemessen am Umsatz) steigt die Quote der Unternehmen, die die Szenariotechnik als strategisches Planungsinstrument nutzen.
Unternehmen der Investitionsgüterindustrie nutzen die Szenariotechnik stark unterproportional, während sie von Unternehmen im Dienstleistungsgewerbe stark überproportional eingesetzt wird.
Unternehmen, die in einem instabilen politischen und sozialen Umfeld operieren, nutzen vergleichsweise häufig die Szenariotechnik. Gleichzeitig kann sich die Mehrzahl der Nicht-Nutzer den zukünftigen Einsatz der Methode in der strategischen Planung vorstellen, sowie es Veränderungen im Unternehmensumfeld erforderlich machen.
Die Szenariotechnik wird überwiegend von Unternehmen eingesetzt, die eine formale strategische Planung betreiben, insbesondere wenn die Unternehmen ihrer strategischen Planung einen vergleichsweise langen Betrachtungshorizont zugrunde legen.
Der Szenarioansatz wird eher von solchen Unternehmen genutzt, die auch qualitativen und sozialen Zieltypen eine große Bedeutung beimessen.
Der Szenarioansatz wird eher von Unternehmen genutzt, die ein systematisches Management ihrer unternehmensspezifischen Umfelddaten betreiben.
Unternehmen, deren strategisches Planungssystem weniger starr ist und den Beteiligten individuelle Freiräume belässt, nutzen die Methode häufiger.
Strategische Vorausschau in Unternehmen
169
Die Initiatoren und Promotoren der Methode sind nicht nur die Leiter der Planungsabteilung, sondern in starkem Maße auch das Top-Management.
Abbildung 6.1 Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in 1989/90 (vgl. MeyerSchönherr, 1992)
Eine Studie von Weber aus dem Jahr 1988 belegt den Bekanntheitsgrad und die Bedeutung der Szenariotechnik bei der Erarbeitung und Einschätzung mittel- bis langfristiger Entwicklungen. Die in der Tabelle 6.2 dargestellten Aussagen sind das Ergebnis einer in 1988 durchgeführten Umfrage deutscher und schweizerischer Unternehmen. Nach dieser Untersuchung hatte die Methode bereits 1988 innerhalb der untersuchten Unternehmen einen Bekanntheitsgrad von 95% und einen Nutzungsgrad von 59% innerhalb der Unternehmen, denen die Methode bekannt war.
Simulationsmodelle
Dekompositionsmethoden
Identifikationsmethoden, Standardmodelle
68 38
76 36
8 51
87 63
41 26
44
63
65
29
18
0
44
37
10
53
71
100
Identifikationsmodelle, Spezialmodelle
Ökonometrische Modelle
91 97 75 96 95 95 98 Bekanntheitsgrad X 73 68 23 86 59 71 77 Nutzungsgrad Y Nutzungsbereich 35 55 50 32 78 53 35 Gesamtunternehmung Z 93 64 58 77 51 55 51 Absatzbereich Prognosehorizont [ 60 23 18 34 10 27 52 kurz 35 36 35 42 27 44 39 Mittel 5 41 47 24 63 29 9 Lang Prognosefrequenz \ 11 4 0 10 7 19 23 Monatlich für 1 Jahr 20 8 7 26 5 19 13 Jährlich für 1 Jahr 46 53 50 34 39 30 23 Unregelmäßig Datenbasis: Umfrage 1988 bei 370 resp. 130 Unternehmungen und der Schweiz, Rücklaufquote BRD 16%, CH 7%.
Wachstumsmodelle
Glättungsmethoden, einfache
Regressionsanalyse
Szenariotechnik
Kunden-/ Verbraucherbefragung, Panels
Expertenbefragung, Delphi
Expertenbefragung Allgemein
Vertreterbefragung
Bekanntheitsgrad, Bedeutung und Prognosehorizonte von Methoden der Zukunftsforschung – Prognosepraxis in der Bundesrepublik und in der Schweiz – Umfrage 1988 (in %) Prognoseverfahren
32 9
5
27
14
35
44
40
47 48
46 27
38 48
38 27
34 22
40 20
12
14
31
9
-
100
6 31
11 7
3 13
12 30
-
0 0
in der Bundesrepublik Deutschland
Berechnungsweise: X in % der antwortenden Unternehmungen; Y in % der das Verfahren als „bekannt“ meldenden Unternehmungen; in % der das Verfahren als „unternehmungsintern benutzt“ meldenden Unternehmungen; [ in % der Fälle; \ in % der Fälle; der Rest betrifft weniger häufige Prognosefrequenzen (vierteljährlich für 1 oder 2 Jahre, jährlich für 5 Jahre, jährlich für 7 oder 10 Jahre).
Tabelle 6.2 Prognosepraxis in Deutschland und in der Schweiz, Umfrage 1988 (in %) (Weber, 1990, 21)
170
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Anfang der 90er-Jahre konstatierten Gausemeier et al. auf Basis der Untersuchungen von Meyer-Schönherr, dass über 80% der befragten Unternehmen die Szenarien intuitiv erstellen und keine mathematischen Algorithmen verwenden. Die entwickelten Szenarien sind häufig bekannte oder vertraute Zukunftsbilder. Viele der verwandten Ansätze setzten nicht konsequent auf das vernetzte Denken. Darüber hinaus führten eine mangelnde Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit zu Akzeptanzproblemen bei Nicht-Nutzern der Methode. Wissen über die Methode war insbesondere in den Planungsabteilungen nicht verbreitet, was Skepsis förderte. Initiatoren und Promotoren waren eher im Top-Management zu finden. Etwa zwei Drittel aller Unternehmen, die die Methode einsetzten, orientierten sich bei der strategischen Planung hauptsächlich an einem, nämlich dem wahrscheinlichsten Szenario. Der Kerngedanke der Methode, die Berücksichtigung multipler Zukünfte und die Entwicklung einer zukunftsrobusten Strategie kamen somit kaum zur Anwendung (vgl. Gausemeier, Fink, Schlake, Siebe, 1996, 97).
Das Sekretariat für Zukunftsforschung hat in 1996 eine Untersuchung gestartet zum Thema „Zukunftsforschung und Organisation von Zukunftswissen in Unternehmen“. Die Studie fußt auf einer schriftlichen Befragung ausgewählter Unternehmen in zwei Wellen, deren erste Welle 1996 durchgeführt wurde; die zweite Welle folgte im Jahr 1999. Für die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse wurde zudem auf die Ergebnisse einer Studie des Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG IPK) zurückgegriffen, die 1994 Industrieunternehmen hinsichtlich ihrer organisatorischen Gestaltungsoptionen im Bereich der strategischen Früherkennung empirisch analysierte (vgl. Spur, 1995) und deren Fragebogen sich zu großen Teilen mit dem des Sekretariats für Zukunftsforschung (SFZ) deckte. Das SFZ befragte in 1996 und 1999 88 Unternehmen. Bei der Auswahl der Unternehmen sollten insbesondere besonders zukunftsfähige Unternehmen berücksichtigt werden. Die Auswahl der Unternehmen erfolgte dabei auf Grundlage des nachfolgend aufgeführten Kriterienraster.
Strategische Vorausschau in Unternehmen
171
Die Verwendung neuer Managementkonzepte Eine verstärkte Mitarbeiterbeteiligung an Kommunikations- und Entscheidungsprozessen
Innovative Modelle der Arbeitsorganisation
Umsetzung sozialer und technologischer Innovationen
Eine ökologische Produktgestaltung
Den Einsatz umweltgerechter und ressourcenschonender Produktionsverfahren
Die Realisierung neuer Logistik- und Distributionskonzepte
Die Implementierung eines Ökocontrolling bzw. einer Ökobilanzierung
Die Teilnahme am europäischen Öko-Audit
Die Mitarbeit in ökologisch orientierten Unternehmensverbänden
Der Erhalt von Preisen und Auszeichnungen für soziale, ökologische und kulturelle Innovationsleistungen
Abbildung 6.2 Kriterienraster für die Auswahl zukunftsfähiger Unternehmen (Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 12)
Die Beantwortung der Fragestellung nach den in Unternehmen eingesetzten Methoden verdeutlicht insbesondere die verstärkte Anwendung der Szenariotechnik (vgl. Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 32). Das Sekretariat für Zukunftsforschung (SFZ) zeigt im Rahmen der Studie, dass sich die Bekanntheit und der Einsatz qualitativer Analysemethoden in den 88 befragten Unternehmen5 von 1996 auf 1999 erhöht hat (vgl. Abbildung 6.3).
5 Befragt wurden 88 zukunftsorientierte Unternehmen und spezifische Zukunftseinrichtungen in den Unternehmen in Deutschland. Größere Unternehmen (Umsatz über 1 Mrd. DM) machen dabei über die Hälfte der befragten Unternehmen aus.
172
Strategische Vorausschau in Unternehmen
12,3
Cross-Impact-Analyse
8,4 23,1
Delphi-Methode
14,5 33,8
Zukunftswerkstätten
14,5
Operations Research
36,9
18,1
58,5
Trendextrapolation
41 58,5
Kreativmethoden
26,5
Portfolioanalyse
63,9
73,8 75,4
Szenariotechnik
57,8 87,7 84,3 89,2
Expertenbefragung Brainstorming
67,5 93,8
Gesprächszirkel
80,7
0
1996
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Angaben in %
1999
Abbildung 6.3 Methodeneinsatz in Unternehmen (Vergleich 1996 und 1999) (vgl. Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 33)
Wie aus der vergleichenden Befragung des SFZ hervorgeht, ist der Anteil der Unternehmen, die Methoden der Zukunftsforschung anwenden, generell gestiegen, denn bei jeder Methode liegt der Anteil der Unternehmen, die diese Methode anwenden, höher als 1996. Die für die Befragung ausgewählten Unternehmen befassten sich 1999 offensichtlich intensiver mit den Methoden und verfügen über ein breiteres Methodenspektrum bzw. bessere Methodenkenntnis als noch in 1996. Eine detaillierte Auswertung der Ergebnisse der Befragungen macht deutlich, dass die Bedeutung von qualitativen Methoden im Vergleich zu quantitativen Methoden gestiegen ist. Bei den qualitativen Methoden werden insbesondere das Brainstorming, die Szenariotechnik und die Zukunftswerkstätten zunehmend verstärkt angewandt. Besonders hoch ist der Anteil der Unternehmen (75,4%), die 1999 die Szenariotechnik nutzten. Die Studie des SFZ ergab weiterhin, dass qualitative Methoden von den Unternehmen vor allem zur Verbesserung der Informationsbasis für Entscheidungen genutzt werden. Durch eine regelmäßige und systematische Analyse von Umfeldfaktoren wird die Abschätzung der Konsequenzen von Entscheidungen erleichtert (vgl. Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 33-35). Basierend auf dieser Studie kann konstatiert werden, dass sich die Szenariomethode weiter verbreitet hat in den Unternehmen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass insbesondere Unternehmen ausgewählt wurden, die dem Kriterienraster entsprachen, also als besonders zukunfts-
Strategische Vorausschau in Unternehmen
173
fähig eingestuft wurden. Des Weiteren wurde im Rahmen der Studie abgefragt, welche Maßnahmen für ein zukunftsfähiges Unternehmen besonders wichtig sind. Dabei wurden Merkmale wie motivierte Mitarbeiter, eine flexible Unternehmensstruktur und innovative Produktideen schwerpunktmäßig benannt. Das Item langfristige Unternehmensstrategie wurde jedoch nur von 7% (1996) bzw. 9% (1999) der Unternehmen als besonders wichtig eingeschätzt.
Im Rahmen einer weiteren Folgeuntersuchung im Untersuchungszeitraum August 2001 bis Mai 2002 wurden durch das aus dem Sekretariat für Zukunftsforschung hervorgegangene Beratungsunternehmen Z_punkt 60 ausgewählte Großunternehmen befragt, die basierend auf dem Kriterienraster als zukunftsorientiert und innovativ eingeschätzt wurden. Das im Rahmen dieser Studie zugrunde gelegte Kriterienraster weist Ähnlichkeiten zum Kriterienraster der 1996 und 1999 durchgeführten Untersuchung auf und ist in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.
Innovative Produktentwicklungen
Erschließung neuer Geschäftsmodelle
Neue Managementkonzepte
Neue Arbeitszeitmodelle
Zukunftsorientierte Leitbilder und Leitbildentwicklung
Umweltbericht und proaktive Umweltmaßnahmen
Hoher Internationalisierungsgrad
Innovative bzw. zukunftsorientierte Marketingstrategien
Abbildung 6.4 Kriterienraster für die Auswahl zukunftsfähiger Unternehmen (Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 50)
Die Unternehmen, die in der Untersuchung Berücksichtigung finden sollten, mussten immer mehreren aber nicht zwangsläufig allen Kriterien entsprechen. Die Beschränkung auf Großunternehmen ist das Ergebnis von Erfahrungswissen, da bei Großunternehmen davon auszugehen ist, dass eine systematische Auseinandersetzung mit mittel- bis langfristigen Planungen sowie Umfeld- und Unternehmensentwicklungen praktiziert wird und Zukunftsforschung zumindest in Ansätzen realisiert ist (vgl. Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 50). Nach einer Rücklaufquote von 43% flossen die Einschätzungen von 26 Unternehmen in die Untersuchung ein. Des Wei-
174
Strategische Vorausschau in Unternehmen
teren wurden 22 Experten aus 19 Unternehmen zum Umgang mit Methoden der Zukunftsforschung befragt. Um den Anwendungsgrad von Methoden der Zukunftsforschung zu ermitteln, wurden den Experten 19 ausgewählte Methoden vorgegeben. Von diesen Methoden haben sechs Methoden einen Anwendungsgrad von nahezu 100%. Dazu gehören das Brainstorming, die Publikationsanalyse, die Szenariotechnik, die Expertenbefragung, die Delphi-Methode und die Lebenszyklus-Analyse. Andere sehr bekannte Methoden sind auch die Zukunftskonferenz, Zukunftswerkstatt, Netzplantechnik, Entscheidungsmatrix, das Mindmapping, Simulationstechniken, Trendextrapolationen, die qualitative Rangfolgenbeurteilung, Patentanalyse, Technologie-Portfolio-Analyse und Umfeldanalyse (vgl. Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 77).
Fast alle Methoden, die bei der Frage nach der Häufigkeit des Einsatzes einen Spitzenplatz belegt haben, sind Basiswerkzeuge der Zukunftsforschung. Die mit Hilfe dieser Methoden zusammengetragenen und bewerteten Informationen sind Grundlage für Entscheidungsprozesse und auch eine Voraussetzung für den Einsatz komplexerer und anspruchsvollerer Methoden. Dabei kommt der Szenariomethode ein besonderer Stellenwert zu. Die Szenariomethode liegt bei der Addition von fallweisem und regelmäßigem Einsatz gleichauf mit der Publikationsanalyse (vgl. Abbildung 6.5). Obwohl die Lebenszyklus-Analyse in allen Unternehmen bekannt ist, kommt sie nur bei einem Sechstel der befragten Unternehmen regelmäßig zum Einsatz; in den meisten Fällen wird die Methode fallweise eingesetzt. Bei der ebenfalls allen Unternehmen bekannten Methode, der Delphi Methode, ist die Diskrepanz noch größer. Diese Methode kommt nicht regelmäßig zur Anwendung und nur in weniger als der Hälfte der Unternehmen nur fallweise zum Einsatz (vgl. Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 78).
Strategische Vorausschau in Unternehmen
0%
10%
20%
Brainstorming
30%
Publikationsanalyse
Expertenbefragung
70%
58% 71% 63%
29%
46%
Umfeldanalyse
46%
29%
21%
50%
Patentanalyse
38%
Trendexploration
33%
29%
Ranking
38%
33%
Netzplantechnik
29%
17%
TechnologieͲPortfolioͲ…
42% 42%
Zukunftskonferenz
17% 58%
8%
DelphiͲMethode
100%
17%
25%
Entscheidungsmatrix
90%
50%
33%
Mindmapping
80% 42%
17%
Simulationstechniken
Gaming
60%
46%
LebenszyklusͲAnalyse
Planungszelle
50%
79%
Szenariotechnik
Zukunftswerkstatt
40%
58%
175
42%
regelmäßig fallweise
42% 4% 4% 8%
Abbildung 6.5 Regelmäßig und fallweise eingesetzte Methoden (vgl. Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 78)
Als Ergebnis dieser Untersuchung konstatieren die Autoren, dass die zentralen Methoden der Zukunftsforschung in allen befragten Unternehmen bekannt sind und auch vielfach eingesetzt werden. Dabei stehen Methoden, die der Umfeldbeobachtung, Frühaufklärung und Ideensammlung dienen, beim regelmäßigen Einsatz an erster Stelle. Anspruchsvollere und mehrdimensionale Methoden werden mit Ausnahme der Szenarioanalyse nur fallweise eingesetzt. Einen festen Methodenkanon oder eine Methodenhierarchie oder -abfolge gibt es nicht (vgl. Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 79).
Werden die Ergebnisse der unterschiedlichen Untersuchungen verglichen, so kann festgestellt werden, dass qualitative Methoden in den letzten Jahren insgesamt eine deutlich höhere Bedeutung in den Unternehmen erlangt haben und dass einige Methoden zum Standard-Repertoire gehören. Die Bekanntheit und der Anwendungsgrad der Szenariomethode sind von 24,6% (Untersuchung von Meyer-Schönherr in 1989/90) auf 96% in 2001 (Untersuchung von Burmeister et al.) gestiegen. Als Ursa-
176
Strategische Vorausschau in Unternehmen
chen für den Bedeutungszuwachs qualitativer Methoden wurden in Experteninterviews vor allem folgende Gründe benannt:
Mit den meist auf bloßen Hochrechnungen basierenden Prognosemethoden lag man oftmals falsch.
Eindimensionale Trendextrapolationen suggerieren Sicherheiten, die es nicht gibt.
Weiche Signale, die später zu harten Fakten führten, wurden nicht rechtzeitig erkannt.
Rechenbare Argumente führen oft nicht zu einer lebendigen und gelebten Strategie.
Qualitative Methoden helfen dabei zu begreifen, dass sich das Unternehmen in Systemen und globalen Abhängigkeiten bewegen, die nicht nur rationalen und berechenbaren Kriterien unterliegen.
Qualitative Methoden sind wesentlich geeigneter, um sich die vorhandenen Möglichkeiten und Risiken bewusst zu machen und sie durchzuspielen.
Mit qualitativen Methoden besteht die Möglichkeit sich auf unerwartete Ereignisse vorzubereiten, um so die Chance zu haben auch in Krisensituationen die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten.
Mit qualitativen Methoden können Bilder erzeugt und ein emotionaler Zugang ermöglicht werden, der zu einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge führt (vgl. Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 81).
Beim Einsatz quantitativer Methoden gab es keinen vergleichbaren Bedeutungszuwachs, trotzdem werden quantitative Methoden insgesamt häufiger eingesetzt, weil neue technologische Möglichkeiten, wie z.B. die Beschleunigung der Rechnerleistungen oder die Zunahme elektronisch verfügbarer Daten es deutlich vereinfachen, notwendige Informationen zu erhalten und zu verarbeiten und sie zum Ausgangspunkt qualitativer Betrachtungen zu machen.
Im Rahmen der Studie wird deutlich, in welchen Bereichen innerhalb des Unternehmens die Szenarioanalyse zum Einsatz kommt. Dabei kristallisierten sich fünf zentrale Einsatzfelder für den Einsatz der Methoden der Zukunftsforschung heraus, wobei der Schwerpunkt der Szenarioanalyse in der Strategieentwicklung bzw. in der strategischen Planung zu sehen ist (vgl. Tabelle 6.3).
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Einsatzfelder Methoden
Strategieentwicklung/ strategische Planung
Planungsprozesse
Innovationsmanagement
Unternehmenskommunikation
177
Marketing
Szenarientechnik Expertenbefragung Brainstorming Umfeldanalyse Publikationsanalyse Trendextrapolation Delphi -Methode Simulationstechnik
Tabelle 6.3 Zentrale Einsatzfelder der Methoden der Zukunftsforschung (Burmeister, Neef, Albert, Glockner, 2002, 85)
Herzhoff untersuchte in einer in 2004 veröffentlichten Untersuchung die Bedeutung der Szenariotechnik in der chemischen Industrie in Westeuropa. Dazu wurden 111 Chemieunternehmen und 166 Tochtergesellschaften in Westeuropa (Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden, Großbritannien, Irland, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien) befragt. Aus der Anzahl von 27 teilgenommenen Chemieunternehmen sowie 48 teilgenommenen oder durch Aussagen der Muttergesellschaft berücksichtigten Tochtergesellschaften resultiert eine Beteiligungsquote von 27,1%. Die Rücklaufquote lag bei 52% innerhalb der Chemieunternehmen und bei 15% bei den Tochtergesellschaften (vgl. Herzhoff, 2004, 157).
Auffallend ist die deutlich überdurchschnittliche Beteiligung von über 56% bei der obersten Umsatzklasse der Unternehmen (ab 10.000 Mio. Euro Umsatz und mehr), während in niedrigeren Umsatzklassen nur eine durchschnittliche Beteiligungsquote von 27,1% festgestellt werden konnte. Dies lässt sich als ein Hinweis dafür werten, dass die Untersuchung über den Einsatz eines strategischen Planungsinstrumentes für große global aufgestellte Chemieunternehmen von Interesse war (vgl. Herzhoff,
178
Strategische Vorausschau in Unternehmen
2004, 170). Die meisten Unternehmen, die die Szenariotechnik nicht einsetzen, haben sich bis zum Befragungszeitpunkt mit dem Einsatz des Instrumentes nicht beschäftigt. Dies bedeutet, dass der mit Abstand größte Teil der Nichtanwender der Szenariotechnik das Instrument nicht aus systemimmanenten Gründen nicht nutzt. Etwa 8% der Unternehmen gaben an, die Szenariotechnik einführen zu wollen; weitere 15% haben die Methodennutzung wieder eingestellt, wobei diese Unternehmen sich nach eigenen Angaben entweder in einer noch unentschlossenen Versuchsphase befinden oder sich der Einsatz der Szenariotechnik nicht bewährt hat. Der überwiegende Teil der Unternehmen konnte nicht angegeben, welcher konkreten theoretischen Konzeption bei der praktizierten Szenariotechnik gefolgt wird (vgl. Herzhoff, 2004, 172), was als ein Hinweis für eine mangelnde theoretische Methodenkenntnis interpretiert werden kann.
Jan Oliver Schwarz untersuchte 2005 in einer Delphi-Studie den Staus quo und die zukünftige Entwicklung der Zukunftsforschung in deutschen Unternehmen (vgl. Schwarz, 2006b). Die Delphi Studie wurde in einem zweistufigen Verfahren durchgeführt. In einem ersten Durchlauf wurden die Experten aufgefordert, einen Fragebogen mit qualitativen und quantitativen Fragen zu beantworten. In einem zweiten Durchlauf erhielten die Experten die aufbereiteten Ergebnissen der ersten Runde, mit der Aufgabe, die Einschätzungen noch einmal zu reflektieren. Am ersten Durchlauf nahmen 84 Experten teil, am zweiten Durchlauf 64 Experten, die untereinander anonym blieben. 40 der 64 Experten gehören zur Gruppe der Manager und Managementberater im Bereich Strategie aus Unternehmen mit mehr als 500 Mio. Euro Umsatz p.a. und mehr als 10.000 Mitarbeitern (Unternehmensperspektive), 14 Experten kamen aus der Gruppe der Zukunftsforscher (Futurists-Perspektive), 10 Experten kamen aus der Gruppe der Wissenschaftler deutscher Universitäten, die im Bereich Strategie und/oder Zukunftsforschung tätig sind (Wissenschaftsperspektive).
Die Szenariotechnik wurde von 46 der Unternehmensexperten als eine Methode benannt, die häufig oder gelegentlich eingesetzt wird. Somit gehört die Szenariotechnik neben dem Environmental Scanning, Trendmonitoring, Trend Research, Strategic Early Warning (Strategische Frühaufklärung bzw. Früherkennung) zu den meist genannten Methoden (vgl. Abbildung 6.6).
Strategische Vorausschau in Unternehmen
33
35 30
179
31 29
27
25 20
20
19
19
20 16
15
12
11
13
12
9
10
5
4
5 0
1
1
2
5 3
2 0
0 Env ironmental Sc anning, Trendmonitoring, Trend Researc h, S trategic Early Warning
Häufig
S c enario tec hnique
Gelegentlich
Delphi method
Quantitativ e forec asting methods
Niemals
S imulation and gaming
Creativ ity methods
Kann ich nicht einschätzen
Abbildung 6.6 Status quo in Unternehmen: Anwendung der Methoden der Zukunftsforschung (Anzahl der Expertennennungen in absoluten Zahlen) (Schwarz, 2006a, 2)
Der nachfolgenden Abbildung 6.7 ist zu entnehmen, wie die Gesamtheit der Teilnehmer an der Delphi-Studie die zukünftige Entwicklung der einzelnen Methoden der Zukunftsforschung in Unternehmen (allgemein) einschätzt. Demzufolge werden Methoden wie das Environmental Scanning, Trendmonitoring, Trend Research und Strategic Early Warning (86%) und die Szenariotechnik (83%) in Unternehmen in der Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Auf die Frage, welche Methoden der Zukunftsforschung weiterentwickelt werden müssen, um einen Beitrag im Umgang mit der Zukunft in einem Unternehmen zu leisten, wurden unter anderem folgende Anforderungen ermittelt (vgl. Schwarz, 2006b, 43 ff.):
0
5
10
15
20
25
30
35
40
36
7
0
0
Environmental Scanning, Trendmonitoring, Trend R esearch, Strategic Early Warning
19
2
33
20
4
4
Stimme ich nicht zu
2
Stimme ich eher zu
Delphi method
8
12
Stimme ich eher nicht zu
0
1
19
Stimme ich zu
Scenario technique
6
14
17 17
4
Quantitative forecasting methods
26
2
12
Simulation and gaming
17
Kann ich nicht einschätzen
Neutral Stimme eher nicht zu
2
13
17
1
3
18
25
4
Creativity methods
14
1
2
180 Strategische Vorausschau in Unternehmen
Abbildung 6.7 Zukünftige Bedeutung ausgewählter Methoden (Anzahl der Expertennennungen in absoluten Zahlen) (Schwarz, 2006a, 3)
Strategische Vorausschau in Unternehmen
181
Methoden, die weiter entwickelt werden müssen, sind die Szenariotechnik und quantitative Methoden, die strategische Frühaufklärung/ Früherkennung.
Es sollten keine neuen Methoden entwickelt werden, der Fokus sollte auf der praktischen Umsetzung und der Kombination von Methoden liegen.
Die Methoden sollten einfacher, weniger zeitaufwendig, weniger akademisch und einfacher zu integrieren sein.
Ws sollte eine Integration von Zukunftsforschung in die Planungsprozesse erfolgen.
Die nachfolgende Tabelle 6.4 fasst die dargestellten Ergebnisse im Hinblick auf den Anwendungsgrad der Szenarioanalyse zusammen.
Fokus der Untersuchung Einsatz der Szenariotechnik
Autoren und Jahr der Erhebung Robert E. Linnemann und Harold E. Klein 1977
Einsatz der Szenariotechnik (Folgeuntersuchung)
Robert E. Linnemann und Harold E. Klein 1981
Einsatz der Szenariotechnik
Mirko MeyerSchönherr, 1989/90
Bekanntheitsgrad, Bedeutung und Prognosehorizonte von Methoden der Zukunftsforschung Zukunftsforschung und Organisation von Zukunftswissen in Unternehmen
Karl Weber, 1988
Zukunftsforschung in Unternehmen
Beratungsunternehmen Z_punkt 2001-2002
Sekretariat für Zukunftsforschung (vergleichende Befragung in 1996 und 1999)
Stichprobe/ Untersuchungseinheit Befragung von 1000 der größten amerikanischen Industrieunternehmen (Rücklauf:214, (Doppelungen enthalten) 1000 der größten amerikanischen Industrieunternehmen (Rücklauf: ca. 215 Unternehmen, Doppelungen enthalten) 460 der umsatzstärksten deutschen Unternehmen, Banken und Versicherungsgesellschaften (Rücklauf: 73%) 370 Unternehmen in Deutschland und der Schweiz (Rücklauf: ca. 70 Unternehmen)
88 Unternehmen (zukunftsorientierte Unternehmen)
Wesentliche Ergebnisse
Quelle
Nutzerquote: 13%
(vgl. Linnemann, Klein, 1983, 96)
Nutzerquote: 35%
(vgl. Linnemann, Klein, 1983, 96)
Nutzerquote: 26,4 %
(vgl. MeyerSchönherr, 1992)
Nutzerquote: 59%
(vgl. Weber, 1990, 21)
Nutzerquote: 57,8 % (1996)
(vgl. Kreibich, Schlaffer, Trapp, Burmeister, 2002, 33)
75,4% (1999) Größere Unternehmen machen dabei über die Hälfte der befragten Unternehmen aus. 60 ausgewählte, zukunftsorientierte und innovative Großunternehmen in
Nutzerquote: 96% (2002)
(vgl. Burmeister, Neef, Beyers, 2004)
182
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Fokus der Untersuchung
Bedeutung der Szenariotechnik in der chemischen Industrie in Westeuropa Zukunft der Zukunftsforschung Delphi-Analyse
Autoren und Jahr der Erhebung
Marc Herzhoff, 2004
J. Oliver Schwarz, 2005
Stichprobe/ Untersuchungseinheit Deutschland (Rücklauf: 43%, 26 Unternehmen) 111 Chemieunternehmen, 166 Tochtergesellschaften Rücklauf: 27 Chemieunternehmen, 48 Tochtergesellschaften Expertengruppe 1: Manager und Managementberater im Bereich Strategie aus Unternehmen mit mehr als 500 Mio. Euro Umsatz p.a. und mehr als 10.000 Mitarbeitern Expertengruppe 2: Think Tanks und Berater Expertengruppe 3: Wissenschaftler in der Zukunftsforschung und strategischem Management deutscher Universitäten
Wesentliche Ergebnisse
Quelle
Nutzerquote: 52% der Chemieunternehmen (2004)
(vgl. Herzhoff, 2004)
15% der Tochtergesellschaften (2004) Expertengruppe 1: regelmäßige (38%) oder fallweise (56%) Nutzung der Szenarioanalyse
(vgl. Schwarz, 2006b)
Bedeutung der Szenarioanalyse nimmt in der Zukunft zu (82%) Expertengruppe 2: Bedeutung der Szenarioanalyse nimmt in Zukunft zu (86%) Expertengruppe 3: Bedeutung der Szenarioanalyse nimmt in Zukunft zu (80%)
Tabelle 6.4 Empirische Untersuchungen zum Anwendungsgrad der Szenarioanalyse (Auswahl)
6.2
Untersuchung zur Praxis der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen (DLrBT)
Die Darstellung der Untersuchungen zum Anwendungsgrad von Methoden der strategischen Vorausschau und insbesondere zum Anwendungsgrad von Szenarioanalysen bezieht sich überwiegend auf Großunternehmen. Ob und in welcher Form Szenarioanalysen auch in kleinen und mittleren Unternehmen zur Anwendung gelangen und wie Prozesse der strategischen Vorausschau in kleinen und mittleren Unternehmen gestaltet werden, bleibt weitgehend unbeantwortet. Um diese Lücke zu schließen, wurden 30 kleine und mittlere Unternehmen der roten Biotechnologie im Rahmen von Fallstudien untersucht. Ziel der Untersuchung ist es, die Praxis der strategischen Vorausschau in den Unternehmen sowie Anforderungen an die strategische Vorausschau zu ermitteln (vgl. Abbildung 6.8).
Strategische Vorausschau in Unternehmen
183
Welchen Stellenwert hat die strategische Vorausschau im Unternehmen? Wie gehen die Unternehmen vor, um neue Marktchancen oder neue technologische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen? Wer beschäftigt sich im Unternehmen mit Fragestellungen der strategischen Vorausschau? Wird ein systematischer Prozess genutzt, um frühzeitige Marktchancen zu erkennen? Welche Methoden der strategischen Vorausschau werden eingesetzt? Was wird genau unter den verwendeten Methoden verstanden? Welches Ziel wird mit dem Einsatz der Methoden verfolgt? Welche Gründe sprechen gegen den Einsatz der Methoden? Welche Erfahrungen wurden mit welchen Methoden gemacht? Inwieweit finden die Erkenntnisse aus der Früherkennung in der strategischen Planung Berücksichtigung? Welche Quellen oder Ressourcen werden genutzt, um Informationen für die strategische Vorausschau zu erhalten? Welche Themenfelder (z.B. Nachfrageentwicklung, Wettbewerbssituation, Technologietrends) sind besonders relevant? Abbildung 6.8 Strategische Vorausschau in Biotechnologieunternehmen (Untersuchungsfragen)
6.2.1 Methodisches Vorgehen Die Auswahl der Unternehmen erfolgt auf Basis einer Datensammlung, in der 321 Dienstleister der roten Biotechnologie (DLrBT) in einer Datenbank erfasst wurden. Die Definition des Untersuchungsgegenstandes „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“ ergibt sich aus der Schnittmenge der exakten Definitionen der Begriffe „Dienstleistungen“, „rot“ und „Biotechnologie“. Eine weitere Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes erfolgt durch den Zweck (hier: gewinnorientierte Unternehmungen) der Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT). Die Gewinnorientierung wird anhand der Rechtsform des Dienstleisters festgestellt, d.h., die Untersuchungsobjekte sind Kapital- und Personengesellschaften. Schließlich wird der Untersuchungsgegenstand noch hinsichtlich seiner Lokalisation eingegrenzt. Es werden nur die in Deutschland erstellten Dienstleistungen berücksichtigt. Dabei ist nicht der Hauptsitz des Dienstleisters, sondern der Erstellungsort der Dienstleistung relevant.
184
Strategische Vorausschau in Unternehmen
6.2.2 Definition des Begriffes „Dienstleistung in der roten Biotechnologie“ Die Definition des Begriffes erfolgt in der Literatur äußerst uneinheitlich (vgl. Meyer, 1998, 5 ff.). Eine häufig verwendete Definition ist die Kombination aus drei Definitionsansätzen, der prozessorientierten, der potenzialorientierten und der ergebnisorientierten Definition der Dienstleistung (vgl. Meffert, Bruhn, 2006, 27 ff.).
Für diese Untersuchung wird die „Integration des externen Faktors“ als konstitutives Merkmal der Dienstleistung angesehen. Der externe Faktor sind materielle und immaterielle Güter des Abnehmers sowie seine Beteiligung in Form von Arbeitsleistungen und Zeit. Die Integration des externen Faktors kann anhand der Dienstleistung „Kryokonservierung von biologischen Proben“ verdeutlicht werden: Das Leistungsobjekt sind die biologischen Proben, die vom Leistungsempfänger eingebracht werden und an denen die Dienstleistung (Kryokonservierung) erbracht wird (vgl. Reger, Mietzner, Nolting, 2008, 26 f., und die Einteilung der Dienstleistungen 30 ff.).
Definition des Begriffes „Biotechnologie“ Die hier verwendete Definition der Biotechnologie richtet sich nach der Definition der OECD (vgl. OECD, 2005, 9). Die OECD gibt zwei Definitionen vor: eine allgemeine, beschreibende Definition der Biotechnologie (Single definition) und eine Listendefinition, in der alle Methoden der Biotechnologie benannt werden (List-based definition). Die Methoden der Biotechnologie sind im Überblick in der nachfolgenden Tabelle 6.5 dargestellt.
Die Single definition beschreibt die Biotechnologie als „the application of science and technology to living organisms, as well as parts, products and models thereof, to alter living or non-living materials for the production of knowledge, goods and services” (OECD, 2005, 9).
Strategische Vorausschau in Unternehmen
185
Methode der Biotechnologie DNA / RNA
Definition Genomics, pharmacogenomics, gene probes, genetic engineering, DNA/RNA sequencing/synthesis/amplification, gene expression profiling, and use of antisense technology
Proteins and other molecules
Sequencing/synthesis/engineering of proteins and peptides (including large molecule hormones); improved delivery methods for large molecule drugs; proteomics, protein isolation and purification, signalling, identification of cell receptors
Cell and tissue culture and engineering
Cell/tissue culture, tissue engineering (including tissue scaffolds and biomedical engineering), cellular fusion, vaccine/immune stimulants, embryo manipulation Fermentation using bioreactors, bioprocessing, bioleaching, biopulping, biobleaching, biodesulphurisation, bioremediation, biofiltration and phytoremediation
Process biotechnology techniques
Gene and RNA vectors
Gene therapy, viral vectors.
Bioinformatics
Construction of databases on genomes, protein sequences; modelling complex biological processes, including systems biology.
Nanobiotechnology
Applies the tools and processes of nano/microfabrication to build devices for studying biosystems and applications in drug delivery, diagnostics etc.
Tabelle 6.5 Methoden der Biotechnologie im Überblick (OECD, 2005, 9)
Die OECD entwickelte diese Definitionen, um die statistische Erhebung von biotechnologischen Aktivitäten in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. An ihnen richten sich die Definitionen der Biotechnologie verschiedener anderer Organisationen aus (vgl. DFVA, 2005, 2; Ernst&Young, 2005, 132; StatistischesBundesamt, 2005, 10).
Definition des Begriffes „rot“ Im deutschen Sprachraum ist die Einteilung der Biotechnologie nach Farben verbreitet, wobei der Begriff „rot“ meist nicht einzeln, sondern mit der Begriffsverknüpfung „rote Biotechnologie“ definiert wird. Bei Ernst&Young wird „rote Biotechnologie“ mit „Anwendung im medizinischen Bereich (Human- und Tiermedizin) mit den Unterkategorien Therapeutika/Wirkstoffe, Drug Delivery, Molekulardiagnostika und Tissue Engineering“ (Ernst&Young, 2005, 23) definiert.
186
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Die Definition des Begriffes „rot“ lehnt sich in dieser Untersuchung an die Definition von Ernst&Young an, wird jedoch zu „Anwendungen im medizinischen Bereich (Human- und Tiermedizin)“ verkürzt. Bei der Interpretation des Begriffes werden alle Aktivitäten eingeschlossen, die einen Beitrag auf dem Weg zu medizinischen Anwendungen leisten können.
Resultierende Arbeitsdefinition Aus der Überlappung der drei Einzeldefinitionen ergibt sich die Definition „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“, wie in der folgenden Abbildung 6.9 verdeutlicht wird. OECD 2005 List definition Single definition
Charakteristisches Merkmal: “Integration des externen Faktors“
Definition “Biotechnologie“
Definition “Services”
Definition “Rot”
Ernst&Young 2005 “Medizinische Anwendungen”
Unter Dienstleistungen in der roten Biotechnologie sind alle gewinnorientierten Aktivitäten zu verstehen, die eine Integration von externen Faktoren erfordern, bei denen Methoden zur Anwendung kommen, die von der OECD 2005 als „Biotechnologische Techniken“ definiert sind und die im weiteren Sinne medizinische Anwendungen zum Ziel haben.
Abbildung 6.9 Definition „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“
Die Fallauswahl wird anhand der Arbeitsdefinition durchgeführt. In Einzelfällen gibt es dennoch Zuordnungsschwierigkeiten. Bei der Vielfalt der biotechnologischen Methoden ist es nicht möglich, alle Methoden der „List-based Definition“ der OECD zuzuordnen. Die „Single Definition“ muss in vielen Fällen zur Abgrenzung genutzt werden. Ebenso ist die Grenze zwischen medizinischen und nicht-medizinischen Anwendungen nicht immer eindeutig zu ziehen. Eine enge Auslegung des Begriffes
Strategische Vorausschau in Unternehmen
187
„medizinische Anwendung“ würde die Abgrenzung stark vereinfachen, jedoch auch das Untersuchungsobjekt signifikant einschränken. Die Tabellen 6.6 bis 6.15 geben einen Überblick zu den im Rahmen von Fallstudien betrachteten Unternehmen der DLrBT. Die Auswertung der Fallstudien erfolgt anonymisiert, dennoch lässt die Darstellung der Basisdaten Rückschlüsse auf die Größe und das Geschäftsmodell der Unternehmen zu. Die in der Tabelle grau hinterlegten Felder kennzeichnen Unternehmen, die als reiner Dienstleister auftreten.
1992
1993
1992
1998
P1
P2
P3
P6
Gründungsjahr
11 bis 49 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
Größenklasse*
Nicht bekannt
Nicht bekannt
Spin- off eines weltweit führenden wissenschaftlichen Institutes
Nicht bekannt
Gründungsgeschichte
Analytik / in vitro Diagnostik
Analytik / Arzneimittelanalytik
Arzneimittelentwicklung / Drug Discovery
Individuelle Auftragsproduktion von Antikörpern
Geschäftsfokus DLrBT
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Nur Dienstleistungen
Produkte und DL
Nein
Nein
Ja
Nein
Proprietäre Technologie
Später Folger
Später Folger
Früher Folger
Später Folger
Innovationsstrategie (Pionier vs. Folger)
Kopplung an Big Player (Technologieplattform und Vertriebsnetz)
Dienstleistungsqualität
Geschützte Technologieplattform, Technologieführerschaft, Skaleneffekte, übernimmt Spezialaufgaben in FuE der Pharmaunternehmen, besitzt Anlagevermögen das nur wenige große Pharmaunternehmen vorhalten
Geringe Produktionskosten, Marktdurchdringung, Kopplung an Big Player (Vertriebsnetz), Dienstleistungsqualität, Technische Expertise des Außendienstes
Wettbewerbsvorteil
188 Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.6 Fallstudienübersicht Teil 1 (ausgewählte Basisdaten)
1994 (2004)
1999
1994
1997
P7
P8
P9
P10
Gründungsjahr
Tabelle 6.7 Fallstudienübersicht Teil 2 (ausgewählte Basisdaten)
11 bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
Größenklasse*
Nicht bekannt
Nicht bekannt
Nicht bekannt
Spin- off eines Pharmaunternehmens, Ausnutzung der Technologieplattform um zusätzlich Cash- Flow zu generieren
Gründungsgeschichte
Individuelle Auftragsproduktion / von Nukleinsäuren
Individuelle Auftragsproduktion / von Therapeutika
Individuelle Auftragsproduktion / von Nukleinsäuren
Individuelle Auftragsproduktion / Peptidsynthese
Geschäftsfokus DLrBT
Produkte + Dienstleistungen
Nur Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte und DL
Ja
Ja
Ja
Ja
Proprietäre Technologie
Später Folger
Später Folger
Später Folger, in spezieller Marktnische evtl. Pionier
Früher Folger
Innovationsstrategie (Pionier vs. Folger)
Dienstleistungsqualität
Spezialist, Dienstleistungsqualität, Wissenschaftliche Qualität des Personals, Skaleneffekte
Geschützte Technologieplattform, Technologieführerschaft, Interdependente Architektur erlaubt Prozessinnovationen, Skaleneffekte (beruhen auf verschiedenen Parametern), geringe Produktionskosten durch speziell angefertigte Maschinen und Anlagen, Dienstleistungsqualität, wissenschaftliche Qualität des Personals und des Managements
Geschützte Technologieplattform, für DL eher Skaleneffekte relevant
Wettbewerbsvorteil
Strategische Vorausschau in Unternehmen 189
1997
1993
1993
P11
P12
P13
Gründungsjahr
11 bis 49 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
Größenklasse*
Gründung im Zusammenhang mit großen öffentlich geförderten Forschungsprojekten
Privatisierung nach der Wiedervereinigung, Übernahme durch erfahrenen Manager aus Westdeutschland
Ausgründung einer Abteilung einer Universität durch Abteilungsleiter
Gründungsgeschichte
Arzneimittelentwicklung / Methoden der Grundlagenforschung
Individuelle Auftragsproduktion / von Therapeutika
Analytik / in vitro Diagnostik und Arzneimittelentwicklung / Methoden der Grundlagenforschung
Geschäftsfokus DLrBT
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Nur Dienstleistungen
Produkte und DL
Ja
Ja
Ja
Proprietäre Technologie
Früher Folger
Nicht einschätzbar
Früher Folger
Innovations - strategie (Pionier vs. Folger)
Technologiebeherrschung, Erfahrungskurve, Dienstleistungsqualität
Spezialist, Skaleneffekte, bestehende Geschäftskontakte nach Osteuropa, neueste Generation Maschinen und Anlagen
Ursprünglich Technologievorteil, jetzt Dienstleistungsqualität und Skaleneffekte insbesondere durch Zugehörigkeit zu größerem Unternehmensverbund
Wettbewerbsvorteil
190 Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.8 Fallstudienübersicht Teil 3 (ausgewählte Basisdaten)
1997
1993
1989
P14
P15
P16
Gründungsjahr
11 bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
Größenklasse*
Entrepreneur trifft Wissenschaftler, Spinoff aus einer Universität
Spin- off aus Biotechnologie unternehmen
Spin- off aus einer Universität unter Leitung eines weltweit renommierten Wissenschaftlers
Gründungsgeschichte
Analytik / in vitro Diagnostik
Produktentwicklung / von Methoden und Prozessen
Arzneimittelentwicklung / Präklinische Entwicklung
Geschäftsfokus DLrBT
Produkte + Dienstleistungen
Nur Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte und DL
Ja
Nein
Ja
Proprietäre Technologie
Pionier
Pionier
Früher Folger
Innovations - strategie (Pionier vs. Folger)
Bei DL: Pioniervorteile, bei Produkten: Pioniervorteile, Produkte sind zum Standard geworden
Skaleneffekte, Spezialist (übernimmt Spezialaufgaben in FuE der Pharmaunternehmen, die aus technischen Gründen von den Kunden nicht selbst durchgeführt werden)
Wissenschaftliche Qualität des Managements, Spezialist, Skaleneffekte, besitzt spezielle kostenintensive Maschinen und Anlagen, die kaum ein Pharmaunternehmen besitzt und von verschiedenen genutzt werden, enge Kooperation mit der Universität, persönliche Kontakte der Geschäftsführung
Wettbewerbsvorteil
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.9 Fallstudienübersicht Teil 4 (ausgewählte Basisdaten)
191
1998
1998
1999
1997
P17
P18
P19
P20
Gründungsjahr
50 bis 249 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
Größenklasse*
Spin- off eines wissenschaftlichen Instituts unter Leitung von renommierten Wissenschaftlern
Spin- off aus einer Universität
Gründung im Zusammenhang mit großen öffentlich geförderten Forschungsprojekten
Spin- off eines weltweit führenden wissenschaftlichen Institutes
Gründungsgeschichte
Bioinformatik
Arzneimittelentwicklung / Drug Discovery
Auftragsproduktion Proteinsynthese
Arzneimittelentwicklung / Drug Discovery
Geschäftsfokus DLrBT
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte und DL
Ja
Ja
Ja
Ja
Proprietäre Technologie
Pionier
Später Folger
Folger DL, Pionier Technologie
Pionier
Innovations - strategie (Pionier vs. Folger)
Systemlösung, Spezialist
Nicht bekannt
Geschützte Technologie, Produkte: Kopplung an Big Player (Vertriebsnetz)
Wissenschaftliches Renommee der Gründer, Dienstleistungsqualität, Skaleneffekte, persönliche Kontakte des Managements
Wettbewerbsvorteil
192 Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.10 Fallstudienübersicht Teil 5 (ausgewählte Basisdaten)
1997
1984 (1996)
P22
P23
Gründungsjahr
50 bis 249 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
Größenklasse*
MBO aus Unternehmen
Ausgründung aus der Universität, ursprünglich gedacht als Non- ProfitOrganisation, aufgrund der nicht ausreichenden Fördermittel Ausgründung als ProfitOrganisation, Businessplan von VC entwickelt
Gründungsgeschichte
In vitro Diagnostik für klinische Studien
Sonstige DL / Einlagerung von biologischem Material
Geschäftsfokus DLrBT
Nur Dienstleistungen
Nur Dienstleistungen
Produkte und DL
Nein
Ja (nicht relevant für Hauptumsatz träger)
Proprietäre Technologie
Folger
Pionier
Innovations - strategie (Pionier vs. Folger)
Dienstleistungsqualität, Dienstleistungsbreite
Professionelles Management, insbesondere hinsichtlich des Marketings, Bekanntheitsgrad, Pioniervorteile
Wettbewerbsvorteil
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.11 Fallstudienübersicht Teil 6 (ausgewählte Basisdaten)
193
1991
1990
P25
P26
Gründungsjahr
11 bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
Größenklasse*
Neugründung eines Absolventen eines international renommierten Forschungsinstituts (Universität) (kein Spin- off), starke unternehmerische Orientierung (risikoaffines Verhalten)
Gründung kundengetrieben, zunehmende Kundenanfragen führten zur Ausweitung eines Gelegenheitsgeschäftes zum eigenständigen Unternehmen, Verschiebung des Geschäftsfokus in einem bestehenden Unternehmen
Gründungsgeschichte
Individuelle Auftragsproduktion / von Nukleinsäuren
In vitro Diagnostik für klinische Studien
Geschäftsfokus DLrBT
Produkte + Dienstleistungen
Nur Dienstleistungen
Produkte und DL
Nein
Nein
Proprietäre Technologie
Pionier / früher Folger
Folger
Innovations - strategie (Pionier vs. Folger)
Ursprünglich Pioniervorteile in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern, Dienstleistungsqualität (insbes. begleitender Kundenservice), Bekanntheitsgrad, Skaleneffekte, Kopplung an Big Player (Co- Marketing), Direkter Kundenkontakt auch bei Export über Absatzmittler
Dienstleistungsqualität, Besondere Fähigkeiten zur Kooperation (Standardisierung der Leistung zwischen den unterschiedlichen Kooperationspartnern)
Wettbewerbsvorteil
194 Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.12 Fallstudienübersicht Teil 7 (ausgewählte Basisdaten)
1997
1997
1996 (als Unternehm en, jetzt Geschäftsb ereich)
P30
P31
P32
Gründungsjahr
Tabelle 6.13 Fallstudienübersicht Teil 8 (ausgewählte Basisdaten)
50 bis 249 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
Größenklasse*
Spin- off einer Technologischen Universität, aus einem Institut für Biotechnologie
Ausgründung eines Arbeitsgruppen leiters aus einem Forschungsinstitut
Spin- off eines weltweit führenden wissenschaftlichen Institutes
Gründungsgeschichte
Individuelle Auftragsproduktion / von Therapeutika (inkl. Übertragung der Prozesse)
Bioinformatik / Genom- und Sequenzanalyse
Arzneimittelentwicklung / Methoden der Grundlagenforschung
Geschäftsfokus DLrBT
Nur Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte und DL
Ja
Ja
Ja
Proprietäre Technologie
Folger
Pionier
Pionier
Innovationsstrategie (Pionier vs. Folger)
Fähigkeit zur GMPgerechten Produktion
Spezialist, wissenschaftliche Expertise des Managements und der Mitarbeiter, Dienstleistungsqualität, Breite des Leistungsspektrums
Geschützte Technologieplattform, Skaleneffekte, übernimmt Spezialaufgaben in FuE der Pharmaunternehmen, Besitzt Aktiva die nur wenige große Pharmaunternehmen vorhalten, Fähigkeit zur GxP- gerechten Durchführung der DL, Starke AnbieterKundenbeziehung; FuEKooperation mit Gerätehersteller, Dienstleistungsqualität (Abgrenzung zu akademischen Wettbewerb)
Wettbewerbsvorteil
Strategische Vorausschau in Unternehmen 195
1997
2000
1998
P33
P34
P35
Gründungsjahr
11 bis 49 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
11 bis 49 Mitarbeiter
Größenklasse*
Spin- off eines weltweit führenden wissenschaftlichen Institutes
Spin- off eines weltweit führenden wissenschaftlichen Institutes
Nicht bekannt
Gründungsgeschichte
Arzneimittelentwi cklung / Methoden der Grundlagenforschung und Drug Discovery
Bioinformatik / Analyse experimenteller Daten
Arzneimittelentwicklung / Drug Discovery
Geschäftsfokus DLrBT
Nur Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte + Dienstleistungen
Produkte und DL
Ja
Nein
Nein
Proprietäre Technologie
Pionier
Folger
Pionier
Innovationsstrategie (Pionier vs. Folger)
Skaleneffekte, übernimmt Spezialaufgaben in FuE der Pharmaunternehmen, Technologieführerschaft, wissenschaftliche Expertise der Gründer und Mitarbeiter, Kontrahierungspolitik, Dienstleistungsqualität
Spezialist, Skaleneffekte
Geschützte Technologie, Skaleneffekte, übernimmt Spezialaufgaben in FuE der Pharmaunternehmen, besitzt Aktiva die nur wenige große Pharmaunternehmen vorhalten, Wissenschaftliche Qualität der Mitarbeiter
Wettbewerbsvorteil
196 Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.14 Fallstudienübersicht Teil 9 (ausgewählte Basisdaten)
1993
1999
P36
P37
Gründungsjahr
11 bis 49 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
Größenklasse*
Management gründet nach Erfahrungen in der chemischen Industrie im internationalen Umfeld eigenes Biotechnologie - unternehmen
100%ige Tochter eines Pharmaunterne hmens
Gründungsgeschichte
Herstellung von Therapeutika aus Pflanzen
Auftragsproduktion von Biopharmazeutika sowie Entwicklung und Übertragung der Prozesse
Geschäftsfokus DLrBT
Produkte und Dienstleistungen
Nur Dienstleistungen
Produkte und DL
Ja
Nein
Proprietäre Technologie
Pionier
Pionier
Innovationsstrategie (Pionier vs. Folger)
Integrierter Plattformtechnologieanbieter, Technologieführerschaft
Fähigkeit zur GMPgerechten Produktion, Prozessinnovationen, (z.T. daraus resultierende) Skaleneffekte, viele Referenzprojekte, Kontinuität durch Eigentumsform, „Kompetenzführerschaft“, Dienstleistungsqualität
Wettbewerbsvorteil
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Tabelle 6.15 Fallstudienübersicht Teil 10 (ausgewählte Basisdaten)
197
198
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Nach der Identifikation der Unternehmen auf Basis der erstellten Datensammlung, erfolgte die Durchführung von halbstandardisierten Interviews (vgl. Kapitel 2). Des Weiteren wurde frei verfügbares Material, z.B. Unternehmensinformationen von den Websites der Unternehmen, einschlägige Branchen-Websites (biotechnologie.de, bionity.com), Newsletter der Biotechnologie, die Fachzeitschrift Transkript, Geschäftsberichte, Creditreformdaten und Frost&Sullivan Reports, hinzugezogen. 6.2.3 Qualitative Inhaltsanalyse zur Praxis der strategischen Vorausschau in DLrBT Die Auswertung des Materials erfolgt durch eine qualitative Inhaltsanalyse. Bei qualitativen Inhaltsanalysen werden Texten Daten entnommen (extrahierte Rohdaten), die in einem nächsten Schritt aufbereitet und ausgewertet werden. Basierend auf den Ursprungstexten (Interviewtranskripte) wird somit eine Datenbasis gebildet, die nur noch Informationen enthält, die für die Beantwortung der Untersuchungsfragen (vgl. Abbildung 6.8) relevant sind. Dazu wird die Informationsbasis durch ein Suchraster, das für die Extraktion der Informationen benutzt wurde, strukturiert. Extraktion meint, „den Text zu lesen und zu entscheiden, welche der in ihm enthaltenen Informationen für die Untersuchung relevant sind“ (Glaser, Lauder, 2004, 194). Diese Informationen werden den Kategorien eines Suchrasters zugeordnet (vgl. Tabelle 6.16). Das Kategoriensystem baut auf den theoretischen Vorüberlegungen auf und ermöglicht es deshalb, die Untersuchungsfrage zu beantworten. Das Kategoriensystem ist aber zugleich auch offen, d.h., es kann verändert werden, wenn im Text Informationen auftauchen, die relevant sind, aber nicht im Auswertungsraster erfasst werden können (vgl. Rubin, Rubin, 1995, 238 ff.). Diese Extraktion ist bereits auch ein erster Interpretationsschritt. Die Extraktion der Daten erfolgt mit Hilfe des Softwaretools ATLAS.ti.
Das System ATLAS.ti wurde zwischen 1989 und 1992 im Rahmen eines Forschungsprojektes der Technischen Universität Berlin als Prototyp und nach Ende des Projektes als kommerziell verfügbares Werkzeug weiterentwickelt (vgl. z.B. Muhr, 1991a; b; 1996). In die Entwicklung der Software sind Konzepte wie die Grounded Theory (vgl. Strauss, Corbien, 1990) und Prinzipien wissensbasierter Systeme, Hypertextund Retrievalsysteme (Informationswiedergewinnung) eingeflossen. ATLAS.ti hat als erstes QDA-System die aus der Forschung und künstlichen Intelligenz stammenden
Strategische Vorausschau in Unternehmen
199
semantischen Netzwerke zur Modellierung sozialwissenschaftlicher Theorien eingesetzt. Die Software unterstützt zudem einen explorativen und nicht-linearen Arbeitsstil (vgl. Muhr, Friese, 2001, 395; vgl. Muhr, 2008). Die Software ermöglicht es, den Textstellen so genannte Codes zuzuweisen, wodurch eine Extraktion des zuvor anonymisierten Textes möglich wird. Bereich
Suchraster (Codes)
Unternehmen allgemein
Gründungsidee Zeitpunkt der Gründung Kundengruppen Managementcharakteristika FuE Budget Geschäftsmodell
Aufgaben und Bedeutung der strategischen Vorausschau
Bedeutung von Innovationen Aufgaben der strategischen Vorausschau Bedeutung der strategischen Vorausschau Anwendungsbeispiel strategische Vorausschau Bereiche der strategischen Vorausschau Erfolgsfaktoren in der strategischen Vorausschau Anforderungen New Market Intelligence-Tool Informationsquellen Monitoringobjekte
Organisation der strategischen Vorausschau
Entscheidungsstrukturen in der strategischen Planung FuE-Abteilung Organisation der strategischen Vorausschau Quellen für die strategische Vorausschau Motivation der Mitarbeiter zur strategischen Vorausschau
Vorgehen in der strategischen Vorausschau
Vorgehen in der Früherkennung/strategischen Vorausschau Systematik in der Früherkennung und strategischen Planung Verknüpfung von FE und strategischer Planung Vorgehensweise strategische Planung Zeitlicher Planungshorizont Zufriedenheit mit dem Vorgehen in der strategischen Vorausschau
Einsatz von Methoden
Verwendung von Methoden Szenarioanalyse
Tabelle 6.16 Suchraster der Datenextraktion „Strategische Vorausschau“ (1. Auswertungsschritt)
Da der Export der extrahierten Daten aus dem Programm ATLAS.ti zu einer unübersichtlichen Darstellung führt, wurden über eine einfache Web-Schnittstelle die Datenaufbereitung und Auswertung deutlich verbessert. Abbildung 6.10 zeigt bei-
200
Strategische Vorausschau in Unternehmen
spielhaft einen Auszug der Codezuordnung für ausgewählte hermeneutische Einheiten.
Hermeneutische Einheit (z.B. ein Interview)
Code: Monitoringobjekte (Bereich: Aufgaben und Bedeutung der strategischen Vorausschau)
Abbildung 6.10 Webbasierter Datenexport anhand des Suchrasters
Die extrahierten Daten werden in einem nächsten Schritt, entsprechend der Untersuchungsfrage mit dem Ziel aufbereitet, die Qualität des Datenmaterials zu verbessern, indem verstreute Informationen zusammengefasst, Redundanzen beseitigt und Fehler korrigiert werden. Damit wird der Umfang des Datenmaterials erheblich reduziert und die Daten werden nach inhaltlichen Gesichtspunkten erneut strukturiert.
Die nachfolgende Übersicht entspricht den Zuordnungen in der Extraktionstabelle. Die zunächst mit Hilfe des Suchrasters ermittelten Informationen werden den jeweiligen Spalten der Extraktionstabelle, mit dem Ziel zugeordnet, eine weitere Datenaggregation zu erreichen.
Strategische Vorausschau in Unternehmen
201
Organisation
Begriff/Verständnis
Anzahl Anzahl der der Mitarbeiter Mitarbeiter Managementcharakteristika Managementcharakteristika Begriff/Verständnis Begriff/Verständnis der der strat. strat. Vorausschau Vorausschau
Bedeutung Bedeutung der der strat. strat. Vorausschau Vorausschau
intern intern
Treiber Treiber für für strat. strat. Vorausschau Vorausschau
extern extern
Organisatorische Organisatorische Einordnung Einordnung der der strat. strat. Vorausschau Vorausschau (intern) (intern)
strukturell/formal strukturell/formal virtuell/lateral virtuell/lateral informell informell
Organisatorische Organisatorische Einordnung Einordnung der der strat. strat. Vorausschau Vorausschau (extern) (extern)
Formelle Formelle Kooperationsform Kooperationsform
Inhalte und Vorgehen
Informelle Informelle Kooperationsform Kooperationsform
Informationsbedürfnisse/ Informationsbedürfnisse/ Kernfragestellung/ Kernfragestellung/ Monitoringobjekte Monitoringobjekte Vorgehen Vorgehen in in der der Datensammlung Datensammlung
Quellen Quellen Tools Tools Methoden Methoden
Vorgehen Vorgehen in in der der strat. strat. Vorausschau Vorausschau
Vorgehen Vorgehen bei bei Szenarioanalysen Szenarioanalysen
Adressaten Adressaten und und Nutzer Nutzer der der Informationen Informationen Abbildung 6.11 Aufbereitung des Datenmaterials auf Basis der Suchrasterinformationen (2. Auswertungsschritt)
In diesem 2. Auswertungsschritt werden Informationen extrahiert, die dem Bereich Begriff/Verständnis der strategischen Vorausschau zuzuordnen sind. Des Weiteren werden der Bereich der Organisation der strategischen Vorausschau (vgl. Organisationsformen in Reger, 2001a) sowie das Vorgehen in der Datensammlung und in der strategischen Vorausschau näher untersucht.
202
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Basierend auf den vorangegangen Schritten der Datenaufbereitung erfolgt eine einzelfallbezogene Datenauswertung. Im Zuge dieser Auswertung sollen Kausalzusammenhänge und Kausalmechanismen identifiziert werden. Dazu werden in einem ersten Schritt die Interpretationen des Interviewpartners untersucht, bevor in einem zweiten Schritt versucht wird zu klären, welche Ursachen welche Mechanismen auslösen (z.B. kein Einsatz der Szenarioanalyse aufgrund unzureichender Methodenkenntnis), wobei auch weitergehende Informationen zum betrachteten Fall berücksichtigt werden können (vgl. Glaser, Lauder, 2004, 241). Da die Anzahl der zu untersuchenden Fälle relativ hoch ist, sollen zunächst Merkmalsausprägungen in den einzelnen Fällen verglichen werden und Gemeinsamkeiten identifiziert werden. Eine bewährte Strategie dafür sind Typisierungen (vgl. Glaser, Lauder, 2004, 243 ff.) „Eine Typisierung ist die Gruppierung von Fällen, entsprechend ihren Merkmalsausprägungen in einer oder mehreren Dimensionen“ (Glaser, Lauder, 2004, 243). Eine Typisierung kann eine wesentliche Vereinfachung bedeuten, die es ermöglicht, eine Vielzahl von Fällen zu vergleichen und aus dem Auftreten gleicher Merkmalsausprägungen direkt auf den Kausalmechanismus zu schließen. Gleichzeitig bedeutet die Typisierung häufig auch Informationsverlust. Um diesem Informationsverlust entgegenzuwirken, werden ausgewählte Einzelfälle noch einmal am Ursprungsmaterial (Interviewtranskripte) getestet. 6.2.4 Ergebnisdarstellung:
Praxis
der
Früherkennung
und
strategischen
Vorausschau in DLrBT Nach erfolgter Auswertung der aufbereiteten Informationen anhand des Suchrasters konnten sechs verschiedene Typologien identifiziert werden, die das Vorgehen in der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen beschreiben und im Folgenden näher erläutert werden.
(1)
Wissenschaftsgetriebener Ansatz („Früherkennung per se“)
(2)
Netzwerkorientierter Ansatz
(3)
Marketinggetriebener Ansatz
(4)
Gatekeeper-Ansatz
(5)
Controllingbasierter Ansatz
(6)
Keine strategische Vorausschau
Strategische Vorausschau in Unternehmen
203
Ein zentrales Element in allen identifizierten Typen der strategischen Vorausschau sind informelle Kontakte und Informationen. Hieraus gewinnt das Management einen großen Teil an Informationen bezüglich potenzieller Trendänderungen oder zu Veränderungen im Kundenverhalten.
(1) Wissenschaftsgetriebener Ansatz („Früherkennung per se“)
Dem wissenschaftsgetriebenen Ansatz der strategischen Vorausschau konnten vier Fälle zugeordnet werden. Früherkennung erfolgt in diesen Unternehmen per se, da neue technologische Trends und schwache Signale, bedingt durch die inhaltliche und räumliche Nähe zu einer wissenschaftlichen Einrichtung, frühzeitig wahrgenommen werden und Teil der täglichen Arbeit sind. Die in den Unternehmen tätigen Personen sind i.d.R. Wissenschaftler, die in wissenschaftlichen Netzwerken aktiv sind. Auch die Kunden dieser Unternehmen sind zu großen Teilen Wissenschaftler oder wissenschaftliche Einrichtungen. Die Unternehmen sind oder waren an öffentlich finanzierten Forschungsprojekten beteiligt. Die strategische Vorausschau wird vom Geschäftsführer verantwortet. Methodische Elemente der strategischen Vorausschau sind regelmäßig stattfindende FuE-Meetings sowie Publikationsanalysen. „Früherkennung ist Teil des Geschäftsmodells, da Forscher immer neue Entwicklungen beobachten, Kunden sind der akademische Markt, so dass neue Entwicklungen frühzeitig erkannt werden“ (P31). Die Stärke dieses Ansatzes liegt in der Früherkennung neuer technologischer Trends, eine Schwäche ist in der fehlenden Verknüpfung zur strategischen Planung bzw. in einer unzureichenden strategischen Planung zu sehen. Somit handelt es sich eher um einen Ansatz der Früherkennung als bereits um eine tatsächliche strategische Vorausschau.
Fallbeispiel (wissenschaftsgetriebener Ansatz, „Früherkennung per se“)
Das Unternehmen P8 wurde 1999 gegründet und ist bis heute in unmittelbarer Nähe zur Universität und zu Forschungseinrichtungen ansässig. P8 hat 120 Mitarbeiter und ist im Bereich der Gensynthese tätig. Als Marktführer ist P8 nachhaltig profitabel. Der Wettbewerbsvorsprung wird durch einen technologischen Vorsprung, Erfahrungen und die hohe wissenschaftliche Qualität der Mitarbeiter sichergestellt. Kunden des Unternehmens sind Forschungsinstitute, Großkonzerne aus der Pharma- und Chemieindustrie und Biotechunternehmen. Teil der Vision des Unternehmens ist es, ein molekularbiologischer Komplettanbieter zu werden. Der CEO/CSO ist in der Forschung und auf wissenschaftlichen Konferenzen
204
Strategische Vorausschau in Unternehmen
überaus aktiv und hat somit Zugang zu neuen technologischen Entwicklungen. In übergreifenden FuE-Meetings kommen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen zusammen und diskutieren zusammen mit dem CEO/CSO neue Entwicklungen und neue Ideen. Neben den FuE Meetings und Freedom-to-operate-Recherchen, die das Unternehmen beauftragt, werden keine Methoden der strategischen Vorausschau eingesetzt. Das Unternehmen ist in öffentlich geförderten Forschungsprojekten aktiv und arbeitet mit Partnern zusammen, um neue Technologien zu identifizieren oder zu entwickeln. Der Wettbewerb wird durch Internetrecherche beobachtet. „Google ist ein wunderbares Tool. Alle Wettbewerber kommen auf der ersten Seite, auch wir. Viele legen Preise offen. Wobei wir Preise durch unsere Kunden relativ gut kennen. Unsere Kunden präsentieren uns dann schon mal wieder ein Angebot von Wettbewerbern, weil der viel billiger ist. Dafür haben wir gut ausgebildete Salesleute, die ihnen erklären, dass sie uns mehr zahlen müssen, weil sie einfach etwas anderes bekommen.“ Darüber hinaus nutzt das Unternehmen Branchenforen und weitere Netzwerke, um Informationen zum Wettbewerb zu sammeln. Wettbewerbsinformationen werden im Business Development zusammengetragen. Der Planungshorizont liegt bei fünf Jahren. Die Szenarioanalyse wird nicht eingesetzt.
(2) Netzwerkorientierter Ansatz
Der netzwerkorientierte Ansatz der strategischen Vorausschau konnte in neun Fällen beobachtet werden. Die Informationsbeschaffung erfolgt bevorzugt in informellen, aber auch in formellen Netzwerken der Mitarbeiter in Entwicklungsabteilungen oder im Business Development durch das Marketing und die Geschäftsführung. Der Informationsaustausch innerhalb der Unternehmen erfolgt primär informell (Informationsaustausch auf Zuruf). Die Aktivitäten im Rahmen einer strategischen Vorausschau sind sehr stark erfahrungsgetrieben. Entwicklung, Marketing, Business Development betreiben Früherkennung eher „nebenbei“. Die Verantwortung der strategischen Vorausschau liegt bei der Geschäftsführung. Die Verknüpfung der Früherkennung mit der strategischen Planung erfolgt z.B. im Rahmen von halbjährlich oder jährlich stattfindenden Strategiemeetings. In diesem Ansatz gelingt es bereits, die in Netzwerken gesammelten Informationen mit der strategischen Planung zu verknüpfen. Eine deutliche Stärke sind Netzwerke, in denen es gelingt, auch persönliche Kontakte zu Pharmaunternehmen aufzubauen. Eine Schwäche dieses Ansatzes ist in einer unzureichenden Zukunftsorientierung zu sehen.
Strategische Vorausschau in Unternehmen
205
Fallbeispiel Netzwerkorientierter Ansatz
Das Unternehmen P15 wurde 1993 gegründet und ist im Bereich der Prozesskontrolle, Zellbiologie tätig. Das Unternehmen beschäftigt ca. 100 Mitarbeiter. Der Wettbewerbsvorteil beruht auf akkumuliertem Prozesswissen, Erfahrungskurveneffekten und Skalenvorteilen in einem spezifischem Geschäftsfeld gegenüber den Kunden in der Pharmaindustrie. Die Datensammlung für eine strategische Vorausschau erfolgt hauptsächlich in formellen und informellen Netzwerken (z.B. auf wissenschaftlichen Kongressen, Partner in Auslandsmärkten) sowie über Literaturauswertungen (Fachzeitschriften). „Ja, wir beobachten sehr genau den Markt. Das ist vielleicht einfacher, als sie sich das vorstellen, denn der Markt ist übersichtlich, sagte ich Ihnen. Sowohl was unsere Wettbewerber betrifft, also die Dienstleister, […] als auch was diese großen Pharmafirmen betrifft […].“ Die Verantwortung für die strategische Vorausschau liegt bei der Geschäftsführung und im Business Development. Der Business Developer verfügt über langjährige Erfahrungen in anderen Unternehmen und in der Pharmaindustrie und ist international vernetzt. Der Planungshorizont liegt bei 5 Jahren. Methoden der strategischen Vorausschau (z.B. Szenarioanalysen) kommen nicht zum Einsatz.
(3) Marketinggetriebener Ansatz
Dem marketinggetriebenen Ansatz der strategischen Vorausschau konnten 10 Fälle zugeordnet werden. Dieser Ansatz der strategischen Vorausschau ist durch einen starken Fokus auf die Sammlung und Systematisierung von Kundendaten aber auch von Wettbewerbsinformationen gekennzeichnet. „… zur Erfassung des Marktes gehört, dass man jeder Zeit und immer weiß, was die Konkurrenz tut." (P10) Es erfolgt eine Datensammlung durch Vertriebsmitarbeiter, es werden regelmäßig Kundenbefragungen durchgeführt und Entwicklungen der Kundenanfragen beobachtet sowie ausgewählte Websites der Kunden gescreent. Im Rahmen dieses Monitorings kommen Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM) und Marktforschungsdatenbanken zur Anwendung. Das Marketing oder Business Development ist für die Früherkennung verantwortlich und berichtet an die Geschäftsführung. „Kundengespräche, das Allerbeste zu 95% sind Kundengespräche“ (P30). In diesem Ansatz liefert das Marketing Daten und Informationen, die in die strategische Planung einfließen. Ein Vorteil dieses Ansatzes ist möglicherweise eine deutliche Marktorientierung der strategischen Vorausschau. Technologische Veränderungen werden jedoch nur unzureichend gescreent, da der überwiegende Teil der Informationen Kundeninformationen sind.
206
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Fallbeispiel marketinggetriebener Ansatz Das Unternehmen P 36 ist im Bereich der Entwicklung und Produktion von Biopharmaka tätig. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet und umfasst die Biotechnologiesparte eines bereits lange am Markt etablierten Unternehmens. Das Unternehmen hat 315 Mitarbeiter. Kunden des Unternehmens sind mittlere und große Pharmaunternehmen sowie mittlere Biotechnologieunternehmen. Alle Aktivitäten der Früherkennung werden im Bereich MarketIntelligence gebündelt, der im Ressort Marketing angesiedelt ist und Informationen für die Geschäftsführung aufbereitet. Ein wesentliches Instrument im Bereich Market-Intelligence ist ein CRM-Sytem, das mit einer Marktforschungsdatenbank verknüpft ist und die permanente, systematische Sammlung von Informationen ermöglicht. „Letztendlich ist das ein großes Datenbanksystem, was in unserem Quellensystem integriert ist und wo wir unsere Kundeninformationen, Informationen über Firmen, die für uns interessant sein könnten, ablegen und dann einfach aus diesen Informationen […] Berichte generieren können und das verdichten können. Bestimmte Aktionspläne entwickeln können, um eine […] Anlagengröße auszulasten“. (Market-Intelligence, (P36))
Das Unternehmen sammelt Informationen ebenfalls in informellen und formellen Netzwerken. „… aber die informellen Netzwerke, die man sich so über die Jahre aufbaut, die sind eigentlich die wichtigsten. Also ich mache das jetzt seit etwa 17 Jahren im Bereich Biotechnologie und von den Firmen, die für uns wichtig sind, kennt man eigentlich die meisten auch schon seit Jahren und es ist eine relativ geschlossenen Community und wenn einer mal aus einer Position verschwindet, taucht er dann irgendwann woanders wieder auf …“ (Marketingleiter, P36).
Die Beobachtung neuer Technologien erfolgt weniger systematisch als die Beobachtung und Systematisierung von Kunden oder potenziellen Kunden. In Businessplänen arbeitet das Unternehmen mit einem Zeithorizont von 5 Jahren, die strategische Planung geht mit Zeithorizonten von 10 bis 15 Jahren weit darüber hinaus. Als methodische Elemente der strategischen Vorausschau finden regelmäßig Vertriebs- und Technologiemeetings statt. Methoden der strategischen Vorausschau (z.B. Szenarioanalysen) wurden bislang nicht eingesetzt.
(4) Gatekeeper-Ansatz
Unternehmen, die dem Gatekeeper-Ansatz zuzuordnen sind, verfügen über Schlüsselpersonen im Unternehmen, die das Unternehmen mit Informationen versorgen, die außerhalb des Unternehmens in formellen und informellen Netzen gesammelt werden. Dem Gatekeeper-Ansatz konnten drei Fälle zugeordnet werden. Gatekeeper sind stark vernetzt, leiten z.B. Ausschüsse im Rahmen von Netzwerken, screenen
Strategische Vorausschau in Unternehmen
207
Trends und formen Trends. Die Aktivitäten im Rahmen der strategischen Vorausschau sind stark erfahrungsgetrieben. Ein wesentlicher Unterschied zur netzwerkbasierten Vorausschau ist in einer sophistischen Informationsverarbeitung zu sehen. Die Informationen fließen in intuitive Szenarioanalysen ein, die mit SWOT-Analysen und dem Portfoliomanagement verknüpft sind. Wissensmanagementsysteme unterstützen den Prozess einer systematischen Informationssammlung.
Fallbeispiel: Gatekeeper-Ansatz Das Unternehmen P9 beschäftigt 60 Mitarbeiter und wurde 1993 gegründet. Unter einer strategischen Vorausschau versteht die Geschäftsführung vorausschauendes Denken, die Beobachtung von Trends und Entwicklungen sowie die Verknüpfung dieser Informationen mit konkreten Aktionsplänen. Zum Beobachtungsfokus gehören im Unternehmen die Marktentwicklung, beobachtet durch den Bereich Business Development, die Technologieentwicklung, beobachtet durch den CSO, der als Gatekeeper fungiert, sowie der Bereich Investitionen, der durch den CFO und CEO bearbeitet wird. Der Transfer der Früherkennungsinformationen in die strategische Vorausschau findet statt im Rahmen von regelmäßig durchgeführten Strategiemeetings im erweiterten Managementteam (Management und Wissenschaftler). Der Gatekeeper ist Mitglied in zahlreichen formellen und informellen Netzwerken, leitet eigene Arbeitsausschüsse, um Trends zu screenen und mitzugestalten. Der Gatekeeper verfügt über einen außerordentlich guten Marktüberblick und gilt auch außerhalb des Unternehmens als Experte. Das Unternehmen nutzt intuitive Szenarioanalysen und erstellt regelmäßig Businesspläne, um Marktchancen systematisch zu prüfen.
(5) Controllingbasierter Ansatz
Der controllingbasierte Ansatz einer strategischen Vorausschau konnte bei einem der untersuchten Fälle (P20) beobachtet werden. Das Ziel einer strategischen Vorausschau ist es in diesem Fall, einen Beitrag für das Risikomanagement zu leisten, d.h., Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Früherkennung basiert in diesem Ansatz auf dem Monitoring von Veränderungen in der Einnahmen-Ausgaben-Übersicht, den Kapazitätsauslastungen sowie einigen qualitativen Indikatoren. Für die Früherkennung kommt ein Tool der Finanzbuchhaltung zum Einsatz. Darüber hinaus wird Fachliteratur als eine weitere Informationsquelle genutzt, Reports von Analysten werden hinzugezogen oder Konferenzen besucht. Szenarioanalysen werden nicht eingesetzt. Der controllingbasierte Ansatz ist sehr
208
Strategische Vorausschau in Unternehmen
stark entscheidungsorientiert und arbeitet stärker mit harten Fakten als mit weichen Informationen.
(6) Keine strategische Vorausschau
In drei Fällen (P3, P14, P26) konnte keine Zuordnung erfolgen, da keine oder kaum Aktivitäten der Früherkennung und strategischen Vorausschau nach der Auswertung der vorliegenden Informationen stattfinden. Ursache dafür sind ein fehlendes Bewusstsein gegenüber einer systematischen strategischen Vorausschau -„Unsere eigentliche Hauptaufgabe ist etwas ganz anderes“ (P14) - oder eine fehlende strategische Planung, da nur Jahrespläne entwickelt werden. Der Fokus liegt insbesondere auf der Befriedigung der aktuellen Kundenbedürfnisse und dem Aufrechterhalten der Wettbewerbsposition. Dabei werden das Kundenfeedback, Ideen und Wünsche bewusst aufgenommen und im Sinne einer Serviceverbesserung genutzt. Marktanalysen und ähnliche Sekundärmaterialen werden als zu unspezifisch empfunden, so dass auf diese Informationsquellen verzichtet wird. „… nur um salonfähig zu sein für einen Dritten, muss man dann so was kaufen und sagen, hier guckt mal, das ist der Markt, der wird von denen [Analysten] so und so angeben …“ (P14).
Die nachfolgenden Tabellen geben einen Überblick zu den beschriebenen Typologien und ihren Charakteristiken.
(„Früherkennung per se“)
Wissenschaftsgetriebener Ansatz
Typologie
Durchführung/Beteiligung an öffentlich finanzierten Forschungsprojekten
Kontakte zu Universitäten
Räumliche Nähe zu Wissenschaftseinrichtungen/Instituten
Branchenforen, Konferenzen werden auch genutzt, um Wettbewerber zu analysieren
Kunden = Wissenschaftler
Wissenschaftler sind in (wissenschaftlichen) Netzwerken aktiv
Früherkennung erfolgt per se, da durch die Nähe zur Wissenschaft neue technologische Trends, schwache Signale frühzeitig erkannt werden
Charakteristika
Business Development (Markt)
Entwicklerteam
Geschäftsführer ist Wissenschaftler und/oder überwiegende Teil der Mitarbeiter sind Wissenschaftler
Organisation
Internetrecherche
Regelmäßige FuE Meetings
Publikationsanalyse
Bibliometrische Analyse
Methoden und Tools formale
Prognosen (Berichte)
Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln über Universität
Bibliothek mit wichtigen Fachzeitschriften
Internet
Publikationen
informelle
Ausrichtung eigener internationaler Seminare und Workshops
Besuch von nationalen und internationalen Konferenzen
Messen
Interaktion mit Hochschulen
Branchenforum
Konferenzen
Kunden, Informationen von Wissenschaftlern
Quellen
P8 (78)) P18 (25) P31 (30) P33 (43)
4 Fälle
Anzahl der Fälle*
„Früherkennung ist Teil des Geschäftsmodells, da Forscher immer neue Entwicklungen beobachten, Kunden sind der akademische Markt, so dass neue Entwicklungen frühzeitig erkannt werden.“ (P31)
„Also da war das tiefere Verständnis der Wissenschaft eigentlich die entscheidende Früherkennung, das kann ihnen kein Marketingtool liefern." (P31)
„Es ist wichtig Entwicklungen im Technologiefeld mitzuverfolgen.“ (P18)
Charakteristik
Strategische Vorausschau in Unternehmen
*Anzahl der Fälle: Unternehmen X (Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen in 2007)
Tabelle 6.17 „Wissenschaftsgetriebener Ansatz“ der strategischen Vorausschau
209
Informationsbeschaffung erfolgt bevorzugt in informellen aber auch in formellen Netzwerken der Mitarbeiter in Entwicklungsabteilungen oder im Business Development, Marketing und der Geschäftsführung
Netzwerkorientierter Ansatz
Erfahrungsgetrieben
Informeller Austausch innerhalb des Unternehmens (Informationsaustausch auf Zuruf)
Charakteristika
Typologie
Entwicklung, Marketing, Business Development betreiben Früherkennung „nebenbei“
Verknüpfung der Früherkennung mit der strategischen Planung erfolgt z.B. in halbjährlich bis jährlich stattfindenden Strategiemeetings
Verantwortung der strategischen Vorausschau liegt bei der Geschäftsführung
Organisation
Publikationsanalyse
Internetrecherche
Verbände (DECHEMA, VBO, BIO Deutschland)
Internet
Aktive Beobachtung von Markt- und Kundenentwicklung
formale Fachzeitschriften
informelle
Gespräche mit Behörden
Informationen, die über Kunden oder Lieferanten ins Unternehmen getragen werden
Austausch mit Unternehmen am Standort
Kontakt zu Zulieferern
Symposien zur Technologieentwicklung
Partner
Personenbezogene Netzwerke, Kontakte zur Pharmaindustrie
Ausstellungen, Messen
Internationale Kongresse
Quellen
Meetings
Methoden und Tools
P25 (50 MA)
P6 (26 MA) P11 (50 MA) P12 (550 MA) P15 (80 MA) P16 (38 MA) P17 (90 MA) P22 (100 MA) P23 (70 MA)
9 Fälle
Anzahl der Fälle*
„Man kennt sich.“ (P25)
"...das Entscheidende ist eigentlich nicht, dass man eine Datenbank hat, weil so viel Informationen sind es […] nicht, sondern dass man sie laufend hat und das die Leute […] davon erfahren, dass man darüber redet, also [… ] die Kommunikation über die Informationen ist das Entscheidende. Weil was irgendwo in der Datenbank steht ist ja noch nicht verinnerlicht, noch lange nicht". (P22)
Charakteristik
210 Strategische Vorausschau in Unternehmen
*Anzahl der Fälle: Unternehmen X (Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen in 2007)
Tabelle 6.18 „Netzwerkorientierter Ansatz“ der strategischen Vorausschau
Marketinggetriebener Ansatz
Typologie
Sceening ausgewählter Websites
Monitoring von Kundenanfragen
Regelmäßige Kundenbefragungen
Sammlung erfolgt oftmals durch Vertriebsmitarbeiter
Sammlung und Systematisierung von Kundendaten
Charakteristika
Marketing oder Business Development ist für die Früherkennung verantwortlich und berichtet an die Geschäftsführung (strategische Vorausschau)
Organisation
Kundenpotenzialanalyse
Internes Brainstorming
Publikationsanalyse
Internetrecherche
Screening von Websites
CRM- System und Marktforschungsdaten
MarketingControlling
Methoden und Tools formale
Marktstudien
frei zugängliche Marktforschungsreports
Reports
Newsletter
Chatforen
Internet
Fachzeitschriften
informelle
Verbände
Konferenzen Messen, Tagungen
Kongresse
Kundengespräche
Quellen
P36 (250 MA)
P7 (30 MA) P10 (35 MA) P13 (28 MA) P19 (12 MA) P30 (23 MA) P32 (70 MA) P34 (19 MA)
P1 (20 MA) (bislang marketinggetriebenes Vorgehen, Wechsel zum Gatekeeper Ansatz) P2 (500 MA)
10 Fälle
Anzahl der Fälle*
„Kundengespräche, das Allerbeste zu 95% sind Kundengespräche.“ (P30)
"…zur Erfassung des Marktes gehört, dass man jeder Zeit und immer weiß, was die Konkurrenz tut." (P10)
„Wir sind ein sehr innovatives Unternehmen und haben gerade, was neue Entwicklungen angeht das Ohr ganz gut am Markt und am Kunden." (P2)
Charakteristik
Strategische Vorausschau in Unternehmen
*Anzahl der Fälle: Unternehmen X (Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen in 2007)
Tabelle 6.19 „Marketinggetriebener Ansatz“ der strategischen Vorausschau
211
GatekeeperAnsatz
Typologie
Gatekeeper leiten z.B. Ausschüsse im Rahmen von Netzwerken, screenen Trends und formen Trends
Gatekeeper sind sehr gut vernetzt (informell) und formal
Sammlung von Informationen durch Gatekeeper und Diffusion durch informellen Austausch
Erfahrungsgetrieben
Geschäftsführer, CSO (Investitionen), wissenschaftlicher Leiter (Technologie) und/oder Business Developer (Markt) fungieren als Gatekeeper
Charakteristika
Intuitive Szenarioanalysen
Geschäftsführung verantwortet strategische Vorausschau
Wissensmanagementtool (im Aufbau)
Aktionspläne
Portfolioanalysen
Überprüfung von Ideen anhand von Businessplänen
Strategieworkshops (Nutzung externer Beratungsleistung)
Internetrecherche
Brainstorming
SWOT- Analysen
Methoden und Tools
Organisation formale
Newsletter, Journals, Pressemitteilungen
Beteiligung an öffentlichen Studien
informelle
Konferenzen, Ausschüsse
Messen
Netzwerke, Kunden
Quellen
P9 (53 MA) P35 (27 MA) P37 (25 MA)
3 Fälle
Anzahl der Fälle*
„Ehe man […] in die Zukunft schaut - und da wir alle keine Kristallkugel haben, wissen wir ohnehin nicht, was passiert müssen wir […] eine Bandbreite von Optionen in die Diskussion einbringen und das muss strukturiert werden. Da helfen Szenarien.“ (P 9)
„Also er wird auch akzeptiert als jemand der einen guten Überblick über den Markt hat. Seine Hauptaufgabe in unserer Organisation ist, Trends und Entwicklungen zu screenen, zu begleiten, vielleicht zu formen.
Charakteristik
212 Strategische Vorausschau in Unternehmen
*Anzahl der Fälle: Unternehmen X (Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen in 2007)
Tabelle 6.20 „Gatekeeper-Ansatz“ der strategischen Vorausschau
Keine strategische Vorausschau
Controllingbasierter Ansatz
Typologie
Fokus der Geschäftstätigkeit liegt auf der Befriedigung der aktuellen Kundenbedürfnisse und der Sicherstellung der Wettbewerbsposition
Fehlendes Bewusstsein gegenüber der strategischen Vorausschau
Nutzung von informellen Netzwerken
Monitoring von Veränderungen in EinnahmenAusgaben, und Kapazitätsauslastungen, auch ausgewählte qualitative Merkmale werden beobachtet
Charakteristika
Geschäftsführung
Organisation formal
informelle
P14 (37 MA) P26 (32 MA)
P3 (35 MA)
P20 (55 MA)
1 Fall
3 Fälle
Kongresse Berater Netzwerke
Anzahl der Fälle*
Brainstorming
Fachzeitschriften Konferenzreports Reports von Analysten
Quellen
Internetrecherche
Internetrecherche
Früherkennungstool ist ein Controllingtool (Finanzbuchhaltung)
Methoden und Tools
tionen von Analysten "…nur um salonfähig zu sein für einen Dritten, muss man dann so was kaufen und sagen, hier guckt mal, das ist der Markt, der wird von denen so und so angeben…" (P14)
Kauf von Marktinforma-
„Unsere eigentliche Hauptaufgabe ist etwas ganz anderes." (P14)
„Verbesserung des Risikomanagements“ (P20)
Charakteristik
Strategische Vorausschau in Unternehmen 213
*Anzahl der Fälle: Unternehmen X (Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen in 2007)
Tabelle 6.21 „Controllingbasierter Ansatz“ der strategischen Vorausschau und keine strategische Vorausschau
214
Strategische Vorausschau in Unternehmen
In der Matrix (vgl. Abbildung 6.12) sind die definierten Typologien der strategischen Vorausschau in einer Matrix dargestellt und den Dimensionen Technologiefokus, Marktfokus und Zukunftsorientierung zugeordnet. Der Gatekeeper-Ansatz ist sowohl durch eine starke Fokussierung auf die Beobachtung neuer und bestehender Technologien und Märkte gekennzeichnet als auch durch eine relativ hohe Zukunftsorientierung im strategischen Planungsprozess. Somit beschreibt der GatekeeperAnsatz ein Vorgehen, das dem ganzheitlichen Verständnis einer strategischen Vorausschau (vgl. Definition in Kapitel 2) am besten entspricht. Der Nachteil des Gatekeeper-Ansatzes ist, dass Informationen zu latenten Risiken und Chancen hauptsächlich von einer oder mehreren Personen zusammengetragen werden (vgl. Roll, Weber, 2006, 206). Diese Informationsmacht kann sich nachteilig für das Unternehmen auswirken, insbesondere dann, wenn Gatekeeper und das implizite Wissen der Gatekeeper das Unternehmen verlassen. Unter implizitem Wissen werden in diesem Zusammenhang personengebundene Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, die sich nicht oder nur sehr schwierig vom Wissensträger beschreiben lassen. Es ist ein subjektives Wissen, das auch auf Werten und Gefühlen basiert (vgl. Opitz, Göhring, 2007, Folie 16).
Im wissenschaftsgetriebenen Ansatz liegt der Fokus stärker auf der Technologie, die Zukunftsorientierung ist ebenfalls hoch. Im marketinggetriebenen Ansatz findet kaum eine systematische Beobachtung bestehender und neuer Technologien statt; hier stehen aktuelle und potenzielle Kunden und Wettbewerber im Mittelpunkt der VoA. Im controllingbasierten Ansatz und in den Unternehmen, die keine strategische Vorausschau betreiben, liegt der Fokus stärker auf aktuellen Marktentwicklungen. Während im controllingbasierten Ansatz Entscheidungen proaktiv, primär auf Basis von Controllingdaten, getroffen werden, wird in den Unternehmen, die keine strategische Vorausschau betreiben, auf Marktentwicklungen nur reagiert.
Strategische Vorausschau in Unternehmen
high
3
Marketing- driven approach
Gatekeeper- Ansatz
215
4
6 No strategic foresight
M a rk e t fo c u s
5 Controlling- based foresight
2 Netzwerkorientierter Ansatz
1 Wissenschaftsgetriebener Ansatz „Früherkennung per se“
low low
high Technologiefokus
Zukunftsorientierung in der strategischen Planung low
medium high
Abbildung 6.12 Typen der Zukunftsorientierungs-Matrix)
strategischen
Vorausschau
(Technologie/Marktfokus-
Ein Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Typologie der strategischen Vorausschau konnte nicht eindeutig ermittelt werden. So konnten Unternehmen sowohl mit 20 als auch mit 550 Mitarbeitern dem netzwerkorientierten Ansatz zugeordnet werden. Gleiches kann für den marketinggetriebenen Ansatz festgestellt werden (20 bis 500 Mitarbeiter). Die Mitarbeiteranzahl in den Unternehmen, die dem wissenschaftsgetriebenen Ansatz zuzuordnen sind, liegt zwischen 25 und 78. Die Unternehmen, die den Gatekeeper-Ansatz verfolgen, beschäftigen zwischen 25 und 53 Mitarbeitern. Das Unternehmen, das dem controllingbasierten Ansatz zugeordnet wurde, beschäftigt 55 Mitarbeiter. Eine relativ homogene Mitarbeiteranzahl (durchschnittlich 35) weisen die Unternehmen auf, für die keine Aktivitäten der strategischen Vorausschau identifiziert werden konnten.
216
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Ein Zusammenhang kann zwischen der Erfahrung und Qualität des Management und der Professionalität einer strategischen Planung unterstellt werden. In den Unternehmen, die dem Gatekeeper-Ansatz zuzuordnen sind, verfügt das Management entweder über betriebswirtschaftliches Know-how, was durch die Managementausbildung des CEO dokumentiert wird, und/oder über langjährige Erfahrungen in der Großindustrie (Pharma), wodurch offenbar ein Verständnis für die strategische Vorausschau und Planung entwickelt werden konnte, was z.B. durch den Einsatz von Methoden wie Szenarioanalysen offenkundig wird.
Demgegenüber steht der wissenschaftsgetriebene Ansatz. In diesem Ansatz überwiegen die Wissenschaftler, die das Unternehmen und den Managementstil sehr stark prägen. Demzufolge ist die strategische Vorausschau primär auf die Technologie fokussiert, während z.B. Marktentwicklungen noch zu wenig Berücksichtigung finden. Auch die eingesetzten Methoden, wie Publikationsanalysen oder bibliometrische Analysen spiegeln diese Denkhaltung wider.
Im marketinggetriebenen Ansatz ist der Bereich Marketing oder Business Development für Vorausschauaktivitäten verantwortlich. Dabei ist anzumerken, dass der Begriff Business Development in Biotechnologieunternehmen oftmals synonym für Vertrieb verwendet wird. Demzufolge sind die VoA überwiegend durch die Sammlung und Systematisierung von Kundeninformationen gekennzeichnet.
Im netzwerkorientierten Ansatz wird die strategische Vorausschau „nebenbei“ betrieben. Das Managementteam setzt sich aus Personen zusammen, die einen naturwissenschaftlichen Hintergrund haben, auf Netzwerkstrukturen zurückgreifen können und überwiegend über keine Erfahrungen aus der Großindustrie (Pharma) verfügen.
Methoden der strategischen Vorausschau in DLrBT Im Rahmen der strategischen Vorausschau kommen heuristische Methoden, Befragungen, interagierende Methoden und quantitative Methoden zur Anwendung. Insgesamt betrachtet werden eher Methoden genutzt, die relativ einfach einzusetzen sind und kein tiefes methodisches Verständnis erfordern. Tabelle 6.22 gibt einen
Strategische Vorausschau in Unternehmen
217
Überblick über die eingesetzten Methoden; gleichzeitig erfolgt eine einfache Klassifizierung der Methoden. Klassifizierung
Methoden der strategischen Vorausschau
Heuristische Methoden (H)
Screening von Websites Publikationsanalyse
Befragungen (B)
Systematische Sammlung von Kundenanfragen Kundenbefragungen
Interagierende Methoden (I)
Brainstorming Strategieworkshop SWOT-Analyse Szenarioanalyse Aktionspläne
Quantitative Methoden (Qn)
Einfache bibliometrische Analysen (Anzahl der Veröffentlichungen zu bestimmten Themen) Businesspläne Kundenpotenzialanalyse Marketing Controlling Customer-Relationship-Systeme Marktforschungsdatenbank
Tabelle 6.22 Klassifizierung der eingesetzten Methoden
Bezogen auf die Typisierungen wird deutlich, dass bibliometrische Analysen, d.h. das Feststellen von Häufigkeiten von Publikationen zu bestimmten Themen oder Stichwörtern, nur von Unternehmen genutzt werden, deren Vorausschauaktivitäten wissenschaftsgetrieben sind. Unternehmen, die den wissenschaftsgetriebenen Ansatz verfolgen, nutzen kaum Prognosen, Trendanalysen, Portfolio-Ansätze oder andere interagierende Methoden. „Wissenschaftler wollen Wissenschaft machen“ (P18). Gründe dafür sind fehlendes Vertrauen in die Zuverlässigkeit der mit interagierenden Methoden ermittelten Ergebnisse, eine unzureichende Methodenkenntnis oder wenig Interesse an dieser Form der Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen. „Das können Sie in unserem Bereich nicht machen, weil sich da wirklich zum Teil über Nacht Dinge grundlegend ändern. Und zwar so grundlegend ändern, dass die Voraussetzungen einer Modellrechnung nicht mehr gegeben sind“ (P31).
Unternehmen deren Vorausschauaktivitäten sehr stark netzwerkgetrieben sind, nutzen bis auf Internetrecherchen oder Publikationsanalysen hauptsächlich Befragungen, um Informationen zu sammeln.
218
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Im marketinggetriebenen Ansatz der strategischen Vorausschau finden Methoden Anwendung, die das Kundenpotenzial ermitteln helfen und eine Einschätzung zum Markt erlauben. Kundeninformationen werden z.B. über das Screenen von Websites oder Pressemitteilungen ermittelt und einem regelmäßigen Monitoring unterzogen und teilweise in Form interner Datenbanken oder eines anspruchsvollen CRMSystems gepflegt. „… zur Erfassung des Marktes gehört, dass man jeder Zeit und immer weiß, was die Konkurrenz tut“ (P10). Die Informationen zu Kunden und Markt fließen in einigen Fällen in SWOT-Analysen ein und werden in Strategiemeetings aufgegriffen. In einigen Fällen erfolgt die Sammlung von Kundeninformationen hauptsächlich über Gespräche mit dem Kunden. „Kundengespräche, das Allerbeste zu 95% sind Kundengespräche" (P30). Somit liefert das Marketing Daten und Informationen, die für die strategische Vorausschau genutzt werden können.
Unternehmen, deren strategische Vorausschau durch den Gatekeeper-Ansatz charakterisiert ist, wenden, neben den auch in anderen Typologien vorkommenden Methoden auch Szenarioanalysen an. Die Szenarien werden intuitiv erstellt; dabei werden Szenarioanalysen als ein Instrument der Konsensfindung aufgefasst, das die Diskussion und Strukturierung von Zukunftsoptionen ermöglicht. „… mit sechs Leuten im Raum, vielleicht gibt es sechs verschiedene Ansätze und schon deshalb muss man mit Szenarien arbeiten“ (P9). Mit Szenarien sollen Investitionsentscheidungen unterstützt und ein mögliches Marktpotenzial abgeschätzt werden. Die Szenarioanalyse wird als ein iterativer Prozess des Informationsaustauschs verstanden, um abschätzen zu können, was für das Unternehmen machbar ist und auch der eigenen Zielrichtung entspricht. „Diese Methode hilft dann auch punktuell, bestimmte Themen zu diskutieren und zum Teil einen Konsens zu finden, um dann auch das Team auf eine Strategie einzuschwören oder auf die Richtung zu bringen. Denn das ist ja eigentlich das Hauptziel eines Strategie-Meetings, die verschiedenen Denkweisen, die verschiedenen Perspektiven zu diskutieren, zu hinterfragen, die Pros und Contras gegeneinander aufzuwiegen, um dann irgendwann eine gemeinschaftliche Strategie zu entwickeln“ (P9).
Szenarien werden in einem Unternehmen auch mit Kunden und einem Beirat diskutiert. Die Szenarioanalysen werden intuitiv erstellt und nach dem Erreichen eines bestimmten Reifegrades teilweise mit Beratern weiter bearbeitet, um stärker zu objektivieren.
Strategische Vorausschau in Unternehmen
219
Wenn auch bereits in den Unternehmen der DLrBT Methoden der strategischen Vorausschau eingesetzt werden, so muss dennoch festgestellt werden, das der Anwendungsgrad der Methoden noch sehr gering ist und das Nutzen formeller und informeller Netzwerke die bevorzugte Vorgehensweise in der strategischen Vorausschau ist. Als Gründe, die gegen den Einsatz von Methoden der strategischen Vorausschau sprechen, wurden von den Unternehmen genannt:
Geringe Ressourcen „Wir sind eine kleine Firma, wir sind fokussiert auf Serviceleistungen. Der Overhead ist relativ klein und die Mitarbeiter, die in den Serviceabteilungen arbeiten, haben sehr viel zu tun, insofern sind Kapazitäten, um bestimmte Methoden anzuwenden und mit den Methoden zu arbeiten, nicht gegeben“ (P13). „Wir haben natürlich auch eine geringe Kapazität in diesem Bereich, so dass man an vielen Stellen vielleicht mehr machen möchte, aber als mittelständisches Unternehmen ist das ein Kompromiss aus dem, was möglich ist, und dem, was nötig ist“ (P36) .
Keine Methodenkenntnis „’Road Mapping’, was ist das?“ (P16)
Fehlende Bereitschaft „Wissenschaftler wollen Wissenschaft machen.“ (P18)
Zu hoher Aufwand: „Aufwand und Nutzen stehen nicht im Verhältnis, Erfahrungswissen wird bei uns methodischem Lehrbuchwissen vorgezogen.“ (P21)
Methoden sind für die unternehmensspezifischen Anforderungen nicht geeignet „Also ich kenne das alles, aber wir müssen auch etwas haben, was zu unserer Firma passt.“ (P30)
Ursachen einer unzureichenden strategischen Vorausschau
Nach der Bildung von Typologien und der Beschreibung ihrer Charakteristika sollen nun Kausalmechanismen ergründet werden, indem eine weitere Analyse und Interpretation des Interviewmaterials erfolgt. Ziel ist es dabei, Ursachen einer unzureichenden strategischen Vorausschau zu ermitteln, um Anknüpfungspunkte für die Verbesserung des methodischen Vorgehens in der strategischen Vorausschau und in der Methodennutzung zu identifizieren.
220
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Defensives Management Eine Ursache für die unzureichende strategische Vorausschau ist in der geringen Qualität strategischer Planungsprozesse bzw. in einer ungenügenden aktiven strategischen Konversation zu sehen. Das Management verhält sich in diesen Fällen eher defensiv, was beispielsweise durch Aussagen belegt werden kann, die deutlich machen sollen, wie erfolgreich das Unternehmen in der Vergangenheit war. „... ich meine, wir sind in einer Zeit, wo eigentlich sehr viele Biotechunternehmen Pleite gegangen sind, nicht Pleite gegangen, weil wir eine sehr gute Planung haben“ (P30). Der überwiegende Teil der Interviewpartner hat z.B. das Wettbewerbsumfeld als „sehr überschaubar“ beschrieben, was auch darauf zurückzuführen ist, dass sich die Unternehmen meist in Nischenmärkten etabliert haben. „Wir kennen unsere Wettbewerber.“ Diese und ähnliche Aussagen können zum einen als völliges Vertrauen und Sicherheit über die gegenwärtige Situation interpretiert werden, zum anderen kann diese Haltung aber auch als ein Abwehrmechanismus im Managementdenken angesehen werden, der es nicht zulässt, sich z.B. mit möglichen Veränderungen im Wettbewerbsumfeld tiefgründiger auseinanderzusetzen.
Ein reagierender Strategiestil findet sich häufig in jüngeren und kleineren KMU, was in jüngeren Unternehmen auf fehlende Kenntnisse und Erfahrungen zurückzuführen ist. In kleinen Unternehmen überwiegen informelle Entscheidungsstrukturen, so dass deren „Kleinheit“ ein Hindernis für einen strukturierten Prozess der strategischen Vorausschau darstellt. Darüber hinaus handelt es sich bei der Biotechnologie um eine junge Branche, in deren Umfeld die grundlegend strategischen Optionsfelder noch fehlen oder sich erst im Aufbau befinden (vgl. Welter, 2003, 223), was eine weitere Ursache für ein defensives Managementverhalten darstellt.
Kurzfristige Planungshorizonte Der Planungshorizont im Sinne einer strategischen Planung beträgt bei den meisten Unternehmen 5 Jahre, da Businesspläne für diesen Zeitraum erstellt werden müssen, um mögliche Kapitalgeber vom Unternehmenskonzept zu überzeugen. Die unternehmerische Planung ist durch ein kurzfristiges Denken und das operative Tagesgeschäft gekennzeichnet. Da kleine und mittlere Unternehmen schneller und flexibler reagieren können als Großunternehmen, wird die Notwendigkeit einer tatsächlich langfristigen Planung - im Sinne einer strategischen Vorausschau - nicht gesehen. „Eigentlich bin ich immer dem hinterhergelaufen, was Kunden so wollten, und wenn
Strategische Vorausschau in Unternehmen
221
mehrere Kunden das Ähnliche wollten, dann merkt man ein Prinzip dahinter und kümmert sich genau um den Hintergrund und versucht einzuschätzen, zu verstehen, worum es geht und den nächsten Kunden hat man dann …“ (P26).
Die Aussage verdeutlicht auch, dass der Planungsprozess eher durch reagierende Maßnahmen gekennzeichnet ist, als durch eine tatsächliche Gestaltung einer Strategie. „Vieles passiert eben ad hoc und der Situation angepasst oder aus irgendwelchen Gesprächen oder Empfehlungen. Also, dass wir hier jetzt sitzen und darüber nachdenken, wie das z.B. bei irgendeinem großen Unternehmen ist, wie machen wir das jetzt nächstes Jahr weiter…[so ist das nicht].“ (P14)
Geringe Ressourcen Ein wesentlicher Grund für eine nur wenig sophistische strategische Vorausschau sind geringe Ressourcen. Dieser Ressourcenengpass bezieht sich sowohl auf geringe Zeitkapazitäten („Früherkennung nebenbei“) als auch auf notwendige Mittel für Berater oder Marktanalysen. „…oftmals wird man mit anderen Sachen erschlagen und dann hat man dazu weniger Zeit. Aber man muss sich die Zeit eben einfach nehmen. Deshalb haben wir jetzt bei uns in der Abteilung etwas umorganisiert, das man zu solchen Sachen [strategische Vorausschau] auch mehr kommt“ (P1).
„…also das ist mit den systematischen Sachen immer so ganz schwierig, insbesondere auch wieder eine Ressourcenfrage, […] Markterhebungen sind nicht bezahlbar.“(P18)
Geringer Fokus auf den Unternehmenskontext (contextual environment) Gegenstand der Betrachtungen in der Früherkennung und strategischen Planung sind in den Unternehmen neue Technologien, Kunden (Biotech-Szene und Pharma), Wettbewerb, Fördermöglichkeiten oder Regularien in ausgewählten Feldern. Eine Einbettung der Unternehmen in einen breiteren Kontext, d.h., die Beobachtung großer globaler Trends, anderer Branchen - i.S. lateraler Synergien - der Politik oder gesellschaftlicher Phänomene erfolgt kaum im Rahmen einer systematischen strategischen Vorausschau. Die nachfolgende Tabelle fasst die beobachteten Stärken und Schwächen der Früherkennung und strategischen Vorausschau zusammen.
222
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Stärken
Schwächen
Strategische Planung
Hohe Kundenorientierung Direkte Kommunikation auf der Managementebene
Management
Management verfügt oft über
Fehlende langfristige Planung (nur kurze Planungshorizonte) Geringe Risikostreuung Informationen aus strategischer Vorausschau fließen nur unsystematisch in die strategische Planung ein Defensives Management Promovierte Naturwissenschaftler verfügen am Anfang ihrer Karriere als Unternehmensgründer über wenig Management-Know-how „Passives Marketing“ Geringe Marktmacht, wenn das Unternehmen kein Technologieführer ist Geringe personelle und finanzielle Ressourcen Wenig Zeit Keine spezialisierten Stellen Vorausschau findet „nebenbei“ statt Kaum „out of the box“Informationen (Informationen außerhalb des technologisch/ wissenschaftlichen Bereiches oder außerhalb aktueller und potenzieller Kunden/ Wettbewerber) Informationen zu neuen Märkten (z.B. Indien, China) können kaum erhoben werden Fehlende Systematik in der Informationssammlung Teilweise fehlende Marktsicht („Technologieverliebt“)
gute wissenschaftliche Netzwerke
Markt/Kunden
Oftmals direkter Kundenkontakt Hohes Maß an Flexibilität
Ressourcen
Spezialisiertes technologisches Know-how
Organisation der strategischen Vorausschau Information und Kommunikation
Datensammlung
Methoden der strategischen Vorausschau
Flexibel, kurze Wege Gut vernetzt in wissenschaftlichen Netzwerken Kurze Wege im Unternehmen Direkte Information und Kommunikation
Guter Zugang zu informellen Quellen aufgrund einer starken Vernetzung in wissenschaftlichen Netzwerken Nähe zu Universitäten und Forschungsinstituten erleichtern Datensammlung Vielzahl an Informationen sind frei verfügbar Sehr guter Zugang zu Informationen und Experten im Bereich der Technologie, die für den Methodeneinsatz genutzt werden können (z.B. Bestandsaufnahme in Szenarioanalysen, Expertenmeinungen für Delphi usw.) Interagierende Methoden (z.B. Brainstorming Workshops) können unkompliziert umgesetzt werden
Wenig Methodeneinsatz Eigene Szenarioanalysen werden nur in wenigen Unternehmen systematisch und regelmäßig eingesetzt
Tabelle 6.23 Stärken und Schwächen in der strategischen Vorausschau der DLrBT
Strategische Vorausschau in Unternehmen
6.3
223
Anforderungen an Methoden der strategischen Vorausschau
Im Rahmen der Fallstudien mit Biotechnologieunternehmen wurden Anforderungen an eine Methode der strategischen Vorausschau ermittelt (vgl. Basisdaten der Unternehmen in Tabelle 6.6 bis 6.15 und das beschriebene Vorgehen in Kapitel 6.2). Als wesentliche Anforderungen wurden die Spezifizierung und Individualisierung von Informationen, die Verknüpfung dieser Informationen mit klassischen Methoden der strategischen Planung sowie die Integration der strategischen Vorausschau und Planung in das operative Geschäft, charakterisiert durch eine schnelle Umsetzung von Projekten und Handlungsplänen.
Spezifizierung und Individualisierung von Informationen In den Fallstudien wurde deutlich, dass zunächst ein Bedarf in der Unterstützung und Systematisierung von Informationen besteht. Für die Unternehmen sind insbesondere zuverlässige Informationen zu aktuellen und potenziellen Kunden und Wettbewerbern, Distributoren, Entwicklungen von Gesetzen und Regularien, Behörden und Informationen zu interkulturellen Besonderheiten in Auslandsmärkten wichtig, ebenso wie allgemeine Marktdaten zu ausgewählten Auslandsmärkten. Da die Biotechnologieunternehmen sich häufig in kleinen Marktnischen bewegen, müssen die Unternehmen sich frühzeitig internationalen Märkten stellen und ihre Geschäftstätigkeit über den Heimatmarkt hinaus ausdehnen. Diese frühe Internationalisierung stellt eine besondere Herausforderung für die Unternehmen dar. Da die Biotechnologie sehr heterogen ist, besteht ein Bedarf an sehr spezifischen bzw. individualisierbaren Informationen. Die Unternehmen beziehen bislang einen großen Teil der Informationen über das Internet in einem unsystematischen Suchprozess. Wünschenswert wären hier aus Sicht der Unternehmen strukturierte Linklisten und die Zuordnung von Stichworten im Rahmen der Informationssystematisierung. Die Forderung der Unternehmen nach einer Spezifizierung und Individualisierung von Informationen verdeutlicht den Aufwand der mit einer sophistischen strategischen Planung und Vorausschau verbunden ist. Um die Qualität der Entscheidungen zu verbessern, müssen zunächst aufbereitete, aktuelle Daten erfasst und systematisiert werden.
224
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Verknüpfung der Informationen mit Wettbewerbsanalysen, Marktpotenzialanalysen, Risikoanalysen, Marktauswahl und Marktbearbeitungsstrategien Basierend auf einer breiten, fundierten und individualisierten Informationssammlung und –systematisierung, erwarten Unternehmen für den Bereich der Strategieentwicklung, neben klassischen strategischen Instrumenten (Wettbewerbsanalyse, Portfoliomanagement), insbesondere Unterstützung im Bereich der Marktpotenzialanalyse. Wesentlicher Treiber ist die Frage nach neuen, zukunftsfähigen Märkten, die möglicherweise auch außerhalb bestehender Kunden und Technologien liegen könnten.
Ebenso ist es den Unternehmen wichtig, Schlüsselfaktoren zu beobachten, um nicht an Entwicklungen festzuhalten, die möglicherweise bereits überholt sind oder für die es schlichtweg keinen ausreichenden Markt gibt. Im Hinblick auf die konkrete Bearbeitung von Auslandsmärkten benötigen die Unternehmen Hinweise für die Abschätzung des Marktpotenzials und die Wahl der Marktbearbeitungsform. Die Unternehmen betonen auch, dass gerade bei spezifischen Fragestellungen die Inanspruchnahme eines Beraters oder Coachs wichtig wäre.
Die im Zuge der Informationssammlung systematisierten Informationen müssen, in einem zweiten Schritt, in klassische Methoden der strategischen Planung und Vorausschau einfließen. Grundlage dafür ist jedoch eine gute Daten- und Informationsbasis.
Integration der Ergebnisse der strategischen Vorausschau in das operative Geschäft Im Hinblick auf die Umsetzung einer Methode oder eines Methodenverbundes ist es den Unternehmen wichtig, das operative Geschäft möglichst frühzeitig einzubinden und strategische Vorausschauaktivitäten in konkrete Handlungspläne zu überführen. Eine pragmatische und zudem einfache Anwendung würde dabei von den Unternehmen favorisiert werden.
VoA werden nur dann in den Unternehmen Akzeptanz finden, wenn es gelingt, eine Verknüpfung zum operativen Geschäft herzustellen. Aus diesem Grunde müssen frühzeitig Projekte initiiert werden, die eine hohe Ausstrahlkraft besitzen. Dazu ist die Unterstützung und das Commitment der Unternehmensführung eine notwenige Voraussetzung.
Strategische Vorausschau in Unternehmen
225
Einfache und effiziente Anwendung der strategischen Vorausschau Vor dem Hintergrund geringer personeller Ressourcen, erwarten die Unternehmen eine einfache und effiziente Anwendbarkeit von Methoden in der strategischen Vorausschau. Dies bezieht sich auch auf die Systematisierung von Informationen, die möglichst einfach wieder auffindbar kategorisiert und abgelegt werden müssen. An dieser Stelle wird die enge Verknüpfung von VoA mit dem Wissensmanagement deutlich. Dabei muss es neben der Sammlung und Systematisierung von Informationen und Daten auch gelingen, das Wissen abzulegen und für den Einsatz von Methoden der strategischen Vorausschau und der strategischen Planung zu nutzen.
Die Anforderungen an Methoden der strategischen Vorausschau sind in der nachfolgenden Abbildung 6.13 dem generischen Früherkennungsprozess gegenübergestellt.
2
Informationsquellen und Methoden auswählen
Marktdaten zu Auslandsmärkten (z.B. staatliche FuE Ausgaben, Patentanmeldungen, Informationen zu Clustern), interkulturelle Besonderheiten
Sammlung und Systematisierung von Kundenanforderungen und Wünschen
Identifikation von aktuellen und zukünftigen Kundenbedürfnissen
Identifikation von Entscheidern, Ansprechpartnern
Unternehmensinformationen mit spezifischer Leistungsbeschreibung
Informationen zu Kunden (z.B. Pharmaindustrie), Wettbewerbern, Distributoren, Fördermöglichkeiten, Gesetzen, Behörden
3
4
Filtern, Analysieren, Interpretieren
Individualisierte Informationsquellen, die verlinkt sind zu weiterführenden Informationsquellen
Darstellung von Netzwerken zwischen Unternehmen und Distributoren
Informationsverarbeitung mit Zuordnung von Stichworten
5
6
Bewerten und Entscheiden
Handlungspläne
Unterstützung bei der Standortentscheidung, Hinweise für geeignete Marktbearbeitungsform
Portfoliomanagement
Marktpotenzialanalyse
Risikomanagement, Monitoring von technologischen Entwicklungen
Wettbewerbsanalyse
Entscheidungen vorbereiten
Möglichkeit der Individualisierung von Informationen (Eingrenzen, Spezifizieren)
Daten sammeln und speichern
Zugang zu zuverlässigen, spezifischen/individuellen Informationen
Informationen zu neuen, zukunftsfähige Märkten, außerhalb bestehender Kunden und Technologien
1
Suchgebiet auswählen
Informationsbedarf bestimmen,
Planung – Netzwerkarbeit – Zukunftsdenken
226 Strategische Vorausschau in Unternehmen
Neue Produkte, Dienstleistungen, Marktsegmente, Prozesse, Verfahren
Veränderungen im Unternehmensumfeld
Abbildung 6.13 Anforderungen von Biotechnologieunternehmen an Methoden der strategischen Vorausschau
Strategische Vorausschau in Unternehmen
6.4
227
Einsatz der Szenarioanalyse in kleinen und mittleren Unternehmen – Good Practice
Die Darstellung der Praxis der strategischen Vorausschau hat verdeutlicht, dass die Szenarioanalyse als eine Methode der strategischen Vorausschau kaum zur Anwendung gelangt. Als Ursachen für den geringen Anwendungsgrad wurden, auf Basis der Fallstudien mit Unternehmen der DLrBT, identifiziert: geringe Ressourcen, eine unzureichende Methodenkenntnis, die fehlende Bereitschaft des Managements Methoden zu nutzen sowie ein zu hoher Aufwand, der den Nutzen nicht rechtfertigt.
Um Ansatzpunkte für einen Szenarioansatz zu entwickeln, der an die Bedürfnisse der zumeist kleinen und mittleren Biotechnologieunternehmen angepasst ist, soll in Ergänzung der in der Theorie diskutierten Ansätze (vgl. Kapitel 5), Expertenmeinungen zum Umgang mit Szenarioanalysen in kleinen- und mittleren Unternehmen aufgegriffen werden (vgl. Tabelle 6.24). Die Auswahl der Interviewpartner erfolgt anhand einer Publikationsanalyse. Eine Bedingung für die Auswahl waren einschlägige Publikationen zu Szenarioanalyen und eine möglichst langjährige Erfahrung mit dem Einsatz von Szenarioanalysen in Unternehmen oder in der Beratungspraxis.
Kurzcharakterisierung Experte 1
Experte 1 ist Hochschullehrer im Bereich Unternehmensführung und Geschäftsführer eines auf die Szenarioanalyse spezialisierten Beratungsunternehmens in Deutschland. Der Experte verfügt über langjährige Erfahrungen in der methodischen Entwicklung und Durchführung von Szenarioanalysen.
Experte 2
Experte 2 ist Projektleiter in einem auf die Szenarioanalyse spezialisierten Beratungsunternehmen. Weitere Schwerpunkte sind das Projektmanagement, die Optimierung von Geschäftsprozessen sowie die Gestaltung von Trend- und Früherkennungssystemen.
Experte 3
Experte 3 ist Gründer, Vorsitzender und Geschäftsführer eines internationalen Beratungsunternehmens sowie Forschungsdirektor an einer Universität. Der Experte verfügt über einschlägige Praxiserfahrung mit der Szenarioanalyse seit Anfang der 80iger Jahre.
Experte 4
Experte 4 ist seit Anfang der 90iger Jahre in der Beratung mit dem Schwerpunkt auf Szenarioprojekte in einem in Deutschland ansässigen Beratungsunternehmen tätig.
228
Strategische Vorausschau in Unternehmen
Kurzcharakterisierung Experte 5
Experte 5 ist Inhaber eines Beratungsunternehmens für Strategieentwicklung und Szenarioanalysen. Der Experte hat langjährige Erfahrung in der Erstellung von Szenarien und deren Nutzung für die Entwicklung und Bewertung von Strategien in der Unternehmenspraxis sammeln können.
Experte 6
Experte 6 hat langjährige Erfahrungen in internationalen Beratungsprojekten, mit Schwerpunkt auf Szenarioanalysen, für öffentliche und private Institutionen und verfügt auch über Erfahrungen in der methodischen Entwicklung dieses Ansatzes.
Experte 7
Experte 7 ist seit Anfang der 90iger Jahre in der Beratung von Unter-
Experte 8
Experte 8 verantwortet die Aktivitäten eines internationalen Pharmaun-
nehmen und öffentlichen Einrichtungen tätig.
ternehmens auf dem deutschen Markt und vertritt die Sichtweise der Großunternehmen im Umgang mit der strategischen Vorausschau und dem Einsatz von Szenarioanalysen. Experte 9
Experte 9 verantworte den Bereich „Technologische Vorausschau“ eines internationalen Pharmaunternehmens und vertritt die Sichtweise der Großunternehmen im Umgang mit der strategischen Vorausschau und dem Einsatz von Szenarioanalysen.
Tabelle 6.24 Kurzcharakterisierung der Interviewpartner
Die Datensammlung wurde in Form von halbstandardisierten Interviews durchgeführt. Die Auswertung der Interviews erfolgt anonymisiert durch eine qualitative Inhaltsanalyse (vgl. Kapitel Kapitel 6.2.3). Das Ziel der im Zeitraum von April bis Mai 2007 durchgeführten Experteninterviews war die Ermittlung von Erfolgsfaktoren einer szenariobasierten Strategieentwicklung. Für die Identifikation von Good Practice beim Einsatz von Szenarioanalysen in KMU, wird das vorliegende Datenmaterial, im Rahmen dieser Arbeit, im Hinblick auf folgende Fragestellung untersucht:
Ist die Szenarioanalyse eine geeignete Methode für KMU?
Welche Anforderungen bestehen für den Einsatz von Szenarioanalysen in kleinen und mittleren Unternehmen?
Abbildung 6.14 Einsatz von Szenarioanalysen in KMU (Untersuchungsfragen)
Strategische Vorausschau in Unternehmen
229
Das Datenmaterial wurde entlang des in Tabelle 6.11 dargestellten Suchrasters mit Hilfe der Software ATLAS.ti aggregiert.
Bereich Einsatz von Szenarioanalysen in KMU
Implementierung von Szenarioanalysen
Suchraster (Codes) Eignung für kleine und mittlere Unternehmen Gründe geringer Methodennutzung Ressourcen Akzeptanz von Szenarioanalysen Erfolgsfaktoren bei Szenarioanalysen Ansätze zur Erhöhung der Methodenkenntnis Form und Art der Anpassung der Methode für den Einsatz in KMU Hindernisse bei der Strategieentwicklung mit Szenarien
Tabelle 6.25 Suchraster der Datenextraktion „Good Practice“
Einsatz von Szenarioanalysen in KMU
Aus Sicht der Experten ist die Szenarioanalyse auch für eine strategische Vorausschau in kleinen und mittleren Unternehmen geeignet, da es auch für diese Unternehmen wichtig ist, sich auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten. Auch kleinere Unternehmen sehen sich einer Vielzahl von Einflussfaktoren mit komplexen Wirkungszusammenhängen gegenüber, die kaum intuitiv erfasst werden können. Ein Experte räumt ein, dass Szenarioanalysen möglicherweise deshalb in KMU weniger zum Einsatz gelangen, da diese Unternehmen viel schneller auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren können und ihre Strategie anpassen können als Großunternehmen. "The more you can improvise quickly the more you can change quickly the less you need to do scenario planning. So a small firm might need it less, because they can more quickly react. It is like a big ship on the ocean. You need to do more planning to change the course as if you are a little speedboat." (P 8) Diese Einschätzung steht im Gegensatz zu den Möglichkeiten des Einsatzes von Szenarioanalysen. Durch die Entwicklung von Szenarien kann der wahrgenommene Möglichkeitsraum der Unternehmen erweitert werden, wodurch Veränderungsprozesse früher erkannt und besser verstanden werden. Mit der systematischen Aufbereitung relevanter Informationen und der Implementierung von Maßnahmen, können Unsicherheiten reduziert werden (vgl. auch Meyer, 2007, 38).
230
Strategische Vorausschau in Unternehmen
In Großunternehmen sind Szenarioanalysen ein geeigneter Weg, um Personen aus unterschiedlichen Bereichen, Abteilungen oder hierarchischen Ebenen zusammenzuführen. In KMU kann diese Form der Kommunikation einfacher auf direktem Weg erreicht werden: „… I think that larger companies like scenario planning better because it is a very systematic way to get people involved in complicated discussions” (P8). Demzufolge spielen Szenarioanalysen für die interne Kommunikation eine geringere Rolle, können aber im Dialog mit Kunden, Zulieferern, Partnern aus der Wissenschaft oder in Netzwerken ebenfalls zum Zweck der Kommunikation eingesetzt werden.
Nach Einschätzung eines Experten sind Strategieprozesse immer aufwendig, da z.B. auch im Rahmen der Erstellung von Situationsanalysen eine Vielzahl von Informationen zusammengetragen werden muss. „… ich glaube nicht, dass ein Strategieprozess ohne Szenarien weniger aufwendig ist“ (P3). Dem gegenüber steht der deutliche Vorteil von KMU, dass Ergebnisse aus den Szenarioanalysen viel schneller umgesetzt werden können, als das in Großunternehmen möglich ist. „Mir ist ein Down-to-earthMittelständler lieber, der die Ärmel hochkrempelt, der eine Führungsmannschaft zusammenruft und der dann hinterher sagt, okay, jetzt setzen wir das um. Der hat die Möglichkeit es auch umzusetzen, der muss nicht verschiedene andere Abteilungen überzeugen, ob man eventuell und überhaupt diese Strategie umsetzen sollte“ (P2).
Im Hinblick auf die Akzeptanz der Methode ist es notwendig, dass Szenarioanalysen Top-down gewünscht sind, d.h., Szenarioanalysen müssen vom Management gewollt sein. Dazu ist es wichtig, die Bereitschaft zu entwickeln, sich auf den Prozess einzulassen und sich mit Veränderungen auseinanderzusetzen, und die Fähigkeit zu erlangen, mit Veränderungen konstruktiv umzugehen. Dies erfordert Offenheit gegenüber Veränderungen und unterschiedlichen Entwicklungen. „Wenn Ideen, die in den Köpfen der Entscheider sind, nur umgesetzt werden sollen und die Szenarioanalyse aber verdeutlicht, dass die Strategien nicht tragen, werden Szenarioanalysen zum Selbstmordkommando“ (P3).
Szenarioanalysen sind kein geeignetes Instrument, für Unternehmen in Krisensituationen, um kurzfristig Lösungsvorschläge zu ermitteln, da Szenarien - auch wenn
Strategische Vorausschau in Unternehmen
231
kürzere Zeithorizonte betrachtet werden - auch in KMU als ein Instrument der strategischen Planung zu verstehen sind.
Implementierung von Szenarioanalysen in KMU
Nach Auffassung der Experten ist für die Implementierung von Szenarioanalysen in KMU kein neuer methodischer Ansatz nötig. Der Prozess der Szenarioanalyse wird lediglich angepasst, z.B. durch die Nutzung kürzerer Zeithorizonte oder den Verzicht auf die Berechnung der Szenarien. Einer der Experten weist darauf hin, dass es nötig ist, die Szenarioanalyse nicht nur an die Unternehmensgröße anzupassen, sondern auch an die Art oder Eigenheiten der Branche anzupassen. „If you have a very scientific client we would be much more analytical about it and look at cross impacts and collation matrixes. If we have clients who are more artistic or more humanistic it would be more focussed on the story. I think there is a tool kit of many, many components.”
Insgesamt werden Szenarioanalysen in KMU stärker pragmatisch aufgefasst. Der organisatorische Aufwand (z.B. Identifikation von Experten, Organisation von Workshops) für die Durchführung ist, nach Einschätzung der Experten, weitaus geringer als in Großunternehmen, da Szenarioanalysen stärker informell durchgeführt werden können. „Wir haben das [Szenarioanalyse] auch mal nur als Fallstudie gemacht, aber den Unternehmen hat es sehr viel gebracht. Da war ich im Prinzip einen Tag dort und wir hatten am Abend ein Miniszenario, das habe ich für 3 Unternehmen gemacht. Und wir haben dann auf einem Nachfolgekongress, wo die Szenarien als Fallbeispiel hereingelaufen sind, für einen bestimmten Bereich Ableitungen getroffen, was heißt es jetzt in Konsequenz für das und das Thema ..." (P4).
Im Hinblick auf die Strategieentwicklung mit Szenarien können nach Einschätzung der Experten mit Szenarien keine leichtfertigen Entscheidungen in der strategischen Planung getroffen werden, somit könnte die Möglichkeit des Nachweises von Fehlentscheidungen ein Grund für die Ablehnung der Methode sein. Auf der anderen Seite hat die Methode deutliche Grenzen. Auch mit Szenarien kann die Zukunft nicht gewusst werden, so dass auch mit Szenarien Entscheidungen getroffen werden müssen, die mit Risiken verbunden sind. Die nachfolgende Übersicht fasst die we-
232
Strategische Vorausschau in Unternehmen
sentlichen Anforderungen an Szenarioanalysen in KMU nach Einschätzung der Experten zusammen.
Szenarioanalysen müssen Top-down initiiert werden und vom Management gewollt sein. Ein Promotor auf oberster Managementebene muss die Szenarioanalyse legitimieren und unterstützen.
Entscheider müssen von Beginn an in den Prozess der Szenarioanalyse einbezogen werden.
Es muss Offenheit im Unternehmen gegenüber Veränderungen und alternativen Entwicklungen herrschen. Dazu gehört die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung.
Szenarioanalysen müssen pragmatisch durchgeführt werden (z.B. Verzicht auf die Berechnung der Szenarien nach der Konsistenzanalyse). Das methodische Vorgehen ist anzupassen aber nicht grundsätzlich zu ändern.
Es müssen kürzere Planungshorizonte betrachtet werden.
Vorgehen bei Szenarioanalysen muss an die spezifische Unternehmenssituation, Branche, Managementstile angepasst werden (Customized-Szenarioansatz).
Schnelle Umsetzung der Ergebnisse.
Abbildung 6.15 Anforderungen an den Einsatz von Szenarioanalysen in KMU (Ergebnisse aus Experteninterviews)
7
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Wollen Unternehmen sich an Veränderungen im Unternehmensumfeld anpassen, um auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig zu sein, dann muss sich das Management von einer klaren Einschätzung bezüglich der Entwicklung der Branche leiten lassen: Wie wird die Branche in 5 oder 10 Jahren aussehen? Was muss unternommen werden, um sicherzustellen, dass sich die Branche in einer Weise entwickelt, die für das Unternehmen von Vorteil ist? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen müssen heute aufgebaut werden, damit das Unternehmen in der Zukunft zu den führenden Unternehmen der Branche gehört? Wie kann sich das Unternehmen mit Blick auf zukünftige Geschäftsmöglichkeiten vorbereiten, auch wenn diese Maßnahmen nicht nahtlos zu dem passen, was das Unternehmen heute macht? Welche Rolle spielen dabei die Politik, Forschung und Netzwerke? Doch wie kann dieses kollektive Zukunftswissen in einer Branche wie der Biotechnologie, die durch überwiegend kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gekennzeichnet ist, generiert werden? Ein Weg, um Zukunftswissen zu entwickeln und mit Unsicherheiten im Unternehmensumfeld umzugehen, ist die Implementierung von Szenarioanalysen im Rahmen von „Open Foresight“- Projekten. Unter Open Foresight wird in dieser Arbeit die Öffnung des Prozesses der strategischen Vorausschau verstanden. Durch die Ausgliederung von Vorausschauaktivitäten und die Einbindung von weiteren Unternehmen und Akteuren können zwei Effekte erzielt werden. Durch die Externalisierung der Generierung von Zukunftswissen können (1) die Bestandsaufnahme und Informationssammlung auf eine breitere Basis gestellt werden und (2) Ressourcen gemeinsam genutzt werden. Zukunftswissen wird außerhalb des Unternehmens generiert in Netzwerken mit anderen Unternehmen der gleichen Branche, Forschungseinrichtungen, weiteren Netzwerken und der Politik.
Im folgenden Kapitel sieben soll anhand von drei Fallbeispielen aus der Biotechnologie aufgezeigt werden, wie Szenarioanalysen, im Sinne des „Open Foresight“Ansatzes für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt werden können.
Der Fokus dieses Kapitels liegt dabei weniger auf der inhaltlichen Diskussion von Szenarien, sondern in der Ableitung eines geeigneten Vorgehens, um mit diesem situationsspezifischen, maßgeschneiderten Ansatz Szenarioanalysen an spezifische Kontextbedingungen anzupassen und einen Weg aufzuzeigen, wie Szenarioanalysen
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Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
auch für KMU, vor dem Hintergrund knapper Ressourcen, zur Anwendung gelangen können. Mit diesem Vorgehen wird der Versuch unternommen, Inhalte, Verfahren und Anforderungen einer ausgewählten Methode der strategischen Vorausschau an die Bedürfnisse der KMU anzupassen, um eine strategische Vorausschau mit geringerem Ressourcenaufwand umzusetzen.
Die Szenarioanalysen wurde am Centrum für Entrepreneurship und Innovation der Universität Potsdam initiiert und methodisch begleitet (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a). Die Szenarioanalysen waren Teil eines zweijährigen Projektes zu clusterorientierten Verzahnungsprozessen in der Biotechnologie6, eine Szenarioanalyse wurde im Folgeprojekt „New Market Intelligence“ weitergeführt7. Da die Biotechnologie als Untersuchungsfeld zu breit ist, um zu konkreten und umsetzbaren Ergebnissen zu gelangen, wurden die Szenarioanalysen für die Bioanalytik und In vitroDiagnostik, die Weiße Biotechnologie und für Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT) als drei spezifische Themenfelder umgesetzt. 7.1
Systematische Entwicklung eines maßgeschneiderten Szenariodesigs durch Kontextermittlung
Die in der Literatur diskutierten Prozesse der Szenarioentwicklung mit ihren eindeutig definierten Prozessschritten, die teilweise eine aufwendige Konsistenzanalyse beinhalten oder Erfahrungen in der Moderation von Szenarioanalysen voraussetzen, sind nicht in jedem Fall und für jede Fragestellung gleich anwendbar. Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen fällt es ungleich schwerer, Ressourcen und Methodenkompetenz vorzuhalten, um plausible Szenarien zu entwickeln, die Eingang in strategische Planungen finden. Ein Vorteil und gleichzeitig Herausforderung von Szenarioanalysen ist ihre Flexibilität im Hinblick auf die Ausgestaltung von Szenarioprozessen. In Vorbereitung einer Szenarioanalyse und insbesondere vor dem Hin-
6 Das Projekt wurde durchgeführt im Rahmen des INNOPUNKT-Programms „Zukunftschancen durch clusterorientierte regionale Verzahnungsprozesse - Unterstützung vorhandener regionaler Kompetenzfelder und Weiterentwicklung von Kooperationen und Netzwerken zu Clustern durch arbeitsmarktpolitische Aktivitäten“. Die Umsetzung des INNOPUNKT-Programms erfolgt durch die Landesagentur für Struktur und Arbeit Brandenburg GmbH (LASA). Das Projekt ist gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg.
7
New Market Intelligence: Identifizieren und Evaluieren von Auslandsmärkten in der roten Biotechnologie, finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Gesamtprojektlaufzeit: 01.11.2005 bis 30.04.2009.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
235
tergrund der Akzeptanzerhöhung der Methode muss der jeweilige Kontext, in dem die Analyse durchgeführt wird, Berücksichtigung finden. Jedes Unternehmen wird den Prozess der Szenarioanalyse an die eigene Situation, Bedürfnisse oder Kultur anpassen müssen (vgl. Drew, 2006, 247). Bei der Kontextbetrachtung sind neben objektiven Faktoren, wie z.B. der zur Verfügung stehende Zeitrahmen oder das Budget, auch „weiche“ Faktoren, wie die Bereitschaft, sich auf die Methode einzulassen und einen gewissen Teil der eigenen Zeit in den Prozess zu investieren zu berücksichtigen. Mit Hilfe eines Rasters (vgl. Tabelle 7.1 bis 7.3), das in seinem Aufbau einer morphologischen Matrix gleicht, werden die Ausgangssituation überprüft, die Zielstellung der Szenarioanalyse aufgegriffen, die Vorgaben, die den Szenarioprozess selbst betreffen sowie Informationen zum Szenariotransfer zusammengetragen.
Im Abfragebereich „Ausgangssituation“ (siehe Tabelle 7.1 und 7.2) werden neben der Form und Aktivität des Unternehmens oder der Organisation Zeitkapazitäten und monetäre Möglichkeiten sowie die Bereitschaft, sich auf eine Szenarioanalyse einzulassen, auf Seiten der beteiligten Akteure ermittelt. Dabei ist es wichtig festzustellen, inwieweit eine Methodenkenntnis bei den zu beteiligenden Akteuren vorliegt und auf welchen Erfahrungen mit Szenarioanalysen aufgebaut werden kann. So kann durch eine gute Methodenkenntnis die Phase der Sensibilisierung und die Herbeiführung eines gemeinsamen Methodenverständnisses verkürzt werden. Gibt es bislang noch keine Erfahrungen mit der Methode, so müssen in einem ersten Schritt die hinter der Methode steckende Haltung einer offenen Zukunftsorientierung mit den zu beteiligenden Akteuren diskutiert und entwickelt werden sowie Maßnahmen ergriffen werden, um mögliche Ängste und Vorbehalte zu entkräften.
Weitere Hinweise für die Entwicklung eines geeigneten Designs liefert die deutliche Herausarbeitung der Zielstellung der Szenarioanalyse. Dabei werden auch kommunikative Aspekte wie z.B. die Entwicklung einer „gemeinsamen Sprache“ oder beabsichtigte Netzwerkeffekte berücksichtigt, die ganz entscheidend die Gestaltung der Szenarioanalyse beeinflussen. Sollen Szenarien für die Entwicklung von Strategien genutzt werden, ist die Analyse weitaus komplexer als die alleinige Entwicklung von Szenarien und erfordert somit besondere Berücksichtigung bei der Prozessgestaltung. Sollen Szenarien mit effektiven strategischen Entscheidungen verknüpft werden, erfordert dies im ersten Schritt die Herausarbeitung eines deutlichen Entschei-
236
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
dungsfokus, um die Szenarioanalyse auf das spezifische Entscheidungsproblem zuzuspitzen (vgl. Wilson, 2000, 24). Da bei der Umsetzung von Szenarien in Strategien sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch in der Praxis von einem Implementierungsproblem auszugehen ist, muss an dieser Stelle ein schrittweiser Prozess entwickelt werden, der die strategische Fragestellung und die unternehmensinterne Perspektive berücksichtigt (vgl. Kapitel 6). Gründe für das Implementierungsproblem können kulturelle und psychologische Barrieren sein. Planungsprozesse in Unternehmen sind teilweise durch eindimensionale Trendfortschreibungen gekennzeichnet, so dass es dem Management schwerfällt, auf der Basis von drei oder mehr unterschiedlichen Szenarien Entscheidungen zu treffen. „Tell me what the future will be; then I can make my decision” (Wilson, 2000, 24). Bestehen Vorbehalte seitens des Managements, muss diesen Barrieren zunächst begegnet werden, um für die Szenarioanalyse in den Unternehmen die Unterstützung der Führungsebene sicherzustellen.
Über eine detaillierte Analyse der Anforderungen an den Prozess, z.B. im Hinblick auf die Verwendung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Szenarien oder einzelne Projektionen, können Detailabläufe der Analyse ermittelt werden. Informationen zur Vorgehensweise beim Szenariotransfer erlauben es bereits bei der Entwicklung eines geeigneten Designs, Maßnahmen des Szenariotransfers zu planen und von Beginn an in den Prozess zu integrieren.
Das entwickelte und in der nachfolgenden Tabelle 7.1 bis 7.3 dargestellte Kriterienraster kann um weitere Ausprägungen der in der linken Spalte aufgeführten Parameter ergänzt werden. Für eine Eingrenzung des Kontextes ist es nicht nötig, für alle Parameter Informationen zu ermitteln. Dennoch lohnt sich das Zusammentragen so vieler Kontextinformationen wie möglich, um ein geeignetes Szenariodesign abzuleiten. Da in Szenarioanalysen, die meist äußerst komplex sind, unterschiedliche Personen oder Organisationen einbezogen werden, kann die Matrix auch als Kommunikationsmittel - im Sinne einer Roadmap - genutzt werden, die das Management der Szenarioanalyse wesentlich erleichtert. Nach der eingehenden Analyse des Kontextes wird es möglich, die Entscheidung für ein intuitives oder stärker modellgestütztes Vorgehen zu treffen. Mit der Festlegung, ob die Szenarien intuitiv oder modellgestützt entwickelt werden sollen, wird der Rahmen für das zu entwickelnde Design festgelegt. Während das modellgestützte Verfahren meist einen Konsistenzcheck
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
237
mit Hilfe von spezifischer Software beinhaltet, basiert das intuitive Verfahren sehr stark auf einer Moderation, was neben der Methodenkenntnis auch Erfahrungen in der Moderation von Szenarioworkshops erfordert. Spezifische Kontextsituationen können dabei auch einen Mix einzelner Elemente dieser beiden grundsätzlichen Vorgehensweisen bedingen. An dieser Stelle muss auch entschieden werden, ob es sich um ein Szenarioprojekt, eine Studie oder um einen Szenarioworkshop handeln soll. Ein Szenarioprojekt ist dabei ein Prozess, der in der Regel mehr Zeit als 2 oder 3 Tage beansprucht. In Szenarioprojekten erfolgt oftmals eine ausführliche Charakterisierung der Ausgangssituation, es werden bestehende Kompetenzen und Fähigkeiten, strategische Erfolgsfaktoren sowie die aktuellen Geschäftssegmente identifiziert. In mehreren Workshops können die Erfahrungen und Meinungen eines heterogenen Teams inklusive externer Experten zusammengefasst werden. Bei dem Transfer der Szenarien in den Strategieprozess werden Handlungsoptionen, zukünftige Kompetenzen und Marktarenen festgelegt. Somit sind Szenarioworkshops oftmals Teil von Szenarioprojekten. Wird eine Szenarioanalyse im Rahmen einer Studie durchgeführt, werden i.d.R. externe Berater hinzugezogen, die die Szenarioanalyse durchführen und das Unternehmen oder die Organisation „von außen“ betrachten. 7.2
Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik
Unter Bioanalytik werden biochemische und molekularbiologische Untersuchungen von biologisch aktiven Substanzen verstanden; unter dem Begriff in vitro Diagnostik werden Untersuchungen von menschlichen Körperflüssigkeiten oder Gewebeteilen, die außerhalb des Körpers durchgeführt werden, zusammengefasst (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a, 16 ff.).
In die Analyse wurden 17 Unternehmen des Clusters Biotechnologie BerlinBrandenburg, 9 Forschungsinstitute und Universitäten, 4 regionale Netzwerke und ein Venture-Kapitalgeber einbezogen. Der gemeinsame Nenner der beteiligten Unternehmen ist in der gleichen Branche bzw. im Teilbereich einer Branche zu sehen, wodurch ein gemeinsames Wissen über grundsätzliche, zukünftige Entwicklungen generiert werden kann. Gleichzeitig richtete sich die Analyse an die Wissenschaft, Politik und Netzwerke. Vorteil dieser Multi-Client-Analysen sind, neben der Nutzung gemeinsamer Ressourcen, mögliche Netzwerkeffekte.
238
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Im Folgenden soll die Kontextsituation im Fallbeispiel der Bioanalytik und In vitro Diagnostik näher erläutert werden. Ausprägungen
Ausgangssituation
Aktivitäten
Produkt
Dienstleistung
Hochtechnologie
Lowtechnologie
Methode wird für mehrere miteinander vernetzte Unternehmen einer Branche durchgeführt (Unternehmensverbund) i.S. eines Open Foresight Projektes
Open Foresight Projekt mit Unternehmen unterschiedlicher Branchen
Keine/ wenig Informationen verfügbar
Unternehmen/ Unternehmensverbund
Unternehmen
Methode wird innerhalb eines Unternehmens für eine SGE durchgeführt
Problemstellung
Entscheidungspr oblem
Orientierungsproblem
Inhalt und Informationsquellen
Erschlossenes Themenfeld
Diffuses Themenfeld
Informationen zur Bestandsaufnahme sind verfügbar
Einbezug vorhandener Szenarien
Berücksichtigung vorhandener Szenarien (z.B. Technologie- oder Globalszenarien)
Keine Berücksichtigung weiterer Szenarien
Vorhandene Szenarien als Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung
Zukunftsorientierung als Teil der Unternehmensphilosophie
Verankerung der Zukunftsorientie rung in der Corporate Identity
Einsatz von Methoden der Zukunftsforschung
Trendmonitoring
Kaum Zukunftsorientierung
Erfahrungen mit Szenarioanalysen
Regelmäßiger Methodeneinsatz
Methodeneinsatz mit Unterstützung eines externen Partners
Externe Beauftragung von Szenarioanalysen
Keine Erfahrung mit Szenarioanalysen
Erfahrungen nur innerhalb eines begrenzten Akteurskreises
Früherkennungssystem/strategische Vorausschau
Verknüpfung der Szenarioanalyse mit der Früherkennung/strategischen Vorausschau
Keine Verknüpfung der Szenarioanalyse mit der Früherkennung /strategischen Vorausschau
Keine systematische Früherkennung/ strategische Vorausschau im Unternehmen vorhanden
Unterstützung seitens des Top- Managements
Szenarioanalyse ist vom Management gewollt (TopDown)
Strategische Planungsabteilung ist der Treiber für den Szenarioprozess
TopManagement muss überzeugt werden
Bereitschaft der Mitarbeiter an einer Mitwirkung
Bereitschaft zur Workshopteilnahme
Bereitschaft zu Interviews
Bereitschaft zum Beantworten eines Fragebogens
Bereitschaft zur kritischen Durchsicht von Vorabmaterial
Keine Bereitschaft zur Mitarbeit
Zeitressourcen für Workshops
Bis zu einem Tag
1- 2 Tage
3 Tage
Tabelle 7.1 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik (graue Felder) (Teil 1)
Ausgangssituation
Zielstellung
Szenarioprozess
Robustheitscheck für Businesspläne
Entwicklung von Implikationen für konkrete Investitionsentscheidungen
Finanzielle Ressourcen
Ziel der Analyse
Zusammenführung unterschiedlicher Hierarchieebenen / Bereiche
Deskriptive Szenarien
Konsens, Entwicklung einer „gemeinsamen Sprache“
Inkrementelle Innovationen
Situationsszenarien
Einstufig
Begrenzt
Zielgerichtetheit der Szenarien
Kommunikation/ Koordination
Neuheitsgrad der Ergebnisse
Beschaffenheit der Szenarien
Anzahl der Zukunftshorizonte
Anzahl der Zukunftsprojekte pro Schlüsselfaktor Offen
Mehrstufig
Prozessszenarien
Radikale Innovationen
Präskriptive Szenarien
Entscheider/ Management
Adressat/ Zielgruppe
Öffentlichkeit/ Dialog mit Kunden
Budget erlaubt eigene Software
Budget erlaubt Beteiligung eines spezialisierten Beratungsunternehmens
Budget für Studien, Reports, Literatur
Konstante Anzahl
Einbindung von externen Personen (z.B. Kunden, Lieferanten) Diskontinuierliche Innovationen
FuE Abteilung
Testen von Strategien vor dem Hintergrund der Szenarien
6 Monate bis 12 Monate
bis zu 3 Monate
Ausprägungen 3 Monate bis 6 Monate
Zeitressourcen für die Analyse
Netzwerkbildung
Banken, VCGeber
Netzwerkbildung, Kommunikation
Budget erlaubt keine Beteiligung eines Beratungsunternehmens
Umfassende Strategieentwicklung
Entwicklung von Implikationen für die strategische Ausrichtung (Märkte, neue Anwendungsfelder) Politik
Kein Budget für Softwareunterstützung
Kein Budget für Studien, Reports, Literatur
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen 239
Tabelle 7.2 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik (graue Felder) (Teil 2)
Szenarioprozess
Szenariotransfer
Interviews mit ausgewählten Experten Intern Weniger als 5 Teilnehmer Fokussierte Strategie (ein Szenario)
Anzahl der Szenarien
Form der Einbindung von Expertenmeinungen
Zusammensetzung des Kernteams
Anzahl der Teilnehmer an der Analyse
Anzahl der planungsrelevanten Szenarien Passiver Szenariotransfer
Aufbau eines Trendmonitorings ist geplant
Aktiver Szenariotransfer Ergebnisse aus dem Trendmonitoring fließen in den Szenarioprozess ein
Trendmonitoring
Kein Trendmonitoring
Zukunftsrobuste Strategie (alle Szenarien)
Teilrobuste Strategie (mehrere Szenarien)
Vorgaben der strategischen Planung
10 – 20 Teilnehmer
Gemischt
Delphi Befragung
5-10 Teilnehmer
Extern
Nutzung vorhandener Studien
Variable Anzahl
Konstante Anzahl
Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten von Zukunftsprojektionen
Ausprägungen Keine Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Projektionen
Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Projektionen
Generelle Handlungsempfehlungen
20- 30 Teilnehmer
Mehr als 30 Teilnehmer
240 Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Tabelle 7.3 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik (graue Felder) (Teil 3)
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
241
Ausgangssituation Das Themenfeld „Bioanalytik und In vitro Diagnostik“ ist sehr diffus. Es gibt eine Vielzahl von Technologien und Anwendungsmöglichkeiten; die bioanalytischen Produkte und Dienstleitungen der Unternehmen sind sehr unterschiedlich. Da bereits durch die Arbeit der Netzwerke eine Vielzahl von Informationen zu den Unternehmen, ihren Produkten und Dienstleistungen sowie den Wissenschaftseinrichtungen vorlagen, war davon auszugehen, dass für eine fundierte Informationsrecherche eine Reihe von Daten, Fakten und Einschätzungen zur Verfügung stehen, die als Grundlage für eine Bestandsaufnahme genutzt werden konnten. Gleichzeitig konnten aus dem Projektbudget zusätzliche Studien, die Erwartungen zur Entwicklung von Märkten für Bioanalytik und Diagnostikprodukte aufzeigen, finanziert werden. Für die Entwicklung der Szenarien konnte auf entsprechende Software und Methodenkompetenz am Centrum für Entrepreneurship und Innovation der Universität Potsdam zurückgegriffen werden. Erste Interviews mit Vertretern von Biotechnologieunternehmen machten deutlich, dass Methoden der strategischen Vorausschau und strategischen Planung kaum eingesetzt werden. Aus diesem Grund war davon auszugehen, dass die Methode weitestgehend unbekannt ist (vgl. dazu die Untersuchung in Kapitel 6).
Da in das Gesamtprojekt Netzwerkpartner, Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und Vertreter der Politik einbezogen wurden, war zu erwarten, dass die Bereitschaft zu Interviews im Rahmen der Bestandsaufnahme besteht, gleichzeitig wurde jedoch signalisiert, dass nur maximal ein Tag für eine Beteiligung an Workshops als realistisch und umsetzbar angesehen wird.
Zielstellung der Analyse Die Szenarioanalyse „Bioanalytik und In vitro Diagnostik“ verfolgte folgende Ziele:
Förderung der Interaktion zwischen den Akteuren,
Verbesserung der Lern- und Kooperationsfähigkeit,
Entwicklung einer „gemeinsamen Sprache“,
Ableitung von Handlungsempfehlungen und Strategien für die zu beteiligenden Akteursgruppen Unternehmen, Wissenschaft, Netzwerke und Politik.
242
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Da mit Hilfe der Szenarioanalyse Netzwerkeffekte und eine stärkere Vernetzung der regionalen Akteure beabsichtigt waren, war die Durchführung von Workshops mit bis zu 30 Teilnehmern bereits vor einer eingehenden Kontextbetrachtung, als fester Bestandteil der Analyse, vorgesehen. Die Kernfragestellung, die mit der Szenarioanalyse beantwortet werden sollte lautete: Wie wird sich das Themenfeld der Bioanalytik und In vitro Diagnostik in den nächsten 5 bis 10 Jahren entwickeln? Dabei ist das Gestaltungsfeld, auf das sich die Szenarien beziehen, sowohl inhaltlich auf die Bioanalytik und In vitro Diagnostik als auch geografisch auf Berlin-Brandenburg begrenzt. Die Szenarien sollen unterschiedliche Zukunftsbilder beschreiben.
Szenarioprozess Da für die Szenarioanalyse Softwareeinsatz möglich war, können für jeden Schlüsselfaktor nur maximal vier unterschiedliche Projektionen gebildet werden. Diese Einschränkung ergibt sich durch die Auswahl der Szenariosoftware (vgl. Übersicht zu Software in Herzhoff, 2004, 80 ff.). Auf die Abschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten einzelner Zukunftsprojektionen sollte verzichtet werden. Die Anzahl der Szenarien war zu Beginn der Analyse nicht vorgegeben, sondern sollte Ergebnis der Szenarioanalyse sein. Die Meinung von Experten zu technologischen Trends sollte durch Studien, Interviews und Workshops in die Analyse einfließen. Das Kernteam setzte sich aus zwei Wirtschaftswissenschaftlern und einem Biologen zusammen. Erfahrungen mit Szenarioanalysen und eine gute Methodenkenntnis lagen bereits vor. In die Analyse sollten mindestens 30 weitere Akteure (Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Politik, Netzwerke) eingebunden werden.
Szenariotransfer Zum einen war es Ziel der Analyse, Handlungsempfehlungen für die unterschiedlichen Akteursgruppen abzuleiten, zum anderen sollen die Ergebnisse der Analyse Berücksichtigung finden in der strategischen Planung der Unternehmen. Da nicht explizit für ein ausgewähltes Unternehmen die Szenarioanalyse durchgeführt wurde, kann keine spezifische Unternehmensstrategie im Rahmen der Analyse abgeleitet werden. Dennoch können Unternehmen die Ergebnisse der Analyse in die Überlegungen zur strategischen Planung mit einbeziehen (strategische Vorausschau). An dieser Stelle wird die Notwendigkeit der Verknüpfung von „Open Foresight“-
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
243
Projekten mit den unternehmensspezifischen, internen Vorausschauprozessen (Closed Foresight) deutlich. 7.2.1 Vorgehen und Tools Für die Szenarioanalyse wurde ein Vorgehen gewählt, dass sich am generischen Prozess des modellgestützten Vorgehens nach von Reibnitz orientiert (vgl. von Reibnitz, 1992, und die Ausführungen zu diesem Ansatz in Kapitel 5.1.1). Die Entscheidung für dieses Vorgehen kann mit der hohen Nachvollziehbarkeit der Analyseergebnisse erklärt werden. Die Transparenz der Analyse soll Glaubwürdigkeit und Akzeptanz erhöhen, während eine Entscheidung für die intuitive Entwicklung der Szenarien sich dem Vorwurf der höheren Subjektivität stellen müsste. Da ein Großteil der Analyse im Kernteam durchgeführt werden muss, ist die Darstellung der Ergebnisse der einzelnen Prozessschritte des modellgestützten Vorgehens eine gute Möglichkeit, um Nachvollziehbarkeit und eine hohe Belastbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Ein weiteres Argument für den Einsatz des modellgestützten Vorgehens waren die vorhandene Methodenkompetenz und Erfahrungen mit diesem Ansatz im Kernteam.
Der dargestellte Prozess (vgl. Abbildung 7.1) wurde flexibel ausgestaltet; d.h. die einzelnen Prozessschritte sind nicht immer deutlich voneinander zu trennen, es treten durchaus Überschneidungen auf; auch Sprünge zwischen den Prozessbausteinen sind während der Analyse möglich. Neben dem Kernteam werden in einzelnen Prozessschritten Schlüsselakteure hinzugezogen. Zu den Schlüsselakteuren gehören Vertreter von regionalen Netzwerken, Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die im Rahmen des Lenkungsausschusses das Projekt begleiten. Für die Szenarioanalyse „Bioanalytik und In vitro Diagnostik“, wurden weitere Akteure hinzugezogen, die als Experten und Multiplikatoren fungieren und ebenfalls den Schlüsselakteuren zuzuordnen sind. Die Szenarioanalyse „Bioanalytik und In vitro Diagnostik“ wurde als ein Szenarioprojekt im Umfang von sechs Monaten aufgefasst, das neben einer tiefen Bestandsaufnahme auch Workshoptage enthalten sollte. Eine besondere Herausforderung war es dabei, eine systematische Bestandsaufnahme vorzunehmen, das in der Region vorhandene Know-how zu nutzen, um Doppelrecherchen zu vermeiden, und Unternehmen, Netzwerke, Wissenschaft und Politik in die Analyse zu integrieren.
244
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Bedingt durch die Kontextbedingungen, wurde das Kernteam mit folgenden Anforderungen konfrontiert:
Wie kann es gelingen, Akteure einzubinden?
Wie kann das Thema systematisch und umfassend durchdrungen werden?
Wie können Vorbehalte/überzogene Erwartungen/Ängste abgebaut werden?
Wie kann die interdisziplinäre Zusammenarbeit gelingen? Toolbox „Szenarioanalyse Bioanalytik und IVD“
Analyse des Kontextes Ausgangssituation, Zielstellung, Szenarioprozess und –transfer
Kriterienraster
Entwicklung des Analysedesigns Intuitives Vorgehen
Kernteam
1
1
Modellgestütztes Vorgehen
Akteure
Kernteam
Workshop
Mischformen
2
Schlüsselakteure 2
Systematische Bestandsaufnahme 3
3
Entwicklung von Einflussfaktoren
Entwicklung von Einflussfaktoren 4
5
Entwicklung von Zukunftsprojektionen 6
6
Bildung von Szenarien 7
7
Szenariokommunikation 8
Kernteam Alle weiteren Akteure
Kernteam
4
Identifikation von Schlüsselfaktoren 5
Clusteransatz/Leitfragen Interviews, Klausurtagung Publikationsanalyse
Einflussanalyse mit Softwareunterstützung Interviews, Workshop, Literaturanalyse, Befragungen
Kernteam Kernteam Alle weiteren Akteure
Konsistenzanalyse mit Softwareunterstützung
Kernteam
„Storytelling“, Report, Präsentation, (Fokusgruppe)
Kernteam
8
Ableitung von Handlungsempfehlungen Legende: Kernteam =
Wirtschaftswissenschaftler am Institut für Gründung und Innovation der Universität Potsdam
Schlüsselakteure =
Vertreter aus regionalen Netzwerken, Forschungseinrichtungen und Unternehmen der Bioanalytik
Abbildung 7.1 Vorgehen und Tools Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
245
7.2.2 Implementierung der Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik Das gewählte Vorgehen (vgl. Abbildung 7.1) wurde zusammen mit Partnern im Projektlenkungsausschuss diskutiert und sukzessive verfeinert. Durch die Einbindung von Partnern aus Netzwerken, Unternehmen und Forschung in Form des Lenkungsausschusses war es möglich, im zur Verfügung stehenden Zeitrahmen Experten zu ausgewählten Fragestellungen zu identifizieren und für die Teilnahme an Workshops zu gewinnen. Da anfangs deutliche Skepsis gegenüber der Szenarioanalyse und ihren Tools (z.B. Workshops, Softwareeinsatz) bestand, wurde die Verwendung des Begriffes „Szenarioanalyse“ im Projekt in der Kommunikation außerhalb des Kernteams vermieden und weitestgehend durch die Terminologie „Entwicklung von Zukunftsperspektiven“ ersetzt. Durch die Einbindung von Schlüsselakteuren im Prozessschritt 2 (Entwicklung des Analysedesigns) konnten ein höheres Commitment, Akzeptanz und die Nachhaltigkeit der Ergebnisse sowie eine Vernetzung der einbezogenen Teilnehmer aus den unterschiedlichen Akteursgruppen (Unternehmen, Netzwerke, Wissenschaft und Politik) erreicht werden. Trotzdem erforderte die Entwicklung des Designs ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl, insbesondere deshalb, weil es sich um ein interdisziplinäres Projekte handelte, das sich auch im Interesse der regionalen Politik befand. Abbildung 7.2 stellt den definierten Ablaufprozess dem Zeitplan gegenüber. Der Zeitplan verdeutlicht, dass für die Entwicklung eines geeigneten Analysedesigns mehrere Workshops mit Schlüsselakteuren erforderlich waren. Die Entwicklung des Analysedesigns ist erfolgskritisch; gerade auch dann, wenn Netzwerkeffekte erzielt und unterschiedliche Akteure und Experten in die Analyse eingebunden werden sollen.
246
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Analyse des Kontextes
Zeitrahmen Szenarioanalyse Bioanalytik und in vitro Diagnostik
Ausgangssituation, Zielstellung, Szenarioprozess und –transfer 1
1
Entwicklung des Analysedesigns Modellgestütztes Vorgehen
Intuitives Vorgehen
1. Workshop am 15.Dezemer 2005 mit Schlüsselakteuren und Kernteam 2. Workshop am 5.Januar 2006 mit Schlüsselakteuren und Kernteam 3. Workshop am 13. Januar 2006 mit einem Schlüsselakteur und Kernteam
Mischformen
2
2 Januar bis März 2006 durch Interviews, Literaturrecherche Klausurtagung am 17.März 2006
Systematische Bestandsaufnahme 3
3 Januar bis März 2006 im Kernteam Abschlussdiskussion am 30.03.2006 im Kernteam
Entwicklung von Einflussfaktoren 4
4
Identifikation von Schlüsselfaktoren 5
Mai 2006 5
Entwicklung von Zukunftsprojektionen 6
Mai 2006 6
Bildung von Szenarien 7
Juni 2006 7 Workshop am 17. Juni 2006 mit Schlüsselakteuren und weiteren Multiplikatoren
Szenariokommunikation 8
Ableitung von Handlungsempfehlungen
8 Juli 2006, Veröffentlichung des Berichtes, Versand an beteiligte Akteure, Multiplikatoren Januar 2007, Buchveröffentlichung
Abbildung 7.2 Vorgehen und Zeitplan Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik
7.2.3 Systematische Bestandsaufnahme Da das Themenfeld sehr diffus ist, erfolgte die Bestandsaufnahme systematisch auf der Grundlage des von Porter beschriebenen Clusteransatzes. Dieses theoretische Modell ist dabei nur eine Möglichkeit, um im Rahmen der Bestandsaufnahme eine systematische und fundierte Vorgehensweise sicherzustellen. Da mit der Szenarioanalyse die Bioregion Berlin-Brandenburg betrachtet wurde, war die Anwendung eines theoretischen Konzeptes zur Entwicklung regionaler Cluster nahe liegend. Unter dem Begriff „Cluster“ werden geografisch konzentrierte und miteinander verbundene Unternehmen, spezialisierte Zulieferer, Dienstleistungsanbieter, Unternehmen verwandter Branchen und Institutionen (z.B. Universitäten, FuE-Institute) verstanden, die in einem bestimmten Feld oder innerhalb einer bestimmten Branche miteinander konkurrieren, aber auch kooperieren. Cluster oder auch eine kritische Masse von ungewöhnlich hohem Wettbewerbserfolg in einem bestimmten Bereich sind ein Gebilde nationaler, regionaler, staatlicher oder auch metropolitischer Ökonomien, das
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
247
insbesondere in hoch entwickelten Volkswirtschaften auftritt (vgl. Porter, 2000, 15). Die geografische Konzentration eines Clusters kann eine Region umfassen, wie im Anwendungsfall, eine einzelne Stadt, einen Staat oder benachbarte Länder (vgl. Porter, 2000, 16). Porter entwickelte bereits 1990 ein Modell, das den Effekt auf den Wettbewerb, bedingt durch den Standort, mit Hilfe von fünf aufeinander wirkenden Kräften beschreibt (vgl. Porter, 1990). Dieses Modell wird mit der Metapher „Diamant“ beschrieben (siehe Abbildung 7.3).
Die vier Elemente des „Diamanten“ sind Bedingungen für Input-Faktoren, Nachfragebedingungen, Zuliefer- und unterstützende Branchen sowie Unternehmensstrategie und Wettbewerb. Darüber hinaus wirken die Variablen Staat und Zufall auf die vier Bestimmungsfaktoren, beeinflussen diese und werden von ihnen beeinflusst. Die vier Bestimmungsfaktoren müssen besonders herausgestellt werden, denn sie verdeutlichen die Entwicklungspotenziale von Cluster im Wettbewerb. Anhand des „Diamanten“, der viele unterschiedliche Elemente eines Landes oder einer Region widerspiegelt, kann gemessen werden, wie gut ein Cluster diese Kräfte hervorbringt und an seine Unternehmen weitergibt. Die einzelnen Bestimmungsfaktoren, die das Umfeld beschreiben, hängen voneinander ab, denn die Wirkung des einen Faktors ist oft auf den Zustand anderer Faktoren angewiesen.
248
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Kontext für Unternehmensstrategie und Wettbewerb
Bedingungen für Input- Faktoren
Offener und starker Wettbewerb zwischen den lokalen Unternehmen Ein lokales Umfeld, das Investment und anhaltende Verbesserung fördert
Qualitativ- hochwertiger, spezialisierter Input in die Unternehmen in: Human Resources Risikokapital Physische Infrastruktur Administrative Infrastruktur Informations- Infratruktur Wissenschaftliche und technologische Infrastruktur Natürlich Ressourcen
Zuliefer- und unterstützende Industrie Anwesenheit fähiger lokaler Zulieferer und Firmen in verwandten Bereichen
Weitere Bedingungen (Entrepreneurs, Staat)
Nachfragebedingungen
Sophistizierte und nachfragende lokale Kunden Ungewöhnliche lokale Nachfrage in speziellen Segmenten, die eine nationale und globale Nachfrage auslösen kann Kundenbedürfnisse in speziellen Segmenten, die nationale und globale Bedürfnisse vorwegnehmen
Vorhandensein von Verbindungen statt Isolierung der Akteure
Abbildung 7.3 Der „Diamant“ - Dimensionen lokaler Wettbewerbskräfte (Porter, 2000, 20)
Diese Einflussbereiche wurden für die Szenarioanalyse zunächst in Anlehnung an Porter (vgl. Porter, 1990) allgemein definiert und in einem nächsten Schritt in Anlehnung an das Indikatorenmodel von Porter und van der Linde durch Leitfragen operationalisiert. Ziel war es, die Bioanalytik und Diagnostik in der Region Brandenburg und Berlin anhand des Clusteransatzes systematisch zu beschreiben, um basierend auf der Ermittlung von Einflussfaktoren, Szenarien zu entwickeln, die unterschiedliche Zukunftsbilder für die Bioanalytik und In vitro Diagnostik visualisieren (vgl. Abbildung 7.4). Diese Bestandsaufnahme war im Wesentlichen Aufgabe des Kernteams.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
249
Bestimmungsfaktoren eines Clusters (Porter M.E., Wettbewerbsvorteile (Competitive Advantage, Spitzenleistungen erreichen und behaupten))
Bedingungen für Input- Faktoren
Nachfragebedingungen
Zuliefer- und unterstützende Branchen
Kontext für Unternehmensstrategie und Wettbewerb
Einfluss des Staates
Bestimmungsfaktoren eines Clusters = Einflussbereiche für die Szenarioanalysen
Operationalisierung der Bestimmungsfaktoren/Einflussbereiche (Cluster Template, Harvard Business School) Entwicklung von Leitfragen für jeden Einflussbereich Nachfragebedingungen
Zuliefer- und unterstützende Branchen
Leitfragen:
Leitfragen:
Leitfragen:
Leitfragen:
Leitfragen:
• Welche Angebote gibt es, um den Fachkräftebedarf abzudecken?
• Wie kann die Nachfrage nach Bioanalytikprodukten in der Region eingeschätzt werden?
• Gibt es Anbieter von Dienstleistungen für die Unternehmen in der Bioanalytik?
• Wie kann die Wettbewerbssituation charakterisiert werden?
• Fördern oder hemmen die gesetzlichen Rahmenbedingungen die Innovationsfähigkeit der Unternehmen?
• Wie kann die staatliche Nachfrage nach Produkten aus dem Bereich Bioanalytik eingeschätzt werden?
• Gibt es Gerätezulieferer in der Region?
• Welchen Einfluss hat der Wettbewerb, um Innovationen voranzutreiben?
• Welche wissenschaftlichen Einrichtungen existieren, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen?
• Welchen Umfang und welche Qualität hat die Nachfrage in der Region bzw. bundesweit?
• Sind die Zulieferer national und international wettbewerbsfähig?
•…
•…
•…
• Gibt es staatliche Regelungen, die Unternehmenszusammenschlüsse verhindern?
Bedingungen für Input- Faktoren
• Welche Aktivitäten existieren, um den Wissenstransfer sicherzustellen?
Kontext für Unternehmensstrategie und Wettbewerb
Einfluss des Staates
• Gibt es Faktoren, die sich vorteilhalt oder nachteilig auf Investitionsentscheidungen auswirken? •…
•…
Abbildung 7.4 Systematische Bestandsaufnahme in der Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik (vgl. Darstellung der Leitfragen in: Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a, 9 ff. und die Übersicht im Anhang)
7.2.4 Entwicklung von Einflussfaktoren Basierend auf der Bestandsaufnahme konnten für jeden Einflussbereich systematisch 48 Faktoren (vgl. Abbildung 7.5) abgeleitet werden. Die Bestandsaufnahme und die daraus resultierende Ableitung von Einflussfaktoren tragen dazu bei, ein tiefes Verständnis über das jeweilige Untersuchungsfeld zu entwickeln. Während dieses Schrittes der Szenarioanalyse wird deutlich, wo Stärken und Schwächen, mögliche Chancen, aber auch Risiken für die betrachteten Akteure liegen könnten. Somit werden bereits während der Bestandsaufnahmen Ansatzpunkte für strategische Entscheidungen offenkundig. Die Einbindung von Entscheidern in diese Phase der Szenarioanalyse ist in der Praxis oftmals kaum möglich. Mögliche Instrumente, um eine Einbindung von Entscheidern zumindest in einem gewissen Rahmen sicherzustellen, ist die Initiierung von Workshops im Managementteam oder Tagungen. Dabei muss es jedoch gelingen, einen deutlichen Mehrwert für Entscheider aufzuzeigen, um eine Teilnahme sicherzustellen.
250
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Verfügbarkeit von ausgebildetem Fachpersonal Verfügbarkeit von Spezialisten Intensität des Wissenstransfers Qualität der wissenschaftlichen Infrastruktur Qualität der klinischen Infrastruktur Verfügbarkeit von privatem Kapital Staatliche Förderprogramme für die Validierung von Produkten Staatliche Förderprogramme für Forschungsprojekte Informationsaustausch durch Netzwerke, wie BiohyTec, BioTOP etc. Verfügbarkeit von Managementqualifikationen Attraktivität der Region für Fachkräfte und Führungspersonal Vernetzung diagnostischer Daten Grad der Konsolidierung von Technologieplattformen Leistungsfähigkeit/Aussagefähigkeit der Analytik Grad der Automatisierung Umfang der regionalen Nachfrage Umfang der nationalen Nachfrage Umfang der weltweiten Nachfrage Sophistische Nachfrage in der Region Zeitpunkt der lokalen Nachfrage Öffentlich initiierte Informationen zu neuen Produkten u. DL Kampagnen zu Vorsorgeuntersuchungen Entwicklung der Therapiekosten Entwicklung neuer Point- of- Care Anwendungen Robustheit der Technologien Nachfrage nach nichtinvasiven Untersuchungen Bundesweite, gesetzliche Regelung im Hinblick auf Patienteninformationen Akzeptanz personalisierte Therapieformen Verschiebung sozialer Schichten Wertewandel Veränderung der Altersstruktur Lobbying in der Diagnostik Bedeutung der regionalen Zulieferer Umfang und Qualität der Zulieferer in der Region Zulieferer als Innovationsträger Regionale Wirtschaftsförderung Staatliche Unterstützung von wissenschaftlichen Einrichtungen Erstattungsfähigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Zulassungsverfahren Wettbewerb und Preisfindung Kampagnen zu Vorsorgeuntersuchungen, neuen Produkten und Dienstleistungen Staatliche Regularien zum Datenschutz Intensität des Wettbewerbs in der Region Direktinvestition durch Wettbewerber Kooperationen der Unternehmen des Themenfeldes in der Region FuE Kooperationen in der Region Umfang der Lead- Unternehmen in der Region Markteintrittsbarrieren
Abbildung 7.5 Einflussfaktoren Bioanalytik und In vitro Diagnostik (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a, 92 f.)
Im Ergebnis der umfassenden Bestandsaufnahme wurde eine Stärken-Schwächen/Chancen-Risiken-Analyse erstellt, die die wesentlichen Ergebnisse aus der Be-
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
251
standsaufnahme zusammenfasst. Die SWOT-Analyse hat sich als ein einfaches Instrument bewährt, um einen Diskurs mit einzubeziehende Akteuren und Entscheidern anzuregen. Gleichzeitig kann mit Hilfe von SWOT-Analysen ein gewisser Konsens herbeigeführt werden, der die weitere Szenarioanalyse erleichtert. Des Weiteren ist die SWOT-Analyse ein geeignetes Instrument, um die teilweise überaus komplexen Inhalte der Bestandsaufnahme auf wesentliche Aussagen zu reduzieren und im Sinne einer management summary in einer einfach kommunizierbaren Form zur Verfügung zu stellen. 7.2.5 Identifikation von Schlüsselfaktoren Für die weitere Szenarioanalyse musste es nach der Bestandsaufnahme gelingen, so genannte Schlüsselfaktoren herauszuarbeiten, die Eingang in die weitere Analyse finden sollten.
Die Identifikation der Schlüsselfaktoren, und somit eine Reduktion der Vielzahl von Faktoren erfolgt im Rahmen einer Einflussanalyse. Dabei wird untersucht, welche Faktoren andere Faktoren im Gesamtsystem besonders stark beeinflussen und welche Faktoren sich eher passiv verhalten und eine geringe Wirkung auf das Gesamtsystem ausüben. Ziel der Einflussanalyse ist es, die treibenden Faktoren (Schlüsselfaktoren) zu identifizieren und die hohe Anzahl der Einflussfaktoren zu reduzieren. Im Rahmen der Einflussanalyse wurde es mit Softwareunterstützung möglich, die Wirkung der Einflussfaktoren im Gesamtsystem zu visualisieren und die Wirkung der Faktoren zu diskutieren, was wiederum zur weiteren Entwicklung eines Verständnisses zu treibenden Kräften führte. Die Einflussanalyse wurde im Kernteam durchgeführt; somit sind auch die ausgewählten Faktoren das Ergebnis eines Diskussionsprozesses im Kernteam. Bei der Auswahl der Schlüsselfaktoren wurde auch berücksichtigt, dass alle Bereiche des Porter‘schen Diamanten mit mindestens einem Faktor repräsentiert werden. Somit ergibt sich die in Abbildung 7.6 dargestellte Auswahl an Faktoren, die als Schlüsselfaktoren Eingang in die weitere Szenarioanalyse finden.
252
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Wettbewerb
Staat
Wettbewerb und Preisfindung (40) Intensität des Wettbewerbs in der Region (43)
InputFaktoren
Umfang der Lead Unternehmen in der Region (47)
Leistungsfähigkeit/Aussagefähigkeit der Analytik (14)
Umfang der regionalen Nachfrage (16) Entwicklung neuer Point- of- Care Anwendungen (24)
Qualität der klinischen Infrastruktur (5) Qualität der wissenschaftlichen Infrastruktur (4)
Nachfragebedingungen
Zulieferbedingungen
Akzeptanz personalisierter Therapieformen (28)
Verfügbarkeit von privatem Kapital (6) Staatliche Förderprogramme für Forschungsprojekte (8)
Umfang und Qualität der Zulieferer in der Region (34)
Abbildung 7.6 Einflussbereiche und Schlüsselfaktoren 7.2.6 Entwicklung von Zukunftsprojektionen Im Rahmen einer Klausurtagung zu ausgewählten Fragestellungen der Bioanalytik und In vitro Diagnostik, wurden durch Experten Zukunftsperspektiven aufgezeigt, die sowohl Trendprojektionen als auch einigen „Out-of-the-box“-Entwicklungen entsprachen. Somit leistete die Tagung den wesentlichen Beitrag für die Ableitung von Zukunftsprojektionen für die ausgewählten Schlüsselfaktoren. Mit der Tagung gelang es, unterschiedliche Akteursgruppen wie Vorstände und Geschäftsführer von Biotechnologieunternehmen, Leiter von Forschungseinrichtungen, Vertreter von Ministerien oder Netzwerken zusammenzuführen, was von den beteiligten Akteuren als überaus fruchtbar angesehen wurde, da das bis zu diesem Zeitpunkt noch nie erfolgt war. Somit konnten im Rahmen der Veranstaltung auch Netzwerkeffekte erzielt und ein gemeinsames Verständnis zur Bioanalytik und In vitro Diagnostik entwickelt werden. 7.2.7 Bildung von Szenarien In Konsistenzanalysen werden die verschiedenen alternativen Entwicklungen der Schlüsselfaktoren auf Verträglichkeit und Logik überprüft. Computergestützt wird eine Konsistenzmatrix ermittelt, also Annahmenbündel, die am besten zusammenpassen gebildet. Die entstandenen konsistenten Annahmenbündel werden zu Roh-
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
253
szenarien zusammengefügt und ausformuliert (vgl. Angermeyer-Naumann, 1985; Meyer-Schönherr, 1992, 60 ff.; von Reibnitz, 1992, 49 ff.; Götze, 1993, 121 ff.; Heinecke, Schwager, 1995, 31 ff.; Geschka, 1999, 528 ff.). Die Bildung von Szenarien erfolgte wiederum im Kernteam. An dieser Stelle war es nicht möglich, im vorgesehenen Zeitrahmen weitere Akteure in die zeitaufwendige Konsistenzanalyse einzubeziehen. 7.2.8 Szenariokommunikation und Ableitung von Handlungsempfehlungen Die Kommunikation der Szenarien erfolgte im Wesentlichen durch folgende Maßnahmen:
Präsentation der Szenarien im Rahmen eines Workshops mit Vertretern der einzelnen Akteursgruppen als Grundlage für die Diskussion und Entwicklung von Handlungsempfehlungen,
Darstellung der Szenarien im „Berichtsstil“ in der Dokumentation zur Szenarioanalyse, die allen beteiligten Akteuren zur Verfügung gestellt wurde.
Die gewählten Formen der Kommunikation der Szenarien haben sich in diesem Kontext durchaus bewährt und wurden von den beteiligten Akteuren und weiteren Adressaten positiv aufgenommen. Dennoch wurde an dieser Stelle deutlich, dass der eigentliche Wert der Szenarioanalyse nicht in den entstandenen Szenarien zu sehen ist, sondern im gesamten Prozess der Szenarioanalyse und in der systematischen Auseinandersetzung mit treibenden Faktoren und unterschiedlichen Zukunftsprojektionen. Handlungsempfehlungen und Maßnahmen, die im Anschluss an die Analyse für alle Akteursgruppen entwickelt wurden, sind somit das Resultat der gesamten Analyse, zahlreicher Gespräche in Interviews und Workshops sowie der kreativen Arbeit im Kernteam.
In den folgenden Ausführungen soll für die durchgeführte Szenarioanalyse eine Bewertung vorgenommen werden. Gegenstand dieser Bewertung sind sowohl die erzielten Ergebnisse der Analyse als auch das methodische Vorgehen.
254
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
7.2.9 Bewertung der Ergebnisse der Szenarioanalyse Die Bewertung der Szenarioanalyse ist das Ergebnis einer fortlaufenden Diskussion im Kernteam, greift Anregungen aus Interviews und Gesprächen mit beteiligten Akteuren während und nach der Szenarioanalyse auf, berücksichtigt das Feedback zum methodischen Vorgehen im Projektlenkungsausschuss, das Feedback des Projektträgers8 sowie des externen Evaluators, der Prognos AG (vgl. Prognos, 2006, 52-58). Der Ablauf der Szenarioanalyse sowie Sitzungen im Lenkungsausschuss sind dokumentiert in Verlaufs- und Beobachtungsprotokollen. Des Weiteren wurden Aufzeichnungen zur Klausurtagung „Zukunftsperspektiven der Bioanalytik und In vitro Diagnostik“ vom 17.03.2006 (vgl. BIEM-CEIP, 2006b), die Ergebnispräsentation und Diskussion zur Szenarioanalyse vom 20.06.2006 (vgl. BIEM-CEIP, 2006a) sowie der abschließende Bericht zur Szenarioanalyse (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a) ausgewertet.
Die Szenarioanalyse „Bioanalytik und In vitro Diagnostik“ konnte genutzt werden, um Handlungsempfehlungen an die beteiligten Akteursgruppen (regionale Netzwerke, Politik, Wissenschaft und Unternehmen) zu adressieren (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a, 118 ff.). Die Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Szenarioanalyse wird in erster Linie durch die bestehenden regionalen Netzwerke koordiniert. Dazu gehören Maßnahmen, die eine Veränderung in der Netzwerkarbeit bewirkten aber auch konkrete Projekte, die in der Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, koordiniert durch die Netzwerke, initiiert und gemeinsam umgesetzt werden.
Mit der Szenarioanalyse ist es gelungen, Schwachpunkte in der Region zu verdeutlichen und aufzuzeigen, wie mit diesen Schwächen umgegangen werden muss, um eine positive Entwicklung – im Sinne des entwickelten „Best case Szenarios“ herbeizuführen. Die regionalen Akteure haben auf die herausgearbeiteten Schwächen reagiert und diese z.B. im Rahmen der Entwicklung eines neuen Netzwerkes berücksichtigt (vgl. Peine, 2007, 5). Des Weiteren sind die Ergebnisse der Szenarioanalyse Grundlage für die Entwicklung einer Road Map „Diagnostik in Berlin-Brandenburg“,
8
Projektträger ist die Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA) Brandenburg GmbH, www.lasabrandenburg.de.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
255
die wiederum konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen aus der Szenarioanalyse aufgreift (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007a, 118 ff.).
Mit der Szenarioanalyse ist es gelungen - insbesondere im Rahmen der durchgeführten Tagung und Workshops - Akteure aus den Netzwerken, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringen, was in dieser Form in der Region bis dato nicht gelungen war. Somit konnte die Analyse eine gemeinsame Plattform schaffen, die Grundlage ist für die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache. Auf der Tagung und im Rahmen der Workshops wurde deutlich, dass Kooperationen zwischen den Akteuren, insbesondere zwischen den Unternehmen und der Wissenschaft angestoßen werden konnten und somit ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der Interaktion geleistet werden konnte (vgl. BIEM-CEIP, 2007).
Die an der Szenarioanalyse beteiligten kleinen und mittleren Unternehmen führen eine strategische Planung und Früherkennung neuer Geschäftsmöglichkeiten durch, die sehr stark durch informelle Netzwerke geprägt sind. Die Sammlung von Informationen erfolgt z.B. in Verbänden, auf Symposien oder Fachtagungen. Die Diffusion der Informationen in das Unternehmen und in die strategische Planung erfolgt unsystematisch (vgl. Praxis der strategischen Vorausschau in Kapitel 6.2). Die Szenarioanalyse ermöglichte kleinen und mittleren Unternehmen Zugang zu einer fundierten Analyse, zu Experten sowie potenziellen Partnern aus Wissenschaft und Politik. Die Nutzung der Informationen für die strategische Planung und Früherkennung bleibt Aufgabe der Unternehmen und resultiert nicht ohne Weiteres aus den Szenarien. Für eine fundierte strategische Vorausschau und Planung muss eine Verknüpfung der Ergebnisse der Szenarioanalyse mit der aktuellen Unternehmenssituation (Stärken und Schwächen) sowie dem Produkt- und Dienstleistungsportfolio sowie den Kompetenzen des Unternehmens erfolgen (vgl. Kapitel 3). Mit der durchgeführten Szenarioanalyse ist es aber gelungen, Aufmerksamkeit gegenüber zukünftigen Entwicklungen zu erlangen, einen Beitrag zur Verbesserung der Zukunftsorientierung der Unternehmen zu leisten sowie die Netzwerkbildung zu befördern. 7.2.10 Evaluation des methodischen Vorgehens Das gewählte methodische Vorgehen hat sich, rückblickend betrachtet, bewährt, da der spezifische Kontext, in dem die Szenarioanalyse für die In vitro Diagnostik
256
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
durchgeführt wurde, berücksichtigt wurde. Als Erfolgsfaktoren für Szenarioanalysen haben sich das Analysedesign, Commitment und Akzeptanz, die Bestandsaufnahme und die Szenariokommunikation herausgestellt. In Tabelle 7.4 sind die jeweiligen Erfolgsfaktoren und deren Ausprägungen sowie Vorschläge für die Umsetzung zusammengefasst.
Problematisch bei Szenarioanalysen ist grundsätzlich der enorme Zeitaufwand, der mit einer fundierten Analyse verbunden ist, insbesondere im Rahmen der Bestandsaufnahme (Prozessschritt 3). Wollen Unternehmen jedoch eine fundierte strategische Planung betreiben, müssen in jedem Fall Ist-Analysen vorgenommen werden, auch wenn auf die Erstellung von Szenarien verzichtet wird. Bei der Entwicklung des Analysedesigns wurde deutlich, dass es kaum möglich ist, Teilnehmer für Workshops oder Tagungen zu gewinnen, die über einen Tag hinausgehen. Im beschriebenen Fall sollten 30 Teilnehmer aus Unternehmen, Wissenschaft und Politik zusammengeführt werden, was kaum möglich ist, wenn ein Zeitrahmen von mehr als einem Tag definiert wird.
Als ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor konnten Commitment und die damit im Zusammenhang stehende Akzeptanz von Szenarioanalysen ermittelt werden. Nur wenn es gelingt, das Commitment der Entscheider für die Szenarioanalyse herbeizuführen, werden diese später auch die Analyse bei strategischen Entscheidungen berücksichtigen und nicht zuletzt nötige Ressourcen für die Durchführung einer Szenarioanalyse bereitstellen. Gleiches gilt für die Einbindung von wichtigen Schlüsselakteuren oder Experten. Im Fall der beschriebenen Szenarioanalyse war die frühe Einbindung und Überzeugung eines Schlüsselakteurs, der als Promotor fungiert und den Zugang zu wesentlichen Experten ermöglichte, überaus sensitiv und erfolgskritisch. Im Rahmen der Analyse war es eine besondere Herausforderung, Akteure aus unterschiedlichen Disziplinen, nämlich den Natur- und Wirtschaftswissenschaften, zusammenzuführen. Vertreter beider Disziplinen zeichnen sich nicht nur durch unterschiedliche Interessens- und Wissensgebiete aus, sondern auch durch verschiedene Haltungen gegenüber Methoden der strategischen Vorausschau und Planung. Während Methoden wie z.B. unterschiedliche Brainstormingformen, SWOT-Analysen oder Punktbewertungsverfahren von durch einen wirtschaftswissenschaftlich geprägten Akteur ganz selbstverständlich angewandt werden, stehen Naturwissenschaftler diesen Methoden eher skeptisch gegenüber. Eine Ursache dafür kann z.B.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
257
in dem hinter vielen Methoden stehenden Ansatz der Komplexitätsreduktion liegen, der einer naturwissenschaftlichen Arbeitsweise widerspricht.
Um Commitment und Akzeptanz zu erzeugen, muss zunächst möglichen Ängsten und Vorbehalten der Methode gegenüber begegnet werden. Nach der erfolgreichen Durchführung der Szenarioanalyse konnte eine deutliche Erhöhung der Akzeptanz der Methode und des gewählten Vorgehens beobachtet werden. Die Darstellung von bereits durchgeführten Szenarioanalysen und erzielter Ergebnisse ist ein einfacher und wirksamer Weg, um Verständnis und Akzeptanz gegenüber der Methode zu erhöhen. Soll die Szenarioanalyse z.B. in Unternehmen als eine Methode der strategischen Planung implementiert werden, ist es wichtig, schnell vorzeigbare Erfolge zu erzielen.
Auch das Vorgehen im Rahmen der Bestandsaufnahme ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Letztlich können nur durch eine tiefe und systematische Aufarbeitung des Untersuchungsgegenstandes und seiner Umfelder wesentliche Einflussfaktoren fundiert abgeleitet werden. Dazu sind neben der Literaturanalyse Interviews, Befragungen oder Workshops notwendig, was wiederum einen erheblichen Zeitaufwand bedeutet. Bewährt hat sich die Bestandsaufnahme anhand von Leitfragen, die basierend auf dem theoretischen Konzept des Clusteransatzes abgeleitet wurden (vgl. Leitfragen im Anhang). Weitere Möglichkeiten sind eine Systematisierung anhand der Wettbewerbskräfte nach Porter (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, Nolting, 2007) oder eine Systematisierung in Anlehnung an die Innovationscheckliste (IC) nach TRIZ (vgl. z.B. Altshuller, 1984 und Anhang A.4). Diese basiert auf der Überlegung, dass ein gut beschriebenes bzw. definiertes Problem bereits den Weg zu dessen Lösung aufzeigt. Die TRIZ-Methodik stützt sich aus diesem Grunde auf eine exakte Problemdefinition. Voraussetzung hierfür sind die Erfassung des zu verändernden Systems, die Erfassung des gesamten Systemumfeldes und die Dokumentation aller Schritte. Diese systematische Herangehensweise übernimmt die Innovationscheckliste.
Eine einfache SWOT-Analyse, d.h. die Zusammenstellung von Stärken und Schwächen sowie das Ableiten von Chancen und Risiken, bietet eine gute Möglichkeit, um die Ergebnisse der Bestandsaufnahme zusammenzufassen und in einer kommunizierbaren Form aufzubereiten. Erfolgskritisch ist in Szenarioanalysen auch, inwieweit
258
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
es gelingt, Vorgehen, Ergebnisse und Szenarien zu kommunizieren und die Erkenntnisse adressentatengrecht zu übermitteln. Ähnlich wie bei der Erstellung des Analysedesigns sind allgemeingültige Empfehlungen nur wenig zielführend. Nur durch eine individuelle Anpassung an die jeweiligen Adressaten und die Aufbereitung der Informationen kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse die Adressaten auch erreichen.
Erfolgsfaktoren und Ausprägungen
Ideen für die Umsetzung
Erfolgsfaktor Analysedesign Anpassung des Vorgehens an den jeweiligen Kontext ist erforderlich, um ein geeignetes Analysedesign zu entwickeln Erfolgsfaktor Commitment und Akzeptanz Abbau von Vorbehalten, überzogenen Erwartungen und Ängsten bei den beteiligten Akteuren im Vorfeld der Analyse durch eine deutliche Aufklärung über Ziele, Möglichkeiten und Grenzen der Szenarioanalyse
Tool: Einsatz eines Kriterienrasters zur systematischen Kontextbeschreibung (vgl. dazu Tabelle 7.1 bis 7.3) Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle/Person, die über den Projektstand informiert und über die Zielstellung des Projektes aufklärt Etablierung einer Szenarioinitiative (z.B. mit Logo, eigenem Slogan), die nach Abschluss der Analyse weitergeführt werden kann
Aufbau von Vertrauen durch schnelle „Vorzeigeprojekte“
Moderationsfähigkeiten
Vorstellung erfolgreicher Szenarioanalysen sind besser als umfangreiche methodische „Aufklärungsarbeit“
Einbindung von Experten ist erfolgskritisch Wert der Szenarioanalyse liegt im Prozess und nicht ausschließlich in den im Ergebnis entwickelten Szenarien
Formelle und informelle Netzwerke nutzen Einbindung von Entscheidern in die Analyse anstatt nur Präsentation von Ergebnissen
Erfolgsfaktor Bestandsaufnahme Problemanalyse und systematische Bestandsaufnahme ermöglichen eine umfassende Themendurchdringung – auch für „Branchenfremde“
Toolbox: Innovationscheckliste (IC) nach TRIZ (siehe Anhang, A.4)
Clusteransatz (Diamant) nach Porter, Entwicklung von Leitfragen (siehe Anhang, A.3)
Modell der Wettbewerbskräfte nach
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Erfolgsfaktoren und Ausprägungen
259
Ideen für die Umsetzung Porter, Entwicklung von Leitfragen (Reger, Mietzner, Nolting, 2008, Anhang)
Erfolgsfaktor Szenariokommunikation Anpassung der Kommunikation von Vorgehen, Inhalten und Szenarien an jeweilige Adressaten und Rahmenbedingungen
New Market Intelligence Tool (vgl. Kapitel 8)
SWOT-Analyse
Berichte und Ergebnispräsentationen Filme, Podcast Bilder, Plakate Zeitung „von morgen“ für die Kommunikation der Szenarien Rollenspiele Future Labs
Tabelle 7.4 Erfolgsfaktoren und Ausprägungen für die Umsetzung von Szenarioanalysen
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Kontext, in dem eine Szenarioanalyse erstellt wird, bei der Konzeption und Durchführung der Analyse berücksichtigt werden muss. Ein situationspezifisches bzw. „maßgeschneidertes“ Verständnis von Szenarioanalyse ist daher einem „one-size-fits-all“-Ansatz vorzuziehen. 7.3 Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
Mit dem Begriff Weiße Biotechnologie werden die Verfahren bezeichnet, die biologische Systeme zur industriellen Produktion verwenden. In einer allgemeinen Definition der Weißen Biotechnologie hat die EuropaBio die wesentlichen Aspekte wie folgt zusammengefasst: „White Biotechnology uses living as well as enzymes to produces goods and services“ (vgl. EuropaBio, 2006). Hinter dem Begriff „Weiße Biotechnologie“ verbirgt sich ein „industrielles Schwergewicht“, das die Herstellung verschiedener Produkte, wie z.B. Feinchemikalien, Enzyme, Lebens- und Futtermitteladditve, Pharmawirkstoffe, Agrochemikalien und Hilfsstoffe für die verarbeitende Industrie umfasst (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007b, 21). Die Szenarioanalyse „Weiße Biotechnologie“ wurde auf die Bereiche der enzymatischen Katalyse und den Bereich der nachwachsenden Rohstoffe begrenzt. Mit den Methoden der Weißen Biotechnologie können sowohl Enzyme als auch Mikroorganismen gezielt selektiert und optimiert werden, wodurch sich ein wesentlich größerer industrieller Anwendungsbe-
260
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
reich für biotechnologische Produktionsverfahren ergibt. Für den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen bei der industriellen Produktion kommt es auf die geeignete Verfahrenstechnik und den Aufbau einer integrierten Produktionskette an. Unterschieden wird generell zwischen der energetischen (z.B. Verbrennung) und der stofflichen Verwertung von Biomasse (z.B. Baumaterial) (vgl. Reger, Mietzner, von Gizycki, 2007b, 22).
In die Analyse wurden 12 Unternehmen, 9 Forschungsinstitute und Hochschulen, 7 Netzwerkpartner und Politikvertreter sowie ein Venture-Kapitalgeber und ein auf Finanzierung spezialisiertes Beratungsunternehmen mit einbezogen. Der gemeinsame Nenner der beteiligten Unternehmen ist in der Möglichkeit der Anwendung biotechnologischer Verfahren in der industriellen Produktion zu sehen, wobei der überwiegende Teil der Unternehmen bislang noch keine Verfahren der Weißen Biotechnologie nutzen. Im Gegensatz zur Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik waren die Aktivitäten zur Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg noch wenig entwickelt im Untersuchungszeitraum.
Im Folgenden soll die Kontextsituation (vgl. Kapitel 7.1) im Fallbeispiel der Weißen Biotechnologie näher erläutert werden.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
261
Ausprägungen
Ausgangssituation
Aktivitäten
Produkt
Dienstleistung
Hochtechnologie
Lowtechnologie
Methode wird für mehrere miteinander vernetzte Unternehmen einer Branche durchgeführt (Unternehmensve rbund) i.S. eines Open Foresight Projektes
Open Foresight Projekt mit Unternehmen unterschiedlicher Branchen
Keine/ wenig Informationen verfügbar
Unternehmen/ Unternehmensverbund
Unternehmen
Methode wird innerhalb eines Unternehmens für eine SGE durchgeführt
Problemstellung
Entscheidungsproblem
Orientierungsproblem
Inhalt und Informationsquellen
Erschlossenes Themenfeld
Diffuses Themenfeld
Informationen zur Bestandsaufnahme sind verfügbar
Einbezug vorhandener Szenarien
Berücksichtigung vorhandener Szenarien (z.B. Technologie- oder Globalszenarien)
Keine Berücksichtigung weiterer Szenarien
vorhandene Szenarien als Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung
Zukunftsorientierung als Teil der Unternehmensphilosophie
Verankerung der Zukunftsorientierung in der Corporate Identity
Einsatz von Methoden der Zukunftsforschung
Trendmonitoring
Kaum Zukunftsorientierung
Erfahrungen mit Szenarioanalysen
Regelmäßiger Methodeneinsatz
Methodeneinsatz mit Unterstützung eines externen Partners
Externe Beauftragung von Szenarioanalysen
Keine Erfahrung mit Szenarioanalysen
Erfahrungen nur innerhalb eines begrenzten Akteurskreises
Früherkennungssystem/ strategische Vorausschau
Verknüpfung der Szenarioanalyse mit der Früherkennung/ strategischen Vorausschau
Keine Verknüpfung der Szenarioanalyse mit der Früherkennung/ strategischen Vorausschau
Keine systematische Früherkennung/ strategische Vorausschau im Unternehmen vorhanden
Unterstützung seitens des Top- Managements
Szenarioanalyse ist vom Management gewollt (TopDown)
Strategische Planungsabteilu ng ist der Treiber für den Szenarioprozess
TopManagement muss überzeugt werden
Bereitschaft der Mitarbeiter an einer Mitwirkung
Bereitschaft zur Workshopteilnahme
Bereitschaft zu Interviews
Bereitschaft zum Beantworten eines Fragebogens
Bereitschaft zur kritischen Durchsicht von Vorabmaterial
Keine Bereitschaft zur Mitarbeit
Zeitressourcen für Workshops
Bis zu einem Tag
1- 2 Tage
3 Tage
Bis zu 3 Monate
3 Monate bis 6 Monate
6 Monate bis 12 Monate
Zeitressourcen für die Analyse
Tabelle 7.5 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie (graue Felder) (Teil 1)
Ausgangssituation
Zielstellung
Szenarioprozess
Entwicklung von Implikationen für konkrete Investitionsentscheidungen Entscheider/ Management Deskriptive Szenarien Konsens, Entwicklung einer „gemeinsamen Sprache“
Ziel der Analyse
Adressat/ Zielgruppe
Zielgerichtetheit der Szenarien
Kommunikation/ Koordination
Anzahl der Zukunftsprojekten pro Schlüsselfaktor Begrenzt
Einstufig
Inkrementelle Innovationen Situationsszenarien
Budget für Studien, Reports, Literatur
Finanzielle Ressourcen
Neuheitsgrad der Ergebnisse Beschaffenheit der Szenarien Anzahl der Zukunftshorizonte
Bis zu 3 Monate
Zeitressourcen für die Analyse
Offen
Mehrstufig
Prozessszenarien
Öffentlichkeit/ Dialog mit Kunden Präskriptive Szenarien Zusammenführung unterschiedlicher Hierarchieebenen / Bereiche Radikale Innovationen
Robustheitscheck für Businesspläne
3 Monate bis 6 Monate Budget erlaubt Beteiligung eines spezialisierten Beratungsunterne hmens
Konstante Anzahl
Einbindung von externen Personen (z.B. Kunden, Lieferanten) Diskontinuierliche Innovationen
FuE Abteilung
Testen von Strategien vor dem Hintergrund der Szenarien
Budget erlaubt eigene Software
6 Monate bis 12 Monate
Ausprägungen
Netzwerkbildung
Banken, VC- Geber
Netzwerkbildung, Kommunikation
Budget erlaubt keine Beteiligung eines Beratungsunterne hmens
Umfassende Strategieentwicklung
Entwicklung von Implikationen für die strategische Ausrichtung (Märkte, neue Anwendungsfelder) Politik
Kein Budget für Softwareunterstützung
Kein Budget für Studien, Reports, Literatur
262 Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Tabelle 7.6 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie (graue Felder) (Teil 2)
Szenarioprozess
Szenariotransfer
Interviews mit ausgewählten Experten Intern Weniger als 5 Teilnehmer
Form der Einbindung von Expertenmeinungen
Zusammensetzung des Kernteams
Anzahl der Teilnehmer an der Analyse
Anzahl der planungsrelevanten Szenarien Zukunftsrobuste Strategie (alle Szenarien)
Teilrobuste Strategie (mehrere Szenarien) Passiver Szenariotransfer
Aufbau eines Trendmonitorings ist geplant
Fokussierte Strategie (ein Szenario) Aktiver Szenariotransfer Ergebnisse aus dem Trendmonitoring fließen in den Szenarioprozess ein
Vorgaben der strategischen Planung
Trendmonitoring
Kein Trendmonitoring
10 - 20 Teilnehmer
Gemischt
Delphi Befragung
5- 10 Teilnehmer
Extern
Nutzung vorhandener Studien
Variable Anzahl
Konstante Anzahl
Anzahl der Szenarien
Ausprägungen Keine Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Projektionen
Bestimmung von Eintrittswahrscheinlich keiten für Projektionen
Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten von Zukunftsprojektionen
Generelle Handlungsempfehlungen
20- 30 Teilnehmer
Mehr als 30 Teilnehmer
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen 263
Tabelle 7.7 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie (graue Felder) (Teil 3)
264
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Ausgangssituation Der Begriff „Weiße Biotechnologie“ beschreibt ein breites Themenfeld, zu dem es zum Zeitpunkt der Untersuchung in der Region noch kein einheitliches Verständnis gab. Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Weißen Biotechnologie identifiziert wurden, fühlten sich teilweise diesem Themenfeld nicht zugehörig, was insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass biotechnologische Verfahren in Bereichen wie der Chemie, dem Maschinenbau oder der Verfahrenstechnik zur Anwendung gelangen können. Entsprechend vielfältig sind mögliche Anwendungen und Produkte auf Basis biotechnologischer, industrieller Verfahren. Mögliche Anwendungen können im Bereich der chemischen Industrie, der Kosmetikindustrie, der Ernährungsindustrie oder im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe liegen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung konnte noch auf keine etablierte Netzwerkstruktur für die Weiße Biotechnologie aufgebaut werden, so dass für die Bestandsaufnahme zur Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg nur wenige Informationen vorhanden waren. Somit handelt es sich bei der Weißen Biotechnologie um eine Themenstellung, die deutlich den Charakter eines Orientierungsproblems aufweist.
Obwohl in dieser Szenarioanalyse auf die Erfahrungen aus der Szenarioanalyse „Bioanalytik und In vitro Diagnostik“ zurückgegriffen werden konnten, war davon auszugehen, dass insbesondere seitens der Unternehmen kaum Erfahrungen mit Szenarioanalysen vorliegen, auch bedingt dadurch, dass für dieses Themenfeld andere Unternehmen angesprochen wurden, als im Fall der Bioanalytik.
Für die Durchführung der Szenarioanalyse konnte ähnlich wie im Fall der Bioanalytik und In vitro Diagnostik auf Methodenkompetenz des Centrums für Entrepreneurship und Innovation sowie die am BIEM-CEIP vorhandene Software zurückgegriffen werden.
Grundsätzlich war davon auszugehen, dass auch für dieses Feld unterschiedliche Akteure der Region für Interviews im Rahmen der Bestandsaufnahme gewonnen werden können. Für die Beteiligung an Workshops wurde erneut nur maximal ein Tag als realistisch eingeschätzt.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
265
Zielstellung der Analyse Die Szenarioanalyse „Weiße Biotechnologie“ verfolgt folgende Ziele:
Darstellung von aktuellen Entwicklungen in der Weißen Biotechnologie
Identifikation von Marktchancen
Verbesserung der Lern- und Kommunikationsfähigkeit
Entwicklung von Handlungsempfehlungen für eine geplante Netzwerkarbeit
Ableitung von Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Wissenschaft und Politik
Die Szenarioanalyse sollte auch genutzt werden, um die sich zu diesem Zeitpunkt etablierenden Netzwerkstrukturen für die Weiße Biotechnologie zu unterstützen. Das Netzwerk „Weiße Biotechnologie“ soll die Entwicklung der Weißen Biotechnologie in der Region Berlin-Brandenburg unterstützten, insbesondere durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten und Unternehmen. Im Ergebnis dieser Zusammenarbeit sollen innovative Lösungen für komplexe Problemstellungen in den Bereichen Chemie, Papier, Kosmetik, Pharma und Nahrungsmittel entwickelt werden (vgl. Engelhard, 2008). Zum Zeitpunkt der Szenarioanalyse stand das Netzwerk unmittelbar vor der Gründung.
Szenarioprozess Auch diese Szenarioanalyse wurde mit Softwareunterstützung durchgeführt, wodurch maximal vier Projektionen je Schlüsselfaktor möglich sind. Auf die Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Zukunftsprojektionen und Szenarien sollte verzichtet werden; die Anzahl der zu ermittelnden Szenarien war zu Beginn des Szenarioprozesses nicht vorgegeben, sondern sollte ein Ergebnis der Analyse sein. Die Meinung von Experten zu Trends und möglichen Entwicklungen in der Weißen Biotechnologie sollte durch die Auswertung vorhandener Studien, durch Interviews und die Interaktion im Rahmen von Workshops erfolgen. Das Kernteam setzt sich aus zwei Wirtschaftswissenschaftlern und einem Biologen zusammen. Auf Erfahrungen in der Entwicklung von Szenarien und eine fundierte Methodenkenntnis konnte auch in dieser Szenarioanalyse zurückgegriffen werden. In die Analyse sollten mindestens dreißig weitere Akteure (Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, Politik, Netzwerke) eingebunden werden.
266
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Szenariotransfer Ziel der Analyse war es, Handlungsempfehlungen für die Akteursgruppen Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Netzwerke und Politik abzuleiten. Des Weiteren sollte die Netzwerkbildung durch die Szenarioanalyse unterstützt werden bzw. Anhaltspunkte für eine Ausrichtung der Netzwerkarbeit liefern. Da auch diese Szenarioanalyse nicht für ein bestimmtes Unternehmen entwickelt wurde, können keine konkreten Empfehlungen für eine strategische Planung entwickelt werden. Dennoch ist es Ziel, dass die Unternehmen die Ergebnisse der Szenarioanalyse in der eigenen strategischen Planung berücksichtigen. 7.3.1 Vorgehen und Tools Auch für die Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie wurde ein modellgestütztes Vorgehen, das sich am generischen Vorgehen nach von Reibnitz (vgl. von Reibnitz, 1992; Gausemeier, Fink, Schlake, Siebe, 1996) orientiert, gewählt. Gleichzeitig wurde aber auch der Versuch unternommen, Einflussfaktoren stärker interaktiv im Workshop im Rahmen eines Brainstormings zu sammeln und in einem nächsten Schritt zu systematisieren, so dass diese Szenarioanalyse auch intuitive Ansätze berücksichtigt. Auch in dieser Analyse musste eine große Transparenz sichergestellt werden, um die Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen, da nicht davon auszugehen war, dass zentrale Akteure in den kompletten Prozess involviert werden können. Darüber hinaus konnte bereits auf Erfahrungen aus der ersten Szenarioanalyse mit diesem Ansatz zurückgegriffen werden. Da beide Analysen unmittelbar aufeinander folgten, war die Entwicklung eines geeigneten Vorgehens weitaus einfacher, da die Akteure der Analyse insgesamt offener und mit weniger Vorbehalten gegenüberstanden. Zudem war die Brisanz im Themenfeld der Weißen Biotechnologie geringer als im Bereich der Bioanalytik und In vitro Diagnostik. Die Weiße Biotechnologie war ein zum Zeitpunkt der Analyse relativ wenig entwickeltes Thema in der Region, so dass mit der Szenarioanalyse zunächst „Pionierarbeit“ geleistet werden musste.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Toolbox „Weiße Biotechnologie“
Analyse des Kontextes Ausgangssituation, Zielstellung, Szenarioprozess und - transfer 1
Kriterienraster
Workshop Intuitives Vorgehen
Akteure
Kernteam
1
Entwicklung des Analysedesigns Modellgestütztes Vorgehen
267
Mischformen
2
Schlüsselakteure 2
Systematische Bestandsaufnahme 3
3
Entwicklung von Einflussfaktoren 4
4
Identifikation von Schlüsselfaktoren 5
5
Entwicklung von Zukunftsprojektionen 6
7
Kernteam Alle weiteren Akteure
Entwicklung von Einflussfaktoren Workshop
Kernteam Alle weiteren Akteure
Einflussanalyse mit Softwareunterstützung
Kernteam
Interviews, Workshop Literaturanalyse
Kernteam
Konsistenzanalyse mit Softwareunterstützung
Kernteam
Report, Präsentation (Fokusgruppe)
Alle weiteren Akteure
Kernteam
Szenariokommunikation 8
Clusteransatz/Leitfragen Interviews, Workshop Publikationsanalyse
6
Bildung von Szenarien 7
Kernteam
8
Ableitung von Handlungsempfehlungen Legende: Kernteam =
ein Wirtschaftswissenschaftler, ein Biologe Institut für Gründung und Innovation der Universität Potsdam
Schlüsselakteure = Vertreter aus regionalen Netzwerke/Wirtschaftsförderung
Abbildung 7.7 Vorgehen und Tools Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
7.3.2 Implementierung der Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie Das gewählte Vorgehen wurde zusammen mit Partnern aus Netzwerken und der Wirtschaftsförderung diskutiert. Durch die Einbindung dieser Partner, die gleichzeitig im Projektlenkungsausschuss vertreten waren, wurde es möglich, Experten zu identifizieren. Gleichzeitig sollte der Zugang zu Unternehmen mit Hilfe der Partner vereinfacht werden. Dennoch waren, anders als im Fall der Bioanalytik, starke Netzwerkpartner an der Planung und Durchführung, der Auswahl von Experten und Teilnehmern in weitaus geringerem Umfang beteiligt. Ein geeignetes Vorgehen für die Analyse konnte dennoch im Rahmen von zwei Workshops im März und April 2006 entwickelt werden.
Während der Analysephase wurde erneut der Begriff „Szenarioanalyse“ mit der Terminologie „Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die Weiße Biotechnologie“ ersetzt und erst im Abschlussbericht wieder aufgegriffen. Grund für dieses Vorgehen
268
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
ist wiederum eine erwartete Erhöhung der Akzeptanz, bedingt durch eine bessere Vorstellung, was in Workshops oder Gesprächen tatsächlich erarbeitet werden soll. Die nachfolgende Abbildung 7.8 stellt den Zeitrahmen für diese Szenarioanalyse dem Szenarioentwicklungsprozess gegenüber. Analyse des Kontextes Ausgangssituation, Zielstellung, Szenarioprozess- und transfer 1
Zeitrahmen Szenarioanalyse „Weiße Biotechnologie“
1
Entwicklung des Analysedesigns Modellgestütztes Vorgehen
Intuitives Vorgehen
1. Vorbereitungsmeeting am 28.03.2006 mit Schlüsselakteuren und einem Kernteammitglied
Mischformen
2
2. Vorbereitungsmeeting am 19.04.2006 mit Schlüsselakteuren und zwei Kernteammitgliedern
2 Literaturrecherche: März 2006 bis Juli 2006 Workshop: 06. und 07. Juli 2006
Systematische Bestandsaufnahme 3
3
Entwicklung von Einflussfaktoren 4
März bis August 2006 im Kernteam unter Berücksichtigung der Workshopergebnisse
4
Identifikation von Schlüsselfaktoren 5
August 2006 im Kernteam
5
Entwicklung von Zukunftsprojektionen 6
6
Bildung von Szenarien 7
September bis Oktober 2006 im Kernteam
7
Szenariokommunikation 8
August bis September 2006 im Kernteam unter Berücksichtigung der Workshopergebnisse
Ergebnispräsentation: Workshop am 06.Februar 2007 8
Ableitung von Handlungsempfehlungen
Januar 2007, Veröffentlichung des Berichtes, Versand an beteiligte Akteure, Multiplikatoren März 2007, Buchveröffentlichung
Abbildung 7.8 Vorgehen und Zeitrahmen Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
7.3.3 Systematische Bestandsaufnahme Auch im Rahmen dieser Szenarioanalyse erfolgte eine systematische Bestandsaufnahme anhand des von Porter beschriebenen Clusteransatzes (vgl. Kapitel 7.2.3). Da auf nur wenige Informationen zurückgegriffen werden konnte, konnte nur ein Teil der für jede Dimension definierten Leitfragen beantwortet werden. Die Bestandsaufnahme lag im Wesentlichen in der Verantwortung des Kernteams. Die Bestandsaufnahme erfolgte durch die Sichtung von Literatur, Interviews mit beteiligten Akteuren, und Experten sowie durch den Workshop „Zukunftsperspektiven der Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg“.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
269
7.3.4 Entwicklung von Einflussfaktoren Auf Grundlage der Bestandsaufnahme konnten für jede Dimension des Diamanten (vgl. Abbildung 7.9) Einflussfaktoren abgeleitet werden. Es wurden insgesamt 18 Einflussfaktoren ermittelt. Die Einflussfaktoren konnten durch eine Literaturanalyse, eine Auswertung von Publikationen, z.B. Vortragsunterlagen zum Workshop Weiße Biotechnologie sowie Interviews mit Experten und regionalen Akteuren identifiziert werden.
Im Rahmen des Workshops wurden in einem interaktiven Brainstormingprozess Stärken und Schwächen zusammengetragen und treibende Kräfte identifiziert. Somit ist es im Rahmen des Workshops gelungen, die Teilnehmer stärker an der Analyse zu beteiligen und das Teilnehmerfeedback direkt in der weiteren Analyse zu berücksichtigen. Des Weiteren wurden durch Expertenvorträge unterschiedliche Perspektiven möglicher Entwicklungen in der Weißen Biotechnologie betrachtet. Gleichzeitig wurden bereits in diesem Workshop unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten für einzelne Einflussfaktoren offenkundig, auf die während der Projektionsbildung wieder zurückgegriffen werden konnte.
Die Zusammenstellung eines Kataloges an Einflussfaktoren im Ergebnis einer systematischen Bestandsaufnahme sowie eine Analyse der Stärken und Schwächen der Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg sowie die Ableitung von Chancen und Risiken waren die wesentlichen Ergebnisse der Prozessschritte „Systematische Bestandsaufnahme“ und „Entwicklung von Einflussfaktoren“. 7.3.5 Identifikation von Schlüsselfaktoren Im Rahmen der Einflussanalyse wurden 18 Einflussfaktoren ermittelt. Nach Analyse der Bedeutung dieser Faktoren im Rahmen der Einflussanalyse wurden 12 Faktoren als Schlüsselfaktoren identifiziert und in die weitere Szenarioanalyse mit einbezogen. Die Einflussanalyse wurde mit Softwareunterstützung im Kernteam durchgeführt. Es wurden die Faktoren ausgewählt, die einen besonders starken Einfluss auf das Gesamtsystem haben; gleichzeitig sollten erneut alle Bereiche des Porter‘schen Diamanten mit mindestens einem Faktor repräsentiert werden. Die in der nachfolgenden Abbildung dargestellten Schlüsselfaktoren bildeten die Grundlage für die weitere Analyse.
270
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Wettbewerb Wettbewerb
Staat Staat Regionale Wirtschaftsförderung (14)
Zulieferer als Kooperationen der Unternehmen des Themenfeldes in der Region (17) Lokale Lead-Unternehmen (18)
InputInputFaktoren Faktoren
Intensität des Wettbewerbs (16)
Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung und den Einsatz biobasierter Produkte (15)
NachfragebeNachfragebedingungen
Verfügbarkeit von ausgebildetem Fach- und Führungspersonal (1)
Sophistische Nachfrage in der Region (9)
Qualität der wissenschaftlichen Infrastruktur (3)
Nachfrage nach bioabbaubaren Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen (10)
Staatliche Unterstützung von wissenschaftlichen Einrichtungen (5)
Zulieferbedingungen
Verfügbarkeit von fossilen Brennstoffen (7) Zulieferer als Innovationsträger (13)
Abbildung 7.9 Einflussbereiche und Schlüsselfaktoren Weiße Biotechnologie
7.3.6 Entwicklung von Zukunftsprojektionen Aus den im Rahmen des Workshops vorgestellten Expertenvorträgen konnten einige Projektionen abgleitet werden. Gleichzeitig wurde erneut Literatur hinzugezogen und das kreative Potenzial im Kernteam genutzt, um auch „Out-of-the-box“ Entwicklungen für jeden einzelnen Schlüsselfaktor zu ermitteln. 7.3.7 Bildung von Szenarien Mit vorliegenden Zukunftsprojektionen wurde es möglich, die unterschiedlichen Entwicklungen der Schlüsselfaktoren zu Szenarien zu bündeln. Dazu wurde eine computergestützte Konsistenzanalyse im Kernteam durchgeführt (vgl. auch Kapitel 7.2.7). In dieser Analyse wurde nicht der Versuch unternommen, weitere Akteure in den Konsistenzcheck einzubeziehen, da erneut mit einem hohen Aufwand gerechnet werden musste, der gegenüber Akteuren außerhalb des Kernteams, die i.d.R. über wenig Methodenkenntnis verfügen, nur schwer gerechtfertigt werden kann.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
271
7.3.8 Szenariokommunikation und Ableitung von Handlungsempfehlungen Die Szenariokommunikation erfolgte durch folgende Maßnahmen:
Präsentation der Szenarien und Handlungsempfehlungen im Rahmen eines Treffens des Netzwerkes Weiße Biotechnologie
Darstellung der Szenarien im „Berichtstil“ sowie in Form einer Bilddarstellung in der Dokumentation zur Szenarioanalyse, die allen beteiligten Akteuren zur Verfügung gestellt wurde
Die gewählte Form der Kommunikation der Szenarien hat sich auch in diesem Kontext grundsätzlich bewährt. Als nachteilig wurde im Rahmen der abschließenden Präsentation seitens der Unternehmen eingeschätzt, das keine Empfehlung für ein Szenario seitens des Kernteams ausgesprochen werden konnte.
In den folgenden Ausführungen soll auch für die Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie eine Bewertung der erzielten Ergebnisse und des methodischen Vorgehens vorgenommen werden. 7.3.9 Bewertung der Ergebnisse der Szenarioanalyse Ausgehend von den entwickelten Szenarien, der Berücksichtigung von Trends und der im Ergebnis der Bestandsaufnahme entwickelten Stärken-Schwächen-Analyse resultierten Handlungsempfehlungen für die Entwicklung der Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg. Während der Szenarioanalyse und der Auseinandersetzung mit Vertretern aus der Forschung und Unternehmen, Netzwerken und Politik wurde offenkundig, dass es an einem gemeinsamen Verständnis zur Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg mangelt. Dies ist sowohl auf die Heterogenität der Weißen Biotechnologie als auch auf die zum Zeitpunkt der Analyse erst in Anfängen vorhandenen Strukturen (Netzwerke) zurückzuführen. Unternehmen fühlten sich aufgrund eines fehlenden einheitlichen Verständnisses nicht dem Themenfeld zugehörig, was zu Wahrnehmungsproblemen im Hinblick auf den ökonomischen und ökologischen Nutzen der Verfahren der Weißen Biotechnologie führt. Aus diesem Grund war es eine wesentliche Empfehlung, ein Leitbild für die Weiße Biotechnologie in BerlinBrandenburg als einen ersten Schritt in einer aktiven Zukunftsplanung zu entwickeln. Die Szenarioanalyse kann die Entwicklung eines Leitbildes äußerst wirksam
272
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
unterstützten. Die kombinierte Vorgehensweise von Bestandsaufnahme, SWOTAnalyse und Szenarioentwicklung könnte die Grundlage für eine mögliche weitere Leitbildentwicklung mit folgenden Fragestellungen bilden:
Welches Leitbild soll in Zukunft das Handeln der Akteure in der Weißen Biotechnologie bestimmen und wie lassen sich daraus konkrete Maßnahmenplanungen ableiten?
Wie sieht das Wunschszenario für eine zukunftsfähige Entwicklung der Weißen Biotechnologie aus und welche Schritte sind nötig, um möglichst große Teile davon Wirklichkeit werden zu lassen?
Welches Leitbild und welche gemeinsamen Ziele verbergen sich in dem Szenario, die das Handeln bereits heute bestimmen sollten?
Die Ergebnisse der Szenarioanalyse wurden nach der erfolgten Ergebnispräsentation und Verbreitung der Reports vom Bereich Technologie und Innovation des Ministeriums für Wirtschaft des Landes Brandenburg wieder aufgegriffen und in einem Workshop zusammen mit Netzwerken, der Wirtschaftsförderung und dem Szenariokernteam im November 2007 diskutiert. Um das Themenfeld weiter zu bearbeiten, wurde im Ergebnis dieses Treffens der Anstoß zur Fokussierung auf ein ausgewähltes Thema innerhalb der Weißen Biotechnologie gegeben. Ein Ausgangspunkt für die weitere Arbeit waren die Durchführung eines Ideenworkshops zu Produktanwendungen auf Basis von Biopolymeren im Dezember 2007, sowie eine Folgeveranstaltung im März 2008. Des Weiteren werden, initiiert und durchgeführt durch das Netzwerk „Weiße Biotechnologie“ und weiterer Partner, unterschiedliche Kreativitätsworkshops durchgeführt, um z.B. Ideen für konkrete Produktanwendungen für Biopolymere zu ermitteln. Die angeregte Leitbildentwicklung wurde bis zum Untersuchungszeitpunkt nicht umgesetzt. Gründe dafür sind ein fehlender zentraler Akteur, der diese Leitbildentwicklung fordert und fördert.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Analyse die Herausarbeitung der Position der Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg nachhaltig unterstützt hat. Dabei wurde offenkundig, dass die Entwicklung der Weißen Biotechnologie in Berlin-Brandenburg zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht weit fortgeschritten war und Netzwerkstrukturen, Pilotprojekte und Pilotprodukte noch initiiert werden mussten. Erste Projekte zur Entwicklung von Produkten auf Basis der Verfahren der
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
273
Weißen Biotechnologie werden inzwischen im Netzwerk „Weiße Biotechnologie“ koordiniert (vgl. Kurzbeschreibung der Projekte auf www.weisse-biotechnologiebb.de). Sowohl im Rahmen der Aktivitäten eines Inkubatorprojektes (vgl. Aktivitäten des Projektes in: www.goincubator.de) als auch im Rahmen der Aktivitäten des Netzwerkes „Weiße Biotechnologie“ wird der Versuch unternommen, Anwendungen z.B. auf Basis von Biopolymeren weiter voranzutreiben und Forschung und Unternehmen mit dem Ziel einer gemeinsamen Produktentwicklung zusammenzuführen. 7.3.10 Evaluation des methodischen Vorgehens Das gewählte methodische Vorgehen hat sich, rückblickend betrachtet, auch im Fall der Weißen Biotechnologie, bewährt. Wie für die Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik wurde das Vorgehen an den spezifischen Kontext angepasst. Die in der ersten Szenarioanalyse ermittelten Erfolgsfaktoren Analysedesign, Akzeptanz, Commitment und die systematische Bestandsaufnahme wurden bei der Durchführung der Szenarioanalyse für die Weiße Biotechnologie berücksichtigt und deren Bedeutung konnte erneut bestätigt werden. Da diese Szenarioanalyse unmittelbar auf die erste Szenarioanalyse zur Bioanalytik und In vitro Diagnostik folgte und ebenfalls für die Region Berlin-Brandenburg durch die Unterstützung gleicher Schlüsselakteure durchgeführt wurde, waren deutlich weniger Akzeptanzprobleme und Vorbehalte zu beobachten als noch im Fall der ersten Szenarioanalyse. Dennoch konnte, abweichend vom Fall der Bioanalytik, kein Akteur integriert werden, der die Rolle eines Machtpromotors übernahm und sowohl die Analyse selbst als auch ihre Ergebnisse entsprechend vertritt (vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 8).
Eine besondere Herausforderung in dieser Szenarioanalyse liegt im Themenfeld selbst begründet. Einerseits sind, im Gegensatz zur Bioanalytik, Produkte und Prozesse der Weißen Biotechnologie für Nicht-Biologen und Nicht-Mediziner deutlich sichtbarer und vorstellbarer, was die Bearbeitung des Themas im Kernteam erleichterte. Andererseits liegt eine Schwierigkeit bei diesem Thema in der Definition und Eingrenzung. Da bei sehr allgemeinen Themen, wie z.B. der Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die Weiße Biotechnologie in Berlin-Brandenburg, auch nur allgemeine Handlungsempfehlungen resultieren würden, wurde im ersten Schritt eine deutliche Konkretisierung des Themas vorgenommen. Die Szenarioanalyse wurde letztlich auf die Themen „Enzymatische Katalyse“ und „Nachwachsende Roh-
274
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
stoffe“ ausgerichtet. Eine Möglichkeit an dieser Stelle ist es, für beide Themenfelder jeweils eine eigenständige Szenarioanalyse durchzuführen. Beide Themen sind mit gleichen, aber auch sehr unterschiedliche Einflussfaktoren oder gleichen Einflussfaktoren mit verschieden starken Wirkungen konfrontiert. Die Bearbeitung der Schwerpunktthemen „Enzymatische Katalyse“ und „Nachwachsende Rohstoffe“ in einer Analyse erwies sich insbesondere bei der Durchführung der softwaregestützten Konsistenzanalyse als kritisch. Letztlich konnten mit Hilfe der Software nur zwei Leitszenarien herausgearbeitet werden; ein weiteres Szenario wurde intuitiv ermittelt.
In der Szenarioanalyse wurde der Versuch unternommen, im Rahmen des Workshops, Stärken und Schwächen sowie im Rahmen eines Brainstormings wesentliche Einflussfaktoren mit den Workshopteilnehmern zu ermitteln, die auch in die weitere Analyse eingeflossen sind. Erfolgskritisch ist in diesem Zusammenhang das Herstellen einer homogenen Informationsbasis im Vorfeld des Brainstormings, z.B. durch das Aufbereiten von Vorabmaterial, gute Moderationsfähigkeiten und eine fundierte Kenntnis der bisherigen Analyseergebnisse und des Themenfeldes sowie möglicher Problemfelder seitens des Moderators. Jedoch wurde deutlich, dass kaum davon auszugehen ist, dass Vorabmaterial umfänglich gelesen wird, was die Bearbeitung des Themas mit Akteuren, die zudem noch unterschiedliche Interessen verfolgen, erschwert. Erfolgsfaktoren und Ausprägungen Erfolgsfaktor Themenfokus Spannungsfeld zwischen einer nötigen Spezifizierung des Themas, um konkrete Handlungsempfehlungen ableiten zu können und einer Themenoffenheit, um „Out-of-the-box“Entwicklungen nicht zu übersehen Deutliche Themenfokussierung mit hoher strategischer Relevanz Erfolgsfaktor Moderation Erfahrung in der Moderation von Szenarioworkshops ist erforderlich Neben Moderationskenntnis auch gute Kenntnis der Analyse und Interessen der zentralen Akteure erforderlich
Ideen für die Umsetzung
Fundierte Bestandsaufnahme durch Literaturauswertung Experteninterviews Re-Briefing der Themenstellung im Kernteam
Moderator möglichst aus Kernteam Einrichtung einer E-Learning Plattform, um Vorabmaterial zu transportieren und den Projektstand transparent darzustellen
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Erfolgsfaktoren und Ausprägungen Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit Verantwortung für die Umsetzung muss auf zentrale Akteure übertragen werden, z.B. in Form von konkreten Projekten Aufgreifen ausgewählter Ergebnisse nach der Analyse und Reflektion
275
Ideen für die Umsetzung
Frühzeitiger Einbezug der Akteure, die Ergebnisse umsetzen können Einbezug eines Machtpromotors (vgl. Kapitel 8) Möglichst weit reichende Verbreitung der Analyse
Tabelle 7.8 Erfolgsfaktoren und Ausprägungen für die Umsetzung von Szenarioanalysen (Teil 2)
7.4 Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT) Die Szenarioanalyse DLrBT ist im Gegensatz zu den bereits dargestellten Szenarioanalysen nicht auf die Region Berlin-Brandenburg ausgerichtet, sondern betrachtet Deutschland als geografische Region. Im Folgenden soll die Kontextsituation für die Szenarioanalyse „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT)“ näher erläutert werden. Unter Dienstleistungen in der roten Biotechnologie werden in der Analyse alle gewinnorientierten Aktivitäten verstanden, die eine Integration von externen Faktoren erfordern, bei denen Methoden zur Anwendung gelangen, die von der OECD 2005 als „Biotechnologische Techniken“ definiert sind und im weiteren Sinne medizinische Anwendungen zum Ziel haben (vgl. auch Kapitel 7.2.2). In der nachfolgenden Tabelle wird die Kontextsituation für die Szenarioanalyse DLrBT näher charakterisiert.
Tabelle 7.9 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse DLrBT (graue Felder) (Teil 1) Externe Beauftragung von Szenarioanalysen Keine systematische Früherkennung/ strategische Vorausschau im Unternehmen vorhanden Top- Management muss überzeugt werden
Diffuses Themenfeld
Keine Berücksichtigung weiterer Szenarien
Einsatz von Methoden der Zukunftsforschung Methodeneinsatz mit Unterstützung eines externen Partners Keine Verknüpfung der Szenarioanalyse mit der Früherkennung/ strategischen Vorausschau Strategische Planungsabteilung ist der Treiber für den Szenarioprozess
Erschlossenes Themenfeld Berücksichtigung vorhandener Szenarien (z.B. Technologie- oder Globalszenarien) Verankerung der Zukunftsorientierun g in der Corporate Identity Regelmäßiger Methodeneinsatz
Verknüpfung der Szenarioanalyse mit der Früherkennung/ strategischen Vorausschau
Szenarioanalyse ist vom Management gewollt (Top- Down)
Bereitschaft zur Workshopteilnahme Bis zu einem Tag
Inhalt und Informationsquellen
Einbezug vorhandener Szenarien
Zukunftsorientierung als Teil der Unternehmensphilosophie
Erfahrungen mit Szenarioanalysen
Früherkennungssystem/ strategische Vorausschau
Unterstützung seitens des Top- Managements
Bereitschaft der Mitarbeiter an einer Mitwirkung
Zeitressourcen für Workshops
1- 2 Tage
Bereitschaft zu Interviews
Trendmonitoring
Orientierungsproblem
Entscheidungsproblem
Problemstellung
3 Tage
Bereitschaft zum Beantworten eines Fragebogens
Vorhandene Szenarien als Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung
Bereitschaft zur kritischen Durchsicht von Vorabmaterial
Keine Erfahrung mit Szenarioanalysen
Kaum Zukunftsorientierung
Keine/ wenig Informationen verfügbar
Methode wird innerhalb eines Unternehmens für eine SGE durchgeführt
Unternehmen
Informationen zur Bestandsaufnahme sind verfügbar
Open Foresight Projekt mit Unternehmen unterschiedlicher Branchen
Methode wird für mehrere miteinander vernetzte Unternehmen einer Branche durchgeführt (Unternehmensverbund) i.S. eines Open Foresight Projektes
Unternehmen/ Unternehmensverbund
Lowtechnologie
Hochtechnologie
Ausprägungen Dienstleistung
Produkt
Aktivitäten
Keine Bereitschaft zur Mitarbeit
Erfahrungen nur innerhalb eines begrenzten Akteurskreises
276 Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Ausgangssituation
Ausgangssituation
Zielstellung
Szenarioprozess
Begrenzt
Anzahl der Zukunftsprojekten pro Schlüsselfaktor
Inkrementelle Innovationen
Neuheitsgrad der Ergebnisse
Einstufig
Zusammenführung unterschiedliche Hierarchieebenen / Bereiche
Konsens, Entwicklung einer „gemeinsamen Sprache"
Kommunikation/ Koordination
Anzahl der Zukunftshorizonte
Präskriptive Szenarien
Deskriptive Szenarien
Zielgerichtetheit der Szenarien
Situationsszenarien
Öffentlichkeit/Dialog mit Kunden
Entscheider/ Management
Adressat/ Zielgruppe
Beschaffenheit der Szenarien
Robustheitscheck für Businesspläne
Entwicklung von Implikationen für konkrete Investitionsentscheidungen
Ziel der Analyse
Offen
Mehrstufig
Prozessszenarien
Radikale Innovationen
Budget erlaubt eigene Software
Budget erlaubt Beteiligung eines spezialisierten Beratungsunternehmens
Budget für Studien, Reports, Literatur
Finanzielle Ressourcen
Konstante Anzahl
Diskontinuierliche Innovationen
Einbindung von externen Personen (z.B. Kunden, Lieferanten)
FuE Abteilung
Testen von Strategien vor dem Hintergrund der Szenarien
6 Monate bis 12 Monate
3 Monate bis 6 Monate
Bis zu 3 Monate
Zeitressourcen für die Analyse
Ausprägungen
Netzwerkbildung
Banken, VC- Geber
Netzwerkbildung, Kommunikation
Budget erlaubt Beteiligung- keine Beteiligung eines Beratungsunternehmens
Umfassende Strategieentwicklung
Entwicklung von Implikationen für die strategische Ausrichtung (Märkte, neue Anwendungsfelder)
Politik
Kein Budget für Softwareunterstützung
Kein Budget für Studien, Reports, Literatur
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen 277
Tabelle 7.10 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse DLrBT (graue Felder) (Teil 2)
Szenarioprozess
Szenariotransfer
Passiver Szenariotransfer
Aufbau eines Trendmonitorings ist geplant
Intern
Weniger als 5 Teilnehmer
Fokussierte Strategie (1 Szenario)
Aktiver Szenariotransfer
Ergebnisse aus dem Trendmonitoring fließen in den Szenarioprozess ein
Zusammensetzung des Kernteams
Anzahl der Teilnehmer an der Analyse
Anzahl der planungsrelevanten Szenarien
Vorgaben der strategischen Planung
Trendmonitoring
Teilrobuste Strategie (mehrere Szenarien)
5- 10 Teilnehmer
Extern
Nutzung vorhandener Studien
Interviews mit ausgewählten Experten
Form der Einbindung von Expertenmeinungen
Kein Trendmonitoring
Zukunftsrobuste Strategie (alle Szenarien)
10 - 20 Teilnehmer
Gemischt
Delphi Befragung
Ausprägungen
Variable Anzahl
Keine Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Projektionen
Konstante Anzahl
Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Projektionen
Anzahl der Szenarien
Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten von Zukunftsprojektionen
Generelle Handlungsempfehlungen
20- 30 Teilnehmer
Expertenworkshop
Mehr als 30 Teilnehmer
Tagung zum Themenfokus
Experten im Kernteam oder Lenkungsausschuss
278 Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Tabelle 7.11 Kriterienraster zur Kontextbeschreibung der Szenarioanalyse DLrBT (graue Felder) (Teil 3)
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
279
Ausgangssituation Im Vorfeld der Szenarioanalyse für den Bereich der „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“ war es zunächst notwendig, das Themenfeld zu definieren und herauszuarbeiten, was in der Analyse unter dem Begriff „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“ zu verstehen ist. Die entwickelte Arbeitsdefinition (vgl. 7.2.2 und 7.4.1) war Grundlage für die Identifikation geeigneter Unternehmen, die im Rahmen von Workshops und Interviews in die Analyse einzubeziehen waren. Auch diese Szenarioanalyse wurde am Centrum für Entrepreneurship und Innovation der Universität Potsdam (BIEM-CEIP) durchgeführt, so dass wiederum auf Methodenkenntnis und Erfahrungen zurückgegriffen werden konnte. Das Projektteam, das sich sowohl aus Wirtschaftswissenschaftlern als auch aus Biologen und einem Informatiker zusammensetzt, wird über die Projektlaufzeit durch den am Projekt beteiligten Lenkungsausschuss sowie weitere Experten aus Wissenschaft und Netzwerken unterstützt. Der Lenkungsausschuss soll den Zugang zu wichtigen Akteuren ermöglichen und einen Beitrag leisten, um die Diffusion der Projektergebnisse sowie deren Nachhaltigkeit sicherzustellen. Ein wichtiger Partner für die Entwicklung von Zukunftsperspektiven für DLrBT ist das bundesweite Netzwerk der Biotechnologieunternehmen, das sowohl bei der Konzeption als auch bei der Durchführung von Workshops unterstützen sollte. Im Unterschied zu den vorangegangenen Szenarioanalysen ist die Analyse auf den geographischen Bereich Deutschland ausgerichtet.
Diese Szenarioanalyse wurde als eine umfassende Studie aufgefasst, die neben Workshops auch Ergebnisse aus Fallstudien in den identifizierten Unternehmen berücksichtigen sollte. Des Weiteren war es eine wesentliche Anforderung auch die Kundenperspektive, d.h. die Sicht der Pharmaindustrie, in der Szenarioanalyse stärker zu berücksichtigen, als das in den vorangegangenen Analysen zur Bioanalytik und Weißen Biotechnologie gelungen war. Für die Durchführung von Fallstudien stand ein ausreichendes Budget zur Verfügung; es wurde angenommen, dass die Bereitschaft zu einer Teilnahme an Interviews im Rahmen von Fallstudien seitens der Unternehmen eher möglich ist als die Bereitschaft an einer Befragung teilzunehmen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Unternehmen dieser Branche mit einer Vielzahl von Anfragen konfrontiert werden, die seitens der Unternehmen nicht mehr bewältigt werden können.
280
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Zielstellung der Analyse Ziel dieser Szenarioanalyse ist es, zukünftige Geschäftsmöglichkeiten für Dienstleistungen in der roten Biotechnologie auf internationalen Märkten zu untersuchen. Die im Rahmen der Untersuchung zu beantwortende Kernfragestellung lautet: Welche Geschäftsmöglichkeiten bieten Dienstleistungen in der roten Biotechnologie in 2015? Diese Analyse soll eine Einschätzung zum Marktpotenzial für Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT) liefern, zukünftige Anwendungsbereiche, Kundenanforderungen und interessante Auslandsmärkte diskutieren sowie mögliche Geschäftsmodelle ermitteln. Somit kann die Analyse bei der Entwicklung von Implikationen für die strategische Ausrichtung (neue Märkte, neue Anwendungsfelder) seitens der Unternehmen hinzugezogen werden. Die Analyse ist auf Deutschland ausgerichtet.
Szenarioprozess Auch diese Szenarioanalyse wurde teilweise mit Softwareunterstützung durchgeführt, wodurch in diesem Fall maximal sechs Projektionen je Schlüsselfaktor möglich sind. Für diese Szenarioanalyse wurde auf zwei unterschiedliche Softwarelösungen zurückgegriffen. Auf die Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Zukunftsprojektionen und Szenarien sollte verzichtet werden; die Anzahl der zu ermittelnden Szenarien war zu Beginn des Szenarioprozesses nicht vorgegeben, sondern sollte ein Ergebnis der Analyse sein. Die Meinung von Experten zu Trends und möglichen Entwicklungen im Bereich der Dienstleistungen in der roten Biotechnologie sollte durch die Auswertung vorhandener Studien, durch Interviews und die Interaktion im Rahmen von Workshops erfolgen. In die Analyse waren mindestens dreißig weitere Akteure (Unternehmen (Biotechnologie, Bioinformatik, Pharmaunternehmen), Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Politik und Netzwerke) einzubinden.
Szenariotransfer Ziel der Analyse war es, Unternehmen Informationen und Einschätzungen zu liefern, die eine strategische Vorausschau ermöglichen. Des Weiteren sollten generelle Handlungsempfehlungen an die Politik abgeleitet werden. Da auch diese Szenarioanalyse nicht für ein bestimmtes Unternehmen entwickelt wurde, können keine konkreten Empfehlungen für eine strategische Planung entwickelt werden. Dennoch ist es Ziel, dass die Unternehmen die Ergebnisse der Szenarioanalyse in der eigenen stra-
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
281
tegischen Planung berücksichtigen und die eigenen Strategien vor dem Hintergrund der Szenarien reflektieren (vgl. Kapitel 3). 7.4.1 Vorgehen und Tools Das Vorgehen in der Szenarioanalyse „Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“ orientiert sich ebenfalls am modellgestützten Vorgehen nach von Reibnitz (vgl. von Reibnitz, 1992; Gausemeier, Fink, Schlake, Siebe, 1996). Gleichzeitig wurde aber auch der Versuch unternommen, Einflussfaktoren stärker interaktiv im Workshop im Rahmen eines Brainstormings zu sammeln und in einem nächsten Schritt zu systematisieren, so dass diese Szenarioanalyse, ähnlich wie im Fall der Weißen Biotechnologie, auch intuitive Ansätze berücksichtigt. Da es sich bei dieser Szenarioanalyse um eine Studie handelt, die nicht darauf abzielt, Netzwerkeffekte zu schaffen, kann die Analyse unabhängiger durchgeführt werden. Dennoch sollte es gelingen, im Rahmen von Workshops, Fallstudien und Interviews zusammen mit Unternehmen, Netzwerken, Forschung und der Politik Wissen zu generieren, das in die Analyse einfließt. Ein Instrument der Szenarioanalyse waren auch in diesem Fall Szenarioworkshops, die dem Austausch von Informationen und der Identifikation wesentlicher Einflussfaktoren und Trends dienen. In die Analyse wurden im Rahmen von Szenarioworkshops insgesamt 22 Unternehmen, 6 Forschungsinstitute und Hochschulen, 3 Netzwerke sowie zwei Venture-Kapitalgeber mit einbezogen. Der gemeinsame Nenner der beteiligten Unternehmen ist im weitesten Sinne das Anbieten von Dienstleistungen in der roten Biotechnologie.
In dieser Szenarioanalyse wurde auch auf Ergebnisse aus Fallstudien mit Unternehmen zurückgegriffen, die im Zeitraum von Februar 2006 bis Oktober 2007 mit 30 Biotechnologiedienstleistern durchgeführt wurden. Die Auswahl der Unternehmen basiert auf der im ersten Schritt der Analyse gebildeten Datenbank, in der Unternehmen systematisch einzelnen Dienstleistungskategorien zugeordnet wurden (vgl. Reger, Mietzner, Nolting, 2008, 31 ff., und die Beschreibung der Fallauswahl in Kapitel 7.2.1).
Des Weiteren gelang es in dieser Studie, die Kundenperspektive besser einzubringen als in den vorangegangenen Analysen. Dazu wurden Interviews mit Entscheidern in Pharmaunternehmen und einem Vertreter des Bundesverbandes der Pharmazeuti-
282
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
schen Industrie (BPI) im Zeitraum Juli 2007 bis Dezember 2007 durchgeführt, sowie Expertenworkshops und Fachvorträge ausgewertet, z.B. bei der „Biotech & Pharma Business Summer School – From Target to Market“ des vbbm und des Gläsernen Labors Berlin-Buch oder BioTOP-Foren9.
Toolbox „DLrBT“ Analyse des Kontextes Ausgangssituation, Zielstellung, Szenarioprozess und - transfer 1
Kriterienraster
Workshop Intuitives Vorgehen
Kernteam
1
Entwicklung des Analysedesigns Modellgestütztes Vorgehen
Akteure
Mischformen
2
Schlüsselakteure 2
Systematische Bestandsaufnahme 3
3
Entwicklung von Einflussfaktoren 4
4
Identifikation von Schlüsselfaktoren 5
5
Entwicklung von Zukunftsprojektionen 6
7
Erstellung einer Datenbank DLrBT 5- Kräfte Ansatz/Leitfragen Fallstudien, Workshops Publikationsanalyse
Kernteam Alle weiteren Akteure
Entwicklung von Einflussfaktoren Workshops
Kernteam Alle weiteren Akteure
Einflussanalyse mit Softwareunterstützung
Kernteam
Interviews, Workshops, Literaturanalyse
Kernteam Alle weiteren Akteure
Konsistenzanalyse mit Softwareunterstützung und intuitiv
Kernteam Kernteam
Szenariokommunikation 8
6
Bildung von Szenarien 7
Kernteam
Report zur Studie 8
Alle weiteren Akteure
Ableitung von Handlungsempfehlungen Legende: Kernteam =
ein Wirtschaftswissenschaftler, ein Biologe am Institut für Gründung und Innovation der Universität Potsdam
Schlüsselakteure = Vertreter aus regionalen Netzwerke/Wirtschaftsförderung
Abbildung 7.10 Vorgehen und Tools Szenarioanalyse DLrBT
7.4.2 Implementierung der Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie (DLrBT) Das Zusammentreffen unterschiedlicher Akteure aus Unternehmen, von Hochschulen, Netzwerken und der Politik wurde im Rahmen eines Workshops im Oktober 2006 bei der DECHEMA und im November 2006 sowie im März 2007 mit weiteren Interessierten organisiert. Dabei berichteten Experten im Rahmen von Workshops über mögliche Zukunftsperspektiven für Dienstleistungen in der roten Biotechnolo-
9
BioTOP ist ein zentrales Netzwerk für die Biotechnologie in Berlin-Brandenburg.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
283
gie. Im Rahmen der Workshops wurden sowohl Risiken als auch Chancen, denen sich ein auf Dienstleistungen ausgerichtetes Unternehmen gegenübersieht, sowie mögliche Zukunftsperspektiven analysiert. Im März 2007 haben sich die Teilnehmer des Executive MBA BioMedTech (Jahrgang 2005), Modul Neueste Technologietrends/FuE Management, an der Entwicklung von Zukunftsperspektiven für DLrBT beteiligt und eigene Erfahrungen und Know-how in die Analyse eingebracht. Darüber hinaus konnten im Zeitraum von Februar 2006 bis November 2007 mehr als 30 Interviews mit Unternehmen der DLrBT sowie Pharmaunternehmen und Verbänden durchgeführt werden. Die nachfolgende Abbildung stellt den Prozess der Szenarioanalyse dem benötigten Zeitaufwand gegenüber. Wie die Abbildung verdeutlicht, erstreckt sich die gesamte Analyse über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren. Da die Analyse im Rahmen eines Forschungsprojektes durchgeführt wurde, konnte durch mehrere Feedbackschlaufen die Bestandsaufnahme immer weiter verdichtet werden. Insbesondere die Durchführung von Fallstudien ist durch einen hohen Ressourcenbedarf (Zeitaufwand, finanzieller Aufwand) gekennzeichnet, ermöglicht aber auch einen tiefen und umfassenden Einblick in das Themenfeld und die Branche Biotechnologie.
284
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
Analyse des Kontextes Ausgangssituation, Zielstellung, Szenarioprozess- und transfer 1
Zeitrahmen Szenarioanalyse „DLrBT“
1
Entwicklung des Analysedesigns Modellgestütztes Vorgehen
Intuitives Vorgehen
Vorbereitung des Vorgehens für die Analyse im Juni 2006 Vorstellung und Feedback im Lenkungsausschuss
Entwicklung der Definition DLrBT und Entwicklung der Datenbasis DLrBT in Deutschland: November 2005 bis März 2006 Durchführung von Fallstudien Februar 2006 bis Oktober 2007
Mischformen
2
2
Systematische Bestandsaufnahme 3
3
Entwicklung von Einflussfaktoren 4
Desk research im Kernteam im Juni 2007
Desk research im Kernteam unter Berücksichtigung der Workshopergebnisse August bis Oktober 2007
Desk research im Kernteam Oktober bis Dezember 2007
Vorstellung des Berichtes (Buchveröffentlichung) zur Szenarioanalyse: Juni 2008
März- Juni 2008, Dokumentation im Bericht Juli 2008, Buchveröffentlichung August 2008, Versand an beteiligte Akteure, Multiplikatoren
7
Szenariokommunikation 8
6
Bildung von Szenarien 7
Workshop 18./19. Oktober 2006 10.November 2006 (Vorbereitungsworkshop) und 17.März 2007 (Szenarioworkshop)
5
Entwicklung von Zukunftsprojektionen 6
4
Identifikation von Schlüsselfaktoren 5
8
Ableitung von Handlungsempfehlungen
Abbildung 7.11 Vorgehen und Zeitrahmen Szenarioanalyse DLrBT
7.4.3 Systematische Bestandsaufnahme Die Bestandsaufnahme erfolgte entlang des 5-Kräfte-Modells von Porter, das für die Szenarioanalyse DLrBT angepasst und operationalisiert wurde. Als zentrales Modell für die Analyse von Branchen hat sich das Modell der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter bewährt und wird auf die Biotechnologie angewandt (vgl. Porter, 1998, 21-34; DFVA, 2005, 50-51; vgl. Sauber, Tschirky, 2006, 107). Die fünf Kräfte Positionsgerangel, Kunden, Zulieferer, potenzielle Einsteiger und substituierende Produkte sind als Wettbewerbskräfte zu betrachten und variieren je nach Branche (vgl. Porter, 1998, 21). Der Zusammenhang zwischen den Kräften ist in Abbildung 7.12 dargestellt.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
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Bedrohung durch Einsteiger
Verhandlungs-stärke der Zulieferer
Positionsgerangel Positionsgerangel zwizwischen existierenden schen existierenden Wettbewerbern
Verhandlungsstärke der Kunden
Bedrohung durch substituierende Produkte oder Dienstleistungen
Abbildung 7.12 Die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter (vgl. Porter, 1998, 22)
Die Gesamtstärke der Kräfte bestimmt das Gewinnpotenzial, das in den Branchen möglich ist, dabei variieren die Kräfte zwischen den Branchen stark. Je schwächer die Kräfte sind, desto höher ist die Möglichkeit, Gewinne zu erwirtschaften. Liegt ein perfekter Markt vor, gibt es einen starken Wettbewerb innerhalb der Branche und der Eintritt in die Branche ist sehr einfach. Ziel des Managements sollte es sein, eine Position zu finden, aus der das jeweilige Unternehmen die Kräfte am besten beeinflussen kann. Dazu müssen die Kräfte im Einzelnen analysiert werden, wodurch die Stärken und Schwächen des Unternehmens sichtbar werden. Die stärksten Wettbewerbskräfte bestimmen die Profitabilität der Branche und haben - nach Porter - die höchste Priorität bei der Strategiefindung. Porter stellt den Wettbewerb in das Zentrum seiner Theorie. Für die Szenarioanalyse spielen jedoch auch weitere Aspekte eine Rolle. Dies sind die Internationalisierung und die Neueinführung von Dienstleistungsinnovationen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich die einzelnen Wettbewerbskräfte auf diese Aspekte auswirken, d.h., in welcher Form die Internationalisierung und die Neueinführung von Dienstleistungen in der roten Biotechnologie durch die Wettbewerbskräfte gehemmt oder gefördert werden können. Die Kräfte wurden im Sinne von Porter (vgl. Porter, 1998, 21-34) in der Vorbereitung der Szenarioanalyse erläutert und es wurden notwendige Anpassungen vorgenommen (vgl. Reger, Mietzner, Nolting, 2008, 14 ff.). Die Bestandsaufnahme lag im Wesentli-
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Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
chen in der Verantwortung des Kernteams und erfolgte durch die Sichtung von Literatur, Fallstudien, Interviews mit der Kundenseite und Experten sowie durch Workshops zum Thema „Zukunftsperspektiven von Dienstleistungen in der roten Biotechnologie“. 7.4.4 Entwicklung von Einflussfaktoren Auf Grundlage der Bestandsaufnahme, konnten für jede Dimension des Porterschen 5-Kräfte-Modells (vgl. Abbildung 7.13) Einflussfaktoren abgeleitet werden. Es wurden insgesamt 20 Einflussfaktoren ermittelt. Die Einflussfaktoren resultieren aus einer Literaturanalyse, der Auswertung von Unterlagen der Workshops sowie Fallstudien in den Unternehmen und Interviews mit den Kunden und Experten.
Im Rahmen des Workshops wurden in einem interaktiven Brainstormingprozess Stärken und Schwächen zusammengetragen und treibende Kräfte identifiziert. Somit ist es im Rahmen des Workshops gelungen, die Teilnehmer stärker an der Analyse zu beteiligen und das Teilnehmerfeedback direkt in der weiteren Analyse zu berücksichtigen als im Fall der Szenarioanalyse für die Bioanalytik. Des Weiteren wurden durch Expertenvorträge unterschiedliche Perspektiven möglicher Entwicklungen betrachtet. Gleichzeitig wurden bereits in diesem Workshop unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten für einzelne Einflussfaktoren offenkundig, auf die während der Projektionsbildung wieder zurückgegriffen werden konnte. 7.4.5 Identifikation von Schlüsselfaktoren Im Rahmen der Einflussanalyse wurden 20 Einflussfaktoren ermittelt. Nach Analyse der Bedeutung dieser Faktoren im Rahmen der Einflussanalyse wurden 10 Faktoren als Schlüsselfaktoren identifiziert und in die weitere Szenarioanalyse mit einbezogen. Die Einflussanalyse wurde mit Softwareunterstützung im Kernteam durchgeführt. Es wurden die Faktoren ausgewählt, die einen besonders starken Einfluss auf das Gesamtsystem ausüben; gleichzeitig sollten erneut alle Bereiche des 5-KräfteModells mit mindestens einem Faktor repräsentiert werden. Die in der nachfolgenden Abbildung dargestellten Schlüsselfaktoren bildeten die Grundlage für die weitere Analyse.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
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Neue Neue Konkurrenten Konkurrenten Gesetzliche Rahmenbedingungen (1)
Rolle der Zulieferer
Kooperationsfähigkeit der Zulieferer (20)
Wettbewerb zwischen den Unternehmen der der DLrBT Unternehmen DLrBT Wettbewerbsintensität (4) Unternehmenszusammenschlüsse (5)
Kunden und ä Märkte
Marktgröße (7) Rückwärtsintegration (8) Anforderungen der Kunden (9)
Neue Technologien, Produkte und Dienstleistungen
Veränderungen bei den Patientengruppen (14)
Geschwindigkeit der Wissens- und Technologieentwicklung (15) Technologieverbreitung (17)
Abbildung 7.13 Einflussbereiche und Schlüsselfaktoren für die Szenarioanalyse DLrBT
7.4.6 Entwicklung von Zukunftsprojektionen Im Rahmen der tiefen Bestandsaufnahme konnte auf Seiten des Kernteams ein umfassender Überblick gewonnen werden, der es letztlich auch ermöglichte, Zukunftsprojektionen abzuleiten. Gleichzeitig wurde erneut Literatur hinzugezogen und das kreative Potenzial im Kernteam genutzt, um auch „Out-of-the-box“-Entwicklungen für jeden einzelnen Schlüsselfaktor zu ermitteln. 7.4.7 Bildung von Szenarien Mit den vorliegenden Zukunftsprojektionen wurde es möglich, die unterschiedlichen Entwicklungen der Schlüsselfaktoren zu Szenarien zu bündeln. Dazu wurde eine computergestützte Konsistenzanalyse durchgeführt; gleichzeitig wurde aber auch eine intuitive Bündelung durch die Bildung von „Projektionswolken“ mit Metaplantechnik im Kernteam durchgeführt. Beide Verfahren führten zu ähnlichen Ergebnissen. Im Kernteam wurde entschieden, drei Szenarien zu entwickeln (vgl. Reger, Mietzner, Nolting, 2008, 122 ff.)
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Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
7.4.8 Szenariokommunikation und Ableitung von Handlungsempfehlungen Die Kommunikation der Szenariostudie erfolgt im Wesentlichen über eine Buchveröffentlichung, die allen beteiligten Unternehmen, Experten und Partnern zur Verfügung gestellt wird. Gleichzeitig werden ausgewählte Inhalte der Studie innerhalb der Biotech-Community auf unterschiedlichen Veranstaltungen vorgestellt. 7.4.9 Bewertung der Ergebnisse der Szenarioanalyse Mit der Szenarioanalyse ist es gelungen, eine Systematisierung der Dienstleistungen in der roten Biotechnologie vorzunehmen, eine Einschätzung zum Marktpotenzial für DLrBT anzubieten sowie zukünftige Anwendungsbereiche, aktuelle und zukünftige Kundenanforderungen und Geschäftsmodelle zu ermitteln. Die Handlungsempfehlungen konnten sehr fundiert abgeleitet werden. Die Analyse kann einen wichtigen Beitrag liefern für Unternehmen, die sich mit Dienstleistungen in der roten Biotechnologie am Markt bewegen. Der Transfer der in der Studie ermittelten Ergebnisse in die strategische Planung bleibt weiterhin die individuelle Aufgabe der Unternehmen und kann durch eine breite Studie nicht abgedeckt werden. Auch diese Studie weist den Charakter einer „Open Foresight“-Untersuchung auf, die mit den „Closed Foresight“-Aktivitäten auf Unternehmensebene verknüpft werden muss, um die Studie für die strategische Planung zu nutzen. 7.4.10 Evaluation des methodischen Vorgehens Das Vorgehen innerhalb dieser Studie weist gegenüber den beiden anderen Szenarioanalysen Besonderheiten auf. Da es sich um eine umfassende Studie handelt, konnte die Bestandsaufnahme weitaus fundierter erfolgen als im Fall der Bioanalytik oder Weißen Biotechnologie.
Als ein wesentlicher Erfolgsfaktor hat sich im Rahmen der Bestandsaufnahme die Durchführung von Fallstudien in Biotechnologieunternehmen erwiesen sowie die Realisierung von Interviews mit Kunden der Biotechnologieunternehmen, um z.B. zukünftige Anforderungen der Pharmaindustrie an Biotechnologieunternehmen zu ermitteln. Die Aussagekraft der Interviews und Fallstudien ist bei Weitem höher einzuschätzen als die Ergebnisse, die in den durchgeführten Szenarioworkshops erzielt werden konnten.
Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
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Als Orientierung in der Bestandsaufnahme, wurde das 5-Kräfte-Modell nach Porter verwendet. Da jedoch die Internationalisierung im Porterschen Modell nicht in besonderem Maße berücksichtigt wird, mussten eine Anpassung des Models an die globale Branche Biotechnologie erfolgen und jede der fünf Kräfte an die Fragestellungen der Szenarioanalyse angepasst werden. Ähnlich wie im Fall der vor angegangenen Analysen wurde das 5-Kräfte-Modell durch Leitfragen operationalisiert, was die Bestandsaufnahme wesentlich erleichtert (vgl. Leitfragen in: Reger, Mietzner, Nolting, 2008, 12 ff.). Die entwickelten Leitfragen dienen z.B. Experten zur Orientierung bei der Vorbereitung von Input-Vorträgen oder können bei der Entwicklung von Interviewleitfäden hinzugezogen werden. Somit wurde der Erfolgsfaktor „systematische Bestandsaufnahme“ auch im Rahmen dieser Analyse bestätigt. Während es in der Szenarioanalyse Bioanalytik und In vitro Diagnostik noch schwierig war, auch die Perspektive der Kunden (z.B. Pharmaindustrie) fundiert zu ermitteln, gelang dies für die DLrBT besser, da die Pharmaunternehmen interviewt wurden und die Bereitschaft zu Interviews eher gegeben ist als die Bereitwilligkeit zur Teilnahme an Workshops oder Tagungen. Somit konnte die Durchführung von Fallstudien (Interviews, Dokumentenanalyse) in den Unternehmen als ein deutlicher Erfolgsfaktor für die Bestandsaufnahme identifiziert werden. Durch diese Form der Bestandsaufnahme wurden Muster im strategischen Verhalten identifiziert, interessante Auslandsmärkte diskutiert und typische Markteintrittsbarrieren systematisiert.
Insgesamt betrachtet muss jedoch auch kritisch reflektiert werden, dass die Durchführung von Fallstudien und Interviews mit einem hohen Aufwand verbunden ist; insbesondere im Hinblick auf die Ansprache geeigneter Interviewpartner. Aufgrund des großen Interesses an der Branche seitens der Politik und Forschung sind Unternehmen dazu gezwungen, Interviewanfragen abzulehnen, da die Anzahl der Anfragen für Befragungen und Interviews schlichtweg zu hoch ist. Da die Analyse bundesweit angelegt war, konnte auch nicht auf etablierte regionale Netzwerkstrukturen und einen Machtpromotor zurückgegriffen werden, wie im Fall der Szenarioanalyse für die Bioanalytik. So mussten Kontakte zu den Unternehmen sorgsam geknüpft und gepflegt werden. Da es sich im Fall der DLrBT um eine Studie handelt, die sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckte, sollten Maßnahmen getroffen werden, die eine Kommunikation der Zwischenergebnisse möglich machen. In diesem Zusammenhang könnte z.B. ein Wiki-System eingerichtet werden, dass die
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Konzeption und Implementierung von Szenarioanalysen
gemeinsame Bearbeitung von Inhalten ermöglicht oder auch über eine E-Learning Plattform (z.B. Moodle), innerhalb des Kernteams und mit Partnern kommuniziert.
Erfolgsfaktoren und Ausprägungen
Ideen für die Umsetzung
Erfolgsfaktor systematische Bestandsaufnahme Durchführung von Fallstudien (Inter- Leitfragen, die im Zusammenhang mit der Operationalisierung des views, Dokumentenanalyse) mit untheoretischen Modells (hier: 5terschiedlichen Akteursgruppen Kräfte-Modell) entwickelt wurden, (Biotechnologie und Pharmaindustbilden die Grundlage für Interviewrie) ermöglicht eine tiefe Themenleitfäden durchdringung und das Erreichen von Akteuren, für die eine Teilnahme an Workshops oder Tagungen nicht möglich oder sinnvoll ist Erfolgsfaktor Zugang zu Akteuren Etablierung eines Lenkungsaus Identifikation geeigneter Interviewschusses partner und geeigneter Unternehmen für Fallstudien durch die Einbindung von Netzwerkpartnern oder Integration eines Machtpromotors in das Kernteam anderen Intermediären (Machtpromotor) Erfolgsfaktor Kommunikation Transparenz und Projektverlauf soll- ten insbesondere in Szenariostudien, die über einen langen Zeitraum hinweg durchgeführt werden, kommuniziert werden mit Partnern und eingebundenen Akteuren
Einrichtung eines Wiki-Systems oder einer E-Learning Seite (z.B. Moodle), um den Projektverlauf zu kommunizieren und die Möglichkeit eines Feedbacks einzuräumen
Tabelle 7.12 Erfolgsfaktoren und Ausprägungen für die Umsetzung von Szenarioanalysen (Teil 3)
Eine zusammenfassende Darstellung und Diskussion der Erfolgsfaktoren und neuer Ansätze für Szenarioanalysen auf Basis der dargestellten Analysen erfolgt in Kapitel 8.4.
8
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen die strategische Vorausschau sowie die Szenarioanalyse als eine Methode. Über die Gestaltung von Prozessen und den Einsatz von Methoden der strategischen Vorausschau in KMU lagen bisher kaum Informationen und empirische Befunde vor. Dies gilt insbesondere für die Prozessgestaltung. In der Arbeit wird die Praxis der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen im Rahmen von 30 Fallstudien untersucht. Da bereits im Vorfeld der empirischen Untersuchung davon auszugehen war, dass es ein unterschiedliches Verständnis zu Vorausschauaktivitäten in den Unternehmen gibt und Begriffe und Methoden uneinheitlich verwendet werden, wurde auf den Fallstudienansatz zurückgegriffen, der eine offene und tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht, als dies z.B. mit quantitativen Methoden möglich ist. Für die Fallstudien wurden Biotechnologieunternehmen ausgewählt, so dass die Ergebnisse auf diese Branche ausgerichtet sind und konkrete Maßnahmen und Empfehlungen am Beispiel dieser Branche abgeleitet werden konnten. Dennoch sind die vorgestellten Ansätze zum Open und Closed Foresight sowie Erfolgsfaktoren und neue Ansätze der Szenarioanalyse auch auf KMU andere Branchen übertragbar.
In der empirischen Untersuchung zur Praxis der strategischen Vorausschau konnten sechs unterschiedliche Typologien im Vorgehen identifiziert werden. Dabei wird zwischen dem wissenschaftsgetriebenen Ansatz (Früherkennung per se), dem netzwerkorientierten Ansatz, dem marketinggetriebenen Ansatz, dem GatekeeperAnsatz und dem controllingbasierten Ansatz unterschieden. Des Weiteren gibt es Unternehmen, die keine strategische Vorausschau betreiben. Unternehmen, die den Gatekeeper-Ansatz verfolgen gelingt es, sowohl Entwicklungen aktueller und potenzieller Märkte als auch Technologien in die strategische Vorausschau zu integrieren; gleichzeitig haben die Unternehmen, die diesem Ansatz zuzuordnen sind, eine vergleichsweise höhere Zukunftsorientierung. Unternehmen, die den wissenschaftsgetriebenen Ansatz verfolgen, fokussieren ihre Vorausschauaktivitäten stärker auf die Technologie, während im marketinggetriebenen Ansatz die Beobachtung aktueller und potenzieller Kunden und Wettbewerber im Vordergrund steht. Im controllingbasierten Ansatz wird die strategische Vorausschau eng mit dem Risikomanagement verknüpft und als ein Warnsystem verstanden.
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Ein systematischer Prozess der strategischen Vorausschau konnte in keinem der untersuchten Unternehmen identifiziert werden. Insgesamt ist das Vorgehen in der strategischen Vorausschau in den Unternehmen durch eine stark informelle Informationssammlung in Netzwerken gekennzeichnet, die Informationen fließen überwiegend unsystematisch in das Unternehmen, wesentliche Methoden sind Internetrecherchen, Screening von Websites und Publikationsanalysen; die Szenarioanalyse kommt nur in den Unternehmen in einer vereinfachten Anwendung zum Einsatz, die dem Gatekeeper-Ansatz zuzuordnen ist. Als Ursachen für eine unzureichende strategische Vorausschau konnten ein defensives Management, kurzfristige Planungshorizonte, knappe Ressourcen und ein geringer Fokus auf den Unternehmenskontext ermittelt werden. Dem gegenüber stehen Anforderungen der Biotechnologieunternehmen an Methoden und Prozesse der strategischen Vorausschau. Demzufolge müssen spezifizierte und individualisierte Informationen zur Verfügung stehen; generelle Trendextrapolationen oder Reports von Analysten werden als ungenügend eingeschätzt. Spezifische Informationen und eine individualisierte Informationsbasis müssen mit Methoden der strategischen Planung verknüpft und in das operative Geschäft integriert werden. Dabei besteht kein Bedarf an neuen Methoden sondern an einfacheren und effizienten Ansätzen.
Somit konnte im Rahmen der Fallstudien die Hypothese, dass Szenarien nicht oder nur selten in kleinen und mittleren Unternehmen, bezogen auf das Untersuchungssample der Biotechnologieunternehmen, bestätigt werden.
In Kapitel sieben wurden drei Szenarioanalysen, die als „Open Foresight“-Projekte für Biotechnologieunternehmen realisiert wurden, diskutiert und evaluiert. Diese „Open Foresight“-Projekte sind ein Ansatzpunkt, wie Szenarioanalysen auch für KMU realisiert werden können. Dennoch wurde offenkundig, dass „Open Foresight“-Projekte allein nicht ausreichen, um den strategischen Vorausschauprozess zu begründen, da die Verknüpfung zur strategischen Planung bei der alleinigen Durchführung von „Open Foresight“-Projekten fehlt. „Open Foresight“-Projekte dienen der Generierung von Zukunftswissen und der Entwicklung einer Zukunftsorientierung.
Im Folgenden sollen neue Ansätze der szenariobasierten Vorausschau diskutiert werden mit dem Ziel, eine stärkere Zukunftsorientierung zu etablieren und einen strategischen Vorausschauprozess auch in kleinen und mittleren Unternehmen zu
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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ermöglichen. Dabei wird zwischen „Open Foresight“ und „Closed Foresight“-Ansätzen unterschieden. Unter Open Foresight wird in dieser Arbeit die Öffnung des Prozesses der strategischen Vorausschau verstanden und damit die aktive Nutzung der Außenwelt eines Unternehmens, um die Möglichkeiten der Generierung von Zukunftswissen in Vorausschauprozessen zu verbessern. Unter dem Begriff Closed Foresight werden alle Vorausschauaktivitäten zusammengefasst, die innerhalb des Unternehmens stattfinden und eng mit der strategischen Planung verknüpft sind. Open und Closed Foresight sind dabei nicht als konkurrierende, sondern als sich gegenseitig ergänzende Konstrukte zu verstehen.
Die Ergebnisdarstellung erfolgt auf der Basis der umfassenden Auseinandersetzung mit theoretischen Ansätzen zur Szenarioanalyse, der strategischen Vorausschau, Strategieentwicklung mit Szenarien und weiteren Ansätzen aus der Zukunftsforschung (vgl. Kapitel 2 bis 5). Des Weiteren basieren die Ergebnisse und neuen Konzepte auf eigenen empirischen Erkenntnissen aus der Fallstudienarbeit zur Praxis der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen (vgl. Kapitel 6), auf der Herausarbeitung von „Good Practice“ zum Einsatz von Szenarioanalysen in kleinen und mittleren Unternehmen auf der Grundlage von Experteninterviews (vgl. Kapitel 6.4) und auf den Ergebnissen aus der Durchführung von drei umfangreichen Szenarioprojekten (vgl. Kapitel 7). 8.1
Open Foresight: Szenarioanalysen im Netzwerk
Aufgrund begrenzter Kapazitäten und der spezifischen Ausrichtung des Geschäftsmodells wird die Schaffung einer Stelle für die strategische Vorrauschau von den Unternehmen nicht in Betracht gezogen. Strategische Vorausschau wird als eine unstrukturierte Aufgabe des Managements aufgefasst, gegebenenfalls mit externer Unterstützung (vgl. auch Roll, Weber, 2006, 207). Durch die ausschließliche Einbindung von Gatekeepern in die strategische Vorausschau besteht die Gefahr der Informationshoheit, so dass ein Ansatz gewählt werden muss, der den Einbezug unterschiedlicher Funktionsbereiche und des Managements ermöglicht. Durch die Externalisierung der Generierung von Zukunftswissen kann (1) die Bestandsaufnahme und Informationssammlung auf eine breitere Basis gestellt werden und können (2) Ressourcen gemeinsam genutzt werden. Zukunftswissen wird in diesem Ansatz außerhalb des Unternehmens, in Netzwerken mit anderen Unternehmen der gleichen
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Branche, Forschungseinrichtungen, weiteren Netzwerken und der Politik generiert. Die in Kapitel 7 diskutierten Szenarioprojekte sind Beispiele für „Open Foresight“Projekte der Biotechnologie. Durch die gemeinsame Anwendung der Szenarioanalyse können Ressourcen geteilt und auch Netzwerkeffekte erzielt werden. Für die Realisierung von „Open Foresight“-Initiativen ist die Unterstützung eines Partners oder einer Institution erforderlich, um den „Open Foresight“-Prozess zu begleiten, zu moderieren und methodisches Know-how sicherzustellen. Als Partner und Initiatoren kommen Netzwerke oder Beratungsunternehmen in Betracht. Die Ergebnisse der „Open Foresight“-Projekte müssen in einem nächsten Schritt mit der strategischen Planung der Unternehmen oder mit weiteren Closed Foresight Aktivitäten verknüpft werden. Das in „Open Foresight“-Projekten generierte Zukunftswissen bildet dabei die Grundlage für die weitere strategische Planung und Maßnahmenumsetzung. In diesem Sinne und unter Berücksichtigung der in Kapitel 8.4 diskutierten Erfolgsfaktoren, ist die Szenarioanalyse auch für die Umsetzung in kleinen und mittleren Unternehmen geeignet. Die Hypothese 2 - die Szenariomethode ist für die Strategieentwicklung geeignet und kann in kleinen und mittleren Unternehmen eingesetzt werden - kann somit bestätigt werden. 8.2
Closed Foresight: Neue Ansätze in der strategische Vorausschau mit Toolunterstützung am Beispiel von Biotechnologieunternehmen
Im Folgenden wird ein Prozess vorgestellt, der eine systematische, strategische Vorausschau in KMU, umgesetzt am Beispiel der Biotechnologieunternehmen, ermöglicht. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der auf Unternehmensebene stattfindet und deshalb als Closed-Foresight-Ansatz beschrieben wird. Der Prozess der strategischen Vorausschau schließt die Implementierung von Szenarioanalysen ein und kann darüber hinaus durch ein New Market Intelligence (NMI) Tool unterstützt werden. 8.2.1 New Market Intelligence: Strategische Vorausschau mit Toolunterstützung Der Prozess der strategischen Vorausschau mit Szenarien wird an unterschiedlichen Prozessschritten (vgl. Abbildung 8.6) durch das NMI Tool begleitet. Das in einer Pilotanwendung entwickelte NMI Tool wird in Form einer intranetbasierten WebApplikation umgesetzt und ist das Ergebnis der umfangreichen Bestandsaufnahme im Rahmen von Fallstudien zur Praxis der strategischen Vorausschau in Biotechnologieunternehmen (vgl. Kapitel 6). Anforderungen an Informationen, die in den Pro-
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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zess der strategischen Vorausschau einfließen, variieren sehr stark in den Unternehmen. Durch die Eingrenzung auf eine Branche wurde es möglich, das Tool speziell auf die Bedürfnisse dieser Branche zuzuschneiden. Biotechnologieunternehmen bewegen sich in kleinen Marktnischen und müssen sehr früh in internationale Märkte eintreten. Dies stellt besondere Herausforderungen an die strategische Vorausschau, die in der Toolentwicklung berücksichtigt wurden. Das entwickelte Tool begleitet das Management in der strategischen Vorausschau und ermöglicht die frühzeitige Identifikation neuer Märkte und Geschäftsmöglichkeiten, das Erkennen von Trends und „schwachen Signalen“ sowie das Ableiten von strategischen Entscheidungen. Die im Rahmen der Früherkennung gewonnenen Informationen dienen als Entscheidungsgrundlage für das strategische Management und begründen den Vorausschauprozess. Als wesentliche Anforderungen an ein Tool in der strategischen Vorausschau wurden im Rahmen von Fallstudien in Biotechnologieunternehmen identifiziert:
die Möglichkeit der Spezifizierung und Individualisierung von Informationen (customized approach)
die Verknüpfung der Informationsbasis mit Methoden der strategischen Planung
die Integration der Ergebnisse der strategischen Vorausschau in das operative Geschäft
die einfache und effiziente Anwendbarkeit von Methoden der strategischen Vorausschau (vgl. Kapitel 6)
Das NMI Tool wurde als eine webbasierte Anwendung realisiert. Neben klassischen Internet-Portal-Funktionen, welche die allgemeinen Informations- und Kommunikationsanforderungen abdecken, werden für Unternehmen individualisierbare Spezialdienste angeboten, die den Früherkennungsprozess umfassend unterstützen. Dazu gehören in erster Linie Web-Content-Mining-Dienste, die dabei helfen, unternehmensrelevante Informationen aus dem Internet zu erheben und diese in strukturierter Form ins Unternehmen zu integrieren. Mit Hilfe eines Redaktionssystems können aber auch sowohl Informationen aus dem Internet als auch Informationen aus informellen Quellen, beispielsweise von Gatekeepern, gesammelt und effizient wieder auffindbar hinterlegt werden. Somit können wesentliche Einflussfaktoren für unternehmensspezifische Fragestellungen identifiziert werden, basierend auf den permanent gesammelten und aufbereiteten Informationen im NMI Tool.
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Mit dem NMI Tool ist es gelungen, ein Strategietool mit integrierten und individualisierbaren Wissensmanagementelementen umzusetzen, das als eine unternehmensweit verfügbare Intranetlösung realisiert werden kann. Die Inhalte des Tools werden an die unternehmensspezifischen Bedürfnisse angepasst (customized approach), um individuelle Anforderungen in der strategischen Vorausschau zu berücksichtigen. Eine erste Spezifizierung des Tools wurde durch die Berücksichtigung der Branche Biotechnologie erreicht; eine weitere Spezifizierung wird durch die individuelle Anpassung der Toolinhalte an das jeweilige Biotechnologieunternehmen ermöglicht. Die im Tool gesammelten und systematisierten Informationen werden mit Methoden der strategischen Planung und Vorausschau verknüpft.
Im NMI Tool werden Web 2.0 Elemente, wie z.B. der Ansatz des Social Bookmarkings oder die Aufbereitung von Informationen in Form von News Feeds integriert. Social Bookmarking meint in diesem Zusammenhang das Hinzufügen, Löschen, Kommentieren und Verschlagworten (Tagging) von Informationen. News Feeds werden meist von Betreibern von Nachrichtenseiten, Weblogs und Foren angeboten, um über neue Artikel und Beiträge auf deren Website zu informieren. Durch die Integration von News Feeds in das NMI Tool können relevante Beiträge gesammelt und in Form einer elektronischen Tageszeitung zur Verfügung gestellt werden. Dabei steht insbesondere der Anspruch der unternehmensspezifischen Individualisierung von Inhalten im Vordergrund. Somit greift das Tool auf neuere Methoden einer strategischen Vorausschau zurück (vgl. Darstellung zu neuen Methoden der strategischen Vorausschau in Tabelle 2.6 in Kapitel 2). 8.2.2 New Market Intelligence Tool: Wesentliche Funktionen Im Tool werden die drei Kernbereiche „Information“, „Knowledge Transfer und Library“ sowie „Strategy“ unterschieden. Die drei Bereiche werden im Folgenden näher erläutert. Der konzeptionelle Entwurf des NMI Tools ist in der nachfolgenden Abbildung 8.1 zusammenfassend dargestellt.
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Abbildung 8.1 New Market Intelligence Tool (Konzept)
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
NMI Tool: Informationssammlung Im Bereich „Information“ (vgl. Abbildung 8.2) werden Brancheninformationen, Unternehmensdaten und Marktdaten zu wesentlichen Auslandsmärkten gesammelt und systematisiert. Der Bereich „Information“ bildet somit eine wichtige Datenbasis für das Tool. Die Informationen können durch das Managementteam oder den Funktionsbereichsleiter (z.B. Marketing) bewertet und erweitert werden. In der Fallstudienarbeit mit den Unternehmen wurden die Märkte USA und Großbritannien als die wichtigsten Märkte für die deutsche Biotechnologieszene benannt. Frankreich ist ein interessanter europäischer Markt, der Markteintritt ist für die Unternehmen jedoch nur sehr schleppend möglich. Der französische Markt gilt als „abgeschottet“, französische Unternehmen werden seitens der potenziellen französischen Kunden bevorzugt und die Sprachbarriere ist als vergleichsweise hoch einzuschätzen, da kaum Englisch gesprochen wird (vgl. Reger, Mietzner, Nolting, 2008, 92). Trotzdem weist dieser Markt ein hohes Potenzial auf und ist u.U. gerade aufgrund des beschwerlichen Markteintritts für einige Biotechnologieunternehmen besonders interessant, da auch Wettbewerbsunternehmen vor einem Markteintritt zurückschrecken könnten. Als ein aufstrebender Markt wurde Indien identifiziert und ebenfalls in die Datenbasis integriert. Neben Deutschland sind somit mit England und den USA zwei LeadMärkte, Frankreich als ein Markt mit hohem Potenzial in Europa und mit Indien ein aufstrebender Markt im Pilot-Tool abgebildet. Zu jedem Markt werden generelle Marktdaten gesammelt und visualisiert sowie entscheidende Marktakteure erfasst und bewertet. So werden z.B. zu jedem Markt Biotechnologieunternehmen aufgeführt, die sowohl als aktueller oder potenzieller Wettbewerber als auch als Partner, Zulieferer oder Kunden klassifiziert werden können. Des Weiteren werden Forschungsinstitute und Pharmaunternehmen als weitere wichtige Kundengruppe sowie Promotoren und Behörden dargestellt (vgl. Abbildung 8.2).
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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Abbildung 8.2 NMI Tool: Bereich Information: Datenbasis zu ausgewählten Ländermärkten
Es besteht auch die Möglichkeit, Stärken und Schwächen der Marktakteure zu bewerten oder generelle Bemerkungen vorzunehmen und zu speichern (vgl. Abbildung 8.3). Neben der Darstellung der Biotechnologieunternehmen werden auch Pharmaunternehmen, Forschungsinstitute, Distributeure, Promotoren und wesentliche Behörden abgebildet und individualisiert. Das Tool erlaubt auch das Hinzufügen von Ansprechpartnern und Kontaktdaten. Somit entsteht eine Datenbasis, die die Grundlage bildet für eine fundierte Wettbewerbs- oder Kundenpotenzialanalyse. Die Datenbasis kann durch zusätzliche Märkte erweitert oder reduziert werden.
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Abbildung 8.3 Zuordnung von Relationen (aktuelle und potenzielle Wettbewerber, Kunden, Partner, Zulieferer)
Durch die Zuordnung von Suchbegriffen zu den Biotechnologieunternehmen wird die Suche nach Wettbewerbern oder Partnern innerhalb des Tools erleichtert. Dabei besteht die Möglichkeit, Beschreibungen und Anmerkungen zu den Marktakteuren durch den Nutzer vorzunehmen; es werden aber auch die im Zusammenhang mit den Unternehmenshomepages definierten Suchbegriffe automatisch dargestellt und regelmäßig automatisiert aktualisiert (vgl. Abbildung 8.4), wodurch die Suche nach Unternehmen, die z.B. eine bestimmte Technologie anbieten, ermöglicht wird.
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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Abbildung 8.4 Darstellung der automatisch generierten Suchbegriffe am Bespiel eines ausgewählten Unternehmens
NMI Tool: Knowledge Transfer and Library Eine wesentliche Funktion im Bereich „Knowledge Transfer und Library“ (vgl. Abbildung 8.1) ist die Sammlung, Strukturierung und Bewertung von formellen, aber auch von informellen Informationen. Die Library ermöglicht das Auffinden der Informationen und den Wissensaustausch im Managementteam. Im Bereich Knowledge Transfer besteht die Möglichkeit, auch informelle Informationen (Konferenznotizen, Beobachtungen, Bilder, Ideenskizzen) systematisch in den Prozess der strategischen Vorausschau zu integrieren. Dabei werden den Informationen so genannte Codes zugeordnet, die im weiteren Strategieprozess, z.B. für die Bestandsaufnahme und die Fundierung von Einflussfaktoren für die Szenarioanalyse, genutzt werden können. Somit wird es möglich, auch informelles Wissen zu systematisieren, für Strategieprozesse zu nutzen und dem gesamten Managementteam verfügbar zu machen. Über den Bereich der Library kann dieses Wissen abgerufen werden. Mit dieser Form des Datentransfers wird ein Weg vorgeschlagen, der der informellen Datensamm-
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
lung der Unternehmen gerecht wird. Die verwendeten Codes können unternehmensspezifisch angepasst, erweitert oder reduziert werden. Viele Einflussfaktoren gleichen sich in unterschiedlichen Unternehmen, haben jedoch einen unterschiedlich starken Einfluss auf verschiedene Untersuchungsgegenstände. Der hohe Zeitaufwand in Szenarioanalysen wird ausgelöst durch die Notwendigkeit der umfangreichen Sammlung von qualitativen und quantitativen Informationen. Diese Informationen müssen zudem an die jeweiligen Informationsbedürfnisse und komplexen Problemstellungen der Unternehmen angepasst werden, ohne an Konsistenz einzubüßen (vgl. Masini, Vasquez, 2000, 63). Das im NMI Tool integrierte Coderaster entspricht einem Katalog an Einflussfaktoren, die für die Ausarbeitung von Szenarioprojekten genutzt werden können. Somit entfällt ein Großteil redundanter Arbeit (vgl. Jakob, Kiehne, Schwarz, Kaiser, Beucker, 2007, 9 f.). In der Pilotanwendung sind die in der Tabelle dargestellten Codes vorgesehen.
Produkte und Dienstleistungen (intern) Aktueller Marktanteil
Erwarteter Marktanteil
Neue Produkte und Dienstleistungen
Human Resources (intern) Managementqualifikation
Qualifikationen und Fähigkeiten der Mitarbeiter
Marketing (intern) Schlüsselkunden
Potenzielle Kunden
Operations (intern) Fähigkeit zur Massenherstellung
Produktionskapazitäten
Wettbewerb Wettbewerbsvorteil
Kernkompetenzen
Marktanteil
Zukunftspläne
Neue Produkte und Dienstleistungen
Positionierung
Ressourcen und Fähigkeiten
Kundenwert Ziele und Werte der Kunden
Kundenklassifizierungen
Qualitätsanforderungen
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Serviceanforderungen
Technologieentwicklung Neue Technologien („Weak Signals“)
Externe Technologieexpertise (Lizenzen, Allianzen, Joint Ventures)
Patente
Prozesstechnologien
Proprietäre Technologien
FuE-Expertise
Gesetzliche Rahmenbedingungen, Regularien x GMP-Regularien x
FDA-Regularien
Ländermärkte Allgemeine Entwicklungen in den USA
Allgemeine Entwicklungen in Großbritannien
Allgemeine Entwicklungen in Indien
Allgemeine Entwicklungen in Frankreich
Allgemeine Entwicklungen in Deutschland
Unerwartete Ereignisse
Unerwünschte politische Entwicklungen
Tabelle 8.1 Codekategorien und Codes
Das Tool ermöglicht es, Informationen sowohl direkt als Freitext einzugeben, auf eine Internetseite hinzuweisen oder auch ein Dokument in das Tool zu laden. Über das Anbieten von Schlagworten (Tagging) wird es möglich, die Inhalte leicht wieder auffindbar abzulegen. In diesem Funktionsbereich werden Ansätze des Web 2.0 auf den Unternehmenskontext übertragen. Das Tool greift an dieser Stelle auf Elemente des Social Bookmarking (z.B. del.icio.us) zurück, das vorsieht, interessante Internetseiten auch anderen Nutzern verfügbar zu machen und gleichzeitig selbst eine größere Wissensbasis aufzubauen. Zusätzlich wird der Ansatz des „Codierens“ aus der qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. die Ausführungen zur qualitativen Inhaltsanalyse in Kapitel 6) in das Tool integriert. Dabei werden Inhalten aus unterschiedlichen Quellen Codes zugeordnet. Die Codes entsprechen Faktoren, die die Unternehmenssituation beschreiben und in der Terminologie von Szenarioanalysen als Einflussfaktoren bezeichnet werden können und im Bereich „Strategy“ in die Szenarioanalyse einfließen.
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Codeliste
Abbildung 8.5 Wissenstransfer und Codezuordnung im NMI Tool
NMI Tool: Strategy Die Bereiche „Information“ und „Knowledge Transfer und Library“ sind mit dem Bereich „Strategy“ verknüpft. In diesem Modul werden die im Tool gesammelten, systematisierten und codierten Informationen in Methoden der strategischen Planung und Vorausschau integriert. In der Pilotanwendung werden im Tool eine SWOTAnalyse, die Wettbewerbsanalyse und eine einfache Szenarioanalyse integriert. Des Weiteren verweist das Tool auf einen Leitfaden, der die Unternehmen bei der Auswahl eines geeigneten Auslandsmarktes und einer geeigneten Markteintrittsform unterstützt (Markt-Entrance-Guide (MEG)). Ein weiteres Tool im Strategiebereich ist ein Frühwarnsystem, über das wesentliche Einflussfaktoren (treibende Kräfte) einem regelmäßigen Monitoring unterzogen werden können. 8.3
Integrierter Ansatz: Strategische Vorausschau in Biotechnologieunternehmen mit Toolunterstützung
In der nachfolgenden Übersicht ist das Konzept für die Prozessgestaltung der strategischen Vorausschau mit Szenarien graphisch dargestellt. Die Entwicklung von Strategien mit Szenarien erfordert die Entwicklung eines Templates im Sinne einer Prozessbeschreibung (Step-by-step-Ansatz), um von der Bestandsaufnahme über die Vorausschau zur Strategieentwicklung und Umsetzung zu gelangen (vgl. Wilson, 2000, 26). Dies ist insbesondere deshalb erforderlich, da es sich bei den untersuch-
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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ten Unternehmen um junge Unternehmen handelt, die oftmals aus dem Forschungsumfeld heraus gegründet wurden und somit nur wenige Erfahrungen mit strategischen Planungsprozessen auf Seiten des Managements vorliegen. Die Abbildung soll auch verdeutlichen, an welchen Prozessschritten das NMI Tool zum Einsatz gelangen kann.
Entscheidungsfokus: Entwicklung einer strategischen Fragestellung (Schritt 1) Im ersten Schritt der szenariobasierten strategischen Vorausschau soll es nicht darum gehen, Faktoren zu sammeln, die die Entwicklung des Unternehmens beeinflussen, vielmehr muss eine strategische Fragestellung, die im Rahmen des Prozesses beantwortet werden soll, deutlich herausgearbeitet werden. Dabei sind wiederum die Übereinstimmung und das Commitment im Managementteam über die Bearbeitung der strategischen Fragestellung eine notwendige Voraussetzung, um Akzeptanz und Relevanz der Ergebnisse sicherzustellen.
Ermittlung des Status quo – Ausgangssituation (Schritt 2) Im zweiten Schritt der strategischen Vorausschau werden eine Bestandsaufnahme zu den Stärken und Schwächen des Unternehmens (interne Perspektive) durchgeführt sowie daraus resultierende Chancen und Risiken abgeleitet. Ziel es dabei, den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens herauszuarbeiten. Dazu wird in einem nächsten Schritt auch eine Wettbewerbsanalyse durchgeführt, um Stärken und Schwächen der Wettbewerber zu identifizieren und mögliche Gefahren aber auch Chancen in der Wettbewerbsdifferenzierung zu identifizieren.
306
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Schritt 1 Entscheidungsfokus: Entwicklung einer strategischen Fragestellung Schritt 2 Ausgangssituation – Status quo Interne Perspektive
Externe Perspektive
Wettbewerbsanalyse
SWOT Analyse
mit Unterstützung im NMI Tool
mit Unterstützung im NMI Tool
-
- Substituierende Produkte und Dienstleistungen - Kundenverhalten/Marktgröße - Rolle der Zulieferer
Management Kompetenzen/HR Kapitalausstattung Technologie
Schritt 3 Herausarbeitung von Ursachen und Quellen für Wettbewerbsvorteile Ursache- Wirkungs- Diagramm
Was sind Ursachen/Quellen für Wettbewerbsvorteile? Was sind die einzigartigen Elemente, die den Wettbewerbsvorteil begründen? Was sind die Elemente, die nur schwer nachgeahmt werden müssen?
Schritt 4 Durchführung einer Szenarioanalyse Herausarbeitung einer strategischen Fragestellung, Themeneingrenzung (geographische Reichweite, Gestaltungsfeld, Zukunftshorizont) Entwicklung eines geeigneten Szenariodesigns (Kriterienraster)
Szenarioanalyse als Open Foresight Projekt
Szenarioanalyse als Closed Foresight Projekt mit NMI Tool Unterstützung
Durchführung einer Szenarioanalyse entlang des ermittelten Analysedesigns zusammen mit anderen Unternehmen der gleichen Branche, anderer relevanter Branchen (z.B. IT), Netzwerken, Wissenschaft und Politik)
Identifikation von Einflussfaktoren auch im NMI Tool möglich Durchführung der Einflussanalyse auch im NMI Tool möglich Identifikation von Schlüsselfaktoren im NMI Tool möglich Ableitung von Zukunftsprojektionen im NMI Tool möglich Bündelung von Szenarien
Schritt 5 Bewertung des Geschäftskonzeptes vor dem Hintergrund der Szenarien Schritt 6 Ableitung von Strategieoptionen und Strategiebildung Was sind mögliche Optionen, um auf Veränderungen im Unternehmensumfeld zu reagieren? Welche Anpassung des Geschäftskonzeptes ist erforderlich, um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein? Eintritt in neue Märkte, Marktentwicklung, Produktentwicklung, Horizontale Integration, Konzentrische Diversifikation
Schritt 7 Operationalisierung der Strategieoptionen durch Maßnahmen und Projekte Erstellung eines Businessplans, Maßnahmenplans, Projektplans, Roadmap
Schritt 8 Maßnahmenumsetzung Realisierung von Projekten und konkreten Maßnahmen, Entwicklung von Businessplänen Monitoring von Schlüsselfaktoren („Early Warning“)
= Unterstützung durch das New Market Intelligence (NMI) Tool
Abbildung 8.6 Ablauf der strategischen Vorausschau mit Tool-Unterstützung
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
307
SWOT-Analyse Die SWOT-Analyse ermöglicht eine systematische Auseinandersetzung mit der internen Unternehmensperspektive, eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten und den daraus resultierenden Chancen und Risiken (vgl. z.B. Fleisher, Bennsousan, 2003, 92 ff.).
Die nachfolgend aufgeführten Leitfragen sollen die Herausarbeitung der aktuellen Unternehmenssituation und die Identifikation von Stärken und Schwächen unterstützen.
Wettbewerbsposition Welche Aktivitäten führen dazu, dass der Kunde die Leistungen des Unternehmens in Anspruch nimmt? Wie leicht oder schwierig ist es für Wettbewerber, die Leistungen des Unternehmens zu kopieren? Warum würden andere Unternehmen das Geschäftsmodell nicht kopieren? Welche Elemente/Aktivitäten können nicht oder nur schwer nachgeahmt werden durch neue oder existierende Wettbewerber? Kundenverhalten Wer ist der typische Kunde? Was sind Wünsche und Probleme der Kunden? Welche Leistungen nehmen Kunden in Anspruch? Welche Werte bekommt der Kunde vom Unternehmen vermittelt? Managementkompetenzen/Leadership Gibt es Vertrauen, persönliche Netzwerke, Reputationen, die durch neue oder existierende Wettbewerber nur schwer aufgebaut werden können? Human Resources/Kompetenzen Was sind die einzigartigen Faktoren, die es ermöglichen, den Wettbewerbsvorteil auszuschöpfen? Gibt es Team-Know-how, Vertrauen, Netzwerke, Reputationen, die durch neue oder existierende Wettbewerber nur schwer aufgebaut werden können? Kapitalausstattung Ist genügend Kapital für FuE und die laufende Geschäftstätigkeit vorhanden? Technologie Was sind die einzigartigen Faktoren, die es ermöglichen, den Wettbewerbsvorteil auszuschöpfen?
308
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Welche gesetzlichen Schutzrechte, welches Know-how, welche Prozesse existieren im Unternehmen, die nur schwer nachgeahmt werden können durch neue oder existierende Wettbewerber? Substituierende Produkte und Dienstleistungen Welche Produkte, Dienstleistungen, Prozesse oder Verfahren gibt es, die heute oder in Zukunft das eigene Angebot ersetzen könnten? Rolle der Zulieferer Welche Rolle spielen Zulieferer heute und in Zukunft im Hinblick auf die Absicherung des Wettbewerbsvorteils? Abbildung 8.7 Leitfragen in der SWOT-Analyse
Die Ergebnisse der SWOT-Analyse können, wie z.B. in Abbildung 8.8 dargestellt, aufbereitet werden. Die Durchführung der SWOT-Analyse ist eine Aufgabe im Managementteam.
Neben der Erarbeitung der SWOT-Analyse im Managementteam, bietet auch das NMI Tool Indikatoren an, die zusätzlich eine quantitative Einschätzung zu Stärken und Schwächen ermöglichen und in einem Stärken-Schwächen-Profil im NMI Tool im Bereich „Strategy“ visualisiert werden (vgl. Indikatoren in Abbildung 8.9).
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Internal Strength
309
Internal Weaknesses
1.
1.
2.
2.
3.
3.
4.
4.
Etc.
Etc.
External Opportunities
External Threats
1.
1.
2.
2.
3.
3.
4.
4.
Etc.
Etc.
Internal Factors
Threats
Opportunities
External Factors
Strength
Weaknesses
1.
2.
Internal Strengths Matched with External Opportunities
Internal Weaknesses Relative to External Opportunities
3. Internal Strengths Matched with External Threats
4. Internal Weaknesses Relative to External Treats
Competitive Advantage Abbildung 8.8 SWOT-Analyse (Vorlage) (Fleisher, Bennsousan, 2003, 93)
Wettbewerbsanalyse Bereits im Bereich „Information“ werden Marktakteuren Rollen (aktueller oder potenzieller Kunde oder Wettbewerber, Zulieferer oder Partner) zugewiesen und eine Einschätzung zu Stärken und Schwächen der Wettbewerber vorgenommen. Die in der SWOT-Analyse entwickelte Selbsteinschätzung wird der Wettbewerbsanalyse aktueller und potenzieller Konkurrenzunternehmen gegenübergestellt. In einer einfachen Klassifizierung wird im Bereich „Information“ im NMI Tool eine Einschätzung im Hinblick auf Stärken und Schwächen in den Managementkompetenzen/im Leader-
310
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
ship, der Human Resources/in den Kompetenzen, der Kapitalausstattung, der Technologie, des operativen Geschäftes und den soziopolitischen Faktoren (Einfluss, Beziehungen) für aktuelle und potenzielle Wettbewerber vorgenommen. In der nachfolgenden Abbildung sind die in der Pilotanwendung verfügbaren Indikatoren im Überblick dargestellt.
Management Profile Personality Background Past success and failures Human Resource Level of training Quality and skill of personnel Capital Resource Level of capital availability Technology Proprietary technology, patents R&D expertise Access to outside expertise through licensing, alliances, joint ventures Operations Manufacturing capacity Ability to mass customize Marketing and sales activities Socio-political Public affairs experience Connections of board members Abbildung 8.9 Indikatoren im Stärken-Schwächen-Profil (Wettbewerbsanalyse und im Bereich SWOT-Analyse)
Diese Indikatoren können im NMI Tool unternehmensspezifisch angepasst und erweitert werden. Neben einer Bewertung der Indikatoren mit Hilfe eines Ratings können auch qualitative Einschätzungen zu jedem Indikator vorgenommen werden, auf die für die Wettbewerbsanalyse zurückgegriffen werden kann (vgl. Abbildung 8.10).
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
311
Biotech Example Example Biotech
Biotech Example
Abbildung 8.10 Bewertung von Stärken und Schwächen der Wettbewerber im NMI Tool10 (Likert-Skala und qualitative Einschätzung)
Durch die Betrachtung der eigenen Unternehmenssituation in der SWOT-Analyse wird deutlich, welche Wettbewerbsvorteile vorliegen, abgesichert oder noch entwickelt werden müssen. In der Wettbewerbsanalyse muss dieser identifizierte Wettbewerbsvorteil deutlich hinterfragt werden. Dabei wird die Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen in Relation zu den Stärken und Schwächen der aktuellen und potenziellen Wettbewerber betrachtet und es werden erneut mögliche Gefahren identifiziert oder Chancen antizipiert. Ziel der Wettbewerbsanalyse ist es auch, den im Rahmen der SWOT-Analyse ermittelten Wettbewerbsvorteil kritisch vor dem Hintergrund der Wettbewerbsbetrachtung zu hinterfragen.
Zeichnen sich Wettbewerber durch besondere Leistungen aus, die nur schwer
Worin besteht das vorteilhafte Angebot des Wettbewerbers?
zu kopieren sind?
10
Fiktives Beispiel
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Herausarbeitung von Ursachen und Quellen für Wettbewerbsvorteile (Schritt 3) Im dritten Schritt der strategischen Vorausschau werden Ursachen und Quellen für den in der SWOT- und Wettbewerbsanalyse ermittelten Wettbewerbsvorteil herausgearbeitet. Die Entwicklung eines Ursache-Wirkungs-Diagramms (vgl. Abbildung 8.12) und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Wettbewerbsvorteilen und Kompetenzen sollten im Managementteam erfolgen. Dieser Prozess kann durch die nachfolgend dargestellten Leitfragen unterstützt werden.
Ursachen und Quellen für Wettbewerbsvorteile Worin besteht der Wettbewerbsvorteil (Produktdifferenzierung oder Kostenvorteil)? Was sind die einzigartigen Faktoren, die es ermöglichen, den Wettbewerbsvorteil auszuschöpfen? Was sind Ursachen/Quellen für Wettbewerbsvorteile? (Erstellung eines Ursache/Wirkungs-Diagramms) Wo kommen diese Quellen her und wie können die Quellen nachhaltig abgesichert werden? Worin liegt die Einzigartigkeit, was sind die Kernkompetenzen des Unternehmens? Welche Elemente, die den Wettbewerbsvorteil begründen können nur schwer nachgeahmt werden (Team-Know-how)? Abbildung 8.11 Leitfragen zu Ursachen und Quellen für Wettbewerbsvorteile
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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Langjährige Managementerfahrung in “Big Pharma”
Internationale Kontakte, informelle Netze
Qualifikation des Managements
F&E Personal mit guter Ausbildung im öffentlichen Forschungsinstitut
Hohe Loyalität des F&E Personals Technologieentwicklung
Finanzen: Europäisches Förderprojekt
+
Proprietäre Technologie sichert Kostenvorteile
Economies of scale
Kostenvorteil
Investment Differenzierung im Wettbewerb Profitabilität
Abbildung 8.12 Ursache-Wirkungs-Diagramm
Durchführung einer Szenarioanalyse (Schritt 4)
Nach der Herausarbeitung der Wettbewerbsposition und des einzigartigen Wettbewerbsvorteils sowie der Auseinandersetzung mit Ursachen und Quellen für Wettbewerbsvorteile wird das Geschäftsmodell auf seine Tragfähigkeit in unterschiedlichen Zukunftsszenarien geprüft. Dabei soll in Szenarioanalysen systematisch Zukunftswissen generiert werden, um Hinweise für Chancen, z.B. neue Geschäftsfelder oder neue Märkte, zu erhalten. Gleichzeitig soll in den Szenarioanalysen eine Sensitivität gegenüber möglichen Risiken entwickelt werden. Die Szenarioanalyse bildet somit eine weitere Grundlage für das Ableiten von strategischen Optionen. Für die Durchführung von Szenarioanalysen sind, wie in Kapitel vier und fünf ausführlich diskutiert, unterschiedliche Ansätze möglich. Des Weiteren müssen Szenarioanalysen an
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
den jeweiligen Kontext angepasst werden (vgl. Kapitel 7), so dass es keinen „Onesize-fits-all“-Ansatz für die Implementierung von Szenarioanalysen gibt. Eine Möglichkeit Zukunftswissen „ressourcenschonend“ zu entwickeln, ist die Implementierung von „Open Foresight“-Projekten (vgl. Kapitel 7).
Das Tool sieht vor, auch Szenarioanalysen auf Basis des im Tool vorliegenden Wissens zu erarbeiten. Dabei werden Zukunftsperspektiven erarbeitet und die interne Perspektive mit Umfeldfaktoren verknüpft. In einem ersten Schritt ist die Entwicklung einer fokussierten Szenariofragestellung notwendige Voraussetzung, um sicherzugehen, dass die Szenarien in der Strategieentwicklung überhaupt Berücksichtigung finden und nötige Ressourcen bereitgestellt werden. In einem zweiten Schritt werden Einflussfaktoren zusammengetragen, die überwiegend in der Codekategorisierung im Bereich Knowledge Transfer/Library enthalten sind. Durch das Zurückgreifen auf Informationen im Bereich Knowledge Library wird der hohe Aufwand der Informationsrecherche in Strategieprozessen erheblich reduziert, da das Tool bereits eine Vielzahl von Informationen in komprimierter Form anbietet; dabei sind auch informelle Informationen berücksichtigt, die z.B. über Gatekeeper zusammengetragen wurden. Somit ermöglicht das Tool eine umfassende Bestandsaufnahme und das Ableiten von Einflussfaktoren für die weitere Szenarioanalyse. Der Vorteil der Entwicklung von Szenarien mit Toolunterstützung ist somit der reduzierte Rechercheaufwand.
Die ermittelten Einflussfaktoren werden in einem nächsten Schritt genauer untersucht und es wird, analog zum in Kapitel 5 beschriebenen Vorgehen (vgl. Kapitel 5.1.1), der Versuch unternommen, treibende Kräfte zu identifizieren. Dazu bietet das Tool die Durchführung einer Einflussanalyse an (vgl. Tabelle 8.2). In der Einflussanalyse werden die Einflüsse der Faktoren zueinander untersucht.
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
315
Tabelle 8.2 Einflussanalyse (Matrix) im NMI Tool Werden die Zeilensummen eines jeden Einflussfaktors addiert, dann wird die so genannte Aktivsumme errechnet, die Stärke, mit der ein Faktor insgesamt auf alle anderen Faktoren einwirkt. Die Aktivsumme ist umso größer, je größer der Einfluss des betrachteten Faktors auf das System ist (Zeilensumme). Wird die Spaltensumme ermittelt, so ergibt sich für jeden Faktor die so genannte Passivsumme, die Stärke, wie jeder Faktor von allen anderen beeinflusst wird.
Zur besseren Übersicht werden die Werte der Einflussmatrix in das System Grid übertragen. Die Addition der Aktivsumme aller Elemente, dividiert durch die Anzahl der Elemente, ergibt den Schnittpunkt der Aktivachse; die Addition der Passivsummer aller Elemente, dividiert durch die Anzahl der Elemente, ergibt den Schnittpunkt der Passivachse (vgl. Abbildung 8.13 und die Darstellung in Abbildung 5.3).
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Abbildung 8.13 System Grid (Visualisierung der Ergebnisse der Einflussanalyse im NMI Tool)
Die Diskussion des System Grids ermöglicht es, Schlüsselfaktoren zu identifizieren, die in die weitere Analyse einbezogen werden. Dabei werden treibende Kräfte identifiziert und das Verhalten einzelner Faktoren im Gesamtsystem wird transparenter. Dabei sollten maximal 12 Schlüsselfaktoren ausgewählt werden, um die Komplexität der Analyse zu reduzieren. Exportmöglichkeiten nach Excel erlauben ein gutes Reporting und die Vorbereitung von Strategiemeetings im Managementteam.
Entwicklung von Zukunftsprojektionen Für jeden Schlüsselfaktor sind unterschiedliche Entwicklungen in der Zukunft möglich. Informationen zu Trends, z.B. zu bestimmten Technologien, sind ebenfalls in der Knowledge Library enthalten, so dass auch die Recherche zu möglichen Entwicklungen wesentlich erleichtert sein sollte. Im Tool ist es möglich, Schlüsselfaktoren und Zukunftsprojektionen darzustellen und für die weitere Bearbeitung in Excel zu exportieren. Für die Entwicklung von Zukunftsprojektionen sind neben der Recherche im Tool auch Strategiemeetings, Gespräche mit Experten oder Kunden nötig. Dennoch liefern die Informationen im Tool eine gute Grundlage für die Ableitung von plausiblen Zukunftsprojektionen.
Entwicklung von Szenarien Auf der Basis von unterschiedlichen Zukunftsprojektionen wird es möglich, Rohszenarien zusammenzustellen und diese in einem nächsten Schritt auszuformulieren. Für die Bildung von Szenarien auf der Grundlage von Zukunftsprojektionen sind unterschiedliche Wege denkbar. Es kann eine Konsistenzanalyse mit Softwareunters-
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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tützung durchgeführt werden oder die Szenarien werden in einem intuitiven Verfahren erstellt (vgl. dazu die ausführlichen Darstellungen in Kapitel 4 und 5).
Bewertung des Geschäftskonzeptes vor dem Hintergrund der Szenarien (Schritt 5)
In diesem Prozessschritt wird das aktuelle Geschäftsmodell vor dem Hintergrund unterschiedlicher Szenarien betrachtet und der Frage nachgegangen, inwieweit das Geschäftsmodell mit seinen Stärken und Schwächen auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig sein kann (vgl. Abbildung 8.14).
Bildet das Geschäftskonzept eine Basis, um Zukunftschancen auszuschöpfen? Was passiert, wenn die in den Szenarien identifizierten Gefahren Wirklichkeit werden? Wie haben sich Wertvorstellungen der Kunden in den einzelnen Szenarien geändert? Was sind neue Bedürfnisse der Stakeholder? Wie kann die Performance des Geschäftskonzeptes in den einzelnen Szenarien eingeschätzt werden? Was sind Schwachpunkte, wo liegen Stärken? Was sind mögliche Optionen, um auf neue Kundenanforderungen zu reagieren (Weiterentwicklung, Verbesserung des Geschäftskonzeptes, Entwicklung von Strategien auf Basis der Optionen)? Welche Kompetenzen müssen bereits heute entwickelt werden, um vor dem Hintergrund der Szenarien auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig zu sein? Abbildung 8.14 Leifragen zur Bewertung des Geschäftskonzeptes vor dem Hintergrund der Szenarien
Ableitung von Strategieoptionen und Strategiebildung (Schritt 6) Basierend auf der SWOT- und Wettbewerbsanalyse, der Herausarbeitung von Ursachen und Quellen von Wettbewerbsvorteilen und der Betrachtung des Geschäftskonzeptes vor dem Hintergrund der Szenarien werden im 6. Schritt strategische Optionen abgeleitet bzw. eine umfassende Strategie entwickelt. Dabei sollte die Strategieableitung unter Berücksichtigung aller Szenarien erfolgen, um mit einer möglichst robusten Strategie das Unternehmen zu führen (vgl. Wilson, 2000, 28).
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Neue Märkte: Markteintrittsform und Marktbearbeitungsstrategie (Market Entrance Guide) Innerhalb des Tools gibt es eine Verknüpfung zum „Market-Entrance-Guide“. Dieses Tool unterstützt das Management bei der Auswahl eines geeigneten Auslandsmarktes und einer geeigneten Marktbearbeitungsform. Die Entwicklung des MEGs ist darauf zurückzuführen, dass strategische Vorausschauaktivitäten insbesondere vor dem Hintergrund der Absicherung von Internationalisierungsstrategien in den untersuchten Biotechnologieunternehmen betrieben werden. Der Market-EntranceGuide leitet das Management systematisch durch den Prozess der Marktauswahl und gibt Empfehlungen für eine geeignete Marktbearbeitungsform (vgl. Reger, Nolting, Mietzner, 2008).
Operationalisierung der Strategieoptionen durch Maßnahmen und Projekte (Schritt 7) Um die Akzeptanz einer szenariobasierten strategischen Vorausschau sicherzustellen und die Ergebnisse des Vorausschauprozesses in das operative Geschäft zu überführen, müssen umgehend konkrete Maßnahmen und Projekte umgesetzt werden. Eine Operationalisierung der strategischen Optionen, von Maßnahmen und Projekten kann durch die Erstellung von Businessplänen erfolgen, in die die ermittelten Informationen und Entscheidungen aus dem Prozess der szenariobasierten Vorausschau einfließen. Businesspläne werden für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder, den Eintritt in neue Märkte und für die Umsetzung von Projekten erstellt. In den Businessplänen sollten auch Schlüsselfaktoren benannt werden, die aus den Szenarioanalysen resultieren und im Sinne eines Frühwarnsystems einem regelmäßigen Monitoring unterzogen werden müssen.
Maßnahmenumsetzung (Schritt 8) Eine zügige Umsetzung von Maßnahmen mit sichtbaren Ergebnissen wird die Akzeptanz der strategischen Vorausschau sicherstellen und den konkreten Nutzen dieser Art der Strategieentwicklung verdeutlichen. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn bislang kaum Erfahrungen mit der strategischen Planung und Vorausschau im Unternehmen vorliegen.
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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Anforderungen an das Management in der strategische Vorausschau
Aufgrund der Erkenntnisse aus den Szenarioanalysen (vgl. Kapitel 7) und der in den Fallstudien ermittelten Ergebnisse (vgl. Kapitel 6) sowie der Herausarbeitung von Good Practice für die Implementierung von Szenarioanalysen (vgl. Kapitel 6.4) können die nachfolgend aufgeführten Anforderungen an das Management, das die strategischen Vorausschau verantwortet, abgeleitet werden.
1. Bereitstellung von Ressourcen Unternehmerische Planung kostet Geld und erfordert Ressourcen, die nicht nur monetärer Art sind. Neben der Bereitstellung eines Budgets und Personals müssen Zeitressourcen seitens des Managements und der Mitarbeiter eingebracht werden. Eine Möglichkeit, Vorausschauprojekte ressourcenschonend durchzuführen und Zukunftswissen zu generieren, ist die Implementierung von „Open Foresight“-Initiativen (vgl. Kapitel 7).
2. Verknüpfung mit dem operativen Geschäft Effektive strategische Planung erfordert eine Verknüpfung mit dem operativen Geschäft, da ein strategischer Plan nicht nur Ziele beschreibt, sondern auch Maßnahmen, die zur Zielerreichung beitragen. Aus diesem Grund wurde der vorgestellte Prozess einer szenariobasierten strategischen Vorausschau in den Strategieprozess integriert. Vorausschauprojekte, wie z.B. Szenarioanalysen, finden nicht um ihrer selbst Willen statt, sondern dienen als Grundlage für die Strategieentwicklung und Umsetzung. Die strategische Vorausschau wird Akzeptanzproblemen gegenüberstehen, wenn es nicht gelingt, im Anschluss an den Vorausschauprozess Projekte und Maßnahmen zu realisieren. Da im Gegensatz zu Großunternehmen Entscheidungen schneller umgesetzt werden können in KMU, kann hier der Erfolg von Vorausschauinitiativen viel schneller sichtbar werden, als dies in Großunternehmen mit schwerfälligen und langwierigen Entscheidungswegen überhaupt möglich ist.
3. Verknüpfung der strategischen Vorausschau mit Kompetenzen und Fähigkeiten Eine effektive strategische Planung erfordert den sorgfältigen Abgleich unternehmensinterner Stärken und Schwächen mit den Anforderungen im Unternehmensumfeld. Ziel muss es dabei sein, von einer reagierenden Haltung zu einer stärker ge-
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
staltenden Strategiefindung zu gelangen. Die in den Prozess einer szenariobasierten strategischen Vorausschau integrierte Szenarioanalyse soll einen Beitrag leisten, ein proaktives Führungsverhalten zu entwickeln und herausarbeiten, welche Kompetenzen und Fähigkeiten heute entwickelt werden müssen, um auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig zu sein.
4. Integration aller Unternehmensfunktionen Die strategische Vorausschau liegt in der Verantwortung der Unternehmensleitung. Dennoch muss eine effektive strategische Planung Schlüsselfunktionen im Unternehmen integrieren, da Veränderungsprozesse alle Funktionsbereiche betreffen oder von diesen angestoßen werden können (vgl. Fueglistaller, Frey, Halter, 2003, 46). Im Beispiel der untersuchten Biotechnologieunternehmen kam beispielsweise auch dem Marketing, dem Business Development und der Forschung und Entwicklung eine Schlüsselrolle zu. Im NMI Tool werden Informationen zu Kunden und Wettbewerbern integriert, die voranging durch das Marketing gesammelt und systematisiert werden. Gleichzeitig werden im NMI Tool Informationen zu technologischen Entwicklungen zusammengetragen, was bevorzugt den Aufgabenbereich der Forschung und Entwicklungsabteilung betrifft.
5. Einsatz von weniger sophistischen Planungsmethoden Insbesondere in KMU wird die strategische Vorausschau nur dann implementiert werden können, wenn weniger komplexe Methoden eingesetzt werden. Es kann in KMU nicht darum gehen, eine Vielzahl von Methoden zu beherrschen. Stattdessen sollten einige geeignete Methoden ausgewählt werden, die dann sicher eingesetzt werden können. Eine hohe Komplexität von Methoden würde den pragmatischen Bedürfnissen der Unternehmen widersprechen und eine Ablehnung der strategischen Vorausschau hervorrufen. In den untersuchten Biotechnologieunternehmen können interagierende Methoden (z.B. Brainstorming, Strategie-Workshops, Expertenbefragung) in Szenarioprozesse integriert werden; die Durchführung von Publikationsanalysen kann den Vorausschauprozess im Bereich der Technologie unterstützen, ausgewählte neue Methoden der strategischen Vorausschau (z.B. SocialBookmarking-Ansätze) können die Informationsbeschaffung wesentlich erleichtern. Mit dem NMI Tool wird ein Instrument vorgeschlagen, das die Anforderungen der KMU erfüllt. Im NMI Tool wird das Wissensmanagement integriert, dass sowohl die Aufnahme von formellen als auch von informellen Informationen ermöglicht, die mit
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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ausgewählten Methoden der strategischen Planung und Vorausschau (Szenarioanalyse, SWOT-Analyse, Wettbewerbsanalyse, Frühwarnsystem, Marktauswahl- und Marktbearbeitungsguide) verknüpft werden. Das NMI Tool ist auf die Anforderungen der Biotechnologie ausgerichtet; ist in seiner Struktur aber auch für KMU anderer Branchen, die sich auf einem internationalen Markt bewegen, geeignet.
6. Entwicklung von Managementkompetenzen Methoden der strategischen Vorausschau bieten die Möglichkeit und sind Grundlage, die „Unstrukturiertheit“ im strategischen Planungsprozess zu strukturieren; können aber dennoch eine gute Managementbewertung nicht ersetzen. So ist die Szenarioanalyse eine gute Möglichkeit, Informationen besser zu systematisieren, Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren zu erkennen und treibende Kräfte zu identifizieren. Die strategischen Entscheidungen müssen letztendlich aber vom Management getroffen werden. Dazu ist es notwendig, dass das Management die Notwendigkeit der strategischen Vorausschau erkennt und diese konsequent umsetzt. Dazu ist die Entwicklung von Managementkompetenzen, insbesondere bei einem naturwissenschaftlich geprägten Ausbildungshintergrund des Managements, erforderlich. 8.4
Erfolgsfaktoren und neue Ansätze der Szenarioanalyse
Im folgenden Kapitel werden Erfolgsfaktoren und neue Ansätze der Szenarioanalyse diskutiert. Die Darstellung der Erfolgsfaktoren ist das Ergebnis eigener Szenarioanalysen, die im Rahmen von „Open Foresight“-Projekten (vgl. Kapitel 7) herausgearbeitet wurden. In der nachfolgenden Tabelle sind wesentliche Merkmale der drei Szenarioanalysen zusammenfassend gegenübergestellt (vgl. Tabelle 8.3). Dabei wird insbesondere die Rolle der unterschiedlichen Promotoren (vgl. Kapitel 8.4.1) für die drei Analysen aufgezeigt.
Szenarioanalyse Bioanalytik und invitro-Diagnostik Art der Analyse Zeitraum der Analyse Zeitraum der Bestandsaufnahme
Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
Projekt
Projekt
Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie Studie
ca. 7 Monate
ca. 11 Monate
ca. 30 Monate
5 Monate (71% des Aufwands der Gesamtanalyse)
6 Monate (54% des Aufwands der Gesamtanalyse)
22 Monate (73% des Aufwands der Gesamtanalyse)
322
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Szenarioanalyse Bioanalytik und invitro-Diagnostik Akteursgruppen
9 Forschungseinrichtungen 17 Biotechnologieunternehmen 4 Regionale Netzwerke 1 VentureKapitalgeber
Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
9 Forschungseinrichtungen/ Hochschulen 12 Biotechnologieunternehmen 7 Netzwerke/Politik 2 VentureKapitalgeber
Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie
6 Forschungseinrichtungen/ Hochschulen 22 Biotechnologieunternehmen 1 Netzwerk 2 VentureKapitalgeber 5 Pharmaunternehmen 1 Verband der pharmazeutischen Industrie
Form der Bestandsaufnahme
Systematische Bestandsaufnahme anhand des Clusteransatzes, Operationalisierung durch Leitfragen
Systematische Bestandsaufnahme anhand des Clusteransatzes, Operationalisierung durch Leitfragen
Systematische Bestandsaufnahme anhand des Modells der Wettbewerbskräfte, Anpassung an die Fragestellung, Operationalisierung durch Leitfragen
Vorgehen in der Bestandsaufnahme
Interviews, Klausurtagung, Publikationsanalyse, Fokusgruppe
Interviews, Workshops, Publikationsanalyse, Fokusgruppe
Fallstudien, Workshop, Publikationsanalyse
Machtpromotor
Machtpromotor ist Netzwerkkoordinator und im Lenkungsausschuss des Projektes eingebunden
Kein Machtpromotor
Kein Machtpromotor
Festlegung der Fragestellung (Strategiefokus)
Kein Machtpromotor
Kein Machtpromotor
Identifikation und Einladung von Experten und Schlüsselakteuren
Sicherung der Nachhaltigkeit durch die Initiierung von Projekten im Ergebnis der Analyse
Genießt Vertrauen und Ansehen im Netzwerk
Kein Machtpromotor
Kein Machtpromotor
Erfahrung
Organisatorische Einbindung Machtpromotor Beiträge
Machtpromotor Machtbasis
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Szenarioanalyse Bioanalytik und invitro-Diagnostik
Know-howPromotor
Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
323
Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie
Persönliche Netzwerke
Know-howPromotor ist Teil des Kernteams
Know-how-Promotor ist Teil des Kernteams
Know-how-Promotor ist Teil des Kernteams
Durchführung von Interviews, Auswertung von Publikationen, Einschätzung der Meinung von Experten
Durchführung von Interviews, Auswertung von Publikationen, Einschätzung der Meinung von Experten
Durchführung von Fallstudien, Auswertung von Publikationen, Einschätzung der Meinung von Experten Workshoporganisation
Organisatorische Einbindung Know-howPromotor Beiträge
Know-howPromotor
Machtbasis
Prozesspromotor
Verfügt über fachspezifisches Wissen zur Biologie und zu biotechnologischen Zusammenhängen Prozesspromotor ist Teil im Kernteam
Verfügt über fachspezifisches Wissen zur Biologie und biotechnologischen Zusammenhängen
Verfügt über fachspezifisches Wissen zur Biologie und biotechnologischen Zusammenhängen
Prozesspromotor ist Teil im Kernteam
Prozesspromotor ist Teil im Kernteam
Methodenkompetenz Projektmanagement Direkter Zugang zum Know-howPromotor Kommunikation „nach außen“ Organisation der Klausurtagung, Fokusgruppentreffen
Methodenkompetenz Projektmanagement Direkter Zugang zum Know-how-Promotor Kommunikation „nach außen“ Organisation der Workshops
Methodenkompetenz Projektmanagement Direkter Zugang zum Know-howPromotor Kommunikation „nach außen“ Workshoporganisation Durchführung von Fallstudien Auswertung von Publikationen
Organisatorische Einbindung Prozesspromotor
Beiträge
Prozesspromotor
Machtbasis
Methodenkompetenz Projektmanagementkompetenz Führungskompetenz
Methodenkompetenz Projektmanagementkompetenz Führungskompetenz
Methodenkompetenz Projektmanagementkompetenz Führungskompetenz Prozesspromotor entwickelt über den langen Analysezeit-
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Szenarioanalyse Bioanalytik und invitro-Diagnostik
Szenarioanalyse Weiße Biotechnologie
Szenarioanalyse Dienstleistungen in der roten Biotechnologie raum und durch die Wahrnehmung der gleichen Rolle an den vorangegangenen Analysen auch Fachkompetenz
Besondere Stärke
Machtpromotor sichert Akzeptanz und Nachhaltigkeit
Schwäche
Fehlende Einbindung der Kundenperspektive (Pharma) Machtpromotor ist im Lenkungsausschuss aktiv nicht im Kernteam
Orientierung und Systematisierung eines in der Region neuen Themenfeldes Analyseergebnisse fließen in Netzwerkentwicklung ein
Fehlender Machtpromotor
Höchster Grad der Fundierung Einbindung der Kundenperspektive (Pharma) durch die Durchführung von Fallstudien Mangelnde Kommunikation der Zwischenergebnisse über langen Zeitraum mit beteiligten Akteuren Fehlender Machtpromotor
Tabelle 8.3 Wesentliche Merkmale der Szenarioanalysen im Überblick
Für die drei vorgestellten Szenarioanalysen konnten die Erfolgsfaktoren Commitment und Akzeptanz, Strategiefokus, Szenariodesign, die systematische Bestandsaufnahme, die Szenariokommunikation sowie der Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit identifiziert werden. Die Erfolgsfaktoren werden in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert. 8.4.1 Erfolgsfaktor Commitment und Akzeptanz Szenarioanalysen müssen vom Management gewollt und initiiert werden. Für die Durchführung der Szenarioanalysen, unabhängig davon ob die Analyse als Open oder Closed Foresight-Projekt umgesetzt wird, ist die Beteiligung von Mitarbeitern und des Managements z.B. im Rahmen von Workshops, für die Durchführung von Interviews oder Befragungen erforderlich. Ohne das Commitment des Managements werden Szenarioprojekte kaum erfolgreich sein und als Grundlage für die strategische Planung genutzt werden können. Für die Umsetzung eines „Open Foresight“-Projektes ist zudem die Einbindung von Schlüsselakteuren notwendig. Angelehnt an das Promotorenmodell im Innovations-
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
325
management können diese Schlüsselakteure als Macht- und Fachpromotor charakterisiert werden, die durch den Prozesspromotor miteinander verbunden werden (vgl. Witte, 1973; Hauschild, Chakrabati, 1999, 78 ff.). Die Aufgabe des Machtpromotors in „Open Foresight“-Prozessen besteht insbesondere darin, den Zugang zu Experten und Unternehmen sicherzustellen, Ziele und Prioritäten festzulegen und die Akzeptanz des „Open Foresight“-Projektes abzusichern. Die Macht des Machtpromotors basiert in den „Open Foresight“-Projekten nicht auf Hierarchie, sondern auf Vertrauen und Anerkennung innerhalb des Netzwerkes der beteiligten Unternehmen und weiterer Akteure.
Der Fachpromotor verfügt über spezifische Kenntnisse im jeweiligen Themenfeld, er kann alternative Lösungsvorschläge entwickeln und externe Lösungen beurteilen sowie die Expertenaussagen einschätzen und für die Fragestellungen des Vorausschauprojektes aufbereiten.
Die Aufgabe des Prozesspromotors besteht darin, methodisches Wissen zur Gestaltung von Vorausschauprozessen einzubringen, um den Prozess inhaltlich zu gestalten und zwischen dem Fachpromotor und dem Machtpromotor zu vermitteln. In den implementierten Szenarioanalysen (vgl. Kapitel 7) waren Prozesspromotor und Fachpromotor im Kernteam organisiert, während der Machtpromotor im Projektlenkungsausschuss aktiv ist, bei der Eingrenzung einer fokussierten Fragestellung unterstützt, den Zugang zu Unternehmen und Experten ermöglicht und letztlich die Akzeptanz des Prozesses sicherstellt. In den vorgestellten Szenarioanalysen verfügt der Fachpromotor über umfangreiches Hintergrundwissen in der Biologie, was notwendig ist, um eine fundierte Bestandsaufnahme überhaupt vornehmen zu können. Es ist auch denkbar, dass Prozess- und Fachpromotor in Personalunion auftreten, d.h., eine Person sowohl über methodisches als auch über fachspezifisches Wissen verfügt. Wittes Erkenntnisse haben aufgezeigt, dass die Arbeitsteilung nur dann effizient ist, wenn die beteiligten Promotoren eng zusammenarbeiten (vgl. Hauschild, Chakrabati, 1999, 81). Dies gilt auch für die Durchführung von Vorausschauprojekten. Macht-, Fach- und Prozesspromotor sollten für Szenarioanalysen im Kernteam zusammenarbeiten, um den gegenseitigen Zugang sicherzustellen. So konnte in den durchgeführten Szenarioprojekten der Zugang zwischen Fach- und Prozesspromotor durch die enge Zusammenarbeit im Kernteam sichergestellt werden; der Machtpromotor konnte jedoch nicht in das Kernteam, sondern nur in den Projektlenkungs-
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
ausschuss des Gesamtprojektes eingebunden werden, was einen Nachteil in den Szenarioanalysen zur Bioanalytik verursachte. In der Szenarioanalyse zur Weißen Biotechnologie (Kapitel 7.3) wurde die Rolle des Machtpromotors von keinem der eingebundenen Akteure tatsächlich wahrgenommen, was einen Nachteil in der Analyse verursachte, insbesondere im Hinblick auf die Akzeptanz und Diffusion der Ergebnisse. In der nachfolgenden Tabelle 8.4 sind die Beiträge der Promotoren in Vorausschauprozessen im Überblick dargestellt.
Promotoren in Vorausschauprojekten Beiträge des
Machtpromotors
Festlegung von Oberzielen und Prioritäten Sicherstellung des Zugangs zu Experten, Unternehmen und weiteren Akteuren
Sicherung der Akzeptanz des „Open Foresight“-Projektes
Diffusion der Ergebnisse
Beiträge des
Verfügt über spezifische Kenntnisse im jeweiligen Themenfeld
Fachpromotors
Ideengenerierung
Screening und Recherche
Entwicklung von alternativen Lösungsvorschlägen
Beurteilung von externen Lösungen und Expertenmeinungen sowie Aufbereitung für die Fragestellungen des Vorausschauprojektes
Beiträge des Pro-
zesspromotors
Verfügt über methodisches Wissen zur Umsetzung von Vorausschauprozessen, um den Prozess zu gestalten und zwischen dem Fachpromotor und dem Machtpromotor zu vermitteln
Projektmanagement (Entwicklung des Analysedesigns)
Konfliktmanagement
Zusammenführung von Teilelementen der Analyse
Ansprechpartner für an der Analyse beteiligte Akteure und weitere Interessensgruppen
Hält Kontakt zum Machtpromotor und sorgt für Ressourcen und Förderung des Prozesses
Tabelle 8.4 Beiträge des Macht-, Fach- und Prozesspromotors im „Open Foresight“
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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8.4.2 Erfolgsfaktor Strategiefokus Im Vorfeld der Szenarioanalyse ist es notwendig herauszuarbeiten, welche strategische Fragestellung mit Hilfe der Szenarioanalyse beantwortet werden soll. Dazu ist die Eingrenzung des Themenfeldes auf eine bestimmte geografische Region, einen ausgewählten Geschäftsbereich oder eine Fragestellung für eine spezifische Branche eine notwendige Voraussetzung, bevor Faktoren, die die Entwicklung des Unternehmens beeinflussen, gesammelt werden können und eine fundierte Bestandsaufnahme vorgenommen werden kann. Die in Kapitel 7 diskutierten Fallbeispiele zu Szenarioanalysen als „Open Foresight“-Projekte haben verdeutlicht, dass die Eingrenzung des Strategiefokus bzw. des zu bearbeitenden Themenfokus ein aufwendiger, aber essentieller Schritt für eine erfolgreiche Szenarioanalyse ist. So bestand im Fall der Weißen Biotechnologie anfangs kein einheitliches Verständnis darüber, was unter diesem Thema zu verstehen ist und welche konkreten Bereiche zu betrachten sind. Für das Thema der Dienstleistungen in der roten Biotechnologie war es notwendig herauszuarbeiten, was unter Dienstleistungen in der roten Biotechnologie zu verstehen ist und welche Aktivitäten betrachtet werden sollen. Ohne einen deutlichen Strategiefokus ist es nicht möglich, eine fokussierte Analyse durchzuführen. Werden Szenarien im Rahmen eines Closed Foresight-Projektes innerhalb des Unternehmens durchgeführt, sichert nur die Relevanz der strategischen Fragestellung Akzeptanz der Ergebnisse. Es werden auch nur dann Ressourcen für die Szenarioanalyse zur Verfügung gestellt werden, wenn eine relevante und erfolgskritische strategische Fragestellung mit Hilfe der Analyse bearbeitet werden soll. 8.4.3 Erfolgsfaktor Szenariodesign Ein wesentlicher Erfolgsfaktor in Szenarioanalysen ist das Szenariodesign. Ausgehend von spezifischen Kontextbedingungen (Budget, Zeitrahmen, Zielstellung etc.) muss für jede Szenarioanalyse ein spezifisches Szenariodesign entwickelt werden. Das entwickelte Kontextraster unterstützt dabei den Prozess des Ableitens eines geeigneten Szenariodesigns, da es keinen „One-size-fits-all“-Ansatz für die Durchführung von Szenarioanalysen gibt. Das entwickelte und in Kapitel 7 dargestellte Kriterienraster bietet eine Möglichkeit für die Designentwicklung, ersetzt aber nicht methodisches Know-how zur Implementierung von Szenarioanalysen. Die Entwicklung des Szenariodesigns sollte durch den Prozesspromotor (vgl. Kapitel 8.4.1) erfolgen. Eine Szenarioanalyse ist als ein Projekt aufzufassen, das besondere Anforderungen
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
an das Projektmanagement stellt. Das Kriterienraster kann als Roadmap dienen, um einen Überblick zum geplanten Szenarioprojekt zu erhalten, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren, diese zu hinterfragen und die Analyse entsprechend auszurichten. Das Kriterienraster gleicht in seinem Aufbau einer morphologischen Matrix, die ursprünglich von Fritz Zwicky (vgl. Zwicky, 1959) entwickelt wurde und als Kreativitätstechnik u.a. auch in Szenarioanalysen zum Einsatz gelangt. Ähnlich wie in der morphologischen Analyse, wurde in einem ersten Schritt der Versuch unternommen, alle möglichen Ausprägungen einzelner Parameter zu erfassen. Für die Ableitung des Szenariodesigns müssen nun -je nach Kontext- Parameter ermittelt werden, die den Rahmen für das Szenariodesign beschreiben. 8.4.4 Erfolgsfaktor systematische Bestandsaufnahme Nur wenn es gelingt, ein tiefes und breites Verständnis zum betrachteten Themenfeld aufzubauen, wird es möglich sein, fundierte Szenarien abzuleiten, die die Grundlage bilden für strategische Entscheidungen. Eine systematische Bestandsaufnahme ermöglicht es auch, Themenfelder zu erfassen, die sehr diffus sind oder spezifisches Know-how verlangen. In den in Kapitel 8 betrachteten Fallbeispielen wurden der Clusteransatz und das 5-Kräfte-Modell nach Porter für eine systematische Bestandsaufnahme genutzt. Die theoretischen Modelle wurden für die Bestandsaufnahme in Form von Leitfragen operationalisiert (vgl. auch beispielhaft die Leitfragen im Anhang A.3). Diese Leitfragen können sowohl für Desk-research-Aktivitäten als auch für Interviews oder Workshops genutzt werden. Eine weitere Möglichkeit die Bestandsaufnahme systematisch zu gestalten, ist die Verwendung der Innovationscheckliste (IC) nach TRIZ (vgl. Anhang A.4) oder ähnlicher Konzepte. Mit der Innovationscheckliste steht ein Tool zur Verfügung, dass für den Bereich innovativer Problemlösungen im Rahmen von TRIZ entwickelt wurde. Durch die Bearbeitung der IC und die damit verbundene intensive analytische Auseinandersetzung mit der Problemstellung, können Lösungen erarbeitet werden (vgl. Gundlach, Nähler, 2005, 9) bzw. eine umfassende Bestandsaufnahme im Sinne von Szenarioanalysen erfolgen.
Abweichend von dem in der Literatur angegebenen Aufwand von 20% (vgl. von Reibnitz, 1992, 30), ist davon auszugehen, dass die Bestandsaufnahme zwischen 50 bis 70% des Gesamtaufwandes für Szenarioprojekte ausmacht.
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
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8.4.5 Erfolgsfaktor Szenariokommunikation Bei der Entwicklung eines geeigneten Designs für die Szenarioanalyse müssen bereits mögliche Formen der Kommunikation der Szenarien und weiterer Ergebnisse ermittelt werden und wiederum an den jeweiligen Kontext (z.B. Adressat, Budget) angepasst werden. Bei der Kommunikation der Szenarien ist davon auszugehen, dass Inhalte, die leichter aufgenommen und auch behalten werden, eher als signifikant angesehen werden und Eingang finden in die strategische Entscheidungsfindung. „If the names [der Szenarien] are vivid and memorable, the scenarios will have a much better chance of making their way into the decision-making and decision-implementing process across the company” (Schwartz, 1991, 248). Informationen über mögliche Zukunftsentwicklungen sind komplex, oftmals unpräzise und vielfältig, so dass sie nur schwer durch Grafiken und Tabellen abgebildet werden können. Aus diesem Grund sprechen sich viele Autoren und Praktiker (vgl. z.B. Schwartz, 1996; vgl. z.B. van der Heijden, Bradfield, Burt, Caims, Wright, 2002; vgl. z.B. Chermack, 2004) für die Entwicklung von „Geschichten über die Zukunft“ aus, die eine Öffnung für unterschiedliche Perspektiven bewirken, Komplexität reduzieren helfen und bestimmten Ereignissen eine Bedeutung geben können.
Des Weiteren muss berücksichtigt werden, wie während den Szenarioanalysen zwischen den eingebundenen Akteuren effektiv kommuniziert werden kann. Dies trifft insbesondere für Szenarioanalysen zu, die im Rahmen von „Open Foresight“Projekten realisiert werden oder Szenarioanalysen, die über einen langen Zeitraum erarbeitet werden. Um Transparenz zum Projektstand sicherzustellen, die Kommunikation zwischen dem Kernteam, dem Lenkungsausschuss oder im Managementteam zu ermöglichen, empfiehlt sich z.B. die Einrichtung eines Wiki-Systems oder die Nutzung einer E-Learning-Plattform (z.B. Moodle). Der Vorteil dieser Systeme ist insbesondere in der Gelegenheit der Interaktion zu sehen. Es besteht die Möglichkeit, Einflussfaktoren zu bewerten oder ausgewählte Zukunftsprojektionen zu diskutieren. Grundsätzlich stehen heute, mit der Entwicklung des Web 2.0 und der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien, mehr Möglichkeiten zur Verfügung, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Neben herkömmlichen Berichten und Ergebnispräsentationen, Postern oder Bildern, können über das Podcasting Video- und Musikdateien produziert werden, die z.B. innerhalb des Unternehmens ausgetauscht werden können. Die Darstellung von Zukunftswelten in so
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
genannten Future Labs erlaubt nicht nur ein visuelles, sondern auch ein haptisches Erlebnis, wodurch Zukunftswissen mit Entwicklern, Kunden, dem Marketing oder der Politik diskutiert werden kann. Die Kommunikation der Szenarien muss jedoch auch der Kultur des Unternehmens oder den Anforderungen der Branche sowie den konkreten Zielen der Szenarioanalyse entsprechen. 8.4.6 Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit Szenarioanalysen sollten nicht um ihrer selbst Willen umgesetzt werden. Werden Szenarioanalysen wie im dargestellten Strategieprozess (vgl. Abbildung 8.6) mit der strategischen Planung verknüpft, fließen die Ergebnisse z.B. in die Erstellung von Businessplänen ein oder werden in konkreten Projekten sofort umgesetzt, wodurch die Nachhaltigkeit der Ergebnisse sichergestellt wird.
Wie die dargestellten „Open Foresight“-Projekte (vgl. Kapitel 7) aufzeigen, ist es erfolgskritisch, die Verantwortung für die Umsetzung der Ergebnisse der Szenarioanalyse auf zentrale Akteure zu übertragen, die die Realisierung von konkreten Projekten initiieren und vorantreiben. Diese zentralen Akteure sollten bestenfalls von Anfang an in die Analyse mit einbezogen werden. An dieser Stelle wird auch deutlich, welche hohe Bedeutung dem Szenariodesign zukommt, da bereits zu Beginn der Analyse die Umsetzung und Nachhaltigkeit mit berücksichtigt werden müssen. Des Weiteren muss auch ein regelmäßiges Monitoring von ausgewählten Schlüsselfaktoren auf zentrale Akteure übertragen werden. Werden Szenarioanalysen im Netzwerk durchgeführt, ist das die Aufgabe des Netzwerkmanagers; auf Unternehmensebene ist das Monitoring eine wesentliche Managementaufgabe im Rahmen der strategischen Vorausschau.
Tabelle 8.5 zeigt die ermittelten Erfolgsfaktoren und Vorschläge zur Umsetzung im Überblick.
Erfolgsfaktoren in Szenarioanalysen
Umsetzung
Erfolgsfaktor Commitment und Akzeptanz
Abbau von Vorbehalten und überzoge-
Einrichtung einer zentralen Anlaufstel-
nen Erwartungen und Ängsten bei den
le/Person, die über den Projektstand in-
beteiligten Akteuren im Vorfeld der
formiert und über die Zielstellung des
Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Erfolgsfaktoren in Szenarioanalysen
Umsetzung
Analyse durch eine deutliche Aufklärung über Ziele, Möglichkeiten und
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Projektes aufklärt
Etablierung einer Szenarioinitiative (z.B.
Grenzen der Szenarioanalyse
mit Logo, eigenem Slogan), die nach Ab-
Moderationsfähigkeiten
schluss der Analyse weitergeführt werden kann
Aufbau von Vertrauen durch schnelle „Vorzeigeprojekte“
Identifikation geeigneter Interviewpartner und geeigneter Unternehmen für Fallstudien, durch die Einbindung von Netzwerkpartnern oder anderen Intermediären (Machtpromotor)
Vorstellung erfolgreicher Szenarioanalysen sind besser als umfangreiche methodische „Aufklärungsarbeit“
Integration eines Macht-, Fach und Prozesspromotors im Kernteam
Nutzung formeller und informeller Netzwerke
Moderator ist Mitglied im Kernteam (Prozess- und/oder Fachpromotor)
Erfolgsfaktor Strategiefokus
Themenspezifizierung: Für welchen
Strategiemeeting im Managementteam
Bereich, welche konkrete Fragestellung
Re-Briefing der Themenstellung im Kern-
sollen Entscheidungen getroffen werden?
team
Re-Briefing der Themenstellung im Kernteam und Lenkungsausschuss in „Open Foresight“-Projekten
Erfolgsfaktor Szenariodesign
Anpassung des Vorgehens an den jewei-
Tool:
ligen Kontext ist erforderlich, um ein
Einsatz eines Kriterienrasters zur syste-
geeignetes Analysedesign zu entwi-
matischen Kontextbeschreibung (vgl. da-
ckeln; es gibt keinen „One-size-fits-all“-
zu Tabelle 7.1)
Ansatz für Szenarioanalysen
Erfolgsfaktor Systematische Bestandsaufnahme
Systematische Bestandsaufnahme ent-
Toolbox:
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Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Ergebnisse und neue Ansätze
Erfolgsfaktoren in Szenarioanalysen lang theoretischer Modelle ermöglicht
Umsetzung
eine umfassende Themendurchdringung – auch für „Branchenfremde“
Innovationscheckliste (IC) nach TRIZ (siehe Anhang A.4)
Clusteransatz (Diamant) nach Porter, Entwicklung von Leitfragen (siehe An-
Durchführung von Fallstudien und Interviews mit unterschiedlichen Ak-
hang A.3)
teursgruppen (Biotechnologie und
Modell der Wettbewerbskräfte nach Porter, Entwicklung von Leitfragen (vgl.
Pharmaindustrie) ermöglicht eine tiefe
Reger, Mietzner, Nolting, 2008, Anhang)
Themendurchdringung und das Errei-
New Market Intelligence Tool
chen von Akteuren, für die eine Teil-
SWOT-Analyse
Anpassung der Kommunikation von
Berichte und Ergebnispräsentationen
Vorgehen, Inhalten und Szenarien an
Filme, Podcast
jeweilige Adressaten und Rahmenbe-
Bilder, Plakate
dingungen
Zeitung „von morgen“ für die Kommuni-
nahme an Workshops nicht möglich ist Erfolgsfaktor Szenariokommunikation
Transparenz und Projektverlauf sollten
kation der Szenarien
insbesondere in Szenariostudien, die
Rollenspiele
über einen langen Zeitraum hinweg
Future Labs
durchgeführt werden, kommuniziert
Einrichtung eines Wiki-Systems oder ei-
werden mit Partnern und eingebun-
ner E-Learning-Seite (z.B. Moodle), um
denen Akteuren
den Projektverlauf zu kommunizieren und die Möglichkeit eines Feedbacks einzuräumen
Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit
Integration von Szenarioanalysen in die strategische Planung
Einbezug von Entscheidern in die Analyse von Anfang an
Verantwortung für die Umsetzung muss auf zentrale Akteure übertragen werden, z.B. in Form von konkreten Projekten
Monitoring
Tabelle 8.5 Erfolgsfaktoren von Szenarioanalysen im Überblick
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
Im Glossar werden ausgewählte Methoden der strategischen Vorausschau in einer Kurzbeschreibung vorgestellt. Analogien (siehe Historische Analogien) Benchmarking Benchmarking beinhaltet den Vergleich von Aktivitäten (Prozessbenchmarking) und Ergebnissen (target benchmarking) einer Organisation mit anderen Organisationen. Derartige Vergleiche haben bereits eine lange Geschichte, die jedoch mit der Ermittlung von „best practice“ weiterhin von großem Interesse ist („Wie hat die Organisation das Ziel erreicht?“, „Wie werden wir diesen Stand bis 2010 erreichen?“) (vgl. Miles, 2002, 13).
Bibliometrie Der Begriff „Bibliometrie“ wurde im Jahr 1969 durch seinen Urheber A. Pritchard geprägt. Bibliometrie ist definiert als Anwendung mathematischer und statistischer Methoden zur Erklärung der Prozesse von schriftlichen Mitteilungen. Das Instrumentarium ist die Zählung und die Analyse der verschiedenen Aspekte von Wissenschaftskommunikation in schriftlicher Form. Dabei ist die Zitatenanalyse ein Teilgebiet der Bibliometrie, das vor allem Untersuchungen über die Beziehung zwischen zitierenden und wissenschaftlichen Veröffentlichungen anstellt. Hauptgegenstand ist die Zählung von Zitaten, die sich auf eine bestimmte Arbeit oder einen bestimmten Wissenschaftler beziehen. Je größer die Summe der Zitate ist, desto größer wird der Wert einer Arbeit veranschlagt (vgl. Jokic, Ball, 2006, 15). Neben der Messbarkeit wissenschaftlichen Outputs ermöglicht die Bibliometrie, Themengebiete zu beobachten, um zu erkennen, welche Themen wissenschaftlich aktuell diskutiert werden und in welchem Bereich viel publiziert wird.
Brainstorming Brainstorming ist eine gruppenorientierte Methode zur Ideenfindung. Ein Personenkreis äußert zu einem bestimmten Thema oder Problemfeld spontan und assoziativ Ideen, die ohne Kritik gesammelt werden. Brainstorming kann sehr unterschiedlich eingesetzt werden. Es kann bei der Entwicklung oder Erweiterung von Früherken-
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Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
nungssystemen ebenso hilfreich sein wie zum Sammeln neuer Ideen und Vorschläge für die Zukunft des Unternehmens oder einzelner Geschäftsfelder (vgl. z.B. De Bono, 1990, 149 ff.).
Cross-Impact-Analyse Die Cross-Impact-Analyse ist die vielleicht bekannteste Wechselwirkungsmethode. Mit ihrer Hilfe wird die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines bestimmten Ereignisses durch Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeiten anderer Ereignisse korreliert. Auf diese Weise werden synergetische oder antagonistische Wirkungsfelder abgeschätzt (vgl. Gordon, 1994a; Godet, 1997).
Delphi-Methode Die Delphi-Methode dient dazu, einen möglichst zuverlässigen Konsens innerhalb einer Expertengruppe durch mehrere schriftliche Befragungen mit einem zwischengeschalteten anonymisierten Meinungs-Feedback herzustellen. Die Experten werden dabei nicht nur nach ihren Ansichten befragt, sondern in einer zweiten Runde mit den Einschätzungen ihrer Kollegen konfrontiert und gefragt, ob sie ihre ursprüngliche Meinung beibehalten möchten. Durch dieses Verfahren wird ein möglichst einheitlicher Konsens ermittelt, ohne dass einzelne Wortführer oder Autoritäten einen besonderen Einfluss ausüben können (vgl. Honsel, 2008, 60). Insbesondere wird die Delphi-Methode eingesetzt, um zeitliche Aussagen über Entwicklungen zu erreichen, die so neu sind, dass noch keine - oder zu kurze - Zeitreihen vorliegen. Dies ist beispielsweise bei technologischen Durchbrüchen, bei gerade entstehenden Märkten oder auch bei der Verbreitung neuer Arbeitskonzepte der Fall. Über echte Innovationen wie auch Strukturbrüche liegt in der Regel kein systematisiertes Datenmaterial vor, obwohl gerade sie große Chancen bieten oder auch noch nicht näher erkannte Risiken bergen. Üblicherweise wird die Delphi-Methode heute dort angewandt, wo sich die Fragestellung einer präzisen analytischen Behandlung entzieht und wo aus Zeit- oder Kostengründen die Experten nicht zu einem Workshop zusammengerufen werden können (vgl. Helmer, 1983; vgl. Cuhls, Blind, Grupp, 1998).
Experten-Panels Ein Gremium von z.B. technologischen Experten wird zur Begleitung von Vorausschauprozessen hinzugezogen. Sehr oft kommen Experten-Panels im Rahmen von Delphi-Studien oder bei Szenarioanalysen zum Einsatz. Experten-Panels liefern Ein-
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
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schätzungen über zukünftige Entwicklungen und Bedürfnisse in dem jeweiligen Feld. Implizit oder explizit müssen oft Methoden angewandt werden, um die Entwicklung und Vermittlung von Wissen anzuregen (z.B. Brainstorming, SWOT-Analyse) (vgl. Miles, 2002, 14; vgl. FORLEARN, 2008).
Entscheidungsbaum und Entscheidungsmatrix Generell ist ein Klassifikationsbaum die grafische Repräsentation einer Menge von Regeln, um Objekte zu klassifizieren. Klassifikationsbäume können als Algorithmen formuliert werden, um Objekte einer Klasse zuzuordnen. Ein solcher Algorithmus beginnt beim Ursprungsknoten und läuft so lange, bis ein Endknoten erreicht wurde. Damit sind Such- und Stoppregeln festgelegt. Aus Klassifikationsbäumen entstehen Entscheidungsbäume, wenn jeder Klasse, das heißt jedem Endknoten, eine Entscheidung zugeordnet wird. Eine Frage und die jeweiligen Antwortmöglichkeiten definieren die Entscheidungsregeln für die Durchschreitung eines jeden Knotens des Baums.
Die Entscheidungsmatrix dient zur Bewertung von Handlungsalternativen. Auf der einen Achse sind die Alternativen, auf der anderen Achse sind Kriterien - mit oder ohne Vorbewertung - abgebildet, die dann zur Entscheidung für oder gegen eine der Alternativen führen (vgl. Fisch, Beck, 2004, 45).
Experten-Workshop Experten-Workshops haben im Rahmen strategischer Vorausschauprozesse einen besonderen Stellenwert erlangt. Zu einem Experten-Workshop werden neben internen Fachleuten auch externe Experten eingeladen. Ziel der Expertenworkshops ist es, insbesondere vor dem Hintergrund einer ungenügenden Datenlage Informationen zu einem spezifischen Thema zusammenzutragen und Zukunftsperspektiven zu ermitteln.
Demonstrator Besser als eine Vielzahl von Maßnahmen im Ergebnis eines Vorausschauprozesses zu benennen, können konkrete Maßnahmen auch im Rahmen eines DemonstratorProjektes umgesetzt werden, um eine möglichst hohe Visibilität im Rahmen der strategischen Vorausschau zu erreichen (vgl. Miles, 2002, 19).
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Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
Fokusgruppen Fokusgruppen werden von einem Forscher oder einem erfahrenen Teamleiter geführt. Der Fokusgruppenleiter koordiniert die Kommunikation innerhalb einer kleinen Teilnehmergruppe. Eine Liste mit Themen ersetzt einen formalen Fragebogen und erlaubt es den Teilnehmern ausführlich in ihren eigenen Worten und im Rahmen ihres eigenen Verständnisses einen Beitrag zum Thema zu leisten. Die Diskussion kann frei gestaltet werden, um spontane Themenänderungen oder unvorhergesehene Ergänzungen, die von Seiten der Teilnehmer als relevant eingeschätzt werden zu berücksichtigen (vgl. Glenn, 2003, 7).
Gaming Gaming bezeichnet die gezielte Simulation von Entscheidungs- und Handlungsabläufen in einem Spielkontext mit realen Akteuren. „Üblicherweise beinhaltet Gaming ein Modell irgendeiner Situation oder eines Zusammenhangs, in dem einige Aspekte der Realität simuliert werden und in dem Menschen bestimmte Rollen spielen, in denen sie Entscheidungen treffen und Schritte unternehmen, die den Ausgang des gespielten Vorgangs beeinflussen“ (vgl. Bell, 1997, 286). Handlungspläne Handlungspläne sind Listen mit konkreten Handlungen und Zielstellungen, denen vom Beginn bis zum Ende des Vorausschauprozesses gefolgt werden sollte. Handlungspläne beschreiben Handlungen, verantwortliche Akteure, Möglichkeiten eines kontinuierlichen Monitorings und Indikatoren zur Feststellung des Zielerreichungsgrades (vgl. Miles, 2002, 19). Historische Analogie Die Analogie überträgt die strukturelle Eigenart eines Sachverhaltes (Historie) auf einen anderen und ist somit ein logisches Bild. Da die Analogie nie passgenau ist, kommt es zu Verschiebungen in der Bedeutungsebene. Diese sind gewollt, denn sie eröffnen neue Lösungsansätze. Die Analogie ist eine Grundtechnik jedes kreativen Prozesses.
Kritische/Schlüsseltechnologien Diese Methode weist Gemeinsamkeiten mit der SWOT-Analyse auf und beinhaltet zusätzlich Kriterien, die Hinweise für die Bedeutung einer bestimmten Technologie
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
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liefern sollen. Oftmals kommen im Zuge der Studien zu kritischen/ Schlüsseltechnologien auch Panels, Interviews und andere Methoden zum Einsatz. Ein Nachteil kann die möglicherweise fehlende Transparenz bei der Auswahl bestimmter Kriterien sein, die genutzt werden, um eine Einschätzung der Technologien vorzunehmen.
Lebenszyklus-Analyse Die Lebenszyklus-Analyse setzt sich mit den unterschiedlichen Phasen eines Lebenszyklus auseinander, wobei die Bezugsobjekte der Analyse einzelne Produkte, Produktgruppen, Märkte oder Technologien sind. Auf der Basis der identifizierten Lebenszyklen ist es möglich, die Position der betrachteten Bezugsobjekte der Unternehmung zu bestimmen und strategische Maßnahmen abzuleiten (vgl. Bruhn, 2001, 56).
Lineare Programmierung Die lineare Programmierung ist eines der Hauptverfahren des Operations Research und beschäftigt sich mit der Optimierung linearer Zielfunktionen über einer Menge, die durch lineare Gleichungen und Ungleichungen eingeschränkt ist. Häufig lässt sich die lineare Programmierung einsetzen, um Probleme zu lösen, für die keine speziell entwickelten Algorithmen bekannt sind (vgl. Dantzig, 1966).
MACTOR Mit Hilfe einer Matrix werden Ziele und Motive von Akteuren erfasst, Konvergenzen und Divergenzen analysiert und mögliche Wirkungskräfte bewertet. Diese komplexe Methode zum Umgang mit Akteursstrategien wurde Ende der 80er-Jahre von dem Zukunftsforscher Michel Godet entwickelt (vgl. Godet, 1991).
Meinungsumfrage Die Meinungsumfrage ist ein generelles Instrument zur Ermittlung von Einstellungen. Auf der Basis von Repräsentativerhebungen werden gesellschaftliche und wirtschaftliche Tatbestände und Auswirkungen dazugehöriger Maßnahmen erforscht (vgl. Krystek, Müller-Stewens, 1993, 207).
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Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
Mind Mapping® Die „Mind Map“ ist ein Ausdruck, der vom strahlenförmigen Denken von einem zentralen Begriff in der Mitte ausgeht und daher eine natürliche Funktion des menschlichen Denkens ist. Es ist eine leistungsfähige grafische Technik, die einen universellen Schlüssel zum Entriegeln des Potenzials unseres Gehirns darstellt. Die „Mind Map“ kann in jedem Aspekt des Lebens, wo das Lernen verbessert werden soll und klares Denken verlangt wird, die menschliche Leistung erhöhen. Die „Mind Map“ hat vier wesentliche Merkmale (vgl. Buzan, Buzan, 2002):
Der Gegenstand der Aufmerksamkeit kristallisiert sich in einem zentralen Bild.
Die wichtigsten Themen des Themas strahlen von dem zentralen Bild.
Die Themen halten eine Schlüsselbild/Wort auf der zugehörigen Linie.
Die Äste bilden eine Struktur mit verbundenen Knoten.
Morphologie Die Morphologie ist die „Wissenschaft von den Gestalten und Formen“. Als Kreativitätsmethode ist in der Zukunftsforschung die so genannte morphologische Analyse bekannt, die beispielsweise bei der Entwicklung von Szenarien eingesetzt wird. Durch das Zerlegen eines Problems in seine Teilaspekte und die Kombination dieser Teile wird die Menge aller Lösungsmöglichkeiten gewonnen (vgl. Schlicksupp, 1977).
Netzplantechnik Die Netzplantechnik ist in ihrer ursprünglichen Bedeutung keine Methode der Zukunftsforschung, sondern eine in den 50er-Jahren entwickelte Technik zur Lösung zeitlicher Organisationsprobleme. Der Begriff Netzplantechnik umfasst „alle Verfahren zur Analyse, Beschreibung, Planung, Steuerung und Überwachung von Abläufen auf der Grundlage der Graphentheorie, wobei Zeit, Kosten, Einsatzmittel bzw. Ressourcen berücksichtigt werden können. Ein Netzplan ist die graphische oder tabellarische Darstellung von Abläufen und der Abhängigkeiten“ (DIN 69900-1). Die Netzplantechnik findet ihre Anwendung insbesondere in der Terminplanung von Projekten. Sie verdeutlicht die logische und zeitliche Abfolge von Vorgängen (vgl. DIN, 2007).
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
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Nutzwertanalyse Die Nutzwertanalyse ist eine Methode zur systematischen Entscheidungsvorbereitung bei der Auswahl von Alternativen. Sie analysiert eine Menge komplexer Handlungsalternativen mit dem Zweck, die einzelnen Alternativen entsprechend den Präferenzen des Entscheidungsträgers bezüglich eines mehrdimensionalen Zielsystems zu ordnen (vgl. Zangmeister, 1971, 45).
Ökonometrie Ökonometrie bezeichnet die Modellierung ökonomischer Zusammenhänge in Form funktionaler Beziehungen zwischen ökonomischen Variablen. Es gilt, Beziehungen in Form mathematischer Funktionen aufzuspüren und die Parameter oder Koeffizienten derselben unter Einsatz von statistischen Verfahren mit Zahlenwerten zu belegen.
Patentanalyse Patentanalysen werden zunehmend auf der Grundlage von informetrischen Recherchen durchgeführt. Informetrische Recherchen führen auf der Basis von Dokumentennachweis-Mengen, die mittels statistischer Methoden analysiert werden, zu hervorgehobenen wesentlichen Informationen, zu Kerninformationen. Basis für die Kerninformationen sind meist einzelne oder verknüpfte Rangreihen, die durch die Nutzung von Statistikbefehlen während der Recherche oder durch die statistische Bearbeitung der Rechercheergebnisse nach der Recherche entstehen (vgl. Schramm, Milde, 2005, 5).
Publikationsanalyse Unter dem Begriff Publikationsanalyse werden verschiedene Methoden zusammengefasst, bei denen es um die systematische Beobachtung, Sichtung und Bewertung von Publikationen im Hinblick auf die eigenen Geschäftsfelder, neue Technologien, Kunden und Wettbewerber oder andere Umfeldbedingungen geht, die somit Informationen für die strategische Vorausschau liefern.
ROAME ROAME ist als ein Handlungsplan zu verstehen, der ein Vorausschauprojekt von Beginn an begleitet. R (Rationale) steht für die Begründung der Vorausschau (Warum wird dieses Projekt durchgeführt?). O (Objective) steht für die Zielstellung (Welche
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Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
Ziele sollen erreicht werden?). Unter A (Activities) werden Handlungen beschrieben, die im Rahmen der Vorausschau Anwendung finden sollen. Unter M (Monitoring) erfolgt eine permanente Überprüfung des Vorausschauprozesses (Sind die durchgeführten Maßnahmen geeignet, um die angestrebten Ziele zu erreichen, z.B. unter Beachtung des Zeitplans?). Der Buchstabe E steht für die Evaluation des Prozesses (Inwieweit und wie effizient und effektiv werden die Ziele erreicht?) (vgl. Miles, 2002, 10).
Roadmapping Nach Kostoff und Schaller (2001) bezeichnet „road map“ generisch „a lay-out of paths or routes that exists (or could exist) in some particular geographical space. … (It) serves as a traveler’s tool that provides essential understanding, proximity, direction, and some degree of certainty in travel planning“. Roadmapping kann als ein Oberbegriff für eine Gruppe von Verfahren verstanden werden, die als Strukturierungs- und Entscheidungshilfen für Strategieentwurf und -planung in Organisationen, die an der Entwicklung von Wissenschaft und Technik teilnehmen oder von ihr abhängen, dienen sollen (vgl. Fiedeler, Fleischer, Decker, 2004, 66). Als Keimzelle der Entwicklung gilt das „Technology Roadmapping“, das ursprünglich als eine Methode der strategischen Technologieplanung innerhalb eines Unternehmens entwickelt worden ist (vgl. Groenveld, 1997).
Simulationstechniken, Simulationssysteme Unter den Simulationstechniken oder Simulationssystemen werden mathematische Modellierungen und Computersimulationen zusammengefasst. Simulation ist die Nachbildung eines dynamischen Prozesses in einem Modell, um auf Erkenntnisse zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind. Im weiteren Sinne wird unter Simulation das Vorbereiten, Durchführen und Auswerten gezielter Experimente mit einem Simulationsmodell verstanden. Der Simulator ist das Werkzeug zur Simulation, das ein Modell zur Nachbildung des dynamischen Verhaltens eines Systems und seiner Prozesse lauf- und nutzungsfähig macht (vgl. VDI, 2000).
State-of-the-Future-Index (SOFI) Der „State of the Future“-Index ist eine quantitative Zeitserie, die Anhaltspunkte liefert über sich verändernde Zukunftssituationen. Der Index liefert Hinweise darüber, ob Entwicklungen, den Annahmen entsprechend, positiv oder negativ verlaufen. Eine
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
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erste Beschreibung und Anwendung der Methode erfolgte im Rahmen des „State of the Future“-Reports 2001 und 2002 des Millenniums Projekts des American Council der United Nations University.
Im SOFI werden Variablen kombiniert, die Hinweise für veränderte Zukunftssituationen liefern und aufzeigen, ob sich bestimmte Annahmen in eine positive oder negative Richtung entwickeln, um so einen generellen Indikator für eine Zukunftssituation zu erhalten. SOFI ähnelt insofern anderen Indexen, als dass auch SOFI mehrere Variablen zu einer Größe zusammenführt. SOFI ist ein Langzeitindex und wurde entwickelt, um Veränderungen im Zeitverlauf aufzuspüren und abzubilden (vgl. Gordon, 2003).
SWOT-Analyse Die SWOT (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken)-Analyse wird angewandt, um Hintergrundinformationen für den Vorausschauprozess zusammenzutragen. Manchmal werden auch SWOT-Analysen genutzt, um einzelne Aktivitäten innerhalb des Vorausschauprozesses darzustellen, z.B. die Ergebnisse einer Delphi-Studie. SWOTAnalysen werden oftmals in Form einer 2x2-Matrix dargestellt, als ein Überblick zu signifikanten internen und externen Faktoren, die Strategien und mögliche Zukünfte beeinflussen. SWOT-Analysen werden in der Regel von einem Expertenteam erstellt, das eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen und Interviews nutzt.
System Dynamics System Dynamics ist eine von Jay W. Forrester an der Sloan School of Management des MIT entwickelte Methodik zur ganzheitlichen Analyse und (Modell-)Simulation komplexer und dynamischer Systeme. Kennzeichnend ist die Identifikation und Untersuchung in sich geschlossener Wirkungsketten (feedback loops). Im System Dynamics werden Loops mit positiven (reinforcing loops) und negativen (balancing loops) Polaritäten unterschieden. Die Darstellung in Flussdiagrammen und deren Simulation ermöglichen ein tieferes Systemverständnis. Lager (Stocks) und Raten (Flows) dienen dabei zur Beschreibung der Systemzusammenhänge, und zeigen, wie die Wirkungsketten zum nicht-linearen und kontraintuitiven Verhalten von Systemen führen (vgl. Leonard, Beer, 2003, 37). Spezielle Software, wie CONSIDEO, iThink/STELLA, DYNAMO, Vensim oder Powersim, ermöglicht die Simulation der un-
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Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
tersuchten Fragestellungen. Die Simulation unterschiedlicher Szenarien (Runs) fördert das Verständnis für das Systemverhalten im Zeitverlauf.
Szenarioanalyse Die Szenarioanalyse zielt darauf ab, unterschiedliche in sich konsistente und plausible Zukunftsbilder zu entwickeln. Im Szenarioentwicklungsprozess finden qualitative und quantitative Informationen und Daten Berücksichtigung. Dabei wird das Unternehmen oder der jeweilige Untersuchungsgegenstand vor dem Hintergrund eines komplexen Netzwerkes unterschiedlicher Einflussfaktoren betrachtet, für die verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten möglich sind. Sowohl die Szenarien als auch der Szenarioentwicklungsprozess selbst ermöglichen die Auseinandersetzung mit zukünftigen Entwicklungen und sind Grundlage für die Ableitung von strategischen Implikationen. Damit ist die Szenarioanalyse ein geeignetes Tool, um mit Unsicherheiten über zukünftige Entwicklungen umzugehen, Chancen zu erkennen und Risiken zu minimieren.
Szenariotechnik Die Szenariotechnik ist eine Planungstechnik, bei der mehrere in sich konsistente Szenarien entwickelt werden, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Aus diesen Szenarien werden Konsequenzen für strategische Entscheidungen abgeleitet. Die Szenariotechnik hat eine Reihe von Vorzügen: Es wird nicht von einer einzigen Zukunft ausgegangen, sondern von einem Spektrum möglicher, wünschbarer oder zu vermeidender Zukünfte. Durch die systematische Variation von Umfeldbedingungen können Trendbrüche oder Störereignisse spekulativ berücksichtigt werden. Werden die Zukunftsbilder und die zu ihnen führenden Entwicklungswege anschaulich ausgemalt, können Szenarien zu einer hervorragenden Kommunikationsgrundlage werden (vgl. von Reibnitz, 1992; Missler-Behr, 1993; Gausemeier, Fink, Schlake, Siebe, 1996).
Technologie-Portfolio-Analyse Die Dimensionen des Technologieportfolios sind im Allgemeinen die unternehmensexternen vom Unternehmen nicht beeinflussbare sowie die unternehmensinternen vom Unternehmen beeinflussbaren Parameter. Unternehmensexterne Parameter werden auch Technologieattraktivität genannt, die internen Parameter relative Technologieentwicklungsstärke. Im Rahmen begrenzter Gesamtressourcen wird versucht,
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
343
eine Ressourcenoptimierung nach den Gesichtspunkten Potenzial, Risiko, Wachstum und Stabilität zu erreichen. Die vom Technologieportfolio abgeleiteten Strategien werden meist in der FuE-Programmplanung umgesetzt. Die abgeleiteten Strategien müssen dabei mit den funktionalen Strategien sowie der Gesamtstrategie eines Unternehmens übereinstimmen (vgl. Pfeiffer, Metze, Schneider, Amler, 1987; Arthur, 1988).
Trendextrapolation Die Trendextrapolation wird eingesetzt, wenn die bisherige Entwicklung einer Größe (des Untersuchungsobjekts) eine mathematisch definierbare Gesetzmäßigkeit zeigt. Der beobachtete Trend wird dann in die Zukunft verlängert. Voraussetzung für die Anwendung einer Trendextrapolation ist nur das Vorhandensein einer mathematisch definierbaren Gesetzmäßigkeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine theoretisch begründbare Gesetzmäßigkeit handelt, die auch mathematisch beschreibbar ist, oder nur um eine formale Regelhaftigkeit. Trendextrapolationen sind also pragmatische, nicht theoretisch begründete Prognosen, bei denen der zukünftige Verlauf aus vorangegangenen Verläufen abgeleitet wird (vgl. Stiens, 1998, 121).
TRIZ TRIZ stellt ein umfangreiches Werkzeugsystem dar, das auf eine über fünfzigjährige Entwicklungsgeschichte zurückblicken kann. Anwendung finden die Werkzeuge, wenn keine offensichtlichen Lösungen erkennbar sind. Durch die Abstraktion der Aufgabenstellung und die Anwendung von standardisierten Lösungsprinzipien sind systematisch neue, innovative Lösungen erzielbar. Die Vorgehensweise kann wie folgt durchlaufen werden: Definition und Beschreibung des konkreten Problems, Abstrahierung der Problemstellung durch Umwandlung des konkreten Problems in eine abstrahierte Problemdefinition, Identifizierung von bekannten Lösungsverfahren für die verallgemeinerte (abstrakte) Problemstellung, Rücktransformation der abstrakten Lösung in die konkrete Ebene (vgl. z.B. Gundlach, Nähler, 2005, 5f.; Altshuler, 1984).
Umfeldbeobachtung Ausgangspunkt für die Umfeldbeobachtung ist Ansoffs These (vgl. Ansoff, 1976), dass neue Trends nicht plötzlich entstehen, sondern sich durch Verlaufsereignisse, „schwache Signale“, ankündigen. Dabei handelt es sich um unstrukturierte, nicht
344
Glossar - Methoden in der strategischen Vorausschau
eindeutig interpretierbare Informationen. Diese schwachen Signale müssen im Rahmen der Früherkennung aufgenommen (Scanning), ihre Relevanz beurteilt und ihre weitere Entwicklung (Monitoring) verfolgt werden. Die Beobachtung der Umfelder sollte möglichst breit angelegt sein, da im Vorfeld unklar ist, wo Bedrohungen oder förderliche Entwicklungen zu beobachten sind (vgl. Geschka, 1995, 632).
Zukunftskonferenz Die Zukunftskonferenz ist als Methode im amerikanischen Raum seit mehreren Jahrzehnten erprobt und wird auch in Deutschland zunehmend eingesetzt. Mit ihr können relativ große Gruppen (30 bis 80 Personen) die gemeinsame Zukunft planen und entsprechende Ziele und Visionen entwickeln. Durch eine auf Vermittlung und Ausgleich angelegte Moderation ist die Zukunftskonferenz auch für Gruppen mit divergierenden Interessen oder hohem Konfliktpotenzial geeignet. Zukunftskonferenzen eignen sich sowohl für die partizipative Planung als auch zur Mitarbeitermobilisierung (vgl. Weisbord, Janoff, 2001).
Zukunftswerkstatt Die Zukunftswerkstatt wird eingesetzt, um Personen an Planungsprozessen zu beteiligen und Möglichkeiten der Umsetzung zu erarbeiten. Die Methode Zukunftswerkstatt wendet sich aktuellen Fragestellungen aus dem Arbeitsumfeld zu. Ziel ist die Produktion von Lösungsideen, damit vorhandene Probleme einer kurzfristigen Lösung zugeführt werden können. In der Zukunftswerkstatt steht das Auffinden fantasievoller, unkonventioneller, aber trotzdem in die Praxis umsetzbarer Lösungsideen im Mittelpunkt (Jungk, Müllert, 1989; vgl. Albers, 2001, 21). Zukunftswerkstätten werden im Block an mindestens 2 bis 3 Tagen mit ca. 15 Betroffenen durchgeführt. Zuerst erfolgt eine Bestandsaufnahme und Gewichtung von Missständen und Problemen (Kritikphase). In der Ideen- und Fantasiephase werden Vorschläge und Visionen zu einer wünschenswerten Situation gemacht. In der Realisierungsphase werden Wege zur Umsetzung gesucht und konkrete Maßnahmen entwickelt (vgl. Zweck, Albertshauser, Baron, Braun, Krück, Reuscher, Seiler, 2004).
ANHANG
Definition
Von Reibnitz, (1991)
Ute von Reibnitz, Horst Geschka Szenario- Technik
Die Szenariomethode ist eine Planungstechnik, die in der Regel zwei sich deutlich unterscheidende, aber in sich konsistente Szenarien (Zukunftsbilder) entwickelt und daraus Konsequenzen für das Unternehmen ableitet (vgl. von Reibnitz, 1992, 14).
Modellorientierte Ansätze
Vertreter/Autoren
Schritt 8: Szenariotransfer
Schritt 7: Konsequenzenanalyse
Schritt 6: Störereignisanalyse
Schritt 5: Szenario- Interpretation
Schritt 4: Alternativenbündelung (Konsistenzanalyse)
Schritt 3: Trendprojektionen
Schritt 2: Einflussanalyse (Einflussfaktoren identifizieren und bündeln)
Schritt 1: Aufgabenanalyse (Definition Untersuchungsgegenstand)
Ablaufschritte
2 Szenarien (Extremszenarien)
Anzahl der Szenarien
Systematischer Prozess erzeugt Transparenz
Vorteile (+ )
Entwicklung von Extremszenarien kann zu einem „schwarz-weißDenken“ führen
Aufwendige Konsistenzanalyse kann kreativitätshemmend sein
Nachteile (- )
Grundansatz der Szenarioanalyse in Kontinentaleuropa, der auch in Ansätzen anderer Autoren in ähnlicher oder modifizierter Form zum Einsatz kommt
Interessante Aspekte
346 ANHANG
A.1 Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse im Überblick
Definition
Gausemeier, Fink, Schlacke, Siebe (1996; 1998)
Gausemeier, Fink, Schlake et al. SzenarioManagement
Szenario- Management meint das „Denken in Szenarien“, das mehrere Möglichkeiten zulässt, wie sich die Zukunft entwickeln könnte. Das Denken in Szenarien basiert auf den Ansätzen der multiplen Zukunft und des vernetzten Denkens.
Modellorientierte Ansätze
Vertreter/Autoren
Schritt 7: Strategische Früherkennung (Zukunftsthemen)
Schritt 6: Strategieentwicklung und - bewertung (zukunftsrobuste Visionen und Strategien)
Schritt 5: SzenarioKommunikation
Schritt 4: Szenario- Bildung (Verknüpfung von Zukunftsprojektionen zu Szenarien)
Schritt 3: Szenarioprognostik (Entwicklung von Zukunftsprojektionen)
Schritt 2: Szenariofeld- Analyse (Auswahl von Schlüsselfaktoren)
Schritt 1: Gestaltungsfeld- Analyse (Ausgangssituation)
Ablaufschritte
2 bis 8 Szenarien
Anzahl der Szenarien
Verknüpfung mit Früherkennung
Vorteile (+ )
Aufwendige Konsistenzanalyse ist kreativitätshemmend
Nachteile (- )
Clusteranalyse ermöglicht Auswahl der Szenarien
Integrierter Ansatz (Sytem Thinking, Multiple Futures, Strategic Thinking)
Interessante Aspekte
ANHANG 347
Definition
Burmeister, Neef, Beyers (2004)
Klaus Burmeister, Andreas Neef, Bert Beyers Szenarioprozess Corporate Foresight
Szenarien sind in sich konsistente, alternative Bilder der Zukunft, die in aller Regel nicht von einzelnen Personen entworfen werden. Sie entstehen in einem gemeinsamen kreativen und kommunikativen Prozess. Sie regen dazu an, sich mit wichtigen Trends, kommenden Herausforderungen und eigenen Zielvorstellungen auseinander zu setzen. Ihre Ergebnisse, meist in Form niedergeschriebener Geschichten, sind ein ideales Instrument, Entscheidungen vorzubereiten.
Modellorientierte Ansätze
Vertreter/Autoren
Schritt 5: Ableitung von Chancen, Risiken und Handlungsoptionen für die Strategieentwicklung
Schritt 4: Szenarioanreicherung und Visualisierung, Berücksichtigung von Störereignissen
Schritt 3: Szenariokonstruktion durch Konsistenz- , Plausibilitäts- und Robustheitsanalyse
Schritt 2: Analyse und Auswahl von Schlüsselfaktoren
Schritt 1: Identifikation und Systematisierung von Trends und Akteuren
Ablaufschritte
Keine vorgegebene Anzahl
Anzahl der Szenarien
Ganzheitliche Betrachtung durch Integra tion in Corporate Foresight Ansatz
Permanentes Trendmonitoring über Trenddatenbank
Szenarioentwicklung wird dem jeweiligen Kontext angepasst
Prozess ist weniger starr und vorgegeben,
Vorteile (+ )
Keine Aussagen über das Vorgehen in der Konsistenzanalyse
Nachteile (- )
Trends als Ausgangspunkt der Szenarioentwicklung Nutzung einer Trenddatenbank
Interessante Aspekte
348 ANHANG
Definition
Gaston Berger Bertrand de Jouvenel Michel Godet La prospective Scenario planning Weitere Vertreter: Monti, Régine Meunier, Francis, Roubelat, Fabrice Godet (1987), Godet, Roubelat (1996b), (2001), Godet, M.; Monti, R.; Meunier, F; Roubelat, F. (2003)
A scenario is a description of a future situation and the course of events which allows one to move forward from the original to the future situation.
Modellorientierte Ansätze
Vertreter/Autoren
Schritt 9: Handlungspläne
Schritt 8: Organisation von Zielen innerhalb der Hierarchie
Schritt 7: Entwicklung Strategischer Alternativen (Mulikriterien Methode)
Schritt 6: Erstellung der Szenarien (Entwicklungswege, Bilder etc.) (morphologische Analyse)
Schritt 5: Auswahl möglicher Zukünfte
Schritt 4: Erstellung fundamentaler Hypothesen zu Schlüsselvariablen und Akteuren
Schritt 3: Analyse und Erklärung vergangener Trends, beginnenden Veränderungsprozesse, Akteure
Schritt 2: Identifikation von Schlüsselvariablen (Strukturanalyse)
Schritt 1: Abgrenzung des Systems
Ablaufschritte
(Morphologische Analyse)
Keine vorgegebene Anzahl
Anzahl der Szenarien
Integrierter Ansatz: strategische Planung wird unmittelbar mit der Szenarioentwicklung verknüpft
Vorteile (+ )
Gute Methodenkenntnis erforderlich
Hoher Aufwand
Nachteile (- )
Betrachtung von Akteuren im Rahmen der Einflussanalyse
Integration der strategischen Planung
Integration von morphologischen Analysen und Strukturierungsanalysen innerhalb der einzelnen Prozessschritte
Interessante Aspekte
ANHANG 349
Definition
Gordon (1994)
Future Group Theodore Jay Gordon Olaf Helmer Scenario planning The probabilistic modified trends school Trend- Impact Analyse (TIA) Cross- Impact Analyse (CIA)
Trend Impact Analysis is a forecasting method that permits extrapolations of historical trends to be modified in view of expectations about future events.
Modellorientierte Ansätze
Vertreter/Autoren
Schritt 4: Nutzung von Expertenmeinungen, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der noch nie da gewesenen Ereignisse zu bewerten sowie deren erwarteter Einfluss, um eine Anpassung der Extrapolation vorzunehmen
Schritt 3: Erstellung einer Liste mit noch nie da gewesenen Zukunftsereignissen, die eine Abweichung des Trendentwicklung hervorrufen würden
Schritt 2: Nutzung von Algorithmen, um geeignete Vergangenheitsdaten zu überraschungsfreien Zukunftstrends zu extrapolieren
Schritt 1: Sammlung von vergangenheitsbezogenen Daten
Ablaufschritte
3- 6 Szenarien, je nach Anzahl der Simulationen
Anzahl der Szenarien
Kombination von Extrapolationen und verschiedenen Annahmen über Zukunftsentwicklungen Integration von Trends und unterschiedlichen Annahmen über Entwicklungen sowie deren Einfluss
Vorteile (+ )
Identifikation von Zukunftsereignissen und die Bewertung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens sowie die Einschätzung des Einflusses auf den Untersuchungsgeg enstand ist stark von der Einschätzung der Experten abhängig
Keine Einbindung in die strategische Planung
i.d.R. nur zusammen mit externen Beratern durchführbar
Nachteile (- )
Computerbasierte Vorausschau und Simulation Tools: Trend Impact und Cross Impact Analyse, Monte Carlo Simulation
Quantität in der Szenarioentwicklung
Ansatz enthält quantitative und analytische Elemente, gleichzeitig wird Experteneinschät zung im Rahmen der TIA vorgenommen
Interessante Aspekte
350 ANHANG
Schwartz (1996)
Peter Schwartz (GBN) Scenario building Scenario planning
Intuitive Ansätze
Vertreter/Autoren
In practice, scenarios resemble a set of stories, written or spoken, built around carefully constructed plots. Stories are an old way of organizing knowledge. When used as strategic tool, they confront denial by encouraging in fact, requiring the willing suspension of disbelief. Stories can express multiple perspectives on complex events and scenarios give meaning to these events.
Scenarios are tools for ordering one's perceptions about alternative future environments in which today's decisions might be played out.
Definition
Schritt 8: Auswahl geeigneter Indikatoren im Sinne eines Frühwarnsystems, das Hinweise liefert für das Eintreten bestimmter Szenarien
Schritt 7: Entwicklung von Implikationen für die Entscheidungsfindung
Schritt 6: Beschreibung der Szenarien auf der Basis von logischen Argumenten
Schritt 5: Auswahl von logischen Zusammenhängen zu zusammenhängenden Szenarien
Schritt 4: Entwicklung einer hierarchischen Ordnung im Hinblick auf die Bedeutung der Faktoren (Bedeutung der treibenden Kräfte und Grad der Unsicherheit)
Schritt 3: Identifikationen vergangener Trends im globalen Umfeld
Schritt 2: Identifikation der treibenden Kräfte im globalen Umfeld
Schritt 1: Identifikation eines strategisches Entscheidungsproblem
Ablaufschritte
4 Szenarien
Anzahl der Szenarien
Szenarioentwicklung ist nicht standardisiert und hängt in hohem Maße von der Kreativität und dem Wissen der Teilnehmer ab
Vorteile (+ )
Kein aufwendiger Konsistenzcheck im Rahmen einer softwaregestützten Konsistenzanalyse
Methodenkenntnis, zukunftsorientiertes Denken erforderlich
Mangelnde Transparenz, da intuitiv
Nachteile (- )
Schreiben von Szenarien ist eher eine literarische Übung, die eine bestimmte Geisteshaltung erfordert, als ein definitiver Prozess
Interessante Aspekte
ANHANG 351
Van der Heijden et al. (2002)
Van der Heijden (1996; 1997)
Kees van der Heijden Scenario planning
Intuitive Ansätze
Vertreter/Autoren
Multiple scenarios are penpictures of a range of possible futures. Each individual scenario has an infinitesimal probability of actual occurrence but the range of a set of individual scenarios can be constructed in such a way as to bound the uncertainties that are seen to be inherent in the future – like the boundaries of a multidimensional space. Multiple scenarios provide alternative frames on the nature of the future.
Definition
Schritt 6: Beeinflussung strategischen Denkens
Schritt 5: Systemcheck
Schritt 4: Stakeholder Analyse
Schritt 3: Entwicklung der Szenarien
Schritt 2: Analyse des Kontextes
Schritt 1: Strukturierung des Szenarioprozesses
Ablaufschritte
4 Szenarien
Anzahl der Szenarien
Verknüpfung der Szenarioanalyse mit der strategischen Planung
Erstellung der Szenarien erfolgt ohne aufwendigen softwaregestützten Konsistenzcheck
Vorteile (+ )
Mangelnde Transparenz, da intuitiv Erfahrungen in der Moderation erforderlich, da Szenarien in Workshops entwickelt werden
Nachteile (- )
Einbindung in Strategieprozess
Berücksichtigung der stakeholder (Akteursansatz)
Interessante Aspekte
352 ANHANG
Paul Schoemaker (1991; 1998;, 2002)
Intuitive Ansätze
Vertreter/Autoren
Scenario is defined as „a possible future presented in considerable detail, with special emphasis on causal connections, internal consistency, and concreteness. In corporate planning, multiple scenarios are often used to characterize the range within which the future is likely to evolve.“ (Schoemaker, 1991, 549 f.)
Definition
Schritt 6: Animation der Szenarien
Schritt 5: Entwicklung detaillierter Szenarien
Schritt 4: Ermittlung bedeutender Trends und Unsicherheiten
Schritt 3: Identifikation dominanter externer Kräfte
Schritt: 2 Definition von Leitfragen und Informationssammlung
Schritt 1: Definition des Szenariofokus
Ablaufschritte
4 Szenarien
Anzahl der Szenarien
Erstellung ohne aufwendigen softwaregestützten Konsistenzcheck
Vorteile (+ )
Mangelnde Nachvollziehbarkeit/Transparenz des Szenarioprozesses
Erfahrung in der Moderation von Szenarioprozessen und Workshops erforderlich
Nachteile (- )
Einbindung in Strategieprozess
System Dynamics
Integration von UrsacheWirkungsModellen,
Interessante Aspekte
ANHANG 353
354
ANHANG
A.2 Interviewleitfaden im Projekt New Market Intelligence (Stand: August 2007)
A) Internationalisierung von Dienstleistungen in der roten Biotechnologie
Auf welchen Dienstleistungen liegt Ihr Schwerpunkt?
Was sind die Ergebnisse Ihrer Dienstleistungen?
Wer sind Ihre Kunden?
Wenn auch Produkte angeboten werden: Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Ihrem Produktportfolio und dem Dienstleistungsportfolio?
Welche Bedeutung haben die Dienstleistungen für Ihr Unternehmen?
Welche Unterschiede gab es zwischen der Internationalisierung Ihrer Produkte und Ihrer Dienstleistungen?
Was waren die Gründe für bzw. was sind Ihre persönlichen Ziele bei die Internationalisierung?
Durch welche Faktoren wird die Internationalisierung der Dienstleistungen beeinflusst? Bzw.: Was sind die treibenden Faktoren für die Internationalisierung
Wann hat die Internationalisierung begonnen?
Welche Markteintrittsformen haben Sie aus welchen Gründen gewählt? (Diversity) Export Lizenzen Vertragsfertigung Kooperationen (JV, Strategische Allianzen) Beteiligungen (Mehrheit / Minderheit) Tochtergesellschaften (Übernahme, Eigenaufbau, Funktionen)
Wie war der zeitliche Ablauf der Eroberung der Ländermärkte und was waren die Gründe dafür? (Speed) Pionier vs. Folger Wasserfall / Prozess vs. Sprinkler / BG vs. Kombination
Welche Ländermärkte haben Sie bisher erobert und was waren die Gründe dafür? (Distance) einzelne Ländermärkte, Regionen, Welt, Schwerpunkte, Präsenz, Gelegenheit, Abstinenz
Wie haben sich die einzelnen Ländermärkte entwickelt? (Depth) Umsatz oder Mitarbeiter Funktionen der Wertkette
Was waren für Sie die größten Markteintrittsbarrieren?
Was wäre Ihrer Meinung nach rückblickend die optimale Internationalisierungsstrategie gewesen, um Ihre Ziele zu erreichen?
ANHANG
355
Gibt es noch Aspekte, die bisher noch nicht angesprochen wurden, die Sie aber für wichtig halten?
B) Bestandsaufnahme zur Praxis der Früherkennung in KMU Unternehmenscharakterisierung
Wie würden Sie Ihr Unternehmen am treffendsten charakterisieren?
Was sind wichtige Produkte und Dienstleistungen Ihres Unternehmens? Was sind wichtige Kundengruppen?
Wie wichtig sind Innovationen - für Ihr Unternehmen - für die Branche Biotechnologie und insbesondere für Dienstleistungen in der Biotechnologie?
(Wie groß/welchen Umfang hat das Budget, das Ihnen für F&E zur Verfügung steht? )
Früherkennung und strategische Planung
Was sind wesentliche zukunftsbezogene/zukunftsorientierte Ziele Ihres Unternehmens (Vision, Mission Statement)
Wie gehen Sie vor, um neue Marktchancen (neue Märkte) oder neue technologische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen?
Welchen Stellenwert hat die strategische Früherkennung/Foresight im Unternehmen?
Institutionelles Setting/Charakterisierung der Früherkennungsaktivitäten
Wer beschäftigt sich im Unternehmen mit Fragestellungen der Früherkennung und strategischen Planung?
Nutzen Sie einen systematischen Prozess, um frühzeitig Marktchancen zu erkennen?
Kommen Methoden der Früherkennung, wie z.B. Portfolio-Methoden, Expertenbefragungen, Trendanalysen, Szenarioanalysen im Rahmen der strategischen Planung zum Einsatz?
Welche Methoden nutzen Sie? Was verstehen Sie unter den verwendeten Methoden?
Welches Ziel verfolgen Sie hauptsächlich mit dem Einsatz der Methoden? Welche Gründe sprechen gegen den Einsatz der Methoden?
Welche Erfahrungen haben Sie beim Einsatz dieser Methoden gemacht? In wieweit finden die Erkenntnisse aus der Früherkennung in der strategischen Planung Berücksichtigung?
Nutzen Sie bestimmte Quellen (z.B. Fachzeitschriften, Besuch von Konferenzen etc.) oder Ressourcen (z.B. Netzwerke) um Informationen zu erhalten, die Ihnen bei der Früherkennung und strategischen Planung helfen? Welche Quellen und Ressourcen nutzen Sie hauptsächlich?
Welche Themenfelder (z.B. Nachfrageentwicklung, Wettbewerbssituation, Technologietrends) sind für Sie von besonderem Interesse bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie?
356
ANHANG
A.3 Leitfragen zur Beschreibung der Einflussbereiche in der Szenarioanalyse Bioanalytik und in vitro Diagnostik (Beispiel)
A.3.1 Leitfragen zum Einflussbereich Spezifische Inputfaktoren (vgl. Porter, van der Linde, 2002)
1. Human Ressource (Bewertung der Qualität und Spezifikation der Human Ressource) a. Welche Ausbildungsangebote gibt es, um den Fachkräftebedarf für die Bioanalytik und Diagnostik abzudecken? Welche Institutionen gibt es, die Personal für dieses Themenfeld ausbilden? Wie wichtig sind ausgebildete Fachkräfte für die Wettbewerbsfähigkeit? b. Welchen Ruf haben Einrichtungen, die Fachkräfte für dieses Themenfeld ausbilden? c. Wie viele Absolventen der jeweiligen Einrichtungen gibt es? d. Wie attraktiv ist der Standort/die Region für Fachkräfte, die im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik arbeiten?
2. Wissenstransfer (Bewertung der Qualität, Spezifizierung und Verfügbarkeit von Ausbildungsangeboten in der Region, z.B. universitäre Weiterbildungsangebote) a. Welche Aktivitäten (Trainings, Seminare) existieren, um den Wissenstransfer im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik sicherzustellen? b. Wie intensiv werden diese Veranstaltungen/Aktionen genutzt? c. Welchen Einfluss haben die Aktivitäten des Wissenstransfers auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik?
3. Wissenschaftliche Infrastruktur (Bewertung der Qualität und Spezifizierung der Forschungsinstitute und Labore) a. Welche wissenschaftlichen Einrichtungen existieren in der Region, die sich mit Themen der Bioanalytik und Diagnostik auseinandersetzen? b. Wie viele Arbeitsgruppen bestehen? c. Welches Ansehen besitzen diese Einrichtungen im internationalen Vergleich? d. Welchen Einfluss haben die wissenschaftlichen Institute auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik?
4. Kapitalverfügbarkeit (Bewertung der Qualität der Kapitalverfügbarkeit) a. Welche Venture Capitalists (VCs) oder andere Geldgeber gibt es, die die Aktivitäten der Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik kennen? b. Wie viel VC-Gelder wurden in 2005 investiert (absolut und relativ)?
ANHANG
357
c. Welche anderen Finanzquellen/Geldgeber investieren in das Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik? d. Welche Probleme existieren bei der Versorgung mit Kapital für das Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik?
5. Staatliche Subventionen a. Gibt
es
staatliche
Subventionen
im
Themenfeld
der
Bioanalytik
und
Diagnostik? Was sind Gründe für die Subventionen? Wie hoch ist die Summe der Subventionen? b. Was sind vergangene und mögliche zukünftige Trends im Hinblick auf Subventionen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik?
6. Förderprogramme für Forschung, Finanzierung der Forschungsaktivitäten a. Welche staatlichen Förderprogramme gibt es? Wie kann der Umfang der Förderprogramme eingeschätzt werden? b. Wie beeinflussen diese Programme die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik?
7. Physikalische Infrastruktur (Produktion) (Bewertung der Qualität und Spezifizierung der Labore) a. Welche Labore gibt es, die zur Produktion im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik genutzt werden?
8. Verfügbarkeit von spezifischen Informationen a. Welche Organisationen bieten spezifische Unternehmensinformationen über das Themenfeld/Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik an? b. Welche Netzwerke gibt es im Feld der Bioanalytik und Diagnostik? c. Wie kommunizieren die Akteure untereinander? Wie wird die Kommunikation von der Intensität, Häufigkeit und Qualität eingeschätzt?
9. Veranstaltungen a. Welche speziellen Messen, Veranstaltungen, Konferenzen gibt es in der Region oder in der Nähe der Region zum Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik? b. Welche Reichweite haben diese Veranstaltungen (regional, national, international)?
10. Prestige, Attraktivität der Region, um „die besten Leute“ für das Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik zu begeistern (subjektive Einschätzung) a. Welchen Ruf hat die Region in Bezug auf die Bioanalytik und Diagnostik?
358
ANHANG
11. Beschreibung von Faktornachteilen, die dazu führten auf ein ausgewähltes Segment zu fokussieren oder eine Innovation voranzutreiben (z.B. hohe Energiekosten führen zur Entwicklung von energieeffizienten Produkten, die auch attraktiv sind für Märkte außerhalb der Region) a. Gibt es einen spezifischen Faktornachteil, der dazu führte, eine bestimmte Innovation voranzutreiben? Ist diese Innovation auch attraktiv für Märkte außerhalb der Region?
12. Sonstige Faktoren a. Gibt es weitere Input-Faktoren, die sich vorteilhaft oder nachteilig auf die Bedingungen für Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik auswirken und diese beeinflussen?
13. Grundsätzliche Bedeutung der spezifischen Inputfaktoren a. Wie ist die grundsätzliche Bedeutung des Einflussbereiches „Spezifische Inputfaktoren“ zu beurteilen? Sind die Inputfaktoren als vorteilhaft oder eher nachteilig für das Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik einzuschätzen oder haben die Inputfaktoren keinen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik?
A.3.2 Leitfragen zum Einflussbereich Nachfragebedingungen (vgl. Porter, van der Linde, 2002) 1. Sophistische Nachfrage a. Wie kann die Nachfrage in der Region nach Endprodukten11 oder Dienstleistungen der Bioanalytik und Diagnostik eingeschätzt werden?
2. Zeitpunkt der lokalen Nachfrage (Trendsetzer/Pioniere vs. Trend Adoption/ Übernahme eines Trends) a. Sind die Abnehmer eher Vorreiter internationaler Entwicklungen und immer einen Schritt voraus oder haben die Kunden eher die Tendenz Produkte/Dienstleistungen nachzufragen und zu übernehmen, nachdem diese in einer anderen Region eingeführt wurden? Gibt es Beispiele?
11
Die Frage zielt ausschließlich auf die Nachfrage nach Endprodukten oder (End-)Dienstleistungen ab. An dieser Stelle muss deutlich gemacht werden, wenn z.B. Distributoren im Zusammenhang mit der Nachfrage benannt werden. Anmerkungen oder Beispiele für (non-)sophistische Nachfrager /Abnehmer sind sehr hilfreich und erwünscht.
ANHANG
359
3. Unverhältnismäßig starke lokale Nachfrage in einem bestimmten Segment a. Gibt es eine unverhältnismäßig starke lokale Nachfrage in einem bestimmten Segment innerhalb der Bioanalytik und Diagnostik? b. Wenn ja, wie kann der Charakter und der Einfluss dieser Nachfrage auf das Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik in der Region eingeschätzt werden?
4. Staatlicher Einfluss: Gesetzliche Regelungen im Hinblick auf die Kundeninformation a. Gibt es gesetzliche Regelungen, die die Information der Kunden zu Produkten der Bioanalytik und Diagnostik sicherstellen? Wie stringent werden diese Regelungen angewandt?12
5. Lokale vs. globale Nachfrage a. Welchen Umfang und welche Qualität hat die Nachfrage in der Region bzw. bundesweit? b. Welchen Umfang und welche Qualität hat die Nachfrage aus dem Ausland? c. Erfordert die Nachfrage aus dem Ausland eine Präsenz im Auslandsmarkt/in den Auslandsmärkten? 6. Staatlicher Einfluss: Staatliche Nachfrage a. Wie kann die staatliche Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen aus dem Bereich der Bioanalytik und Diagnostik eingeschätzt werden?13 b. Welchen Einfluss hat die staatliche Nachfrage auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen in der Bioanalytik und Diagnostik in der Region?
7. Sonstige Faktoren a. Gibt es weitere Faktoren, die sich auf die lokale Nachfrage nach Produkten der Bioanalytik und Diagnostik auswirken und diese beeinflussen?
8. Grundsätzliche Bedeutung der Nachfragebedingungen a. Wie ist die grundsätzliche Bedeutung des Einflussbereichs Nachfragebedingungen einzuschätzen? b. Sind die Nachfragebedingungen eher als vorteilhaft oder nachteilig für das Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik einzuschätzen?
12
Umfassende Kundeninformationen führen zu einer stärkeren und sophistischen Nachfrage. Eine sophistische Nachfrage führt oftmals dazu, dass Unternehmen eher innovieren und mehr wettbewerbsfähige Produkte entwickeln.
13
360
ANHANG
A.3.3 Leitfragen zum Einflussbereich Zulieferer und verwandte und unterstützende Branchen (vgl. Porter, van der Linde, 2002) 1. Grad des lokalen Ursprungs von Waren und Dienstleistungen a. Wie hoch ist der Anteil von Waren und Dienstleistungen (als prozentualer Anteil am Gesamterwerb), die von Zulieferern aus der Region erworben werden14?
2. Zulieferer von Komponenten und Materialen a. Gibt es Zulieferer von Komponenten und Materialien in der Region? b. Sind diese Zulieferer national und international wettbewerbsfähig?
3. Zulieferer von Prozess-Equipment (z.B. Geräte) a. Gibt es Gerätezulieferer in der Region? b. Sind diese Zulieferer national und international wettbewerbsfähig?
4. Zulieferer von Dienstleistungen a. Gibt es Anbieter von Dienstleistungen für die Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik? b. Sind diese Anbieter national und international wettbewerbsfähig?
5. Staatlicher Einfluss: Import von Zulieferleistungen a. Wie schwer oder leicht ist es für die Bioanalytik und Diagnostik Unternehmen benötigte Zulieferleistungen zu importieren?
6. Sonstige Faktoren (Zulieferer) a. Gibt es weitere Faktoren, bedingt durch lokale Zulieferer, die sich vorteilhaft oder nachteilig auf die Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik auswirken?
7. Verwandte Branchen/Bereiche a. Gibt es verwandte Branchen/Bereiche, die auf gemeinsame Inputfaktoren zurückgreifen, wie z.B. Technologien, Fähigkeiten und Kenntnisse des Personals. b. In welcher Form profitieren die Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik von verwandten Branchen/Bereichen? c. Gibt es verwandte Branchen/Bereiche, die das Angebot der Bioanalytik und Diagnostik Unternehmen ergänzen? (Komplementärprodukte)
14
Mit dieser Abfrage wird der Versuch unternommen, die Stärke und Bedeutung der Zulieferer in der Region zu erfassen.
ANHANG
361
8. Sonstige Faktoren (unterstützende Branchen/Bereiche) a. Gibt es weitere Faktoren, die bedingt sind durch verwandte Branchen/Bereiche, die sich vorteilhaft oder nachteilig auf die Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik auswirken?
A.3.4 Leitfragen zum Einflussbereich Unternehmensstrategie und Wettbewerb (vgl. Porter, van der Linde, 2002)
1. Wettbewerb a. Wie kann die Wettbewerbssituation der Unternehmen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik charakterisiert werden? b. Welchen Einfluss hat der Wettbewerb auf die Unternehmen um Innovationen voranzutreiben? 2. Staatlicher Einfluss: „Antitrust“ Gesetze a. Gibt es staatliche Regelungen, die Unternehmenszusammenschlüsse im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik verhindern? b. Welchen Einfluss haben diese gesetzlichen Regelungen auf die Aktivitäten der Unternehmen?
3. Staatlicher Einfluss: Offenheit des ökonomischen Systems für fremden Wettbewerb oder Direktinvestitionen durch Akteure außerhalb der Region a. Wie ist die Offenheit der Region gegenüber fremden Wettbewerb oder einem direkten Investment durch Akteure außerhalb der Region einzuschätzen? b. Gibt es Restriktionen oder einen offenen Import von Leistungen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik? c. Wie wird die Standortattraktivität für Direktinvestitionen gefördert?
4. Sonstige Faktoren (Wettbewerb) a. Gibt es weitere Faktoren, die sich vorteilhaft oder nachteilig auf die Wettbewerbssituation zwischen den Unternehmen im Themenfeld auswirken?
5. Kooperationen a. Gibt es Kooperationen zwischen den Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik? b. Gibt es Kooperationen zwischen Unternehmen und Zulieferern? c. Gibt es gemeinsame Forschungsprojekte? d. Gibt es ein gemeinsames Investment der Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik in die Personalentwicklung oder in die Infrastruktur?
362
ANHANG
e. Wie kann die Beziehung zwischen Wettbewerb und Kooperation (coopetition) beschrieben werden für die Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik?
6. Lokale Core- oder Lead-Unternehmen a. Welche Core- oder Lead-Unternehmen gibt es in der Region? b. Welchen Einfluss haben führende Unternehmen auf das Themenfeld im Hinblick auf mögliche Wettbewerbseffekte? c. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen i.S.v. Preisvereinbarungen oder eine gemeinsame Lobbyarbeit um Fördermittel für das Themenfeld? Welche konkreten Beispiele (Unternehmensnamen) gibt es für diese Form der Zusammenarbeit?
7. Beziehung der Akteure untereinander in der Region a. Wie kann die Beziehung zwischen den Akteuren im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik charakterisiert werden (z.B. Vertrauen, Misstrauen etc.)?
8. Sonstige Faktoren (Kooperation) a. Gibt es weitere Faktoren, die sich nachteilig oder vorteilhaft auf die Kooperation der Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik auswirken?
A.3.5 Leitfragen zum Einflussbereich Staat und gesetzliche Regelungen (Porter, van der Linde, 2002)
1. Steuersystem und Regulation a. Wie wirken sich Steuergesetze und weitere gesetzliche Regelungen des Landes und des Bundes auf das Investment der Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik auf? Wird risikoreiches Investment oder langfristig-orientiertes Investment gefördert oder behindert?
2. Ökonomische Stabilität a. Wie kann die ökonomische Stabilität in Berlin-Brandenburg/Deutschland charakterisiert werden und wie wirkt sich diese Situation auf das Investitionsverhalten der Unternehmen in der Bioanalytik und Diagnostik aus?
3. Schutz geistigen Eigentums a. Wie können nationale Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums charakterisiert werden und welchen Einfluss haben diese Regelungen auf Investitionsentscheidungen.
ANHANG
363
4. Corporate Governance a. Wie rechenschaftspflichtig ist das Management der Unternehmen gegenüber dem Shareholder?
5. Staatliches Interesse a. Gibt es eine starke staatliche Unterstützung (Landesregierung und Bundesregierung) für die Unternehmen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik, i.S.v. Unterstützung, Schutz oder Fördermittelpolitik?
6. Staatlicher Einfluss (Stringenz der staatlichen Regulatoren im Hinblick auf z.B. Produkte, Sicherheit, Umweltschutz, Energie)
a. Wie können die Bedingungen der staatlichen Regulierungen im Hinblick auf die Förderung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik eingeschätzt werden? b. Fördern oder hemmen die gesetzlichen Rahmenbedingungen die Innovationsfähigkeit der Unternehmen? c. Gibt es Bespiele im Themenfeld der Bioanalytik und Diagnostik für sehr strikte und weniger strikte gesetzliche Anforderungen, die Innovationen fördern bzw. hemmen?
7. Sonstige Faktoren (Investment) a. Gibt es weitere Faktoren im Kontext von Staat und gesetzlichen Regelungen, die sich vorteilhaft oder nachteilig auf Investitionsentscheidungen in der Region auswirken?
8. Administrative Infrastruktur (Gesetze, Bestimmungen) a. Gibt es gesetzliche Bestimmungen, die die Entwicklung der Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik hemmen? Welche Regelungen oder Gesetze können konkret benannt werden? b. Welche Regelungen und Gesetze unterstützen die Entwicklung der Bioanalytik und Diagnostik? c. Welchen Einfluss haben Gesetze und Bestimmungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der Bioanalytik und Diagnostik?
364
ANHANG
A.4 Systematische Bestandsaufnahme in Szenarioanalysen mit der Innovationscheckliste (TRIZ-Werkzeug) (vgl. z.B. Gundlach, Nähler, 2005, 8; vgl. Terninko, Zusman, Zlotin, 1998, 69 ff.) Viele Entwickler können bestätigen, dass ein gut beschriebenes bzw. definiertes Problem bereits den Weg zu dessen Lösung aufzeigt. Die TRIZ-Methodik stützt sich aus diesem Grunde auf eine exakte Problemdefinition. Voraussetzung hierfür ist:
Erfassung des zu verändernden Systems
Erfassung des gesamten Systemumfeldes
Dokumentation aller Schritte
Diese systematische Herangehensweise übernimmt die Innovationscheckliste. Durch die Abarbeitung dieser Liste werden Angriffspunkte und Potenziale für innovative Lösungskonzepte innerhalb der Problemsituation ausgelotet. Der Entwickler wird während der Bearbeitung der Checkliste bei dem Auffinden und Dokumentieren von Ideen unterstützt. In diesem Sinne kann die Innovationscheckliste im Rahmen einer systematischen Bestandsaufnahme in Szenarioanalysen abstrahiert werden und als Orientierung in der Bestandsaufnahme dienen.
1. Informationen zum Problem und dessen Umfeld Das Problem ist kurz zu Beschreiben. Es sollte darauf geachtet werden, umgangssprachliche Ausdrücke anstelle von Fachbegriffen zu verwenden.
2. Informationen über das zu verbessernde System und dessen Umfeld
2.1 Systembezeichnungen Das zu verändernde oder zu entwickelnde System ist zu benennen. Falls vorhanden, sollte die Standardbezeichnung verwendet werden. z.B. technisches System: Fahrrad
2.2 Primäre nützliche Funktion des Systems Die primär nützliche Funktion, also die Hauptaufgabe des Systems, ist zu dokumentieren. Weiterhin ist der Grund für die Ausführung der primär nützlichen Funktion und die Funktionsweise des Systems im aktiven Zustand zu beschreiben. z.B. Die Funktion des Fahrrades ist der Transport von Personen und kleineren Zuladungen über eher kurze Entfernungen
ANHANG
365
2.3 Derzeitige oder wünschenswerte Systemstruktur Die Elemente des Systems sind zu benennen. Weiterhin sind vorhandene Subsysteme aufzuführen, sowie die Zusammenhänge zwischen den Elementen zu kennzeichnen. Es ist zu prüfen, ob strukturelle Veränderungen am System das Problem beseitigen oder schädliche Auswirkungen vermindern können. z.B. Fahrrad: Rahmen, Tretlager, etc.
2.4 Arbeitsweise des Systems Es ist zu beschreiben, wie das System bei der Ausübung der primären nützlichen Funktion arbeitet und wie die Subsysteme und Einzelelemente interagieren. Wie ist die Interaktion hinsichtlich Art und Ziel eines jeden Subsystems?
Weiterhin ist der Grund für die Ausführung der primär nützlichen Funktion und die Funktionsweise des Systems im aktiven Zustand zu beschreiben.
2.5 Systemumfeld Hier soll das Supersystem sowie Systeme in der Umgebung identifiziert und beschrieben werden. Gibt es weitere Systeme, die mit dem betrachteten System interagieren (z.B. Energiequellen, Substanzen etc.)? Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit die Funktion des Systems sichergestellt ist? Unter welchen Umgebungsbedingungen muss das System arbeiten?
3. Verfügbare Ressourcen
Alle Ressourcen im System oder seiner Umgebung, die zur Lösung des Problems beitragen könnten, sind aufzuführen. Ressourcen können sein: Stoffe/Substanzen, Felder (Wärme, Luftstrom, Kräfte etc.), Raum (Bauraum, Bewegungsraum etc.), Zeiten, Informationen, Funktionen.
Es ist weiterhin zu überlegen, ob die zur Verfügung stehenden Ressourcen so eingesetzt werden können, wie sie sind, oder ob sie verändert oder abgewandelt werden müssen, um zur Problemlösung beizutragen.
z.B. Stoffe/Substanzen, Felder (Wärme, Luftstrom, Kräfte etc.), Raum (Bauraum, Bewegungsraum etc.), Zeiten, Informationen, Funktionen
366
ANHANG
4. Informationen zur Problemsituation
4.1 Angestrebte Verbesserung des Systems bzw. der Konstruktion oder ein Nachteil der eliminiert werden soll Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Eine Fehlfunktion oder eine schädliche Auswirkung muss beseitigt werden.
Eine Fehlerursache muss gefunden werden.
Ein Produkt, Prozess, Bauteil oder eine Operation muss verbessert werden.
Stoffe/Substanzen, Felder (Wärme, Luftstrom, Kräfte etc.), Raum (Bauraum, Bewegungsraum etc.), Zeiten, Informationen, Funktionen
5. Veränderung des Systems
5.1 Veränderung zulassen Hier ist der Grad der erlaubten Änderungen am System zu beschreiben. Dabei ist folgende Abstufung möglich:
Komplette Änderung des Systems
Umfassende Änderung des Systems
Kleine Änderungen des Systems
Minimale Änderungen des Systems
5.2 Grenzen der Systemänderung Außerdem ist festzuhalten, welche Grenzen dabei vorgegeben sind:
Was darf unter keinen Umständen geändert werden? Welche technischen, technologischen oder ökologischen Eigenschaften sollten:
konstant bleiben?
sich nicht verringern?
sich nicht erhöhen?
6. Auswahlkriterien für Lösungskonzepte
An dieser Stelle ist festzulegen, nach welchen Maßstäben die entwickelten Lösungskonzepte zu bewerten sind. Dabei sind folgende Parameter zu beachten:
Technische Eigenschaften.
Ökonomische / finanzielle Aspekte.
ANHANG
Zeitliche Vorgaben.
Grad der „Neuheit“ des Systems.
Erscheinungsbild, Vermarktung.
Bedienung, Wartung, Service.
andere
367
7. Historie der Lösungsversuche
7.1 Vorangegangene Versuche zur Problemlösung Eine Dokumentation bereits durchgeführter Versuche zur Problemlösung kann man zur Beantwortung der Frage, warum diese Versuche scheiterten, nutzen.
7.2 Andere Systeme, die ein ähnliches Problem beinhalten An dieser Stelle ist zu überlegen, in welchen anderen Gebieten ähnliche Problemstellungen auftauchen. Wie wurde das Problem dort gelöst? Ist dieser Lösungsweg auf das betrachtete Problem anwendbar?
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