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Wilhelm Schmeisser, Jörg André Geißler, Kerstin Schütz (Hrsg.): Zum Wandel der Finanzdienstleistungsmärkte. Dargestellt anhand ausgewählter Bankinstrumente und Finanzdienstleistungsinnovationen Finanzwirtschaft – Finanzdienstleistungen – Empirische Wirtschaftsforschung, hrsg. von Wilhelm Schmeisser ⋅ Horst Zündorf ⋅ Peter Eckstein ⋅ Dieter Krimphove, Band 9 ISBN 978-3-86618-208-0, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2008, 261 S., € 27.80
Finanzdienstleistungsmärkte durchlaufen schon seit Jahrzehnten einen unauffälligen Wandel. Doch wird erst seit den letzten Jahren der Wandel im Bankenund Versicherungsgeschäft immer stärker durch Non- und Near-Banks geprägt sowie durch das Rating/Basel II bestimmt. Diesen Wandel zu beschreiben, zu analysieren und mit Hilfe von ausgewählten Instrumenten zu gestalten, ist Ziel des Buches. Es gibt einen ersten Überblick über den Markt der Finanzdienstleistungen und deren innovativen Wandel. Schlüsselwörter:
Bankensystem, innovative Finanzdienstleistungen, Non-Banks, Near-Banks, Versicherungswirtschaft, Portfolio-Optimierung mittels Asset Allocation-Strategien, Verfahren zur Steuerung von Adressausfallrisiken im Kreditmanagement
Professor Dr. habil. Wilhelm Schmeisser, Professor an der FHTW Berlin für Betriebswirtschaft und an der Universität Duisburg tätig. Direktor des Kompetenzzentrums „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“, Berlin. Direktor der Forschungsstelle „Europäisches Personalmanagement und Arbeitsrecht (EPAR)“ an der Universität Paderborn. Dipl.-Kfm. (FH), Jörg André Geißler, ist freier wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Forschungsschwerpunkten: Bankbetriebslehre sowie Finanzierung und Investition. Dipl.-Kffr. (FH) Kerstin Schütz ist Forschungsassistentin und freie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“ an der FHTW Berlin.
Finanzwirtschaft Finanzdienstleistungen Empirische Wirtschaftsforschung herausgegeben von WILHELM SCHMEISSER ⋅ HORST ZÜNDORF PETER ECKSTEIN ⋅ DIETER KRIMPHOVE
Band 9
Wilhelm Schmeisser, Jörg André Geißler, Kerstin Schütz (Hrsg.)
Zum Wandel der Finanzdienstleistungsmärkte Dargestellt anhand ausgewählter Bankinstrumente und Finanzdienstleistungsinnovationen
Rainer Hampp Verlag
München und Mering 2008
Diese Publikation wurde gefördert durch den Europäischen Sozialfonds und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen des Landes Berlin.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86618-208-0 Finanzwirtschaft, Finanzdienstleistungen, empirische Wirtschaftsforschung: ISSN 1861-0811 DOI 10.1688/9783866182080 1. Auflage, 2008 © 2008
Rainer Hampp Verlag Meringerzeller Str. 10
München und Mering D – 86415 Mering
www.Hampp-Verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. ∞
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Vorwort der Herausgeber In der Schriftenreihe Finanzwirtschaft, Finanzdienstleistungen und Empirische Wirtschaftsforschung erscheinen Beiträge und Arbeiten, die im Wesentlichen aus eigenen Forschungsprojekten oder einer Auftragsforschung entstanden sind. Dies gilt für Qualifizierungsarbeiten aus dem Hochschulbereich, für die betriebswirtschaftlichen Forschungsergebnisse von Kompetenzzentren bzw. (An-) Instituten sowie für Ergebnisse aus internationalen Kooperationsprojekten. Eine finanzorientierte und/oder empirische Sichtweise, wie sie von Unternehmen, der Kreditwirtschaft, von Versicherungen und anderen finanznahen Dienstleistungsunternehmen bevorzugt wird, soll das charakteristische Merkmal der Reihe sein. Anhand praktischer Problemstellungen der Betriebswirtschaftslehre werden mathematisch-statische Verfahren verstärkt angewandt. Die einzelnen Bände der Reihe folgen dabei bewusst keiner funktionalen, institutionellen oder paradigmen-orientierten Sichtweise der Betriebswirtschaftslehre. Die Schriftenreihe gibt aber auch interdisziplinären „Grenzthemen“ eine philosophische, wissenschaftstheoretische und theoretische Plattform, insofern damit zukunftsweisende, betriebswirtschaftliche Problemstellungen angesprochen werden, die neue, weitergehende wissenschaftliche Fragen in der betriebswirtschaftlichen Forschung aufwerfen. Die Schriftenreihe wendet sich an Fachhochschulen und Universitäten, an die Kreditwirtschaft, die Versicherungswirtschaft, an Unternehmen und an alle fachinteressierte Studenten/Studentinnen sowie Manager/innen in Industrie, Verwaltung und Politik. Finanzdienstleistungsmärkte durchlaufen schon seit Jahrzehnten einen unauffälligen Wandel. Doch wird erst seit den letzten Jahren der Wandel im Bankenund Versicherungsgeschäft immer stärker durch Non- und Near-Banks geprägt sowie durch das Rating/Basel II bestimmt. Diesen Wandel zu beschreiben, zu analysieren und mit Hilfe von ausgewählten Instrumenten zu gestalten, ist Ziel des Buches. Es gibt einen ersten Überblick über den Markt der Finanzdienstleistungen und deren innovativen Wandel.
Berlin, Hamburg, Nürnberg, Paderborn Die Herausgeber
Inhaltsverzeichnis I
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes ............................................................................ 1
1
Terminologische Grundlagen............................................................................. 1 1.2
Finanzdienstleistungen .................................................................................. 1
1.3
Banken-Begriffliche Abgrenzung ................................................................. 1
2
Geschichte des Bankwesens: Ein kurzer Abriss............................................... 2
3
Bankensysteme - international ........................................................................... 3
4
Bankensystem in Deutschland............................................................................ 4 4.1
Bankenstruktur .............................................................................................. 5
4.1.1
Private Geschäftsbanken ........................................................................... 5
4.1.2
Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute ......................................................... 6
4.1.3
Genossenschaftsbanken............................................................................. 6
4.1.4
Bundesbank ............................................................................................... 7
4.2
Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen........................................ 7
4.3
Bankenaufsicht .............................................................................................. 9
4.4
Geschäftsfelder der Banken .......................................................................... 9
4.4.1
Einlagengeschäft ....................................................................................... 9
4.4.2
Kreditgeschäft ......................................................................................... 10
4.4.3
Kreditarten............................................................................................... 12
4.4.4
Zahlungsverkehr...................................................................................... 13
4.5
Corporate-Finance (Firmenkundengeschäft) .............................................. 13
4.5.1
Mergers & Acquisitions .......................................................................... 13
4.5.2
Emissionsgeschäft ................................................................................... 14
4.5.3
Asset-Backed-Securities.......................................................................... 15
II
Inhaltsverzeichnis
5
Macht der Banken ............................................................................................. 16
Literaturverzeichnis..................................................................................................... 17 II
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation Strategien... 18
1
Grundlagen und Modelle zum Portfoliomanagement ................................... 18 1.1
Terminologische Grundlagen...................................................................... 18
1.2
Portfoliomanagement als Prozess ............................................................... 20
1.2.1
Planung.................................................................................................... 21
1.2.1.1
Analyse der Anleger (Zielgruppe) .................................................. 21
1.2.1.2
Finanzanalyse .................................................................................. 22
1.2.1.3
Vermögensverwaltungsanalyse....................................................... 23
1.2.2
Realisierung............................................................................................. 24
1.2.2.1
Portfoliobildung .............................................................................. 24
1.2.2.2
Portfoliorevision.............................................................................. 25
1.2.3
Kontrolle durch Performanceanalyse...................................................... 26
1.2.4
Fazit ......................................................................................................... 29
1.3
Ausgewählte theoretische Ansätze zum Portfoliomanagement .................. 29
1.3.1
Überblick ................................................................................................. 29
1.3.2
Portfolio Selection Model nach MARKOWITZ und TOBIN ....................... 30
1.3.2.1
Modellprämissen ............................................................................. 31
1.3.2.2
Probleme in der praktischen Umsetzung ........................................ 34
1.3.3
Capital-Asset-Pricing-Model nach SHARPE ............................................ 36
1.3.3.1
Modellprämissen ............................................................................. 36
1.3.3.2
Kritik und Bedeutung des CAPM für die Praxis............................. 39
1.3.4
Behavioral Finance.................................................................................. 39
1.3.4.1
Modelldenken vs. Realität............................................................... 40
1.3.4.2
Prospect Theory nach KAHNEMAN und TVERSKY ........................... 45
III
2
Asset Allocation ................................................................................................. 47 2.1
Definitionen................................................................................................. 47
2.1.1
Asset Allocation-Prozess: drei Begriffsverständnisse ............................ 47
2.1.2
Strukturierung der Asset Allocation........................................................ 48
2.1.2.1
Gliederung der Asset Allocation nach Wirkungsgrad .................... 49
2.1.2.2
Gliederung der Asset Allocation nach Methodik............................ 50
2.1.3 2.2
Zur Problematik der Bildung von Assetklassen...................................... 51
Strategische Asset Allocation: drei Fragestellungen .................................. 52
2.2.1
Präferenzen der Investoren - Erstellung des Anlegerprofils ................... 52
2.2.2
Potentielle Märkte - Erstellung des Marktprofils.................................... 53
2.2.3
Benchmarkfindung im Rahmen der SAA ............................................... 54
2.3
2.2.3.1
Systematik der Konstruktion von Benchmarks............................... 54
2.2.3.2
Problembereiche bei der Anwendung von Benchmarks ................. 55
Asset Allocation Strategien im Überblick................................................... 56
2.3.1
Aktiv vs. Passiv ....................................................................................... 56
2.3.2
(Rendite-) Prognosebasierte Strategien................................................... 59
2.3.2.1
Taktische Asset Allocation ............................................................. 59
2.3.2.2
Market Timing................................................................................. 60
2.3.3
(Rendite-) Prognosefreie Strategien ........................................................ 61
2.3.3.1
Asymmetrische Renditeverteilung .................................................. 61
2.3.3.1.1 Optionsstrategien ....................................................................... 61 2.3.3.1.2 Replikationsstrategien................................................................ 62 2.3.3.1.3 Constant Proportion Portfolio Strategien .................................. 63 2.3.3.1.4 „Best Return“-Strategien ........................................................... 63 2.3.3.2
Symmetrische Renditeverteilung .................................................... 64
2.3.3.2.1 Index-Tracking........................................................................... 64 2.3.3.2.2 Minimum-Varianz-Portfolio...................................................... 66 2.3.4
Aktiv vs. Dynamisch ............................................................................... 67
IV
3
Inhaltsverzeichnis
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation Strategien im Privatkundenbereich ................................................................................... 67 3.1
Zur Problematik der Bildung von Zielgruppen........................................... 67
3.2
Präferenzen der Kundengruppe Privatkunden ............................................ 68
3.2.1
Rentabilitätsziel: Maximierung der Erträge ............................................ 68
3.2.2
Sicherheitsziel: Minimierung des Downside Risk .................................. 68
3.2.3
Liquiditätsziel: Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit...................... 69
3.2.4
Besteuerung von Wertpapieranlagen ...................................................... 70
3.3
Ausgewählte Dynamische Asset Allocation Strategien im Vergleich........ 70
3.3.1
Vorstellung der Strategien....................................................................... 70
3.3.1.1
Elementare Umschichtungsregeln................................................... 71
3.3.1.1.1 Constant Mix.............................................................................. 71 3.3.1.1.2 Lineare Investmentregel ............................................................ 76 3.3.1.2
Portfolio Insurance .......................................................................... 80
3.3.1.2.1 Dynamic Stop-Loss.................................................................... 81 3.3.1.2.2 CPPI ........................................................................................... 84 3.3.1.2.3 TIPP ........................................................................................... 89 3.3.1.3 3.3.2
Vergleich dieser Strategien anhand von drei Kriterien........................... 96
3.3.2.1
Kriterium Kapitalerhaltng ............................................................... 97
3.3.2.2
Kriterium Mindestverzinsung ......................................................... 97
3.3.2.3
Kriterium Renditemaximierung ...................................................... 97
3.3.3 4
Best Return-Ansatz am Beispiel der „Best of Two“-Strategie ....... 92
Fazit ......................................................................................................... 98
Ausblick und Empfehlungen für die Praxis.................................................... 98
Symbolverzeichnis .................................................................................................... 100 Literaturverzeichnis................................................................................................... 102
V
III Zur Versicherungswirtschaft als integralen Bestandteil des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes...................................................... 108 1
„Versicherung“ - eine terminologische Bestimmung................................... 108
2
Versicherung und Risikomanagement .......................................................... 108
3
Historischer Abriss zur Entwicklung der Versicherungsfunktionen......... 109
4
Klassifikation von Versicherungsarten ......................................................... 110
5
4.1
Personen- und Nichtpersonenversicherungen ........................................... 110
4.2
Schadens- und Summenversicherungen.................................................... 111
4.3
Aktiven- und Passivenversicherungen ...................................................... 111
Versicherungsunternehmen ........................................................................... 111 5.1
Terminologische Abgrenzung ................................................................... 111
5.2
Staatliche Kontrolle................................................................................... 111
5.3
Organisation .............................................................................................. 112
5.4
Statistische Angaben ................................................................................. 112
5.5
Exkurs: Versicherungsvermittler............................................................... 113
6
Versicherungsvertrag...................................................................................... 114
7
Versicherungsvertragsarten ........................................................................... 115 7.1
Exkurs: Wesentliche Geschäftsversicherungen ........................................ 116
7.2
Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung ............................................ 117
7.3
Gruppenkrankenversicherung ................................................................... 117
7.4
Betriebsunterbrechungsversicherung ........................................................ 118
VI
8
9
Inhaltsverzeichnis
Finanzierungsleistungen: mittel- und langfristige Kreditfinanzierungen durch Versicherungen..................................................................................... 118 8.1
Schuldscheindarlehen an gewerbliche Unternehmen ............................... 119
8.2
Darlehen an private Haushalte .................................................................. 120
Vermögensanlage bei Versicherungen: am Beispiel von Lebensversicherungsverträgen ...................................................................... 120 9.1
Formen von Lebensversicherungen .......................................................... 121
9.1.1
Leistungsvoraussetzungen..................................................................... 121
9.1.2
Versicherungsleistungen ....................................................................... 121
9.1.2.1
Kapitallebensversicherungen ........................................................ 121
9.1.2.2
Rentenversicherungen ................................................................... 122
9.1.3
Beitragszahlungen ................................................................................. 122
9.1.3.1
Zeitliche Verteilung....................................................................... 122
9.1.3.2
Höhe der Prämie............................................................................ 122
9.1.4
Überschussbeteiligung .......................................................................... 122
9.1.4.1
Laufende Weiterleitung................................................................. 123
9.1.4.2
Erhöhung späterer Versicherungsleistungen................................. 123
9.1.4.3
Abkürzung der Laufzeit ................................................................ 123
10 Staatliche Aufsicht über Private Versicherungsunternehmen ................... 123 10.1
Versicherungsgesellschaften mit Sitz in Deutschland .............................. 123
10.2
Ausländische Versicherungsgesellschaften aus der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum mit Niederlassung in Deutschland ........................................................................................... 124
10.3
Ausländische Versicherungsgesellschaften außerhalb der Europäischen Union/außerhalb dem Europäischen Wirtschaftsraum....... 124
10.4
Ziele und Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.................................................................... 124
Literaturverzeichnis................................................................................................... 125
VII
IV Zum Wandel der Finanzdienstleistungsbranche durch innovative Dienstleistungen von Non- und Nearbanks................................................... 126 1
Zum Bankenmarkt in Deutschland ............................................................... 126
2
Bankgeschäfte durch traditionelle Banken................................................... 128
3
Bankgeschäfte durch Non- und Nearbanks .................................................. 130
4
Kerngeschäfte im Wandel............................................................................... 133
5
Möglichkeiten des kooperativen Markteintritts mit Kreditinstituten für Non- und Nearbanks................................................................................. 138
6
Verteidigung der Marktanteile durch die Banken....................................... 146
7
Auswirkungen der Non- und Nearbanks auf den Wandel im Bankenmarkt in Deutschland ........................................................................ 151
8
Auswirkungen auf ausländische und europäische Bankenmärkte ............ 153
9
Ausblick ............................................................................................................ 155
Literaturverzeichnis................................................................................................... 158 V
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressenausfallrisiken im Kreditrisikomanagement .................................. 161
1
Einführung ....................................................................................................... 161
2
1.1
Grundsätzliches ......................................................................................... 161
1.2
Strukturwandel im Kreditgeschäft und die Notwendigkeit der Steuerung von Adressenausfallrisiken im Bankensektor.......................... 162
Kreditgeschäfte bei Banken............................................................................ 164 2.1
Bankbetriebliche Risiken und (Kredit-)Risikomanagement ..................... 164
2.1.1
Terminologische Grundlagen zum Risiko ............................................ 164
2.1.2
Systematisierung bankbetrieblicher Risiken ......................................... 165
VIII
Inhaltsverzeichnis
2.1.3
Adressenausfallrisiken .......................................................................... 166
2.1.3.1
Einzelgeschäftsbezogene Kreditrisiken ........................................ 167
2.1.3.2
Kreditportfoliorisiken.................................................................... 168
2.1.4
Ursachen von Risiko ............................................................................. 169
2.1.5
(Kredit-)Risikomanagement im Bankbereich ....................................... 170
2.2
2.1.5.1
Risikoidentifikation....................................................................... 171
2.1.5.2
Risikosteuerung ............................................................................. 171
2.1.5.3
Risikokontrolle .............................................................................. 174
Rechtliche Rahmenbedingungen auf das Risikomanagement .................. 174
2.2.1
Basel II und die Solvabilitätsverordnung – Einfluss für das Kreditrisikomanagement ....................................................................... 175
2.2.1.1
Basel II .......................................................................................... 175
2.2.1.1.1 Standardansatz ......................................................................... 177 2.2.1.1.2 IRB Basisansatz und fortgeschrittene IRB Ansatz .................. 178 2.2.1.2
3
Solvabilitätsverordnung ................................................................ 179
2.2.2
Verpflichtung zur Errichtung eines Risikomanagements nach § 25a KWG ................................................................................... 180
2.2.3
Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)............... 181
Management von Kreditportfoliorisiken ...................................................... 182 3.1
Kreditrisikomanagement in Banken.......................................................... 182
3.1.1
Notwendigkeit ....................................................................................... 182
3.1.2
Ziele....................................................................................................... 183
3.1.3
Aufgabenbereiche.................................................................................. 184
3.2
Risikomessung im Kreditgeschäft............................................................. 185
3.2.1
Erwartete Verluste................................................................................. 187
3.2.2
Unerwartete Verluste............................................................................. 188
3.2.2.1
Berechnung der unerwarteten Verluste mit Hilfe ausgewählter Risikomaße.................................................................................... 189
3.2.2.1.1 Value at Risk............................................................................ 190 3.2.2.1.2 Credit Value at Risk................................................................. 191
IX
3.2.2.1.3 Alternative Ansätze.................................................................. 192 3.2.2.1.1.1 Lower Partial Moments .................................................... 192 3.2.2.1.1.2 Expected Shortfall............................................................. 192 3.2.2.2 3.3
Vergleich der beschriebenen Modelle........................................... 193
Praktischer Einsatz von Kreditrisikomodellen zur Kreditrisikomessung............................................................................................ 194
3.3.1
Überblick ............................................................................................... 194
3.3.1.1
Ausfallratenmodelle ...................................................................... 195
3.3.1.2
CreditRisk+TM ............................................................................... 195
3.3.1.3
CreditPortfolioViewTM .................................................................. 197
3.3.1.4
Firmenwertmodelle ....................................................................... 199
3.3.1.4.1 CreditMetricsTM ....................................................................... 199 3.3.1.4.2 CreditPortfolioManagerTM ....................................................... 201 3.3.1.5 3.3.2 3.4
4
Zusammenfassender Vergleich und Eignung der Modelle........... 202
Schlussbetrachtung................................................................................ 205
Risikoadjustierte Performancemessung .................................................... 206
3.4.1
RoRAC .................................................................................................. 207
3.4.2
RARoC .................................................................................................. 208
3.4.3
RARoRAC............................................................................................. 209
Steuerung der Kreditrisiken zur Optimierung des Risk-/ Return Profils................................................................................................... 210 4.1
Systematisierung der Ansätze zur Risikobegrenzung............................... 210
4.1.1
Ursachenbezogene Risikopolitik........................................................... 210
4.1.2
Wirkungsbezogene Risikopolitik .......................................................... 210
4.2
Konventionelle Steuerungsansätze............................................................ 211
4.2.1
Risikoteilung ......................................................................................... 211
4.2.2
Risikoabgeltung..................................................................................... 212
4.2.2.1
Bepreisung der erwarteten Verluste .............................................. 212
4.2.2.2
Bepreisung der unerwarteten Verluste .......................................... 213
X
Inhaltsverzeichnis
4.2.3
4.2.3.1
Limitsystematik ............................................................................. 214
4.2.3.2
Zielsetzung der Adressrisikolimitierung ....................................... 216
4.2.4 4.3
Risikolimitierung................................................................................... 213
Risikostreuung....................................................................................... 217
Innovative Steuerungsinstrumente ............................................................ 219
4.3.1
Anforderungen an moderne Kreditrisikotransferinstrumente ............... 219
4.3.2
Risikotransformation durch Sekundärmärkte für Kreditrisiken ........... 219
4.3.2.1
Verbriefung von Kreditforderungen ............................................. 220
4.3.2.2
Kreditderivate................................................................................ 224
4.3.2.3
Systematisierung von Kreditderivaten .......................................... 226
4.3.2.3.1 Credit default Produkte............................................................ 226 4.3.2.3.1.1 Credit default swaps ......................................................... 226 4.3.2.3.1.2 Credit default notes........................................................... 227 4.3.2.3.1.3 Basket credit swaps........................................................... 228 4.3.2.3.2 Credit spread Produkte ............................................................ 228 4.3.2.3.2.1 Credit spread forwards...................................................... 228 4.3.2.3.2.2 Credit spread options ........................................................ 229 4.3.2.3.3 Credit linked notes ................................................................... 229 4.3.2.3.4 Total return swaps.................................................................... 230 4.3.2.3.4.1 Konzeption von total return swaps ................................... 230 4.3.2.3.4.2 Gestaltungsvarianten von total return swaps .................... 230 4.3.2.4 4.4 5
Einsatzgebiet von Kreditderivaten ................................................ 231
Schlussbetrachtung.................................................................................... 232
Ausblick ............................................................................................................ 232
Anhang ...................................................................................................................... 234 Literaturverzeichnis................................................................................................... 235
Autorenverzeichnis Professor Dr. habil. Wilhelm Schmeisser, Professor an der FHTW Berlin für Betriebswirtschaft und an der Universität Duisburg tätig. Direktor des Kompetenzzentrums „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“, Berlin. Direktor der Forschungsstelle „Europäisches Personalmanagement und Arbeitsrecht (EPAR)“ an der Universität Paderborn. Dipl.-Kfm. (FH), Jörg André Geißler ist freier wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“, Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bankbetriebswirtschaftslehre sowie Finanzierung und Investition Dipl.-Kffr. (FH), Kerstin Schütz ist Forschungsassistentin und freie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“ an der FHTW Berlin. Forschungsschwerpunkte: Finanzierung und Investition, Strategisches Management. Dipl. Kfm. (FH), Jörg Endesfelder ist freier wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“, Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Finanzierung und Investition. Dipl.-Kffr. (FH), Christine Fuchs ist freie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“, Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Bankbetriebswirtschaftslehre sowie Finanzierung und Investition. Dipl.-Kffr. (FH), Peggy Schettler ist freie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum „Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung“, Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Technologiemanagement sowie Finanzierung und Investition.
I
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
Wilhelm Schmeisser / Jorg Endesfelder / Kerstin Schütz
1
Terminologische Grundlagen
1.2
Finanzdienstleistungen
Finanzdienstleistungen sind im weitesten Sinne alle Dienstleistungen, welche Finanzprodukte und Kapitalanlagen betreffen. Grundsätzlich lassen sich Finanzdienstleistungen in drei Bereiche unterteilen: • Bankgeschäfte, • Finanzdienstleistungen im engeren Sinne, • Versicherungen. Bankgeschäfte werden durch Kreditinstitute (Banken) abgewickelt und sollen Gegenstand dieses Beitrages sein. Finanzdienstleistungen im engeren Sinne werden durch Finanzdienstleistungsinstitute abgewickelt. Dabei handelt es sich um Anlageberatung, Vermögensberatung, Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung, Eigenhandel für andere Vermögensverwaltung, Emissionsgeschäft, Non- oder Nearbanks und Immobiliengeschäfte. Versicherungen werden durch Versicherungsunternehmen laut Versicherungsaufsichtsgesetz angeboten. 1.3
Banken-Begriffliche Abgrenzung
Der Bankenbegriff lässt sich unter mehreren Aspekten betrachteten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Banken Dienstleistungsunternehmen, „die Geld- und Kapitalanlagen, Finanzierungen, Zahlungsabwicklungen und sonstige Leistungen (z.B. Beratung, Risikoübernahme, Vermittlung und Verwaltung) anbieten.“1 Diese Betrachtungsweise umfasst zwar die Arten der Bankdienstleistungen ist aber nur von geringer Aussagekraft. Genauer ist die juristische Definition gemäß dem Kreditwesengesetz (Gesetz über das Kreditwesen, KWG). Dort werden die Begriffe Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und zusätzliche Begriffe genau definiert. Kreditinstitute (Banken) sind „Unternehmen, die Bankgeschäfte erwerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KWG)
1
Becker/ Peppmeier (2000), S. 14.
2
Kapitel I
Als Finanzdienstleistungsinstitute bezeichnet das KWG Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für Dritte erbringen. Sie unterliegen genau wie die Kreditinstitute der staatlichen Aufsicht. (§ 1 Abs. 1a KWG)
2
Geschichte des Bankwesens2: Ein kurzer Abriss
Genau genommen begann das Bankwesen mit dem Münzwesen. Griechische und römische Münzen sind bereits aus der Antike bekannt. In der vorchristlichen Zeit, um 600 v. Chr., dominierte das griechische Münzwesen. „Als erste Bankgeschäfte im engeren Sinne gelten die etablierten Münzwechsel im Mittelalter, welche in Italien im 12./13. Jahrhundert ihren Ausgangspunkt hatten. Das Versprechen des Ausstellers, an einem bestimmten Ort in der dort geltenden Währung einen bestimmten Betrag auszuzahlen, wurde die Grundlage für den heute bekannten Wechsel(brief)...“3 Das Geld wurde dabei auf dem Tisch (banca) ausgebreitet. Viele Bankbegriffe wie giro = Kreis und bilancia = Waage wurden daher durch das Italienische geprägt. Durch das Zinsverbot der katholischen Kirche waren vor allem Juden im Bankgeschäft als Geldverleiher tätig. Aus der Verwahrung von Wertgegenständen und Geld entstand das Depositengeschäft (Einlagengeschäft) und in der Folge das Darlehensgeschäft, wenn diese Depositen (Einlagen) verliehen bzw. investiert wurden. Zur Zeit der kirchlichen Messen entstanden Märkte, auf denen im großen Umfang Geldgeschäfte abgewickelt wurden, aus denen sogenannte Börsen entstanden. Als die erste Börse, in der heute bekannten Form, galt die Amsterdamer Börse, die 1611 eröffnet wurde. Die ersten Notenbanken gab es im 17./18. Jahrhundert. Die Etablierung von Banknoten, als gesetzliches Zahlungsmittel, führte zur Schaffung eines Notenbankmonopols. Das Monopol zur Emission von Banknoten war seitdem den Zentralbanken vorbehalten. Als erster erfolgreicher Vorfahre einer Zentralbank gilt die Stockholms Banko (1656). In Deutschland erhielt die im Jahr 1875 gegründete Reichsbank das Notenbankmonopol (1909). Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert stieg der Kapitalbedarf der Unternehmen rapide an. Die bis dahin agierenden Privatbankiers konnten diese großen Kapitalbeträge nicht aufbringen. Es kam zu einer Konzentration im Bankenbereich. Aus diesem Bedarf heraus wurden zahlreiche Aktienbanken gegründet, welche die erforderlichen Kapitalmengen aufbringen konnten. Daneben entstanden im gleichen Zeitraum in allen europäischen Ländern Hypothekenbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
2 3
Tolkmitt (2004), S. 5. Ebenda, S. 5.
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
3
3
Bankensysteme - international
Prinzipiell lassen sich Bankgeschäfte in die Bereiche Commercial Banking und Investment Banking einteilen. „Im Commercial Banking nehmen Banken Kapital entgegen und vergeben Kredite. Sie betreiben dabei Losgrößen-, Fristen- und Risikotransformation. Weiterhin werden Umtausch- und Zahlungsleistungen zum Commercial Banking gezählt.“4 Bei der Losgrößen-Transformation wandeln Banken größere Beträge in kleinere um (oder umgekehrt); beispielsweise bei der Ansammlung kleinerer Sparbeträge und die Herausgabe eines größeren Kredites. Die Fristentransformation beschreibt die Geldanlage von Kapitalgebern über einen kurzen Zeitraum (1 Jahr) während die Bank das Kapital langfristig (5 Jahre) einem Kapitalnachfrager bereitstellt. In diesem Fall muss die Bank rechtzeitig einen neuen Kapitalgeber finden. Außerdem übernehmen Banken das Risiko, welches einzelne Kapitalanbieter nicht tragen wollen. Die Einlagen der Banken sind gesetzlich geschützt, das heißt die Anleger erhalten ihr Geld in jedem Fall zurück, unabhängig davon, ob der einzelne Kapitalnehmer seinen Verpflichtungen nachkommt oder nicht.5 Im Investment Banking treten Banken als Händler und Mittler auf Kapitalmärkten auf. Dabei geht es vor allem um: • Kapitalmarkttransaktionen, • Handel mit Aktien u. fest-verzinslichen Wertpapieren, • Financial Engineering und Mergers & Aquisition. Bankensysteme unterscheiden sich grundsätzlich in das anglo-amerikanische Trennbankensystem und das Universalbankensystem. Beim Trennbankensystem spezialisieren sich die Banken auf Investment Banking oder Commercial Banking. Eine Vermischung ist nicht gestattet. Prinzipiell ist das Investment Banking riskanter als das Commercial Banking. Verluste aus dem einen Bereich können nicht mit Erfolgen im anderen Bereich kompensiert werden. Die Kundenbindung ist gegenüber dem Universalbankensystem relativ geringer. Außerdem haben die Banken weniger Einfluss auf die Unternehmensführung. Beispiele für das Trennbankensystem finden wir in den USA und in England. Dabei ist dieses System in England historisch gewachsen und unterliegt einer freiwilligen Selbstbeschränkung. In den USA ist die Trennung gesetzlich geregelt (Glass-Steagall-Act). Beim Universalbankensystem bietet eine Bank alle Bankdienstleistungen an. Der Vorteil dieses „Hausbankensystems“ ist, dass die Bank ihren Kunden und der Kunde
4 5
Hartmann-Wendels/ Pfingsten/ Weber (2004), S. 10. Vgl. Tolkmitt (2004), S. 4.
4
Kapitel I
seine Bank durch die lange Zusammenarbeit (relativ) genau kennt. Dadurch existiert in der Regel eine langfristige Geschäftsbeziehung (auch in Krisenzeiten) und es entsteht ein gewisses Kunden-Bank-Verhältnis. Dabei kann es sein, dass die Bank u.U. auch einmal weniger vorteilhafte Geschäftsabschlüsse in Kauf nimmt. Als Nachteil wird argumentiert, dass die Banken durch ihre „Macht“ unmittelbar Einfluss auf die Unternehmen ausüben können und damit mittelbar auf das gesamte Wirtschaftssystem. Dieses Universalbankensystem ist in Deutschland, Kanada und Österreich verbreitet. Der internationale Trend geht aus unterschiedlichen Gründen zum Universalbankensystem. Die Trennung der Bankendienstleistungen ist auf Grund neuer Produkte, der weiteren Internationalisierung des Bankensystems und der Forderung der Kunden nach komplexen Finanzdienstleistungen auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten.
4
Bankensystem in Deutschland
Das Deutsche Bankensystem ist ein Universalbankensystem mit Spezialbanken. Dabei lassen sich die Banken nach unterschiedlichen Gesichtspunkten einteilen. Einteilung der Kreditinstitute Nach der Zielsetzung
Nach der Geschäftsstruktur
erwerbswirtschaftlich z.B. Gewinnerzielung bei privaten Banken
Universalbanken Abwicklung aller wesentlichen Bankgeschäfte einschließlich des W ertpapierhandels
gemeinwirtschaftlich z.B. Förderung und Pflege des Spargedankens
Spezialbanken Beschränkung auf einzelne Bankgeschäfte
genossenschaftlich z.B. Förderung der Mitglieder einer Volksoder Raiffeisenbank
Abb. 1: Einteilung der Kreditinstitute6
6
Sauter (2002).
Nach der Rechtsform öffentlich/ rechtlich Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts
privatrechtlich • Einzelunternehmungen • Personengesellschaften • Kapitalgesellschaften
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
4.1
5
Bankenstruktur
Das Deutsche Bankensystem besteht im Wesentlichen aus drei Säulen die sich in folgende Säulen gliedern lassen: 1. Säule:
private Geschäftsbanken,
2. Säule:
öffentlich-rechtliche Kreditinstituten,
3. Säule:
Genossenschaftsbanken.
Den größten Marktanteil haben die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute gefolgt von den Privaten Banken und Genossenschaftsbanken (Abbildung 2).
Abb. 2: Marktanteile der Bankengruppen in Deutschland
4.1.1
Private Geschäftsbanken
Zu den Privaten Geschäftsbanken zählen u.a. die vier großen Geschäftsbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank, Hypovereinsbank, Commerzbank sowie die Postbank und rund 200 kleinere Privatbanken. Hinzu kommen verschiedene Spezialbanken, wie die Hypothekenbanken und Bausparkassen.
6
4.1.2
Kapitel I
Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute
Zu den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten gehören die Sparkassen, 11 Landesbanken und die DekaBank als Zentralinstitut. Neben den rund 500 öffentlichrechtlichen Sparkassen existieren z.Z. 7 freie Sparkassen. Sparkassen unterliegen dem Prinzip der Gemeinnützigkeit. Die Besonderheit der Sparkassen ist die Anstaltslast (daher die öffentlich-rechtliche Rechtsform) und die Gewährträgerhaftung (bis 2005). Träger der kommunalen Sparkassen sind die Städte, Gemeinden und Kommunen. Die Anstaltslast besagt, dass die Träger ihre Sparkassen funktionsfähig halten müssen. Durch die Gewährträgerhaftung waren die Kommunen ursprünglich verpflichtet für alle Zahlungsverpflichtungen und Verbindlichkeiten ihrer Sparkasse in vollem Umfang zu haften. Aufgrund einer Klage des privaten deutschen Bankgewerbes gibt es diese Gewährträgerhaftung nicht mehr. Sparkassen waren für den „kleinen Mann“ gedacht. Der öffentliche Auftrag der Sparkassen besteht in der kreditwirtschaftlichen Versorgung der kommunalen Bevölkerung und als Gewährträger. So führen die kommunalen Sparkassen ca. 80% der Sozialhilfeempfänger-Konten. Sparkassen sind nach dem Regionalprinzip organisiert. Das heißt Sparkassen sollen nur in ihrer Region tätig werden und nicht untereinander in Konkurrenz treten. 4.1.3
Genossenschaftsbanken
Die dritte Säule bilden die Genossenschaftsbanken. Dazu gehören die Volks- und Raiffeisenbanken, die DZ-Bank als Zentralinstitut, der Sparda-Verbund und weitere. Neben diesen drei Säulen gibt es Kreditinstitute mit Sonderaufgaben, z.B. die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW), die Deutsche Ausgleichsbank (DtA-Bank) und die Investitionsbanken der Länder. Die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) war ursprünglich für Hilfen für den Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg gegründet worden. Heute ist sie vor allem für die Abwicklung von Entwicklungshilfe, die Mittelstandsförderung und langfristige Exportfinanzierung zuständig. Die Deutsche Ausgleichsbank gewährt Kredite im Rahmen von Förderprogrammen, übernimmt Garantien und Bürgschaften für bestimmte Personengruppen und fördert den gewerblichen Mittelstand. Die Investitionsbanken der Länder geben Investitionshilfen für Existenzgründer bzw. den Mittelstand und Finanzierungen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur, in Bildung und Kultur, Wohnungsbau usw. Alle drei Institute sind Anstalten des öffentlichen Rechts. Privatrechtlich-Organisierte Kreditinstitute mit Sonderaufgaben sind z.B. die Deutsche Industriebank AG (IKB) und die AKA Ausfuhrkredit GmbH. Ihre Aufgaben bestehen insbesondere in der mittel- und langfristigen Unternehmensfinanzierung bzw. in der Exportfinanzierung. Neben den beiden genannten Institutionen existieren weitere Kreditinstitute mit Sonderaufgaben.
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
4.1.4
7
Bundesbank
Die Bundesbank war bis 1998 die oberste Währungshüterin in der Bundesrepublik Deutschland. Danach übernahm die Europäische Zentralbank diese Aufgaben. Die Struktur der Bundesbank wurde 2002 deshalb grundlegend geändert. In Frankfurt/Main befindet sich die Zentrale der Bundesbank. Neben der Zentrale gibt es 9 Hauptverwaltungen und 61 Filialen. Die Aufgaben der Bundesbank sind im Bundesbankgesetz § 3 geregelt. Die Deutsche Bundesbank ist als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken. Sie wirkt an der Erfüllung seiner Aufgaben: • die Preisstabilität zu gewährleisten, • hält und verwaltet die Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland, • sorgt für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und dem Ausland und • trägt zur Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme bei. Somit ist die Bundesbank Notenbank, Bank der Banken, Bank des Staates und Verwalterin der Währungsreserven. Daneben hat die Bundesbank in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Aufgaben in der Bankenaufsicht. Die Bundesbank ist eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts. Die Bilanzsumme lag im Jahr 2005 bei 343.919 Mio. EUR; das Grundkapital in Höhe von 2.500 Mio. EUR steht dem Bund zu. Die Bundesbank ist unabhängig von der Bundesregierung, das heißt die Regierung ist gegenüber der Bundesbank nicht weisungsberechtigt. 4.2
Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen7
Grundsätzlich sind Bank- und Geldwechslergeschäfte Grundhandelsgeschäfte nach Handelsgesetzbuch (§ 1 HGB). Wer sie betreibt ist Kaufmann und unterliegt den Regelungen des Handelsgesetzbuches. Aufgrund der zentralen Rolle der Banken im Wirtschaftsleben gibt es für Kreditinstitute eine Reihe zusätzlicher Vorschriften. Die grundlegende Vorschrift für Kreditinstitute ist das „Gesetz über das Kreditwesen“ (Kreditwesengesetz - KWG) in der Neufassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998.8 Daneben sind das Bundesbankgesetz und Gesetze für einzelne Bankengruppen (Hypothekenbankgesetz, Bausparkassengesetz u.a.) zu nennen. Das Kreditwesengesetz gliedert sich in sechs Abschnitte: 7 8
Sauter (2002), S. 34 ff. BGBl. I S. 2776.
8
Kapitel I
Erster Abschnitt: Allgemeine Vorschriften über Kreditinstitute und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) Zweiter Abschnitt: Rahmenvorschriften für Bankgeschäfte Dritter Abschnitt: Vorschriften über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute Vierter bis Sechster Abschnitt: Sonder-, Straf- und Übergangsvorschriften Das KWG ist in der Folge der Bankenzusammenbrüche im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise in Deutschland (1928) und der Weltwirtschaftskrise (1929) entstanden. Im Jahr 1934 wurde es als 'Reichsgesetz über das Kreditwesen' verabschiedet. Zielsetzung des Gesetzes ist: • die Sicherung der allgemeinen Ordnung im Kreditwesen; • die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Kreditapparates und • der Schutz der Gläubiger vor Verlusten. Das KWG regelt u.a. welche Unternehmen den Regelungen des Gesetzes unterliegen und unterteilt die Unternehmen in Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. „Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1) „Finanzdienstleistungsinstitute sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind.“ (§ 1 Abs. 1a S.1) Der Unterschied zwischen Kreditinstitut und Finanzdienstleistungsinstitut besteht in den Dienstleistungen, welche die jeweiligen Unternehmen anbieten. Diese werden ebenfalls im KWG einzeln aufgeführt. Laut KWG sind Bankgeschäfte: • Einlagengeschäft, • Kreditgeschäft, • Diskontgeschäft, • Finanzkommissionsgeschäft, • Depotgeschäft, • Investmentgeschäft, • Eingehung von Verpflichtungen, Darlehensforderungen vor Fälligkeit zu erwerben, • Garantiegeschäft, • Girogeschäft, • Emissionsgeschäft, • Geldkartengeschäft und Netzgeldgeschäft. Finanzdienstleistungen sind nach KWG hingegen:
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
• • • • • •
9
Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung, Finanzportfolioverwaltung, Eigenhandel, Drittstaateneinlagenvermittlung, Finanztransfergeschäft und Sortengeschäft.
4.3
Bankenaufsicht9
Die Bankenaufsicht wird in erster Linie durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) sichergestellt. In der BAFin wurden die Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, das Versicherungswesen und den Wertpapierhandel zusammengefasst. Für das Betreiben von Bank und Finanzdienstleistungsgeschäften nach § 1 KWG ist eine Zulassung durch die BAFin erforderlich. Die Zulassung ist an die Erfüllung folgender Kriterien gebunden: • ausreichend haftendes Eigenkapital, • Zuverlässigkeit der Inhaber und Geschäftsleiter, • fachliche Eignung der Geschäftsleiter, • zwei hauptamtliche Geschäftsleiter („Vier-Augen-Prinzip“) und • keine Einzelunternehmung als Rechtsform. Die Begriffe „Bank“, „Bankier“, „Volksbank“, „Sparkasse“ sind durch das KWG geschützt und an bestimmte Bedingungen geknüpft. 4.4
Geschäftsfelder der Banken
Die Bankdienstleistungen laut KWG wurden bereits im letzten Kapitel aufgezählt. In diesem Kapitel werden einige Geschäftsfelder bzw. Bankdienstleistungen näher betrachtet. 4.4.1
Einlagengeschäft
„Einlagen sind aus juristischer Sicht Darlehen gemäß den §§ 607 ff. BGB bzw. unregelmäßige Verwahrung entsprechend § 700 BGB. Als Darlehensnehmer (Schuldner) fungieren Banken, als Darlehensgeber (Gläubiger), andere Kreditinstitute und Nichtbanken (Private, Unternehmen und öffentliche Haushalte).“10
9 10
Vgl. Sauter (2002), S. 39 ff. Becker/ Peppmeier (2000), S. 115.
10
Kapitel I
Einlagengeschäft (Darlehen oder unregelmäßige Verwahrung)
Sichteinlagen: - von Banken - von Nichtbanken
Termineinlagen - von Banken - von Nichtbanken
Spareinlagen
Sparbriefe
Abb. 7: Einlagengeschäft11
Ein Einlagengeschäft ist gegeben, wenn drei Merkmale erfüllt sind: 1. „Es müssen Gelder angenommen werden. Wertpapierdarlehen gehören nicht zum Einlagengeschäft. 2. Es muss ein unbedingter Rückzahlungsanspruch bestehen. 3. Es muss sich um Gelder des breiten Publikums handeln. Die Hereinnahme rückzahlbarer Gelder von verbundenen Unternehmen ist kein Einlagengeschäft.”12 4.4.2
Kreditgeschäft
Der Begriff „Kredit“ kommt aus dem Lateinischen - credere- glauben, vertrauen. Der Kreditgeber (Gläubiger) glaubt, dass er das Geld das er dem Kreditnehmer (Schuldner) geliehen hat, wiederbekommt. Das KWG fasst den Begriff jedoch weiter. Nach § 19 Abs. 1 KWG fallen alle Positionen, die einem Adressenausfallrisiko unterliegen unter den Begriff Kredit. Dazu würden gehören Anleihen und Aktien.13 „Wesentliches Merkmal von Krediten ist, dass der Kreditgeber seine Leistung sofort erbringt, während die Gegenleistung, die Rückzahlung erst später erfolgt.”14 Kredite lassen sich in folgenden Kriterien klassifizieren:15 Kreditnehmer, Kreditgeberzahl, Leistungsinhalt, Laufzeit, Kredithöhe, Zinsbasis, Sicherung, Verwendungszweck, Standardisierung und Tilgungsform. Das Kreditgeschäft ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Grundvoraussetzung für die Kreditgewährung ist die Kreditfähigkeit des Kreditnehmers. Kreditfähig sind natürliche Personen nur dann, wenn sie voll geschäftsfähig sind. Bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften ist die Kreditfähigkeit grundsätzlich
11 12 13 14 15
Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 115. Becker/ Peppmeier (2000), S. 15 ff. Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 124. Becker/ Peppmeier (2000), S. 124. Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 125.
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
11
gegeben, die Frage ist ob derjenige, der den Kreditvertrag abschließt auch über die entsprechenden Befugnisse verfügt.16 Des Weiteren ist bei der Vergabe von Krediten die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers zu prüfen. Dabei geht es um die Fähigkeit und die Bereitschaft den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. Hierbei wird zwischen Privatkunden und Firmenkunden unterschieden. Bei Privatkunden wird die Bank in erster Linie auf die persönliche Zuverlässigkeit und das gesicherte Einkommen sehen. Besondere Bedeutung kommt der SCHUFA-Auskunft zu. Über die SCHUFA kann das Kreditinstitut Informationen zu anderen laufenden Krediten bzw. auch zu Unregelmäßigkeiten bei der Kreditrückzahlung anderer Kredite des Kreditnehmers in Erfahrung bringen. Die Kreditwürdigkeitsprüfung (Bonität), im Sinne von Basel II, ist bei Firmenkunden umfangreicher. Hier kommt den Jahresabschlüssen vergangener Perioden besondere Bedeutung zu. Aber auch andere Faktoren wie die finanzielle Lage des Unternehmens, die Rechtsform, das Management usw. haben Einfluss auf die Kreditwürdigkeit. Die Unternehmen werden einem Ratingverfahren unterzogen. Grundlage für das Rating bilden die Beschlüsse zu Basel II, die den Umfang und den Ablauf des Ratingverfahrens bestimmen. Nach Abschluss des Verfahrens wird das Unternehmen eingestuft. Je besser das Unternehmen eingestuft ist, desto eher bzw. desto günstiger bekommt es einen Kredit.17 Eine weitere Voraussetzung für die Vergabe von Krediten ist die Prüfung vorhandener Kreditsicherheiten. Sie dienen dem Gläubiger dazu, seine Ansprüche und Forderungen durchzusetzen, wenn der Schuldner nicht in der Lage oder willens ist, seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachzukommen. Unterschieden werden hierbei Personensicherheiten (Bürgschaften, Garantien, Schuldmitübernahme, Patronatserklärungen) und Sach(Real)sicherheiten (Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung, Grundpfandrechte). Die Vergabe von Krediten ist in der Regel an einen Kreditvertrag gebunden. Für Unternehmen ist der Kreditvertrag nicht an eine bestimmte Form gebunden. Zur Sicherheit gelten aber gewisse Grundsätze für Kreditverträge. Folgende Einzelheiten werden im Kreditvertrag geregelt:18 Kreditart, Kredithöhe, Laufzeit, Kosten, Auszahlungstermin, Tilgung, Kündigung und Kreditbesicherung. Bei Privatkunden können zusätzlich die SCHUFA-Klausel und Vereinbarungen über Lohn- u. Gehaltsabtretungen in den Vertrag miteinbezogen werden. Für Verbraucher (also Nicht-Unternehmen) gilt seit 1991 das Gesetz über Verbraucherkredite. Hier sind besondere Regeln festgelegt, welche die Verbraucher schützen 16 17 18
Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 126. Vgl. Schmeisser/ Mauksch/ Schindler (2005). Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 136.
12
Kapitel I
sollen. Demnach bedarf ein Verbraucherkreditvertrag der schriftlichen Form und muss festgelegte Angaben enthalten. Des Weiteren kann der Verbraucher den Kreditvertrag innerhalb von einer Woche schriftlich wieder kündigen. Außerdem beinhaltet der Kreditvertrag Regelungen die den Verbraucher mit Leistungen konfrontiert, wenn dieser in Verzug gerät. 4.4.3
Kreditarten
Prinzipiell können die Kredite nach ihrer Laufzeit in kurz- und mittel- bzw. langfristige Kredite unterschieden werden. Die folgenden Abbildungen zeigen die einzelnen Kreditarten auf.
kurzfristige Kredite
Kontokorrentkredit (Dispositionskredit, Buchkredit in laufender Rechnung)
Diskontkredit (Wechselkredit)
Lombardkredit
Kreditleihe (Akzeptkredite, Avalkredite)
Abb. 8: Überblick kurzfristige Kreditarten
mittel und langfristige Kredite
Konsumentenkredite
Investitions- u. Kommunalkredite
Hypothekarkredite
Schuldscheindarlehen
Projektfinanzierung
Abb. 9: Mittel- und langfristigen Krediten
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
13
Zu den Kreditsonderformen gehören das Factoring und das Leasing. Auf beide Formen wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Außerdem gehört zum Kreditgeschäft die Außenhandelsfinanzierung. Sie lässt sich in kurzfristige Finanzierung (Akkreditiv, Bevorschussung von Dokumenten, Wechselkredite, Exportfactoring) und mittel- und langfristige Finanzierung (AKAFinanzierung, KfW-Finanzierung, Forfaitierung) untergliedern. 4.4.4
Zahlungsverkehr
Besondere Bedeutung für das Wirtschaftsleben hat der Zahlungsverkehr. Hier spielen die Banken die herausragende Rolle. Sie sind Träger der Zahlungsmittel und bestimmen nicht unwesentlich die Standards für die Zahlungsverkehrsformen.19 4.5
Corporate-Finance (Firmenkundengeschäft)
Für die Banken spielt das Firmenkundengeschäft die maßgebende Rolle, da es hier im Gegensatz zum Privatkundengeschäft in der Regel um hohe und sehr hohe Beträge und um Ertragspotentiale geht. Das Firmenkundengeschäft umfasst im Wesentlichen folgende Aktivitäten: • Mergers & Acquisitions, • Emissionsgeschäft, • Asset-Backed-Securities, • Beteiligungsfinanzierung, • Projektfinanzierung, • Finanzierung von Unternehmenskäufen und Unternehmenssanierungen. Ziel des Firmenkundengeschäftes der Banken ist die ganzheitliche Betreuung und die Bindung der Unternehmen als Kunden an die Bank (Relationsship-Banking) und die Zurückgewinnung der Unternehmen als Kunden (In-House-Banking bzw. CorporateBanking). Einige der Bankaktivitäten im Firmenkundengeschäft werden im Folgenden näher beleuchtet. 4.5.1
Mergers & Acquisitions
Der englischsprachige Begriff setzt sich zum einen aus Mergers (Unternehmensfusionen) und zum anderen aus Acquisitions (Unternehmenskäufe) zusammen und hat sich auch im deutschsprachigen Raum durchgesetzt. Dabei handelt es sich bei AssetDeals um den Kauf einzelner Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten (das Unter-
19
Vgl. Schmeisser/ Schindler/ Roschke (2006), S. 81ff.
14
Kapitel I
nehmen bleibt u.U. als leere Hülle zurück). Bei Share-Deals geht es um den Kauf von Gesellschaftsanteilen bis zur kompletten Übernahme von Unternehmen. In den vergangenen Jahren haben M&A-Aktivitäten bei den deutschen Banken eine zunehmende Rolle gespielt. In der Regel haben jedoch die großen Unternehmen diese Aktivitäten selbst in die Hand genommen. Inzwischen hat man auch bei den deutschen Banken das Ertragspotential solcher Aktivitäten erkannt und versucht in den Markt intensiver einzusteigen.20 Die Aufgabe der Banken besteht dabei in erster Rolle in der Beratung und Vermittlung solcher Geschäfte. 4.5.2
Emissionsgeschäft
Weit größere Bedeutung für die deutschen Banken hat das Emissionsgeschäft. Beim Emissionsgeschäft geht es um alle Maßnahmen, die mit „...der Ausgabe von neuen Wertpapieren und ihrer Unterbringung (Platzierung) bei den Anlegern verbunden sind“.21 Prinzipiell gibt es mehrere Wege, um neue Wertpapiere auf dem Markt zu platzieren. Der Herausgeber der Wertpapiere (Emittent) kann entscheiden, ob er die Papiere selbst bei den Anlegern platzieren will (Selbstemission) oder die Platzierung fremden Instituten (Banken) übergibt. Banken verfügen zu diesem Zweck in der Regel über ein ausgebautes Netz und auch das entsprechende Know-how. Wertpapiere können öffentlich oder privat platziert werden. Bei der öffentlichen Platzierung werden diese einem breiten Anlegerpublikum zugänglich gemacht. Anders bei der Privatplatzierung. Dort werden die Wertpapiere nicht in der Öffentlichkeit, sondern nur in einem ausgewählten Kreis von Investoren angeboten. Bei der öffentlichen Zeichnung (Subscription) werden Zeichnungsprospekte veröffentlicht, mit denen die Anleger zur Zeichnung innerhalb einer festgelegten Frist aufgefordert werden. Nach Ablauf der Zeichnungsfrist werden die Wertpapiere zugeteilt. Die zweite Variante der öffentlichen Platzierung ist der freihändige Verkauf. Hierbei werden die Wertpapiere nach und nach verkauft. Der Preis richtet sich nach der jeweiligen Marktlage. Die dritte Möglichkeit besteht im Verkauf über die Börse. 22 Der Ablauf einer Emission wird in der Abbildung 10 dargestellt.
20 21 22
Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 194. Becker/ Peppmeier (2000), S. 201. Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 202 f.
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
15
Abb. 10: Ablauf einer Emission23
4.5.3
Asset-Backed-Securities (ABS)
Bei Asset-Backed-Securities handelt es sich um eine besondere Form der Verbriefung von Kreditforderungen.24 „Vermögensgegenstände werden in einem Pool zusammengefasst und dagegen Wertpapiere emittiert, die einen Anspruch auf Zahlung aus diesen Vermögensgegenständen verbriefen. Mit der Verbriefung (Securitization) werden Kredite und andere Aktiva, die ursprünglich gar nicht handelbar waren, handelbar gemacht.“25 Grundlegendes Element bei ABS ist die Gründung der Zweckgesellschaft. „Sie kauft die Forderungen vom ursprünglichen Gläubiger der Forderungen auf und emittiert Wertpapiere oder stellt Schuldscheindarlehen aus. Die Wertpapiere sind durch den Forderungspool unterlegt und werden in mehrere Tranchen mit unterschiedlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten strukturiert, von denen die oberste meist ein AAARating hat. Das Inkasso der Forderungen und die Kreditüberwachung erledigt ein Service-Agent. Rating-Agenturen bewerten die Qualität der Assets sowie die Bonität von Service-Agenten, Zweckgesellschaft und Garantiegebern. Die Zahlungen aus den Assets, also die Zins- und Tilgungszahlungen der Schuldner fließen von der Zweckgesellschaft den Investoren zu.“26 Die Finanzierung mit ABS ist aufwändig und des23 24 25 26
Vgl. Becker/ Peppmeier (2000), S. 204. Vgl. Schmeisser/ Leonhardt (2006). Hartmann-Wendels/ Pfingsten/ Weber (2004), S. 263. Hartmann-Wendels/ Pfingsten/ Weber (2004), S. 265.
16
Kapitel I
halb nur bei regelmäßigen Forderungsbestand und sehr hohem Kapitalbedarf wirtschaftlich.
5
Macht der Banken
Die Macht der Banken kommt regelmäßig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Bandbreite der Kritik reicht von der Forderung nach Reformen bis zur Verstaatlichung des gesamten Bankensektors. In der Mitte der 1970er Jahre wurden dazu sogar Kommissionen eingesetzt, welche die Verflechtung von Banken und Wirtschaft, insbesondere der Industrie untersuchen sollten. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff der „Deutschland AG“. Prinzipiell lassen sich mehrere Arten der Verflechtung unterscheiden: • Bank als Kreditgeber, • Beteiligung von Banken (Aktienbesitz an Unternehmen), • Wahrnehmung des Depotstimmrechts im Auftrag von Kleinaktionären und • die personelle Verflechtung von Banken und Nichtbanken (Aufsichtsratssitze). Das heißt also, Banken haben als Kreditgeber, Miteigentümer und Mitglied der Unternehmensleitung eine große Macht. Diese Konstellation muss über kurz oder lang zu Interessenkonflikten führen. Dabei muss sich die Bank zwischen den Interessen des Unternehmens und den Bankinteressen (Bankertrag) entscheiden, z.B. bei der Kreditvergabe an feindliche Unternehmen. Kritische Stimmen befürchteten, dass die Banken bzw. auch die Wirtschaft untereinander letztlich allein die Geschicke des Landes leiten könnten. Bei der Diskussion ging es insbesondere um Begriffe wie Macht, Moral, Verantwortung usw. Die neueste Untersuchung der Monopolkommission zeigt aber, dass die finanzielle Verflechtung zwischen Wirtschaft und Banken in den letzten Jahren weiter abgenommen hat. Als Ursache dafür sehen Wissenschaftler die Tendenz der Unternehmen, im Rahmen der Globalisierung im Ausland zu expandieren und sich auch dort zu kreditieren.27
27
Handelsblatt vom 06.07.2006.
Das Bankensystem in Deutschland als integraler Bestandteil des Finanzdienstleistungsmarktes
17
Literaturverzeichnis Becker/ Peppmeier (2000): Bankbetriebslehre, Ludwigshafen 2000. Dohmen (1998): Die Macht der Banken, Hamburg 1998. Gischer/ Herz/ Menkhoff (2004): Geld, Kredit und Banken, Berlin/ Heidelberg 2004. Glogowski/ Münch (1990): Neue Finanzdienstleistungen, Wiesbaden 1990. Hahn (1989/ 1991): Struktur der Bankwirtschaft, Berlin 1989 und 1991. Hartmann-Wendels/ Pfingsten/ Weber (2004): Bankbetriebslehre, Berlin/ Heidelberg 2004. Liedtke (2004): Wem gehört die Republik?, Frankfurt Main 2004. Müller (1996): Finanzdienstleistungen, Wiesbaden 1996. Nassmacher/ von Stein/ Büschgen (1998): Banken in Deutschland, Opladen, 1998 Priewasser/ Oldenbourg (2002): Bankbetriebslehre, München, 2001. Sauter (2002): Grundlagen des Bankgeschäftes, Frankfurt Main 2002. Schmeisser, W./ Mauksch, C./ Schindler, F. (2005): Ausgewählte Verfahren zur Analyse und Steuerung von Risiken im Kreditgeschäft, München und Mehring 2005. Schmeisser, W./ Leonhardt, M. (2006): Asset-Backed Securities-Transaktionen für den deutschen Mittelstand, München und Mehring 2006. Schmeisser, W./ Schindler, F./ Roschke, M. (2006): Nationaler und internationaler Zahlungsverkehr. in: Heger. G./ Schmeisser, W./ Eckstein, P. (Hrsg.): Finanzierung und Investition. München und Mehring 2006, S. 81-109. Schuster (1977): Macht und Moral der Banken, Stuttgart, 1977. Schuster/ Widmer (2004): Wege aus der Banken- und Börsenkrise, Berlin/Heidelberg 2004. Tolkmitt (2004): Neue Bankbetriebslehre, Wiesbaden 2004.
II
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation Strategien
Zur Entwicklung neuer Produkte für Privatkunden unter Berücksichtigung der Kriterien Kapitalerhalt, Mindestverzinsung und Renditemaximierung Wilhelm Schmeisser / Jörg André Geißler Vor dem Hintergrund der Entwicklungen der vergangenen Jahre an den nationalen und internationalen Kapitalmärkten sowie der Reform der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der Rentenversicherung, in Deutschland und der damit steigenden Bedeutung der privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge, spielt die Wahl der richtigen Bank, des richtigen Beraters bzw. der richtigen Anlagestrategie eine immer wichtigere Rolle im Rahmen der finanziellen Lebensplanung. Viele Privatanleger haben während der weltweiten Baisse an den Aktienmärkten im Verlauf der letzten Jahre mehr oder minder stark spüren müssen, dass mit einer Anlage am Aktienmarkt neben hohen Gewinnchancen auch nicht zu unterschätzende Verlustrisiken verbunden sind. Die jüngste Statistik des BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. spiegelt demgegenüber eine scheinbar ungetrübte Begeisterung deutscher Anleger für risikobehaftete Anlageformen wieder. So wurden durch die deutsche Fondsbranche zum Ende des Jahres 2004 über eine Billion Euro Vermögen in Form von Investmentfonds verwaltet, davon 460 Mrd. Euro in Publikumsfonds. Jeweils etwa 30% davon werden in reinen Aktien- und Rentenfonds gehalten. Der Anteil der gemischten Fonds liegt dagegen bei vergleichsweise niedrigen 7%.1 Die Schieflage zu Gunsten der Aktien- und Rentenfonds lässt sich zum Teil durch den Mangel an attraktiven Alternativen im Bereich der Balanced Produkte erklären. Doch gerade dieser Mangel verbunden mit den eingangs angeführten Entwicklungen bietet eine Chance zur erfolgreichen Implementierung alternativer Methoden und Techniken der Vermögensanlage.
1
Grundlagen und Modelle zum Portfoliomanagement
1.1
Terminologische Grundlagen
Bei vielen potentiellen Anlegern (private oder institutionelle Investoren) übersteigt das regelmäßige Einkommen die Konsum- oder Investitionsausgaben, d.h. sie können Geld für einige Zeit entbehren und möchten es möglichst rentabel anlegen. Sie erwerben Sachanlagen (Immobilien, Kunstgegenstände), eröffnen Sparkonten, kaufen Wertpapiere oder beteiligen sich an weiteren Geschäften. In Ihre Entscheidungen fließen neben dem Rentabilitätsaspekt auch die Kriterien Sicherheit und Liquidität 1
Vgl. o.V., BVI (2005), S. 4.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
19
der Anlagealternativen ein. Die in Frage kommenden Anlagemöglichkeiten haben hinsichtlich dieser Kriterien sehr unterschiedliche Ausprägungen. Keine Alternative ist in allen drei Bereichen jeder anderen überlegen. Es gilt also einen gesunden Mix zu finden, der alle drei Kriterien möglichst optimal abdeckt. Die Alternativen werden folglich parallel betrachtet, da die Vorteilhaftigkeit einer bestimmten Anlageform wesentlich durch die anderen gewählten Alternativen mitbestimmt wird. Auf diese Art und Weise entsteht ein Anlagenpool, der allgemein als Portfolio2 bezeichnet werden kann.3 „Ein Portfolio ist [demnach] eine gedankliche und rechnerische Zusammenfassung der Kapitalanlagen und Vermögensteile einer Person, eines Haushaltes oder einer Institution. Die rechnerische Zusammenfassung dient der Darstellung und Kontrolle der gewünschten finanziellen Eigenschaften des Portfolios und seiner Komponenten, vor allem der Werte, der Wertänderungen und Rendite sowie dem Exposure gegenüber Risiken.“4 Diese gedankliche Verknüpfung der einzelnen Teilbereiche bildet die Grundlage für die Entscheidung über die Zusammensetzung des Portfolios. Ziel dieser Entscheidung ist eine möglichst optimale Diversifikation der Risiken unter Berücksichtigung der anlegerspezifischen Präferenzen hinsichtlich Rendite und Verfügbarkeit bzw. Liquidierbarkeit. Die Gewichtung dieser drei Ziele ist dynamischer Natur. Sie verändert sich im Laufe eines Anlegerlebenszyklus in der Regel zu Gunsten eines höheren Sicherheitsbedürfnisses und unter Umständen hin zur Sicherung der Auszahlungsfähigkeit. Ebenso kann es aufgrund von Marktwertänderungen in bestimmten Teilbereichen des Portfolios zu Umschichtungs- oder Restrukturierungsbedarf kommen. Sämtliche gehaltenen Anlageformen unterliegen demzufolge einer ständigen Überwachung hinsichtlich ihrer Eignung für das jeweilige Portfolio. Dies führt zum Begriff des Portfoliomanagements.5 Der Begriff des Portfoliomanagements kann in vielerlei Hinsicht gebraucht werden. So wird neben dem Management und der Verwaltung von Kapitalanlagen im engeren Sinne (Aktien, Renten, Geldmarktpapiere etc.) auch die Führung eines Unternehmens als Portfolio aus verschiedenen Geschäftszweigen oder Unternehmensbereichen unter dem Begriff Portfoliomanagement subsumiert. Auch hier kommt es regelmäßig zu Umstrukturierungen, Akquisitionen oder Verkäufen. Grundsätzlich gilt, dass jeder
2
3 4 5
Der Begriff Portfolio bezog sich ursprünglich ausschließlich auf Finanzanlagen und Wertpapiere (vgl. hierzu Spremann, K. (2003), S. 2). Die früher übliche Bezeichnung Portefeuille ist der französischen Sprache entliehen und bedeutet Brieftasche. Vgl. Spremann, K. (2003), S. 2f. Spremann, K. (2003), S. 2. Vgl. Spremann, K. (2003), S. 3.
20
Kapitel II
Anleger, egal ob privat oder institutionell, nur ein Portfolio aus Anlagen und Verbindlichkeiten betrachtet.6 In der Literatur spricht man bisweilen auch von Asset Management oder Investment Management. Während der Begriff Investment Management7 durchaus synonym verwandt werden kann, betrachtet der Bereich des Asset Management nur die Aktiva (Assets) eines Portfolios und nicht deren Finanzierung (Liabilities). In diesem Beitrag wird ein Teilbereich des Portfoliomanagements, der Bereich der Asset Allocation (Vermögensstrukturierung) genauer betrachtet. 1.2
Portfoliomanagement als Prozess
In diesem Kapitel erfolgt die Betrachtung des Portfoliomanagements als Prozess aus einem aufgabenorientierten (entscheidungsorientierten) Blickwinkel heraus. Das diesem Prozess zugrunde liegende Entscheidungsproblem ist das Problem der Kapitalanlageentscheidung. Sie stellt den Kern des Portfoliomanagements dar. Der Prozess lässt sich, wie in Abb. 1 dargestellt, in die klassischen Phasen Planung, Realisierung und Kontrolle einteilen. Diese drei Phasen werden anschließend in die für sie typischen Teilaufgaben zerlegt.8 Planung
Realisierung
Kontrolle
Anlegeranalyse Anlegerpräferenzen
Anlagekonzept Vermögensverwaltungsanalyse vermögensverwaltungs- und portfoliomanagerspezifische Präferenzen
Portfoliorealisierung Portfoliobildung
Portfolio Revision
Performancemessung Anlegervorgaben, Performance realisierte Anlagedaten
Finanzanalyse Finanzanlagerelevandatente Umweltprognose bedingungen
Abb.1: Grundmodell des Portfolio Management-Prozesses9
6 7 8
9
Vgl. Spremann, K. (2003), S. 3. Vgl. hierzu Fabozzi (1995). Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 13f. Zu einer abgewandelten Darstellung als Fünfstufiger Investmentprozess (in Anlehnung an die Wertschöpfungskette nach Porter) vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 131ff. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 14.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
21
In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Phasen und ihre Teilaufgaben genauer erörtert. 1.2.1 Planung Alle vorbereitenden Maßnahmen zur Anlageentscheidung werden in der Planungsphase zusammengefasst. Hierzu gehören vor allem das Sammeln von Informationen über alle an der Anlage Beteiligten (Anleger, Portfoliomanager) sowie die durch die Umweltsituation vorgegebenen Bedingungen. Die Teilaufgaben Anlegeranalyse, Vermögensverwaltungsanalyse und Finanzanalyse dienen der Sammlung, Filterung und Auswertung dieser Informationen.10 Allerdings stehen die Managementgesellschaften hier vor einem sehr komplexen Problem. In der Regel ist deren Anlagespektrum global ausgerichtet, was die Analyse einer Vielzahl von Teilmärkten und Wertpapieren notwendig macht. Dies wiederum stellt hohe Qualitätsanforderungen an Personal (Analysten), Datenverarbeitungssysteme (EDV) und Kommunikationsprozesse.11 1.2.1.1
Analyse der Anleger (Zielgruppe)
Der Anlegeranalyse kommt eine zentrale Bedeutung innerhalb der Informationsbeschaffung zu. Zum einen kann der Anleger hier konkret Einfluss auf Bewertungsmaßstäbe im Rahmen seiner Zielvorgaben nehmen. Andererseits bildet das anhand seiner Aussagen abgeleitete Anlagekonzept unter Berücksichtigung gesetzlicher Restriktionen und Präferenzen des Portfoliomanagers den maximalen Handlungsspielraum für den Manager und legt fest, was in der Performancemessung überhaupt als Anlageerfolg zu bewerten ist. Für anlegergerechtes Portfoliomanagement ist eine sorgfältige Anlegeranalyse daher von elementarer Bedeutung.12 Seit Juli 1994 ist eine anleger- und objektgerechte Beratung für Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch rechtlich verbindlich, im §31 Wertpapierhandelsgesetz (WPHG), definiert. Die Anlegeranalyse läuft in zwei Stufen ab. In einem ersten Schritt erfolgt die Ermittlung der Anlegerpräferenzen, d.h. der anlegerrelevanten Wünsche, Forderungen und Bedingungen. In Literatur und Praxis spielen hierbei die so genannten Anlegerziele eine wichtige Rolle. In Anlehnung an das magische Dreieck der Vermögensanlage lassen sich diese als Rentabilitäts-, Sicherheits- und Liquiditätsziel definieren. Die Forderung der Anleger kann dabei entweder als Optimierungsziel (z.B. Maximierung der Rendite) oder als Anspruchsniveauziel (z.B. Kapitalerhalt) formuliert sein. Weitere Präferenzen, wie gewünschte Anlagedauer, Höhe des zur Verfügung stehenden Anlagekapitals und die gewünschten Anlageobjekte bzw. Anlageklassen sowie die
10 11 12
Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 14f. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 132. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 15.
22
Kapitel II
Anlagepolitik ergänzen diese Bedingungen. Anschließend werden diese Anlegerpräferenzen zu einer Handlungsrichtlinie für den Portfoliomanager umformuliert. Es entsteht das Anlagekonzept.13 Das Anlagekonzept wird durch die Anlagephilosophie und die konkret umzusetzenden Anlegerpräferenzen konkretisiert. Eine hohe Bedeutung kommt hierbei der möglichst genauen Feststellung der Anlegerrisikobereitschaft, etwa durch Definition und Gewichtung des Sicherheitsziels oder durch Ausschluss bestimmter Anlageklassen, zu.14 Folgende Gründe sprechen demnach für die Aufstellung eines Anlagekonzeptes: •
Der Anleger wird sich seiner Anlagevorstellungen bewusst.
•
Die umzusetzenden, konkretisierenden Anlegerpräferenzen dienen als Vorgabe für die Portfoliorealisierung durch den Portfolio Manager.
•
Sie bilden die Grundlage für die Bewertung der realisierten Anlagepolitik und der Performance.
Darüber hinaus wird in der Regel ein anlegerspezifischer Vergleichsmaßstab (Benchmarkportfolio) aus dem Anlagekonzept abgeleitet, welches in seiner Struktur die wesentlichen Anlegerpräferenzen abbildet.15 1.2.1.2
Finanzanalyse
Das Ziel der Finanzanalyse besteht in der Prognose der relevanten Finanzdaten für die nachfolgende Portfolioplanung.16 Sie umfasst alle nicht-anlegerbezogenen, aber für die Kapitalanlage entscheidenden Umwelteinflüsse. Vor allem sind hier Kapitalmarktdaten, ökonomische Rahmendaten, gesellschaftliche, politische und soziale Einflussfaktoren zu nennen. Für die Durchführung der Finanzanalyse steht heute, im Zeitalter der modernen Kommunikationstechnologie, eine Vielzahl von Methoden und Hilfsmitteln zu Verfügung. Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die möglichen Analysemethoden in Abhängigkeit verschiedener Unterscheidungsmerkmale.
13 14 15 16
Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 17. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 19f. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 20. Dichtl, H. (2001), S. 19.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
Unterscheidung nach Art:
Analysemethode
verwendete Information
Fundamentalanalyse, technische Analyse
betrachtete Analyseebene
Gesamtmarktanalyse, Branchenanalyse, Titelanalyse etc.
analysierte Anlageform
Aktienanalyse, Rentenanalyse etc.
Analysegegenstand
Marktanalyse, Wertpapieranalyse, Jahresabschlussanalyse etc.
Analyseziel
reine Analyse, reine Prognose, kombiniert
verwendete Analysetechnik
Zeitreihenanalyse, künstlich Neuronale Netze, wissensbasierte Systeme, Simulationstechniken etc.
23
Tab.1: Finanzanalysemethoden17
Die Verwendung einer bestimmten Analysemethodik hängt stark von der Einschätzung der Informationseffizienz an den anlegerrelevanten Teilmärkten ab. Gleichzeitig ist der Grad der Informationseffizienz für die tatsächlich umgesetzte Anlagepolitik von wesentlicher Bedeutung.18 1.2.1.3
Vermögensverwaltungsanalyse
Die Vermögensverwaltungsanalyse ist dann erforderlich, wenn wesentliche Teile des Portfoliomanagementprozesses (in der Regel zumindest die komplette Portfoliorealisierung) durch einen externen Vermögensverwalter vorgenommen werden. In diesem Fall ist das Ziel der Vermögensverwaltungsanalyse die Auswahl einer, unter Berücksichtigung der Anlegerpräferenzen und des Anlegerkonzeptes, geeigneten Vermögensverwaltung.19 Die besondere Bedeutung dieser Teilaufgabe ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass neben der herangezogenen Beratungsleistung auch wichtige Entscheidungskompetenzen abgetreten werden. Es gilt im Wesentlichen folgende Punkte zu prüfen:20 • Analyse der historischen Performance im Vergleich zu möglichen Alternativen (z.B. Konkurrenten), • Untersuchung der Fähigkeiten und Grenzen des Managements, • Eignung des Managements für das angestrebte Anlagekonzept, unter Berücksichtigung der Managerpräferenzen (z.B. gesetzliche Restriktionen, Entlohnungssysteme),
17 18
19 20
In Anlehnung an Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 22. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 22. Zur ausführlichen Betrachtung der Informationseffizienz vgl. Fama, E. F. (1970), S. 383ff. sowie aktueller Fama, E. F. (1991), S. 1575ff. Dichtl, H. (2001), S. 24 und vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 24f. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 25.
24
•
Kapitel II
Analyse der Transaktionskosten als wichtiger Einflussfaktor auf die zu erwartende Performance.
Die Analyse des Entlohnungssystems spielt vor allem aus dem Blickwinkel der gewünschten Anlagephilosophie eine Rolle. So kann es bei einer grundsätzlich aktiven Investmentphilosophie durchaus erstrebenswert sein, eine erfolgsabhängige Vergütungskomponente für den Portfoliomanager durchzusetzen.21 Die Transaktionskosten spielen in Abhängigkeit der gewählten Strategie ebenfalls eine wichtige Rolle. Entscheidet sich der Anleger beispielsweise für eine passive Anlagestrategie mit dynamischen Elementen, sind die Transaktionskosten für die Bestimmung der Anpassungsintervalle (Kosten-Nutzen-Relation) wichtig, während sie bei einer langfristig ausgerichteten Buy-and-Hold-Strategie eher vernachlässigt werden können.22 1.2.2 Realisierung Die Realisierung des Portfolios bildet den eigentlichen Kernprozess des Portfoliomanagements. Gleichzeitig ist es aufgrund der Komplexität der Integration von Anlagekonzept und Kapitalmarkterwartungen der mit Abstand schwierigste Teilprozess. Tendenziell werden in Anleger- und Finanzanalyse unterschiedliche Informationstypen gewonnen. Eine geeignete Methodik zur Portfoliorealisierung muss deshalb gleichzeitig auch die Integrationsmöglichkeit für eine möglichst hohe Zahl qualitativer und quantitativer Informationen bieten.23 Die erstmalige Realisierung des Wertpapierportfolios wird hier als Portfoliobildung, alle folgenden Umschichtungen als Portfoliorevision bezeichnet.24 1.2.2.1
Portfoliobildung
Den Schwerpunkt der Portfoliorealisierung bildet die Asset Allocation. Das Prinzip der Asset Allocation geht in seinen Grundzügen auf das Portfolio Selection Model von MARKOWITZ25 zurück. Es beschreibt eine möglichst effiziente Aufteilung des zur Verfügung stehenden Anlagekapitals auf das Universum der möglichen Anlageobjekte.26 Da in praxi nicht alle zur Verfügung stehenden Assets simultan optimiert werden können, wird stufenweise vorgegangen. Üblicherweise unterscheidet man mindestens zwei Ebenen der Asset Allocation: die der strategischen Asset Allocation (SAA) und 21 22
23 24 25 26
Zur ausführlicheren Betrachtung vgl. Reichling, P. (2002), S. 1047ff. Zur ausführlicheren Betrachtung der Transaktionskostenbestandteile vgl. Johannig, L./ Kleeberg, J. M./ Schlenger, C. (2003), S. 459ff. Zu Transaktionskosten als Erfolgsfaktor im Wertpapiermanagement vgl. Bayer, K. G./ Bayer, M. (2002), S. 787ff. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 26. Dichtl, H. (2001), S. 16. Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 77ff. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 26.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
25
die der taktischen Asset Allocation (TAA). Unter der SAA werden Entscheidungen auf oberster Ebene verstanden, die i.d.R. eine inhaltlich und zeitlich weit reichende Bedeutung haben. Üblicherweise wird darunter die Aufteilung auf die zentralen Assetklassen (z.B. Aktien, Renten, Immobilien etc.) verstanden. Die Entscheidungen auf der TAA-Ebene sind hingegen eher kurzfristiger Natur. Hier geht es im Wesentlichen um Aufteilung der Anlagemittel innerhalb der zentralen Assetklassen auf weitere rangniedere Assetklassen, um Laufzeitenstruktur sowie um Einzeltitelselektion.27 1.2.2.2
Portfoliorevision
Während bei der Portfoliobildung noch kein Portfolio vorhanden ist und es demzufolge um erstmalige Allokation des frei verfügbaren Anlagekapitals in optimaler Weise geht, wird im Rahmen der Portfoliorevision der Umschichtungsbedarf eines bestehenden Portfolios überprüft und gegebenenfalls Umschichtungstransaktionen durchgeführt. Einen Überblick der wichtigsten Teilaspekte der Portfoliorevision gibt die nachfolgende Abbildung.28
Portfolio Revision (i.w.S.)
Portfolio Monitoring
Portfolio Revision (i.e.S.)
Rebalancing (Wiederherstellung der ursprünglichen Portfoliostruktur
Upgrading (Anpassung der Portfoliostruktur an veränderte Anlage-bedingungen)
Revisionsstrategien (aktiv-aggresive, passive, aktiv-defensive)
Abb. 2: Systematisierung der Portfolio Revision
Unter Portfolio Monitoring versteht man die ständige Überprüfung des einmal gebildeten Portfolios hinsichtlich der aktuellen Anlagebedingungen. Die Aufgabe des Rebalancing besteht darin, die ursprüngliche Portfoliostruktur wiederherzustellen. Es ist in erster Linie bei passiven oder dynamisch geprägten Anlagestrategien von Bedeutung. Die durch Kursveränderungen ausgelösten Anteilsveränderungen werden durch
27 28
Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 26f. sowie Dichtl, H. (2001), S. 25ff. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 31f.
26
Kapitel II
entsprechende Transaktionen korrigiert. In der Literatur werden solche Anpassungsstrategien auch als Constant-Mix-Strategien bezeichnet.29 Sie führen in der Regel zu einer antizyklischen Handlungsweise, d.h. bei steigenden Kursen werden die Anteile verkauft (Gewinne realisiert) und bei fallenden Kursen werden Anteile nachgekauft (Verringerung der durchschnittlichen Einstiegskosten). Bei aktiven Anlagestrategien findet dagegen ein Upgrading statt. Hierbei steht die Anpassung an geänderte Anlagebedingungen im Vordergrund. Auf Basis der aktuell vorliegenden Informationen liefert die Finanzanalyse neue Rendite- und Risikoprognosen, die zu entsprechenden Umschichtungen führen können. Gegebenfalls soll der Handlungsspielraum des Portfoliomanagers erweitert werden (z.B. aufgrund veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen)30, was zu einer Änderung der Struktur durch den Portfoliomanager führen kann.31 1.2.3 Kontrolle durch Performanceanalyse
Am Ende des Portfoliomanagement-Prozesses steht die Performanceanalyse. Ihre Aufgabe besteht in der Erfassung, Messung, Zerlegung, Beurteilung und Darstellung der erzielten Anlageergebnisse.32 Die wesentlichen Elemente der Performanceanalyse sind in Abb. 3 dargestellt.33
29 30
31 32 33
Vgl. Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 17. Vgl. hierzu bspw. Kestler, A. (2003), S. 675ff. zur Einführung des Investmentmodernisierungsgesetzes (InvMG) zum 01.01.2004 und dessen Auswirkungen auf die Praxis. Vgl. Dichtl, H. (2001), S. 31. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 313. In Anlehnung an Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 491.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
27
Ziel
Methodik
Objekt
Beurteilung der • Portfolioqualität • Portfoliomanagementqualität • Qualität der Portfoliomanagementinstitutionen
• quantitativ • qualitativ
• • • • •
Spezialfonds Publikumsfonds Vermögensverwaltung Einzeltitel etc.
Performance Analyse Umfang/ Schwerpunkt
Perspektive
Zeitraum
• Performancemessung • Performanceattribution • Performancemessung und Performanceattribution
• intern • extern
• kurzfristig (max. 1 Jahr) • mittelfristig (1-5 Jahre) • langfristig (mehr als 5 Jahre)
Ergebnisdarstellung • graphisch • mathematisch • verbal
Abb. 3: Elemente der Performanceanalyse
Die Auswahl der jeweiligen Methodik sollte möglichst zweckgebunden erfolgen und die Fragestellungen der Adressaten (z.B. Anleger) in ausreichendem Maße berücksichtigen.34 Die Ergebnisse der Performanceanalyse werden sowohl für die Kontrolle der (relativen) Anlageergebnisse als auch für Änderungen der Anlagestrategie bzw. deren Umsetzung genutzt. Damit erfüllt die Performanceanalyse neben der Kontrollfunktion auch eine wichtige Steuerungsfunktion im Rahmen des Portfoliomanagementprozesses. Um diesen beiden Funktionen gerecht zu werden, wird die Performanceanalyse in die Teilaufgaben Performancemessung und Performanceattribution zerlegt.35 Die Ergebnisse der Performancemessung sind rein quantitativer Natur. Sie dienen der Kontrolle der Anlageergebnisse unter Berücksichtigung des Anlagekonzeptes, der Benchmark und gegebenenfalls vorhandener Anlagealternativen. In der Literatur herrscht kein Konsens über die „richtige“ Art der Performancemessung. Es hat sich jedoch die Einteilung in ein- und zweidimensionale Performancemaße bzw. nicht risikoadjustierte und risikoadjustierte Performancemessung durchgesetzt. Während bei der eindimensionalen Performancemessung lediglich die Erträge (z.B. in Form von Zinsen, Dividenden oder Kursveränderungen) gemessen werden, berücksichtigen 34 35
Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 37. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 491f.
28
Kapitel II
zweidimensionale Performancemaße sowohl die erzielte Rendite als auch das dafür notwendigerweise eingegangene Risiko.36 In Tabelle 2 erfolgt eine Auflistung der gebräuchlichsten Performancemaße in der jeweiligen Kategorie.37 Eindimensionale Performancemaße (nicht risikoadjustiert) gleichmäßige Verteilung des ⎞ 1 ⎛K Arithmetische R a = ⎜⎜ t − 1 ⎟⎟ ⋅ Gesamtertrages auf sämtliche Verzinsung ⎠ t ⎝ K0 Teilperioden unterstellte Wiederanlage Kt −1 Rg = t zwischenzeitlicher Rückflüsse K 0 (Zinseszinseffekt) Zweidimensionale Performancemaße (risikoadjustiert) Ermittlung der realisierten RP − rf Portfolio-Risikoprämie je SR P = Sharpe Ratio Einheit des übernommenen σP Gesamtrisikos Ermittlung der realisierten RP − rf Portfolio-Risikoprämie je TR P = Treynor Ratio Einheit des übernommenen βP systematischen Risikos Ausdruck für die durch den Portfoliomanager tatsächlich erwirtschaftete aktive Mehrα P = RP − rf − Jensen's Alpha rendite ggü. Benchmark (oder Marktportfolio) im Vgl. zur erwarteten Mehrrendite Geometrische Verzinsung
(
)
β P ⋅ (rM − r f
)
Tab. 2: Übersicht der gebräuchlichsten Performancemaße
Die Performanceattribution hingegen zerlegt die Performance in ihre unterschiedlichen Bestandteile und versucht, diese bestimmten Erfolgsquellen zuzuordnen. Sie liefert damit wertvolle Informationen über Stärken und Schwächen im Investmentstil und im Portfoliomanagementprozess.38 Hierbei misst das Timing die strategische Fähigkeit des Managers, eine aktive Performance (Mehrrendite) aus der Über- oder Untergewichtung von Assetklassen im Ist-Portfolio im Vergleich zur Benchmarkgewichtung zu erzielen. Im (theoretischen) Idealfall besitzt ein Portfoliomanager perfekte Timing-Fähigkeit, d.h. er partizipiert in jeder Anlagenklasse/ jedem Teilmarkt 36
37
38
Vgl. hierzu unter anderem Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 309ff. oder Dichtl, H. (2001), S. 33f. Zur ausführlicheren Betrachtung der Performancemaße vgl. z.B. Breuer, W./ Gürtler, M./ Schumacher, F. (2004), S. 374ff. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 496ff. oder Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 309ff. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 532.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
29
immer voll an der Aufwärtsbewegung und nie an einer Abwärtsbewegung, da er dann bereits nicht mehr investiert ist. Selektivität misst die taktische Fähigkeit, eine aktive Performance (Mehrrendite) gegenüber dem Vergleichsmaßstab durch Ausnutzung über- oder unterbewerteter Anlagetitel innerhalb einer bestimmten Anlageklasse/ eines bestimmten Teilmarktes zu erzielen.39 Grundlage für eine stark ausgeprägte Selektionsfähigkeit ist der Besitz von Informationsvorsprüngen. Diese können zeitlicher oder inhaltlicher Natur sein. Bei einem zeitlichen Vorsprung besitzt der Portfoliomanager kursrelevante Informationen vor allen anderen Marktteilnehmern. Ein inhaltlicher Vorsprung ergibt sich aus einer besseren („richtigen“) Auswertung von Informationen im Vergleich zu den Mitbewerbern. Unter Geltung der Annahme streng effizienter Märkte dürfte es jedoch weder zeitliche noch inhaltliche Informationsvorsprünge geben, da Informationen erstens zeitgleich und kostenlos jedem Marktteilnehmer zur Verfügung stehen und zweitens alle Marktteilnehmer, aufgrund rationalen Handelns, zu gleichen Ergebnissen bei der Auswertung dieser Informationen kommen.40 1.2.4 Fazit
Der Portfoliomanagement-Prozess entspricht demnach einem Realsystem mit folgenden Eigenschaften: • Ankoppelung an die realen Märkte, • Hohe Systemdynamik, • Umfassende Interdependenzen zwischen den einzelnen Systemelementen, •
Existenz von Rückkopplungseffekten.
Darüber hinaus wird dieses Realsystem stark von außen beeinflusst (z.B. durch Anlegervorgaben).41 Entscheidend für den Erfolg in der Portfoliorealisierungsphase sind die Daten aus der Finanzanalyse. Gerade bei aktiv ausgerichteten Mandaten entscheidet die Qualität der Inputdaten oftmals über Erfolg und Misserfolg. 1.3
Ausgewählte theoretische Ansätze zum Portfoliomanagement
1.3.1 Überblick
Ein grundlegendes Prinzip im Portfoliomanagement besteht darin, dass alle Investitionen oder Finanzierungsmaßnahmen simultan zu betrachten sind. Die methodischen Grundlagen für den Umgang mit Rendite, Risiko, Diversifikation und Hedging werden in der Portfoliotheorie behandelt. Daneben stellt sie Modelle zur Funktion der Geld- und Kapitalmärkte zur Verfügung und liefert damit Hinweise zur Bewertung 39 40 41
Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 36. Vgl. Steiner, M./ Bruns, C. (1995), S. 483f. Vgl. Dichtl, H. (2001), S. 36.
30
Kapitel II
von Investitionen, zur Allokation von Portfolios und zur Beurteilung der erzielten Ergebnisse.42 Die ursprünglichen Ansätze in der Portfoliotheorie waren rein quantitativer Natur. Bereits im Jahr 1900 kam Louis BACHELIER in seiner Dissertation zu dem Schluss, dass die Kursänderungen an den Aktienmärkten die statistische Eigenschaft eines reinen Zufallsprozesses aufweisen.43 Im Zuge des Oktober-Crashs 192944 und der daran anschließenden Depression der Dreißiger Jahre hinterfragten Irving FISHER und Alfred COWLES die Ursachen, die zu einer derartigen Übertreibung an den Märkten geführt hatten. In der erstmalig im Jahr 1933 erschienen Zeitschrift Econometrica veröffentlichte Cowles die ersten Ergebnisse einer Langzeitstudie über die Prognosequalität von Analysten.45 Seine Untersuchungen zeigten, dass die Chancen, aufgrund von Analystenempfehlungen eine überdurchschnittliche Rendite erzielen zu können denen bei willkürlicher Aktienauswahl nicht überlegen waren.46 Zu weiteren Forschungen motiviert, gründete er die Cowles Foundation mit dem Zweck der Förderung von Untersuchungen über Empirie und Funktion der Märkte. Einer der Geförderten, ein gewisser Harry M. MARKOWITZ erregte 1952 mit einer lediglich 14-seitigen Dissertation unter dem Titel Portfolio Selection Aufsehen.47 Seine Arbeit bildet einen Grundstein der modernen quantitativen Modelle. Der Markowitzschüler William F. SHARPE war 1964 maßgeblich an der Entwicklung des Capital Asset Pricing Models beteiligt, einer Theorie zur Bewertung von Kapitalanlagen im Marktgleichgewicht.48 1.3.2 Portfolio Selection Model nach MARKOWITZ und TOBIN
Bis in die fünfziger Jahre des 20. Jh. galt die theoretische Annahme, dass bei gegebenen Renditeerwartungen, diejenige mit dem höchsten Erwartungswert jeder anderen Alternative vorzuziehen sei. Empirisch ließ sich jedoch beobachten, dass Anleger ihr Kapital auf mehrere Alternativen verteilten. Eine Verteilung auf mehrere Anlagen wäre aber gemäß der Theorie nicht sinnvoll, da alles in das Wertpapier mit dem höchsten Erwartungswert investiert werden müsste. MARKOWITZ hingegen ging da42 43
44
45 46 47 48
Vgl. Spremann, K. (2003), S. 4. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 17. Die Arbeit von BACHELIER stieß damals kaum auf Interesse von Seiten der Wissenschaft oder der Praxis, bildete aber die Grundlage für die 60 Jahre später von Eugene FAMA und Paul SAMUELSON entwickelte Theorie effizienter Märkte. Vgl. Fama, E. F. (1970), S. 383ff. und Fama, E. F. (1991), S. 1575ff. Der Dow Jones Industrial Average fiel von 381,17 Punkten am 3. September 1929 auf 41,22 Punkte am 8. Juli 1932 (gerade einmal 11% des Höchststandes). Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 18. Vgl. Cowles, A. (1933), S. 323f. Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 77ff. Vgl. Sharpe, W. F. (1964), S. 425ff.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
31
von aus, dass neben der erwarteten Rendite einer Anlage auch deren Risiko in Form der durchschnittlichen Abweichung vom Erwartungswert bei der Investitionsentscheidung eine Rolle spielt. Im Rahmen seiner Arbeit wies er nach, dass eine Verteilung des Vermögens auf mehrere Alternativen im optimalen Fall zu einer Reduzierung des Risikos des Gesamtportfolios führt, ohne den Erwartungswert bezüglich der Rendite zu schmälern (Diversifikationseffekt). Da die möglichen Anlagen nicht vollständig in ihrer Wertentwicklung miteinander korreliert sind, bewirkt eine Kombination dieser in einem gut gemischten Portfolio die Vernichtung eines Teils des Risikos.49 Während die Rendite eines solchen Portfolios der gewichteten Renditen seiner einzelnen Bestandteile entspricht, ist das Gesamtrisiko des Portfolios kleiner als die Summe der Risiken der Einzelwerte.50 Mittlerweile kann sowohl mathematisch als auch durch empirische Analysen nachgewiesen werden, dass das so genannte unsystematische Risiko nahezu vollständig eliminiert werden kann, Datensicherheit vorausgesetzt. Demzufolge steigt der Diversifikationsgrad eines Portfolios mit steigender Anzahl darin enthaltener Wertpapiere. Der Anteil der Einzelvarianzen am Gesamtrisiko des Portfolios sinkt und wird bei steigender Wertpapieranzahl vernachlässigbar gering. Es wird dann von vollständiger Diversifikation gesprochen. Das durch Diversifikation nicht eliminierbare Risiko, mathematisch betrachtet das durchschnittliche Kovarianz-Risiko, wird auch als systematisches Portfoliorisiko bezeichnet.51 1.3.2.1
Modellprämissen
Das von MARKOWITZ entwickelte Modell baut auf dem Erwartungswert-VarianzPrinzip auf und kann als Anwendungsfall des allgemeinen Konzepts der Erwartungsnutzenmaximierung für risikoaverses Entscheidungsverhalten betrachtet werden.52 Dem Modell liegen folgende Annahmen zugrunde:53 (A1) Renditen von Anlageobjekten werden als stochastisch abhängige Zufallsvariablen betrachtet. (A2) Der Anleger strebt ausschließlich nach Renditemaximierung und Risikominimierung. Das Risiko wird als Schwankung der Rendite verstanden. (A3) Entscheidungskriterien der Anlegerziele sind der Erwartungswert der Rendite µ und die durchschnittlich zu erwartende Renditeabweichung σ2 bzw. σ.
49 50 51 52 53
Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 77ff. und Rudolph, B. (2003), S. 7. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 69. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 40ff. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 8. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 229ff.
32
Kapitel II
(A4) Die Wertpapiere sind nicht vollständig miteinander korreliert. Die Korrelationen untereinander ändern sich in der betrachteten Periode nicht.54 (A5) Für die aus (A1) folgende Renditewahrscheinlichkeitsverteilung muss der Anleger in der Lage sein, µ undσ tatsächlich zu bestimmen. (A6) Der Anleger ist Nutzenmaximierer nach dem Bernoulli-Prinzip und entscheidet nach einer individuell festzulegenden Risikonutzenfunktion. Dies sichert die Bestimmbarkeit eines optimalen Portfolios, da der Risikonutzen wegen (A2) und (A3) ausschließlich von µ und σ abhängt. (A7) Der Planungshorizont ist einperiodig. Dadurch entstehen weder Diskontierungs- noch Wiederanlageprobleme. (A8) Leerverkäufe sind nicht zugelassen. Die Anlageobjekte weisen stets positive Anteile aus. (A9) Der Kapitalmarkt stellt sich im Wesentlichen als vollkommener Markt mit folgenden Eigenschaften dar: a) Unbegrenzte Teilbarkeit der Wertpapiere, b) Keine Steuern oder Transaktionskosten, c) Keine Markteintrittsbarrieren, d.h. sofortige Erwerb oder Liquidierung in beliebiger Menge möglich, d) Abgeschlossene bzw. kostenlose und sofortige Informationsbeschaffung und -verarbeitung, e) Unabhängigkeit der Wertpapierrenditen vom Anlagevermögen, d.h. kein Einfluss des Anlegers auf die Preisbildung. Zielgröße des Markowitz-Modells ist gemäß (A2) und (A3) das Geldvermögen am Ende des Planungszeitraumes bzw. die erwartete Portfoliorendite als Summe der gewichteten Einzelrenditen über den Planungszeitraum:55 n
µ P = ∑ xi ∗ µ i i =1
(mit xi ≥ 0 und
n
∑x i =1
i
= 1)
Wobei µ die erwartete Rendite des Wertpapiers i bzw. des Portfolios P darstellt und xi die Gewichtung des Wertpapiers im Portfolio.56 Zur Beschreibung des Risikos werden die Varianz bzw. die Standardabweichung der Erwartungswerte herangezogen. Diese wird aus den Vergangenheitsrenditen der entsprechenden Wertpapiere abgelei-
54 55 56
Vgl. Markowitz, H. M., (1952), S. 89 und Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 69. Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 81 und Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 69. Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 79 und 81.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
33
tet. Die Formel für die Ermittlung des Portfoliorisikos (der Portfoliovarianz) σP2 lautet:57 n
n
σ P2 = ∑∑ xi ∗ x j ∗ σ ij i =1 j =1
mit σij als Kovarianz zwischen den Renditen des Wertpapiers i und des Wertpapiers j. Die erwartete Standardabweichung σP der Renditen des Portfolios lässt sich aus der Quadratwurzel der Varianz bestimmen. Für jede der so ermittelten möglichen µ-σKombinationen existiert genau ein Portfolio. Die folgende Abbildung veranschaulicht diesen Zusammenhang.
Abb. 4: Menge der möglichen Portfolios und effizienter Rand58
Der hervorgehobene untere rechte Rand der Menge der Portfolios kennzeichnet die nach Markowitz effizienten µ-σ-Kombinationen. Demzufolge zieht der risikoaverse Anleger von zwei Portfolios mit demselben Erwartungswert µ jenes mit der kleineren Standardabweichung σ und von zwei Portfolios mit der gleichen Standardabweichung σ jenes mit dem höheren Erwartungswert µ vor. Portfolios, die diese Eigenschaft aufweisen, werden seitdem als effiziente Portfolios bezeichnet.59 Einige Jahre später wurde das Portfolio Selection Model durch TOBIN um den risikofreien Zinssatz erweitert.60 Besteht zusätzlich zu den am Beginn dieses Kapitels getroffenen Annahmen die Möglichkeit, Geld zum risikolosen Marktzinssatz (Varianz 57 58 59 60
Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 81. und Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 69. Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 82. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 8. Vgl. Tobin, J. (1958), S. 65ff.
34
Kapitel II
σ2=0) anzulegen bzw. aufzunehmen, ergibt sich ein leicht verändertes Auswahlproblem. Es ist demnach immer optimal in das so genannte Tangentialportfolio T aus Effizienzgerade und dem effizienten Rand der Menge möglicher Portfolios nach dem Markowitz Modell zu investieren. Welchen Anteil dieses Tangentialportfolio im Gesamtportfolio des Anlegers einnimmt, hängt von dessen Risikoaversion und Liquiditätspräferenz ab.61 Abbildung 5 verdeutlicht diesen Zusammenhang.
Abb. 5: Effizienzgerade bei risikofreier Anlage62
Unter Geltung der oben getroffenen Annahmen liegt jedes beliebige Anlegerportfolio (konstruiert aus risikobehafteten Tangentialportfolio T und Anlage oder Kreditaufnahme zum risikofreien Marktzinssatz rf) auf der Effizienzgerade. Ist der Anleger eher risikoscheu, wird er einen Teil seines Geldes zu rf anlegen und den Rest in T investieren. Seine Risikonutzenindifferenzkurve liegt dann links von T an der Effizienzlinie. Bei einer risikofreudigen Haltung wird sich der Anleger zu rf verschulden und damit sein Vermögen und den aufgenommenen Kredit in T investieren. Seine Risikonutzenindifferenzkurve liegt dann rechts von T an der Effizienzlinie. Darüber hinaus ist es auf diesem Weg möglich, ein Portfolio zu erzeugen, welches bei gleichem Erwartungswert µ ein geringeres Risiko σ aufweist als das Minimum-VarianzPortfolio63 nach dem Markowitz-Modell. 1.3.2.2
Probleme in der praktischen Umsetzung
Das von Markowitz entwickelte Modell erscheint auf den ersten Blick durchaus geeignet, um das tatsächlich beobachtbare Anlegerverhalten zu erklären. Auch der Di61 62 63
Vgl. Rudolph, B. (2003) S. 11. und Tobin, J. (1958), S. 65ff. Vgl. Tobin, J. (1958), S. 65ff. sowie Markowitz, H. M. (1952), S. 77ff. Zum Minimum-Varianz-Portfolio vgl. Kleeberg, J. M. (1995).
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
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versifikationseffekt bei einer Verteilung des Vermögens auf mehrere Werte ist unumstritten. Aufgrund der teilweise sehr restriktiven Annahmen treten bei der Umsetzung des Markowitz-Modells jedoch eine Vielzahl von Problemen bzw. führt die Umsetzung zu teilweise wenig intuitiven, kaum umsetzbaren und ex post mitunter zweifelhaften Lösungen.64 Für dieses in der Literatur als Markowitz Optimization Enigma65 bezeichnete Problem können mehrere Gründe angeführt werden. Die Ableitung eines optimalen Portfolios im Sinne der Portfolio Selection ist mit Schätzfehlern verbunden. Da jede Schätzung der Erwartungswerte für Rendite und Varianz unvermeidlich einem Schätzfehler unterliegt, werden im Rahmen der optimalen Lösung jene Wertpapiere mit hohen geschätzten Renditen, negativen Korrelationen und geringen Varianzen übergewichtet. Gleichzeitig werden Assets mit niedrig geschätzten Renditen, positiven Korrelationen und hohen Varianzen systematisch untergewichtet66. Allein mit dem Rückgriff auf historische Daten67 wird ein erheblicher Schätzfehler in Kauf genommen, wenn die „wahren“ aber unbekannten Erwartungswerte bezügliche Rendite und Varianz auf Basis der historischen Stichprobe geschätzt werden. Um den Schätzfehler zu verringern, werden in der Praxis möglichst lange historische Zeiträume als Stichprobe verwendet. Dies führt jedoch zum Konflikt mit den sich im Zeitablauf eventuell ändernden Marktbedingungen. Eine Portfoliooptimierung anhand des Modells von Markowitz kann also allein aufgrund der Schätzfehler bei dem zugrunde gelegten Dateninput zu einer wenig erfolgreichen Anlagestrategie führen.68 SCHIERENBECK bezeichnet die Informationsanforderungen für die praktische Umsetzung sogar als nahezu unerfüllbar.69 Die Portfoliozusammensetzung unterliegt einer hohen Renditesensitivität. So zeigen bspw. Schäfer und Zimmermann70, dass einzelne Aktien bereits bei geringen Änderungen in den Renditen vollständig aus dem Portfolio verschwinden bzw. sofort mit deutlichem Anteil aufgenommen werden. Obwohl dies nur einen geringen Einfluss auf die geschätzte Rendite und Standardabweichung des optimalen Portfolios hat, führt dies doch zu steigendem Umschichtungsbedarf und damit zu deutlich höheren Transaktionskosten. Für viele Portfolios stellen die Annahmen (A9) a., c. und e. wichtige Defizite des Markowitz-Modells dar. Sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf kann es je nach Liquidität des Assets zu einem Market Impact mit erheblicher Beeinträchtigung der 64 65 66 67 68 69 70
Vgl. Steiner, M./ Bruns, C. (1995), S. 9. und Rudolph, B. (2003), S. 14. Vgl. Michaud, R. O. (1989), S. 31ff. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 15. Vgl. Markowitz, H. M. (1952), S. 91. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 15. Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 641. Vgl. Schäfer, K./ Zimmermann, P., Schätzfehler (1998), S. 131ff.
36
Kapitel II
Rendite kommen. In der Praxis wird versucht, z.B. durch marktschonendes Platzieren der Kauf- oder Verkaufsorder, solchen Effekten entgegen zu wirken. Jedoch ist dies nur begrenzt möglich. Darüber hinaus weisen die verschiedenen Assetklassen unterschiedliche Liquiditätsgrade auf, was in dem statischen Modell von Markowitz ebenfalls nicht berücksichtigt wird.71 Markowitz trifft ausschließlich Aussagen für die einperiodige Betrachtung von Rendite und Risiko. Das Modell gibt keine Empfehlungen für den langfristig orientierten Anleger. Auch Aussagen über eine eventuell veränderte Gewichtung der unterschiedlichen Assetklassen im Zeitablauf, z.B. in Abhängigkeit des Anlegeralters oder des Vermögens, fehlen.72 Trotz der vorgenannten Hinderungsgründe für die praktische Umsetzbarkeit hat das Portfolio Selection Model von Markowitz nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Portfoliotheorie. Erst durch Markowitz’ Vordenken war die Entwicklung des Capital Asset Pricing Model möglich. Insofern bildet das Markowitz Modell sowohl inhaltlich als auch zeitlich das Fundament der Kapitalmarkttheorie.73 1.3.3 Capital-Asset-Pricing-Model nach SHARPE
Das Portfolio Selection Model von Markowitz bezog neben der Rendite eines Vermögensgegenstandes erstmalig auch das Risiko in Form der wahrscheinlichen durchschnittlichen Abweichung von der angenommenen Rendite in den Selektionsprozess mit ein. Es beschränkt sich aber auf die Feststellung, dass durch Diversifikation, also Verteilung des zur Verfügung stehenden Anlagekapitals auf mehrere verschiedene Werte, ein Teil des unsystematischen Risikos eliminiert werden kann. Nicht betrachtet wird der verbleibende Teil in Form des unvermeidbaren, systematischen Risikos. Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) baut auf der Portfolio Selection Theory auf. Es beantwortet die Frage, welche Preise und damit Renditen sich am Kapitalmarkt für risikobehaftete Vermögensgüter ergeben, d.h. welche Preisforderungen Investoren für die Übernahme von systematischem Risiko stellen.74 1.3.3.1
Modellprämissen
Bei Existenz einer risikolosen Geldanlage- und Aufnahmemöglichkeit zum einheitlichen risikolosen Marktzinssatz rf besteht ein beliebiges Anlegerportfolio aus dem Tangentialportfolio T und einem bestimmten Anteil Anlage oder Kreditaufnahme zu rf. Jedes Anlegerportfolio liegt auf der so genannten Effizienzgeraden je nach Risikobereitschaft des Investors links oder rechts von T. Die Zusammensetzung des Tan71 72 73 74
Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 16. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 16. Vgl. Steiner, M./ Bruns, C. (1995), S.10. Vgl. Sharpe, W. F. (1964), S. 426.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
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gentialportfolios ist bei homogenen Erwartungen der Investoren hinsichtlich Rendite und Risiko der Wertpapiere unabhängig von deren individueller Risikoeinstellung. Diese kommt ausschließlich im Anteil des Tangentialportfolios am jeweiligen Anlegerportfolio zum Ausdruck. Das führt zu einer besonderen Interpretierbarkeit von T. Wenn alle Marktteilnehmer in das gleiche Portfolio T investieren, kann der Markt nur geräumt sein (Marktgleichgewicht), falls sämtliche risikobehafteten Anlagen in T enthalten sind. Alle Investoren gemeinsam wiederum ergeben den Markt, d.h. die Portfolioanteile in T müssen exakt den Marktanteile (Marktgewichten) der Anlagealternativen entsprechen. Das Tangentialportfolio T entspricht somit dem Marktportfolio M. Eine weitere wichtige Bedingung für das Kapitalmarktgleichgewicht ist der Ausgleich von Kreditangebot und Kreditnachfrage. Anpassungsmechanismus ist auch hier der Preis in Form des risikolosen Marktzinssatzes rf.75 Der Übersichtlichkeit halber sind die wichtigsten Prämissen noch einmal stichpunktartig aufgeführt: • die Erwartungen der Marktteilnehmer sind homogen, • vollkommener Kapitalmarkt im Sinne der Portfolio Selection Theory, • der Markt ist geräumt und befindet sich im Gleichgewicht, • die Struktur des Tangentialportfolios T steht, unabhängig von der konkreten Risikoeinstellung des einzelnen Anlegers, fest und entspricht unter den voran gestellten Bedingungen dem Marktportfolio M. Aus den eben angestellten Betrachtungen ergibt sich in Anlehnung an Abbildung 6 folgendes Bild:
75
Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 57.
38
Kapitel II
Abb. 6: Modell der Kapitalmarktlinie
Die in Abbildung 6 dargestellte Kapitalmarktlinie (KLM) bildet also die Menge effizienter Portfolios, bestehend aus Marktportfolio M und Geldanlage oder Kreditaufnahme zum risikolosen Marktzins rf, im Marktgleichgewicht ab, bei homogenen Erwartungen der Investoren.76 Im Vergleich zu Abbildung 5 wurden in dieser Darstellung Abszisse und Ordinate aus methodischen Gründen vertauscht. Nun kann die Renditeerwartung µ der Investoren in Abhängigkeit des übernommenen systematischen Risikos σ betrachtet werden. Formal postuliert das CAPM für alle Aktien und Portfolios die folgende Beziehung:77 µ i = r f + (µ M − r f )× β i
Demnach ist im Kapitalmarktgleichgewicht der Erwartungswert der Rendite eines Assets i gleich dem Marktzins rf zuzüglich eines Korrekturfaktors. Dieser bestimmt sich aus der Risikoprämie des Marktes (µM - rf) gewichtet mit dem β-Risiko der Assets i. Dieses wird auch als systematisches Risiko bezeichnet. Es ergibt sich als Kovarianz der Assetrendite mit der Marktrendite bezogen auf die Varianz des Marktportfolios. Formal gilt: β i = Cov(ri , rM ) ×
76 77
1 Var (rM )
Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 57. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 12f.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
39
Für Assets, die keinen Risikozusammenhang mit dem Markt aufweisen, postuliert das CAPM einen Erwartungswert der Rendite in Höhe des sicheren Marktzinses. Glaubt man den Vertretern der Kapitalmarkttheorie, so gibt es lediglich ein Aufteilungsproblem zwischen Anlage im Marktportfolio und risikoloser Anlage.78 1.3.3.2
Kritik und Bedeutung des CAPM für die Praxis
Ähnlich der Kritik am Portfolio Selection Model von Markowitz ist auch beim CAPM die Abstraktheit der größte Kritikpunkt. Praktisch ist es kaum möglich alle verfügbaren Assets in einem Marktmodell zu erfassen. Es wird daher versucht, mittels möglichst breit gestreuter, repräsentativer Indizes die jeweiligen Teilmärkte approximativ nachzubilden. Streng genommen müssten diese Indizes jedoch alle vorhandenen Assets enthalten, um das „wahre“ Marktportfolio nachzubilden. Auch die empirische Testbarkeit ist durch diesen Mangel tendenziell in Frage gestellt, da das „wahre“ Marktportfolio beim Test nicht zum Einsatz kommt.79 Gleichwohl existieren auch Analysen, denen zufolge die Ergebnisse des CAPM nicht sensitiv in Bezug auf die Wahl des Marktindexes sind.80 Darüber hinaus bildet das CAPM die Grundlage für die von ROSS entwickelte Arbitrage Pricing Theory.81 Und auch in der Praxis der Investitionsrechnung finden die Erkenntnisse des CAPM Verwendung. Man denke hier beispielsweise an die Ermittlung der Eigenkapitalkosten im Rahmen des Economic Value Added-Konzepts.82 1.3.4 Behavioral Finance „A drunk walking through a field can create a random walk, despite the fact that no one would call his choice of direction rational. Still, if asset prices depended on the path the drunk adopted, it would be a good idea to study how drunks navigate.” (Richard H. THALER)83
Das voran gestellte Zitat beschreibt das Dilemma der traditionellen Kapitalmarkttheorie recht zutreffend. Es ist einerseits nahezu unumstritten, dass Aktienkurse die statistische Eigenschaft eines reinen Zufallsprozesses aufweisen,84 andererseits erscheint es trotz aufwendiger quantitativer Modelle und umfangreicher empirischer Analysen immer schwieriger, die Bewegungen am Aktienmarkt allein mit Hilfe der theoretischen Konstrukte der klassischen Portfoliotheorie zu erklären. 78 79 80 81 82 83 84
Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 13. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 12. Vgl. Stambaugh, R. F. (1982), S. 237ff. Vgl. Ross, S. A. (1976), S. 341ff. Vgl. z.B. Brealey, R. et al. (2000), S. 348f. Thaler, R. H. (1999), S. 14. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 17.
40
Kapitel II
1.3.4.1
Modelldenken vs. Realität
Seit den sechziger Jahren wird die finanzwirtschaftliche Forschung in ihren Kernbereichen durch die Modellwelt der Kapitalmarkttheorie, bzw. der Portfoliotheorie nach Markowitz als deren Grundlage, geprägt. Dieses Modell trifft aufbauend auf bestimmten, teilweise stark abstrahierten Annahmen Aussagen darüber, wodurch Gleichgewichtskurse risikobehafteter Assets, unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Portfoliodiversifikation, bestimmt werden.85 Demnach ist das Handeln der Marktteilnehmer durch rationale Überlegungen motiviert. Informationen stehen allen Investoren zeitgleich und vor allem kostenlos zur Verfügung, und jeder Marktteilnehmer kommt bei Auswertung dieser Informationen zu dem gleichen Ergebnis bezüglich der zu treffenden Entscheidungen. Diese Erklärungsansätze erscheinen auf den ersten Blick einleuchtend, verständlich und überzeugend, da sie bis zu einem gewissen Grad die Realität angemessen wiederzugeben scheinen. Bei genauerer Betrachtung weisen diese Modelle jedoch eklatante Mängel auf. So ist beispielsweise weder die empirische Testbarkeit noch eine zutreffende Vorhersage von Entscheidungen oder Beschreibung von Verhalten gegeben. Es bestehen systematische Abweichungen zwischen dem offenbarten Verhalten einzelner Entscheidungsträger und dem des Marktes (Aggregat).86 Seit Mitte der achtziger Jahre entstanden daher verschiedene, neuere Erklärungsansätze, die neben fundamental-ökonomischen Gesichtspunkten auch mehr und mehr verhaltenspsychologische Aspekte bei ihren Erklärungsversuchen berücksichtigten.87 Diese relativ jungen theoretischen Überlegungen werden heute weitgehend unter dem Begriff der Behavioral Finance88 zusammengefasst. In diesem Zusammenhang erfolgte auch ein Perspektivenwechsel vom Modell des effizienten Kapitalmarktes hin zum Markt als Institution und zum Marktteilnehmer als Person.89 Die eher Top DownSichtweise der neoklassischen Kapitalmarkttheorie wird zunehmend ersetzt durch Bottom Up-Analysen aus dem Forschungsbereich der Behavioral Finance. Im Zentrum dieser Analysen steht das Entscheidungsverhalten einzelner Marktteilnehmer oder kleinerer Gruppen im Hinblick auf Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie Entscheidungsbildung und Entscheidungskriterium. Ziel ist damit die Erklärung des tatsächlichen Verhaltens der Markteilnehmer zum besseren Verständnis der Finanzmärkte.90 Im Gegensatz dazu diente die traditionelle Kapital85 86 87 88
89 90
Vgl. Oehler, A. (2002), S. 844. Vgl. Oehler, A. (2002), S. 845. Vgl. Cesar, G. (1996), S. 293. Der Begriff ist der englischen Sprache entliehen und kann mit verhaltensorientierte Finanzwissenschaft übersetzt werden. Gebräuchlicher ist aber die englische Bezeichnung. Vgl. Oehler, A. (2002), S. 846. Vgl. Oehler, A. (2002), S. 848.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
41
markttheorie eher dem Zweck zu erklären, wie sich rationelle Investoren (theoretisch) verhalten müssten. Einer der Begründer der Behavioral Finance, Richard H. THALER, fasst diesbezüglich fünf Bereiche zusammen, in denen sich tatsächlich beobachtbares und theoretisch rationales Verhalten signifikant voneinander unterscheiden.91 Die folgenden Ausführungen bezüglich dieser fünf Punkte erfolgen in Anlehnung an THALER.92 Handelsvolumen Die Standardmodelle der Kapitalmarkttheorie implizieren, dass Marktteilnehmer eher wenig handeln, da Informationseffizienz unterstellt wird und eine Kauf oder Verkaufshaltung aber nur aufgrund unterschiedlicher Erwartungen (und damit Informationen) entsteht. Es ist schwierig ein den Modellen angemessenes Handelsvolumen genau zu definieren. Es dürfte jedoch als sicher gelten, dass 134 Millionen gehandelte Aktien pro Tag allein im XETRA-Handel der Deutschen Börse AG93 deutlich mehr sind, als bei Verwendung der Standardmodelle erwartet werden könnte. Gleiches gilt für die Umschlagshäufigkeit (jährlicher Portfolioumsatz im Verhältnis zum Portfoliowert) der meisten Portfolios. Volatilität In einer von rational denkenden Investoren dominierten Marktwelt treten Preisänderungen der Assets nur bei Bekannt werden neuer Informationen auf. Im Rahmen empirischer Untersuchungen94 konnte gezeigt werden, dass Aktienkurse deutlich mehr schwanken als ihr innerer Wert (z.B. in Form diskontierter Dividendenerwartungen). Dividendenpolitik Im Rahmen des amerikanischen Steuersystems werden Dividenden höher besteuert als Kursgewinne. Es wäre demnach sinnvoller, wenn Unternehmen, anstatt Dividenden auszuschütten, dieses Geld verwenden würden, um eigene Aktien zu kaufen. Die Folge wären niedriger besteuerte Kursgewinne für die Aktionäre. In der Praxis zahlen aber viele große Unternehmen Dividenden. Darüber hinaus werden angekündigte Dividendenzahlungen oder -erhöhungen von der Börse in der Regel mit steigenden Aktienkursen des betreffenden Unternehmens honoriert. Weder das Verhalten der Unternehmen noch die Veränderung der Aktienkurse ist somit auf rationales Handeln zurückführbar. Equity Premium Puzzle
91 92 93 94
Vgl. Thaler, R. H. (1999), S. 12ff. Vgl. Thaler, R. H. (1999), S. 13f. Vgl. o.V., Deutsche Börse AG, 13.07.2005. Vgl. Shiller, R. J. (1981), S. 421ff.
42
Kapitel II
Historisch betrachtet ergibt sich für den amerikanischen Aktienmarkt ein Renditeunterschied von 7% p.a. zwischen der Rendite von Treasury Bills und Aktien. Gleichwohl aufgrund des höheren Risikos bei der Aktienanlage auch eine höhere Rendite erwartet werden kann, erscheint dieser Unterschied im langfristigen Vergleich zu hoch, als dass er allein durch das erhöhte Risiko erklärt werden könnte. Prognostizierbarkeit In einem effizienten Markt können künftige Erträge auf Basis der bestehenden Informationen nicht vorhergesagt werden. Das war eine der grundlegenden Annahmen der Markteffizienzhypothese.95 Mittlerweile hat sich diese Einstellung dahin gehend geändert, dass davon ausgegangen wird, Aktienkurse sind wenigstens teilweise prognostizierbar96 auf Basis historischer Erträge und bestimmter Kennzahlen (z.B. KursGewinn-Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis, Ertragserwartungen der Unternehmen, etc.). Kontrovers wird seitdem diskutiert wie die beobachtete Prognostizierbarkeit am besten erklärt werden kann. Bisher ist keine eindeutige Erklärung gefunden worden.
Diese fünf Punkte zeigen beispielhaft, dass klassische Modelle der Kapitalmarkttheorie nicht ausreichen, um die Funktionsweise der Finanz- und Kapitalmärkte umfassend zu beschreiben. Nachfolgend werden einige verhaltenspsychologische Ansätze der Behavioral Finance kurz vorgestellt. Anschließend wird auf die Prospect Theory als Alternative zur Nutzenmaximierungstheorie, ausführlicher eingegangen. Prospect Theory Individuen verhalten sich bei Aussicht auf einen Gewinn risikoavers, während sie bei wertmäßig gleich hohen Verlustmöglichkeiten eher risikobereit sind.97 Regret and Cognitive Dissonance (Bedauern und Verhaltensunstimmigkeiten) Bedauern (Pain of Regret) entsteht, wenn Investoren Verluste machen und diese realisieren (müssen). Um dieses Bedauern zu vermeiden, sind Investoren geneigt, verlustreiche Titel länger zu halten, als unter rationalen Gesichtspunkten sinnvoll. Cognitive Dissonance dagegen tritt häufig dann auf, wenn Investoren mit neueren Informationen zu den von ihnen gehaltenen Assets konfrontiert werden, die ihre ursprüngliche Einschätzung dieser Assets falsch erscheinen lassen. Das drückt sich dann unter Umständen in der Vermeidung (Ignoranz) solcher neuen Informationen oder in der Suche nach Gegenargumenten aus, um die eigene (falsche) Entscheidung nicht revidieren zu müssen.
95 96 97
Vgl. Fama, E. F. (1970), S. 383ff. Vgl. Fama, E. F. (1991), S. 1575ff. Vgl. hierzu wie auch im folgenden Shiller, R. J. (1998), S. 3ff. sowie die dort angegebene Literatur.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
43
Anchoring (Verankerungsheuristik) umfasst die Suche nach Anhaltspunkten oder Referenzgrößen (Anker) bei Entscheidungen unter Unsicherheit. Dabei werden diese Anker nur nach und nach an den „wahren“ (realistischen) Wert angepasst. Empirische Untersuchungen belegen, dass dieser Anpassungsprozess regelmäßig zu knapp ausfällt und damit sein Ziel verfehlt. Mental Accounting (mentale Konten) ist ein im Rahmen der Prospect Theory eingeführter Ansatz. Zur Reduzierung der Komplexität von Entscheidungen denken Menschen in so genannten mentalen Konten. Demnach haben Individuen nicht etwa alle Projekte sowie deren Folgen im Kopf, sondern führen für jedes Vorhaben ein eigenes (virtuelles) Konto. Im Rahmen der zur Entscheidungsfindung notwendigen Überlegungen wird sich dann jeweils nur auf ein mentales Konto konzentriert. Abhängigkeiten und Interdependenzen zu anderen Konten werden weitgehend ausgeblendet. Overconfidence, Overreaction (Selbstüberschätzung, Überreaktion) Menschen neigen dazu, eigene Entscheidungen und Meinungen mit übertriebenem Selbstvertrauen zu vertreten bzw. überzubewerten. In der Praxis drückt sich das derart aus, dass die Wahrscheinlichkeit, die eigene Entscheidung sei richtig, systematisch überbewertet wird, während die Wahrscheinlichkeit, die eigene Entscheidung sei falsch, entsprechend unterbewertet wird. Im Rahmen der Preisbildungsprozesse an den Kapitalmärkten kann dies zur Erklärung der so genannten Überreaktionen (z.B. Blasenbildung), die nur sehr langsam (spät) erkannt werden, dienen. Disjunction Effect (Verknüpfungseffekt) Dieser Effekt beschreibt die Tendenz, dass Menschen, bevor sie eine Entscheidung treffen, auf die Veröffentlichung bestimmter Informationen warten, auch wenn diese für die Entscheidung selbst vergleichbar unbedeutend sind. Das könnte zum Beispiel erklären, warum bei bevorstehenden Veröffentlichungen von Unternehmenszahlen sowohl Volatilität der Preise als auch Handelsvolumen zurückgehen, während sie nach Bekanntgabe der Information wieder stark ansteigen. Gambling Behavior and Speculation (Spielverhalten und Spekulation). Dieser Ansatz beschreibt den Widerspruch im menschlichen Streben nach Sicherheit einerseits (z.B. Abschluss von Versicherungspolicen) und der Liebe zum Spiel (z.B. Glücksspiel) andererseits. Wobei eine Generalisierung für alle Menschen nicht möglich erscheint. Im Rahmen von Befragungen wurde festgestellt, dass jeder Mensch nur ganz bestimmten Spielarten und diesen nur in ganz bestimmtem Maße zugetan ist. Wobei dabei durchaus unterschiedliche Motivationen eine Rolle spielen können. Irrelevance of History (Geschichte wiederholt sich) Dieses Prinzip stellt eigentlich einen Sonderfall der Selbstüberschätzung dar und äußert sich insbesondere darin, dass Menschen in der Regel nur bedingt aus Ereignissen und Fehlern der Vergangenheit lernen bzw. nur bei engem zeitlichen oder persönlichen Bezug zu diesen. Dies zeigt sich insbesondere im Erfolg oder überhaupt im
44
Kapitel II
Funktionieren der Chartanalyse, die letztendlich darauf beruht, dass bestimmte Ereignisse (Chartformationen) sich regelmäßig wiederholen. Magical Thinking (Wunschdenken) Unter diesem Prinzip wird Verhalten subsumiert, welches sich unter der Annahme entwickelt, dass bestimmte Entscheidungen ein bestimmtes Ergebnis nach sich ziehen, unabhängig davon, ob dieser Zusammenhang tatsächlich existiert oder nicht. Dadurch entwickeln sich Erfahrungswerte, die eigentlich keine sind. In der Praxis wird auch oft von so genannten sich selbst erfüllenden Prophezeiungen gesprochen. Voraussetzung dafür ist, dass genügend Marktteilnehmer dem gleichen Trugschluss unterliegen. Culture and Social Contagion (Kulturelle und Soziale Ansteckung) Hierbei werden vor allem Auswirkungen des Herdentriebs und des Gruppenzwangs untersucht. Jedes Unternehmen bemüht sich beispielsweise eine so genannte Corporate Identity (vergleichbar mit Ritualen und Schöpfungsgeschichten unterschiedlicher Volksstämme) aufzubauen. Dazu gehören Firmengeschichte, Firmenphilosophie, etc. Sämtliche Entscheidungen von Individuen im Rahmen dieses Unternehmens werden mehr oder weniger stark von diesem Umfeld beeinflusst. Es existieren diverse psychologische Untersuchungen mit dem Ergebnis, dass beispielsweise „Gruppendenken“ sogar hochintelligente Menschen dazu bringen kann, objektiv betrachtet, falsche Entscheidungen zu treffen.
Eine weitere Erkenntnis aus dem Forschungsbereich der Behavioral Finance stellt das so genannte Home Bias dar. Darunter wird das Investorenverhalten an internationalen Märkten verstanden. Entgegen einer auf rationalen Vorgaben basierenden Erwartung halten diese in der Regel nicht das effiziente, international diversifizierte Portfolio. Ihre Allocation weist vielmehr deutliche Gewichtsverzerrungen zugunsten des jeweiligen Heimatmarktes auf. Diese Abweichungen lassen sich empirisch nachweisen und führen zu entsprechenden Opportunitätskosten in Form zusätzlicher Risiken und unter Umständen entgangener Renditen.98 Als Gründe dafür können Wechselkursschwankungen (und die damit verbundenen zusätzlichen Risiken oder Kosten), unterschiedliche gesetzliche Regelungen (z.B. zum Schutz der Anleger, Besteuerung) oder auch schlicht die Überzeugung, den heimischen Markt besser zu kennen, angeführt werden.99 Nach diesem auszugartigen Überblick über einige verhaltenspsychologische Erklärungsansätze (der keineswegs abschließend und allumfassend ist) wird im folgenden Kapitel die Prospect Theory als neuzeitliche Alternative zur axiomatischen Erwartungsnutzentheorie vorgestellt.
98 99
Vgl. zu einer ausführlichen Betrachtung Jeske, K. (2003), S. 601ff. Vgl. Schäfer, S.-I./ Vater, H. (2002), S. 746.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
1.3.4.2
45
Prospect Theory nach KAHNEMAN und TVERSKY
Die Prospect Theory wurde als Alternative zur Erwartungsnutzentheorie 1979 von Daniel KAHNEMAN und Amos TVERSKY entwickelt100 sowie 1992 bezüglich der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten modifiziert. Sie gilt als eines der wichtigsten psychologischen Erklärungsmodelle und beschreibt den Einfluss subjektiver Aussichten auf das Verhalten von Personen bei Entscheidungen unter Risiko. Die Aussichten werden dabei durch entsprechende Problempräsentation (Formulierung) auf einen Gewinn oder Verlust hin gelenkt.101 Die Prospect Theory unterscheidet zwei Phasen im Entscheidungsprozess, die Bearbeitungs- (Editing) und die Bewertungsphase (Evaluation). In der Bearbeitungsphase werden die angebotenen Alternativen analysiert, um sie dann in der zweiten Phase bewerten zu können. Anschließend wird die Alternative mit dem höchsten Wert gewählt.102 Doch wie sieht dieser Wert aus bzw. wie kommt er zustande? Die Funktion der Bearbeitungsphase besteht im Wesentlich darin, Alternativen so zu organisieren und gegebenenfalls umzuformulieren, dass sie leicht miteinander verglichen und bewertet werden können. Dazu werden Alternativen entweder als Gewinne oder als Verluste betrachtet. Dies ist aber nur relativ, d.h. im Verhältnis zu einem Referenzpunkt möglich. Dieser Referenzpunkt ist zum einen abhängig von der gegenwärtigen Einkommens- und Vermögenssituation des Entscheidungsträgers. Andererseits kann er durch die Art der Formulierung der Alternativen und den sich daraus ergebenden Erwartungen des Entscheidungsträgers beeinflusst werden.103 Wird der so ermittelte Referenzpunkt in den Ursprung eines Koordinatensystems gelegt und werden die erwarteten Gewinne oder Verluste in Form bewerteter Abweichungen (Ergebnis der zweiten Phase) zu diesem Referenzpunkt eingetragen, ergibt das den Graphen der Wertfunktion nach der Prospect Theory. Dieser verläuft für Gewinne konkav und für Verluste konvex104 (siehe Abbildung 7).
100 101 102 103 104
Vgl. Kahneman, D./ Tversky, A. (1979), S. 263ff. Vgl. Schäfer, S.-I./ Vater, H. (2002), S. 742. Vgl. Kahneman, D./ Tversky, A. (1979), S. 274. Vgl. Kahneman, D./ Tversky, A. (1979), S. 274. Vgl. Schäfer, S.-I./ Vater, H. (2002), S. 742.
46
Kapitel II
Abb. 7: Hypothetische Wertfunktion in der Prospect Theory105
Aus dem Verlauf der Wertfunktion lassen sich zwei wesentlichen Schlussfolgerungen ziehen: Der Anstieg der Wertfunktion hat einen sinkenden Grenzwert. Das spricht für eine im Verlauf der Wertfunktion abnehmende Sensitivität, d.h. die Bewertung jedes zusätzlichen Gewinns (Verlustes) im Vergleich zum vorherigen sinkt.106 Die Steigung der Funktion ist in der Verlustzone stärker als in der Gewinnzone. In diesem Zusammenhang wird von Loss Aversion gesprochen. Verluste werden demzufolge höher bewertet als Gewinne bzw. Anleger verhalten sich risikoavers bei der Aussicht auf Gewinn, während sie sich bei der Aussicht auf wertmäßig gleich hohe Verluste eher risikobereit verhalten.107 Die Höhe der tatsächlichen Bewertung von Gewinnen oder Verlusten ist für jeden Investor verschieden und hängt wesentlich von dessen Risikowahrnehmung und Risikoeinstellung ab. Er entspricht demnach nicht dem Paradigma des homo oeconomicus.108 Mit der zweiten Schlussfolgerung aus Abbildung 7 ließe sich beispielsweise das beobachtbare Verhalten der Privatanleger am Aktienmarkt erklären: Gewinne zu schnell mitzunehmen, Verluste dagegen möglichst auszusitzen.
105 106 107 108
In Anlehnung an Kahneman, D./ Tversky, A. (1979), S. 279. Vgl. Schäfer, S.-I./ Vater, H. (2002), S. 742. Vgl. Shiller, R. J. (1998), S. 5. Vgl. Schäfer, S.-I./ Vater, H. (2002), S. 743.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
2
Asset Allocation
2.1
Definitionen
47
„Als Asset Allocation bezeichnet man im Allgemeinen die optimale Aufteilung (Allocation) eines gegebenen Anlagebetrages auf die in Frage kommenden Vermögensgegenstände (Assets). Die Aufteilung soll den Zielsetzungen, dem Anlagehorizont und der Risikotoleranz des Investors sowie den sonstigen Restriktionen und rechtlichen Vorschriften der Vermögensanlage möglichst gut entsprechen.“109 Der Begriff Asset Allocation kann dabei sowohl als Teilprozess im Rahmen des Portfoliomanagementprozesses als auch als Ergebnis dieses Teilprozesses in Form der gezielten Aufteilung der zur Verfügung stehenden Mittel auf bestimmte Assetklassen definiert werden.110 Die Literatur wird im Wesentlichen von drei unterschiedlich weit gefassten Begriffsverständnissen der Asset Allocation dominiert.111 2.1.1 Asset Allocation-Prozess: drei Begriffsverständnisse
Der Prozess der Asset Allocation als Aufteilung des Anlagevermögens auf die zur Verfügung stehenden Assetklassen kann, sofern er mehrstufig betrachtet wird, sowohl Top Down (abnehmendes Aggregationsniveau) als auch Bottom Up (zunehmendes Aggregationsniveau) annehmen.112 In der amerikanischen Literatur gibt es zwei unterschiedlich weit gefasste methodische Begriffsverständnisse bezüglich der Asset Allocation. ARNOTT und FABOZZI113 unterteilen Asset Allocation in drei Kategorien: Policy Asset Allocation, Dynamic Asset Allocation und Tactical Strategies for Asset Allocation. Unter Policy Asset Allocation werden langfristige Grundsatzentscheidungen verstanden, die darauf ausgerichtet sind, eine anlegergerechte Basisallokation (Benchmark) zu finden und festzulegen. Anschließend wird, je nach Anlagephilosophie, nach Dynamic und Tactical Asset Allocation unterschieden. Erstere umfasst das Reshaping und Rebalancing gemäß vorgegebener Regeln in Abhängigkeit sich ändernder Marktbedingungen. Hier kommen insbesondere die so genannten Portfolio Insurance Strategies zum Einsatz. Unter Tactical Asset Allocation wird die taktische, kurzfristige Abweichung von der Policy, mit dem Ziel der Generierung einer Überrendite gegenüber der Benchmark, verstanden.
109 110 111 112 113
Rudolph, B. (2003), S. 4. Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 4f. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 55. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 55. Vgl. Fabozzi, F. J. (1995), S. 594ff.
48
Kapitel II
SHARPE tendiert dazu, nur die Einteilung und Gewichtung zentraler Assetklassen als Asset Allocation zu bezeichnen und bezieht sich damit ausschließlich auf die strategische Ebene. Zusätzlich fügt er aus Top Down-Sicht insbesondere für institutionelle Anleger eine Zwischenstufe zwischen Asset Allocation und Security Selection, die so genannte Manager Selection, ein. Diese Zwischenstufe ist beispielsweise bei der externen Vergabe von Managementmandaten von besonderer Bedeutung. Auf dieser Ebene konkurrieren unterschiedliche (externe) Portfoliomanager miteinander, die jeweils eine Assetklasse abbilden. Diese Portfolios werden im Rahmen der Vermögensverwaltungsanalyse/ Performanceanalyse verglichen und gegebenenfalls ausgewählt. Gleichzeitig wird ihre Gewichtung im Gesamtportfolio festgelegt. Umgekehrt spricht SHARPE aus Bottom Up-Sicht von einer Group Selection. Hierbei werden die aus der Security Selection gebildeten rangniedersten Assetklassen bis hin zu den zentralen Assetklassen aggregiert.114 Die Ansätze in der deutschen Literatur sind in der Regel etwas weiter gefasst. GARZ, GÜNTHER und MORIABADI teilen Asset Allocation ebenfalls Top Down nach Fristigkeit der Anlageentscheidungen in Strategische (SAA) und Taktische Asset Allocation (TAA) ein. In der SAA werden Ziel und Ausrichtung des Portfolios festgelegt, d.h. möglichst exakte Definition dieser Ziele sowie des neutralen Weges (Benchmark) zur Zielerreichung. Darüber hinaus unterteilen sie die TAA in die drei Ebenen AssetKlassen-Allocation, Regional- und Währungs-Allocation und Sektor- und TitelAllocation.115 Zu einem ähnlichen Begriffsverständnis kommen auch STEINER und BRUNS. Sie unterscheiden jedoch zusätzlich zwischen Asset Allocation im engeren Sinne und Asset Allocation im weiteren Sinne.116 2.1.2 Strukturierung der Asset Allocation
Nach Vorstellung der unterschiedlichen Begriffsverständnisse wird in den folgenden Abschnitten eine präzisere Strukturierung der Asset Allocation vorgenommen. Dies ist auf zwei Wegen möglich. Wie bereits dargestellt, besteht eine Möglichkeit darin, die Asset Allocation nach dem Wirkungsgrad der Entscheidungen zu gliedern. Das entspricht weitgehend der in der deutschen Literatur vertretenen Meinung. In der angloamerikanischen Literatur hingegen dominiert die methodenorientierte Strukturierung. Beide Wege werden im Folgenden betrachtet.117
114 115 116 117
Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 56. sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 139. Vgl. Steiner, M./ Bruns, C. (1995), S. 83. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 57.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
2.1.2.1
49
Gliederung der Asset Allocation nach Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad einer Allokationsentscheidung ist in der Regel zweidimensional. Er weist eine zeitliche (kurz-, mittel- oder langfristig) und eine inhaltliche (hohes oder niedriges Aggregationsniveau) Dimension auf. Wird dieser Zusammenhang grafisch dargestellt, entsteht eine Handlungsspielraummatrix118 (siehe Abb. 8): Aggregationsniveau Anlagedauer langfristig
hoch (zentrale Assetklassen)
Assetklassen
niedrig (einzelne Anlagetitel)
strategische Asset Allocation taktische Asset Allocation (taktische) Security Selection
kurzfristig
Abb. 8: Ebenen der Asset Allocation nach ihrem Wirkungsgrad119
Die ellipsenförmigen Bereiche markieren den Schwerpunkt der jeweiligen Asset Allocation-Ebene. Die Security Selection ist zwar einerseits Bestandteil der TAA, andererseits ist ihr Wirkungsgrad deutlich geringer als der von SAA und TAA. Die Schnittmenge von SAA und TAA soll zeigen, das hier eine eindeutige Abgrenzung fehlt. STEINER und BRUNS120 führen an dieser Stelle eine Trennung ein, indem sie unter SAA die Zerlegung der Assetklassen nach Anlageformen, Anlageländern und Anlagewährungen verstehen. Während die TAA die Branchen-, Schuldnerklassen- und Laufzeitenstruktur sowie die Einzeltitelselektion umfasst. Diese Liste ist keinesfalls abschließend. Vielmehr können in dieser Form auf taktischer Ebene beliebig viele Kriterien eingeführt werden, die ein wesentlich gezielteres Risikomanagement innerhalb der zentralen Assetklassen ermöglichen. Dieser modulare Aufbau der Asset Allocation ist daher im Portfoliomanagement von zentraler Bedeutung.121
118 119 120 121
Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 58. Vgl. Schmidt-von Rhein, A., (1996), S. 58. Vgl. Steiner, M./ Bruns, C., (1995), S. 83. Vgl. Schmidt-von Rhein, A., (1996), S. 59.
50
Kapitel II
2.1.2.2
Gliederung der Asset Allocation nach Methodik
Bei dieser Art der Strukturierung unterscheidet man Asset Allocation hinsichtlich Anlagepolitik und der angewendeten Umsetzungstechniken. Die Abbildung 9 gibt einen Überblick.122 Asset Allocation Entscheidungsgegenstand:
Active Asset Allocation
Policy Allocation
Tactical Asset Allocation
Entscheidungsträger:
Ergebnis:
Dynamic Asset Allocation
Investor
Investor oder Portfoliomanager
anlegerspezifische Bedingungen (insbesondere: Benchmark)
Umsetzung durch praktische Anlagepolitik
Abb. 9: Methodenorientierte Strukturierung der Asset Allocation123
Wie bereits eingangs erwähnt, beschreibt die Policy Allokation langfristige Grundsatzentscheidungen, die im Wesentlichen mit dem im Rahmen der Beschreibung des Portfoliomanagementprozesses erläuterten Anlagekonzept einhergehen. Dabei wird eine weitgehende Stabilität der Finanzprognosen und Anlegerpräferenzen unterstellt. Ergebnis ist die anlegerspezifische Benchmark als „strategische Neutralposition“124 zur Zielerreichung und als Basis der Erfolgskontrolle im Rahmen der Performanceanalyse. Nach Vorgabe der Policy Allocation kann durch den Portfoliomanager im Rahmen dieser Vorgaben Active Asset Allocation betrieben werden. Diese wiederum kann in Tactical Asset Allocation und Dynamic Asset Allocation zerlegt werden. Tactical Asset Allocation in diesem Zusammenhang sollte nicht verwechselt werden mit der Ebene der taktischen Asset Allocation. Sie wird von PHILLIPS und LEE folgendermaßen definiert: „Within the framework of the strategic asset allocation, the tactical asset allocation decision determines the tilt to the asset mix, based on current valuations in the mar122
123 124
Vgl. Fabozzi, F. J., Investment, (1995), S. 597. und Schmidt-von Rhein, A., (1996), S. 60. sowie die dort angegebene Literatur. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 60. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 140.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
51
ket. Tactical asset allocation decisions are thus short-term investment strategies to capitalize on the cyclical nature of financial markets.”125
Sie zielen somit auf den Einsatz aktiver und semiaktiver Anlagestrategien ab. Das setzt einerseits die Existenz, andererseits die Nutzbarkeit von Informationsineffizienzen voraus.126 Die Dynamic Asset Allocation hingegen ergibt sich aus einer anderen Motivation. Hier steht nicht die Generierung einer aktiven Performance, sondern die bessere Anpassung der längerfristigen Anlagestrategie an die Anlegerpräferenzen (z.B. die Anlegerziele Rentabilität und Sicherheit) im Vordergrund. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Asset Allocation-Methoden mit asymmetrischem Renditeprofil (z.B. Portfolio-Insurance-Strategien), die den Risikobegriff in der Regel als Downside Risk definieren und damit unter anderem den Erkenntnissen der Behavioral Finance folgen.127 2.1.3 Zur Problematik der Bildung von Assetklassen
Durch Zerlegung des Portfolios in Assetklassen entstehen, bei sinnvoller Unterteilung, mehrere Teilportfolios mit weitgehend standardisierten Eigenschaften. Dies vereinfacht die Bewertung und erleichtert gegebenenfalls vorzunehmende Umschichtungsprozesse. Der Wahl des Anlageinstruments, mit dem ein bestimmter Markt (z.B. Aktien oder Renten) abgebildet werden soll, kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. So ist es beispielsweise für die Analyse der Renditeerwartungen oder des Risikos unerheblich, ob das Segment (z.B. Aktien oder Renten) mit Investmentfonds, Einzeltiteln oder Derivaten abgebildet werden soll, während dieser Punkt bei der Einschätzung von Verfügbarkeit, Liquidierbarkeit (standardisiert handelbar) und Höhe der Transaktionskosten sehr wohl eine Rolle spielt. Es erscheint daher sinnvoll, diese Entscheidungen voneinander abzugrenzen, die Bildung der Assetklassen also (teilweise) unabhängig von der Wahl des Anlagemediums erfolgt. Dabei kann grundsätzlich ebenfalls Top Down oder Bottom Up vorgegangen werden. Ein wenig Hilfe in diesem Dilemma bietet die Innovationsfreudigkeit der Banken und Finanzdienstleister, die durch immer neue Produktlösungen mittlerweile fast jede mögliche Assetklasse in standardisierter Form darstellen können.128
125 126 127 128
Phillips, D./ Lee, J. (1989), S. 14. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 61. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 62. sowie die dort angegebene Literatur. Zu einer Einteilung der Assetklassen in standardisiert handelbare Assets und nicht standardisiert handelbare Assets vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 127. oder auch Steiner, M./ Bruns, C. (1995), S. 85.
52
2.2
Kapitel II
Strategische Asset Allocation: drei Fragestellungen
Nach der Vorstellung der unterschiedlichen Begriffsverständnisse und Strukturierungsmethoden der Asset Allocation wird in den folgenden Abschnitten, die Ebene der Strategischen Asset Allocation genauer betrachtet. Sie dient, sowohl im angelsächsischen als auch im deutschen Begriffsverständnis, der Festlegung der langfristigen Vermögensstruktur und des Anlagehorizontes anhand der Anlegerpräferenzen, insbesondere der Anlegerziele. Damit kann sie als praktisches Bindeglied zwischen Planungs- und Umsetzungsphase im eher theoretischen Konstrukt des Portfoliomanagementprozesses betrachtet werden. Sie stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen:129 • Präferenzen der Investoren (Anlegerprofil), • Festlegung des Anlageuniversums (Marktprofil), •
Zusammenführung von Anlegerprofil und Marktprofil in einem so genannten Neutral- oder Vergleichsportfolio, welches als Benchmark fungiert.
2.2.1 Präferenzen der Investoren - Erstellung des Anlegerprofils
Am Anfang eines jeden Investmentprozesses sollte die Erstellung eines möglichst detaillierten Anlegerprofils stehen. Oftmals wird bereits damit das maximal mögliche Anlageuniversum erheblich eingeschränkt. Die Erstellung des Profils sollte unter Beachtung der Vorschriften des §31 WPHG und unter Berücksichtigung der „Grundsätze ordnungsgemäßer Finanzplanung“130 geschehen. Wichtige zu erfragende Punkte in diesem Zusammenhang sind unter anderem:131 • Referenzwährung des Anlegers - in welcher Währung fallen Verbindlichkeiten oder Konsumausgaben an, • Restriktionen rechtlicher Art - z.B. Vorschriften des WPHG, • Welchen Anlagehorizont hat der Anleger - Messperiode, Beurteilungszeiträume, etc., • Künftiger Liquiditätsbedarf - aufgrund geplanter Investitionen, Konsumausgaben (z.B. Autokauf, Immobilienerwerb) oder sonstiger Zahlungsverpflichtungen, • Steuersituation des Anlegers - Ausschöpfung von Freibeträgen, Steuerklasse, persönlicher Steuersatz; Die verschiedenen Ertragsformen werden teilweise sehr unterschiedlich besteuert,
129 130 131
Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 155. O.V., DEVFP, 2001-2003. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C.(2002), S. 158ff.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
•
53
•
Ertragsvorstellungen (Renditeziel des Anlegers) - eher langfristig oder eher kurzfristig, regelmäßig (jährliche Ausschüttung) oder endfällig (Kursgewinne), Rendite-Vergleichsmaßstab, Wie sieht das Risikoverständnis des Investors aus - symmetrisches oder asymmetrisches Risikoverständnis, langfristig oder kurzfristig, welche Risikomaße erscheinen sinnvoll für die Bewertung der Anlagealternativen aus Investorensicht, Welchen Stellenwert hat die Kapitalerhaltung für den Investor - Portfolio Insurance notwendig oder nicht, Welche Erfahrungen hat der Anleger im Bereich der Wertpapieranlage,
•
Wie sieht seine bisherige Vermögensstruktur aus.
•
•
Diese Auflistung ist sicherlich nicht abschließender Natur. Sie vermittelt jedoch einen Eindruck, wie vielschichtig (Interdependenzen zwischen den einzelnen Fragestellungen) sich die Erstellung eines Anlegerprofils gestalten kann. Diese Informationen schaffen jedoch eine gute Basis für die spätere Auswahl eines anlegergerechten neutralen Vergleichsportfolios (Benchmark).132 2.2.2 Potentielle Märkte - Erstellung des Marktprofils
Die Entscheidung in welche Assetklassen grundsätzlich investiert werden darf (Anlageuniversum), wird stark vom erstellten Anlegerprofil dominiert. Darüber hinaus sind dem Anleger die langfristigen Chancen und Risiken der jeweiligen Assetklassen zu erläutern.133 Dabei wird auf die Ergebnisse der Finanzanalyse im Rahmen des Portfoliomanagementprozesses zurückgegriffen. Eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der Attraktivität der jeweiligen Assetklasse spielt hierbei insbesondere die Analyse historischer assetklassenspezifischer Renditen und Risiken. So lassen sich beispielsweise für die Entscheidung zwischen Aktien und Renten anhand empirischer Analysen zwei Kernaussagen ableiten:134 Extreme periodische Schwankungen gleichen sich im Zeitablauf aus. Je länger der Anlagehorizont (die Haltedauer), desto „typischer“ verhalten sich Assets und desto vorhersagbarer werden ihre durchschnittlichen Erträge pro Periode. Die Schwankungsbreite (Volatilität, Risiko) von Aktien- und Rentenerträgen verringert sich mit zunehmender Haltedauer in Relation zum jeweiligen Erwartungswert hinsichtlich ihrer Rendite. Ab einem bestimmten Anlagehorizont überkompensiert der Mehrertrag der Assetklasse Aktien ihr höheres Risiko im Vergleich zur Assetklasse Renten. 132 133 134
Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 160. Objektgerechte Beratung gemäß §31 Abs. 2 WPHG. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 178f.
54
Kapitel II
Je länger der Anlagehorizont desto höher sollte der Anteil der Assetklasse Aktien am Portfolio des Investors sein. Die absolute Höhe der Aktienquote ist natürlich wesentlich von der Risikobereitschaft des Anlegers abhängig. 2.2.3 Benchmarkfindung im Rahmen der SAA
Der Begriff Benchmark stammt in seiner ursprünglichen Form aus dem Bereich der Wettbewerbsstrategien. Benchmarking, als ein Instrument der Wettbewerbsanalyse, umfasst demzufolge den kontinuierlichen Vergleich von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen mit anderen Unternehmen (Konkurrenten), um die Leistungslücke zum „Branchenbesten“ systematisch zu schließen. Der Begriff der Benchmark wird daher meist mit einem Maßstab mit Beispiel- oder Vorbildfunktion bzw. als eine Art Messlatte zur quantitativen, möglichst objektiven Beurteilung von Erfolgsausprägungen verbunden.135 2.2.3.1
Systematik der Konstruktion von Benchmarks
Im Bereich der Asset Allocation bezeichnet die Benchmark in der Regel ein zwischen Anleger und Portfoliomanager vereinbartes Vergleichsportfolio als Basis und Richtgröße zur langfristigen Ausrichtung der Anlagestrategie und Beurteilung des erzielten Anlageerfolges.136 Sie ist das Ergebnis der Zusammenführung von Anleger- und Marktprofil.137 Unter dem Aspekt möglichst objektiver Performancemessung nennt SHARPE vier Anforderungen, die eine Benchmark erfüllen sollte:138 • Eine Benchmark sollte tatsächlich realisierbar sein. • Sie sollte nicht zu leicht zu schlagen sein. • Die Transaktionskosten für den Erwerb sollten möglichst niedrig sein. •
Die Benchmark sollte bekannt sein, bevor tatsächliche Anlageentscheidungen getroffen werden.
In der Literatur findet sich darüber hinaus ein fünftes Kriterium derart, dass die Benchmark den gleichen Restriktionen unterliegen sollte, wie das Portfolio.139 Bei Berücksichtigung dieser grundsätzlichen Anforderungen an eine Benchmark, lässt sich hinsichtlich der konkreten Umsetzung eine Systematisierung in standardisierte und investorspezifische Benchmarks vornehmen. Bei Bildung standardisierter Benchmarks wird in der Regel auf einen standardisierten Kapitalmarktindex zurück135 136 137 138 139
Vgl. Poddig, T./ Brinkmann, U./ Seiler, K. (2005), S. 25. O.V., Gabler (1999), S. 182. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 179. Vgl. Sharpe, W. F. (1992), S. 16. Vgl. dazu und zu einer ausführlicheren Erläuterung der fünf Kriterien Bruns, C./ MeyerBullerdiek, F. (2003), S. 62f.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
55
gegriffen. Umfasst das festgelegte Anlageuniversum beispielsweise ausschließlich den deutschen Aktienmarkt, so kann der Deutsche Aktienindex DAX als standardisierte Benchmark herangezogen werden. Bei einem Anlageprofil, das nicht mit Hilfe eines standardisierten Marktindizes abgebildet werden kann, ist die Konstruktion einer investorspezifischen Benchmark notwendig. Im einfachsten Fall können dazu mehrere standardisierte Marktindizes miteinander kombiniert werden. Für den Fall einer 1/3-2/3-Allocation aus deutschen Aktien und deutschen Renten, könnte die Benchmark beispielsweise aus 1/3 Deutscher Aktienindex DAX und 2/3 Deutscher Rentenindex REXP bestehen.140 Eine weitere Möglichkeit der Systematisierung von Benchmarkportfolios ergibt sich aus der Frage, inwieweit die Benchmark als konkretes Ziel zu verstehen ist. Ausgehend vom investmentphilosophischen Ansatz kann zwischen passiver und aktiver Anlagestrategie unterschieden werden. Beide Strategien weisen unterschiedliche Zieldefinitionen bezüglich der Benchmark auf. Beim passiven Management, welches im Wesentlichen auf der These effizienter Märkte beruht, besteht das Ziel darin, das durch die Benchmark vorgegebene Rendite-Risiko-Profil möglichst exakt und kostengünstig nachzubilden. Im Rahmen des aktiven Managements hingegen wird die Benchmark als Messlatte definiert, die es möglichst hoch zu übertreffen gilt. Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass Märkte nicht (immer) informationseffizient sind. Demzufolge werden eine Vielzahl von Analyse- und Prognoseverfahren eingesetzt, um diese Ineffizienzen aufzudecken und möglichst gewinnbringend zu nutzen.141 2.2.3.2
Problembereiche bei der Anwendung von Benchmarks
Die Verwendung von standardisierten Marktindizes als Benchmark ist in der Praxis teilweise recht umstritten. Die Gewichtung der in den Indizes enthaltenen Titel erfolgt entsprechend der Marktkapitalisierung dieser Titel und nicht nach Effizienzgesichtspunkten, wie sie beispielsweise durch die Portfolio Selection Theory nahe gelegt wird. Ein kapitalgewichteter, standardisierter Marktindex ist demnach nur dann effizient, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: • homogene Erwartungen der Anleger, • keine Restriktionen bezüglich der Möglichkeit Leerverkäufe zu tätigen, • einheitlicher Steuersatz, • kein Kauf von Anlagen, die nicht im Index enthalten sind.
140 141
Vgl. Poddig, T./ Brinkmann, U./ Seiler, K. (2005), S. 27f. Vgl. Poddig, T./ Brinkmann, U./ Seiler, K. (2005), S. 28.
56
Kapitel II
Andererseits müssen Marktindizes ein gewisses Maß an Effizienz aufweisen. Empirische Analysen zeigen, dass in der Praxis die Performance von Marktindizes selten dauerhaft und signifikant durch Portfoliomanager übertroffen wird.142 Weitere Probleme entstehen, wenn in einem Portfolio mehrere Assetklassen gemischt sind bzw. eine internationale Diversifikation innerhalb der jeweiligen Assetklasse angestrebt wird. In diesem Fall sollte ein geeignetes Benchmarkportfolio aus einem gewichteten Mix der für den jeweiligen Teilmarkt repräsentativen Marktindizes bestehen. Daneben spielt das Exposure gegenüber Fremdwährungsrisiken eine wichtige Rolle bei der Benchmarkkonstruktion. Je nachdem, ob das Währungsrisiko abgesichert ist oder nicht, sind die verwendeten Indizes in die Referenzwährung des Anlegers umzurechnen.143 In der Praxis, insbesondere im Bereich der Investmentfonds, kommt es häufig zu Vergleichen mit ähnlichen Portfolios der Konkurrenten (Peer Group-Vergleich). Diese Peer Groups sind jedoch in ihrer Zusammensetzung ex ante nicht bekannt, erfüllen demzufolge nicht vollständig die an eine Benchmark gestellten Kriterien. Daneben unterliegen diese Benchmarks oftmals Veränderungen, auf die der Portfoliomanager keinen Einfluss hat (z.B. Auswechslung des Portfoliomanagers, Veränderung des Anlagestils, etc.).144 Auch können Veränderungen des Anlegerprofils im Zeitablauf zu Problemen bei der Eignung der Benchmark führen. Sie muss dann gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Anleger an veränderte Anforderungen teilweise angepasst oder gar ganz ausgetauscht werden. Eine Benchmark darf also nicht statisch sein, sondern muss geänderten Portfoliozielsetzungen fortlaufend Rechnung tragen können.145 2.3
Asset Allocation Strategien im Überblick
2.3.1 Aktiv vs. Passiv
Neben den erläuterten Entscheidungen im Rahmen der Planungsphase im Portfoliomanagementprozess ist auch die Entscheidung darüber, ob das Portfolio aktiv oder passiv gemanagt werden soll von zentraler Bedeutung für alle weiteren Teilprozesse. Folgt man der Theorie effizienter Märkte, so liegt die Entscheidung für eine klassische, passive Buy-and-Hold-Strategie wohl am nächsten. Seitens der Praxis wird aber von jeher ein durch Research und Analyse gestütztes moderat aktives Management empfohlen. Auf Basis von Renditeprognosen (gestützt auf volkswirtschaftliche Rah-
142 143 144 145
Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 67. sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Steiner, M./ Bruns, C. (2000), S. 575. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 67f. Vgl. Steiner, M./ Bruns, C. (2000), S. 575.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
57
mendaten und Unternehmensbewertungen) werden hierbei die Gewichte einzelner Titel, Sektoren oder Märkte aus taktischen Gesichtspunkten verändert.146 Die zentrale Frage der Investmentphilosophie ist also die Frage nach der Markteffizienz im Sinne von Informationsverarbeitungseffizienz der Kapitalmärkte. „Die Antwort auf [diese] .. Frage […] kann sinnvoll nicht grundsätzlich, sondern nur marktbzw. assetklassenspezifisch ausfallen. Denn es gilt sowohl theoretisch als auch praktisch als gesicherte Erkenntnis, dass der Grad an erreichter Markteffizienz an den Weltmärkten sich von lokalem Markt zu lokalem Markt bzw. von Assetklasse zu Assetklasse stark unterscheidet.“147 Eine Entscheidung für oder gegen ein aktives Management ist auch immer eine Entscheidung für oder gegen die Inkaufnahme von zusätzlichem Risiko, dem Risiko der Indexabweichung. Dieses Risiko wird heute als Tracking Error bezeichnet. Formal betrachtet misst der Tracking Error die Streuung der Differenz aus Index- bzw. Benchmarkrendite und Portfoliorendite. Die Angabe erfolgt in Prozent. Aus psychologischer Sicht spiegelt der Tracking Error den Reiz, den Markt vielleicht doch schlagen zu können, wieder. Trotz empirischer Befunde gegen den Erfolg der Mehrzahl aktiv gemanagter Portfolios im Vergleich zur Benchmark besteht dieser Reiz nach wie vor. Als Erklärung wird beispielsweise die „psychologische Freude“ an dieser so genannten „Spielkomponente“ angeführt.148 Für eine passive Philosophie wiederum sprechen, neben der Annahme, dass Kapitalmärkte effizient sind, die anfallenden Kosten für Beschaffung und Verarbeitung von Informationen sowie die Transaktionskosten. Da aber auch bei einer passiven Strategie das Benchmark- oder Marktportfolio bestenfalls approximativ nachgebildet werden kann, sind auch hier regelmäßige Anpassungen notwendig. Marktportfolio bleibt Marktportfolio, egal wie oft und wie stark sich dessen Zusammensetzung im Zeitablauf ändert. Dies hat zur Folge, dass ein Portfolio welches den Markt approximativ nachbilden soll, regelmäßig unter Berücksichtigung der Marktveränderungen (z.B. Gewichtung von Einzeltiteln, Sektoren etc.) adjustiert werden muss. Ebenso verändert sich durch positive oder negative Entwicklung der im Portfolio gehaltenen Assetklassen deren Gewichtung im Gesamtportfolio. Auch hier müssen regelmäßig Anpassungen vorgenommen werden.149 Insgesamt sprechen diese Faktoren grundsätzlich gegen die Entscheidung für ein rein passives Management. Denn sollten Märkte effizient sein, ist es langfristig nicht möglich den Markt zu schlagen. Und selbst wenn es gelingt, die Marktrendite zu erwirtschaften, so fallen dafür entsprechend Transakti-
146 147 148 149
Vgl. Spremann, K. (2003), S. 527. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 106. Vgl. Spremann, K. (2003), S. 536. Vgl. Spremann, K. (2003), S. 532.
58
Kapitel II
ons- und Verwaltungskosten an. Der theoretisch erfolgreichste Fall wäre dann Marktrendite minus Kosten. Sowohl rein aktive als auch rein passive Ansätze versprechen demnach ausgehend von den unterstellten Annahmen und empirischen Befunde mehr, als sie gegebenenfalls zu halten imstande sind. In der Literatur findet sich dann auch ein dritter Weg, als Versuch eines Kompromisses aus aktivem und passivem Management. Dieser Mittelweg wird als „Tilted Management“150 oder „semiaktive Anlagestrategie“151 bezeichnet. Er enthält Elemente des aktiven und des passiven Ansatzes. So kann das im Rahmen der Anlegeranalyse formulierte Anlagekonzept beispielsweise die Forderungen enthalten, die Benchmark nur bezüglich bestimmter Kriterien aktiv zu managen (z.B. bezüglich des Risikos identisch mit der Benchmark, bezüglich der Rendite aber aktiv gemanagt).152 Die Vorgaben hierfür könnten auch in Form eines maximal möglichen Tracking Errors gegenüber der Benchmark formuliert werden, was aktive Portfoliowetten nur in begrenztem und kontrolliertem Umfang möglich macht.153 Eine abschließende Beurteilung von Erfolg oder Vorteilhaftigkeit des jeweiligen Ansatzes bleibt wohl den empirischen Untersuchungen im Rahmen der Performanceanalyse in Abhängigkeit der Risikobereitschaft der Investoren vorbehalten. Die nachfolgende Abb. 10 gibt einen Überblick über derzeit angewandte Asset AllocationStrategien. Die Primärdifferenzierung erfolgt danach, ob es sich um eine „traditionelle“ aktive Strategie auf Basis expliziter Renditeprognosen handelt oder um eine regelgebundene Strategie, die ohne explizite Renditeprognosen auskommt.154
150 151 152 153 154
Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 109. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 30. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 30. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 109. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 579.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
59
Asset Allocation-Strategien (Rendite-) Prognosebasierte Strategien
(Rendite-) Prognosefreie Strategien Asymmetrisches Profil
Symmetrisches Profil
Taktische Asset Allocation
Optionsstrategien
Index-Tracking
Market Timing
Replikationsstrategien
Minimum-Varianz-Portfolio
Constant Proportion Portfolio-Strategien "Best Return"-Strategien
Abb. 10: Systematik alternativer Asset Allocation-Strategien155
Im Folgenden werden die einzelnen Strategien der Systematik folgend kurz beschrieben. 2.3.2 (Rendite-) Prognosebasierte Strategien
Der linke Zweig der Abb. 10 gibt einen Überblick über die so genannten renditeprognosebasierten Strategien. Da aktives Management auf der Annahme beruht, dass Märkte nicht (immer) effizient sind, müssen hier Methoden angewandt werden, die eine performancesteigernde Ausnutzung der Marktineffizienzen wahrscheinlich erscheinen lassen. Es bedarf also der möglichst genauen Vorhersage der zukünftigen Kursentwicklungen. Gestützt wird sich dabei auf die Vorhersageverfahren der Prognostik und der Statistik, bei denen in der Regel quantitative Analysen zum Einsatz kommen, die auch für Dritte objektiv nachvollziehbar sind.156 Der Erfolg dieser Strategien bemisst sich danach, ob es nach Transaktionskosten gelingt, den Markt zu schlagen, d.h. eine aktive Wertschöpfung gegenüber dem Vergleichsmaßstab zu erzielen.157 2.3.2.1
Taktische Asset Allocation
Ziel der Taktischen Asset Allocation ist es, unter weitgehender Aufrechterhaltung der Vollinvestition einzelne Teilmärkte (z.B. Länder, Branchen) zu prognostizieren und
155 156 157
In Anlehnung an Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 580. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 112. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 580.
60
Kapitel II
entsprechend über- oder unterzugewichten.158 Das kann beispielsweise im Rahmen der Fundamentalanalyse einzelner Branchen oder Einzeltitel geschehen. Dabei kann sowohl Top Down (i.d.R. institutionelle Anleger) als auch Bottom Up (i.d.R. private Anleger) vorgegangen werden. Auf beiden Wegen wird versucht, im Branchenvergleich unterbewertete Einzeltitel herauszufiltern (Stock Picking), um damit Outperformance zu erzielen, sollten sich diese Titel dem Branchendurchschnitt anpassen.159 Diese Strategie zählt zu den risikoreichsten im Kontext der Asset Allocation Strategien. Der Handlungsspielraum des Managers ist in der Regel sehr weit gefasst. Der Umschichtungsgrad bei dieser Strategie ist vergleichsweise hoch, was mit erhöhten Transaktionskosten einhergeht und es erfolgt in der Regel keine Absicherung. Darüber hinaus zeigen historische Daten, dass es nur sehr wenigen Managern gelingt, den Markt regelmäßig zu schlagen. Gleichwohl scheint allein die Chance auf eine Mehrrendite für viele Anleger Grund genug zu sein, sich für diese Strategie zu entscheiden. 2.3.2.2
Market Timing
Bei der Market Timing Strategie wird hingegen versucht, das Marktexposure des (gemischten) Portfolios im Zeitablauf zu variieren. Als Grundlage hierfür dient eine Prognose der relativen Vorteilhaftigkeit des Aktiensegments im Vergleich zum Rentensegment.160 So würde in schlechten Zeiten am Aktienmarkt eine aktive Steuerung des Portfolios hinsichtlich des Investitionsgrades im Aktienmarkt die Möglichkeit bieten, sich gegenüber dem Vergleichsindex (der Benchmark) deutlich abzusetzen. Dabei hängt der Erfolg des so genannten Benchmarktiming entscheidend von der Prognosegüte des Managers ab. Zu den Auswirkungen der Prognosegüte beim Benchmarktiming im Vergleich zur eher passiven Buy-and-Hold-Strategie existieren in der Literatur ausführliche Analysen.161 Eine andere Form des Market Timing geht auf die technische Analyse zurück. Hierbei wird mittels der Chartanalyse und der Analyse von technischen Indikatoren versucht, Kauf- oder Verkaufssignale zu erkennen und sich entsprechend am Markt zu positionieren. Ein Vorteil der technischen Analyse gegenüber klassischen Bewertungsmodellen der Portfoliotheorie ist die Berücksichtigung von psychologischen Faktoren bei der Kursbildung. Eine grundlegende Annahme ist beispielsweise, dass Aktienmärkte sich in Trends162 bewegen, was impliziert, dass das menschliche Ver158 159 160 161 162
Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 580. Vgl. Spremann, K. (2003), S. 44. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 580. Vgl. beispielsweise Ebertz, T./ Kosiolek, F./ Schmidt-von Rhein, A. (2002), S. 206f. Diese Erkenntnis geht auf den Gründer und ersten Herausgeber des Wall Street Journals, Charles H. DOW zurück. Er beschrieb bereits 1884 in mehreren Artikeln die von ihm beobachteten zyklischen Bewegungen am amerikanischen Aktienmarkt.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
61
halten zu einem gewissen Grad irrational ist, da immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden.163 In dieser Hinsicht korrespondiert die technische Analyse eng mit den Erkenntnissen der Behavioral Finance. 2.3.3 (Rendite-) Prognosefreie Strategien
Den prognosebasierten Strategien stehen die prognosefreien Ansätze der Asset Allocation gegenüber. Die Differenzierung zwischen beiden Varianten bezieht sich dabei ausschließlich auf den Einsatz expliziter Renditeprognosen bzw. den Verzicht darauf. Auch die prognosefreien Ansätze kommen nicht völlig ohne Prognosen aus. Sie basieren vielmehr auf der Verfügbarkeit adäquater Risikoprognosen. Darüber hinaus können die renditeprognosefreien Ansätze danach unterschieden werden, ob sie ein symmetrisches oder ein asymmetrisches (Options-)Profil aufweisen.164 2.3.3.1
Asymmetrische Renditeverteilung
Strategien mit asymmetrischer Renditeverteilung sind entweder unmittelbar Optionsstrategien oder aber optionsnahe Strategien. Letztgenannte zeichnen sich dadurch aus, dass sie optionsähnliche Ergebnisse in Form asymmetrischer Renditeverteilungen liefern, ohne Optionen direkt einzusetzen.165 Grundlegende Motivation bei Strategien mit asymmetrischem Profil ist in der Regel die Frage, wie kann ich mein Portfolio gegen das so genannte Downside Risk, d.h. das Risiko möglicher Kursverluste, absichern. 2.3.3.1.1
Optionsstrategien
Wichtigster Vertreter der Optionsstrategien unter dem Aspekt Risikominderung ist die Protective Put-Strategie. Sie kann sowohl zur Absicherung einzelner Aktienpositionen als auch für das Gesamtportfolio verwendet werden. Ziel der Protective PutStrategie ist, wie der Name schon vermuten lässt, eine Absicherung des Portfolios/ der Einzelaktie gegen Kursverluste. Dabei sind, je nach Wahl des Basispreises, verschiedene Absicherungsniveaus möglich. Ebenso kann das Absicherungsverhältnis (Hedge Ratio) variiert werden. Bei exakter Absicherung mit einem Hedge Ratio von „1“ werden sämtliche eventuell eintretenden Kursverluste im Aktienportfolio durch den Protective Put neutralisiert. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Strategie sind die Transaktionskosten in Form der Optionsprämie, die bei Kauf des/der Puts gezahlt werden muss. Diese ist vor allem abhängig vom gewählten Absicherungsniveau und von der Laufzeit der Option.166 Die nachfolgende Abbildung. stellt die Aus-
163 164 165 166
Zu einer ausführlichen Betrachtung der technischen Analysemethoden vgl. Cesar, G. (1996). Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 581. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 581. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 242ff.
62
Kapitel II
zahlungsfunktionen eines Portfolios ohne Absicherung, eines Long Puts und eines Portfolios mit Protective Put-Absicherung grafisch dar.
Gewinn
Gewinn
Portfolio mit Protective Put
K
K
0
0 Aktienindex
Verlust
Gewinn Long Put
Aktienanlage ohne Absicherung
K 0
Aktienindex
Verlust
Aktienindex
Verlust
Abb. 11: Portfolio Insurance mit Protective Put167
Bei der Kombination von Portfolios und Put ergibt sich das Auszahlungsprofil ganz rechts. K kennzeichnet den Einstiegskurs der Aktienanlage und bildet gleichzeitig den Basispreis der Put-Option. Folglich ist bei negativer Marktentwicklung der Verlust auf die beim Erwerb des Puts gezahlte Optionsprämie begrenzt. Hingegen bleiben die Chancen, an einer möglichen Aufwärtsbewegung des Aktienmarktes zu partizipieren nahezu unbegrenzt bestehen. Im Vergleich zu den noch folgenden Strategien mit asymmetrischem Profil hat die Protective Put-Strategie einen sehr statischen Charakter. Es ist vergleichsweise aufwendig, diese Strategie an Änderungen im Basisportfolio anzupassen. Für einen eher passiv orientierten Investor, der weitgehend ohne Umschichtungen auskommt, beispielsweise eine Buy-and-Hold-Strategie fährt, ist diese Variante gleichwohl eine relativ einfach umzusetzende Alternative zur Portfolioabsicherung. Ein weiteres Problem der Protective Put-Strategie stellt die Wahl der geeigneten Laufzeit der Put-Option dar. Der Planungshorizont des abzusichernden Portfolios ist in der Regel länger als die Laufzeit der am Markt verfügbaren Index- oder Aktienoptionen. Um eine dauerhafte Absicherung erreichen zu können, müssen nach dem Auslaufen der alten Optionen neue Kontrakte erworben werden, was zu erneuten Kosten in Höhe der Optionsprämie führt.168 2.3.3.1.2
Replikationsstrategien
Als Replikationsstrategien werden dynamische, auf Optionspreismodellen basierende Portfoliostrategien bezeichnet, die eine künstliche (synthetische) Nachbildung optionsähnlicher Portfolios zum Ziel haben.169 Aus der Optionspreistheorie ist bekannt, 167 168 169
In Anlehnung an Steiner, M./ Bruns, C. (2000), S. 380. Vgl. Steiner, M./ Bruns, C. (2000), S. 381. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 581.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
63
dass sich sämtliche Optionen mittels entsprechender Position am Kassamarkt des Basiswertes kombiniert mit Geldanlage/ -aufnahme zum risikolosen Zins nachbilden lassen.170 Auch hier ist der wichtigste Anwendungsfall die Portfolio Insurance, indem z.B. ein Protective Put synthetisch durch dynamisches Variieren zwischen einem risikobehafteten und einem risikofreien Asset abgebildet wird. Dabei kommen die Prinzipien des Hedgings mit Optionen zum Einsatz.171 Ein europäischer Put lässt sich beispielsweise durch eine verkaufte Aktienposition kombiniert mit einer Geldanlage zum risikolosen Zins duplizieren. Zur Generierung des Synthetic Put wird zuerst ermittelt, wie viele Aktien verkauft werden müssen und welcher Betrag risikolos investiert werden muss. Das passende Verhältnis hängt wesentlich von den erforderlichen Eigenschaften des zu konstruierenden Puts ab. Aufschluss hierüber gibt das Black-Scholes-Model mit den fünf Parametern Aktienkurs, Basispreis, Volatilität, Laufzeit und risikoloser Zins.172 2.3.3.1.3
Constant Proportion Portfolio Strategien
Auch diese Gruppe zählt zu den dynamischen Strategien. Ihre bekanntesten Vertreter sind die Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI) und die Time Invariant Portfolio Protection (TIPP). Sie dienen der Sicherung einer bestimmten Mindestrendite (Floor), beruhen aber nicht direkt auf der Optionspreistheorie. Das hat unter anderem zur Folge, dass die anfallenden Absicherungskosten ex ante nicht genau bestimmt werden können. Bei beiden Strategien wird durch Portfolioumschichtungen zwischen Aktien und einer risikolosen festverzinslichen Anlage (z.B. Geldmarkt) versucht, zum einen den so genannten Floor zu sichern, andererseits aber auch die Chancen auf Kursgewinne am Aktienmarkt soweit wie möglich zu erhalten.173 2.3.3.1.4
„Best Return“-Strategien
Die „Best-Return“-Strategien sind ein vergleichsweise neues Feld in der Praxis der Asset Allocation. So gibt es derzeit am Deutschen Markt für Anlageprodukte nur wenige Anbieter für diese Strategie. Im Rahmen ihrer fondsgebundenen Vermögensverwaltung bietet beispielsweise die CONRAD HINRICH DONNER BANK seit dem 01.01.2003 eine umgesetzte Variante, die „Best of Two“-Strategie, mit recht erfolgreicher Performance an.174 Das charakteristische Merkmal dieser Strategien besteht darin, dass dem Investor die Rendite des besser performenden Marktes, aus (mindestens zwei) vorab bestimmten, risikobehafteten Märkten bzw. Portfolios zugesagt
170 171 172 173 174
Vgl. Rubinstein, M./ Leland, H. E. (1981), S. 63ff. Zu einer ausführlichen Beschreibung vgl. z.B. Hull, J. C. (2001), S. 440ff. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 283. Steiner, M./ Bruns, C. (2000), S. 390. Vgl. Leifeld, H./ Vitt, M. (2005), S. 20ff.
64
Kapitel II
wird. Dabei zielen „Best-Return“-Strategien im Allgemeinen nicht auf das Erreichen einer bestimmten absoluten (Mindest-)Rendite, sondern vielmehr auf die Rendite der relativ besser performenden Assetklasse.175 In ihrem Ansatz gehen „Best-Return“Strategien auf eine bereits länger bestehende Idee von MARGRABE zurück. Er hat 1973 eine Formel für die Bewertung einer so genannten Austauschoption aus der Black-Scholes-Formel für europäische Call-Optionen abgeleitet.176 Weitere Varianten dieser Strategie wurden darauf aufbauend in den Folgejahren durch STULZ177 (1982, Best-of-Two with Risk Free) und JOHNSON178 (1987, Best-of-n with Risk Free) entwickelt. Ein Anwendungsbeispiel der von STULZ entwickelten Strategie mit Hilfe der Replizierung als synthetische Option geben TILLEY und LATAINER179. Den augenscheinlichen Vorteilen dieser Strategien stehen jedoch implizite Strategiekosten für die Realisierung gegenüber, die mit der Bruttoperformance zu verrechnen sind.180 2.3.3.2
Symmetrische Renditeverteilung
Eher klassische Asset Allocation-Strategien, die ohne explizite Renditeprognosen auskommen, werden im folgenden Abschnitt kurz vorgestellt. Sie weisen, wie auch die bereits beschriebenen aktiven Strategien ein symmetrisches Renditeprofil auf und gehen auf klassische Ansätze der Portfoliotheorie zurück. 2.3.3.2.1
Index-Tracking
Eine Umsetzungsmöglichkeit für eine passive Anlagestrategie stellt das so genannte Index-Tracking dar. Unter diesem Begriff wird die Nachbildung der Rendite eines vorgegebenen Benchmarkportfolios innerhalb bestimmter Abweichungsgrenzen verstanden. Für eine Tracking-Strategie sprechen beispielsweise die Informationseffizienzhypothese und das Nullsummenargument. D.h. durch aktives Management kann nach Kosten keine risikobereinigte Überrendite im Vergleich zu einer passiven Indexierungsstrategie erwartet werden, und alle Anleger gemeinsam erhalten bei Anlage am Kapitalmarkt stets die Wertentwicklung des entsprechenden marktwertgewichteten Indexes. Zur Umsetzung einer solchen Strategie bieten sich Indexprodukte in Form von Portfolios (z.B. Indexfonds oder Indexzertifikate) und Indexderivate (z.B. Indexoptionen oder Indexfutures) an.181
175 176 177 178 179 180 181
Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 582. Vgl. Margrabe, W. (1978), S. 177ff. Vgl. Stulz, R. M. (1982). Vgl. Johnson, H. (1987). Vgl. Tilley, J. A./ Latainer, G. D. (1985), S. 36ff. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 582. Vgl. Wagner, N. F. (2002), S. 814f.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
65
Es lassen sich zwei grundsätzliche Methoden zur Nachbildung von Indizes unterscheiden:182 Effektive Nachbildung (Full Replication): Sie erfolgt durch den Erwerb des kompletten Indexportfolios gemäß der vorgegebenen Titelauswahl und Gewichtung. Approximative Nachbildung (Sampling): Darunter wird die Bildung eines Portfolios verstanden mit dem Ziel eines, hinsichtlich bestimmter Gütekriterien, optimalen Trackings des Indexportfolios. Dies kann nur unter Eingehen eines zusätzlichen Risikos (Abweichungsrisiko) geschehen. Eine Kennzahl für die Messung dieses Risikos ist der so genannte Tracking Error183. Weiterhin können die Methoden zur approximativen Nachbildung grundsätzlich in Ansätze der naiven (zufälligen) und der gezielten Auswahl unterschieden werden. Hauptvertreter der gezielten Auswahl wiederum sind das Stratifying Sampling und das Optimizing Sampling. Ziel der naiven Verfahren ist in erster Linie die Minimierung des unsystematischen Portfoliorisikos. Die Verfahren der gezielten Portfoliobildung berücksichtigen darüber hinaus die Struktur des nachzubildenden Indexes.184 Unter Stratifying Sampling wird die gezielte Titelauswahl aus bestimmten, zuvor festgelegten Sektoren eines Indexes verstanden. Die Kriterien für die Festlegung dieser Sektoren sind nahezu beliebig definierbar (z.B. Marktkapitalisierung, Branchenzugehörigkeit, Liquidität, usw.). Demnach wird ein ganz bestimmter Sektor des Indexes durch einen oder wenige repräsentative Titel (aus diesem Sektor) abgebildet. Bei den Verfahren des Optimizing Sampling wird auf die Erreichung eines optimalen Zielfunktionswertes unter Einhaltung bestimmter Nebenbedingungen geachtet. Beispielsweise könnte das Anlagekonzept vorsehen, dass das Portfolio mit der Benchmark risikoidentisch sein soll (Nebenbedingung), hinsichtlich der Rendite jedoch eine Optimierung (aktives Management) gewünscht ist.185 Welche Tracking-Methode letztendlich gewählt wird, hängt vor allem von drei Fragestellungen ab:186 •
182 183
184 185 186
Welchem Zweck dient das Indexportfolio?
Vgl. Wagner, N. F. (2002), S. 817. Der Tracking Error misst die Qualität der Benchmark- oder Indexnachbildung. Formal kann er als Standardabweichung der Differenz aus Portfolio- und Benchmarkrendite definiert und demnach als Risiko der Verfehlung der Benchmarkrendite (positiv und negativ) interpretiert werden. Vgl. hierzu beispielsweise Spremann, K. (2003), S. 286f. Vgl. Wagner, N. F. (2002), S. 817f. Vgl. Wagner, N. F. (2002), S. 817f. In Anlehnung an Wagner, N. F. (2002), S. 823.
66
Kapitel II
•
Was kostet die jeweilige Form der Indexnachbildung? In der Regel gilt hier, je genauer die Index- oder Benchmarknachbildung, umso höher sind Kosten für die Portfoliokonstruktion.
•
Inwieweit ist der Anleger bereit, Abweichungsrisiken bei der Indexnachbildung einzugehen? Hierbei müssen Kostenvorteile gegen Abweichungsgenauigkeit abgewogen werden. Darüber hinaus spielt die Risikobereitschaft des Anlegers eine wichtige Rolle.
Die Methoden zum Tracking von Marktindizes bilden einen zentralen Ausgangspunkt für ein systematisches Portfoliomanagement. Die konkrete Durchführung sowie die angestrebte Nachbildungsgüte hängen dabei wesentlich von den Vorgaben der Anlegeranalyse im Rahmen des Portfoliomanagementprozesses ab.187 2.3.3.2.2
Minimum-Varianz-Portfolio
Die Minimum-Varianz-Strategie stellt ein neueres, quantitativ gestütztes Konzept im Rahmen der aktiven Anlagestrategien dar. Sie ist abgeleitet aus dem PortfolioSelection-Model von MARKOWITZ. Jedoch erfolgt hier die Anlage, unabhängig von der Renditeerwartung, in dem Portfolio risikobehafteter Assets mit der minimalen Varianz. Es befindet sich im Ursprung der Effizienzkurve. Dieses Portfolio ist damit im Vergleich mit allen anderen, ebenfalls effizienten Portfolioalternativen die risikoärmste mit den kleinstmöglichen Renditeschwankungen.188 Das Risiko wird im Rahmen der klassischen Portfoliotheorie durch die Varianz der Renditen gemessen. Werden mehrere verschiedene Assets, die nicht vollständig miteinander korreliert sind, in einem Portfolio gemischt, so ist die durchschnittliche Varianz des Portfolios kleiner als die Summe der Varianzen der einzelnen Assets.189 Das risikominimale Portfolio besteht also nicht aus nur einem Asset (mit der niedrigsten Varianz), sondern aus einer Kombination mehrerer verschiedener Assets. Diese müssen so miteinander kombiniert werden, dass die entstehende Mischung die kleinstmögliche Renditeschwankung aufweist. Dabei kann nach national und international ausgerichteten Minimum-Varianz-Strategien unterschieden werden.190 Da die Minimierung des Risikos bei Minimum-Varianz-Strategien im Vordergrund steht, eignen sie sich sehr gut für konservative, eher risikoscheue Investoren, die trotz allem an Kurschancen des Aktienmarktes partizipieren wollen. Auch zeigen empirische Untersuchungen an regionalen Teilmärkten eine teilweise signifikante Outper-
187 188 189 190
Vgl. Wagner, N. F. (2002), S. 836. Vgl. Kleeberg, J. M. (2002), S. 362. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 69. Vgl. Kleeberg, J. M. (2002), S. 363.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
67
formance dieser Strategien gegenüber der Benchmark191, bei geringerem Risiko wohlgemerkt. In der Praxis scheinen diese Strategien allerdings weniger beliebt zu sein, was zum Teil daran liegen kann, dass aufwendig erstellte Renditeprognosen hierbei keine Berücksichtigung finden. Anscheinend fällt es Kompetenzträgern entsprechend schwer, dieses Anlagekonzept vor Anlageausschüssen und Kunden zu rechtfertigen. Gleichwohl dürfte bei ersten Erfolgsmeldungen aus der Praxis auch diese Strategie sich zunehmender Beliebtheit erfreuen.192 2.3.4 Aktiv vs. Dynamisch
Während bei den aktiven Strategien die Erzielung einer Überrendite im Vergleich zur Benchmark im Vordergrund steht und dem Portfoliomanager dafür auch entsprechende Freiheiten eingeräumt werden, kann die Gruppe der dynamischen Strategien vor allem durch ihre (Rendite-)Prognosefreiheit und ihre Regelgebundenheit charakterisiert werden. Im Zentrum der Betrachtungen steht in der Regel die Sicherung bestimmter Portfoliomindestwerte oder die Sicherung relativer Vorteilhaftigkeit. Das Spektrum der Methoden reicht dabei von vergleichsweise einfach zu implementierenden Strategien (z.B. Constant Mix oder Dynamic Stop Loss) bis hin zu eher komplexen Ansätzen der Best Return-Strategien. Die Asset Allocation erfolgt stark regelgebunden und damit objektiv. Die Portfoliostruktur wird mittels dynamischer Umschichtungen fortlaufend an veränderte Marktbedingungen und Anlegerpräferenzen angepasst.
3
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation (DAA) Strategien im Privatkundenbereich
3.1
Zur Problematik der Bildung von Zielgruppen
Gerade im Bereich der Privatkunden erscheint es heutzutage immer schwieriger, möglichst homogene Zielgruppen zu bilden. Allgemein kann der Begriff Zielgruppenselektion folgendermaßen definiert werden: „[Ist die] Festlegung und Definition der […] Privatkunden, auf die sich das Angebot an Bankdienstleistungen [z.B. Anlageprodukte] zu deren optimaler Bedürfnisbefriedigung und Problemlösung ausrichten soll.“193 Als mögliche Selektionsmerkmale bieten sich im Bereich der Privatkunden vor allem Alter, Einkommen, Vermögen, Stand im Lebenszyklusmodell, soziale Bindung (z.B. Single, Paare, Rentner) oder primäres Anlageziel an. Während eine Selektion nach den erstgenannten Kriterien vergleichsweise einfach erscheint, ist eine Einstufung 191 192 193
Vgl. hierzu z.B. Kleeberg, J. M. (1995). Vgl. Kleeberg, J. M. (2002), S. 380. O.V., Gabler (1999), S. 1446.
68
Kapitel II
nach Anlageziel nicht ohne weiteres möglich. Dies ist schon allein darauf zurückzuführen, dass das durch den Anleger vorgegebene Anlagekonzept eine Gewichtung mehrerer unterschiedlicher Anlegerziele darstellt. Insbesondere der Einschätzung der anlegerspezifischen Risikobereitschaft durch den Berater kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass eine Pauschalisierung von Risikoklassen für Privatanleger nur bedingt möglich und sinnvoll ist. Dies wird zusätzlich durch die verhaltenspsychologischen Erkenntnisse der Behavioral Finance bestätigt. 3.2
Präferenzen der Kundengruppe Privatkunden
Nachfolgend werden die Präferenzen der Kundengruppe Privatkunden betrachtet. Die Darstellung erfolgt, in Anlehnung an das magische Dreieck der Vermögensanlage, gegliedert nach Rentabilitäts-, Sicherheits- und Liquiditätsziel. Zur Vervollständigung wird anschließend kurz auf die Besteuerung von Kapitalanlagen eingegangen. 3.2.1 Rentabilitätsziel: Maximierung der Erträge
Das Rentabilitätsziel (im weiteren Sinne) lässt sich in weitere Teilziele wie beispielsweise Ausschüttungsrendite, langfristiges Kapitalwachstum, kurzfristige Gewinnerzielung, reale und nominale Geldwerterhaltung, konstante Ausschüttungen sowie staatliche Förderung unterteilen.194 Welchen Stellenwert das Rentabilitätsziel (als gewichtete Summe der Teilziele) im Anlagekonzept eines bestimmten Investors hat, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit keine Rolle spielen.195 Für die Bewertung der dynamischen Strategien hinsichtlich ihrer Eignung wird das Rentabilitätsziel auf Maximierung der langfristigen Kapitalerträge und gegebenenfalls Sicherung einer bestimmten Mindestverzinsung eingeschränkt. 3.2.2 Sicherheitsziel: Minimierung des Downside Risk
Das Sicherheitsziel kann in die Teilziele reale und nominale Geldwerterhaltung (in Korrespondenz mit dem Rentabilitätsziel) sowie Minimierung von Kursverlusten unterteilt werden.196 Den Erkenntnissen der Prospect Theory folgend, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit von der so genannten Loss Aversion bei Privatanlegern ausgegangen. Anleger sind demnach grundsätzlich risikoavers veranlagt (wenn auch in un-
194 195
196
Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 111. Zur ausführlicheren Analyse des Stellenwertes der jeweiligen Ziele im Anlagekonzept für Privatkunden vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 81ff. sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 111.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
69
terschiedlichem Maße), was sich in einer höheren Empfindlichkeit gegenüber Kursverlusten ausdrückt. Da Anleger nach der Prospect Theory dazu neigen Kursverluste „auszusitzen“, Gewinne dagegen zu schnell zu realisieren, steht hier die Vermeidung bzw. Begrenzung von Kursverlusten und -risiken bei weitgehender Wahrung der Kurschancen im Vordergrund. Bis auf die Constant Mix-Strategie weisen alle nachfolgend betrachteten DAA Strategien ein asymmetrisches Renditeprofil mit in der Regel konvex verlaufendem Funktionsgraphen auf. Demzufolge müssen für die Bewertung des damit verbundenen Risikos adäquate Risikomaße verwendet werden, da symmetrische Maße wie Varianz und Standardabweichung hier nicht aussagefähig sind. Es bietet sich dafür die Verwendung der so genannten Lower Partial Moments (LPM-Maße) als ausfallorientierte Risikomaße an. Die Berechnung erfolgt anhand folgender Formel: LPM g =
1 i (τ − rt )g ∑ n t =1
mit g = 0, 1, 2 …
wobei in der ex post-Analyse von n Perioden all jene t = 1…i Beobachtungen als kritisch empfunden werden, bei denen die tatsächlich erzielte Rendite rt unter der gewünschten Zielrendite (Mindestrendite) τ liegt. Der Exponent g legt dabei den Grad des LPM-Maßes fest. Wird g = 0 gesetzt, so misst LPM1 die relative Häufigkeit, mit der die Zielrendite τ unterschritten wird und kann damit als Ausfallwahrscheinlichkeit (LPM1) interpretiert werden. Für g = 1 bzw. g = 2 erhält man den mittleren Verlust (LPM2) bzw. die Semivarianz (LPM3). Je höher der Exponent g gewählt wird, umso stärker werden die großen negativen Abweichungen von der Zielrendite (in der Regel τ = 0) bewertet. Der Exponent g drückt damit den Grad der Risikoaversion des Investors aus.197 Für die Beurteilung der dynamischen Strategien hinsichtlich ihrer Eignung wird das Sicherheitsziel auf Minimierung von Kursverlusten bzw. Kapitalerhalt eingeschränkt. 3.2.3 Liquiditätsziel: Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit
Das Liquiditätsziel als Liquidität im weiteren Sinne kann in Liquidität im engeren Sinne und Liquidierbarkeit unterteilt werden. Unter Liquiditätsziel im engeren Sinne wird die Planung zeitpunktbezogener Bestände liquider Mittel des Investors verstanden, während Liquidierbarkeit die Umwandlungsmöglichkeit eines (risikobehafteten) Assets in liquide Mittel beschreibt. Der Grad der Liquidierbarkeit bestimmt sich dabei aus einer Zeit- und einer Kostenkomponente. Das Liquidierbarkeitsziel als Teilziel, ist umso besser erfüllt, je schneller und kostengünstiger der Anleger bei Bedarf die Anlage auflösen kann.198 197 198
Vgl. Dichtl, H./ Petersmeier, K./ Schlenger, C. (2003), S. 195f. Vgl. Schmidt-von Rhein, A. (1996), S. 143.
70
Kapitel II
Für die Beurteilung der nachfolgend vorgestellten Strategien hinsichtlich ihrer Eignung spielt das Liquiditätsziel eine untergeordnete Rolle, da grundsätzlich von langfristig orientierten Investoren ausgegangen wird. Da jedoch allen Strategien die Verwendung liquider, börsengehandelter Medien bei der Umsetzung gemein ist und ein Schwerpunkt auf der Erhaltung des Startkapitals liegt, wird auch das Liquiditätsziel in gewisser Weise berücksichtigt. 3.2.4 Besteuerung von Wertpapieranlagen
Das Thema Besteuerung von Wertpapieranlagen ist ein weites Feld und gerade unter den jüngsten Veränderungen im Rahmen der Steuergesetzgebung wieder in seiner Bedeutung gestiegen. Dabei wird grundsätzlich zwischen Besteuerung von so genannten Kapitalerträgen (z.B. Zinserträge, Dividenden) und der Besteuerung von Kursgewinnen unterschieden.199 Im Rahmen der nachfolgenden Betrachtungen wird von weitgehender Steuerfreiheit der aus den unterschiedlichen Anlageformen resultierenden Erträge ausgegangen. Bis zu gewissen Anlagevolumina und aufgrund des grundsätzlich langfristigen Anlagehorizonts ist dies durchaus zutreffend.200 3.3
Ausgewählte Dynamische Asset Allocation Strategien im Vergleich
In den folgenden Kapiteln werden unterschiedliche dynamische Asset Allocation Strategien vorgestellt sowie deren Funktionsweise anhand von Beispielen erläutert. Anschließend werden diese Strategien hinsichtlich ihrer Eignung bezüglich der in erörterten Präferenzen von Privatanlegern verglichen. 3.3.1 Vorstellung der Strategien
Die zentralen Eigenschaften der hier vorgestellten Strategien sind Regelgebundenheit und (Rendite-)Prognosefreiheit. Bevor die Strategien im Einzelnen betrachtet werden bietet sich eine Einteilung in vier Kategorien an. (siehe Tabelle 3)
199 200
Vgl. hierzu die §§ 20, 22 und 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zum Einfluss der Besteuerung auf die Erstellung des Anlagekonzeptes vgl. z.B. Schneider, C. (2002).
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
71
DAA-Kategorie Elementare Umschichtungsregeln
Portfolio Insurance
Best of n risky assets
Protect 201 Spending
Varianten • •
Constant Mix Lineare Investmentregel
• • • •
• •
Dynamic Stop Loss Synthetic Put CPPI TIPP
•
Best of Two Best of Two with Riskfree Best of n with Riskfreef
•
Dybvig (1999)
•
Aufrechterhaltung der Auszahlungsfähigkeit
•
Trendbehaftete Märkte
Strategienprofil Constant Mix:
•
• •
•
Buy Low/ Sell High Erhaltung der Zielallokation
Absolute Wertsicherung Asymmetrisches Auszahlungsprofil
• •
Lineare Investmentregel • Prozyklisches Verhalten
Relative oder absolute Wertsicherung´ Asymmetrisches Auszahlungsprofil
Erfolgsfaktoren •
Constant Mix: •
Oszillierende Märkte
Trendbehaftete Märkte
• •
Lineare Investmentregel • Trendbehaftete Märkte
Trendbehaftete Märkte niedrige CrossKorrelation
Tab. 3: Dynamische Asset Allocation Strategien im Überblick202
3.3.1.1
Elementare Umschichtungsregeln
In der Kategorie Elementare Umschichtungsregeln sind die einfachsten Strategien zur DAA zusammengefasst. Dazu gehören die Constant Mix-Strategie und die so genannte Lineare Investmentregel. Im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen wird grundsätzlich von der Anlage in einem Balanced Portfolio (Aktien und Renten) ausgegangen. Der Verlauf (Erfolg) der vorgestellten Strategien wird dann im Vergleich zu einer klassischen Buy-and-Hold-Strategie betrachtet. 3.3.1.1.1
Constant Mix
Das Ziel der Constant Mix-Strategie besteht darin eine bestimmte Startallokation (z.B. 60% Aktien, 40% Renten) über den betrachteten Anlagehorizont beizubehalten.
201
202
Die Protect Spending-Strategie wird im weiteren Verlauf der Arbeit nicht näher betrachtet. Sie ähnelt in ihrer Funktionsweise stark der CPPI-Strategie, hat aber als primäres Ziel die Aufrechterhaltung der Auszahlungsfähigkeit. Damit ist sie in erster Linie für institutionelle Investoren (z.B. Pensionsfonds) besonders attraktiv. Vgl. Dybvig, P. H. (1999), S. 49ff. Dichtl, H./ Petersmeier, K./ Schlenger, C. (2003), S. 188.
72
Kapitel II
Marktwertänderungen im Aktienbereich erfordern demnach ein kontinuierliches Rebalancing. Bei steigendem Aktienmarkt werden Aktien verkauft und der Erlös in die Assetklasse Renten umgeschichtet und umgekehrt. Ein wesentliches Merkmal dieser Strategie ist demnach ihr antizyklischer Charakter. Für die erfolgreiche Umsetzung einer dynamischen Strategie werden, wie bereits eingangs beschrieben, feste Regeln und Bedingungen wann beispielsweise Umschichtungen vorzunehmen sind (z.B. 14tägig, bei Marktwertänderungen um 10%, etc.) benötigt. Wichtigstes Kriterium beim Festlegen dieser Regeln ist die Höhe der Transaktionskosten. Es kommt darauf an, ein möglichst attraktives Aufwand-Nutzen-Verhältnis zu finden.203 Im folgenden Beispiel erfolgt ein Rebalancing in Abhängigkeit von der Entwicklung des Aktienmarktes. Umschichtungen erfolgen bei einer Veränderung des Marktes um 10 Punkte (zum Startzeitpunkt auf 100 Punkte normiert). Die Startallokation besteht aus 60% Aktien und 40% Renten bei einem Anlagevolumen von EUR 100,00. Die nachfolgenden Tabellen (siehe Tabellen 4 bis 6) zeigen die Entwicklung des Constant-Mix-Portfolios bei fallenden, bei steigenden und bei schwankenden Aktienmärkten.204 Szenario "fallend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
Aktienmarkt Wert Aktien Wert Renten Portfoliowert Aktienanteil in % 100 60,00 40,00 100,00 60,00 90 54,00 40,00 94,00 57,45 90 56,40 37,60 94,00 60,00 80 50,13 37,60 87,73 57,14 80 52,64 35,09 87,73 60,00 70 46,06 35,09 81,15 56,76 70 48,69 32,46 81,15 60,00 60 41,74 32,46 74,20 56,25 60 44,52 29,68 74,20 60,00 50 37,10 29,68 66,78 55,56 50 40,07 26,71 66,78 60,00 40 32,05 26,71 58,76 54,55 40 35,26 23,51 58,76 60,00 30 26,44 23,51 49,95 52,94 30 29,97 19,98 49,95 60,00 20 19,98 19,98 39,96 50,00 20 23,98 15,98 39,96 60,00 10 11,99 15,98 27,97 42,86 10 16,78 11,19 27,97 60,00 0 0,00 11,19 11,19 0,00 0 6,71 4,48 11,19 60,00
Tab. 4: Constant Mix-Strategie bei fallendem Aktienmarkt
203 204
Vgl. Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 18f. Beispiel in Anlehnung an Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 19f.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
Szenario "steigend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
73
Aktienmarkt Wert Aktien Wert Renten Portfoliowert Anteil Aktien in % 100 60,00 40,00 100,00 60,00 110 66,00 40,00 106,00 62,26 110 63,60 42,40 106,00 60,00 120 69,38 42,40 111,78 62,07 120 67,07 44,71 111,78 60,00 130 72,66 44,71 117,37 61,90 130 70,42 46,95 117,37 60,00 140 75,84 46,95 122,79 61,76 140 73,67 49,12 122,79 60,00 150 78,94 49,12 128,05 61,64 150 76,83 51,22 128,05 60,00 160 81,95 51,22 133,17 61,54 160 79,90 53,27 133,17 60,00 170 84,90 53,27 138,17 61,45 170 82,90 55,27 138,17 60,00 180 87,78 55,27 143,04 61,36 180 85,83 57,22 143,04 60,00 190 90,59 57,22 147,81 61,29 190 88,69 59,12 147,81 60,00 200 93,35 59,12 152,48 61,22 200 91,49 60,99 152,48 60,00
Tab. 5: Constant Mix-Strategie bei steigendem Aktienmarkt Szenario "schwankend" Aktienmarkt Wert Aktien Wert Renten Portfoliowert Anteil Aktien in % START 100 60,00 40,00 100,00 60,00 Stand Aktienmarkt 90 54,00 40,00 94,00 57,45 Rebalancing 90 56,40 37,60 94,00 60,00 Stand Aktienmarkt 80 50,13 37,60 87,73 57,14 Rebalancing 80 52,64 35,09 87,73 60,00 Stand Aktienmarkt 90 59,22 35,09 94,31 62,79 Rebalancing 90 56,59 37,73 94,31 60,00 Stand Aktienmarkt 100 62,88 37,73 100,60 62,50 Rebalancing 100 60,36 40,24 100,60 60,00 Stand Aktienmarkt 110 66,40 40,24 106,64 62,26 Rebalancing 110 63,98 42,65 106,64 60,00 Stand Aktienmarkt 120 69,80 42,65 112,45 62,07 Rebalancing 120 67,47 44,98 112,45 60,00
Tab. 6: Constant Mix-Strategie bei schwankendem Aktienmarkt
Aus den ermittelten Daten ergibt sich das in Abb. 12 dargestellte Auszahlungsprofil. Zum Vergleich wird das Auszahlungsprofil einer statischen Buy-and-Hold-Strategie ebenfalls dargestellt.
74
Kapitel II
Constant Mix vs. Buy and Hold bei trendbehafteten Märkten 180.00
160.00
140.00
Wert des Portfolios
120.00
100.00 Buy and Hold Portfolio Constant Mix Portfolio
80.00
60.00
40.00
20.00
0.00 0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Aktienmarktenwicklung
Abb. 12: Auszahlungsprofil Constant Mix vs. Buy-and-Hold
In dem in Abb. 12 dargestellten Fall dominiert die Buy-and-Hold-Strategie die Constant Mix-Strategie zu jedem beliebigen Zeitpunkt oder anders ausgedrückt der Constant Mix-Investor hat zu jedem beliebigen Zeitpunkt maximal genauso viel Geld zur Verfügung wie der Buy-and-Hold-Investor, in der Regel aber weniger.205 Warum also sollte sich ein potentieller Anleger für diese Strategie entscheiden? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Erwartung des Anlegers bezüglich der künftigen Marktentwicklung. In Abb. 12 wurde unterstellt, dass Aktienmärkte sich in langfristigen Trends bewegen. Der Erfolg einer Constant-Mix-Strategie dagegen stellt sich ein, wenn Aktienmärkte über einen gewissen Zeitraum oszillierend (seitwärts schwankend) verlaufen. D.h. diese Strategie lebt von permanenten Richtungsänderungen bzw. starken Schwankungsbreiten am Aktienmarkt. Das Ausmaß des Erfolges hängt dabei von der Definition der Rebalancing-Regeln sowie der Höhe der Transaktionskosten ab. Bei dem bisher angeführten Beispiel wurde bei einer Aktienmarktänderung von 10 Punkten die Portfoliostruktur an die Startallokation angeglichen. Der Erfolg gegenüber der Buy-and-Hold-Strategie bei schwankenden Aktienmärkten ist messbar (siehe Tabelle 6) jedoch unter Berücksichtigung anfallender Transaktionskosten marginal. Wird beispielsweise das Kriterium für die Anpassung der Portfoliostruktur von 10 auf 205
Vgl. Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 20.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
75
20 Punkte (Aktienmarktänderung) erhöht und das Szenario stark schwankender Märkte beibehalten, zeigt sich der Vorteil des Constant-Mix-Portfolios gegenüber dem Buy-and-Hold-Portfolio deutlicher (siehe Tabelle 7). Rebalancing bei Änderungen des Aktienmarktes um 10 Punkte Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
Constant Mix Portfolio
100
100
100
90
94
94
80
88
87,73
90
94
94,31
100
100
100,60
110
106
106,64
120
112
112,45
Rebalancing bei Änderungen des Aktienmarktes um 20 Punkte Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
Constant Mix Portfolio
100
100
100
80
88
88
60
76
74,80
80
88
89,76
100
100
103,22
120
112
115,61
140
124
127,17
Tab. 7: Constant Mix vs. Buy-and-Hold bei unterschiedlichen Rebalancing-Intervallen
Der Erfolg oder die relative Vorteilhaftigkeit einer der beiden Strategien kann nicht generalisiert werden. Alles hängt von der Bewegung der Märkte ab. Bewegen sich Märkte in Trends, kann die Buy-and-Hold-Strategie als relativ vorteilhafter eingestuft werden, da hier im negativen Fall (fallende Märkte) der Rentenanteil eine Art Mindestwert (Floor) garantiert und im positiven Fall (steigende Märkte) der Aktienanteil nicht reduziert wird und dementsprechend voll an den Kurssteigerungen partizipiert. Für den Fall, dass sich die Märkte über einen längeren Zeitraum seitwärts bewegen und dabei entsprechend hohe Schwankungen aufweisen, ist die Constant-MixStrategie, aufgrund ihres antizyklischen Charakters (Buy Low, Sell High) als relativ vorteilhaft einzustufen. Hier wird bei fallenden Märkten in (dann billigere) Aktien investiert, während bei steigenden Märkten sukzessive Gewinne mitgenommen werden. Von hoher Bedeutung für den Erfolg der Strategie ist dabei die Festlegung möglichst effektiver Rebalancing-Kriterien.206
206
Vgl. Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 21f.
76
Kapitel II
3.3.1.1.2
Lineare Investmentregel
Die Strategie der Linearen Investmentregel stellt eine dynamisierte Form der Buyand-Hold-Strategie dar. Mittels dieser Strategie kann auf vergleichsweise einfache Art und Weise ein konvexes Auszahlungsprofil erzeugt werden. Ein konvexes Auszahlungsprofil ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass in fallenden (Aktien-) Märkten die Steigung der, den Portfoliowert widerspiegelnden, Funktion abnimmt und gegen Null geht, d.h. ab einem bestimmten Marktniveau treten keine weiteren Wertverluste im Portfolio ein. Umgekehrt nimmt der Anstieg bei steigenden Aktienmärkten kontinuierlich zu. Die Strategie Lineare Investmentregel kann demzufolge in gewisser Weise auch der Kategorie der Portfolio Insurance-Strategien zugeordnet werden.207 Wie auch die Buy-and-Hold-Strategie ist die Strategie der Linearen Investmentregel prozyklischer Natur, d.h. sie funktioniert besonders gut in trendbehafteten Märkten. Die durch unterschiedliche Wertentwicklungen innerhalb einer Periode hervorgerufenen Anteilsverschiebungen der im Portfolio gehaltenen Assetklassen werden durch den Einsatz eines Multiplikators trendfolgend gehebelt.208 Dieser Multiplikator ist größer als eins und darüber hinaus abhängig vom angestrebten Grad der Konvexität. Dieser wiederum kann anhand der Risikobereitschaft des Investors bestimmt werden. Je höher seine Risikoaversität, umso höher sollte der Faktor gewählt werden. Im Folgenden wird die Funktionsweise anhand eines Beispiels dargestellt. Dabei gilt die gleiche Ausgangssituation wie im vorangegangenen Kapitel, d.h. 60% Aktien und 40% Renten als Startallokation, Anlagevolumen EUR 100,00 sowie als Kriterium für die Anpassung der Portfoliostruktur eine Veränderung des Aktienmarktes um 10 Punkte. Hinzu kommt ein Multiplikator in Höhe von 3 sowie die vereinfachende Annahme, dass der Rentenanteil nicht im Wert schwankt (streng genommen vergleichbar mit einer Anlage am Geldmarkt). Die folgenden Tabellen zeigen den Verlauf der Strategie bei fallenden, bei steigenden und bei schwankenden Aktienmärkten (siehe Tabelle 8 bis 10)
207 208
Vgl. Bossert, T./ Burzin, C. (2002), S. 134ff. Vgl. Bossert, T./ Burzin, C. (2002), S. 137.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
Szenario "fallend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt
Aktienmarkt 100 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10
77
Aktien im Portfolio Renten im Portfolio Portfoliowert Wert in % Wert in % 60,00 60,00 40,00 40,00 100,00 54,00 57,45 40,00 42,55 94,00 49,20 52,34 44,80 47,66 94,00 43,73 49,40 44,80 50,60 88,53 38,52 43,51 50,01 56,49 88,53 33,71 40,26 50,01 59,74 83,72 28,27 33,76 55,45 66,24 83,72 24,23 30,41 55,45 69,59 79,68 18,88 23,69 60,80 76,31 79,68 15,73 20,56 60,80 79,44 76,53 10,93 14,28 65,60 85,72 76,53 8,74 11,76 65,60 88,24 74,35 5,00 6,72 69,35 93,28 74,35 3,75 5,13 69,35 94,87 73,10 1,42 1,94 71,68 98,06 73,10 0,94 1,30 71,68 98,70 72,63 0,02 0,03 72,61 99,97 72,63 0,01 0,01 72,61 99,99 72,62
Tab. 8: Lineare Investmentregel bei fallendem Aktienmarkt Szenario "steigend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
Aktienmarkt 100 110 110 120 120 130 130 140 140 150 150 160 160 170 170 180 180 190 190 200 200
Aktien im Portfolio Renten im Portfolio Portfoliowert Wert in % Wert in % 60,00 60,00 40,00 40,00 100,00 66,00 62,26 40,00 37,74 106,00 70,80 66,79 35,20 33,21 106,00 77,24 68,69 35,20 31,31 112,44 81,51 72,50 30,93 27,50 112,44 88,30 74,06 30,93 25,94 119,23 92,04 77,20 27,19 22,80 119,23 99,12 78,47 27,19 21,53 126,31 102,35 81,03 23,96 18,97 126,31 109,66 82,07 23,96 17,93 133,62 112,43 84,14 21,19 15,86 133,62 119,93 84,99 21,19 15,01 141,12 122,31 86,67 18,81 13,33 141,12 129,95 87,36 18,81 12,64 148,76 131,99 88,73 16,77 11,27 148,76 139,75 89,29 16,77 10,71 156,52 141,50 90,40 15,02 9,60 156,52 149,36 90,86 15,02 9,14 164,38 150,87 91,78 13,51 8,22 164,38 158,81 92,16 13,51 7,84 172,33 160,12 92,92 12,21 7,08 172,33
Tab. 9: Lineare Investmentregel bei steigendem Aktienmarkt
78
Kapitel II
Szenario "schwankend" Aktienmarkt START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
100 90 90 80 80 90 90 100 100 110 110 120 120
Aktien im Portfolio Renten im Portfolio Portfoliowert Wert in % Wert in % 60,00 60,00 40,00 40,00 100,00 54,00 57,45 40,00 42,55 94,00 49,20 52,34 44,80 47,66 94,00 43,73 49,40 44,80 50,60 88,53 38,52 43,51 50,01 56,49 88,53 43,34 46,43 50,01 53,57 93,35 48,78 52,25 44,57 47,75 93,35 54,20 54,87 44,57 45,13 98,77 59,37 60,11 39,40 39,89 98,77 65,31 62,38 39,40 37,62 104,71 70,05 66,90 34,66 33,10 104,71 76,41 68,80 34,66 31,20 111,07 80,63 72,59 30,44 27,41 111,07
Tab. 10: Lineare Investmentregel bei schwankendem Aktienmarkt
Aus den ermittelten Daten ergibt sich das in Abb. 13 dargestellte Auszahlungsprofil. Zum Vergleich wird das Auszahlungsprofil der statischen Buy-and-Hold-Strategie ebenfalls dargestellt. Lineare Investmentregel vs. Buy-and-Hold bei trendbehafteten Märkten 200.00 180.00 160.00
Wert des Portfolios
140.00 120.00 Buy-and-Hold-Portfolio Lineare Investmentregel
100.00 80.00 60.00 40.00 20.00 0.00 0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Aktienmarktentwicklung
Abb. 13: Auszahlungsprofil Lineare Investmentregel vs. Buy-and-Hold
Anhand des Verlaufs der beiden Funktionsgraphen lässt sich erkennen, dass beide Strategien bei positiv trendbehafteten Märkten gute Erfolgsaussichten haben. Die Strategie der Linearen Investmentregel ist jedoch aufgrund des Multiplikators und der damit verbundenen Hebelwirkung im Vorteil. Bei negativ trendbehafteten Märkten
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
79
driften beide Strategien stärker auseinander. Während der Anstieg des Graphen der Linearen Investmentregel gegen Null tendiert, partizipiert das Buy-and-HoldPortfolio bis zum Erreichen der durch den Rentenanteil festgelegten Wertuntergrenze voll an der negativen Entwicklung des Aktienmarktes. Auch hier ist die dynamische Strategie im Vorteil. Der Multiplikator wirkt in diesem Fall als „Beschleuniger“ zur Vermögenssicherung. Ab einem Niveau von rund 72% des ursprünglichen Portfoliowertes (siehe Tab. 8) treten keine weiteren Verluste ein, während die Buy-and-HoldStrategie lediglich einen Floor in Höhe von 40% des Startkapitals garantieren kann. Eine Unterlegenheit der dynamischen gegenüber der statischen Strategie ergibt sich lediglich bei oszillierenden Märkten mit entsprechend hoher Schwankungsbreite, und dann auch nur bei steigenden Märkten (die Lineare Investmentregel ist hier „langsamer“ als die Buy-and-Hold-Strategie). Diese Auswirkung sowie den Einfluss des Rebalancing-Intervalls auf die Portfolioentwicklung verdeutlicht Tabelle. 11. Rebalancing bei Änderungen des Aktienmarktes um 10 Punkte Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
Lineare Investmentregel
100
100
100
90
94
94
80
88
88,53
90
94
93,35
100
100
98,77
110
106
104,71
120
112
111,07
Rebalancing bei Änderungen des Aktienmarktes um 20 Punkte Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
Lineare Investmentregel
100
100
100
80
88
88
60
76
78,40
80
88
84,39
100
100
92,69
120
112
103,01
140
124
114,85
Tab. 11: Lineare Investmentregel vs. Buy-and-Hold bei unterschiedlichen Rebalancing-Intervallen
Während bei moderaten Schwankungen und kleineren Rebalancing-Intervallen der Renditevorsprung der Buy-and-Hold-Strategie (12%) gegenüber der Linearen Investmentregel (11%) eher gering ausfällt, ist er bei stärkeren Schwankungen und größeren Rebalancing-Intervallen recht deutlich (7,4%). Zusammenfassend lässt sich sagen, beide Strategien funktionieren in trendbehafteten Märkten besonders gut. Die Strategie Lineare Investmentregel sollte aufgrund ihres konvexen Auszahlungsprofils und der damit verbundenen Hebelwirkung vorgezogen
80
Kapitel II
werden. Bei langfristig oszillierenden Märkten ist die dynamische der statischen Strategie auf der Ertragsseite unterlegen. Zu welchem Grad sie tatsächlich unterliegt, hängt von der Stärke der Marktschwankungen und vom gewählten RebalancingIntervall (sowie den daraus resultierenden Transaktionskosten) ab. Die in diesem Fall entstehende Performancedifferenz gegenüber der Buy-and-Hold-Strategie kann als Preis für das relativ geringere Risiko interpretiert werden. 3.3.1.2
Portfolio Insurance
Der Bereich der Portfolio Insurance umfasst das Management des systematischen Risikos (Marktrisiko). Ziel der Portfolio Insurance-Konzepte ist die Partizipation an steigenden Märkten einerseits (upside participation), sowie der Schutz vor Kursverlusten andererseits (downside protection). Hierfür können unterschiedliche Methoden und Techniken zum Einsatz kommen.209 Die Abbildung 14 gibt einen Überblick. Portfolio Insurance
statisch
dynamisch
- Stop Loss - Protective Put - Portfolio Insurance mit Calls
- Dynamic Stop Loss - Synthetic Put - CPPI - TIPP - (Lineare Investmentregel)
Abb. 14: Portfolio Insurance-Konzepte210
Im Wesentlichen können die Techniken der Portfolio Insurance als Ergebnis langjähriger (zumeist negativer) Erfahrungen beim Versuch der möglichst zutreffenden Prognose künftiger Kurse am Aktienmarkt betrachtet werden. Akzeptiert man die Einschätzung, Aktienkurse bewegen sich zufällig, wenngleich mit langfristig positivem Trend, so bieten die asymmetrischen Renditeverteilungen der Portfolio Insurance-Strategien einen Ausweg aus diesem Dilemma.211 Das Ziel kann dahingehend konkretisiert werden, entweder zum Ende oder während eines bestimmten Anlagehorizonts einen bestimmten Mindestwert (Floor) zu sichern. Die Höhe dieses Floors hängt von den Vorgaben des Investors bezüglich Verfügbarkeit und Risikobereit-
209 210 211
Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 242. In Anlehnung an Krämer, W. (2000), S. 3. Vgl. Garz, H./ Günther, S./ Moriabadi, C. (2002), S. 243.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
81
schaft ab.212 Wie auch aus Abbildung 14 ersichtlich, können die Absicherungstechniken sowohl mit als auch ohne den Einsatz von Derivaten durchgeführt werden. Absicherungstechniken mittels Optionen oder Futures (linker Ast in Abb. 14) sind in der Regel statischer Natur und spielen daher im weiteren Verlauf keine Rolle. Es werden im Folgenden die dynamische Variante der Stop Loss-Strategie sowie die CPPI und die TIPP, als Vertreter der Constant Proportion Portfolio-Strategien betrachtet. 3.3.1.2.1
Dynamic Stop-Loss
Bei der Dynamic Stop-Loss-Strategie handelt es sich um eine modifizierte Form der klassischen (statischen) Stop-Loss-Strategie. Bei der klassischen Variante erfolgt zunächst eine Vollinvestition in das risikobehaftete Asset (z.B. Aktie). Fällt der Portfoliowert unter eine festgelegte Wertuntergrenze (Floor), die in der Regel dem Barwert der risikolosen Anlagealternative (Geldmarkt) zum jeweiligen Zeitpunkt entspricht, wird das Portfolio, bestehend aus dem risikobehafteten Asset, vollständig in die risikolose Alternative umgeschichtet und gewährleistet durch die risikolose Verzinsung das Einhalten der Wertuntergrenze zum Ende des Planungshorizonts. Ein großer Kritikpunkt dieser Strategie ist ihre Pfadabhängigkeit. D.h. sie ist nicht nur von der Marktsituation zu Beginn der Planungsperiode sondern auch von der zwischenzeitlichen Marktentwicklung abhängig.213 Im Rahmen des „Modified Stop Loss Approach“214 wird diese Pfadabhängigkeit weitgehend minimiert. Auch hier wird zu Beginn der Planungsperiode zunächst vollständig in das risikobehaftete Asset investiert. Der Verlauf des Portfolios wird fortlaufend überwacht. Der Barwert des Floors dient wie bei der klassischen Variante als Orientierungsgröße. Ihn gilt es zu sichern. Im Fall von Kursverlusten wird, bereits vor Erreichen des Floor-Barwertes ein Teil des Aktienportfolios in die risikolose Anlage umgeschichtet. Dadurch ist gewährleistet, dass bei wieder steigenden Aktienmärkten weiter an der Marktentwicklung partizipiert werden kann.215 Das in Tabelle 12 dargestellt Beispiel verdeutlicht die Funktionsweise des Dynamic Stop-Loss im Vergleich zur klassischen Stop-Loss-Strategie. Als Planungshorizont wird ein Jahr unterstellt. Der risikolose Zinssatz beträgt 10% p. a. bei stetiger Verzinsung. Ziel ist die Sicherung des Anfangsvermögens in Höhe von EUR 100.000,00 zum Ende des Planungshorizonts sowie die bestmögliche Partizipation an einer positiven Aktienmarktentwicklung. Das große A (G) kennzeichnet den Aktienanteil (Geldmarktanteil) im Portfolio.
212 213 214 215
Vgl. Black, F./ Jones, R. (1987), S. 48. Vgl. Bossert, T./ Burzin, C. (2002), S. 136. Bird, R./ Dennis, D./ Tippett, M. (1988), S. 35. Vgl. Bird, R./ Dennis, D./ Tippett, M. (1988), S. 35.
82
Kapitel II
Entwicklung Barwert des Floors bei des Indexes statischem Stop Loss 0,00 100,000% 90.483,742 €
Zeit in Jahren t0 t1 t2 t3
0,25
98,000%
92.774,349 €
0,50
95,122%
95.122,942 €
0,75
98,000%
97.530,991 €
1,00
110,517%
100.000,000 €
t4
Portfolioentwicklung bei Portfolioentwicklung bei statischem Stop Loss dynamischem Stop Loss 100.000,000 € A 100.000,000 € A 25.679,000 € G 98.000,000 € A 72.321,000 € A 67.736,000 € G 95.122,000 € G 28.790,000 € A 35.045,000 € G 97.531,000 € G 64.068,000 € A 35.932,000 € G 72.251,000 € A 100.000,000 € G 108.183,000 €
Tab. 12: Dynamic Stop-Loss vs. Stop-Loss216
Die Ermittlung der Barwerte des Floors beim statischen Stop Loss erfolgt anhand der Abzinsungsformel bei stetiger Verzinsung: BW = F × e
r f ×t
mit F als Wertuntergrenze (Floor).
Fällt der Portfoliowert unter den Barwert des Floors im jeweiligen Zeitpunkt, so wird sofort vollständig in die risikolose Anlage umgeschichtet. Etwas anders funktioniert die dynamische Variante. Auch hier erfolgt eine fortlaufende Ermittlung der Barwerte des Floors, parallel dazu wird aber auch bei geringeren Verlusten, die über diesem Barwert liegen, bereits ein Teil der Aktienanlage in die risikolose Alternative umgeschichtet. Wie der umzuschichtende Anteil ermittelt wird, zeigt folgendes Beispiel anhand des Betrachtungszeitpunktes t2. Der Aktienmarkt ist im letzten Quartal um 2% gefallen. Es ist folgende Gleichung zu lösen:217 100.000,00 = 98.000,00 − x + x × e 0, 075
Auflösung nach x: x=
100.000,00 − 98.000,00 e 0,075 − 1
und damit für x = 25.679,17. Es müssen demnach rund EUR 25.679,00 in die risikolose Anlage umgeschichtet werden. Der Wert der Aktien im Portfolio verringert sich folglich auf 98.000,00 - 25.679,00 = 72.321,00. Sollte der Aktienmarkt von nun an bis zum Ende des Planungshorizontes (Restlaufzeit 0,75 Jahre) unverändert bleiben, wird durch die risikolose Verzinsung der Portfoliomindestwert in Höhe von EUR 100.000,00 erreicht.
216 217
In Anlehnung an Bird, R./ Dennis, D./ Tippett, M. (1988), S. 36. In Anlehnung an Bird, R./ Dennis, D./ Tippett, M. (1988), S. 36.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
83
Nach dem nächsten Quartal (t3) ist der Aktienmarkt um weitere rund 3% gefallen. Der Wert des Aktienanteils im Portfolio beträgt nur noch EUR 70.197,00. Allerdings ist der Wert der nach dem ersten Quartal getätigten risikolosen Anlage auf G = 25.680,00 × e 0,025 = 26.330,00 angewachsen.
Die Ermittlung des zusätzlich umzuschichtenden Betrages erfolgt analog t2, jedoch ist auch der risikolos verzinste Portfolioanteil zu berücksichtigen. Die entsprechende Gleichung, die es nun zu lösen gilt, lautet: x=
100.000,00 − 70.197,00 − 26.330,00 × e 0,05 e 0, 05 − 1
und damit ergibt sich für x = 41.407,97. Es müssen demnach rund EUR 41.407,00 zusätzlich in die risikolose Anlage umgeschichtet werden. Der Wert der Aktien im Portfolio verringert sich folglich auf 70.197,00 - 41.407,00 = 28.790,00. Auch hier ist wiederum gewährleistet, dass bei unverändertem Aktienmarkt zum Ende des Planungshorizonts (Restlaufzeit 0,50 Jahre) der Portfoliomindestwert von EUR 100.000,00 erreicht wird. Die Ermittlung des x-Wertes für t3 erfolgt analog. Zu beachten ist dabei, dass der Aktienmarkt diesmal um gut 3% gestiegen ist. Der für x ermittelte Wert ist jetzt negativ, d.h. er kann nun zusätzlich in die risikobehaftete Anlage (Aktie) umgeschichtet werden. Nach einer weiteren Steigerung des Aktienmarktes im vierten Quartal ergibt sich ein Portfolioendwert in Höhe von EUR 108.183,00. Er liegt aufgrund der, durch dynamisches Rebalancing, möglichen Umschichtung auch zu Gunsten des Aktienanteils (und damit Partizipation an den Kurssteigerungen) über dem Mindestwert in Höhe von EUR 100.000,00. Dagegen ist die klassische Stop-Loss-Strategie bereits seit t2 voll im Geldmarkt investiert und hat nicht an der positiven Aktienmarktentwicklung teilhaben können. Um den Grad der Pfadabhängigkeit der klassischen Variante zu verdeutlichen wird unterstellt, der Aktienmarkt wäre zum Ende des zweiten Quartals (t2) nur um rund 1,9% auf 98,124 gefallen. Die Stop-Loss-Strategie wäre demnach voll im Aktienmarkt investiert geblieben und c. p. am Ende des Planungshorizonts erfolgreicher gewesen als die dynamische Variante.218 Für die Beurteilung der beiden Strategien eignen sich drei Kriterien: die Höhe der Transaktionskosten, die Fähigkeit negative Erträge zu verhindern sowie der Grad der Pfadabhängigkeit. Bei der Höhe der Transaktionskosten ist die dynamische Variante der statischen dann unterlegen, wenn die Märkte ins Minus drehen und entsprechende
218
Vgl. Bird, R./ Dennis, D./ Tippett, M. (1988), S. 36.
84
Kapitel II
Umschichtungen anfallen. Beide Strategien haben die gleiche Wertuntergrenze, die es zu sichern gilt. Durch die feste Systematik bei beiden Varianten kann diese auch jeweils erreicht werden. Bezüglich des Grades der Pfadabhängigkeit unterscheiden sich beide Strategien stark voneinander. Hier ist die dynamische Variante aufgrund der regelmäßigen Anpassung des Aktienanteils bei fallenden und sich wieder erholenden Märkten im Vorteil (im angeführten Beispiel rund 8,2%, siehe Tabelle 12).219 3.3.1.2.2
CPPI
Ähnlich wie bei der dynamischen Stop-Loss-Strategie werden auch bei der CPPIStrategie Portfolioumschichtungen zwischen risikobehaftetem Asset (Aktie) und risikoloser Anlage (Geldmarkt) mit dem Ziel vorgenommen, einen bestimmten Portfoliomindestwert (Floor) zu sichern bei gleichzeitiger Wahrung der Kursgewinnchancen am Aktienmarkt.220 Die Idee der Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI) wurde erstmals 1987 von BLACK und JONES221 vorgestellt. Die wesentlichen Elemente dieser Strategie sind wie folgt definiert:222 F Floor (Portfoliomindestwert über die gesamte Laufzeit), C Cushion (Puffer; aktueller Portfoliowert minus Floor), E Exposure (Aktienanteil im Portfolio), V Vermögen (Gesamtanlagebetrag), m Multiplikator (Ausdruck der Risikoneigung des Investors; m > 1) L Limit (Maximaler Aktienanteil im Portfolio). Je risikofreudiger der Investor ist, umso höher wird der Multiplikator m gewählt. Je höher m, umso stärker wird an Aktienmarktentwicklungen partizipiert, sowohl positiv als auch negativ (der Floor wird schneller erreicht). Ist der Risikopuffer C aufgebraucht, reduziert sich der Investitionsgrad im Aktienmarkt ebenfalls auf Null. Umgekehrt erhöht sich das Exposure E im aktiven Asset bei steigenden Märkten bis zu einem gegebenenfalls festgelegten Limit L (z.B. 100%).223 Zwischen Exposure E und Cushion C besteht folgender Zusammenhang:224 E = m × C = m × max(V − F ;0) .
219 220 221 222 223 224
Vgl. Bird, R./ Dennis, D./ Tippett, M. (1988), S. 38f. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 152. Vgl. Black, F./ Jones, R. (1987), S. 48ff. Vgl. Black, F./ Jones, R. (1987), S. 48. sowie Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 152. Vgl. Bird, R., Dennis, D., Tippett, M. (1988), S. 49. In Anlehnung an Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 153.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
85
Daraus ergibt sich: 1 V −F = m E
für V − F ≥ 0 .
Der Term 1/m kann derart interpretiert werden, dass der Aktienmarkt um 1/m (z.B. ½ = 0,50 Æ 50%) fallen kann, ohne dass der Floor F gefährdet wäre und damit ein Rebalancing erfolgen müsste.225 Die nachfolgenden Tabellen (vgl. Tab. 13, Tab. 14 und Tab. 15) verdeutlichen die Funktionsweise der CPPI-Strategie anhand eines Beispiels bei fallenden, bei steigenden und bei schwankenden Aktienmärkten. Als Multiplikator wurde m = 2 gewählt. Der abzusichernde Floor beträgt 85% des Startkapitals in Höhe von EUR 100,00. Die Verzinsung der risikolosen Anlage wird analog der Beispiele in Kapitel 3.3.1.1 Elementare Umschichtungsregeln nicht berücksichtigt. Szenario "fallend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
Aktienmarkt 100 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10
Floor 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00
Cushion 15,00 12,00 12,00 9,33 9,33 7,00 7,00 5,00 5,00 3,33 3,33 2,00 2,00 1,00 1,00 0,33 0,33 0,00 0,00
Aktien Wert in % 30,00 30,00 27,00 27,84 24,00 24,74 21,33 22,61 18,67 19,79 16,33 17,75 14,00 15,22 12,00 13,33 10,00 11,11 8,33 9,43 6,67 7,55 5,33 6,13 4,00 4,60 3,00 3,49 2,00 2,33 1,33 1,56 0,67 0,78 0,33 0,39 0,00 0,00
Tab. 13: CPPI-Strategie bei fallendem Aktienmarkt
225
Vgl. Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 23.
PortfolioGeldmarkt Wert in % wert 70,00 70,00 100,00 70,00 72,16 97,00 73,00 75,26 97,00 73,00 77,39 94,33 75,67 80,21 94,33 75,67 82,25 92,00 78,00 84,78 92,00 78,00 86,67 90,00 80,00 88,89 90,00 80,00 90,57 88,33 81,67 92,45 88,33 81,67 93,87 87,00 83,00 95,40 87,00 83,00 96,51 86,00 84,00 97,67 86,00 84,00 98,44 85,33 84,67 99,22 85,33 84,67 99,61 85,00 85,00 100,00 85,00
86
Szenario "steigend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
Kapitel II
Aktienmarkt 100 110 110 120 120 130 130 140 140 150 150 160 160 170 170 180 180 190 190 200 200
Floor 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00
Cushion 15,00 18,00 18,00 21,27 21,27 24,82 24,82 28,64 28,64 32,73 32,73 37,09 37,09 41,73 41,73 46,64 46,64 51,82 51,82 57,27 57,27
Aktien Wert in % 30,00 30,00 33,00 32,04 36,00 34,95 39,27 36,95 42,55 40,03 46,09 41,97 49,64 45,20 53,45 47,04 57,27 50,40 61,36 52,12 65,45 55,60 69,82 57,19 74,18 60,76 78,82 62,20 83,45 65,85 88,36 67,13 93,27 70,86 98,45 71,96 103,64 75,75 109,09 76,68 114,55 80,51
PortfolioGeldmarkt wert Wert in % 70,00 70,00 100,00 70,00 67,96 103,00 67,00 65,05 103,00 67,00 63,05 106,27 63,73 59,97 106,27 63,73 58,03 109,82 60,18 54,80 109,82 60,18 52,96 113,64 56,36 49,60 113,64 56,36 47,88 117,73 52,27 44,40 117,73 52,27 42,81 122,09 47,91 39,24 122,09 47,91 37,80 126,73 43,27 34,15 126,73 43,27 32,87 131,64 38,36 29,14 131,64 38,36 28,04 136,82 33,18 24,25 136,82 33,18 23,32 142,27 27,73 19,49 142,27
Tab. 14: CPPI-Strategie bei steigendem Aktienmarkt Szenario "schwankend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
Aktienmarkt 100 90 90 80 80 90 90 100 100 110 110 120 120
Floor 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00
Cushion 15,00 12,00 12,00 9,33 9,33 11,67 11,67 14,26 14,26 17,11 17,11 20,22 20,22
Aktien Wert in % 30,00 30,00 27,00 27,84 24,00 24,74 21,33 22,61 18,67 19,79 21,00 21,72 23,33 24,14 25,93 26,12 28,52 28,73 31,37 30,72 34,22 33,51 37,33 35,48 40,44 38,44
PortfolioGeldmarkt wert Wert in % 70,00 70,00 100,00 70,00 72,16 97,00 73,00 75,26 97,00 73,00 77,39 94,33 75,67 80,21 94,33 75,67 78,28 96,67 73,33 75,86 96,67 73,33 73,88 99,26 70,74 71,27 99,26 70,74 69,28 102,11 67,89 66,49 102,11 67,89 64,52 105,22 64,78 61,56 105,22
Tab. 15: CPPI-Strategie bei schwankendem Aktienmarkt
Aus den ermittelten Daten ergibt sich das in Abbildung 15 dargestellte Auszahlungsprofil. Zum Vergleich wird das Auszahlungsprofil einer statischen Buy-and-HoldStrategie (15% Aktien, 85% Renten/ Geldmarkt) ebenfalls dargestellt.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
87
CPPI-Strategie vs. Buy-and-Hold-Portfolio bei trendbehafteten Märkten (85% Renten/ Geldmarkt, 15% Aktien) 160.00
140.00
Wert des Portfolios
120.00
Buy-and-Hold-Portfolio CPPI-Strategie
100.00
80.00
60.00
40.00 0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Aktienmarktentwicklung
Abb. 15: Auszahlungsprofil CPPI vs. Buy-and-Hold
Ähnlich der Strategie der Linearen Investmentregel ist der Verlauf des Graphen der CPPI-Strategie konvex. Dies kann auf die prozyklische Funktionsweise der Strategie und den Multiplikator m zurückgeführt werden.226 Wird m erhöht, verstärkt sich die Krümmung. Bei fallenden Aktienmärkten wird dadurch der Floor schneller erreicht, während bei steigenden Märkten stärker (bis zum gegebenenfalls festgelegten Limit L) an den Kurschancen partizipiert wird. Die lineare Buy-and-Hold-Strategie ist dann aufgrund der statischen Allocation im Nachteil. Beide Strategien sichern den angestrebten Floor (85% des Startkapitals). Eine relative Vorteilhaftigkeit der einen oder anderen Strategie hängt wiederum von den tatsächlichen Marktbewegungen ab. Die CPPI-Strategie funktioniert besonders gut in trendbehafteten Märkten. Bei stark oszillierenden Märkten ist sie gegenüber der linearen Buy-and-Hold-Strategie im Nachteil. Die Tabelle 16 verdeutlicht diesen Zusammenhang anhand des oben angeführten Beispiels.
226
Vgl. Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 22.
88
Kapitel II
Änderung des Aktienmarktes um 10 Punkte Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
CPPI-Strategie
100
100
100
90
94
97
80
88
94,33
90
94
96,67
100
100
99,26
110
106
102,11
120
112
105,22
Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
CPPI-Strategie
100
100
100
80
88
94
60
76
89,50
80
88
92,50
100
100
96,25
120
112
100,75
140
124
106,00
Änderung des Aktienmarktes um 20 Punkte
Tab. 16: CPPI vs. Buy-and-Hold bei oszillierenden Märkten
Bereits bei geringeren Schwankungen des Aktienmarktes wird der Renditenachteil der CPPI-Strategie in oszillierenden Märkten deutlich (6,5% bei Anpassung nach 10 Punkten). Bei trendbehafteten Märkten erscheint die CPPI-Strategie dagegen relativ vorteilhafter, aufgrund des Hebeleffektes und der damit verbundenen stärkeren Partizipation an steigenden Aktienmärkten.227 Auch lässt sich die zeitlich unbefristete CPPI-Strategie über eine Änderung des Multiplikators m steuern. Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Unveränderbarkeit des Floors. Bei steigendem Aktienmarkt sinkt die Wertuntergrenze relativ zum Gesamtvermögen (es wird keine Gewinnsicherung betrieben). Damit wird eine steigende Risikobereitschaft der Investoren bei steigenden Aktienmärkten impliziert, die so nicht immer vorhanden ist.228
227 228
Black, F./ Jones, R. (1987), S. 51. Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 157. Vgl. hierzu auch das Anlegerbild in der Prospect Theory. Demnach verhalten sich Investoren bei Verlusten eher risikofreudig und bei Gewinnen eher risikoavers.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
3.3.1.2.3
89
TIPP
Die Time-Invariant Portfolio Protection (TIPP) stellt eine Modifikation der CPPIStrategie dar. Sie geht auf ESTEP und KRITZMAN229 sowie auf BRENNAN und SCHWARTZ230 zurück und wurde erstmalig 1988 vorgestellt. Ausgehend von einem Kritikpunkt der CPPI-Strategie, der Abhängigkeit des Absicherungsniveaus vom Startzeitpunkt, wurde die Möglichkeit der Anpassung des Floors (Nachziehen der Sicherungsgrenze) bei steigenden Aktienkursen eingeführt. ESTEP und KRITZMAN formulieren es folgendermaßen: „TIPP is CPPI with a different and better rule for setting the floor.“231 Der wesentlichsten Merkmale der TIPP sind:232 • Das Portfolio kann einen bestimmten, vorher festgelegten Mindestwert nicht unterschreiten. • Der Floor wird kontinuierlich angepasst und ist als Prozentsatz des höchsten, erreichten Portfoliowertes definiert. • Die Absicherung erfolgt fortlaufend und ist unabhängig vom Anlagehorizont. • Die notwendigen Berechnungen sind einfach und verursachen nur geringe Kosten. • Die Ergebnisse sind sensibler als beispielsweise die der Synthetic Put-Strategie, da die Risikoeinstellung sowie das Absicherungsniveau im Zeitablauf konstant bleiben. • Die Transaktionskosten sind aufgrund verminderter Umschichtungen geringer als beispielsweise beim Synthetic Put einzustufen. Die Vorgehensweise lässt sich analog der CPPI-Strategie wie folgt charakterisieren:233 • Ermittlung des Portfoliowertes, • Festlegung des Floors F als Prozentsatz vom Startkapital und Auswahl des Multiplikators m, • Multiplikation des Portfoliowertes mit dem festgelegten Floor-Prozentsatz, • Festlegung des neuen Floors, sollte das Ergebnis aus dem vorangegangenen Schritt größer sein als der bisherige Floor, • Ermittlung des Puffers C (Cushion), 229 230 231 232 233
Vgl. Estep, T./ Kritzman, M. (1988), S. 38ff. Vgl. Brennan, M. J./ Schwartz, E. S. (1988), S. 283ff. Estep, T./ Kritzman, M., JoPM (1988), S. 39. In Anlehnung an Estep, T./ Kritzman, M. (1988), S. 38. Vgl. Estep, T./ Kritzman, M. (1988), S. 39.
90
• •
Kapitel II
Multiplikation des Puffers C mit m, Realisierung des so ermittelten Exposure E durch Kauf oder Verkauf von Aktien bzw. Umschichtung in die risikolose Geldmarktanlage.
Bei fallenden Aktienkursen erfolgt demnach keine Anpassung des Floors. Steigen die Aktienmärkte wird der Floor entsprechend der prozentualen Veränderung nachgezogen. Zur Verdeutlichung der Funktionsweise wird das bereits bei der CPPI-Strategie verwendete Beispiel herangezogen. Als Multiplikator wurde m = 2 gewählt. Der abzusichernde Floor beträgt 85% des Startkapitals in Höhe von EUR 100,00 und wird bei steigendem Portfoliowert entsprechend nachgezogen. Bei fallenden Aktienkursen entspricht die Funktionsweise der TIPP-Strategie der CPPI-Strategie. Die Tabellen 17 und 18 zeigen daher nur die Entwicklung bei steigenden und bei schwankenden Aktienmärkten. Szenario "steigend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
Aktienmarkt 100 110 110 120 120 130 130 140 140 150 150 160 160 170 170 180 180 190 190 200 200
Floor 85,00 85,00 87,55 87,55 89,94 89,94 92,19 92,19 94,31 94,31 96,33 96,33 98,26 98,26 100,10 100,10 101,87 101,87 103,57 103,57 105,20
Cushion 15,00 18,00 15,45 18,26 15,87 18,52 16,27 18,77 16,64 19,02 17,00 19,27 17,34 19,51 17,67 19,74 17,98 19,97 18,28 20,20 18,57
Tab. 17: TIPP-Strategie bei steigendem Aktienmarkt
Aktien Wert in % 30,00 30,00 33,00 32,04 30,90 30,00 33,71 31,86 31,74 30,00 34,39 31,71 32,54 30,00 35,04 31,58 33,29 30,00 35,66 31,47 34,00 30,00 36,27 31,37 34,68 30,00 36,85 31,29 35,33 30,00 37,41 31,21 35,95 30,00 37,95 31,15 36,55 30,00 38,48 31,09 37,13 30,00
PortfolioGeldmarkt wert Wert in % 70,00 70,00 100,00 70,00 67,96 103,00 72,10 70,00 103,00 72,10 68,14 105,81 74,07 70,00 105,81 74,07 68,29 108,45 75,92 70,00 108,45 75,92 68,42 110,96 77,67 70,00 110,96 77,67 68,53 113,33 79,33 70,00 113,33 79,33 68,63 115,60 80,92 70,00 115,60 80,92 68,71 117,77 82,44 70,00 117,77 82,44 68,79 119,85 83,89 70,00 119,85 83,89 68,85 121,84 85,29 70,00 121,84 85,29 68,91 123,77 86,64 70,00 123,77
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
Szenario "schwankend" START Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing Stand Aktienmarkt Rebalancing
Aktienmarkt 100 90 90 80 80 90 90 100 100 110 110 120 120
Floor 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 85,00 86,79 86,79 89,16
Cushion 15,00 12,00 12,00 9,33 9,33 11,67 11,67 14,26 14,26 17,11 15,32 18,10 15,73
91
Aktien Wert in % 30,00 30,00 27,00 27,84 24,00 24,74 21,33 22,61 18,67 19,79 21,00 21,72 23,33 24,14 25,93 26,12 28,52 28,73 31,37 30,72 30,63 30,00 33,42 31,86 31,47 30,00
PortfolioGeldmarkt Wert in % wert 70,00 70,00 100,00 70,00 72,16 97,00 73,00 75,26 97,00 73,00 77,39 94,33 75,67 80,21 94,33 75,67 78,28 96,67 73,33 75,86 96,67 73,33 73,88 99,26 70,74 71,27 99,26 70,74 69,28 102,11 71,48 70,00 102,11 71,48 68,14 104,90 73,43 70,00 104,90
Tab. 18: TIPP-Strategie bei schwankendem Aktienmarkt
Die folgende Abbildung veranschaulicht die Entwicklung der TIPP-Strategie im Vergleich zur CPPI-Strategie und zur Buy-and-Hold-Strategie bei trendbehafteten Aktienmärkten. CPPI-Strategie vs. Buy-and-Hold-Portfolio bei trendbehafteten Märkten (85% Renten/ Geldmarkt, 15% Aktien) 160.00
140.00
Wert des Portfolios
120.00
Buy-and-Hold-Portfolio CPPI-Strategie
100.00
80.00
60.00
40.00 0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Aktienmarktentwicklung
Abb. 16: Auszahlungsprofil TIPP vs. CPPI und Buy-and-Hold
Sowohl die CPPI als auch die TIPP dominieren das Buy-and-Hold-Portfolio in dieser Darstellung, wobei die TIPP bei steigenden Aktienmärkten langsamer steigt als die CPPI. Das kann auf den nachziehenden Floor bei der TIPP zurückgeführte werden. Insofern wirkt die Berücksichtung der konstanten Risikobereitschaft der Investoren performancemindernd.
92
Kapitel II
Wie die CPPI-Strategie weist auch die TIPP-Strategie eine gewisse Pfadabhängigkeit auf. Auch sie ist bei oszillierenden Märkten gegenüber einer Buy-and-Hold-Strategie im Nachteil. Die nachfolgende Tabelle vergleicht diese drei Strategien bei weniger stark und stark schwankenden Märkten (vgl. hierzu Tab. 19). Änderungen des Aktienmarktes um 10 Punkte Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
TIPP-Strategie
CPPI-Strategie
100
100
100
100
90
94
97
97
80
88
94,33
94,33
90
94
96,67
96,67
100
100
99,26
99,26
110
106
102,11
102,11
120
112
104,90
105,22
Änderungen des Aktienmarktes um 20 Punkte Aktienmarkt
Buy and Hold Portfolio
TIPP-Strategie
CPPI-Strategie
100
100
100
100
80
88
94
94
60
76
89,50
89,50
80
88
92,50
92,50
100
100
96,25
96,25
120
112
100,75
100,75
140
124
105,79
106,00
Tab. 19: TIPP vs. CPPI und Buy-and-Hold bei oszillierenden Märkten
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die TIPP, als modifizierte Form der CPPI, bei trendbehafteten Aktienmärkten gut funktioniert und gegenüber einer „vergleichbaren“ Buy-and-Hold-Strategie relativ vorteilhafter erscheint. Gleichwohl ist der Erfolg stark abhängig von der Entwicklung der Märkte nach dem Startzeitpunkt. Trotz des nachziehenden Floors (oder gerade deswegen) kann die TIPP-Strategie, in Abhängigkeit vom Startzeitpunkt, zu positiven oder negativen Ergebnissen im Vergleich zu einem Aktienindex führen.234 3.3.1.3
Best Return-Ansatz am Beispiel der „Best of Two“-Strategie
Während bei den bisher betrachteten Strategien die systematische Allokation zwischen einem risikobehafteten Asset (Aktie) und einer risikolosen Alternative (Geldmarkt) im Vordergrund stand, werden bei den Best Return-Ansätzen mehrere risiko-
234
Vgl. Bruns, C./ Meyer-Bullerdiek, F. (2003), S. 159.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
93
behaftete Assets (teilweise in Kombination mit einer risikofreien Anlage235) betrachtet. Die einfachste Variante stellt dabei die so genannte „Best of Two“-Strategie dar. Sie garantiert zum Laufzeitende (bzw. zu bestimmten Bewertungsstichtagen) das relativ bessere von zwei risikobehafteten Assets (z.B. Aktien und Renten). Dabei wird eines der beiden Assets in Kombination mit einer europäischen Austauschoption236 erworben. Diese berechtigt den Investor zum Ende der Optionslaufzeit das BasisAsset gegen ein bestimmtes Austausch-Asset zu tauschen. Die Ausübung am Verfalltag der Option erfolgt, wenn das Austausch-Asset während der Optionslaufzeit eine bessere Wertentwicklung aufweist als das Basis-Asset. Es ist dabei grundsätzlich unerheblich, welches der beiden Assets als Basis- und welches als Austausch-Asset gehalten wird.237 Da solche Optionen nicht an der Börse gehandelt werden und beim praktischen Einsatz von OTC-Optionen häufig Probleme auftreten (z.B. Kontrahentenrisiko) bietet sich die Methode der dynamischen Optionsreplizierung als scheinbar attraktivste Umsetzungsvariante an.238 Das Prinzip der Duplizierung zählt zu den wichtigsten Erkenntnissen der Optionspreistheorie. Auszahlungsprofile von Optionen können so künstlich (synthetic) mittels dynamischer Umschichtungen zwischen zwei Assets, in der Regel ein risikobehaftetes und ein risikoloses, nachgebildet werden. Der Wert des mittels Duplikation konstruierten Portfolios entspricht dann zu jedem Zeitpunkt dem Wert der nachgebildeten Option.239 Im Fall der Austauschoption erfolgt die Duplizierung anhand dynamischer Umschichtungen zwischen zwei risikobehafteten Assets. Der wichtigste Unterschied zwischen der (theoretisch) möglichen Umsetzung der „Best of Two“-Strategie mittels Austauschoption und der Duplizierung durch dynamisches Umschichten besteht in der ex ante Bekanntheit der Strategiekosten. Während bei der Austauschoption die Kosten in Form der Optionsprämie von Beginn an bekannt sind, werden sie im anderen Fall implizit (fortlaufend und weniger spürbar) gezahlt und sind daher ex ante nur anhand der Optionsprämie für die Alternative schätzbar.240 Ein einfaches Beispiel soll an dieser Stelle genügen, um die Funktionsweise der „Best of Two“-Strategie zu verdeutlichen. Betrachtet wird ein Investor mit EUR 100,00 Anlagevolumen. Dieser hat die Wahl, ob er zu 100% in Aktien oder Renten investiert oder in die „Best of Two“-Strategie für diese beiden Assetklassen. Beide Assetklas235 236 237
238 239 240
Vgl. Johnson, H. (1987), S. 277ff. Zur Herleitung der Formel für die Berechnung vgl. Margrabe, W. (1978), S. 177ff. Steht man auf der richtigen Seite, lässt man die Option verfallen. Umgekehrt wird sie am Verfalltag ausgeübt. Vgl. Dichtl, H./ Petersmeier, K./ Schlenger, C. (2003), S. 191. Vgl. Rubinstein, M./ Leland, H. E. (1981), S. 63ff. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 589f.
94
Kapitel II
sen weisen zu Beginn des Anlagezeitraumes (vereinfachend 1 Jahr) einen normierten Wert von ebenfalls EUR 100,00 auf. Als Realisation für die Zufallsgröße Marktwert der Assetklassen im Zeitpunkt T (nach 1 Jahr) werden EUR 125,00 für die Assetklasse Aktien und EUR 105,00 für die Assetklasse Renten angenommen. Die Assetklasse Aktien erweist sich demnach ex post betrachtet als die bessere von beiden. Die folgende Tabelle stellt die mögliche Performance der Alternativen 100% Aktien, 100% Renten, „Best of Two“-Strategie sowie als Vergleichsmaßstab ein 50-50Benchmarkportfolio (50% Aktien, 50% Renten) gegenüber (siehe Tab. 20).241 Startkapital Anfangsinvestition Strategiekosten nach 1 Jahr Rendite in %
100% Renten 100,00 100,00
100% Aktien 100,00 100,00
"Best of Two" 100,00 95,83
Benchmark (50:50) 100,00 100,00
0,00
0,00
4,17
0,00
105,00 5,00
125,00 25,00
119,79 19,79
115,00 15,00
Tab. 20: Vereinfachtes Beispiel "Best of Two"-Strategie
Für die Inanspruchnahme der „Best of Two“-Strategie werden Strategiekosten in Höhe von EUR 4,17 fällig (Optionsprämie nach der Formel von MARGRABE).242 Nach einem Jahr hat der Investor das Recht in das Austauschinvestment zu wechseln. Die entsprechende Portfoliorendite beträgt demnach (unabhängig vom Basisinvestment) 19,79%. Damit liegt sie wesentlich näher an der Rendite der Assetklasse Aktien (25%) und auch deutlich über der Rendite des Benchmarkportfolios (15%). Für die praxisnähere Beurteilung des Erfolgspotentials eignen sich Verfahren wie das Backtesting (Analyse mittels historischer (bekannter) Zeitreihen)243 und Monte-CarloSimulationen (Analyseverfahren mit einer Vielzahl von möglichen, künstlich generierten Wertentwicklungspfaden).244 Ziel des Backtesting ist zu untersuchen, wie sich eine bestimmte Strategie in einem bestimmten historischen Zeitraum entwickelt hätte. Die Aussagefähigkeit ist jedoch begrenzt, da lediglich ein Wertenwicklungspfad betrachtet wird. Bei der zweiten Methode besteht die Möglichkeit (auch anhand historischer Daten wie Rendite- und Risikoparameter) nahezu unendlich viele zufällige Wertentwicklungspfade zu generieren. Hieraus lassen sich im Vergleich zum Backtesting allgemeinere Schlüsse bezüglich des Rendite-Risiko-Profils einer bestimmten Strategie ziehen.245 Im Rahmen ihrer Untersuchungen mit der Monte-Carlo-Methode kommen beispielsweise DICHTL, PETERSMEIER und SCHLENGER zu folgenden Ergebnissen: 241 242 243 244 245
Beispiel in Anlehnung an Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 583f. Zur Berechnung vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 588. Vgl. z.B. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2003), S. 809ff. Vgl. z.B. Dichtl, H./ Petersmeier, K./ Schlenger, C. (2003), S. 192ff. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 598.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
95
•
„Die „Best of Two“-Strategie erweist sich unter Risikogesichtspunkten der 50:50 Constant Mix-Strategie […] als überlegen, wenn man die Präferenzen der Anleger durch die Wahl geeigneter Bewertungsmaßstäbe berücksichtigt.
•
Sofern positive Autokorrelationen in den Renditen der jeweiligen Märkte auftreten, führt dies zu positiven Renditeeffekten bei der „Best of Two“-Strategie. […]“246
Auch die „Best of Two“-Strategie weist im Vergleich zur Constant Mix-Strategie eine asymmetrische Renditeverteilung auf. Dies unterstreicht den Charakter der relativen Wertsicherung der „Best of Two“-Strategie. Als geeignete Risikomaße für die Analyse der Strategien bieten sich die so genannten LPM-Maße an. Hierbei handelt es sich um ausfallorientierte Risikomaße, die hauptsächlich das so genannte Downside Risk messen. Als wichtigste LPM-Maße seien hier wiederum Ausfallwahrscheinlichkeit (LPM0), mittlerer Verlust (LPM1) und die Semivarianz (LPM2) genannt. Bei der praktischen Umsetzung der „Best of Two“-Strategie stellen sich im wesentlichen zwei Probleme dar: die Bestimmung der Rebalancing-Intervalle und die Wahl des geeigneten Mediums für die Umsetzung. Theoretisch wäre es im Rahmen der Optionsreplizierung notwendig, die Gewichte der beiden risikobehafteten Assetklassen in Abhängigkeit von der Marktentwicklung stetig zu variieren. In der Praxis ist dies jedoch nicht möglich. Hier muss unter Berücksichtigung der Kosten-Nutzen-Relation ein diskretes Rebalancing-Intervall bestimmt werden. Kommt es zwischen zwei Anpassungszeitpunkten zu starken Kurssprüngen (z.B. Crashformationen) an einem der beiden Zielmärkte, kann dies einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg der Strategie haben.247 Einer der Anbieter eines „Best of Two“-Produktes, die CONRAD HINRICH DONNER BANK, hat z.B. ein 14-tägiges Rebalancing-Intervall implementiert. Festgelegt wurde dies anhand eines Backtestings über 10 Jahre und dem sich daraus ergebenden besten Verhältnis von Transaktionskosten und Performance.248 Bei der Wahl des geeigneten Mediums für die Umsetzung spielen in erster Linie die anfallenden Transaktionskosten sowie die am Markt vorhandene Liquidität eine wichtige Rolle. Grundsätzlich sind alle am Markt verfügbaren Instrumente möglich. Die CONRAD HINRICH DONNER BANK hat sich beispielsweise für die Umsetzung mittels zweier Fonds entschieden, die eine entsprechende Benchmarkorientierung innerhalb ihrer Assetklasse aufweisen.249 Aber auch eine Implementierung mit Indexfutu-
246 247 248 249
Dichtl, H./ Petersmeier, K./ Schlenger, C. (2003), S. 199. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 601. Vgl. Leifeld, H./ Vitt, M. (2005), S. 21. Vgl. auch hierzu Leifeld, H./ Vitt, M. (2005), S. 21.
96
Kapitel II
res ist möglich, sofern diese in ihrer Ausstattung dem Profil der nachzubildenden Option entsprechen.250 Als wichtigstes Kriterium für den langfristigen Erfolg der „Best of Two“-Strategie kann (neben der Bestimmung des Rebalancing-Intervalls und des geeigneten Mediums für die Umsetzung) die Entwicklung eines möglichst hohen Spreads zwischen den Renditen der beiden ausgewählten, risikobehafteten Assetklassen genannt werden.251 3.3.2 Vergleich dieser Strategien anhand von drei Kriterien
Nach der Vorstellung der Strategien und ihrer Betrachtung anhand eines Beispiels, werden diese im folgenden Kapitel hinsichtlich der drei Kriterien Kapitalerhalt, Mindestverzinsung und Renditemaximierung miteinander verglichen. In Tabelle 21 sind die betrachteten DAA Strategien sowie ihre Eignung hinsichtlich der drei Kriterien dargestellt. Die Farben grün, rot und gelb kennzeichnen dabei den grundsätzlichen Grad der Eignung (grau Æ gut geeignet; weiss Æ unter bestimmten Umständen geeignet; grau Æ nicht geeignet). Zusätzlich wurde stellenweise ein „+“ hinzugefügt, um die zusätzliche Differenzierung auf einem bestimmten Eignungsniveau zu ermöglichen (mit „+“ besser als ohne; mit „++“ besser als „+“). Kriterium DAA Strategien im Vergleich
Kapitalerhalt
Mindestverzinsung
Rendite maximierung
Constant Mix Lineare Investmentregel Dynamic Stop-Loss
++
CPPI TIPP
+
“Best of Two”
Tab. 21: DAA Strategien im Vergleich
Die vorgenommenen Bewertungen werden nachfolgend näher erläutert.
250 251
Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 603. Vgl. Dichtl, H./ Schlenger, C. (2002), S. 599f.
+
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
3.3.2.1
97
Kriterium Kapitalerhaltng
Bezüglich des Kriteriums Kapitalerhalt eignen sich, bis auf die Constant MixStrategie, alle vorgestellten DAA Strategien. Die Lineare Investmentregel und die „Best of Two“-Strategie unterliegen dabei jedoch größeren Einschränkungen als die übrigen Strategien, da hier keine ausdrückliche Festlegung eines Floors erfolgt und der Grad der Kapitalerhaltung von der Wahl des Multiplikators (bei der Linearen Investmentregel) bzw. von der Ausbildung eines entsprechenden Renditespreads (bei der „Best of Two“-Strategie) abhängig ist. Die Strategien Dynamic Stop-Loss, CPPI und TIPP haben als wichtigstes Ziel die Erhaltung einer zu Beginn bestimmten Wertuntergrenze. Bei CPPI und TIPP ist diese Wertuntergrenze in der Regel kleiner als das Anfangskapital, weswegen hier gegenüber der Dynamic Stop-Loss-Strategie (Sicherung des Anfangskapitals) eine Differenzierung eingeführt wird. Darüber hinaus wird auch zwischen CPPI und TIPP noch einmal differenziert. Da bei TIPP das Absicherungsniveau nachträglich angepasst werden kann (bei steigenden Aktienmärkten erfolgt ein Nachziehen des Floors), wird sie gegenüber der CPPI unter diesem Kriterium relativ vorteilhafter eingestuft. 3.3.2.2
Kriterium Mindestverzinsung
Unter dem Kriterium Mindestverzinsung erscheinen, bis auf die TIPP, alle Strategien ungeeignet. Die TIPP-Strategie ist aufgrund des nachziehenden Floors bei steigenden Aktienmärkten und der damit verbundene Gewinnsicherung (Lock in) in der Lage eine Mindestverzinsung zu garantieren, wenngleich diese zu Beginn nicht feststeht. Sie kann sich jedoch pfadabhängig entwickeln. Alle anderen Strategien sind dazu grundsätzlich nicht in der Lage. 3.3.2.3
Kriterium Renditemaximierung
Unter bestimmten Bedingungen eignen sich alle betrachteten DAA Strategien unter dem Kriterium der Renditemaximierung. Einschränkungen treten insbesondere bei der Constant Mix- und der TIPP-Strategie auf. Die Rendite der Constant MixStrategie steigt, wie bei allen anderen Strategien, mit steigenden Aktienmärkten. Jedoch nimmt das Auszahlungsprofil im Gegensatz zu den übrigen DAA Strategien einen degressiven (konkaven) Verlauf. Dies kann auf die antizyklische Funktionsweise (Buy Low, Sell High) zurückgeführt werden. Auch die TIPP-Strategie verhält sich bei steigenden Märkten antizyklisch und nimmt damit im Vergleich zu den übrigen Strategien einen „langsameren“ Verlauf. Aufgrund der gegebenenfalls erzielbaren Mindestverzinsung wird sie etwas vorteilhafter als die Constant Mix-Strategie eingestuft. Alle anderen betrachteten DAA Strategien eignen sich gut unter dem Kriterium Renditemaximierung. Das Auszahlungsprofil der Linearen Investmentregel nimmt aufgrund des Hebeleffektes durch den Multiplikator m einen konvexen Verlauf, der durch Anhebung von m noch verstärkt werden kann. Ähnliches gilt für die CPPIStrategie. Die Dynamic Stop-Loss-Strategie ist bei stetig steigenden Märkten bald
98
Kapitel II
voll im Aktienmarkt investiert und partizipiert entsprechend voll an den Kurssteigerungen. Diesen drei Strategien ist die Renditemaximierung absoluter Art gemein. Im Gegensatz dazu zielt die „Best of Two“-Strategie in erster Linie auf die relativ bessere Performance aus zwei risikobehafteten Anlagen (Assetklassen). Das kann sich ex post in einer absolut höheren Rendite gegenüber den übrigen Strategien zeigen. 3.3.3 Fazit
Ein generalisierendes Prädikat „am besten geeignet“ erscheint an dieser Stelle nicht angebracht. Vielmehr sollte diese Bezeichnung unter Berücksichtigung der investorspezifischen Präferenzen hinsichtlich Rendite, Risiko und Liquidität verwendet werden.252 Vor dem Hintergrund der Marktentwicklungen in den letzten Jahren und den daraus resultierenden teilweise sehr starken Verlusten, eignen sich die hier vorgestellten Strategien gut, um den Anlegerpräferenzen besser gerecht zu werden. Auch im Rahmen von Erkenntnissen der Behavioral Finance wird der Vermeidung von Kapitalverlusten eine zentrale Bedeutung beigemessen. Beispielhaft sei hier noch einmal die stärkere Bewertung von Verlusten im Vergleich zu gleich hohen Gewinnen aufgrund einer ausgeprägten (und empirisch nachweisbaren) Loss Aversion genannt.253 Zur ausführlicheren Analyse der vorgestellten Strategien hinsichtlich ihrer Eignung unter bestimmten Kriterien und bezüglich der Sensibilität gegenüber bestimmten Marktbewegungen (Pfadabhängigkeit) eignen sich Verfahren wie Monte CarloSimulation oder Backtesting. Die abschließende Beurteilung über die Angemessenheit oder Vorteilhaftigkeit einer Strategie liegt in der Verantwortung der Anlageberatung und kann erst nach ausführlicher Analyse der individuell verschiedenen Anlegerpräferenzen (insbesondere der Risikobereitschaft) erfolgen.
4
Ausblick und Empfehlungen für die Praxis
In den letzten Jahren hat sich der Markt für strukturierte Anlageprodukte in Deutschland sehr stark entwickelt. Eine Fülle von neuen, teilweise komplexen Alternativen ist seitdem für den Privatanleger verfügbar. Dies liegt nicht zuletzt an der Harmonisierung der europäischen Gesetzgebung hinsichtlich der Öffnung gegenüber neuen Investmentansätzen. Beispielhaft sei an dieser Stelle die Zulassung von Hedge Fonds im letzten Jahr genannt.
252 253
Vgl. Perold, A. F./ Sharpe, W. F. (1988), S. 26. Vgl. hierzu auch Dichtl, H./ Petersmeier, K./ Schlenger, C. (2003), S. 199f.
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
99
Vor dem Hintergrund der Reform der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der staatlichen Rentenversicherung, dürfte die Bedeutung der kapitalgedeckten privaten Vorsorge weiter zunehmen. Schon jetzt wird ein großer Teil der privaten Altersvorsorge durch Fondsanlagen und Aktiendepots abgedeckt. Jedoch gerade in den letzten Jahren hat sich die Kehrseite des Aktienmarktes in Form massiver Kursverluste sehr deutlich gezeigt und in den Depots der Privatanleger niedergeschlagen. An dieser Stelle sind die Banken und Asset Manager gefragt. Ihre Aufgabe sollte es sein, einerseits bei der Entwicklung neuer Anlageprodukte verstärkt neuere Erkenntnisse der theoretischen und empirischen Forschung aus dem Bereich der Behavioral Finance zu berücksichtigen. Andererseits liegt es in ihrer Verantwortung, im Beratungsgespräch mit dem Kunden möglichst detaillierte Informationen zur Erstellung eines adäquaten Risikoprofils zu sammeln. Die vorgestellten Strategien erscheinen geeignet, den künftigen Anforderungen der Privatanleger gerecht werden zu können. Gleichwohl setzt dies eine saubere und sinnvolle Implementierung im Rahmen einer individuellen Anlagestrategie voraus. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits unternommen. So ist beispielsweise die „Best of Two“-Strategie mittlerweile für Privatanleger in Form eines Zertifikates (DEKA), als Mischfonds (WALSER Portfolio German Select) und im Rahmen der fondsgebundenen Vermögensverwaltung der CONRAD HINRICH DONNER BANK verfügbar. Weitere Alternativen sollen folgen. Am weitesten verbreitet ist die Constant Mix-Strategie, die durch diverse Fonds nahezu überall verfügbar ist. Auch die CPPIStrategie ist mittlerweile mehrfach in Anlageprodukte implementiert worden (z.B. ADIG Total Return Dynamic, dit Euro Protekt Dynamik-Familie). Andere Ansätze wie beispielsweise die Lineare Investmentregel sucht man dagegen vergeblich. Abschließend lässt sich sagen, dass der Bereich der Dynamischen Asset Allocation Strategien ein vergleichsweise neues Feld in der modernen Asset Management-Praxis ist. Auch wenn diese Strategien teilweise recht einfach umzusetzen sind, stehen viele Entwicklungen in dieser Richtung noch am Anfang. Der Bedarf für Anlagealternativen mit Kapitalerhalt bzw. asymmetrischem Profil ist auf jeden Fall vorhanden und dürfte in der Zukunft weiter steigen. Eine Bank oder ein Finanzdienstleister, die ein anlegergerechtes Portfoliomanagement für sich beanspruchen, werden sich dem auf Dauer nicht entziehen können.
100
Kapitel II
Symbolverzeichnis Ra
arithmetische Rendite bzw. Verzinsung
Rg
geometrische (stetige) Rendite bzw. Verzinsung
e
Eulersche Zahl im Kontext der stetigen Verzinsung
K0
Startkapital im Zeitpunk t0
Kt
Kapital nach t Perioden
t
Zähler der Perioden in Jahren mit t = 1, 2, 3, …, n
P
Portfolio
RP
Rendite des Portfolios P
σP
Standardabweichung des Portfolios P
σ P2
Varianz des Portfolios P
σij
Kovarianz zwischen der Rendite des Wertpapiers i und der Rendite des Wertpapiers j
rf
risikoloser Marktzinssatz für Geldanlage und Geldaufnahme
SRP
Sharpe Ratio des Portfolios P
TRP
Treynor Ratio des Portfolios P
βP
Sensitivität des Portfolios P gegenüber dem Marktportfolio M
αP
Jensens Alpha zum Portfolio P
M
Marktportfolio
rM
Rendite des Marktportfolios
T
Tangentialportfolio
µP
Erwartungswert der Rendite des Portfolios P
µi
Erwartungswert der Rendite des Wertpapiers i
βi
Sensitivität des Wertpapiers i gegenüber dem Portfolio P
xi/ xj
Anteilsgewicht des Wertpapiers i bzw. j am Portfolio
m
Multiplikator
BW
Barwert
LPMg
Lower Partial Moment zum Grad g
g
Grad des Lower Partial Moment
LPM0
Ausfallwahrscheinlichkeit
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
101
LPM1
mittlerer Verlust
LPM2
Semivarianz
n
Anzahl der insgesamt beobachteten Renditeausprägungen im Kontext der LPM-Maße
i
Anzahl der als kritisch empfundenen Renditeausprägungen im Kontext der LPM-Maße
τ
Zielrendite im Kontext der LPM-Maße
rt
realisierte Rendite im Zeitpunkt t
102
Kapitel II
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104
Kapitel II
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Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation
105
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106
Kapitel II
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III
Zur Versicherungswirtschaft als integralen Bestandteil des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
Wilhelm Schmeisser / Peggy Schettler
1
„Versicherung“ - eine terminologische Bestimmung
Eine Versicherung ist grundsätzlich ein Leistungsversprechen für den Schadensfall.1 Mit Versicherung wird das Grundprinzip der kollektiven Risikoübernahme (Versicherungsprinzip) bezeichnet, wobei viele Mitglieder einen Geldbetrag (= Versicherungsbeitrag) in den Geldtopf einzahlen, um beim Eintreten des speziellen Versicherungsfalles aus diesem einen Schadenausgleich zu erhalten. Sie wird nach dem Assoziationsprinzip als Gegenseitigkeitsversicherung oder nach dem Spekulationsprinzip als Erwerbsversicherung betrieben. Es erfolgt eine Trennung entsprechend der Rechtsordnung in: a) das Sozialversicherungsrecht und b) das Privatversicherungsrecht (Versicherungsunternehmensrecht, Versicherungsaufsichtsrecht und Versicherungsvertragsrecht). Anhand versicherungsmathematischer Methoden, kann der Schadensumfang statistisch abgeschätzt werden. Dadurch ist es möglich, den für jedes Mitglied des Kollektivs benötigte Beitrag zu bestimmen. Anders ist es bei der Individualversicherung (Privat- und Vertragsversicherung). Hier kommt der Transfer durch freiwillige Entscheidungen zustande. Zwangscharakter hat hingegen die Sozialversicherung, da der Beitritt im Wesentlichen kraft Gesetzes erfolgt.
2
Versicherung und Risikomanagement
Um ein Risiko richtig versichern zu können, muss ein Prozess in Gang gesetzt werden, welcher die Beschreibung, Erkennung, Bewertung und Festlegung des Umgangs mit dem jeweiligen Risiko zur Grundlage hat. Hiermit befasst sich das Risikomanagement der Versicherung. Folgende Risikokomponenten sind dabei zu berücksichtigen: • Wert (Sache, Person, Prozess, System, Zustand), • Gefahren, welchen die Werte ausgesetzt sind,
1
Nach Dieter Farny ist sie dafür da, die Deckung eines im Einzelnen ungewissen, insgesamt geschätzten Mittelbedarfs für einen Schadensfall, auf der Grundlage des Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit.
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
109
• Auswirkungen, wenn sich die Gefahr am Wert verwirklicht (direkte und indirekte, finanzielle und nicht-finanzielle Art), • Eintrittswahrscheinlichkeit und Häufigkeit.
In der Praxis existiert eine hohe Vielfältigkeit der versicherbaren Risiken. Dabei lassen sich Risikogruppen definieren: Biometrische Risiken: • Individuelle Risiken, die das Leben/ den Lebensunterhalt betreffen • Abdeckung durch Lebensversicherungsprodukte • Bsp. Erwerbsunfähigkeit, Pflegebedürftigkeit Kostenrisiken: • Abdeckung durch Rechtsschutzversicherung und Krankenversicherung • Bsp. Gerichtskosten, Krankheitskosten Schadensrisiken (Feuer, Unfall, Diebstahl): • Abdeckung durch diverse Schadensversicherungsarten • Bsp. Wohngebäude-, Unfall-, Hausratversicherung Haftungsrisiken: • Abdeckung durch diverse Haftpflichtversicherungen
3
Historischer Abriss zur Entwicklung der Versicherungsfunktionen2
Erste Hinweise von Haftpflichtversicherungen gehen in die Jahre 1792 bis 1750 vor unserer Zeitrechnung zurück. Belegt wird dies durch eine Gesetzes-Stelle, auf welcher der damals herrschende König Hammurabi im alten Babylon die geltenden Rechte festhielt. Der an der Stelle formulierte „Codex Hammurabi“ klärte Haftungsfragen und unvorhergesehene Ereignisse. Erste Formen von Seeversicherungen und zugleich erste kaufmännische Versicherungen traten in Italien des 14. Jahrhunderts auf. Unter der Bedingung, dass das Schiff wieder Heil im Hafen landete, musste das Seedarlehen und die vereinbarten Zinsen zurückgezahlt werden. Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelten sich in Schleswig-Holstein so genannte Brandgilden. Hier findet man den Ursprung von „Versicherungen auf dem Gegenseitigkeitsprinzip“. Die erste aus öffentlicher Hand stammende Versicherungseinrichtung wurde im Jahre 1676 unter dem Namen der Hamburger Feuerkasse gegründet. Die folgenden monopolisierten Gebäudeversiche2
Vgl. Weller, Mario: VersicherungOnline: Geschichte/ Entstehung der Versicherung, abrufbar unter: http://www.mario-weller.de/geschichte.versicherung.html, (Stand: 05.02.2007).
110
Kapitel III
rungsanstalten dienten der Erhaltung der Gebäudesubstanz und der Erhaltung und dem Schutz des Realkredites. Im Jahr 1765 wurde in England die Equitable Life Assurance Society gegründet, die erste auf mathematischen Grundlagen existierende Versicherung. In Deutschland erfolgte 1820 die Gründung der Gothaer Feuerversicherungsbank von Ernst Willhelm Arnoldi. Aus ihr entwickelte sich 1827 die erste deutsche Lebensversichererbank – Gothaer Lebensversicherungsbank. In der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es weltweit zur Bildung von Rückversicherungsunternehmen, welchen die klare Einsicht der Versicherer vorausgegangen war, Risiken besser verteilen zu müssen. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts hielten weitere Versicherungsbereiche Einzug. In den Jahren 1883 bis 1889 von Bismarck und Kaiser Wilhelm I wurden in Deutschland die gesetzliche Rentenversicherung gemeinsam mit anderen Sozialversicherungen eingeführt. Folgende Tabelle fasst die einzelnen Versicherungen zusammen: 1883 Krankenversicherung 1884 Unfallversicherung 1889 Rentenversicherung 1927 Arbeitslosenversicherung 1968 Einführung des heutige Umlageverfahren 1994 Pflegeversicherung 2001 Riesterente
Tab. 1: Sozial und Rentenversicherung in Deutschland3
4
Klassifikation von Versicherungsarten
Versicherungsarten können grundsätzlich in drei Gruppen eingeteilt werden: 1. Personen- und Nichtpersonenversicherungen, 2. Schadens- und Summenversicherungen, 3. Aktiven- und Passivenversicherungen. 4.1
Personen- und Nichtpersonenversicherungen
Bei der Personenversicherung werden Schäden, die direkt an Personen entstehen können, versichert. Sie gliedert sich in die Lebens-, die Kranken- und Unfallversicherung. Im Gegensatz hierzu steht die Nichtpersonenversicherung (Güterversicherung). Schadensfälle beziehen sich direkt auf versicherte Vermögensgüter. Zur Nichtpersonenversicherung werden alle Sach-, Haftpflicht- und sonstige Vermögensversicherungen gerechnet, bspw. die Grundstücksversicherung. 3
Vgl. Weller, Mario: VersicherungOnline: Geschichte/ Entstehung der Versicherung, abrufbar unter: http://www.mario-weller.de/geschichte.versicherung.html, (Stand: 05.02.2007).
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
4.2
111
Schadens- und Summenversicherungen
Bei der Schadensversicherung bemisst sich die Versicherungsleistung nach dem effektiven Vermögensschaden, dem konkreten Schadensbedarf. Eine vereinbarte Versicherungssumme beschreibt bei dieser Versicherungsart lediglich die maximale Versicherungsleistung. Typische Schadensversicherungen sind Hausrat-, Haftpflicht und Autoversicherung. Bei der Summensversicherung hingegen erfolgt die Festsetzung einer bestimmten Versicherungssumme im Schadensfall, z.B. Lebensversicherung. Sie leistet im Versicherungsfall eine vorbestimmte Versicherungssumme. Summenversicherungen sind immer Personenversicherungen, z.B. die Lebensversicherung. 4.3
Aktiven- und Passivenversicherungen
Unter der Versicherung von Aktiven versteht man die Versicherung von Sachvermögen und finanziellen Gütern. Bei der Passivenversicherung hingegen wird die Versicherung gegen die Erhöhung von Schulden (Passiven), wie sie bspw. durch Haftpflichtforderungen entstehen können, verstanden. Oft werden sie auch als Aufwandsversicherungen bezeichnet.
5
Versicherungsunternehmen
5.1
Terminologische Abgrenzung
Nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz ist jedes Unternehmen, welches Versicherungsgeschäfte betreibt, ein Versicherungsunternehmen. Es definiert sich einerseits dadurch, dass es sich gegen die Zahlung einer Prämie verpflichtet, an den Versicherungsnehmer bei Eintritt bestimmter Schadensfälle, entsprechende Zahlungen zu tätigen. Andererseits stellt ein Versicherungsunternehmen die ihm zufließenden Einzahlungen (bspw. Prämien), gegen das Versprechen späterer Rückzahlungen, bestimmten Geldnehmern zur Verfügung. Zu den Versicherungsunternehmen zählen: • Lebensversicherungsunternehmen, • Pensionskassen, • Sterbekassen, • Krankenversicherungsunternehmen, • Schaden- und Unfallversicherungsunternehmen. Nicht dazu gehören die Ersatzkassen, z.B. DAK und Barmer (Sozialversicherung). 5.2
Staatliche Kontrolle
Durch die zentrale volkswirtschaftliche Rolle der Versicherungsunternehmen unterliegen diese in Deutschland der besonderen staatlichen Kontrolle. Das Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz VAG) regelt in zentraler bundeseinheitlicher Weise u.a. folgende Kriterien: • Zulassung,
112
Kapitel III
• Geschäftsbetrieb, • Rechtsformen, • Kapitalanlagen und Aufsicht.
Die zuständige Aufsichtsbehörde ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin), zuständiges Fachministerium das Bundesministerium für Finanzen. 5.3
Organisation
Aus nationaler Ebene kann ein Versicherungsgeschäft nur in der Rechtsform als4: • Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, • Aktiengesellschaft, • Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts geführt werden. Außerdem muss der Grundsatz der Spartentrennung berücksichtigt werden. So müssen Lebens-, Kranken-, Rechtsschutz- und das übrige Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft grundsätzlich von jeweils rechtlich selbständigen Versicherungsunternehmen betrieben werden. Damit jedoch alle Versicherungsarten aus einer Hand angeboten werden können, kommt es zur Konzernbildung. Die in Deutschland ansässigen privatwirtschaftlichen Versicherungsunternehmen haben sich im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft5 e.V. (GDV) zusammengeschlossen. 5.4
Statistische Angaben
Die nachfolgende Tabelle 2 zeigt eine Übersicht über die größten Versicherungsunternehmen in Deutschland.
4 5
Online im Internet: http:// www.private-krankenversicherung-18.de, 05.02.2007. Online im Internet: http:// www.private-krankenversicherung-18.de, 05.02.2007.
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
113
Lfd.Nr.
Versicherung
Beitragseinnahmen
1.
Allianz Group
96,89 Mrd. €
2.
Münchener- Rück- Gruppe
38,07 Mrd. €
3.
Talanx AG
14,16 Mrd. €
4.
AMB Generali Holding AG
10,94 Mrd. €
5.
R+V Konzern
8,06 Mrd. €
6.
AXA Konzern AG
6,31 Mrd. €
7.
Debeka Versicherungen
6,27 Mrd. €
8.
Zürich Gruppe Deutschland
6,11 Mrd. €
9.
Versicherungskammern Bayern
5,26 Mrd. €
10.
Signal Iduna Gruppe
4,56 Mrd. €
Tab. 2: Übersicht der größten deutschen Versicherungsunternehmen
Analog hierzu werden in Tabelle 3 die größten Versicherungszweige nach Beitragsaufkommen dargestellt. Lfd. Nr.
Versicherungszweig
Beitragsaufkommen
1.
Lebensversicherung
72,10 Mrd. €
2.
Private KV
27,40 Mrd. €
3.
Kraftfahrtversicherung
21,90 Mrd. €
4.
Allg. Haftpflichtversicherung
6,80 Mrd. €
5.
Private UV
6,00 Mrd. €
6.
Wohngebäudeversicherung
4,00 Mrd. €
7.
Rechtsschutzversicherung
3,00 Mrd. €
8.
Industrielle Feuerversicherung
2,70 Mrd. €
9.
Hausratversicherung
2,50 Mrd. €
10.
Transportversicherung
1,90 Mrd. €
Tab. 3: Übersicht der größten deutschen Versicherungszweige
5.5
Exkurs: Versicherungsvermittler
Versicherungsvermittler sind alle Personen, welche berechtigt sind, für Andere einen Versicherungsvertrag abzuschließen oder anzubahnen.6 Sie handeln im Auftrag eines Versicherungsunternehmens. Ihre Aufgabe ist es, Kunden für das entsprechende Unternehmen zu werben, über den Versicherungsschutz zu informieren und persönlich zu betreuen. In der Regel unterscheidet man zwischen:
6
Online im Internet: http://versicherungs-wiki.de, 05.02.2007.
114
Kapitel III
• Versicherungsvertretern, • Angestellten im Außendienst und • Versicherungsmaklern.
Selbständige Versicherungsvertreter sind im Gegensatz zu Versicherungsmaklern in ihrer Tätigkeit an das Versicherungsunternehmen gebunden, sie stehen in Vertragsverhältnissen bzgl. der Regelung von Vollmachten und Provisionen (z.B. für Vermittlung, Betreuung, Inkasso).
6
Versicherungsvertrag
Ein Versicherungsvertrag beinhaltet charakteristischerweise ein Versicherungsverhältnis, also die Gewährung von Versicherungsschutz. Es ist ein Vertrag zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Versicherungsnehmer, durch welchen sich Erstgenannter gegen die Zahlung von Versicherungsprämien verpflichtet, mit Eintritt des spezifischen Versicherungsfalles vertraglich festgelegte Zahlungen entweder an den Versicherungsnehmer oder an Bezugsberechtigte zu leisten. Deutsche Gesetze sehen keine explizite Definition des Begriffs „Versicherungsvertrag“ vor. Jeder Versicherungsvertrag ist in Deutschland ein privatrechtlicher Vertrag. Durch die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung der Versicherungen und den zahlreichen Spezialisten des Versicherungsrechts wurde im Jahre 1908 das Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG) in Kraft gesetzt. Dieses gilt als Spezialnorm des Versicherungsrechts und hat somit Vorrang vor den Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), von dem nur die allgemeingültigen Bestimmungen etwa zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und der spezifische Sprachgebrauch in der Auslegung für das VVG relevant sind. Neben diesen beiden Gesetzen haben indirekt das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und das Handelsgesetzbuch (HGB) Einfluss auf den Versicherungsvertrag, da hierdurch rechtliche bzw. wirtschaftliche Grenzen der Entscheidungen der Versicherer bei der Vertragsgestaltung gesetzt werden. Zusätzlich zu den dargestellten rechtlichen Grundlagen sind die für den jeweiligen Versicherungsvertrag geltenden Vertragsbestimmungen von elementarer Bedeutung. Diese sind in der Vertragsurkunde (gesetzlich als Versicherungsschein bezeichnet) dokumentiert. Gegebenenfalls können auch Vertragsbestimmungen, insbesondere für vorvertragliche Verpflichtungen, auf dem Antrag von Bedeutung sein. Diese können entweder Individualvereinbarungen oder AGB sein. Gesetzlich werden die Vertragsbestimmungen eines Versicherungsvertrages als „Versicherungsbedingungen“, dabei die AGB als „allgemeine Versicherungsbedingungen“ und die Individualvereinbarungen als „besondere Versicherungsbedingungen“, bezeichnet.
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
115
Die Vertragsurkunde, welche gesetzlich als Versicherungsschein bezeichnet wird, ist meist in mehrere Teile gegliedert. Die erste Seite ist ein Datenblatt mit individuellen Angaben zum Versicherungsvertrag, daran anschließend folgen die Anlagen zum Versicherungsschein, welche alle übrigen Vertragsbestimmungen enthalten. Zu den individuellen Angaben gehören insbesondere: • Versicherungsbeitrag, • Versicherungsleistung (bei individueller Festlegung), • Beginn und Ende des Versicherungsschutzes sowie • internen Vertragskennzeichen des Versicherers: Versicherungs- oder Versicherungsscheinnummer/ interne Produktbezeichnung des Versicherers.
7
Versicherungsvertragsarten
In der Praxis zeigt sich eine endlose Vielfalt an Versicherungsvertragsarten, welche auch „Branchen“, „Versicherungszweige“ oder „Sparten“ genannt werden. Eine Differenzierung und ein Überblick werden nachfolgend gegeben:7 Lebensversicherung: • Risikolebensversicherung • Kapitallebensversicherung (fondsgebundene Kapitallebensversicherung) • Rentenversicherung (fondsgebundene Rentenversicherung) Krankenversicherung: • Gesetzliche Krankenversicherung (Private Ergänzungstarife zur gesetzlichen KV) • Private Krankenversicherung • Dread-Disease-Versicherung (schwere Krankheiten) • Grundfähigkeiten-Versicherung Reiseversicherung: • Reisestornoversicherung • Reisemittelversäumnisversicherung • Reisegepäckversicherung • Reiseunfallversicherung • Reisekrankenversicherung • Reiserücktransportversicherung • Reiseprivathaftpflichtversicherung
7
Online im Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Versicherungsvertrag, (Stand: 05.02.2007).
116
Kapitel III
• Reiseassistenzversicherung Berufsunfähigkeitsversicherung Haftpflichtversicherung: • Kfz-Haftpflichtversicherung • Privathaftpflichtversicherung • Tierhalterhaftpflichtversicherung • Betriebshaftpflichtversicherung (General Liability, GL) und • Berufshaftpflichtversicherung (Professional Indemnity, PI) • Produkthaftpflichtversicherung • Bauherrenhaftpflichtversicherung • Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Manager, Stiftungsräte von Pensionskassen oder Freiberuflern Betriebsunterbrechungsversicherung Rechtsschutzversicherung Kfz-Versicherung Pflegeversicherung Tierhalterversicherung Kreditversicherung Vertrauensschadenversicherung (auch Crime genannt) Kidnap & Ransom (Entführung und Lösegeld) Private Arbeitslosenversicherung Kompositversicherung 7.1
Exkurs: Wesentliche Geschäftsversicherungen
Nachfolgend werden wesentliche Geschäftsverbindungen und deren Versicherungen im Überblick aufgezeigt:
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
117
Haftpflicht: Betrieb und Beruf
Fahrzeuge und Verkehr
Personen: Inhaber und Mitarbeiter
Inhalt: Betrieb und Inventar
- Betriebs- und Berufshaftpflicht - Erweiterte Produkthaftpflicht - Umwelthaftpflicht
- Kfz-Haftpflicht - Teil-/ Voll-Kasko - Flottenversicherung - Transport-Carrier - Transport-Werkverkehr
- Vertrauensschaden - Rechtsschutz für Selbständige - Krankentagegeld - Unfallversicherung - Gruppenkranken - Mitarbeiter auf Dienstreise - Betriebliche Altersvorsorge
- Geschäftsinhaltsversicherung - Betriebsunterbrechung - Betriebskostenversicherung - Elektronikversicherung - Spezielle Computerversicherung - Maschinenversicherung - Glas- und Werbeanlagen - Geschäftsgebäude
Abb. 1: Geschäftsversicherungen8
Im nächsten Kapitel werden ausgewählte Geschäftsversicherungen näher beschrieben. 7.2
Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung
Die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung bietet einen Schutz vor Schadensersatzansprüchen, welche Dritte gegen den Inhaber oder das Unternehmen erheben. Sie übernimmt, wie die Privathaftpflichtversicherung im privaten Bereich den Ersatz von berechtigten Schadensersatzansprüchen sowie die Prüfung und Abwehr nicht berechtigter Haftpflichtansprüche. Dabei leistet sie „passiven“ Rechtsschutz, da im Fall eines Rechtsstreites die Prozesskosten für die Abwehr nicht berechtigter Ansprüche übernommen werden. Vorteile dieser Versicherung sind z.B. Wirtschaftliche Existenzsicherung, Passive Rechtsschutzfunktion, Schutz umfasst i.d.R. Personen- ,Sachund Vermögensschäden, Versicherungsbeiträge sind Betriebsausgaben, Versicherungsschutz auch für Mitarbeiter. 7.3
Gruppenkrankenversicherung9
Im Rahmen der Gruppenkrankenversicherung können Firmen für ihre Mitarbeiter einen privaten Krankenversicherungsschutz erwerben. Der Gruppenvertrag muss grundsätzlich mindestens 30 Mitarbeiter versichern. Die Beiträge sind meist niedriger als bei Einzelverträgen, Wartezeiten zu Vertragsbeginn entfallen. Zwischen den Versicherungsunternehmen und den jeweiligen Unternehmen werden Rahmenverträge zur Gruppenkrankenversicherung geschlossen. Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:
8 9
www.versicherungen.de Online im Internet: http://www.versicherung.de, (Stand: 04.12.2006).
118
Kapitel III
1. Möglichkeit: Unternehmen schließt für seine Arbeitnehmer als Extra-Sozialleistung eine KrankenErgänzungsversicherung ab. Der Arbeitgeber zahlt die Beiträge und der Arbeitnehmer tritt als versicherte Person auf. 2. Möglichkeit: Unternehmen vereinbart mit dem Versicherungsunternehmen besondere Tarife, die speziell für seine Mitarbeiter gelten. 7.4
Betriebsunterbrechungsversicherung
Da häufig nach einem Schadensfall der Betrieb still steht, kommt es zu einer teilweisen oder vollständigen Unterbrechung des Betriebsablaufes, welcher weit reichende Folgen haben kann. Viele Betriebskosten fallen auch dann an, wenn kein Umsatz erzielt wird, wie Löhne und Gehälter, Pacht und Zinsen. Hier greift die Betriebsunterbrechungsversicherung. Die Versicherer unterscheiden in der Regel drei Formen:10 1. „Klein-BU-Versicherung“ bis zu 500.000 EUR Versicherungssumme: Abschluss nur mit einer Geschäftsinhaltsversicherung (Feuer-, Einbruchdiebstahl-, Leitungswasser-, Sturmversicherung. 2. „Mittlere-BU-Versicherung“ bis zu 2,5 Millionen EUR Versicherungssumme: Abschluss unabhängig von Inhaltsversicherung 3. „Groß-BU-Versicherung“ für Industrierisiken
8
Finanzierungsleistungen: mittel- und langfristige Kreditfinanzierungen durch Versicherungen
Ein charakteristisches Merkmal von Versicherungen, vor allem von Lebensversicherungen, besteht aus dem Erzielen von höheren Einzahlungen aus getätigten Versicherungsverträgen gegenüber zu erbringenden Auszahlungen. Aus diesem Grund ergeben sich Einzahlungsüberschüsse, welche in sinnvoller Weise mittel- bis langfristig angelegt werden müssen und können. Bei dieser Vermögensanlage sind die Versicherungen an aufsichtsrechtliche Vorschriften gebunden. Die entsprechenden Richtlinien des VAG lassen sich in zwei Gruppen einteilen: 1. Allgemeine Anlagegrundsätze nach § 54 VAG 2. Spezielle Anlagevorschriften für das gebundene Unternehmen. Gemäß § 54 VAG müssen Versicherungsunternehmen ihr Vermögen unter Beachtung der folgenden 4 Grundsätze anlegen:
10
Online im Internet: http://www.dialog-moers.de, (Stand: 05.02.2007).
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
• • • •
119
Grundsatz der Sicherheit, Grundsatz der Rentabilität, Grundsatz der Liquidität sowie Grundsatz der Mischung und Streuung.
Der im Rahmen der aufgezeigten allgemeinen Handlungsgrundsätze verbleibende Handlungsspielraum wird durch den Gesetzgeber mittels eines 3-stufigen Vorschriftensystems eingeschränkt. 1. Stufe: Aufführung der zulässigen Anlageformen für gebundenes Vermögen nach § 54a Abs. 2 VAG 2. Stufe: Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes der Mischung und Streuung: Festlegung von Höchstgrenzen für verschiedene Vermögensanlagen nach § 54a Abs. 2 und 4 VAG 3. Stufe: Definition von Mindestqualitätsanforderungen für spezielle Anlageformen 8.1
Schuldscheindarlehen an gewerbliche Unternehmen
In der Vergabe von Darlehen an Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors besteht eine Möglichkeit der Vermögensanlage für Versicherungen anhand von Schuldscheindarlehen. Schulscheindarlehen charakterisieren sich durch folgende Merkmale: 1. Merkmalsgruppe: Laufzeit: 5-10 Jahre Kreditbetrag: 50.000 – über 1 Mio.€ Ausgestaltung: Gesamtfälligkeit der Schulden oder Tilgung in gleichen Raten 2. Merkmalsgruppe: Die Verzinsung des Schuldscheindarlehens orientiert sich an der Zinsentwicklung am Rentenmarkt und liegt ca. ¼ bis ½ %- Punkt über der Rendite vergleichbarer Industrieobligationen. Der Zinssatz wird meist auf die gesamt Laufzeit festgeschrieben. 3. Merkmalsgruppe: Erfolgt die Vergabe von Schuldscheindarlehen als Anlage des gebundenen Vermögens müssen die durch das Versicherungsaufsichtsgesetz und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorgegebenen Sicherungskriterien beachtet werden: • ausreichende Bonität (Gesamtkapitalrendite, Entschuldungsdauer, Finanzierungskoeffizient), • Bestellung erstrangiger Grundpfandrechte.
Hinsichtlich der Modalitäten bei der Vergabe von Schuldscheindarlehen sind drei Varianten zu beobachten: 1. Variante: Direkte Darlehensvergabe an ein Industrieunternehmen
120
Kapitel III
2. Variante: Indirekte Darlehensvergabe: Einschalten eines Finanzmaklers oder Kreditinstitutes 3. Variante: Kreditinstitute treten gegenüber den Unternehmen als effektiver Kreditgeber auf, erst dann Abtretung der Ansprüche aus Vergabe von Schuldscheinen an Versicherungsunternehmen. 8.2
Darlehen an private Haushalte
Versicherungsunternehmen können Darlehen auch an ihre eigenen Versicherten, in der Regel an private Haushalte, vergeben. Diesbezüglich werden zwei Varianten unterschieden: Policendarlehen: Das Versicherungsunternehmen gewährt dem Kunden ein Darlehen bis zur Höhe des Rückkaufswertes der bestehenden Versicherungsverträge. Der Rückkaufswert entspricht dem Betrag, auf den der Versicherte Anspruch hätte, wenn er den Versicherungsvertrag ohne Eintritt des Versicherungsfalles vorzeitig kündigen würde. Vorauszahlungsdarlehen: Hier wird ein Versicherungsvertrag in Höhe der vollen Versicherungssumme beliehen. Da das Versicherungsunternehmen ein höheres Risiko eingeht, werden zusätzliche Sicherheiten verlangt.
9
Vermögensanlage bei Versicherungen: am Beispiel von Lebensversicherungsverträgen
Für den Abschluss einer Lebensversicherung können folgende wesentliche Gründe eine Rolle spielen: • Die vermögensmäßige Absicherung eines gewissen Lebensstandards für die Zeit nach der Beendigung der Erwerbstätigkeit (Altersversorgung). • Die vermögensmäßige Absicherung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes oder der Berufsunfähigkeit des Hauptverdieners (Hinterbliebenenversorgung). Die Begünstigten erhalten unabhängig von der bereits verstrichenen Laufzeit des Vertrages eine vereinbarte Geldleistung, wenn innerhalb der Vertragsdauer der Tod/ die Berufsunfähigkeit des Versicherten eintritt. In der Praxis treten eine Vielzahl von Ausgestaltungsformen der Lebensversicherungen auf. Vier wesentliche Konstruktionsmerkmale sind hierbei erkennbar: • Bedingungen für den Eintritt der Leistungsverpflichtung, • Art der vereinbarten Versicherungsleistung, • Zeitpunkt und Höhe der Prämienzahlungen, • Art der Überschussbeteiligung.
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
9.1
Formen von Lebensversicherungen
9.1.1
Leistungsvoraussetzungen
121
Bezüglich der Voraussetzungen, unter denen die Zahlungspflicht des Versicherungsunternehmens einsetzt, können vier Grundtypen von Lebensversicherungen unterschieden werden: 1. Leistungspflicht nur bei Tod (Risikolebensversicherung)/ Berufsunfähigkeit Die Versicherungssumme wird nur ausgezahlt, wenn der Versicherte während der Vertragsdauer verstirbt. Bei Ablauf des Vertrages wird keine Leistung fällig. Analog hierzu wird bei der Berufsunfähigkeitsversicherung die Rentenzahlung nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit eingeleitet. 2. Leistungspflicht bei Tod oder Vertragsablauf Die Versicherungsleistung wird unabhängig von der verstrichenen Vertragslaufzeit beim Tod des Versicherten, spätestens jedoch zu dem vereinbarten Ablauftermin fällig. 3. Leistungspflicht nur bei Vertragsablauf Die Leistungspflicht der Versicherung tritt nur ein, wenn die versicherte Person das vertraglich festgelegte Alter erreicht. Bei vorzeitigem Tod erfolgt keine Zahlung. 4
Unbedingte Leistungspflicht zu einem bestimmten Zeitpunkt (Terminfixversicherung) Die Versicherungsleistung erfolgt zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt unabhängig davon, ob der Versicherte noch lebt oder nicht. Wichtigster Praxisfall ist die Ausbildungsversicherung. 9.1.2
Versicherungsleistungen
Lebensversicherungsverträge werden außerdem danach untergliedert, ob mit Eintritt der Leistungspflicht eine einmalige Zahlung erfolgt oder über einen Zeitraum regelmäßig wiederkehrende Leistungen erbracht werden (Rentenzahlungen). 9.1.2.1
Kapitallebensversicherungen
Der Kapitallebensversicherung kommt in Deutschland die dominierende Rolle zu, insbesondere in Form der Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall. Es gilt drei Varianten bzgl. der Höhe der Versicherungsleistung zu unterscheiden. Die Leistung stimmt im Todesfall mit der Leistung im Erlebensfall überein, die Leistung im Todesfall ist höher oder aber niedriger als die Erlebensfallleistung. Eine andere wichtige Form der Kapitallebensversicherung ist die reine Risikolebensversicherung. Auch hier bleibt im Normalfall die zu leistende Summe während der gesamten Vertragsdauer konstant. Es gibt jedoch auch die Variante der im Zeitablauf fallenden Versicherungssumme, welche oft mit Verträgen abgeschlossen wird, aus denen für den Versicherten über
122
Kapitel III
einen gewissen Zeitraum hinweg bestimmte finanzielle Leistungsverpflichtungen resultieren (bspw. Bauspardarlehen). Beide Versicherungsarten können auch als dynamische Versicherungen abgeschlossen werden. 9.1.2.2
Rentenversicherungen
Zu den privaten Rentenversicherungen gehören die so genannten Leibrentenversicherung und die Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei der Leibrentenversicherung werden die Rentenzahlungen bis an das Ende des Begünstigten geleistet. Die Berufsunfähigkeitsversicherung sieht für den Fall der Berufsunfähigkeit eine Rentenzahlung bis zum 60. Lebensjahr bei Frauen und bis zum 65. Lebensjahr bei Männern vor. 9.1.3
Beitragszahlungen
Die vereinbarten Beitragszahlungen, Prämienzahlungen, welche die Gegenleistung des Versicherten sind, können nach ihrer zeitlichen Verteilung und nach der Entwicklung ihrer Höhe im Zeitablauf systematisiert werden. 9.1.3.1
Zeitliche Verteilung
Meist werden die Beiträge während der gesamten Laufzeit periodisch (monatlich, jährlich) entrichtet. Der Versicherungsschutz kann aber auch durch die Entrichtung einer Einmalprämie zu Beginn des Versicherungsverhältnisses erlangt werden (oft bei privaten Rentenversicherungen). 9.1.3.2
Höhe der Prämie
Die Höhe der Prämie ergibt sich aus den Tarifbedingungen der Versicherungen und hängt von der Versicherungssumme, dem Eintrittsalter des Versicherten und der Laufzeit bei Kapitallebensversicherungen bzw. dem Beginn der Leistungspflicht bei Rentenversicherungen ab. Es gibt drei Varianten bzgl. der Höhe der Prämien im Zeitablauf: • konstant bleibende Prämien, • steigende Prämien, • fallende Prämien. 9.1.4
Überschussbeteiligung
Oft wird die Höhe der Prämien gemessen an den tatsächlich eingetretenen Belastungen zu hoch angesetzt. So entstehen Überschüsse, welche sich aus Sterblichkeitsgewinnen, Kostenersparnissen und Verzinsungsgewinnen zusammensetzen können. Diese Überschüsse müssen durch aufsichtsrechtliche Vorschriften zu mindestens
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
123
90% an die Versicherten im Rahmen der Überschussbeteiligung zurückerstattet werden. Dabei gilt es drei Grundvarianten der Überschussbeteiligung zu unterscheiden: Überschussbeteiligung
Laufende Weiterleitung
Barauszahlung
Beitragsanrechnung
Erhöhung späterer Versicherungsleistungen bei fester Laufzeit
Verzinsliche Ansammlung
BonusSystem
Abkürzung der Laufzeit
Verzinsliche Ansammlung
BonusSystem
Abb. 2: Grundvarianten der Überschussbeteiligung
9.1.4.1
Laufende Weiterleitung
Den Versicherten kommen die ihnen zustehenden Überschussanteile laufend zu, entweder in Form der Barauszahlung oder mit der Anrechnung auf die laufenden Beiträge. 9.1.4.2
Erhöhung späterer Versicherungsleistungen
Die Anteile werden nicht sofort an den Versicherten weitergeleitet, sondern führen zu einer Erhöhung der Ansprüche gegenüber dem Versicherungsunternehmen. Bei der verzinslichen Ansammlung werden die Anteile zugunsten des Versicherten verzinslich angelegt und später mit der Versicherungssumme ausgezahlt. Mit dem BonusSystem werden die Anteile zur Erhöhung der Versicherungssumme verwendet. 9.1.4.3
Abkürzung der Laufzeit
Bei der Todes- und Erlebensfallversicherung sowie bei der Leibrentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung werden hier die Überschussanteile zu einer Verkürzung der Laufzeit führen.
10
Staatliche Aufsicht über Private Versicherungsunternehmen
Die sachliche Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) bezieht sich grundsätzlich nur auf private Versicherungsunternehmen, jedoch nicht auf die Sozialversicherungs-Träger. Sie ist dem Bundesministerium der Finanzen unterstellt und arbeitet nach dem Versicherungsaufsichts-Gesetz (VAG). 10.1
Versicherungsgesellschaften mit Sitz in Deutschland
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist zuständig für die Zulassung zum Geschäftsbetrieb einer Versicherungsgesellschaft und für die Beaufsichtigung der Gesellschaft.
124
10.2
Kapitel III
Ausländische Versicherungsgesellschaften aus der Europäischen Union (EU) und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit Niederlassung in Deutschland
Hier muss die Versicherungsgesellschaft der deutschen Aufsichtsbehörde lediglich anzeigen (mitteilen), dass sie in Deutschland tätig wird. Zuständig für die Aufsicht ist aber nicht die deutsche Behörde, sondern die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes. Ist die deutsche Aufsichtsbehörde der Meinung Missstände zu erkennen, kann es nicht direkt gegen das ausländische Unternehmen vorgehen. Sie meldet ihre Vermutungen der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes mit der Aufforderung, den Missstand zu verfolgen. 10.3
Ausländische Versicherungsgesellschaften außerhalb der Europäischen Union/außerhalb dem Europäischen Wirtschaftsraum
Auch ausländische Versicherungsgesellschaften außerhalb der EU/ außerhalb des EWR unterstehen der deutschen Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, wenn sie Versicherungen in Deutschland vertreiben. Ausländische Versicherungsgesellschaften ohne Zulassung der deutschen Behörde dürfen ihre Policen nicht in Deutschland aktiv anbieten. Der Verbraucher kann jedoch von sich aus, jederzeit bei jedem Versicherungsanbieter weltweit eine Police abschließen. 10.4
Ziele und Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Ziele und Aufgaben der BAFin bestehen hinsichtlich: • der Sicherstellung der dauernden Zahlungsfähigkeit der Versicherungsgesellschaften, um Schäden der Versicherten zu verhindern • im Erkennen und Abstellen von Missständen im Versicherungswesen, die eine Gefährdung der Versicherteninteressen darstellen und • in der Kontrolle von Versicherungsbedingungen der Anbieter. Das vorrangige Ziel ist es, die jederzeitige Zahlungsfähigkeit der Versicherungsgesellschaften sicherzustellen und damit Schäden der Versicherten zu verhindern, da der einzelne Versicherte nicht in der Lage ist die Solidität einer Versicherungsgesellschaft zu prüfen.
Versicherungswirtschaft des deutschen Finanzdienstleistungsmarktes
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Literaturverzeichnis Bitz, Michael (2002): Finanzdienstleistungen, Oldenbourg 2002. Eichenauer, Herbert/ Lüpertz, Viktor/ Köster, Peter/ Schalohr, Rolf (1993): Spezielle Versicherungslehre, 1993. Engels, Paul (1994): Die Versicherungen des Betriebes Leitfaden für Klein- und Mittelbetriebe, 1994. Sektion Finanzdienstleistungen im Europaverband der Selbständigen Bundesverband Deutschland (1996): Finanzdienstleistungen 1996/1997 Jahrbuch für Immobilien, Versicherungen und andere Finanzdienstleistungen, 1996. Weller, Mario (2007): VersicherungOnline: Geschichte/ Entstehung der Versicherung, abrufbar unter: http://www.mario-weller.de/geschichte.versicherung. html, (Stand: 05.02.2007). Online-Quellen:
http://www.bafin.de http://www.versicherungen-klippundklar.de http://www.versicherungs-wiki.de http://www.verbraucherschutz.wtal.de
IV
Zum Wandel der Finanzdienstleistungsbranche durch innovative Dienstleistungen von Non- und Nearbanks
Wilhelm Schmeisser / Christine Fuchs
Der deutsche Banken- und Finanzmarkt ist durch vielfältige Entwicklungen geprägt. Neben der brancheninternen Konkurrenz durch traditionelle Kreditinstitute, der Internationalisierung und durch Basel II, ist seit Jahren fast unauffällig eine weitere Gruppe von Anbietern in den Wettbewerb um Finanzdienstleistungen eingetreten, die Non- und Nearbanks. Die Non- und Nearbanks nehmen dabei als Branchenfremde eine differenzierende Stellung im Wettbewerb um den klassischen Bankkunden ein. Eine Beschreibung und Analyse dieser derzeitigen Entwicklung erfordert eine genaue Präzisierung, die durch Hypothesen herauskristallisiert wird: (1) Bisherige kurz- und mittelfristige (Banken-)Kredite werden kombiniert und mit Dienstleistungen und Produkten von Non- und Nearbanks angeboten, und dadurch aus dem Bankenbereich kontinuierlich substituiert. (2) Finanzdienstleistungen und kurzfristige Kredite werden immer mehr durch die Art und Weise geprägt und verkauft wie Non- und Nearbanks ihre Dienstleistungen und oder Produkte am Besten vermarkten können. (3) Potentielle (Banken-) Kunden werden zukünftig ihre Finanzgeschäfte dort und bei dem Unternehmen tätigen, bei dem sie mit ihren „Privatinvestitionen“ den „vermeintlichsten“ billigsten Anbieter haben. Diese Hypothesen platzieren den Kunden in den Mittelpunkt aller Marketingüberlegungen von Banken. Da die neue Konkurrenzentwicklung starke Auswirkungen auf den deutschen Bankenmarkt hat, insbesondere auf die Kreditgeschäfte aber auch Effekte auf das zukünftige Kundenverhalten und damit deren Bewusstseinswandel im Hinblick wie und wann Finanzdienstleistungen respektive Kredite nachgefragt werden.
1
Zum Bankenmarkt in Deutschland
Der Bankenmarkt in Deutschland ist traditionell durch eine Dreiteilung geprägt. Die drei klassischen Sektoren der Privatbanken, Volks- und Raiffeisenbanken sowie der Sparkassensektor weisen seit jeher eine brancheninterne Konkurrenz auf. Neben den traditionellen Banken und deren Wettbewerbsbeziehungen untereinander betreten neue Konkurrenten den Markt der Finanzdienstleistungen.
Zum Wandel der Finanzdienstleistungsbranche
127
Abb. 1: Wettbewerbskräfte in der Bankenbranche
Die Situation am Bankenmarkt in Deutschland wird durch vielfältige Wettbewerbsfaktoren beeinflusst. Dabei spielen die Informations- und Kommunikationstechnologien eine immer wichtigere Rolle. Besonders starken Einfluss hat das Internet auf die Entwicklung in diesem Bereich. Die Möglichkeiten, die das Internet für die Kunden als auch für Unternehmen bietet, sind vielfältig und verändern den Wettbewerb und die Marktkräfte im Finanzdienstleistungssektor. Ein weiterer wichtiger Wettbewerbsfaktor, der den deutschen Bankenmarkt beeinflusst, ist die zunehmende Internationalisierung. Durch die zunehmende Deregulierung und Liberalisierung der Märkte steigt auch die Anzahl der potenziellen Anbieter europa- und weltweit, was eine Verschärfung des Wettbewerbs zur Folge hat. Auch das Kundenverhalten ändert sich aufgrund der Marktgegebenheiten. Ein nie gekanntes steigendes Kosten- und Renditebewusstsein ist bei den Kunden zu erkennen. Die Kunden akzeptieren nicht mehr kommentarlos, was ihnen angeboten wird. Sie reagieren kritisch, wenn ihre wachsenden Ansprüche an die Beratung und Kreditprodukte nicht erfüllt werden. Aus diesem Grund sinkt auch die Loyalität der Kunden gegenüber den traditionellen Hausbanken bzw. Kreditinstituten. Dies hat bei starker Konkurrenz eine sinkende verlässliche Kundenbasis zur Folge. Als Antwort hierauf reagieren die Banken mit einer erhöhten Finanzproduktvielfalt und -qualität ihrer Finanzdienstleistungen. Der Markteintritt der Non- und Nearbanks ist ein schleichender aber nicht mehr negierbarer Faktor, der den deutschen Bankenmarkt zunehmend determiniert. Die Möglichkeiten für den Markteintritt erhalten die Non- und Nearbankunternehmen aufgrund der vorher behandelten Wettbewerbsfaktoren, die ihnen das Eindringen in das klassische Kreditgeschäft erleichtern. Die Branchenwettbewerbskräfte bzw. -faktoren helfen ihnen, mit Leasing- und Kreditgeschäften ihre Produkte noch besser zu vermarkten. Durch eine zunehmende Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte durch die Europäische Gesetzgebung wird es den Unternehmen der Non- und Nearbanks erleichtert den
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Kapitel IV
Schritt in den Finanzdienstleistungssektor zu suchen, zu finden und ihn kreativ mitzubestimmen. Die Wettbewerbsvorteile Non- und Nearbanks gegenüber klassischen Kreditinstituten kann u.a dadurch erklärt werden, dass sie nur geringe Fixkosten im Verwaltungsbereich haben und diese noch durch die Nutzung modernster Informationstechnologien zusätzlich gesenkt werden können. Der Hauptnutzen, der den Brancheneintritt für die Non- und Nearbankunternehmen in den Finanzdienstleistungssektor interessant macht, ist die Erschließung neuer Wachstumsquellen oder -impulse für ihre Produkte. Dadurch erhalten sie die unterschiedlichsten Möglichkeiten der Diversifizierung ihres Dienstleistungsangebotes.
2
Bankgeschäfte durch traditionelle Banken
Die klassischen Banken betreiben ihre Bankgeschäfte traditionell über die zahlreichen Filialen, die hohe Fixkosten mit verursachen. Die Kreditinstitute positionieren sich am Markt der Finanzdienstleistungen als Universalbank. Das Angebot der Kreditinstitute gestaltet sich derart, dass möglichst jedem Kunden zu jeder Zeit und an jedem Ort alle Finanzdienstleistungen angeboten werden. Im Laufe der Zeit wandelten sich die Kreditinstitute von reinen Filialbanken zu Multi-Channel-Anbietern.
OnlineBanking
Filialnetz
%
¡ Multi-ChannelBanking
CallCenter
Mobiler Vertrieb
Abb. 2: Multi-Channel-Banking Quelle: Harengel, J. (2000): Die Balanced Scorecard als Instrument des Banken-Controlling, abrufbar unter: http://deposit.ddb.de/cgi-in/dokserv?idn=961237562&dok_var=d1&dok_ ext=pdf&filename=961237562.pdf (Stand:18.11.2006).
Zum Wandel der Finanzdienstleistungsbranche
129
Die Kreditinstitute sind die einzigen Anbieter eines Multi-Channel-Bankings, da nur sie den Vertrieb über die Filialen, das Internet, das Call-Center als auch den mobilen Vertrieb anbieten können. Dieser Vorteil verschafft den Kreditinstituten eine gute Ausgangsposition im Wettbewerb mit den Direktbanken, Discountbrokern sowie Non- und Nearbanks. Nur die traditionellen Kreditinstitute können, insofern sie die neuesten technologischen Entwicklungen nutzen, unter dieser Kombination mit dem traditionellen Bankgeschäft den Kunden für sich gewinnen. Die Affinität der Kunden für ein Online-Banking steigt zurzeit enorm, so dass dieser Vertriebsweg zunehmend an Bedeutung gewinnt. Mehr als 20% der Kunden von Banken sind bereits reine Online-Banking-Nutzer und tätigen Bankgeschäfte ausschließlich auf dem elektronischen Kommunikationsweg. Weitere 20% der Kunden tätigen Bankgeschäfte traditionell über die Vertriebsstellen der jeweiligen Banken. Der verbleibende Anteil der Kunden von 60% nutzt die Möglichkeiten eines Multi-Channel-Bankings. Dieser doch überwiegende Anteil legt besonderen Wert auf die freie Auswahl der Kommunikationswege zur Bank.1 Die Neigung der Bankkunden zum Online-Banking ist jedoch in jedem Bankenzweig unterschiedlich. Bei den Privatbanken nutzen ca. 50% der Kundschaft die Möglichkeiten des Online-Bankings. Der Anteil der Nutzer bei den Sparkassen und den Volks- und Raiffeisenbanken ist noch relativ gering. Mit nur 32% liegen die Sparkassen dabei an letzter Stelle, knapp gefolgt von den Volks- und Raiffeisenbanken, bei denen ca. 38% der Kunden die Möglichkeiten eines OnlineBankings nutzen.2 Ein Großteil aller Kunden möchte die neuen Vertriebsformen wie Telefon-Banking, Electronic Banking gleichzeitig neben dem Filialnetz nutzen. Als primärer Vertriebsweg wird jedoch in absehbarer Zukunft nach wie vor die Geschäftsstelle/ Filiale einer Bank vor Ort sein. Das verleitet zur Voraussage, dass auch die Bankfiliale in der Zukunft weiter eine entscheidende Rolle im Wettbewerb um den Kunden spielen wird. Jedoch ist unstrittig, dass die bisherigen Kernkompetenzen der Banken sich ändern müssen, wenn sie auf die Herausforderungen der Non- und Nearbanks angemessen reagieren wollen, ohne jedoch die klassischen Bankaufgaben vollständig aufzugeben. Für die Kreditinstitute liegen die Wettbewerbsvorteile gerade in diesen klassischen Bankaufgaben. Durch sie ist ihnen eine jahrelange Kundenbindung gelungen; hier haben sie ihr Know-how und ihre Erfahrungen im Finanzgeschäft gesammelt, was jeder Kunde an ihnen schätzt. Gerade weil der Markt immer technisierter und unpersönlicher wird, legen die Kunden großen Wert auf eine kompetente Beratung. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass auch in Zukunft, trotz aller technischen Entwicklungen und mit dem Markteintritt neuer innovativerer Konkurrenten, der Kunde für bestimmte Dienstleistungen lieber die Bankfiliale aufsucht und das persönliche Beratergespräch sucht, schätzt und wünscht. 1 2
Vgl. Karsch, W. (2001), S. 8. Vgl. Jung, C. (2005), S. 69.
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3
Kapitel IV
Bankgeschäfte durch Non- und Nearbanks
Den Bankdienstleistungen fehlt jedoch jegliches wettbewerbsfähiges Alleinstellungsmerkmal. Es existiert keine Art von Innovationsschutz für Finanzprodukte und deren Preise durch eine Art Patentgesetz. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Vertriebswege, Finanzprodukte als auch Finanzproduktpreise jederzeit und zu jedermanns Gebrauch austauschbar sind. Aufgrund der fehlenden Aus- und Abgrenzungsmöglichkeiten von Finanzdienstleistungen für die Bankenbrache wird den Nonund Nearbanks der Markteintritt geebnet. Die Non- und Nearbanks sind als branchenfremde Finanzdienstleistungsanbieter ein ernst zu nehmender Wettbewerber um den (Bank-)Kunden. Unter einer Nonbank versteht man ein Nichtbankunternehmen, das in Ergänzung zum eigenen Kerngeschäft Finanzdienstleistungen anbietet. Oft handelt es sich hierbei um Unternehmen mit dem die (Bank-)Kunden Bankleistungen einer Nichtbank in einer anderen Branche verbinden, wie Kredit- und Leasinggeschäfte in der Automobilbranche. Aber auch neu gegründete Unternehmen, die ausschließlich zum Zweck gegründet wurden in den Finanzdienstleistungsmarkt einzutreten, wie Kreditvermittler, sind am Markt aktiv. Zu den Vertretern der Nonbanks gehören neben Waren- und Versandhäusern, Industrieunternehmen, Telekommunikationsunternehmen, Automobilhersteller auch Autoverleiher. Empirisch lässt sich konstatieren, dass Nonbanks die Finanz-Dienstleistungen zusätzlich zu ihrem Kerngeschäft anbieten, um damit in ihren Kerngeschäften erfolgreicher zu sein. Neben den Nichtbankenunternehmen erscheinen auch weitere Unternehmen am Markt der Bankdienstleistungen und konkurrieren mit den traditionellen Kreditinstituten um die Kunden. Die Nearbanks zeichnen sich durch den Vertrieb banknaher Finanzdienstleistungen aus. Zu den bekanntesten Vertretern zählen neben Versicherungsunternehmen auch die Leasinggesellschaften. Festzuhalten ist, dass der Vertrieb der Bankdienstleistungen nicht zu dem klassischen Kerngeschäften der Nearbanks gehören, sondern eher als zusätzlicher Service angeboten werden. Die Entstehung von Non- und Nearbanks am deutschen Bankenmarkt ist eine seit Jahrzehnten permanente Entwicklung. Es gibt bisher keine genauen Abgrenzungen des Bankensektors zu dem Markt der Non- und Nearbanks bzw. Kriterien oder Merkmale, die die Unternehmen mit präziser Genauigkeit diesem Marktsegment zuordnen könnten. Es herrscht eher eine außerordentliche Unübersichtlichkeit über die Non- und Nearbanks. Sie haben viele Möglichkeiten in den Markt der Finanzdienstleistungen einzutreten, da sie rechtliche und wirtschaftliche Grauzonen dafür nutzen. Es existieren viele Unternehmen, die sich intensiv um die (Bank-)Kunden im Finanzdienstleistungssektor bemühen, um an den (Finanz-) Erträgen in unterschiedlichem Maße zu partizipieren. Die Erfolgsfaktoren des Kerngeschäftes der Non- und Nearbanks sind dabei Grundlage für den Einstieg in den Finanzdienstleistungsmarkt. Zu den Faktoren zählt neben den innovativen Ideen auch die moderne Technik. Unter Anwendung neuester Informations- und Kommunikationstechnologien erobern die Non- und Nearbanks den Bankenmarkt. Ein Teil der Unternehmen hat die Möglichkeit auf ein großes Kundenklientel zurückzugreifen und damit bereits potentielle Verbindung zu den zukünftigen (Bank-)Kunden zu unterhal-
Zum Wandel der Finanzdienstleistungsbranche
131
ten. Innovative Vertriebswege, die durch die Unternehmen genutzt werden, sind ein weiterer Erfolgsfaktor. Das Bankgeschäft durch die Non- und Nearbanks zeichnet sich dadurch aus, dass die Unternehmen ihre Aktivitäten nur in bestimmte Kreditgeschäfte oder Teilbereiche lenken, die für sie attraktiv sind. Der Kontokorrentmarkt ist beispielsweise ein eher unattraktiver Kredit-Markt für branchenfremde Unternehmen, da bereits die traditionellen Kreditinstitute auf diesem Gebiet in einem starken Preiskampf stehen und die Margen sehr gering sind. Als Folge dieses Kreditgeschäfts entstehen für das branchenfremde Unternehmen nur hohe Kosten für die Finanzdienstleistung Kontokorrent, denen keine angemessenen Erträge gegenüberstehen. Ein weitaus attraktiverer Bereich ist dagegen die Darlehensvergabe. Die Ertragsmöglichkeiten sind hierbei auch für branchenfremde Unternehmen anziehend. Kundenseitig spielen hierbei auch die Einstellungen der Kunden eine bedeutende Rolle. Die Kunden sind eher bereit ein Darlehen von einem neuen, branchenfremden Finanzdienstleistungsunternehmen zu akzeptieren, als ihre Einlagen dort zu deponieren. Zu den Merkmalen des Bankenmarktes, die die branchenfremden Unternehmen anziehen, zählen die folgenden Interessenbereiche: • Hohe Rentabilität des Bankwesens • Leichter Marktzugang • Bereitschaft der Verbraucher neue Anbieter von Finanzdienstleistungen auszuprobieren • Langfristige Kundenbeziehungen • Diversifizierungsmöglichkeiten. Die Kunden traditioneller Banken kennen bisher eher nur geringe Preisdifferenzierungen. Enorme Preisunterschiede in der Zinsgestaltung und den Zahlungsmodalitäten erwecken bei den Kunden Neugier und verändern zudem ein ausgesprochenes Preisbewusstsein. Die Methoden und Instrumente mit denen die Non- und Nearbanks den Markt der Finanzdienstleistungen erobern sind daher sehr verschieden von denen der traditionellen Kreditinstitute. Mit aggressiven Vermarktungstechniken erwecken die Marktneulinge mit ihren Produkten und Finanzierungsoptionen die Aufmerksamkeit der Kunden. Über extreme Zinskredit-Preise, die oft weitaus niedriger sind als die der traditionellen Banken, mit einer aggressiven Konsumgüter-Werbung einschließlich der Finanzdienstleistung, haben die Non- und Nearbanks einen leichten Marktzutritt erhalten. Unter der Ausnutzung neuester Technologien und Produktinnovationen treten die Unternehmen an den Markt der Finanzdienstleistungen auf und vermitteln hierdurch den (Bank-)Kunden und anderen Marktteilnehmern den Eindruck einer erhöhten Auswahl an Finanzprodukten in Verbindung mit ihrem Kerngeschäft anbieten zu können. Dadurch gestalten die Non- und Nearbanks den Eintritt in den Bankenmarkt auf vielfältige Art und Weise. Die Unternehmen besetzen die Schnittstelle zwischen den konsumierenden Kunden und den der Bank, um so sukzessive eigene Finanzsparten zu ihrem Kerngeschäft aufzubauen. Der hierdurch statt-
132
Kapitel IV
findende Know-how-Transfer ermöglicht es den Non- und Nearbanks den Markt der Finanzdienstleistungen mit weniger Risiken zu betreten, als dies traditionell Banken leisten können. Beispiele für erfolgreiche Non- und Nearbanks im Bankenbereich sind in allen Branchen zu finden. Die Autobanken, also Banken die durch Automobilhersteller gegründet wurden, zählen zu den bekanntesten und erfolgreichsten Vertretern der Non- und Nearbanks. So rangiert beispielsweise 2006 die VW-Bank im Mittelfeld der TOP 100 Banken in Deutschland und hat damit den Schritt zu einem echten Konkurrenten der klassischen Banken bereits vollzogen. Auch die Daimler Chrysler Bank, die im Ranking nur knapp dahinter zu finden ist, eroberte bereits den Markt der Bankdienstleistungen.3 Besonders interessant ist dies im Hinblick auf die doch recht junge Entstehung dieser Unternehmen, denn die Daimler Chrysler Bank besitzt erst seit wenigen Jahren eine Vollbanklizenz. Neben den Autobanken spielen auch der Einzelhandel und die durch ihn gegründeten Banken eine bedeutende Rolle auf dem Markt der Finanzdienstleistungen. So ist die Karstadt/Quelle-Bank mit einer Million Kunden die größte Bank in Deutschland, die durch eine Nonbank gegründet wurde. Diese Entwicklungen zeigen den turbulenten Trend am deutschen Bankenmarkt auf. Fazit ist, dass Non- und Nearbanks sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten für die traditionellen Banken entwickelt haben und in den Bankenmarkt massiv eindringen.
Die Vor- und Nachteile des Brancheneintrittes der Non- und Nearbanks sind dabei vielfältig. Ein klarer Vorteil liegt in den geringern Kosten mit denen die Marktneulinge den Markt betreten. Sie können auf den Aufbau eines Filialnetzes verzichten, da ein Großteil der Unternehmen auf die eigenen Vertriebsstellen zurückgreifen. Größtenteils kann zudem auf das eigene bestehende Geschäftskonzept zurückgegriffen werden, es macht die Implementierung neuer Organisationseinheiten unnötig. Gerade für junge und innovative Kunden steigt die Attraktivität der Non- und Nearbanks. Ihre neuen Produkte, die sie auf neuen Vertriebswegen vermitteln, locken den Kunden zu den „neuen Banken“. Die technische Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt auch hier die Positionierung der Non- und Nearbanks am deutschen Bankenmarkt. Der Vorteil der Non- und Nearbanks liegt in ihrem breiten Endkundenzugang und dem Kostenvorteil durch die Spezialisierung auf bestimmte Finanzdienstleistungen. Die Technologie ermöglicht einen relativ günstigen Einstieg bzw. eine kostengünstige Gründung der Non- und Nearbanks im Bankenmarkt. Der Markteintritt der Non- und Nearbanks hat auch negative Effekte. Unter dem Aspekt der Refinanzierung gibt es gravierende Nachteile für die Kreditinstitute. Das Auftreten neuer Kooperationspartner im Kreditbereich hat eine beträchtliche Umschichtung und Verteuerung der Refinanzierung der Kreditinstitute zur Folge. 3
Vgl. Karsch, W. (2006), S. 41.
Zum Wandel der Finanzdienstleistungsbranche
4
133
Kerngeschäfte im Wandel
Millionen
Der Finanzdienstleistungssektor erlebt einen Umbruch, der durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Der schnelle Wandel, darunter die rasante Entwicklung der Informationstechnologie und die Liberalisierung der Märkte, sind ausschlaggebend für Änderungen auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Aus diesen veränderten Verhältnissen resultiert der auf allen Finanzdienstleistern lastende Wettbewerbs- und Innovationsdruck. Die Entwicklung der Informationstechnologie spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Anfang der neunziger Jahre begannen die Kreditinstitute zunächst mit dem Aufbau einer Internetpräsenz. Im Vordergrund standen hierbei die Selbstdarstellung der Bank und ihre Leistungen. Mitte der neunziger Jahre folgte dann das Angebot von Bankgeschäften über das Netz. Wie schnell der neue Vertriebsweg den Markt für Finanzdienstleistungen erobert hat, ist in der folgenden Übersicht erkennbar. Aufgeteilt nach vier Bankengruppen zeigen sich unterschiedliche Zahlen. 35 30 25 Postbank
20
Volks- und Raiffeisenbanken Sparkassen
15
Banken
10 5 0 1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
Abb. 3: Entwicklung im Online-Banking (Endjahreszahlen) Quelle: Bundesverband deutscher Banken nach eigener Erhebung und Angaben des BVR, DSGV sowie der Postbank.
Die Grafik verdeutlicht, dass die Zahl der Onlinekonten im Vergleich zu 1995 rasant angestiegen ist. Im Jahr 2002 war die Anzahl der Onlinekonten mehr als 21-mal höher als noch 1995. Auch bis heute ist dieser rasante Anstieg zu beobachten. Eine aktuelle Umfrage des Bankenverbandes ergab, dass bereits 37% der Deutschen zumin-
134
Kapitel IV
dest Standardvorgänge der Bankgeschäfte online abwickeln.4 Hieraus wird deutlich, dass für die Kreditinstitute die frühzeitige Einstellung auf die veränderten Marktbedingungen von großer Bedeutung ist und sein wird. Dem Trend zu Onlinekonten folgten die meisten Banken auch zeitnah. Dagegen wurden Entwicklungen, die neue innovative Finanzdienstleistungen und Vertriebswege betrafen vernachlässigt. Ob sich dadurch ein grundlegender Wandel der Geschäftsaktivitäten bei den Kreditinstituten vollzieht, ist in erster Linie davon abhängig, welche Geschäftsfelder zu den Kernkompetenzen eines Kreditinstitutes bisher gehörten. Das Privatkundengeschäft ist wieder „zurück“ in das Blick- und Wirkungsfeld der Banken gerückt. Traditioneller Weise wird ein Großteil der Bankgeschäfte in der Filiale und per Online-Banking abgewickelt. Der Markteintritt und die zunehmende Konkurrenz der Non- und Nearbanks im deutschen Bankenmarkt zwingen die traditionellen Kreditinstitute zum Umdenken. Im Bankenbereich ergeben sich fünf Kräfte, die die zukünftige Entwicklung des Bankensektors in Deutschland determinieren werden: • die Macht der Kunden • neue Anbieter • die Konkurrenz • der Einsatz neuer Technik • neue Vertriebswege und Produkte. Diese fünf Faktoren haben – wenn auch in geringerem Maße – bisher das Bankgeschäft in Deutschland geprägt. Die Kernkompetenzen der deutschen Banken verändern sich demnach nicht im Wesen, sie unterliegen jedoch starken Zugkräften. Die Kreditinstitute müssen sich in ihren Strategien an die neuen Marktgegebenheiten anpassen, um im Markt bestehen zu können. Insbesondere zwei Schwachstellen des deutschen Bankenmarktes machen Neustrukturierungen notwendig. Zum einen weisen die Banken eine gering ausgeprägte Kundenorientierung auf und zum anderen zeichnet sich der Bankenmarkt in Deutschland noch durch zu hohe Kosten in allen Bereichen aus. Um diesen Schwachstellen entgegenzuwirken sind Neustrukturierungen im Hinblick auf die folgenden drei strategischen Ziele notwendig. Erstens ist die Konzentration der Kreditinstitute auf das Kerngeschäft ein wesentlicher Aspekt zur Verbesserung der Marktposition. Zu dem spielen die Automatisierung der gesamten Bankbereiche, sowie eine konsequent umgesetzte Erhöhung der Vertriebsstellenauslastung eine wichtige Rolle zur Erzielung einer Kostensenkung. Für Kreditinstitute besteht daher die Notwendigkeit zur Anpassung an die Marktgegebenheiten, wobei ihnen diverse Wege zur Verfügung stehen: • Reorganisation, 4
Vgl. Jung, C. (2005), S. 68.
Zum Wandel der Finanzdienstleistungsbranche
• • • • •
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Rationalisierung, Kostenreduzierung, Anpassung der Produktpalette, Anpassung des Marketing und ggf. Neudefinition der strategischen Ausrichtung.
Es findet demnach die Umwandelung der Banken in Kooperationspartner und Kernkompetenzträger statt, um Kosten senken zu können. Die traditionellen Kreditinstitute im deutschen Bankenmarkt werden weiter ihre Existenzberechtigung haben, wenn es ihnen gelingt ihr Selbstverständnis als Teilnehmer in einem Finanzdienstleistungsnetzwerk neu zu definieren und sich neu zu positionieren.
Dabei hat gerade der effiziente Einsatz modernster Techniken einen großen innovativen Einfluss auf die erfolgreiche Umstrukturierung des Bankenmarktes. E-Commerce ist dabei ein wichtiger Aspekt für die Wettbewerber am Bankenmarkt. Unter Nutzung von elektronischen Netzen können Geschäftsprozesse jeder Art effizienter abgewickelt werden. Der schnelle Weg zum Kunden zeigt jedoch viele Facetten. So bedeutet E-Commerce nicht nur Online-Shopping im Internet, sondern auch Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Kundenberatung und Informationsbeschaffung in den für jedermann offenen Netzen. E-Commerce revolutioniert den Markt. Informationstechnologien schaffen eine nahezu vollständige Markttransparenz, mit den Vorteilen zeitlich unbegrenzt und überall nutzbar zu sein. Den Banken eröffnet E-Commerce als neuer Vertriebs- und Beschaffungsweg eigentlich ebenso große Potenziale zur Maximierung des Umsatzes und der Wettbewerbsfähigkeit, doch werden sie immer noch zu wenig kreativ genutzt. Andererseits bergen die Technologien auch Risiken in sich, da die Wettbewerbsintensität zunimmt und geschäftspolitische Entscheidungen vor dem Hintergrund einer sich immer schneller ändernden Umwelt getroffen werden müssen. Die veränderten Rahmenbedingungen ändern auch die Anforderungen, die Kunden an ihre Banken stellen. Die resultierenden Effekte auf das Leistungsspektrum der Kreditinstitute reichen von einer zunehmenden Automatisierung und Auslagerung von Standarddienstleistungen zu einer Art Bankfabrik über die Spezialisierung auf diejenigen Kerngeschäfte, in denen „Economies of Scale“ auszuschöpfen sind, bis hin zum Angebot von Spezialdienstleistungen. Für eine effektive wirtschaftliche Nutzung und Annerkennung durch die Nutzer der elektronischen Netze sind funktionierende Zahlungssysteme erforderlich. Die privaten Banken haben den Trend frühzeitig erkannt und eine Reihe von Internetbezahlsystemen und neue Homebanking-Module zum Vertrieb von Bankprodukten entwickelt. Entscheidend für die Akzeptanz durch den Kunden und der daraus resultierenden breiten Nutzung weltweiter Datennetze ist das Vertrauen in die Sicherheit der Transaktionen entscheidend. Insbesondere beim elektronischen Geschäftsverkehr müssen die Kunden darauf vertrauen können, dass ihre Transaktionen nicht aufgehalten oder verfälscht werden. Die neuen, mit der Zeit aus den Kinderschuhen herausgewachsenen Konkurrenten sorgen für einen verschärften Wettbewerb am Bankenmarkt. Für die Kreditinstitute
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Kapitel IV
bedeutet die Markterweiterung durch den Markteintritt der Non- oder Nearbanks ein zusätzliches Konkurrenzpotential. Diese neue Rivalität hat aber auch eine zusätzliche Bedrohung der Ertragslage zur Folge und somit die Gefährdung der geschäftlichen Existenz. Der steigende Wettbewerbsdruck äußert sich auch in der Margensenkung und verringert die Gewinne der einzelnen Kreditinstitute, denn die Non- und Nearbanks drängen unter Einsatz moderner Techniken und geringstem Personalaufwand in die Kerngeschäftsbereiche der Kreditinstitute ein. Sie verursachen durch den verschärften Wettbewerb eine Margensenkung. Somit erfordert die neue Situation eine gewissenhaft geplante Geschäftspolitik der einzelnen Kreditinstitute. Aber nicht nur aus Sicht der Erweiterung des Konkurrenzfeldes ist der Markteintritt der Non- und Nearbanks für die Kreditinstitute von Bedeutung. Auch unter dem Gesichtspunkt der Kooperation eröffnen sich für Kreditinstitute als auch für die Non- und Nearbanks neue Vertriebswege. Produkte des einen Unternehmens können über die Vertriebskanäle des anderen an die Kunden gebracht und somit Cross-Selling-Effekte erzielt werden. Sowohl vom Umsatz als auch vom Marktanteil her gesehen, sind diese Entwicklungen nicht existenzbedrohend für die traditionellen Kreditinstitute. Die zunehmende Bedeutung von technischen Entwicklungen im Bankensektor und damit der steigende Anteil von Non- und Nearbanks lassen jedoch die Notwendigkeit von Filialen der klassischen Banken in den Hintergrund treten. Fraglich ist hierbei, inwiefern die traditionellen Banken jede neueste technische Innovation umsetzen sollten, um im Wettkampf um den Kunden bestehen zu können. Es spielt keine Rolle ob die traditionellen Banken ihre Strategien anpassen oder ob die Non- und Nearbanks den Bankenmarkt betreten. Alle Markteilnehmer unterliegen den gleichen Kräften die ihren Erfolg am Bankenmarkt beeinflussen. Fazit ist, dass eine Anpassung der Geschäftspolitik der Banken an die neuen Wettbewerbsbedingungen notwendig ist.
Neben dem Wandel, der auf den Märkten stattfindet, ändert sich auch das Kundenverhalten. Das Verhalten der Bankkunden hat sich durch vielfältige Faktoren über die letzten Jahre hinweg verändert. Innovative Informationsstrukturen, die sich vor allem mit steigender Popularität des Internets herausgebildet haben, sind ein Hauptantrieb für die Neuerungen. Die Bankkunden von heute haben mit dem Internet ein Werkzeug an die Hand bekommen, mit dem sie Zugriff auf vielfältige Informationen und Fachwissen erhalten. Neben einer schnellen Verfügbarkeit von Informationen, die Erreichbarkeit ihrer Bankkonten zu jeder Tageszeit und der Virtualisierung der Kommunikationsstrukturen schafft eine erhöhte Transparenz, die als wesentliche Faktoren gelten, die für den Wertewandel bei den Bankkunden verantwortlich sind. Durch das erhöhte Fachwissen der Kunden, der Transparenz bezüglich des Leistungsangebotes und der Preispolitik ist der Konkurrenz- und Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Universalbanken mit ihren flächendeckenden Filialnetzen galten lange als unangreifbar. Das Internet hat jedoch wesentlich zur Absenkung von Markteintrittsbarrieren beigetragen. Der Einfluss der technischen Entwicklung äußert sich vielfältig. Einerseits ermöglicht er dem Kunden auf unterschied-
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liche Art und Weise mit der Bank zu kommunizieren, andererseits sind die Informationsmöglichkeiten der Kunden stark erweitert und beschleunigt worden. Voraussetzung hierfür war und ist jedoch die Akzeptanz durch den Kunden. Bestes Beispiel hierfür sind die Direktbanken, die in der Vergangenheit einen immer größer werdenden Marktanteil eingenommen haben. Die Kunden erwarten von ihren Banken und Finanzdienstleistern eine individuelle Angebotserstellung und nehmen nicht mehr kommentarlos alles hin. Sie äußern ihre Bedenken, wenn Produkte und Dienstleistungen nicht ihren Erwartungen entsprechen. Die traditionelle Hausbankverbindung, wie sie bisher im Bankgeschäft im Vordergrund stand, verliert immer mehr an Bedeutung. Die höhere Wettbewerbsintensität, auch aus dem Online-Banking und deren rasanten Entwicklungen resultierend, führt zu einer Streuung der Kundengelder – so dass der Kunde nicht nur eine Bankverbindung unterhält, sondern vielmehr die Möglichkeit nutzt bei mehreren Kreditinstituten Konten zu unterhalten. Der Wechsel zwischen den jeweiligen Banken wird dem Kunden dadurch erleichtert. An diesem Punkt setzen die Non- und Nearbanks an, denn sie haben bereits eine Verbindung zum Kunden und bieten Finanzdienstleistungen in Kombination mit anderen Leistungen an. Die gestiegene Mobilität der Nachfrage hat außerdem die Bedeutung räumlicher Präferenzen sinken lassen. Der Kunde hat die Möglichkeit, ganz individuell zu entscheiden, wie und wann er Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen möchte. Die örtliche Nähe der Filiale, die lange Zeit als Hauptkriterium für die Bankwahl galt, tritt nunmehr in den Hintergrund und qualitative Merkmale gewinnen an Bedeutung. Der Wettbewerb hat sich somit weg von einer quantitativen Konkurrenz, mit einer großen Bedeutung für ein gut ausgebautes Filialnetz - hin zu einer qualitativen Konkurrenz, bei der Kosten- und Gewinne im Vordergrund stehen, entwickelt. Wenn Anleger bereit sind, Informationen zu bestimmten Produkten und Services im Internet einzuholen, vertrauen sie bei einer Empfehlung für die Geldanlage oder den Kreditabschluss dann nur ihrem persönlichen Berater. Das heißt der Kunde greift bei der Erledigung seiner Bankgeschäfte auf die Kombination des realen und virtuellen Kontaktes zurück. Der Markteintritt der Non- und Nearbanks hat jedoch neben dem erhöhten Wettbewerbsdruck für das traditionelle Bankgewerbe zu einem weiteren Effekt auf dem Bankmarkt in Deutschland geführt – zu einer rapide ansteigenden Angebotspalette. Trotz der Standardisierung der angebotenen Produktpalette ist das Angebot unübersichtlich geworden. Der Kunde kann meist nicht objektiv entscheiden, welches Produkt bei welchem Unternehmen für ihn am Besten geeignet ist. Die steigende Komplexität des Bankenmarktes bedeutet aus Sicht des Kunden eine Abnahme der Markttransparenz. Aus der Fülle der dem Kunden angebotenen Produkte heraus entscheidet der Kunde nicht immer rational und objektiv, sondern nach ihm vertrauten und wichtigen Kriterien, wie der langjährigen guten Erfahrung mit einem Kreditinstitut bzw. dem Kundenberater.
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Möglichkeiten des kooperativen Markteintritts mit Kreditinstituten für Non- und Nearbanks
Nicht alle Non- und Nearbanks befinden sich im Wettbewerb mit den existierenden Banken. Für einen risikoarmen Markteintritt und um an Glaubwürdigkeit bei den Kunden zu gewinnen gehen einige Non- und Nearbanks Bündnisse mit bestehenden Banken ein. Die Zusammenarbeit mit den Kreditinstituten eröffnet auch seitens der Non- und Nearbanks vielfältige Möglichkeiten. Den Marktneulingen wird über die Kooperation ein risikoarmer Markteintritt ermöglicht und ist damit profitabler als eine völlig neue Positionierung. Eine Kooperation mit einem fremden Unternehmen ermöglicht der Bank im Wettbewerb mit anderen, dritten Konkurrenten, den Vorteil einer deutlichen Differenzierung der Angebotspalette zu nutzen. Gerade im Hinblick auf die bereits erwähnten fehlenden Alleinstellungsmerkmale bieten Kooperationen den Kreditinstituten die Chance, eine herausragende Rolle im Markt einzunehmen. Auch unter dem Aspekt der Steigerung der Wirtschaftlichkeit der traditionellen Banken ist die Kooperation mit Non- und Nearbanks ein interessantes Geschäftsfeld. Die Kreditinstitute haben mit der Kooperation ein Werkzeug an der Hand, um das eigene Portfolio zu optimieren und den Marktanteil zu vergrößern. Die Art und Weise der Kooperation kann unterschiedlich ausgestaltet werden. Bei einer Kooperation zwischen traditionellen Banken mit Non- oder Nearbanks gibt es diverse Möglichkeiten der Produktangebote. Einerseits kann das traditionelle Kreditinstitut die Produkte des neuen Finanzdienstleisters anbieten, andererseits die vertrieblichen Strukturen des anderen nutzen und die eigenen Produkte anbieten lassen. Es gibt dabei drei Möglichkeiten um Produkte aus einem Verbund heraus zu vertreiben: • im eigenen Namen • im Namen des erstellenden Instituts • im Namen eines gemeinsam gegründeten Unternehmens. Weitere Möglichkeiten oder Kombinationen aus den genannten drei Möglichkeiten sind allerdings ebenso möglich. Produktnamen oder der Name des Kreditinstitutes sind für den Vertrieb von großer Bedeutung. Dem Kunden muss die Möglichkeit gegeben werden, Produkte und Dienstleistungen zuzuordnen aber auch das Unternehmen wieder zu erkennen. Neben der Zusammenarbeit mit einem Nichtbankunternehmen ist aber auch die Kooperation innerhalb der Branche, d.h. zwischen Banken, eine mögliche Form der Zusammenarbeit. Auch hierbei muss entschieden werden, auf welche der vielen Kombinationsmöglichkeiten zurückgegriffen werden soll. Dies ist für den Erfolg der Zusammenarbeit entscheidend. Eine Vernetzung mit Nichtbanken eröffnet den Kreditinstituten jedoch größere Differenzierungspotenziale als die Kooperation mit Bankenpartnern. Strategisch relevante Allianzen sind somit diejenigen welche Banken mit Non- und Nearbanks schließen.
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Fakt ist, dass der Anteil der Geschäfte die eine Bank nicht auf eigenes Risiko durchführt steigt.
Bisherige Kooperationspartner von traditionellen Kreditinstituten sind größtenteils Versicherungen, Bausparkasse, Leasinggesellschaften und sonstige Finanzdienstleister. Bei Volksbanken und Sparkassen ist auffällig, dass die Zusammenarbeit meist innerhalb des eigenen Verbundes stattfindet. Lediglich mit den Kreditkartenunternehmen wie Eurocard und Visa gehen die meisten Banken Kooperationen ein. Die Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit einer Kooperation mit Nonbanks ist für die meisten Banken noch nicht Gegenstand strategischer Überlegungen. Der Gedanke der Kooperation hat sich aber insoweit bis zu den Bankmanagern getragen, als dass, eine Kooperation zwischen zwei Kreditinstituten schon in der Vergangenheit eine mögliche Alternative zum alleinigen Vertrieb darstellt. Allerdings ist dieser Schritt nur der Anfang - um eine starke Marktposition zu halten, sollte das Thema Kooperation auch über die Grenzen von brancheninternen Zusammenarbeiten hinausgehen. Die Frage ist, wie man sich nun eine Kooperation von Kreditinstituten mit Non- oder Nearbanks oder auch Banken genau vorstellen kann. Einige Pilotprojekte sind bereits gestartet und ein Teil der Kooperationen sind seit Jahren aktiver Marktbestandteil. Die Zusammenarbeit zwischen zwei branchenfremden Unternehmen ist jedoch nicht nur im Bankensektor zu finden. So lohnt sich ein Blick in den Einzelhandel. Insbesondere in den letzten Jahren machten einzelne Unternehmen durch eine Kooperation mit einem Branchenfremdling auf sich aufmerksam. Die Deutsche Bahn beispielsweise ist nicht einfallslos auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern. So arbeitet die Deutsche Bahn gemeinsam mit einem neuen ungewöhnlichen Vertriebspartner. Nach den Aktionen bei Lidl und McDonald's bringt die Deutsche Bahn nun auch über Tchibo Billigtickets in den Handel. Der Erfolg der Aktionen lässt vermuten, dass es keine einmalige Aktion, sondern nur der Auftakt einer Reihe von Kooperationen sein wird. So verkauft nun auch der Kaffeeröster Tchibo die Tickets der Deutschen Bahn in einer Sonderaktion. Aber auch anderweitig werden Kooperationspartner gesucht und die Vorteile von Kooperationen gemeinsam genutzt. So ist nach den PennyMärkten - Lidl der zweite Lebensmittel-Discounter, der mit eigenen Prospekten in den Reisevertrieb einsteigt. Es ist also abzuwarten, wann diese Unternehmen den Schritt wagen und wie viele andere in den Finanzsektor eindringen. Der Vorteil einer solchen Zusammenarbeit ist die starke Medienwirkung, die sich für beide Kooperationspartner positiv auf das Geschäft auswirkt. Aber auch die Kooperation in anderer Art und Weise kann erfolgsversprechende Aussichten bringen. So kann ein Kreditinstitut auch die Geschäftsräume oder das Kundenklientel eines Non- oder Nearbankunternehmen nutzen um eigene Bankprodukte zu vertreiben. Es folgen auch hierzu ein paar Beispiele, wie sie bereits seit mehreren Jahren erfolgreich in der Praxis gelebt werden. Eine Möglichkeit der Kooperation ist der Vertrieb von Bankprodukten unter Nutzung eines fremden Vertriebsnetzwerkes. So geschehen bei der Kooperation verschiedener Finanzdienstleister (zum Beispiel ASSTEL Sachversicherung AG oder Royal Bank
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of Scotland) mit Tchibo. Der Kaffeeröster bietet den beteiligten Banken den Zugriff auf einen weiteren und besonders kundenstarken Vertriebsweg. Seit 2002 hat Tchibo mit seiner neuen Produktsparte „Finanzdienstleistungen“ das Angebot für seine Kunden erweitert und gemeinsam mit der ASSTEL wird eine Auswahl an Kapital- und Sachversicherungen angeboten. Seit 2004 können Tchibo Kunden nun auch Kredite beim innovativen Kaffeeröster aufnehmen. In Zusammenarbeit mit der Comfort Card Services GmbH, einer Tochter der Royal Bank of Scotland, bietet Tchibo zwei Kredite an. Die Idee hierbei ist faszinierend einfach. Ein Kredit ist ein Ratenkredit für größere Anschaffungen mit fester Laufzeit, Zinsberechnung und Ratenzahlungen. Der zweite durch Tchibo vertriebene Kredit ist eine Art Dispositionskredit bei dem der Kunde sein Konto überziehen kann.5 Die Vorteile für die Kooperationspartner liegen dabei deutlich auf der Hand. Der Kundenkreis erweitert sich um eine neue Klientel – nicht nur Kunden die sich für das eigentliche Produkt – den Kaffee – interessieren, betreten die Filialen, sondern auch neue Kunden werden angelockt, die Filialen zu besuchen. So wird der Kaffeeshop zu einem Ort, an dem nicht nur ein Produkt vertrieben, sondern eine Auswahl an unterschiedlichsten Produkten und Dienstleistungen angeboten wird. Für das Kreditinstitut, das mit dem Kaffeeröster kooperiert, ergibt sich aus der Zusammenarbeit der Zugriff auf einen breiten Kundenkreis. Kunden, die für die Bank auf den herkömmlichen Vertriebswegen nicht zu erreichen wären, sind nun in den Kreis derer gerückt, die direkt beworben werden können. Nachteilig zu nennen ist, dass die bereits vorhandenen Kunden Anstoß an dem Vertrieb von Bankdienstleistungen bei einem Kaffeeröster nehmen könnten. Das Image einer Bank ist traditionell seriös und nicht experimentierfreudig – inwiefern also einzelne Kunden – bzw. Kundengruppen solche Vertriebsaktionen negativ beurteilen bleibt abzuwarten. Erfahrungswerte sind sehr gering, da diese Art des Vertriebs noch sehr neu ist. Ein Vorteil für die Kunden liegt darin, die Bankgeschäfte auf eine eher unkonventionelle Art abzuschließen – ohne die Räumlichkeiten der Bank zu betreten, wird das Finanzgeschäft über den Vertriebspartner abgewickelt. Die Atmosphäre in einem Kaffeeshop, in dem einem der Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen in die Nase steigt ist doch stark von den Räumlichkeiten einer Bank zu unterscheiden. Vielleicht ist es genau diese lockere Atmosphäre, welche die Kunden dazu verleitet, ihre Abschlüsse dort zu tätigen. Aber genau dieser Punkt kann auch als nachteilig bewertet werden, Bankgeschäfte sind Vertrauensgeschäfte. So kann es für alle Beteiligten nachteilige Auswirkungen haben, wenn das Vertrauen der Kunden in einen der beiden Partner fehlt. So wird ein Kunde, der schlechte Erfahrungen mit dem Kaffeeröster gemacht hat, nicht ein so beratungsintensives und vertrauenswürdiges Geschäft, wie den Abschluss eines Kreditvertrags, genau dort tätigen. Für die Kooperationspartner steht
5
Vgl. SPIEGEL ONLINE (Hrsg.) (2006): Tchibo verkauft eine Million Bahn-Tickets, 04.12.2006, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,452358,00.html, (Stand: 04.12.2006).
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der deutliche Zugewinn an Kundschaft im Vordergrund. Eine doppelte Vermarktung des „gemeinsamen“ Produktes bietet die Chance, mehr Kunden zu erreichen. Bankkunden nutzen die Möglichkeit, Bankgeschäfte über eine Nichtbank zu erledigen und haben damit auch Einblick auf das Produktsortiment der Non- bzw. Nearbank. Die Neukundenakquisition ist damit effektiv vorangetrieben. Für die Kunden des Kooperationspartners kann dieser zusätzliche Service auch zu einer erhöhten Kundenbindung führen, vorausgesetzt der Kunde macht gute Erfahrungen mit beiden Kooperationspartnern. Nonbanks wie beispielsweise der deutsche Automobilclub ADAC gehören auch zu den Unternehmen, die fernab des eigentlichen Kerngeschäftes den Finanzdienstleistungsmarkt betreten haben. Auch hier findet der Vertrieb von Finanzdienstleistungen in Kooperation mit traditionellen Kreditinstituten statt. So vertreibt der ADAC VISA- und Eurocard-Kreditkarten im ADAC Design, Sparprodukte bietet der Automobilclub zusammen mit der Deutschen Bank an und Finanzierungen des ADAC Finanz-Service werden in Kooperation mit einer Zweigniederlassung der Volkswagen Bank vertrieben.6 Das Beispiel zeigt deutlich, dass der Markt der Kooperationen bereits stark umkämpft ist und für die Zusammenarbeit nicht allein ein Kreditinstitut in Frage kommt. So ist es für die Kreditinstitute von größter Bedeutung rechtzeitig in den Markt der Kooperationen mit Non- und Nearbanks einzusteigen. Der Vorteil für den ADAC als Kooperationspartner der Banken liegt in der breiteren Angebotspalette an Service und Dienstleistungen für den eigenen Kunden. Da dieses Geschäft jedoch unabhängig von dem eigentlichen Kerngeschäft des Unternehmens ist, besteht die Gefahr, dass Kunden die Kompetenz des ADAC anzweifeln. Bei Produkten, wie Sparanlagen, ist die Vertrauensbasis zwischen Kunde und Anbieter eine Voraussetzung für den Geschäftsabschluss. Für die Kreditinstitute, die mit dem ADAC zusammenarbeiten, bieten sich ähnliche Vorteile, wie bereits die oben erwähnten aus der Zusammenarbeit mit Tchibo. Sie erhalten Zugriff auf einen neuen Kundenkreis und können die vorhandenen Vertriebswege und bestehenden Beziehungen zwischen dem ADAC und seinen Mitgliedern nutzen, um die eigenen Produkte abzusetzen. Insbesondere die Richtung Automobil – bei den Banken in Form von Autofinanzierungen und Leasing vertreten – macht eine Zusammenarbeit sinnvoll. Für die Kunden und Mitglieder eröffnen sich immer neue Wege Kenntnisse über Produkte und Angebote zu erhalten. Gute Angebote der Deutschen Bank, die dem ADAC-Mitglied normalerweise nicht offeriert würden, erreichen ihn über den ADAC und dessen Werbeund Informationssysteme. Somit ergibt sich für den Kunden ein Informationsvorteil – inwiefern er diesen nutzt, ist dann jedem Kunden selbst überlassen.
6
Vgl. Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V. (ADAC) (Hrsg.) (2006): FinanzService, abrufbar unter: http://www.adac.de/FinanzService/fahrzeugfinanzierung/default.asp?id= 6536&location= 2%5FfinanzServices.
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Die Vertriebs-Produkt-Kooperation ist eine weitere Möglichkeit von Nichtbankunternehmen in den Bankenmarkt einzusteigen. Hinter dem Begriff verbergen sich Kooperationen von Nichtbanken mit einer Vielzahl von Finanzdienstleistern. Die Nichtbank agiert in diesen Fällen als Vermittler zwischen den Endabnehmern, also den Kunden einerseits und den Banken und Finanzdienstleistern andererseits. Beispiel für solche Kooperationsformen sind Internetportale wie FinanceScout24.de, ein seit 2000 online geschalteter unabhängiger Vermittler zwischen Anbietern und Nachfragern von Finanzprodukten.7 Die Angebotspalette, die sich aus den Feldern Versicherungen, Geldanlagen, Altersvorsorge, Baufinanzierungen, Bausparen, Ratenkredite, Leasing sowie Kreditkarten zusammensetzt, ermöglicht den Kunden ein vergleichenden Einblick in den Finanzdienstleistungsmarkt. Anhand solcher Kooperationen und unter Einsatz des Internets wird der Kunde auf der Suche nach dem passenden Bankprodukten unterstützt. Der Kunde trifft anhand geeigneter Kriterien eine Auswahl an den zur Verfügung stehenden Angeboten. Internetportale bieten dem Kunden die Möglichkeit, anhand ausgewählter Kriterien eine Vorab-Auswahl an möglichen Anbietern zu treffen. Sie helfen dem Kunden im Finanzmarkt eine grobe Orientierung zu erhalten und schaffen eine gewisse Markt- und Preistransparenz. Solche Internetportale vergleichen meist jedoch lediglich als Hauptkriterium den Preis bzw. die Konditionen. Qualitativ wichtige Merkmale, wie u.a. Kundenfreundlichkeit, Servicequalität und Erreichbarkeit, welche für den Kunden und seine Entscheidung ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, bleiben hierbei außerhalb der Bewertung. Gleichzeitig zeigt sich hierin auch ein Nachteil für die beteiligten Kreditinstitute und Finanzunternehmen, da eine Entscheidung nicht aufgrund einer qualitativen Marktransparenz getroffen wird, sondern nur anhand einiger weniger Argumente. Das Portal greift dabei auf eine Anzahl von Partnern zurück, was aber im Umkehrschluss bedeutet, dass eine völlig unabhängige und objektive Entscheidung nicht möglich ist. Auffällig bei der Betrachtung der Kooperationspartner ist, dass insbesondere Regionalbanken keine Vertreter unter den Partnern haben. Der Kooperationspartner tritt hierbei lediglich als Vermittler auf und bietet eine Art Marktplatz an dem Kunden und Anbieter zusammentreffen. Bei der Kooperation eines Kreditinstitutes mit anderen Unternehmen liegt der Anreiz für die Banken in zweierlei Hinsicht. Erstens kann bei der Vermittlung von Produkten von Kooperationspartnern das Risiko ausgelagert werden; dies bedeutet, dass die Geschäfte außerhalb der eigenen Bankbilanz getätigt werden. Zudem erhalten die Kreditinstitute für die Vermittlung eine Provision. Somit kann das Geschäft an den Kunden vermittelt werden, ohne von der Zinsentwicklung abhängig zu sein oder längerfristige Risiken einzugehen. Als Vorteile sind weiterhin die durch die Zusammenarbeit entstehenden economies of scale und economies of scope zu nennen. Die Grö7
Vgl. FinanceScout24, Unternehmen (2006), abrufbar unter: http://www.financescout24.de/de/ navigation/startseite/Homepage.jsp?refid=p4p_goog le_kfz1.
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ßeneffekte, die sich positiv auf die Kosten auswirken, die Umsätze steigern, den Marktanteil erhöhen und damit die Erreichung der Kostenführerschaft unterstützen. Für die Konkurrenten wird es dadurch schwierig, überhaupt in den Markt einzusteigen oder sich darin zu behaupten. Ähnlich positiv wirken sich auch die Economies of Scope, die Kostenvorteile, die bei einer steigenden Produktvielfalt durch einen Verbundvorteil entstehen, auf die Umsätze aus. Die Nutzung von gemeinsamen Vertriebskanälen ist hierfür die Grundlage. Nicht nur im Bereich des Wertpapiergeschäftes oder Zahlungsverkehrs, sondern auch im klassischen und besonders risikoreichen Aktivgeschäft wird die Auslagerung von Risiken mit Hilfe von Kooperationspartnern für deutsche Kreditinstitute immer interessanter. Die Risiken, die mit der Vernetzung der beiden Partner verbunden sind, sollten jedoch bei der Entscheidung zur Kooperation beachtet werden. Der Anteil der Geschäfte, die durch eine Bank an einen Kooperationspartner vermittelt werden steigt. Ein weiterer Weg den Markt der Finanzdienstleistungen zu betreten ist die der direkten Konkurrenz zu den traditionellen Kreditinstituten. Die Konkurrenz der Non- und Nearbanks im Finanzdienstleistungssektor hat sich in den letzten Jahren derart weiterentwickelt, dass sie nunmehr eigene Finanzabteilungen oder Tochterbanken gegründet haben. Zur Veranschaulichung werden im Folgenden zwei erfolgreiche Beispiele näher beschrieben. Allen voran haben sich die Automobilhersteller zu der Neugründung einer eigenen Auto-Bank entschlossen. Fast jeder Autohersteller bietet mittlerweile verschiedene Finanzierungsformen an, um den Kunden zum Autokauf bewegen zu können. Die Entstehungsgeschichte der Automobilbanken ist einfach, denn anfänglich entschlossen sich die Automobilhäuser zu dem eigenen Kerngeschäft weitere Dienstleistungen anzubieten. Viele Kunden der Automobilfirmen benötigten zum Kauf des eigenen Personalkraftwagens eine passende Finanzierung. Jahrelang nahmen die Kunden hierfür ihre traditionelle Bankverbindung in Anspruch. Das Profil der Automobilhersteller hat sich über die Implementierung von reinen In-House-Bankgeschäften, wie Autoleasing und Finanzkauf, hin zu Banken mit einer breiten Produktpalette entwickelt. Diese reicht von Kontoführung und Kreditkartengeschäft bis hin zu Brokerage und Hypothekarkrediten, und steht damit gegenüber den traditionellen Banken in direkter Konkurrenz. Knapp 50% der Neuwagenfinanzierungen werden bereits durch die Autobanken übernommen.8
8
Vgl. Fink, A./ Kanzler, J. (2005), S. 1.
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80 70 60 50 Bilanzsummen der herstellerverbunden Autobanken
40 30 20 10 0 1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
Abb. 4: Bilanzsummen der Autobanken in Mrd. Euro Quelle: Folz, R.: Autobanken, (2005).
Die Grafik verdeutlicht, wie erfolgreich der Markteintritt der früheren NonbankUnternehmen in den Finanzdienstleistungsmarkt ist. In weniger als zehn Jahren haben die Autobanken ihre Bilanzsummen mehr als verdoppelt. Nachteilig ist der Erfolg der Automobilbanken für die Kreditinstitute. Die Konkurrenten dringen immer stärker in das Bankgeschäft ein und bieten teilweise auch Giro- und Anlageprodukte an. Ein Großteil der traditionellen Kreditinstitute sieht diese Entwicklung mit wachsender Sorge. Die Autobanken beschreiten den Markt der Finanzierungen mit einigen Wettbewerbsvorteilen gegenüber den Konkurrenten: • Produktnähe • preisgünstige Konditionen • positive Verbindung als Automobilhersteller (Image) • effiziente Arbeitsweisen (Internettechnik und Call-Centern – kein Filialnetz). Alle namhaften deutschen Automobilhersteller verfügen heute über eine eigene Bank, die oft in Form einer Tochtergesellschaft Bankdienstleistungen unter dem Namen des Mutterunternehmens diese anbieten. Nach BMW und VW hat auch Daimler-Chrysler im Jahr 2002 eine Bank eröffnet. Eine gemeinsame Eigenschaft dieser Autobanken ist, dass diese vornehmlich online und über Call-Center arbeiten. Die führende Marktposition der Autobanken im Bereich der Autofinanzierungen resultiert aus der Strategie, dem Kunden nicht nur den Autokauf zu finanzieren, sondern umfassende Mobilitätsdienstleistungen anzubieten. Zunehmend werden auch Einzelhändler wie die Modekette C&A im Bankgeschäft aktiv. Das Modehaus bietet seit Anfang Oktober 2006 eine Kfz-Versicherung an. Geplant ist, dass im ersten Halbjahr 2007 zusätzlich Ratenkredite das Angebot an Finanzdienstleistungen erweitern. Die Finanzsparte unter dem Namen „C&A Money“
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soll laut dem Konzern eine gleichberechtigte Produktlinie neben den bisherigen Kerngeschäften Damen-, Herren- und Kindermode sein.9 Momentan ist Karstadt/Quelle auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen durch Einzelhändler Marktführer, in der aktuell angebotenen Kfz-Versicherung liege aber C&A Money bereits vor Karstadt/Quelle. Wichtigster Vertriebskanal ist dabei das Vertriebsstellennetz mit 380 C&A Filialen. Die Marketingkosten sind sehr gering und diese Ersparnisse können in Form von Preisvergünstigungen im Kreditgeschäft an den Kunden weitergegeben werden. Der letztendliche Verkauf erfolgt über Telefon und Internet. Es wird aber auch getestet, wie die Kunden den Verkauf vor Ort, in den Filialen, aufnehmen. Das Modehaus hat inzwischen bei der Bundesanstalt für Finanzaufsicht eine Banklizenz beantragt. Grundlage für die erfolgreiche Einführung einer Finanzsparte ist dabei oft ein großer Kundenstamm und ein gut ausgebautes Zweigstellennetz, das die Marketing- und Raumkosten sehr gering hält. Das Modehaus C&A bewirbt beispielsweise die Kfz-Versicherung mit Prospekten und Flyern in nahezu jeder Etage seiner Zweigstellen. Die Neugründung einer Bank durch ein Near- oder gar Nonbank-Unternehmen birgt Vor- und Nachteile für ein Unternehmen. Fraglich ist daher, was genau die Beweggründe für diese Unternehmen sind in den Finanzdienstleistungsmarkt einzusteigen. In der folgenden Übersicht sind einige Hauptbeweggründe aufgelistet: • Wünsche des vorhandenen Klientels befriedigen, • Cross-Selling zur Förderung der Loyalität und Kundenbindung gegenüber dem Unternehmen zu erzielen, • Neukundengewinnung, • Schaffung zusätzlicher Erträge und Förderung des Absatzes durch neue innovative Produkte und Services, • Passivgeschäft als eine günstige Refinanzierungsquelle für das Aktivgeschäft zu erschließen. Dem gegenüber stehen die Risiken, die mit dem Eintritt der Non- und Nearbanks in den Finanzdienstleistungssektor verbunden sind. Zu den Risiken zählen: • fehlende Organisationsentwicklung und Know-how im Aufbau von Finanzdienstleistungen, • starker Verdrängungswettbewerb und Preiskämpfe zeichnen sich bei Finanzdienstleistungen ab, • Konkurrenz durch Privatbanken, Sparkassen und Volksbanken. Zusammenfassend ist zu erkennen, dass die Non- und Nearbanks einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber den traditionellen Banken haben, da sie neben dem Ver-
9
Vgl. o.V. (2006): Modehaus C&A drängt ins Bankgeschäft, S. 11.
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bund zum Finanzmarkt auch die Verbindung zum eigenen Geschäft aufweisen. So lassen sich Aktionen zwischen Hersteller, Handel und Finanzierung effektiver abstimmen. Zudem haben beispielsweise die Autobanken ein umfangreiches Wissen über die Materie, wie die Restwerte von Fahrzeugen. Auch weisen die neugegründeten Banken schlankere Strukturen auf und werben und warten mit attraktiveren Zinsen gegenüber den Konkurrenten auf. Sie beleben den Wettbewerb und dies hat vorteilige Auswirkungen für die potentiellen (Bank-) Kunden. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass nahezu jedes Unternehmen, ungeachtet des eigentlichen Kerngeschäftes, in den Markt der Finanzdienstleistungen eintreten kann.
6
Verteidigung der Marktanteile durch die Banken
Die traditionellen Kreditinstitute sind jedoch nicht untätig geblieben. Auch sie sehen die Gefahr der Kundenabwanderung durch den aggressiven Markteintritt der Nonund Nearbanks und wirken diesem entgegen. Hier gilt der Grundsatz „Angriff ist die beste Verteidigung“. Die Kreditinstitute haben sich diverse Strategien einfallen lassen, um den Kunden zurück in die Filiale zu holen bzw. um neue junge Zielgruppen anzusprechen. Eine innovative Möglichkeit das Bankgeschäft für neue Kundengruppen interessant zu machen, ist die Zusammenarbeit mit der Telekommunikationsbranche. So kann als zusätzlicher Service für die Bankkunden das Mobiltelefon für Bankdienstleistungen fit gemacht werden. Denkbar sind in diesem Zusammenhang vorprogrammierte Servicerufnummern und Hotline-Unterstützung. Innovative Kreditinstitute bieten Ihren Kunden inzwischen auch Internet-Bankdienstleistungen unter dem Service -Mobile banking- per Handy, Smartphones (z.B. MDA) oder PDA´s an. Es müssen aber nicht immer Non- und Nearbanks die Pioniere sein. Die Stadtsparkasse München beispielsweise ermöglicht es ihren Kunden Bankgeschäfte unter Nutzung von neuesten Handytechnologien auch von unterwegs zu erledigen. Die Angebotspalette reicht dabei von Börseninformationen, der Suche nach einem Geldautomaten bis hin zu mobilen Kontoabfrage. Mittels WAP navigiert der Kunde mit seinem Handy in Internet ähnlichen Seiten, die wegen der begrenzten Darstellungsmöglichkeiten auf einem Handydisplay vereinfacht dargestellt werden. Diesen Trend haben einzelne Kreditinstitute – wie die Stadtsparkasse München - bereits erkannt. Die Stadtsparkasse hat ihr Angebot für Handys und kleine Taschencomputer, so genannte PDA´s, deutlich ausgebaut. Bislang war es bereits möglich, allgemein zugängliche Daten, wie Börsenkurse oder wichtige Rufnummern der Stadtsparkasse, abzurufen. Nun können OnlineBanking-Teilnehmer der Stadtsparkasse beispielsweise auch ihren Kontostand oder Kontobewegungen abrufen. Die Datenübertragung erfolgt dabei verschlüsselt und bietet die gleich hohe Sicherheit wie beim gewohnten Internet-Banking per Computer. Die Stadtsparkasse München hat damit bereits vor Jahren in ein innovatives Geschäftsfeld investiert und hat damit im Wettbewerb um den Kunden eine klare Vorreiterposition eingenommen. Das Mobile Banking unterscheidet sich damit kaum
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noch von Banking über den PC. Die Darstellung passt sich automatisch der Größe des Displays an und die möglichen Funktionen reichen fast an die des OnlineBankings heran.10 Ein ähnlich weit reichendes Angebot bietet inzwischen auch die Postbank ihren Kunden an. Der besondere Vorteil – Neulinge auf dem Gebiet der Mobile Services können auf der Internetseite der Postbank die verschiedenen Möglichkeiten selbst testen. Die Postbank ermöglicht ihren Kunden damit den Zugriff auf innovative Technologien. Die Dresdner Bank beispielsweise war die erste Bank in Deutschland, die bereits 1996 Mobile-Banking über SMS-Technologie angeboten hat.11 Im Zuge von WAP hat die Dresdner Bank mittlerweile ihr Mobile-Banking-Angebot von SMS- auf WAP-Technologie migriert. Bankgeschäfte unter Nutzung modernster Technik abzuwickeln, wird daher auch für die Kreditinstitute immer bedeutender werden. Die Nutzung des zusätzlichen Service durch den Kunden und die Bereitstellung der Technik auch für den kleinen Kunden, ist Voraussetzung für den Erfolg des neuen Serviceangebotes. Aber nicht nur Near- sondern auch Nonbanks haben mit Mobile-Banking bzw. Mobile-Commerce viele Möglichkeiten, in den Markt einzudringen. Telekommunikationsunternehmen wie beispielsweise T-D1 und T-Online bieten bereits jetzt eine technologische Lösung von gemeinsamen Kunden für die Kontostandsabfrage (bei den klassischen Kreditinstituten!) über das Handy an. Zusätzlich entwickelt die Telekommunikationsbranche Systeme, die es ermöglichen mit dem Handy elektronisch zu zahlen. Der Kunde bezahlt mit dieser neuesten technischen Entwicklung kleinere Beträge nicht mehr bar oder per Karte, sondern per Tastenklick über sein Handy. Abgerechnet wird diese Verfügung über die Telefonrechnung.12 Zusammenfassend ist erkennbar, dass der deutsche Bankenmarkt durch sich ständig ändernde technische Innovationen beeinflusst wird. Auch Mobile-Banking wird sich in der Zukunft noch weiterentwickeln. Mit der Nutzung dieser neuesten Technologien hat sich ein weiterer für den Bankkunden nutzbarer Weg, die Bankgeschäfte auch außerhalb der Filiale zu tätigen, aufgetan. Mobile Zahlungen sind ein attraktiver Markt auch für Nicht-Banken, um im Finanzdienstleistungssektor Fuß zu fassen. Durch den Zutritt neuer Anbieter könnte sich das Wettbewerbsniveau im Markt für Zahlungsdienstleistungen insgesamt erhöhen. So steht eine Marktpositionierung in diesem Gebiet noch aus, bisher hat sich kein Unternehmen als Marktführer hervorgetan. Anreize gibt es für Banken und Non- und Nearbanks genug um im Mobile-Banking Bereich einzusteigen: • hohe Marktdurchdringung, 10 11 12
Vgl. Fröhler, J. (2006), S. 1. Vgl. Dresdner Bank AG (1999), S. 1 Vgl. Hermes, S./ Hoffmann, A. (2000), S. 10-11.
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• rasche Akzeptanz der verwendeten Technologien, • hohes Convenience Bedürfnis der Kunden, • es ist eine starke Kostenreduktion möglich.
Ein Engagement im Mobile-Banking ist in Zukunft für Banken unabdingbar und Voraussetzung für den Erfolg im Wettbewerb um den Kunden. Um sich erfolgreich im Wettbewerb zu positionieren, sind Allianzen mit Mobilfunkanbietern von Vorteil. Weitergehende Überlegungen von bankfremden Unternehmen gehen auch dahin, die klassische Bankfiliale für den Vertrieb bzw. als Standort für das Angebot der eigenen Dienstleistungen zu nutzen. Diese so genannten Standortkooperationen würden den Bankkunden, sowie auch den Nichtkunden, wieder in die Filiale locken. So plant beispielsweise die UPS-Tochter Mail Boxes etc., in Deutschland ein flächendeckendes Vertriebsnetzwerk im Franchisemodus aufzubauen.13 Hierfür bietet sich die Kooperation zwischen den Kreditinstituten und UPS besonders an, da die Räumlichkeiten der Bank-Filialen genutzt werden könnten. Die Kunden haben die Möglichkeit den Gang zur Bankfiliale mit dem Paketdienst zu verbinden. Auch hier stehen für den Kunden die Bequemlichkeit und der Zeitgewinn im Vordergrund. Die Kreditinstitute profitieren in mehrerer Hinsicht, einerseits erhalten sie eine Provision von den Kooperationspartnern für die Vermietung von Teilen der Räumlichkeiten an den LogistikPartner, andererseits können sie mit einem hohen Imagegewinn rechnen. Aber es ergeben sich nicht nur Vorteile für ein Kreditinstitut aus der Zusammenarbeit mit einem fremden Unternehmen. Bevor die Entscheidung über eine Kooperation gefällt wird, sind weitere Punkte zu beachten. Die Gefahr der Substitution durch die Nonoder Nearbank ist gegeben. Der Branchenneuling könnte die Erfahrungen in der Kooperation mit der Bank für den Aufbau eines eigenen Finanzdienstleistungsbereiches im Unternehmen nutzen (Finanztöchter von Nonbanks). Der Kunde kann bereits heute den Gang zum Geldautomaten mit einer weiteren Erledigung verbinden. Viele Banken bieten ihren Kunden den Service an, ihre PrepaidKarten für das Handy an den Geldautomaten aufzuladen. Die Akzeptanz von Geldautomaten durch den Kunden hat sich als erfolgreich herausgestellt. Aus dieser sehr günstigen Startposition heraus haben die Banken die Möglichkeit, die Kunden wieder zurück in die Bank zu holen, was als Ausgangspunkt für eine aktive Kundenansprache vor Ort notwendig ist. Das neueste Projekt im Einzugsbereich der GAD eG, im Raum Braunschweig und Wolfsburg, ist der so genannte „Ticket-Service“, mit dem der Kunde am Geldautomaten auch Tickets für kulturelle Veranstaltungen erwerben kann. Sollte auch diese Testphase zur Zufriedenheit aller Beteiligten ablaufen, ist es durchaus vorstellbar, dass zukünftig überall an jedem Geldautomaten in Deutschland
13
Vgl. United States Parcel Post (UPS), abrufbar unter: http://www.ups.com/europe/de/ gerindex.html.
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dieser Extra-Service abrufbar ist.14 Erfolgreiche Projekte, wie die der GAD eG zeigen die diversen Möglichkeiten des alten, neu entdeckten Vertriebsweges, Geldautomat. So wäre die Bandbreite von zusätzlichen Services am Geldautomaten stark erweitert und den Ideen der Banken in Kooperation mit Nonbanks keine Grenzen gesetzt. Der Weg zur Bankfiliale wird dem Kunden erleichtert, da er nunmehr die Möglichkeit hat, mehrere Besorgungen in der Filiale zu erledigen. Aus Sicht des Kunden hat die neue Servicepalette der Kreditinstitute den Vorteil der Bequemlichkeit. Es ermöglicht dem Kunden in einem Schritt verschiedene Aufgaben zu erledigen und spart somit viel Zeit. Voraussetzung ist, dass der Kunde diese neue Servicequalität annimmt und aktiv nutzt. Denn dies ist Grundlage für den Erfolg der Kreditinstitute und deren Kooperationspartner. Die durch die Zusammenarbeit entstehenden Kostenvorteile können an den Kunden in Form von geringeren Preisen und Entgelten weitergegeben werden. Aber auch vor dem Hintergrund der immer knapper werdenden Zeit sind Kooperationen dieser Art für den Kunden wichtig. Durch die Bündelung von Aktivitäten kann Zeit eingespart werden und damit wird ein für den Kunden positiver Effekt erzielt. Die Kreditinstitute profitieren in mehrerer Hinsicht. Einerseits erhalten sie eine Provision von den Kooperationspartnern für die Bereitstellung der Geldautomaten, andererseits können sie mit einem hohen Imagegewinn rechnen. Im Ansehen des Kunden können die Banken durch die Einführung von zusätzlichen und einfach zu bedienenden Serviceleistungen nur gewinnen. Der Vorteil in der Kooperation liegt aber nicht nur in der Nutzung eines bereits existierenden Kundenklientels und Geschäftsstellennetzes, sondern auch in der Minimierung der Vertriebskosten. Werden diese Kosteneinsparungen an den Kunden weitergeleitet, so kann hierin auch neues Vertriebspotential gesehen werden, da ein Großteil der Kunden Bankentscheidungen von Preisen und Kosten abhängig macht. Nachteile sind aber auch auftretende Belastungen wie die Integrationskosten, die notwendig sind, um eine reibungslose Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die Kooperationspartner bedienen sich eines sehr stabilen, sicheren und vom Kunden akzeptierten Systems. Der neue Vertriebsweg, mit dem Zugriff auf ein großes Kundenklientel bietet Raum für Expansion und die Chance zur Erhöhung von Marktanteilen. Die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet zu verfolgen und sich von Beginn an eine gute Ausgangsposition zu sichern, wird die zukünftige Herausforderung für Non- und Nearbanks sein. Erst die genaue Abwägung aller Kriterien der Chancen und Vernetzungsrisiken wird ergeben, inwiefern eine Kooperation für ein Kreditinstitut in Frage kommt. Denn letztendlich hat der Erfolg- bzw. Misserfolg einer Kooperation entscheidenden Einfluss auf die Marktstellung eines Kreditinstitutes. Ein weiterer Weg den Kunden wieder in die Filiale zu holen ist über Bonusprogramme. Der Einzelhandel hat bei dieser Variante der Kundenbindung eine Vorbildfunkti-
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Vgl. GAD eG - IT für Banken, abrufbar unter: http://www.gad.de/.
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on übernommen. Die Kreissparkasse Köln, die Sparkassen Bonn, Münsterland Ost, Wuppertal und Essen haben in Kooperation mit der WestLB das Bonusprogramm SPoints für ihre Privatkunden entwickelt. Mit diesem Bonussystem steht nun ein neues Instrument zur Verfügung, das alle Marketingbausteine in einem Ansatz vereinigt. Mit dem Wegfall des Gesetzes über Preisnachlässe (Rabattgesetz) vom 25. November 1933, welches am 25. Juli 2001 außer Kraft getreten ist, haben sich die Möglichkeiten der Unternehmen erweitert den Kunden Rabatte zu gewähren.15 Kundenkartensysteme beziehungsweise Kreditkarten mit Bonusfunktion sind nunmehr in Deutschland etabliert und gehören zu einem bekannten und sehr beliebten Instrument der Kundenbindung. Aber nicht nur die Kreditinstitute haben diese Möglichkeiten zur Kundenbindung entdeckt, neben ihnen nutzen auch die Non- und Nearbanks die kleinen Plastikkarten mit Vergünstigungen oder sonstige Rabatt- und Bonusaktionen, um neue Kunden zu gewinnen. Die Konkurrenz um den Kunden hat also auch in diesem Bereich begonnen und damit als Sonderservice bzw. zusätzlichen Kundennutzen jeglichen Effekt verloren. Der Kunde hat derart vielseitige Angebote, dass es aus Kundensicht schwer und unübersichtlich ist, das passende Angebot unter Beachtung der Bonusprogramme zu finden. Ziel der Kreditinstitute ist es, neben der Kundenbindung, die Attraktivität der Bankkonten zu steigern und damit die Neukundengewinnung voranzutreiben. Entscheidet sich ein Kunde für das Bonusprogramm hat er oft die Auswahl aus einer Reihe von Prämien. Der Vorteil für den Kunden liegt daher oftmals in der Prämierung durch ein Nichtbankprodukt. Interessant ist die Durchführung des Bonusprogrammes insbesondere unter Einbezug der Bankprodukte. Der Kunde kann damit nach erfolgreichem Punktesammeln die Punkte nicht nur in Sachgegenstände einlösen, sondern beispielsweise in einen Goldbarren, Goldmünzen oder auch zur Verrechnung mit den Kontoführungsgebühren oder Kreditkartengebühren nutzen.16 Durch die Anknüpfung an eigene Bankprodukte ergibt sich für die Kreditinstitute eine völlig neue Möglichkeit, Cross-Selling zu betreiben und damit eine engere KundeBank-Beziehung anzustreben. Auch die Berliner Volksbank eG betreibt ein Bonusprogramm – im Gegensatz zum S-Point- Programm der Sparkassen in Köln und Bonn, nutzt man hier die Verbindung der regionalen Bank mit mittelständischen Unternehmen. In der Eigenschaft als Genossenschaftsbank bietet die Berliner Volksbank ihren Kunden die Bankteilhaberschaft an. Kunden die im Besitz mindestens eines Genossenschaftsanteils sowie eines Girokontos sind, können unter Einsatz des „Bonuspunktes“ Rabatte in 1.600 Akzeptanzstellen in Berlin und Brandenburg kassieren. So schafft die Bank einerseits ein Instrument zur Kundenbindung, andererseits aber auch den Kontakt zu regionalen mittelständischen Unternehmen und trägt somit zur 15
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Vgl. Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) vom 25. November 1933 (RGBl. 1933 I S. 1011), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeitsund sozialrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1172), abrufbar unter: http://www.gesetzesweb.de/RabattG.html. Vgl. Behr, V. (2006), S. 3.
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Entwicklung des Wirtschaftsraumes Berlin-Brandenburg bei. Positiver Nebeneffekt: Es werden nicht nur die Privatkunden, sondern auch die Geschäftskunden an die Volksbank gebunden. Die Teilnahme an einem Kundenbindungsprogramm ist eine geschäftspolitische Entscheidung. Grund hierfür ist der Kostenfaktor, denn die Implementierung eines solchen Instrumentes zur Kundenbindung ist kostenintensiv und bedarf daher einer genauen Abwägung. Vorteil eines Bonusprogrammes aus Sicht einer Bank, egal wie es nun letztendlich ausgestaltet ist, ist dass mit dem Bonusprogramm die rein preisgetriebene Marktbearbeitung und der damit verbundene Margenrückgang in einzelnen Produktsegmenten abgemildert werden kann. Aus Sicht des Kunden sind Bonusprogramme unterschiedlich zu bewerten, ein Teil der Kunden ist Inhaber mehrerer Bonus-, Kunden- und Rabattkarten und sehr affin für den Erhalt von Preisnachlässen und Vorzügen. Andere Kunden hingegen sehen diese Art der Kundenbindung kritisch und ziehen es vor, sich nicht daran zu beteiligen. Als Hauptargument, von dieser Seite aus, wird oft die Begründung des „gläsernen Kunden“ vorgebracht. Sicher ist, dass die Kreditinstitute und Kooperationspartner mit der Einführung von Bonusprogrammen einen bestimmten Vertriebseffekt verfolgen, sei es die Neukundengewinnung, die Steigerung der Kundenzufriedenheit oder die Kundenbindung generell.
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Auswirkungen der Non- und Nearbanks auf den Wandel im Bankenmarkt in Deutschland
Aus der Zusammenarbeit zwischen branchenfremden Unternehmen resultieren vielfältige Auswirkungen auf der Seite der Kreditinstitute, der Kooperationspartner, aber auch kundenseitig hat diese Form des Vertriebes Auswirkungen. Insbesondere die Privatpersonen wenden sich anderen Anlageformen zu. Die Sparer legen inzwischen in größerem Umfang ihre Ersparnisse bei institutionellen Investoren, wie Versicherungsunternehmen und Investmentfonds an oder erwerben direkt Anleihen. Für die Entfaltung des deutschen Finanzplatzes ist diese Entwicklung grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Kunden profitieren von diesen Erweiterungen am meisten, denn für sie erweitert sich der Kreis der Anbieter von Finanzdienstleistungen beträchtlich und auch die Produkt- und Angebotspalette wird ausgebaut. Für die traditionellen Kreditinstitute in Deutschland hat diese Entwicklung nicht nur Vorteile, sondern zeigt auch negative Auswirkungen. So besteht für die Kreditinstitute die Gefahr darin, dass Nonund Nearbanks das durch die Zusammenarbeit gewonnene Know-how nutzen und zu einem Konkurrenten für die traditionellen Kreditinstitute werden. Daher ist es insbesondere für die Kreditinstitute wichtig, nicht alle Geschäftskniffe und -tricks darzulegen. Eine Zusammenarbeit wird solang erfolgen, insofern die Kooperationspartner von der gegenseitigen Zusammenarbeit profitieren und insofern beide Partner eine bessere Position am Markt erreichen, wenn sie kooperieren. Für die Kooperationspartner liegt genau hierin ein Vorteil. Der Markt der Finanzdienstleistungen kann geschützt und ohne ein großes Risiko einzugehen, erkundet werden. Lediglich die Ko-
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operation ist gescheitert und dieser Verlust ist für das Unternehmen durchaus besser zu verkraften, als wenn das Unternehmen zu 100% in den Finanzdienstleistungsmarkt eingestiegen wäre. Die Entwicklungsrichtungen in der deutschen Bankenlandschaft und deren Auswirkungen für den Markt sind durch die Geschwindigkeit des Wandels geprägt. Den Fortschritt im Bankensektor beherrschbar zu machen, ist Aufgabe des Managements. Mit Hilfe des Innovations- und Changemanagements wird diese Aufgabe erst realisierbar. Damit auch zukünftig ein Kreditinstitut im deutschen Bankenmarkt Bestand hat, bedarf es eines erfolgswirksamen Managementsystems, dem Changemanagement, zur zügigen Umsetzung der erfolgsnotwendigen Strategien und innovativen Ideen. Für eine erfolgsversprechende Implementierung des Innovationsmanagements ist es notwendig, diesen Bereich als einen Teil der Unternehmensstrategie auch für Banken zu verstehen. Zur Optimierung der Kostenstrukturen der deutschen Kreditinstitute sind Mittel wie Fusionen oder Übernahmen zweifellos wichtige, jedoch keineswegs die einzigen Waffen im Wettbewerb mit den alten und neuen Konkurrenten. Um den Kunden eine gute Servicequalität zu garantieren, bieten sich als Alternativen die unten geschilderten, näher erläuterten Kooperationen mehrerer Institute und das Outsourcing bestimmter Aktivitäten an. Unter dem Begriff des Outsourcings ist die Auslagerung von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen zu verstehen. Im Finanzdienstleistungssektor bieten sich hierfür der Zahlungsverkehr oder die Abwicklung von Wertpapiergeschäften an, die aus dem Bankunternehmen ausgelagert werden können. Durch das Outsourcing lassen sich die Gesamtkosten senken und zudem Fixkosten in variable Kosten umwandeln. Weitere Vorteile und Ziele des Outsourcings von Unternehmensteilen sind Kosteneinsparungen, Qualitätssteigerungen, Flexibilisierung der Kosten und die Konzentration auf die Kernkompetenzen. Als weitere Auswirkung des Markteintrittes der Non- und Nearbanks und durch den Wandel der Märkte bedingt, verwischen sich die Grenzen zu anderen Branchen. Auch ändert sich die Beschäftigung im Bankwesen. Der Markteintritt der Non- und Nearbanks änderte die Struktur der Arbeit in den traditionellen Banken als auch bei den neuen Unternehmen. Bei den neu geschaffenen Banken oder Finanzabteilungen der Unternehmen unterscheiden sich die Beschäftigungsbedingungen erheblich von denen in den traditionellen Banken, insbesondere in Bezug auf Tarifverträge und Arbeitszeiten. Die genauen Auswirkungen werden jedoch erst im Laufe der Zeit erkennbar werden. Sie sind abhängig von der Geschwindigkeit des Arbeitsplatzabbaus im traditionellen Bankgewerbe und der Neuschaffung von Arbeitsplätzen bei den Non- und Nearbanks. Der bisherige Einfluss der Non- und Nearbanks auf den deutschen Bankenmarkt ist noch relativ gering. Entscheidend jedoch ist, dass aus dem gesteigerten Wettbewerb heraus für traditionelle Banken nunmehr auch das Mittel der Kostensenkung und damit gleichbedeutend der Arbeitsplatzabbau thematisiert werden. Es ändert sich mit dieser Arbeitsplatzumverteilung auch die Quantität der Arbeitsplätze im Finanzdienstleistungsbereich.
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Auswirkungen auf ausländische und europäische Bankenmärkte
Der Nichtbanken-Wettbewerb ist nicht nur in Deutschland ein Anzeichen für sich wandelnde Finanzdienstleistungsmärkte. Anzeichen für die stärker werdende Konkurrenz durch Nichtbanken finden sich heute in fast jedem EU-Land. Der britische Bankenmarkt ist der Markt in Europa der eine sehr hohe Nichtbankentätigkeit im Finanzdienstleistungssektor aufweist. So ist es nicht verwunderlich, dass auch der neueste Trend im Finanzdienstleistungsmarkt den Norden Europas zuerst erobert. Hinter „Zopa“ - Zone of Possible Agreement verbirgt sich ein britischer Anbieter, der eine neue Art der Geldverleihung im Internet anbietet. Kredite können dort von privat an privat vergeben werden. Das Prinzip ist dabei denkbar einfach: Auf der Grundlage des Peer-to-peer-lending, also dem Austausch von Gleichen zu Gleichen oder frei übersetzt Geldverleih unter Gleichrangigen, ist Zopa mehr als eine weitere Online-Bank. Journalisten und Analysten sprechen bereits vom „Ebay des Geldes“ und Zopa ist ähnlich einfach aufgebaut: Wer Geld verleihen möchte, meldet sich auf der Webseite zopa.com an und teilt mit, welchen Betrag er für welchen Zeitraum zu welchen Konditionen zur Verfügung stellen möchte. Wer einen Kredit benötigt, gibt an, wie viel Geld er für wie lange benötigt und welche Zinsen er zu zahlen bereit ist. Stimmen Angebot und Nachfrage am Markt überein, dann übernimmt Zopa den Rest und vermittelt Kreditgeber und Kreditnehmer. Was aber genau bringt dieses Geschäft den Betreibern, denn Zopa ist keine klassische Bank. Zopa vereinnahmt von den Kreditgebern und -nehmern eine Vermittlungsgebühr von je 0,5 Prozent des verliehenen Betrages. Die Geschäftsidee baut darauf, dass nach Abzug aller Entgelte die Konditionen für beide Parteien günstiger sind als bei gewöhnlichen Banken. Das „ebay des Geldes“ richtet sich insbesondere an Kreditnehmer, die im Rahmen der Kreditprüfung bei einer klassischen Bank, beispielsweise wegen des schwankenden Einkommens, für nicht kreditwürdig gehalten werden. Bei Zopa findet auch eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit statt, jedoch trägt und das ist ein nicht unwichtiger Nachteil, jeder Kreditgeber das Ausfallrisiko selbst. Es gibt keinen Einlagensicherungsfonds, der die Kredite der Zopa-Kunden schützt. Bei einer Pleite von Zopa würde, laut Aussage einer der Gründer, ein Inkassounternehmen den Zopa-Kunden ihre Kreditverträge abkaufen. Entsprechende Vereinbarungen gebe es bereits. Die Internetplattform hat auch unter einem weiteren Aspekt einen positiven Vorteil für die Kunden. In Großbritannien gibt es eine relativ hohe Zahl von rund 3 Millionen Personen ohne Bankverbindung. Grund hierfür sind die durch die Banken geforderten bzw. auferlegten Legitimationsprüfungen des Kunden. Da in Großbritannien bekanntlich keine Ausweispflicht besteht, sind viele Bürger ohne Bankverbindung, da sie die
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für eine Kontoeröffnung erforderlichen Dokumente nicht besitzen. Grundsätzlich bieten diese Umstände eine hervorragende Startposition für Zopa.17 Der Erfolg der Finanz-Plattform lässt zunehmend auch den Gedanken der Einrichtung einer solchen Internet-Bank in Deutschland aufkeimen. Die Einrichtung einer solchen Internet-Finanz-Plattform wird in Deutschland momentan noch als problematisch angesehen. Eine besondere Rolle, für die Bewertung eines Finanzdienstleisters, fällt hierbei dem Einlegerschutz zu. Es kann unterstellt werden, dass Liquiditätsschwierigkeiten einer Bank oder eben eines solchen Finanzdienstleisters wie Zopa, die zur Nichtrückzahlung fälliger Einlagen führen, im Zuge eines „Run“ zu einer Gefährdung der Stabilität des gesamten Bankensystems führt. Die rechtliche Ausgestaltung solcher neuen Finanzdienstleister gilt als wesentliches Kriterium für die vollständige Akzeptanz solcher Dienstleister auch am deutschen Bankenmarkt. Zusammenfassend lässt sich deutlich an diesem Beispiel in England die Öffnung des Bankensektors nachvollziehen.
Aber auch in der Schweiz sind Non- und Nearbanks am Bankenmarkt aktiv. In der Schweiz zählen zu den Non- und Nearbanks vor allem die Fondsleitungen schweizerischer Anlagefonds, die Lebensversicherungsgesellschaften und die Effektenhändler. Darüber hinaus gibt es eine Anzahl weiterer Finanzintermediäre, dazu zählen alle Personen, die berufsmäßig fremde Vermögenswerte annehmen, aufbewahren oder helfen, sie anzulegen oder zu übertragen (z.B. Vermögensverwalter, Broker, Wechselstuben, Anwälte, Kreditkartenunternehmen). Die unabhängigen Vermögensverwalter nehmen hierbei eine bedeutende Rolle im Finanzmarkt ein. Der Markteintritt der Non- und Nearbanks in den Bereich der Finanzdienstleistungen erfolgt meist über Standardprodukte und einfach per Internet eines zu vertreibende Produktes.18 Ähnlich wie in Deutschland spielt auch in der Schweiz die technologische Entwicklung für die Entstehung von Finanzdienstleistern durch Non- oder Nearbanks eine große Rolle.
Die Banker in dem deutschen Nachbarstaat Österreich haben ähnliche Konkurrenten wie in Deutschland. Es fand ebenfalls eine Annäherung zwischen Bank- und Versicherungsunternehmen statt, die dazu geführt hat, dass ähnliche Produkte verkauft werden. Obwohl laut dem österreichischen Bankengesetz für Bankgeschäfte eine Lizenz erforderlich ist, gibt es eine beschränkte Anzahl von Nichtbanken, in der Form von Supermärkten und Automobilunternehmen, die Kreditprodukte anbieten. Aber auch die Österreichische Nationalbank hält das Ausmaß des Nichtbankenwettbewerbs in Österreich noch immer für gering und die daraus resultierenden Auswirkungen be-
17 18
Vgl. Honsel, G. (2006), S. 1. Vgl. Schweizerische Bankiervereinigung (Hrsg.): Swiss Banking – ein Programm für die Zukunft, Februar 2003, abrufbar unter: http://www.swissbanking.org/home/fs-allgemein.htm.
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grenzt. Der Druck jedoch, den bereits die bestehenden Non- und Nearbanks auf die Banken ausüben, zwingen die traditionellen Banken neue Einkommen zu erschließen. So sind sie optimistisch, dass sich neben der Konkurrenz durch die Direktbanken und Non- und Nearbanks auch die klassische Filiale weiterentwickeln wird. Man stellt sich spezialisierte Zielgruppen- und Kompetenzcenter oder die Schaffung von emotionalen Erlebniswelten in den Filialen, zum Beispiel mit Duft, Klang oder Design, vor.19 Die österreichischen Kreditinstitute geben der Filiale, als Ort zur Abwicklung von Bankgeschäften, wieder eine bedeutende Rolle.
Der finnische Bankenmarkt ist auf nordeuropäischer Ebene der am weitesten entwickelte Markt für Finanzdienstleistungen. Die Position jedoch hatte das finnische Bankensystem nicht immer inne, denn im Anschluss an die Krise Anfang der neunziger Jahre war der finnische Bankenmarkt durch Umwälzungen und umfangreiche Umstrukturierung gekennzeichnet. Als Folge dieser Entwicklungen ist der Banksektor heute einer der am weitesten fortgeschrittenen in Europa. Die Möglichkeiten für neue Marktteilnehmer sind relativ begrenzt. Es gibt jedoch Beispiele für NichtbankenKonkurrenz vor allem aus dem Einzelhandel. Eine genossenschaftliche Einzelhandelskette besitzt beispielsweise eine Treuekarte, die es den Kunden ermöglicht, Einlagen zu deponieren, obwohl diese nicht unter die Einlagenversicherung fallen. Automobilhändler steigen, ähnlich wie in Deutschland, in das Kreditgeschäft ein und auch die Gemeinden stellen Mittel zu günstigen Bedingungen für Wohnprojekte bereit, die sonst durch die traditionellen Banken finanziert würden. Der Zugriff zu Finanzdienstleistungen per Internet ist in Finnland weit verbreitet, rund 66 Prozent der Bankgeschäfte werden bereits online abgewickelt,20 in Deutschland liegt diese Zahl bei 37 Prozent. Der Aufholbedarf der deutschen Banken und des deutschen Bankenmarktes als solches ist somit riesig. Wirtschaftlich gesehen sind die finnischen Banken jetzt sehr wettbewerbsfähig, aber der Markt und die Infrastruktur in Deutschland sind anders. Den deutschen Banken aber bleibt von der 15-jährigen Entwicklung in Finnland zu profitieren, denn der Markt ist mehr und mehr in Bewegung. Der deutsche Bankenmarkt kann von den europäischen Märkten und deren Erfahrungen profitieren!
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Ausblick
Unabhängigkeit und Mobilität sind die mit Abstand wichtigsten Kundenbedürfnisse des Bankkunden in der Zukunft. Inwiefern es den traditionellen Kreditinstituten gelingt, diese Bedürfnisse rechtzeitig zu erkennen und anzusprechen, ist ausschlagge19 20
Vgl. o.V. (Österreichs Banker, 2006), S. 10. Vgl. Paajanen, M. (2006), S. 11-13.
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bend für den erfolgreichen Bestand des traditionellen Bankgeschäftes und damit auch eine existenzielle Entscheidung für die Banken. Geprägt durch stetige Veränderungen wird sich der deutsche Bankenmarkt zukünftig noch stärker an den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden orientieren. Die Entscheidung wo, wann und mit wem der Kunde ein Bankgeschäft tätigt, trifft der Kunde nunmehr völlig unabhängig und selbständig.
Ob jedoch der Kunde auch weiterhin den gewohnten Service in der Filiale geboten bekommt, ist zudem von Bedeutung. Denn die Kunden nutzen auch zukünftig nicht nur einen Vertriebsweg. Wie bisher, werden auch zukünftig verschiedene Bankgeschäfte an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten vom Kunden abgewickelt werden. Für den Bankkunden der Zukunft ist es entscheidend, dass er die Möglichkeit der individuellen Auswahl und Entscheidung an die Hand bekommt. Es geht darum, den Finanzplatz Deutschland für die Zukunft zu rüsten, die „Filiale in der Hosentasche“ – das ist die Zukunft der Banken in Deutschland.
Die bisherigen rasanten Entwicklungen am Bankenmarkt zeigen auf, wie schnell sich auch zukünftig der Bankenmarkt verändern wird. Die intelligente Filiale, in der der Kunde durch eine virtuelle Person begrüßt wird, die Bankautomaten den Nutzer durch biometrische Verfahren erkennen und die Kunden sekundenschnell Bankgeschäfte von jedem beliebigen Ort aus tätigen, ist die Zukunft des Bankenmarktes. Banken als traditionelle Institutionen behaupten sich auch weiterhin am Markt, jedoch nicht in der gewohnten Form der Filialbanken. Die Abwicklung der Bankgeschäfte steht im Vordergrund. Für den Kunden ist es zukünftig weniger bedeutend ob hinter dieser Dienstleistung ein Kreditinstitut oder ein anderes Unternehmen steht. Das Bild des deutschen Bankenmarktes, das die Köpfe beherrscht, wird sich wandeln und ähnlich den Entwicklungen in anderen Wirtschaftszweigen werden auch im Finanzbereich die Grenzen zu anderen Branchen verwischen. Discounter bieten bereits heute neben den eigentlichen Kernprodukten auch Kreditkarten, Fahrkarten der Deutschen Bahn, Konzertkarten und Reisen an. Warum also nicht zukünftig den Flug und das Hotel für die große Weltreise über die Bank buchen? Die Universalbank der Zukunft wird demnach nicht nur ein universelles Angebot an Finanzdienstleistungen anbieten, sondern vielmehr auch ein universelles Angebot – die das tägliche Leben betreffen - bereitstellen.
Der deutsche Finanzmarkt ist durch vielseitige Veränderungen gekennzeichnet. Die damit verbundenen Chancen und Risiken für alle Beteiligten sind immens. Diese Auswirkungen beziehen sich hierbei jedoch nicht nur auf den Bankenmarkt isoliert. Schwierigkeiten, die in erster Linie den Finanzdienstleistungsmarkt betreffen, wirken sich in mehrerer Hinsicht negativ auf die deutsche Wirtschaft aus. Ein stabiles nationales Bankensystem ist Voraussetzung für ein solides Wirtschaftswachstum. Die Historie der letzten Jahre zeigt, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum mit dem Erfolg der Finanzbranche steht und fällt. Verdeutlicht wird dieser Zusammenhang am Beispiel des Börsencrash in 2000/2001 und der nachfolgenden Jahre. Die Zeit vor
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dem Jahr 2000 war durch ein ungestümes Wirtschaftswachstum, insbesondere im Bereich der New Economy gekennzeichnet. Im Laufe des Jahres 2000 und 2001 erlebte die Wirtschaft das qualvolle Sterben eines ganzen Wirtschaftszweiges und es zeichneten sich nach den Finanzproblemen auch gesamtwirtschaftliche Probleme ab. Der Finanzsektor ist und bleibt eine wichtige Kraft für eine gut funktionierende Wirtschaft.
Wie die Finanzbranche zukünftig aussehen wird, bleibt dagegen offen und lässt Raum für Spekulationen. Non- und Nearbanks werden sicherlich zukünftig noch stärker in den Finanzdienstleistungsmarkt eindringen und diesen eines Tages womöglich sogar dominieren. Eine 100%-ige Verdrängung bzw. Substitution der klassischen Kreditinstitute durch die Markteintritte von Konkurrenten wird nicht stattfinden.
Innovative Ideen und Strategien sind die Optionen der Banken im Finanzdienstleistungsmarkt gegen oder auch mit den neuen Konkurrenten, um in der Bankenbranche bestehen zu können.
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Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressenausfallrisiken im Kreditrisikomanagement
Wilhelm. Schmeisser
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Einführung
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Grundsätzliches
Das Kreditgeschäft nimmt seit jeher eine bedeutende Rolle für den Erfolg der Kreditinstitute1 ein und stellt neben dem Geld- und Kapitalanlagegeschäft sowie den Zahlungsverkehrsleistungen eines der wichtigsten Geschäfte dar.2 Diese Geschäfte liefern die höchsten Erträge und sind daher für die Branche von besonderer Bedeutung. In den achtziger Jahren lag die Strategie in dem Aufbau von hohen Kreditvolumina sowie in der Maximierung der Erträge. Diese stellen auch heute noch den größten Posten in den Bankbilanzen dar. Jedoch wurde mit diesem Ausbau auch das Risiko deutlich ausgeweitet und eines der gewichtigsten Risiken, das Adressenausfallrisiko, wurde vernachlässigt, was zu hohen Wertberichtigungen und Verlusten, im Extremfall zu Insolvenzen ganzer Institute führte.3 Heutzutage dominiert der Ansatz der Risikodiversifizierung und Minimierung der Verluste. Es ist jedoch zu beachten, dass eine der Hauptaufgaben für eine Bank in der Übernahme von Risiken und dessen Management besteht. Die aus der Risikoübernahme erwarteten Erträge sollen in ihrem Bestand und ihrer Höhe gesichert werden und die möglicherweise auftretenden Verluste begrenzen.4 Insbesondere in den Jahren 2000 bis 2002 lösten die Vermögensverluste in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Banken durch die Kreditgeschäfte kumulierte Wertberichtigungsneubildungen von 74 Mrd. EUR aus.5 Die Kreditinstitute tragen dieser Erkenntnis zunehmend Rechnung, indem das Kreditrisikomanagement organisatorisch institutionalisiert und eine intensive Auseinadersetzung mit Konzepten zur Risikosteuerung stattfindet. Seit Mitte der neunziger Jahre erlangte das Kreditrisikomanagement in der Wissenschaft und Praxis eine verstärkte Aufmerksamkeit.6 „Die deutschen Banken haben ihre Risikomanagementsysteme in den letzten Jahren deutlich verbessert und nutzen modernste Techniken und Plattformen.“7 Hierfür setzen sie neue Instrumente zum Kreditrisikohandel oder Kreditver1 2 3 4 5 6 7
Der Begriff Bank und Kreditinstitut wird in § 1 Abs. 1 KWG geregelt. Vgl. Baule, R. (2004), S. 1. Vgl. Baule, R. (2004), S. 1. Vgl. Heim, U./ Balica, C. J. (2001), S. 208. Vgl. Flesch, J. R. (2006), S. 19. Vgl. Grundke, P. (2003), S. 1f. Meister, E. (2005).
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kauf ein.8 Vor diesem Hintergrund haben die Anforderungen an die Kreditrisikosteuerung deutlich an Bedeutung gewonnen. Aufgrund der zunehmenden Komplexität und dem steigenden Risikogehalt der Bankgeschäfte für die Erzielung höherer Margen sowie der zentralen Stellung des Bankensystems in der Volkswirtschaft unterliegt es der besonderen Kontrolle durch den Gesetzgeber und den Aufsichtsbehörden. Um diesen Kontrollen Rechnung zu tragen, spielen neue aufsichtsrechtliche Regelungen in der Form von Basel II sowie den Mindestanforderungen an das Risikomanagement, kurz MaRisk, eine wichtige Rolle. 1.2
Strukturwandel im Kreditgeschäft und die Notwendigkeit der Steuerung von Adressenausfallrisiken im Bankensektor
Die größte Gefahr für die Banken liegt in dem Ausfall von Krediten, wodurch ein Schaden entsteht und sich das Risk-/Return9 – Profil verschlechtert. In den neunziger Jahren verzeichneten die Banken im Kreditgeschäft erhebliche Ausfälle, die teilweise zu Insolvenzen ganzer Institute führten. Gegen Ende der neunziger Jahre war eine Wachstumsschwäche in Deutschland zu beobachten, welche zu steigenden Ausfallrisiken auf gesamtwirtschaftlicher Ebene führte. Dies wurde durch steigende Insolvenzraten bei Unternehmen deutlich. Die Abbildung1 visualisiert die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen seit 1994. Demnach erreichte der Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2003 mit 39.470 Insolvenzen den höchsten Stand. Im gleichen Jahr wurde auch der Höhepunkt im Bereich der Insolvenzschäden mit einem Schadensvolumen von 40,5 Mrd. EUR erreicht. In den letzten beiden Jahren kam es zu einem leichten Rückgang. Es besteht die Hoffnung, dass diese leichte Erholung nicht wieder in einen massiven Anstieg der Insolvenzen mündet. Immerhin noch 37,5 Mrd. EUR betrugen die geschätzten Ausfälle der Gläubiger im Jahr 2005.10
8 9 10
Vgl. Meister, E. (2005). Return wird hierbei als Renditeerwartung verstanden. Vgl. Creditreform (2005), S. 16ff.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
163
Abb. 1: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland Quelle: Vgl. Creditreform (2005), S. 4.
Aufgrund der sinkenden Insolvenzzahlen profitierte „die Kreditwirtschaft [...] vor allem von einer signifikanten Verminderung des Wertberichtigungsbedarfs als Spiegelbild einer deutlichen Entspannung der Risikolage“11. Insbesondere für die Kreditinstitute, die auf den Mittelstand fokussiert sind, zeigte sich eine allmähliche Verbesserung der Kreditportfolios. Dies wurde aber auch durch die Reduktion der Kreditrisiken unterstützt und zeigt die herausragende Bedeutung der Fokussierung auf dieses Thema.12 Denn auch zukünftig werden die Banken mit anhaltend hohen Risiken zu rechnen haben. Vor allem der sich weiter verschärfende Wettbewerb und die steigende Transparenz der traditionell nur bedingt risikogerechten Bepreisung im Kreditgeschäft hat weiter sinkende Margen und eine Verschlechterung der durchschnittlichen Kreditnehmerbonität innerhalb der bankbetrieblichen Kreditportfolios zur Folge. Durch den zunehmenden Wettbewerbsdruck ist davon auszugehen, dass die Unternehmensinsolvenzen sich weiterhin auf hohem Niveau bewegen werden. Dies erfordert von den Banken ein aktiv gemanagtes Kreditrisikomanagement, um Adressenausfallrisiken zu steuern und somit Schäden abzuwenden. Einerseits beeinflussen Risiken die Bankrentabilität in der Regel negativ, andererseits ist das gezielte Eingehen von Risiken Voraussetzung für die Erreichung einer angemessenen Kapital11 12
Deutsche Bundesbank (2006), S. 44. Vgl. Deutsche Bundesbank (2006), S. 44.
164
Kapitel V
Performance.13 Im Rahmen der Steuerung spielen traditionelle Verfahren wie die Limitierung von Adressenausfallrisiken, aber auch innovative Steuerungsmethoden eine wichtige Rolle. Gerade durch die in der jüngsten Vergangenheit zugenommene Bedeutung der Finanzmärkte ist vor allem der Handel mit Krediten wichtiger geworden, wodurch neue Möglichkeiten entstehen, das Kreditportfolio zu gestalten. Für die Kreditrisikosteuerung hat sich allerdings bisher kein bestimmtes Verfahren durchgesetzt. Vielmehr existieren verschiedene Ansätze nebeneinander.14 Letztendlich liegt die Aufgabe eines aktiven Kreditrisikomanagements für die Erreichung der Performanceziele in der Verbesserung des Risk-/Return Verhältnisses.15
2
Kreditgeschäfte bei Banken
Die Kreditvergabe stellt eine für Banken typische Finanzinvestition dar. Der Kreditnehmer erhält von der Bank eine sichere Auszahlung. Darauf folgen idealtypisch eine oder mehrere zukünftige Einzahlungen durch diesen Kreditnehmer. Grundsätzlich sind zukunftsgerichtete Handlungen wie diese Einzahlungen mit Unsicherheiten verbunden, wobei diese Unsicherheitssituation für die kreditgebende Bank ein Risiko darstellt.16 2.1
Bankbetriebliche Risiken und (Kredit-)Risikomanagement
Eine der Hauptaufgaben der Banken besteht in der Übernahme von Risiken und dessen Management. Diese Funktion sowie die der Risikotransformation gehören somit zu den Grundfunktionen einer Bank.17 Demnach müssen sich die Kreditinstitute mit den Risiken ihrer Aktivitäten intensiv befassen. „Voraussetzung hierfür ist die Existenz eines funktionsfähigen […] Risikomanagements zur Begrenzung und Steuerung des insgesamt übernommenen Risikopotenzials.“18 Im Rahmen dieser Arbeit ist es wesentlich, vor allem den Begriff Risiko zu definieren sowie die einzelnen Bankrisiken zu systematisieren, um von diesen die für das Kreditportfolio konkreten Adressenausfallrisiken abgrenzen zu können. 2.1.1
Terminologische Grundlagen zum Risiko
In der finanzwirtschaftlichen Theorie wird der Begriff des Risikos verschiedenartig definiert und gewürdigt. Die gängigste und wohl möglich praxisrelevanteste Definiti13 14 15 16 17
18
Vgl. Schierenbeck, H. (2001), S. 1. Vgl. Heim, U./ Balica, C. J. (2001), S. 208. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 3. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 11. Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 263; Döhring, J. (1996), S. 1; Schierenbeck, H. (2001), S. 2. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 263.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
165
on besagt, dass das Risiko als negative Abweichung von einem Erwartungswert, die positive Abweichung hingegen als Chance verstanden wird.19 Dabei wird der subjektive Charakter des Begriffes deutlich. Die negative Abweichung kann auch als Risiko im engeren Sinne verstanden werden. Dabei besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Quantifizierung der Unsicherheit durch Angabe von subjektiven Wahrscheinlichkeiten.20 Für den in der Praxis verwendeten Risikobegriff ist die einseitige Betrachtung der ungünstigen Abweichungen von den Ergebnissen charakteristisch und damit Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Daraus erwachsen Gefahren, die für das gesamte Kreditinstitut von Bedrohung sein können. 2.1.2
Systematisierung bankbetrieblicher Risiken
Die Risiken bei Banken lassen sich in verschiedene einzelne Risikoarten systematisieren. Zunächst lassen sich strategische und operative Risiken voneinander abgrenzen, wobei letztere sich weiter in solches des internen und externen Leistungsbereiches differenzieren lassen.21 Erstgenannte Risikokategorie bezieht sich auf den Betriebsbereich einer Bank und umfasst dabei nichtmonetäre Produktionsfaktoren sowie deren aufbau- und ablauforganisatorische Zuordnung. Dieser Bereich wird in der vorliegenden Arbeit allerdings nicht weiter beleuchtet. Zu dem externen Leistungsbereich zählen die Ausfall- und Preisrisiken. Wichtige Untergruppen der Preisrisiken sind die Zinsänderungs- und Wechselkursrisiken, die Ausfallrisiken lassen sich vor allem in die Kredit- und Länderrisiken unterteilen. Diese Sichtweise ist eher ursachenbezogen. Dabei kann ursachenbezogen sozusagen als das Gegenteil von Sicherheit definiert werden.22 Bei einer wirkungsbezogenen Sichtweise werden dagegen das Liquiditätsrisiko, welches in der Gefahr begründet ist, dass den Zahlungsverpflichtungen zum Fälligkeitstermin nicht nachgekommen wird, und die Erfolgsrisiken betrachtet. Die bereits vorgenannten Risiken resultieren aus diesen Liquiditäts- und Erfolgsrisiken.23 Im Sinne des KWG bzw. des Grundsatzes I sind somit die Marktpreisund Ausfallrisiken bankbetriebliche Erfolgsrisiken.24 Zu den Marktpreisrisiken zählen das Zinsänderungs-, Währung- und Aktienkursrisiko, zu den Ausfallrisiken die Risiken, „die nicht in einer allgemeinen Marktentwicklung begründet sind, sondern vom Verhalten der jeweiligen Gegenpartei […] bzw. dessen Umfeld abhängen“25.
19
20 21 22 23 24 25
Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 12; Bröker, F. (2000), S. 8; Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 263; Lister, M. (1997), S. 5f.; Schierenbeck, H. (2001), S. 17. Vgl. Perridon, L./ Steiner, M. (2004), S. 98ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 10; Büschgen, H. E. (1998), S. 869; Schierenbeck, H. (2001), S. 4. Vgl. Baule, R. (2004), S. 9. Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 869. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 10f. Baxmann, U. G. (2001), S. 7.
166
Kapitel V
Durch den Risikoeingang werden die knappen Ressourcen Risikotragfähigkeit bzw. Risikokapital genutzt. „Die Risikotragfähigkeit von Kreditinstituten wird durch die jeweilige Eigenkapitalausstattung determiniert.“26 Für die Nutzung von Risikokapital ist zusätzlich eine Rendite, d.h. ein Risikoergebnisanspruch zu realisieren. Der Ertrag aus dem Risikoeingang muss dem Renditeanspruch des Marktes für dieses Risiko entsprechen, da sonst Ressourcen ineffizient eingesetzt werden. Dies impliziert, dass die Ergebnisgrößen, die im Ist-Zustand und in der Planung unter dem Eingang von Risiko erwirtschaftet werden, für sich alleine nicht aussagefähig sind. Grundsätzlich bewirkt das eingegangene Risiko, dass dieses von dem Kreditinstitut mit Eigenkapital unterlegt werden muss. Jedoch ist in aktuellen Diskussionen festzustellen, dass sich die Ansicht über das Risiko verändert hat. So wird bei Kreditausfällen der Erwartungswert über den vertraglich vereinbarten Kapitaldienst entsprechend reduziert und folglich nicht mehr als Risiko angesehen. Somit wird in dieser neueren Entwicklungstendenz das Risiko nicht mehr für jeden Ausfall, sondern nur noch für die unerwarteten Verluste betrachtet, wodurch für die erwarteten Verluste kein Eigenkapital vorgehalten werden muss, da diese Ausfälle bereits erahnt worden sind.27 2.1.3
Adressenausfallrisiken
Im Kreditrisikomanagement spielen vor allem die Adressenausfallrisiken28 die entscheidende Rolle, die in die Anteilseigner- und Gläubigerrisiken unterteilt werden. Diese resultieren aus der Gefahr, dass Forderungen der Bank aus bilanziellen oder außerbilanziellen Positionen aufgrund der Zahlungsunwilligkeit bzw. der vollständigen oder partiellen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners überhaupt nicht, nur unvollständig oder verspätet beglichen werden. Die Kreditgeschäftsrisiken, eine Untergruppe der Gläubigerrisiken, stellen dabei in diesem Kontext die wichtigste Art dar.29 Verschiedene Arten von Risiken werden im Kreditrisikomanagement darunter subsumiert. Es kann in das Bonitäts- und Ausfallrisiko unterteilt werden.30 „Gegenstand der Betrachtung sind somit Risiken, die sich aus der Bonitätsentwicklung eines Vertragspartners ergeben und die letztendlich im Ausfall vereinbarter Zahlungsströme münden können.“31 Wie in der Abbildung 2 visualisiert, können die im Kreditgeschäft der Bank auftretenden Risiken in die des Einzelgeschäftes und die des gesamten Kreditportfolios differenziert werden. Dabei bezieht sich das Kreditrisiko i.w.S. auf die Einzelgeschäfte, Risiken des Kreditportfolios hingegen beziehen sich auf das gesamte Kreditgeschäft. 26 27 28 29 30 31
Riegler, J. J. (2005), S. 16. Vgl. Bessis, J. (1998), S. 5; Duffie, D./ Singelton, K. J. (2003), S. 3 ff. In der Literatur wird dieser Begriff öfters auch als Kontrahentenrisiko bezeichnet. Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 920. Vgl. Baule, R. (2004), S. 12; Duffie, D./ Singelton, K. J. (2003), S. 2. Baxmann, U. G. (2001), S. 8.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
167
Kreditgeschäftsrisiken
Einzelgeschäftsbeogene Kreditrisiken ( = Kreditrisiko i.w.S.)
aktives Kreditrisiko ( = Kreditrisiko i.e.S.)
Kreditportfoliorisiken
strukturelles Kreditrisiko
Abb. 2: Risiken des Kreditgeschäftes Quelle: In Anlehnung an Brakensiek, T. (1991), S. 13.
2.1.3.1
Einzelgeschäftsbezogene Kreditrisiken
Die einzelgeschäftsbezogenen Kreditrisiken setzen sich aus verschiedenen Einzelrisiken zusammen, die im Folgenden systematisiert werden. Dabei werden das aktive als auch das strukturelle Risiko zusammengefasst. Generell besteht bei Kreditvergaben die Gefahr eines Ausfalls eines Kreditnehmers. Ein Kreditausfall liegt vor, wenn ein Kreditnehmer seine vertraglichen Zins- und Tilgungsleistungen nicht oder nur teilweise erbringt. Die Ursache kann dabei in der mangelnden persönlichen Zahlungsbereitschaft als auch in einer wirtschaftlichen Zahlungsunfähigkeit begründet sein. Dieses Risiko wird als Ausfallrisiko bezeichnet und ist eine Konsequenz aus einer Bonitätsverschlechterung. Diese Überlegung findet sich auch in den neuen Entwicklungstendenzen wieder, in denen eine Eigenkapitalunterlegung nur für die unerwarteten Verluste gefordert wird. Das Terminrisiko dagegen bedeutet, dass der Kreditnehmer den Kapitaldienst nicht zum vereinbarten Termin erbringt. Das Ausfall- als auch das Terminrisiko werden dabei unter dem Begriff des Bonitätsrisikos zusammengefasst. Unter Bonitätsrisiko wird verstanden, dass sich im Rating32 ein Engagement verschlechtert. Dies bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass mit einem Ausfall zu rechnen ist. Ein weiteres kreditgeschäftliches Risiko stellt das Besicherungsrisiko dar. Es besteht in der Gefahr, dass die dem Kreditinstitut gegebenenfalls eingeräumten Kreditsicherheiten infolge rechtlicher Mängel oder Wertminderungen zum Zeitpunkt ihrer Verwertung nicht mehr den zur Deckung der Kreditforderung notwendigen Verwer32
Ein Rating ist ein Indikator zur Beurteilung und Einstufung der Bonität eines Unternehmens.
168
Kapitel V
tungserlös erbringen. Das Besicherungsrisiko folgt zeitlich dem Bonitätsrisiko, da erst ab diesem Zeitpunkt der Kreditgeber versuchen wird, seine Forderungen über die Verwertung der Kreditsicherheiten zu befriedigen.33 Das Besicherungs- und Bonitätsrisiko werden unter dem Begriff des aktiven Kreditrisikos zusammengefasst.34 Die passiven Kreditrisiken dagegen können einem konkreten Kreditgeschäft, nicht aber dem entsprechenden Kreditnehmer verursachungsgerecht zugeordnet werden, da ihre Ursachen im Entscheidungsverhalten der kreditgebenden Bank begründet sind.35 Als Einflussgrößen können neben den aktiven Kreditrisiken auch das Refinanzierungs-, das Zinsänderungs- und Währungsrisiko, das Inflationsrisiko sowie Betriebsrisiken und strategische Fehlentscheidungen ausgemacht werden.36 Im internationalen Kreditgeschäft kommt das Länderrisiko hinzu. Hierbei besteht die Gefahr, dass ein zahlungsfähiger und –williger ausländischer Kreditnehmer aufgrund staatlicher Restriktionen an der Leistung seines Kapitaldienstes gehindert wird, welches in dieser Arbeit aber nicht weiter von Bedeutung sein wird. Des Weiteren existieren zusätzlich strukturelle Risiken. Unter diesem Oberbegriff werden dabei das Inflations-, Refinanzierungs-, Währungs- und Opportunitätsrisiko zusammengefasst. Entscheidende Einflussgrößen sind neben den aktiven Kreditrisiken auch die allgemeine Konjunkturlage sowie das Zins- und Währungsrisiko. 2.1.3.2
Kreditportfoliorisiken
Neben den genannten Risiken existieren aber auch solche, die nicht nur das einzelne Engagement bedrohen, sondern das gesamte Kreditportfolio einer Bank. Diese lassen sich in die geschäftspolitischen Risiken, Organisations- und Personalrisiken einteilen. Geschäftspolitische Risiken entstehen, wenn das gesamte Kreditportfolio unzureichend diversifiziert ist. Entscheidend sind dabei die Kreditvolumens- und Kreditstrukturpolitik. Im Bereich der Kreditvolumenpolitik wird sowohl über die Volumenbegrenzung für einzelne Kredite als auch über die von ganzen Kreditarten entschieden. Kreditstrukturpolitik befasst sich mit der Art der Kreditgeschäfte. Dabei ist von Belangen, „in welche Kreditnehmergruppen oder in welche Regionen differenziert wird“37. Neben dieser Gefahr existiert aber auch die der unzulänglichen Kredit- und Kreditnehmerbetreuung, woraus sich Risiken entwickeln können. Weitere Risiken können aber auch durch das Personal des Kreditgebers entstehen, z.B. durch nicht ausreichende Ausbildung und durch Fehlentscheidungen.
33 34 35 36 37
Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 16; Büschgen, H. E. (1998), S. 924. Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 924. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 16. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 16f.; Büschgen, H. E. (1998), S. 924f. Brakensiek, T. (1991) S. 18.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
169
Im Kreditgeschäft der Banken wird zudem zwischen dem materiellen als auch formalen Risiko unterschieden.38 Erster Begriff bezeichnet die Gefahr einer verbundenen negativen Abweichung eines zukünftig eintretenden Ereignisses von einem Referenzwert.39 Dieser findet in der Bank seinen Ausdruck in der herkömmlichen Vorstellung von einem Ausfallrisiko, bei dem die Gefahr besteht, dass die vereinbarten Zinsund Tilgungsleistungen nicht vollständig bzw. fristgerecht zurückgezahlt werden. In diesem Fall ist der Referenzwert die ordnungsgemäße Vertragserfüllung. Das eigentliche Risiko allerdings stellt das formale Risiko dar. Es wird definiert als die Gefahr, dass der Bank trotz langfristig korrekter Kalkulation des Erwartungswertes ein Schaden aufgrund von Zufallsschwankungen erleidet und so die Gefahr einer Insolvenz besteht. Darunter sind die unerwarteten Verluste zu verstehen, die später noch genauer beleuchtet werden. Das formale Risiko steht mit dem materiellen dabei in Beziehung, da die für letzteres Risiko kalkulierten und realisierten Risikoprämien, die eingenommen werden, den tatsächlichen Schaden unter- bzw. überschreiten können.40 2.1.4
Ursachen von Risiko
Die Entstehungsgründe für Risiko sind vielschichtig. Als Ursache für das Risiko wird ein unzureichender Informationsstand über aktuelle und zukünftige Ereignisse sowie die Unfähigkeit, vorhandene Informationen zu verwerten, gesehen. Daraus können sich Fehlentscheidungen ableiten, die möglicherweise eine Minderung des erwarteten Ergebniswertes nach sich ziehen. Vor allem an der Bedeutung des Kreditrisikos als Hauptgefährdungspotenzial für Bankenkrisen hat sich in den vergangenen Jahren nichts verändert. Überhöhte Kreditrisiken sind die „weitaus häufigste Ursache existenzbedrohender Schwierigkeiten von Banken und Auslöser von Krisen ganzer Bankensysteme“41. Artopoeus (1998) stellte zudem fest, dass „seit Anfang der sechziger Jahre fast einhundert private Banken infolge sich häufender Kreditverluste insolvent geworden und vom Markt verschwunden“42 sind. „Zahlreiche Sanierungen und Rettungsaktionen [waren] fast ausnahmslos durch einen kritischen Wertverfall des Kreditportfolios [!] der betreffenden Bank ausgelöst worden.“43 Diese Zusammenbrüche geschahen oft durch den Ausfall eines einzigen Großengagements. Aber auch sich häufende Zahlungsschwierigkeiten von Unternehmen einzelner Branchen oder Regionen verursachten diese Probleme. Bei Akutwerden von Kreditrisiken stehen die absoluten Größenordnungen im Vordergrund. Zur Verdeutlichung der quantitativen Bedeutung von Kreditrisiken sind allerdings relative Zahlen besser geeignet. So konsta38 39 40 41 42 43
Vgl. Döhring, J. (1996), S. 18ff. Vgl. Baule, R. (2004), S. 9. Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 865ff. Artopoeus, W. (1998). Ebenda. Ebenda.
170
Kapitel V
tierte Artopoeus (1998), dass im Durchschnitt „immer noch mehr als 90 Prozent [!] der eigenen Mittel der Banken zur Unterlegung der traditionellen Ausfallrisiken“44 dienen. Auch die Bundesbank stellte in ihren Ausführungen zur laufenden Bankenaufsicht im Jahresbericht 2000 fest, dass „die Gesamtsumme der anrechnungspflichtigen Positionen […] von den Kreditrisiken mit einem Anteil von etwa 92 Prozent [!] dominiert“45 wird. Somit wird als Ursache für das Risiko der unzureichende Innformationsstand über aktuelle und künftige Ereignisse sowie die Unfähigkeit, vorhandene Informationen zu verwerten, gesehen.46 2.1.5
(Kredit-)Risikomanagement im Bankbereich
Die Risiken richtig zu beurteilen, zu überwachen sowie sich bei eingegangenen Risiken hinreichend abzusichern, stellen die zentralen Herausforderungen des (Kredit-) Risikomanagements in Banken dar. Denn deren traditionelle Aufgabe besteht in der Übernahme und Bündelung von Risiken gegen adäquate Risikoprämien.47 Das (Kredit-)Risikomanagement umfasst die Gesamtheit aller Überlegungen, Entscheidungen und Aktivitäten, welche die Planung, Realisation und Kontrolle ausfallrisikobehafteter Kreditgeschäfte unter Berücksichtigung ihrer Chancen und Risiken beinhalten.48 Darunter wird vor allem auch der planvolle Umgang mit Risiken verstanden. Der Prozess des Kreditrisikomanagements bei Banken lässt sich prinzipiell in die drei Stufen Risikoidentifikation, Risikosteuerung und Risikokontrolle einteilen.49 Die Höhe der Risikoaufnahme wird durch das Eigenkapital, das eine Risikobegrenzungsfunktion erfüllt, begrenzt. Das Eigenkapital sollte daher so bemessen sein, dass selbst in sehr unwahrscheinlichen Szenarien die entstehenden Verluste aufgefangen werden können.50
44 45 46 47 48 49 50
Artopoeus, W. (1998). Deutsche Bundesbank (Hrsg.) [Geschäftsbericht, 2001], S 164. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 12. Vgl. Straßberger, M. (2002), S. 35. Vgl. Heuser-Greipl, U. (1999), S. 29; Schierenbeck, H. (1999), S. 282. Vgl. Süchting, J./ Paul, S. (1998), S. 481. Vgl. Riegler, J. J. (2005), S. 16.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
Risikoidentifikation
Risikosteuerung
171
Risikokontrolle
Abb. 3: Prozess des Risikomanagements Quelle: In Anlehnung an Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 18.
2.1.5.1
Risikoidentifikation
Der erste Schritt, die Risikoidentifikation, analysiert, welche Risiken in dem Kreditinstitut existieren und welche Ansätze vorhanden sind, um diesen zu begegnen. Hierbei werden die Geschäfte auf das bereits im Vorfeld definierte Risiko untersucht und den jeweiligen Risikokategorien zugeordnet. Die identifizierten Risiken werden quantifiziert sowie beurteilt. Dabei wird versucht, das individuelle Ausmaß eines Risikos zu ermitteln.51 Für die Messung der Einzelkreditengagements können bspw. mathematisch-statistische Verfahren wie die Diskriminanzanalysen, aber auch Ratingverfahren eingesetzt werden. Auf diese Möglichkeit wird allerdings nicht weiter eingegangen, da der Schwerpunkt auf der Analyse der Zusammenhänge dieser Einzelrisiken liegt. Dabei wird geprüft, ob ein Kreditportfolio überhaupt risikobehaftet ist. Dies geschieht vor allem durch die Anwendung von Kreditportfoliomodellen. Sofern ein Kredit als risikobehaftet identifiziert wurde, muss dieses Risiko einer entsprechenden Risikokategorie zugeordnet werden, bspw. dem Besicherungsrisiko oder dem Terminrisiko. Mit Hilfe der Risikomessung, auf die im dritten Kapitel intensiver eingegangen wird, werden die erkannten Risiken mit Hilfe bestimmter Kalkulationsverfahren quantifiziert. Im Rahmen der Risikobeurteilung ist von der Geschäftsleitung entsprechend seine Risikopräferenz festzulegen, ob und bis zu welcher Höhe einzelgeschäftliche Kreditrisiken sowie aggregierte Kreditportfoliorisiken eingegangen werden sollen.52 2.1.5.2
Risikosteuerung
Grundlage jeder Risikosteuerung ist die Erkennung relevanter Risiken und deren Quantifizierung.53 Auf dieser Basis findet die Risikosteuerung statt, die als das Kern51
52 53
Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 267; Straßberger, M. (2002), S. 39; Süchting, J./ Paul, S. (1998), S. 481. Vgl. Süchting, J./Paul, S. (1998), S. 480. Vgl. Baule, R. (2004), S. 2.
172
Kapitel V
geschäft des Kreditrisikomanagements angesehen wird. Zum einen soll das Eintreten von Risiken verhindert werden, welches als ursachenbezogene Risikopolitik bezeichnet wird. Darunter sind z.B. Begriffe wie Kreditwürdigkeitsprüfung als auch Kreditrevision zu verstehen. Die Risikosteuerung strebt aber auch eine Minderung der bereits eingetretenen Risiken an. Dies wird als wirkungsbezogene Risikopolitik bezeichnet. Generell kann man die damit verbundene Strategie der Bank als Risikovermeidung bzw. Risikobeschränkung beschreiben.54 Dieser Bereich lässt sich generell in die aktiven und passiven Instrumente aufteilen. Zu den aktiven zählen die Risikoüberwälzung, Risikobegrenzung, in der Literatur auch als Risikozerfällung bekannt, Risikolimitierung und Risikostreuung.55 Die passiven dienen der Verlustvorsorge und Erhöhung der Risikotragfähigkeit, wobei das Risiko im Zins, in der Disposition offener und stiller Eigenkapitalreserven und in der Stärkung der Ertragskraft gesehen wird. Es wird versucht, durch die Zuwendung von Eigenkapital die Höhe der Konkurswahrscheinlichkeit zu verringern.56 „Mit den passiven Instrumenten […] wird das Risikodeckungspotenzial geschaffen, welches bei der Ableitung bankindividueller Risikonormen Berücksichtigung findet.“57 Die passiven Instrumente werden daher dann eingesetzt, wenn die Risiken eintreten, gegen die keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können.58 Damit soll das Kreditinstitut vor Schäden bewahrt, die Ertragskraft gestärkt und die auftretenden Risiken mit denen aus dem laufenden Ergebnis bestehenden primären Risikodeckungspotential aufgefangen werden.59 Jedoch ist zu beachten, dass die Stärkung der Ertragskraft von der Integration der Risikokosten in den Preis des Einzelgeschäftes abhängt. Dabei ist die Messung und Kalkulation dieser Risikokosten Voraussetzung für eine systematische Integration der Risiken in den Managementprozess.60 Hinzukommt, dass diese Maßnahmen nicht bzw. nur bedingt geeignet sind, die materiellen Ausfallrisiken zu steuern, da diese grundsätzlich nur für zufällig eintretende negative Reinvermögensminderungen in einzelnen Perioden vorgesehen sind.61 Die aktiven Instrumente dagegen haben den Zweck des sicherheitsorientierten Kreditrisikomanagements. Dabei wird vor allem die Verminderung der potentiellen Verluste angestrebt. Der Einsatz der aktiven Instrumente erfolgt bewusst für die gemessenen Risiken, indem das Risikopotential gestaltet wird.62
54 55 56 57 58 59 60 61 62
Vgl. Süchting, J./ Paul, S. (1998), S. 481. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 52ff. Vgl. Döhring, J. (1996), S. 78. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 279. Vgl. Blattmann, P. (2000), S. 100. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 57. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 57; Döhring, J. (1996), S. 77ff. Vgl. Döhring, J. (1996), S. 79. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 51.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
173
Ein wichtiger Teil der zu steuernden Risiken entsteht prinzipiell nicht aus den Einzelgeschäften, sondern aus der Struktur aller Aktiv- und Passivgeschäfte.63 In der Geschäftspolitik einer Bank muss sie sich an Zielsetzungen und Grundsätzen orientieren, die den Entscheidungsträgern den Zweck der risikopolitischen Aktionen stets bewusst werden lässt. Dies bedeutet, dass bei der Risikosteuerung fortwährend darauf geachtet werden muss, dass die Zahlungsfähigkeit der Bank jederzeit gewährleistet ist. Außerdem muss „über den Bereich der gemessenen Risiken hinausgehend [...] die Sicherung der Existenz […] auch vor dem Hintergrund des Eintritts unerwarteter und somit nicht gemessener Risiken“64 gewährleistet werden. Somit ist bereits vorweggenommen, dass zwei Dimensionen des Risikos existieren. Einerseits die gemessenen Risiken, die der aktive Gegenstand der Risikosteuerung sind und andererseits die ungemessenen Risiken, bei denen passives Risikodeckungspotenzial bereitstehen muss. Im Bilanzstruktur-Management muss die Risikosteuerung auf drei zentrale Grundsätze achten. Der erste Grundsatz besagt, dass der Schwerpunkt auf der strukturellen Ebene liegt.65 Das Streben eines Kreditinstitutes besteht im Kreditgeschäft darin, sichere Kredite zu gewähren. Jedoch aufgrund der bestehenden Unsicherheit über zukünftige Ereignisse können Ausfallrisiken entstehen und erhebliche Gefahren für das gesamte Kreditportfolio auslösen. Dabei können diese nicht im Einzelgeschäft abgeschwächt werden und bedürfen somit einer zentralen Steuerung. Gezielt kann die Bank aufgrund der Gesamtvolumina und der Strukturen konkret die Risiken abschwächen und gezielte Maßnahmen einleiten. Der zweite Grundsatz besagt, dass das Gesamtrisiko einer Bank zur Beurteilung der Tragfähigkeit entscheidend ist.66 Hierunter ist zu verstehen, dass ein Ausfall eines Kredites möglicherweise Zinsänderungsoder Währungsrisiken nach sich ziehen kann, aber auch Liquiditätsrisiken aufgrund der fehlenden Zahlungseingänge. Der dritte Grundsatz drückt aus, dass die Risikotragfähigkeit sich an Ergebnisgrößen sowie an verfügbaren Eigenkapital- und Liquiditätsreserven zu orientieren hat.67 Auf Basis der Risikoanalyse muss der Vorstand einer Bank entscheiden, wie diese zu steuern sind. Es sind Risikostrukturnormen abzuleiten, mit denen eine risikopolitische Optimierung der Bilanz- und Kreditstruktur ermöglicht werden. In allen Steuerungsbereichen einer Bank sind demnach Entscheidungen zu treffen, die zu einer Risikovermeidung führen bzw. risikogestaltende Maßnahmen enthalten. „In allen dezentralen Geschäftsfeldern werden einzelgeschäftsbezogen die risikobehafteten Positionen identifiziert, gemessen und entsprechend der Vorgaben behandelt, im Bereich der 63 64 65 66 67
Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 279ff. Brakensiek, T. (1991), S. 29. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 29; Schierenbeck, H. (1999), S. 294. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 30; Schierenbeck, H. (1999), S. 295. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 30.
174
Kapitel V
Zentralebene werden die risikobehafteten Portfolios [!] gesteuert.“68 Diese Steuerung sollte jedoch aktivisch sein und nicht passivisch. 2.1.5.3
Risikokontrolle
Den letzten Prozessschritt im Rahmen des Kreditrisikomanagements stellt die Risikokontrolle dar. Dazu gehört die Überprüfung der angewandten Verfahren im Rahmen der Risikomessung. „Die Wirksamkeit der Steuerungsmaßnahmen ist [dabei] laufend zu kontrollieren.“69 In der Phase der Risikokontrolle werden die im Kreditrisikomanagement eingesetzten Analysemethoden und Steuerungsmaßnahmen auf ihre organisatorische Umsetzung, ihre risikopolitische Wirksamkeit sowie ihre wirtschaftliche Effizienz hin überprüft.70 In diesem Stadium des Kreditrisikomanagements werden die häufigsten Fehler in den Kreditinstituten gemacht und drohende Kreditausfälle nicht rechtzeitig entdeckt. Artopoeus (1998) stellte bereits fest, dass die Versäumnisse in dieser Phase Ursachen für drohende oder tatsächliche Bankinsolvenzen sind.71 Sofern diesbezüglich Abweichungen von den Zielvorgaben der Geschäftsleitung festgestellt werden, die von dieser im Einzelfall nicht toleriert werden, sind die entsprechenden Verfahren und Methoden entweder zu modifizieren oder durch eine andere zu ersetzen. Insofern lässt sich das Kreditrisikomanagement als dynamischer Prozess, bestehend aus den Phasen Risikoidentifikation, -steuerung und -kontrolle begreifen, der laufend an sich verändernde interne und externe Rahmenbedingungen anzupassen ist.72 2.2
Rechtliche Rahmenbedingungen auf das Risikomanagement
Um die Steuerung des Kreditrisikomanagement in den Kreditinstituten zu fördern hat der Gesetzgeber wichtige Regularien entwickelt. Die neue Eigenkapitalvereinbarung Basel II des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht schafft Rahmenbedingungen, die Anreize unterstützen, die Entwicklung des Kreditrisikomanagements in den Banken voranzutreiben. Die Mindestkapitalanforderungen sollen risikosensitiver und umfassender werden. Neben dieser Vereinbarung hat der Gesetzgeber den Kreditinstituten durch die Einführung des § 25a Abs. 1 KWG Organisationspflichten zur Risikokontrolle und Überwachung auferlegt. Zusätzlich mit den Mindestanforderungen an das Risikomanagement wird eine effizientere Risikobewältigung erhofft.
68 69 70 71 72
Brakensiek, T. (1991), S. 35. Süchting, J./ Paul, S. (1998), S. 481. Vgl. Schulte, M. (1998), S. 18. Vgl. Artopoeus, W. (1998). Vgl. Süchting, J./ Paul, S. (1998), S. 481.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
175
2.2.1
Basel II und die Solvabilitätsverordnung – Einfluss für das Kreditrisikomanagement
2.2.1.1
Basel II
Im Rahmen des Kreditrisikomanagements bzgl. der Messung und Steuerung der Adressenausfallrisiken ist Basel II von besonderer Relevanz. Angestrebt wird eine systematisierte Einschätzung der Bonität von Kreditnehmern auf Basis bankinterner und/oder externer Ratings, erstellt von qualifizierten Ratingagenturen. Anfang des Jahres 2001 hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht einen überarbeiteten Vorschlag für die Eigenkapitalregelungen der Kreditinstitute vorgestellt. Dieser Entwurf wird die seit dem Jahr 1988 gültigen Bestimmungen73 und ihre Ergänzungen74 ersetzen. Kernpunkt dieser, namentlich Basel I, welches auf dem Grundsatz I über die Eigenmittel der Institute beruht, bestand in der Verpflichtung der Banken, mindestens acht Prozent ihres Kreditvolumens mit Eigenkapital abzusichern. Diese Begrenzung sollte den Gefahren weltweiter Finanzkrisen vorbeugen. Durch die Asienkrise und Schieflagen namhafter Kreditinstitute wurde allerdings deutlich, dass eine Überarbeitung notwendig war, da die Eigenkapitalunterlegung aufgrund der nicht Beachtung der individuellen Bonität der einzelnen Kreditnehmer recht starr war. Es fand keine Differenzierung des Risikogehalts des Kreditgeschäfts statt. Kredite unterschiedlicher Ausfallwahrscheinlichkeiten wurden gleichwertig durch Eigenkapital unterlegt.75 Durch Basel II wird die Förderung von Sicherheit und Solidarität des Finanzsektors, ein einheitliches Vorgehen für Banken unterschiedlicher Größe und Geschäftsstruktur, umfassendere und risikoadäquatere Erfassung der Bankrisiken und gleiche Wettbewerbsbedingungen verfolgt.76 Zur Erreichung dieser Ziele besteht Basel II wie in der folgenden Abbildung 4 zeigt aus drei Säulen: 1. Mindestkapitalanforderungen; 2. Bankaufsichtsrechtlicher Überprüfungsprozess; 3. Erweiterte Offenlegung. Gemeinsam betrachtet sollen diese dazu beitragen, dass insgesamt ein stabiler Finanzmarkt entsteht.77 Dabei verstärken sich die Säulen gegenseitig und erlauben den Kreditinstituten, die verschiedenen Risiken korrekt zu bewerten. Grundlage für Basel II sind die Grundsätze für die Aufsicht international tätiger Banken durch den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, zusammengesetzt aus hochrangigen Vertretern der Bankenaufsichtsbehörden und der Zentralbanken der wichtigsten Industriestaaten. 73 74 75 76 77
Baseler Eigenkapitalübereinkunft. Baseler Marktrisikopapiere aus 1993/1994/1996. Vgl. Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 11. Vgl. Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 3. Vgl. Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 12.
176
Kapitel V
Die Ziele sind die Förderung der Sicherheit und Solidität des globalen Finanzwesens, eine bessere Sicherung der den Institutionen anvertrauten Vermögenswerte (Einlegerschutz) sowie eine risikogerechte Regelung der Eigenkapitalausstattung der Banken durch eine differenziertere Kreditrisikomessung, um zunehmendes Liquiditäts- und Bonitätsrisiko abzudecken. Die erste Säule ist eine Erweiterung der Eigenkapitalvorschriften. Zukünftig wird es die drei Risikoarten Kredit-, Markt- und operationelles Risiko geben, die mit Eigenkapital zu unterlegen sind. Diese zielt auf die Einhaltung bestimmter Mindestkapitalanforderungen. Hierbei ist eine umfassende Erfassung und genauere Quantifizierung aller wesentlichen Bankrisiken notwendig. Dies führt dazu, dass ein deutlich differenzierterer Ansatz zur Messung von Kreditrisiken möglich wird. Die Zielsetzung der Neufassung ist es, die Eigenmittelunterlegung von Krediten zukünftig risikoadäquat zu gestalten. Dabei werden den Banken zwei Ansätze zur Auswahl gestellt, um die Bonität und damit das Ausfallrisiko zu bestimmen, die in den folgenden Kapiteln detaillierter erklärt werden. Die Banken müssen ihre Kreditnehmer nach ihrer Bonität durch den Standardansatz oder den IRB Ansatz bewerten. Der IRB Ansatz ermöglicht es, offen eine oder mehrere Risikokomponenten selbst zu schätzen und damit das Risikogewicht oder Eigenkapitalerfordernis selbst zu berechnen. Dies geschieht in der Regel durch den Einsatz geeigneter Ratingverfahren. Bei allen Ansätzen zur Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung des Kreditportfolios müssen die Risikokomponenten, Ausfallwahrscheinlichkeit in Prozent pro Jahr, erwartete Forderungshöhe bei Ausfall, Verlust bei Ausfall und Restlaufzeit berücksichtigt werden.78 Das Ziel dieser Säule ist es, die Kreditrisiken risikogerecht mit Eigenkapital zu unterlegen. Die zweite Säule regelt die Überwachung der Eigenkapitalunterlegung durch eine wirksame Bankenaufsicht. Dabei werden die in Säule eins dargestellten internen Risikomanagementsysteme sowie die darüber hinausgehenden Verfahren zur Beurteilung des individuellen Risikoprofils einer Bank überprüft. Diese gewinnt einen zunehmend qualitativen Anspruch und ermutigt die Banken zur ständigen Weiterentwicklung der bankinternen Risikomanagement- und Kontrollsysteme zur Beurteilung der institutsspezifischen Risikoarten und der Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung. In Bezug auf die Adressenausfallrisiken wird durch die zweite Säule versucht, besonders die enthaltenen Konzentrationsrisiken und die aus Sicherheitsbewertung und -verwertung bestehenden Risiken zu erfassen.79 Die dritte Säule besteht in der Einführung einer erweiterten Berichtspflicht für eine stärkere Markttransparenz, Festlegung von Leitlinien zur Offenlegung von Kapitaldaten, der Risikoprofile der Banken und deren Prozesse zur Risikomessung. Den Markt78 79
Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), Tz. 40-49. Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), Tz. 719-807; Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 21ff.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
177
teilnehmern soll eine bessere Beurteilung des Risikoprofils des Instituts und der Angemessenheit der Eigenmittelausstattung zu den eingegangenen Risiken ermöglicht werden.80
Basel II SÄULE 1
SÄULE 2
SÄULE 3
Mindesteigenkapitalanforderungen
Bankenaufsicht
Marktdisziplin
•
Kreditrisiken
•
Marktrisiken (unverändert)
•
Operationelle Risiken (neu)
•
Laufende Überprüfung der Institute vor Ort
•
Risikobeurteilung der Institute
•
Größere Transparenz durch umfassende Offenlegungs-pflichten
Finanzmarkt – Stabilität
Abb. 4: Basel II – Das Drei Säulen Konzept Quelle: In Anlehnung an Cluse, M. et al.(2005), S. 22.
In Rahmen der ersten Säule schlägt der Basler Ausschuss zwei grundlegende Methoden vor, das Standardverfahren und die IRB Ansätze, wobei letzter noch einmal differenziert wird zwischen dem IRB Basisansatz und dem fortgeschrittenen IRB Ansatz. 2.2.1.1.1
Standardansatz
Der Standardansatz, nachdem diejenigen Banken verfahren können, die bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, baut auf dem Basisindikatoransatz auf, indem die Tätigkeit von Banken brancheneinheitlich in mehrere Geschäftsfelder unterteilt wird. Innerhalb dieser Geschäftsfelder wird die Eigenkapitalunterlegung jeweils durch multiplizieren eines Indikators für operationelle Risiken mit einem festen Prozentsatz errechnet. Für die Geschäftsfelder kann es sowohl unterschiedliche Indikatoren als auch die festen Prozentsätze geben. Die Gesamtkapitalunterlegung für operationelle Risi80
Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), Tz. 808-819; Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 25.
178
Kapitel V
ken ist dann die Summe des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalbedarfs über alle Geschäftsfelder. In diesem Ansatz wird bei der Beurteilung eines Unternehmens auf die Ratings von externen Agenturen zurückgegriffen, wobei damit eine wesentlich stärkere Orientierung an der Schuldnerbonität als bisher vorgenommen wird. Externe Ratings von anerkannten Agenturen wie etwa Standard & Poor´s, Moodys oder Fitch liegen der Bestimmung der Risikogewichtung zu Grunde. Je nach Rating ergeben sich hier vier mögliche Risikogewichtungen. Risikogewichte (in Prozent)
Externes
Kreditinstitute
Staaten und Zentralbanken
Option 1
AAA bis AA-
0
20
A+ bis A-
20
50
BBB+ bis BBB-
50
Rating
BB+ bis BBB+ bis B-
100
100
Nicht-Banken
Option 2 20 20
50
20 50 100
50
100
Unter B-
150
150
150
150
Ohne Rating
100
100
20
50
150 100
Tab. 1: Risikogewichte im Standardansatz in Abhängigkeit vom Rating Quelle: In Anlehnung an Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 15.
Für Unternehmen ohne externes Rating bleibt das Risikogewicht unverändert bei einhundert Prozent. Durch die Orientierung der Risikogewichte an den externen Ratings ist somit eine feinere Bonitätserfassung möglich.81 2.2.1.1.2
IRB Basisansatz und fortgeschrittene IRB Ansatz
Im nicht angelsächsischen Raum sind traditionelle externe Ratings nicht allzu verbreitet. Daher wurde es den Banken erlaubt, interne Ratings bei der Ermittlung der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen einsetzen zu können. Diese müssen allerdings bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, um von der nationalen Aufsichtsbehörde zugelassen zu werden. Die Differenzierung kann dabei sowohl nach dem IRB Basisansatz als auch nach dem fortgeschrittenen Ansatz ermittelt werden. Bei beiden Ansätzen wird die Bonität eines Kreditnehmers durch die Zuweisung zu einer Ratingklasse eingeschätzt. Im Gegensatz zur Verwendung externer Ratings ergibt sich hier ein ganzes Kontinuum möglicher Risikogewichte, so dass jeder Prozentwert möglich ist.
81
Vgl. Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 13ff.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
179
Bei beiden Ansätzen wird das zur Unterlegung des Adressenausfallrisikos erforderliche haftende Eigenkapital anhand der Kriterien Ausfallwahrscheinlichkeit, erwarteter Verlust bei Forderungsausfall und erwartete Höhe der ausstehenden Forderung im Ausfallzeitpunkt bestimmt. Beim fortgeschrittenen Ansatz kommt die Restlaufzeit hinzu, die in den IRB Basisansatz grundsätzlich mit zweieinhalb Jahren pauschal eingeht. Beim Basisansatz ist lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit von den Instituten selbst zu schätzen, die Ermittlung der anderen Parameter Probability of Default82, die Wahrscheinlichkeit für einen Kreditausfall innerhalb des nächsten Jahres, Loss Given Default, die Ausfallrate in Prozent des Kredites, die den Erwartungswert im Zeitpunkt des Ausfalls, der nicht durch die geleistete Zahlung des Kreditnehmers und der Verwertung der Sicherheiten und Garantien abgedeckt ist, Exposure at default, das Exposure bei einem Ausfall sowie Maturity, die Restlaufzeit des Kredits, die künftig bei der Berechnung des Risikogewichts berücksichtigt wird, sind vom Gesetz vorgegeben.83 Durch die beschriebenen Ansätze Standardansatz, vor allem aber durch die IRB Ansätze kann die Eigenkapitalunterlegung risikogerechter ermittelt werden und die Kapitalkosten lassen sich über diese Berechnung jedem Kredit genauer zuordnen. 2.2.1.2
Solvabilitätsverordnung
Die Solvabilitätsverordnung wird den bisherigen Grundsatz I ersetzen und Basel II rechtswirksam umsetzen.84 Die neue Verordnung ist das Kernstück der Umsetzung von Basel II und verpflichtet u.a. die Kreditinstitute dazu, ihre Kreditpolitik anzupassen. „Ihre rechtliche Grundlage ist § 10 Abs. 1 KWG, zu dessen Konkretisierung sie dienen soll.“85 Dabei bedeutet der Begriff Solvabilität Angemessenheit der Eigenmittel. Gemäß § 340 SolvV wird diese Verordnung für alle Kreditinstitute voraussichtlich zum 01.01.2007 relevant.86 „Im Rahmen der Solvabilitätsverordnung wird Instituten [u.a.] die Möglichkeit eröffnet werden, für Zwecke der Risikogewichtung im so genannten Kreditrisiko-Standardansatz […] die Bonitätsbeurteilungen von externen Ratingagenturen heranziehen zu dürfen.“87 Voraussetzung dafür ist eine Anerkennung der externen Ratingagenturen nach § 52 SolvV von der BaFin. Die Solvabilitätsverordnung enthält insbesondere detaillierte technische Regelungen der Kreditrisikounterlegung. Bzgl. der Adressrisikopositionen muss gemäß § 128 Abs. 4 SolvV die An82 83 84 85 86
87
Default bedeutet Ausfall. Vgl. Grünbichler, A./ Gancz, A. (2003), S. 17. Vgl. Cluse, M./ Cremer, A. (2006), S. 17. Vgl. Cluse, M./ Cremer, A. (2006), S. 18. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) [Ratingsysteme, 2005]; Bundesministerium für Finanzen (Hrsg.) [Solvabilitätsverordnung, 2006]; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [Anschreiben zur Solvabilitätsverordnung, 2006]. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [Externe Ratingagenturen, 2005].
180
Kapitel V
zahl der Positionen und die Länge des zur Quantifizierung verwendeten Datenzeitraums ausreichen, um die Schätzungen Robustheit und Genauigkeit zu verschaffen.88 Die einzelnen Institute haben dann die Möglichkeit, über ein internes Rating, den so genannten IRB Ansatz, ihre internen Kreditrisikomess- und -steuerungsverfahren für die Berechnung ihrer regulatorischen Eigenkapitalanforderung für Kreditrisiken zu verwenden. „Ab 2007 steht hierfür der Basis IRB Ansatz zur Verfügung, mit dem fortgeschrittenen IRB Ansatz können die Institute ab 2008 beginnen“89, wobei die BaFin diese Verfahren vorher genehmigen muss. 2.2.2
Verpflichtung zur Errichtung eines Risikomanagements nach § 25a KWG
Der Gesetzgeber hat im Rahmen der sechsten KWG-Novelle den Kreditinstituten durch die Einführung des § 25a KWG Organisationspflichten zur Risikokontrolle und Überwachung auferlegt. Im Kreditwesengesetz regelt vor allem der § 25a Abs. 1 KWG die Verpflichtung zur Einrichtung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation. Demnach muss ein Institut über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der von den Instituten zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet. Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation umfasst dabei insbesondere eine angemessene Strategie, die auch die Risiken und Eigenmittel des Instituts berücksichtigt. Des Weiteren wird ein angemessenes internes Kontrollverfahren, bestehend aus einem internen Kontrollsystem und einer internen Revision, gefordert. Das interne Kontrollsystem umfasst insbesondere geeignete Regelungen zur Steuerung und Überwachung der Risiken. Die Kreditinstitute müssen entsprechende Regelungen vorweisen können, wonach ersichtlich ist, ob die finanzielle Lage jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmbar ist. Dabei sind angemessene Sicherheitsvorkehrungen für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung zu treffen. Hinzukommt, dass eine vollständige Dokumentation der ausgeführten Geschäfte vorhanden sein muss, damit jederzeit eine lückenlose Überwachung durchgeführt werden kann.90 „Um eine deutliche Verschlechterung des Kreditportfolios [!] der Bank zu verhindern, muss bei angenommener Preissensitivität und Wechselbereitschaft einer möglichen Abwanderung der Kreditnehmer guter Bonität wegen geringerer Eigenkapitalunterlegung entgegengewirkt werden.“91 Der § 25a KWG enthält einige Vorgaben an die Kreditinstitute und gibt die Notwendigkeit zur Einführung von Risikomanagement- und Risikocontrollingsystemen zur Steuerung, Überwachung, und Kontrolle der Risiken vor. Damit sollen die gesetzlichen Regelungen sicherge88 89 90
91
Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [Solvabilitätsverordnung, 2006]. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) [Ratingsysteme, 2005]. Nach § 257 Abs. 3 und 5 HGB müssen die Buchungsbelege zehn Jahre und sonstige erforderliche Aufzeichnungen sechs Jahre aufbewahrt werden. Spindler, G./ Schmidtke, A. (2005), S. 225.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
181
stellt werden. Nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 KWG muss ein Kreditinstitut über geeignete Regelungen zur Steuerung, Überwachung, und Kontrolle der Risiken sowie über angemessene Regelungen zur genauen Bestimmung der finanziellen Lage verfügen. Nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 KWG ist des Weiteren eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, ein angemessenes internes Kontrollverfahren sowie über angemessene Sicherheitsvorkehrungen bzgl. der elektronischen Datenverarbeitung einzurichten. Darüber hinaus ist jede Bank nach § 25a Abs. 1 Nr. 3 KWG verpflichtet, mittels Aufzeichnungen eine lückenlose Überwachung über die ausgeführten Geschäfte durch die BaFin zu gewährleisten.92 2.2.3
Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)
Mit den Mindestanforderungen an das Risikomanagement93 (MaRisk) sollen auf der Basis des § 25a Abs. 1 KWG die an die Institute gerichteten qualitativen Anforderungen der zweiten Säule abschließend adressiert werden.94 Die BaFin legt mit den Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute nach § 25a KWG Pflichten für die organisatorische Gestaltung des Kreditvergabegeschäftes und der Kontrolle der daraus resultierenden Risiken einschließlich eines internen Kontrollsystems in Form einer internen Revision fest. Zudem wird die Einrichtung von aussagekräftigen Risikoklassifizierungsverfahren im Kreditgeschäft gefordert. Bisher existierten drei verschiedene Rahmenvorgaben. Das Ziel der Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften ist die Sicherung der Solvenz durch Überwachung der Handelsaktivitäten. Die Mindestanforderungen an die interne Revision stützen die Position der Internen Revision und ihre Unabhängigkeit ggü. der Geschäftsleitung oder dem Vorstand. Die dritte Rahmenvorgabe, die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute, dient der Verbesserung der Transparenz und Schärfung des Risikobewusstseins innerhalb der Banken. Diese drei Vorgaben werden laut dem im Dezember 2005 veröffentlichten Rundschreiben 18/2005 zur Bekanntgabe der MaRisk vereint und zeitgleich zur Solvabilitätsverordnung zum 01.01.2007 in Kraft treten.95 Damit werden bestehende Redundanzen und Schnittstellenprobleme reduziert und so dem Erfordernis einer ganzheitlichen Risikobetrachtung Rechnung getragen. „Es werden detailliert Pflichten bezüglich der Ausgestaltung der Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse als elementare Bestandteile des institutsinternen Risikomanagements festgelegt.“96 Insgesamt sollen damit alle wesentlichen Risiken identifiziert, beurteilt, gesteuert und überwacht werden. Zudem ist ein Zusammenhang zum vorhandenen Risikodeckungspotenzial im Rahmen eines Risi92 93 94 95 96
Vgl. o.V. (Kreditwesengesetz, 2005). Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [MaRisk, 2005]. Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [Endfassung der MaRisk, 2005]. Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [Endfassung der MaRisk, 2005]. Spindler, G./ Schmidtke, A. (2005), S. 227.
182
Kapitel V
kotragfähigkeitskonzeptes herzustellen. Die Risikotragfähigkeit bildet unter anderem die Basis für die zu definierende übergreifende Strategie, die alle wesentlichen Geschäftsaktivitäten umfassen soll. Dem § 25a KWG wird im Zuge der Einführung der MaRisk der Begriff des angemessenen Risikomanagements hinzugefügt, das angemessene Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit einschließt. Die Einführung dient der Umsetzung der zweiten Säule von Basel II in deutsches Recht. Die BaFin hat darauf hingewiesen, dass sie davon ausgeht, dass diese die qualitativen Anforderungen der zweiten Säule abdecken.97 Die MaRisk haben keine unmittelbare Rechtsnorm, sondern „es handelt sich um eine normenkomplettierende Verwaltungsvorschrift, die einen unbedingten Rechtsbegriff, den der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation, auslegt“98. Da die Vorschrift jedoch Eingang in die bankaufsichtsrechtliche Prüfungspraxis finden wird, die diese für die Institute als bindend anzusehen.
3
Management von Kreditportfoliorisiken
3.1
Kreditrisikomanagement in Banken
Jedes Kreditinstitut hat das Ziel der Rentabilität bzw. der Gewinnmaximierung. Finanzielle Verluste dagegen sollen vermieden bzw. gemindert werden, da sie die Gefahr beinhalten, dass die Unternehmensziele nicht oder nur unzureichend erreicht werden können. Wie bereits erwähnt wurde, besteht vor allem in dem originären Kreditgeschäft eine erhebliche Gefahr in der Form der Adressenausfallrisiken. Um diesen wirkungsvoll begegnen zu können und adäquate Steuerungssysteme einsetzen zu können, ergibt sich für die Kreditinstitute die Notwendigkeit, diese Risiken gezielt und systematisch zu quantifizieren. 3.1.1
Notwendigkeit
Die Wahrnehmung von Kreditrisiken hat sich in den letzten Jahren fundamental geändert. Dieses stellt mit Abstand das größte Einzelrisiko dar und ist deshalb der wesentliche Risikotreiber. Auf Portfolioebene sind die Klumpen- und Konzentrationsrisiken die Hauptrisikofaktoren und bisher mangels adäquater Mess- und Steuermethoden kaum mess- bzw. steuerbar gewesen. Die „oftmals hohe Kapitalbindung im Kreditgeschäft führt (dabei) zu einer starken Belastung der Profitabilität dieses Geschäftsbereiches“99. Das traditionelle Portfoliomanagement, welches eine „Buy and Hold“ Strategie darstellt, wird zukünftig durch ein aktives Management von Kreditrisiken abgelöst. 97 98 99
Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [Endfassung der MaRisk, 2005]. Cluse, M./ Cremer, A. (2006), S. 19. Mussil, W. (2003), S. 209.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
183
Ein optimales Kreditportfolio ist im Rahmen einer Kreditvergabe aufgrund von Höhe und Qualität der Kredite, determiniert durch den Kundenkreis und Kreditbedarf, unwahrscheinlich. Eine Bank hat zwar die Möglichkeit, sich im Rahmen des Aufbaus einer Kernkompetenz auf einzelne Regionen oder Branchen zu konzentrieren, allerdings wird mit zunehmender Spezialisierung der Bedarf für ein risikoabbauendes Kreditrisikomanagement gestärkt. Der Grund liegt bei einer hohen Spezialisierungsstrategie in erheblichen Einzelengagements und beträchtlichen positiven Korrelationen100 der einzelnen Kreditnehmer. Ein Kreditinstitut sollte daher versuchen, seine Spezialisierungsvorteile unter der Existenz eines optimalen Kreditportfolios zu erhalten. Daher sollte bei der Kreditvergabe die Risikokonzentration bzgl. Branchen, Regionen oder Einzelengagements vernachlässigt werden, sofern das Kreditportfolio anders optimiert werden kann. Optimal für den Kreditgeber ist es, die Kredite unter Ausnutzung der Spezialisierungsvorteile zu vergeben und danach mittels eines effizienten Kreditrisikomanagements ein unter Risk-/Return – Gesichtspunkten optimales Portfolio zu erreichen. Aus diesem Grund ist es für alle Kreditinstitute notwendig, ein Kreditrisikomanagement zu implementieren. Vor dem Hintergrund der vielfachen regionalen Spezialisierung in der deutschen Bankenlandschaft hat diese Thematik eine herausragende Bedeutung gewonnen. 3.1.2
Ziele
Das Ziel eines effektiven Kreditrisikomanagement in einer Bank muss es sein, die Kreditrisiken zu vermindern und wenn möglich zu vermeiden. Durch die Beeinflussung der Struktur in der Form der Reduzierung des Risikopotentials des Kreditbestandes sollen höhere Erträge erreicht werden.101 Bei Auftreten von Risiken sollten diese im Idealfall mit Hilfe von verschiedenen Steuerungsmaßnahmen der Bank helfen, ihre Unternehmensziele zu erreichen. Zusätzlich besteht das Ziel des Kreditrisikomanagements darin, die Klumpenrisiken102 zu vermeiden. Neben diesen sind zusätzlich auch die positiven Korrelationen aus Branchen, Währungen und Regionen zu beachten, welche besonders für Kreditgenossenschaften z.B. die Berliner Volksbank eG, ein wichtiges Thema darstellen. Aufgrund des Regionalprinzips sind diese verpflichtet, die Kreditvergaben grundsätzlich in dem ihr zugeordneten Geschäftsgebiet zu tätigen. Entsprechend wenige Möglichkeiten bieten sich den derart regional ausgerichteten Volks- und Raiffeisenbanken zur direkten Diversifizierung ihres Kreditport-
100
101 102
Eine Korrelation beschreibt in diesem Fall den linearen Zusammenhang zwischen den Ausfallraten von zwei Kreditnehmern. Vgl. Sautter, M. T./ Droste, K. D. (1998), S. 229; Dunemann, O. (2001), S. 186. Unter dem Begriff Klumpenrisiko wird die Konzentration von gleichartigen (latenten) Risiken innerhalb eines Kreditportfolios verstanden. Dazu zählen u.a. Größenklassenkonzentration, Branchenkonzentration oder regionale Konzentrationen.
184
Kapitel V
folios durch Kundengeschäfte.103 Weitere wichtige Ziele eines Kreditrisikomanagements bestehen in der Aufdeckung der Portfoliorisiken und in der Festlegung von Kreditrisikolimiten.104 3.1.3
Aufgabenbereiche
Im Kreditrisikomanagement gilt es, die Adressenausfallrisiken einzelner Kreditengagements sowie des gesamten Kreditportfolios zu identifizieren. Im Rahmen dessen werden die Kreditrisiken nicht isoliert betrachtet. Vielmehr werden diese in einer systematischen Risikozuordnung zu einem Gesamtrisikopotential zusammengefasst und dem Risikodeckungspotenzial gegenübergestellt.105 Das Risikodeckungspotential setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen wie dem Jahresgewinn, den Rücklagen, den stillen Reserven und dem Haftkapital zusammen. Es beeinflusst die Risikoaufnahmefähigkeit eines Kreditinstitutes, da alle bankbetrieblichen Risiken durch das Risikodeckungspotential abgedeckt werden können. Das Verhältnis zwischen dem Gesamtrisikopotential und dem Risikodeckungspotential bestimmt die Risikoposition eines Kreditinstitutes. Aufgrund der Begrenzung der Risikoaufnahmefähigkeit ergibt sich die Notwendigkeit der Risikosteuerung, bspw. in der Form einer betragsmäßigen Limitierung der Risiken. Dies kann pro Risikoart, Geschäftsbereich und Produktgruppe vorgenommen werden. Diese Aufgabe muss vom Vorstand wahrgenommen werden, da dies einerseits die Kenntnis des Gesamtrisikopotentials sowie des Risikodeckungspotentials voraussetzt und andererseits die risikopolitische Gesamtstrategie einer Bank berücksichtigen muss. Hieraus ergibt sich die strategische Dimension, die dem Kreditrisikomanagement in einer modernen Bankführung beizumessen ist.106 Ausgangspunkt der Kreditrisikomanagementprozesse ist die Ermittlung der Risikotragfähigkeit. Diese ist die Fähigkeit, schlagend werdende Risiken aus eigenen Mitteln aufzufangen. Sie findet ihren quantitativen Ausdruck in der Risikodeckungsmasse, aus der der Vorstand einen leicht realisierbaren Anteil bestimmt. Dieser bildet dann die Obergrenze für die Bestimmung von Risikobudgets und Risikolimiten. Der Vorstand ist verantwortlich für die Festlegung der Kreditrisikostrategie, die die strategische Ausrichtung der Bank im Umgang mit den Adressenausfallrisiken festlegt. Damit wird ein einheitlicher Umgang mir den Kreditrisiken gewährleistet. Auf dieser Grundlage der Informationen kann das Kreditrisiko gesteuert werden. Der dezentrale Entscheidungsträger kann mit Hilfe der Bonitätsanalyse darüber entscheiden, ob dem Kreditnehmer gegebenenfalls zu bestimmten Konditionen ein Kredit gegeben oder dessen prolongiert wird bzw. ob eine Kreditreduzierung oder Sicherheitenleistung vorgenommen werden muss. Die Einzelkreditbeurteilung stellt zwar eine Basis einer 103 104 105 106
Vgl. Merz, A. (2001), S. 113. Vgl. Dunemann, O. (2001), S. 186. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 27f. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 30f.; Schierenbeck, H. (2001), S. 24ff.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
185
zentralen portfolioorientierten Kreditsteuerung dar, auf dieser Basis lässt sich allerdings keine gesamtbankbezogene Kreditsteuerung vornehmen. Im Folgenden wird nun näher auf die Risikomessung eingegangen, bevor im vierten Kapitel die Risikosteuerung intensiver betrachtet wird. Dabei steht die Maßgabe im Vordergrund, dass die existenzbedrohenden Risiken vermieden werden und die bereits übernommenen Risiken rentierlich sein müssen. Dies erfordert präzise Methoden der Risikomessung.107 3.2
Risikomessung im Kreditgeschäft
Wie bereits erläutert, werden die Banken durch die zweite Säule von Basel II verpflichtet, Prozesse zur Identifikation, Messung und Berichterstattung über alle wesentlichen Risiken einzurichten.108 Die Zusammenstellung des Kreditportfolios wird durch eine Vielzahl von Einflüssen determiniert, bspw. durch geografische Faktoren oder durch die aktuelle Entwicklung in den einzelnen Branchen. Diese lassen sich natürlich wenig steuern.109 Das so entstandene Portfolio beinhaltet aus den einzelnen Risiken die erwarteten Verluste und vor allem die unterwarteten Verluste.110 Die unerwarteten Verluste stellen den Gegenstand der Kreditrisikoquantifizierung dar. Jedoch sind wegen vielfacher Interdependenzen der erwarteten Verluste zu den unerwarteten Verlusten bei der Messung des Kreditrisikos beide Arten zu berücksichtigen. Diese beiden Adressenausfallkategorien lassen sich sehr anschaulich in der Abbildung 5 visualisieren, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeiten über den möglichen Verlusten aufgetragen werden. Der asymmetrische Verlauf entsteht, weil kleinere Verluste relativ wahrscheinlich sind, größere allerdings eher selten auftreten.111 Der erwartete Verlust ergibt sich in Form des Erwartungswertes der rechtsschiefen bzw. linkssteilen Verteilung, welche für Kreditportfolioverluste charakteristisch ist. Die Ursache liegt in der Häufigkeit der Kreditausfälle, die in der Regel selten auftreten, bei Eintritt jedoch relativ hohen Verluste verursachen.112
107 108 109 110 111 112
Vgl. Riegler, J. J. (2005), S. 16. Vgl. Partsch, F. (2003), S. 47. Vgl. Riegler, J. J. (2005), S. 17. Vgl. Manz, F. (1998), S. 155. Vgl. Blattmann, P. (2000), S. 253. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 10f.; Schierenbeck, H. (2001), S. 315.
186
Kapitel V
Eintrittswahrscheinlichkeit
Erwarteter Verlust
Unerwarteter Verlust
Quantil der Verlusthöhe in Prozent
(Credit Value at Risk)
Extremer Verlust
Value at Risk
Restwahrscheinlichkeit
Verlust Absorption durch eingenommene Risikoprämien
Absorption durch EK-Unterlegung
Absorption
(ökonomisches Kapital)
durch EK und Reserven
Abb. 5: Wahrscheinlichkeitsverteilung von Kreditverlusten. Quelle: In Anlehnung an Bessis, J. (1998), S. 71; Bröker, F. (2000), S. 18; Oehler, A./ Unser, M. (2002), S. 344; Schierenbeck, H. (2003), S. 315.
Besonderes Interesse haben die Banken, die unerwarteten Verluste vor und nach dem festgelegten Konfidenzniveau messen zu können.113 Für die Risikomessung kommen verschiedene Downside-Risikomaße zur Anwendung, die nach der Erklärung der erwarteten und unerwarteten Verluste genauer beleuchtet werden.114 Im Bereich der Adressenausfallrisiken existieren somit zwei unterschiedliche Ausprägungen von Risiko, die erwarteten und unerwarteten Verluste. Darauf können Messverfahren aufgebaut werden. Dabei ist zu beachten, dass eine Bank bei erhöhter Genauigkeit dieser Methoden die Kreditkonditionen risikoadjustierter vergeben kann und damit die Kreditverluste besser abhalten kann. Diese werden in den beiden nächsten Abschnitten näher beleuchtet. Letztendlich erfolgt auf dem Konzept der beiden Ausprägungen die Gesamtbanksteuerung.
113 114
Vgl. Duffie, D./ Singelton, K. J. (2003), S. 13. Vg. Büschgen, H. E./Börner, C. J. (2003), S. 263.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
3.2.1
187
Erwartete Verluste
Im Kreditgeschäft kann es ungeachtet sorgfältiger Bonitätsbeurteilungen zu Zahlungsausfällen kommen. Dieses Risiko ist ein unvermeidbarer Bestandteil der Kreditgeschäfte.115 Die erwarteten Verluste (Expected Loss) werden bereits bei der Kreditvergabe aufgrund der aktuellen Bonitätseinschätzung des Kreditnehmers angenommen und als Standardrisikokosten in den Kreditpreis eingerechnet.116 Der erwartete Verlust entspricht in einem Kreditportfolio dem Mittelwert117 der ausfallbedingten Kreditverluste. Um diese ermitteln zu können, muss das Ausfallverhalten der vergangenen Kreditgeschäfte analysiert werden. Dabei wird dieses in Abhängigkeit von verschiedenen Ratingklassen untersucht. Da diese Risiken vorhersehbar sind, streben die Geschäftsbanken eine Abgeltung mittels Risikoprämien an.118 Im finanzwirtschaftlichen Sinne stellt diese Art der Risiken somit kein Risiko dar. Stattdessen wird diesen eher der Charakter eines vorhersehbaren Aufwandspostens zugesprochen. Der Expected Loss ergibt sich, wie in der Abbildung 6 visualisiert, als Produkt der Größen erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit119 des Schuldners unter Berücksichtigung seiner spezifischen Eigenschaften wie Rating, Region, Branche über einen definierten Risikohorizont, üblicherweise zwölf Monate, dem erwarteten Verlustumfang zum Zeitpunkt des Ausfalls sowie die Verlustquote als dem Teil des Exposures, der nach Beendigung des Konkursverfahrens verloren ist. Letzterer Wert ergibt sich aus der Differenz von eins und der an die Bank zurückfließenden Widereinbringungsquote.120 Erwarteter Verlust (Expected loss)
Erwartete Ausfallquote =
(Probability of default)
Kreditvolumen bei Ausfall X
(Exposure at default)
X
1. erwartete Rückzahlungsquote bei Insolvenz (Loss given default)
Abb. 6: Einflussfaktoren des erwarteten Verlustes Quelle: In Anlehnung an Oehler, A./ Unser, M. (2002), S. 319; Schiller, B./ Tytko, D. (2001), S. 254.
115 116 117
118 119
120
Vgl. Bessis, J. (1998), S. 81. Vgl. Schierenbeck, H. (2003), S. 314. Der Mittelwert gibt Aufschluss über den Durchschnittswert der vorliegenden Werte. Vgl. dazu auch Eckstein, Peter. P. (2001), S. 44ff. Vgl. Manz, F. (1998), S. 155. Die Ausfallwahrscheinlichkeit zählt zu den wesentlichen Größen im Kreditrisikomanagement von Banken, da das Ausfallrisiko eines Schuldners mit dieser Kennzahl gemessen wird. Vgl. Oehler, A./ Unser, M. (2002), S. 314.
188
Kapitel V
Mit Hilfe der in der Abbildung 6 vorgestellten Formel wird der erwartete Verlust auf Einzelkreditnehmerebene berechnet. Die erwarteten Verluste für das gesamte Kreditportfolio ergeben sich dagegen, wie in der nachfolgenden Formel verdeutlicht, durch eine Addition der einzelnen erwarteten Verluste auf Einzelgeschäftsebene.121 n
ELP =∑ ELi i =1
3.2.2
Unerwartete Verluste
Der unerwartete Verlust (Unexpected Loss) lässt sich als Differenz auf der Abszisse zwischen dem Konfidenzniveau und dem erwarteten Verlust darstellen. Da die realisierten Portfolioverluste selten den erwarteten Risiken entsprechen, werden die eigentlichen Adressenausfallrisiken durch die unerwarteten Verluste ausgedrückt. Sofern der Einzelschuldner seinen Kredit tilgt, erzielt die Bank die vereinbarte Rendite und der erwartete Verlust bleibt aus. Kann dieser die vereinbarten Zahlungen jedoch nicht leisten, wird der tatsächliche Verlust deutlich über dem erwarteten liegen und es tritt ein unerwarteter Verlust auf. Ausgehend vom zuvor betrachteten erwarteten Verlust wird im Laufe der Zeit festzustellen sein, dass diese Verluste positiv aber auch negativ von den eigentlich erwarteten ausfallen können.122 Diese Verluste entstehen, wenn die Ausfallraten und Verlustquoten über den Durchschnittswerten liegen. Aber auch bei Ausfällen größerer Engagements entstehen unerwartete Verluste. Die moderne Bankbetriebslehre sieht somit in dieser Art der Verluste die eigentlichen Risiken für die Banken. Diese müssen mit Eigenkapital unterlegt werden. Die Höhe der Verluste wird durch die Korrelationen zwischen den einzelnen Kredittiteln und den Risikoklassen beeinflusst. Diese können im Extremfall eine Insolvenz des Kreditinstitutes zur Folge haben. Als Sicherheitsmaßnahmen müssen die Kreditinstitute wirtschaftliches Eigenkapital vorhalten. Bei der Messung der unerwarteten Verluste greift der eigentliche Portfolio-Management Gedanke. Das Ziel besteht darin, die Stellung der Bank gegenüber den unerwarteten Verlusten unter der Nebenbedingung einer Ertragsoptimierung gemäß dem individuellen Geschäftsmodell an die Risikotragfähigkeit der Bank anzupassen.123 Die unerwarteten Verluste können mit Hilfe der nachfolgenden Formel berechnet werden.124
UL P =
121 122 123 124
n
n
∑ ∑ UL UL i =1 j =1
i
j
ρ ij
Vgl. Blattmann, P. (2000), S. 275; Dunemann, O. (2001), S. 188. Vgl. Merz, A. (2001), S. 111. Vgl. Riegler, J. J. (2005), S. 17. Vgl. Blattmann, P. (2000), S. 276; Dunemann, O. (2001), S. 188.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
189
Anhand dieser Formel ist ersichtlich, dass bei einer nicht vollständig positiven Korrelation der unerwartete Verlust des gesamten Portfolios geringer ist als die Summe der einzelnen unerwarteten Verluste.125 Sofern die Korrelationen der einzelnen Engagements betrachtet werden, können die Verluste für das gesamte Portfolio verringert werden. Hohe positive Korrelationen bestehen vor allem im Bereich der Klumpenrisiken. Durch eine gesteuerte Diversifikation können diese vermieden bzw. verringert werden.126 3.2.2.1
Berechnung der unerwarteten Verluste mit Hilfe ausgewählter Risikomaße
Die Berechnung der unerwarteten Verluste kann mit Hilfe von so genannten Downside-Risikomaßen geschehen. Diese untersuchen ausschließlich die negativen Abweichungen vom Erwartungswert.127 Für die Quantifizierung des Risikos kommen verschiedene Maße zur Anwendung. Darauf aufbauend können die Banken Steuerungsmaßnahmen einsetzen, um ihr Kreditportfolio und die Adressenausfallrisiken steuern zu können. Dies ist nötig, da sie aufsichtsrechtlich gezwungen werden, das Kreditrisiko zu bestimmen und dieses zur Sicherung der eigenen Zahlungsfähigkeit mit Eigenkapital zu unterlegen. Des Weiteren kann dieses für eine risikogerechte Bepreisung sowie für eine risikoorientierte Steuerung verwendet werden.128 Daher sind besondere Anforderungen an das zu verwendende Risikomaß zu stellen, um die Höhe adäquat wiederzugeben. Da die Höhe der Kreditrisiken durch das Ausmaß der Abweichung vom Erwartungswert sowie den jeweils zuzurechnenden Wahrscheinlichkeiten determiniert wird, sollten das zu verwendende Risikomaß einerseits Aussagen über die Eintrittswahrscheinlichkeiten und andererseits Aussagen über die Risikohöhe zulassen.129 Für die praktische Anwendung der Maße sollte das zu verwendende Risikomaß eine Reihe von Eigenschaften erfüllen. Es sollte leicht interpretierbar sein und idealerweise in Geldeinheiten ausgedrückt werden können. Aufgrund der alleinigen Betrachtung von negativen Abweichungen vom erwarteten Verlust und der aufsichtrechtlichen Verpflichtung zur Unterlegung des unerwarteten Verlustes mit Eigenkapital sollte eine direkte Messung des ökonomischen Risikos möglich sein. Des Weiteren sollte das Risikomaß als Zielgröße verwendet werden können. Obwohl in dieser Arbeit der Schwerpunkt auf den Kreditrisiken liegt, sollte beachtet werden, dass im Rahmen der Gesamtbanksteuerung ein Risikomaß neben dieser Art der Risiken auch die Marktrisiken quantifizieren sollte. 125 126 127
128 129
Vgl. Blattmann, P. (2000), S. 276f. Vgl. Bessis, J. (1998), S. 61ff. Vgl. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 28; Schiller, B./ Tytko, D. (2001), S. 259. Vgl. Oehler, A./ Unser, M. (2002), S. 29. Vgl. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 28.
190
Kapitel V
In der Literatur existieren vier Axiome, die im Rahmen der Risikomessung erfüllt sein sollten. Zum einen muss dieses durch die Subadditivität erfüllt sein. Dies bedeutet, „dass das Risiko eines Portfolios, bestehend aus zwei Positionen, stets kleiner oder gleich der Summe der Einzelrisiken der zwei Positionen ist“130. Das zweite Axiom, die positive Homogenität fordert, dass der Wert einer Position genauso hoch ist wie das Risiko welches es beinhaltet. Die Monotonie besagt, dass das Risiko eines Portfolios im Vergleich zu einem anderen stets höher ist, wenn der Wert dieses Portfolios immer kleiner ist als der Wert des vergleichbaren Portfolios. Das letzte Axiom ist die Translationsvarianz. „Wenn zu einem bestehenden Portfolio für die betrachtete Haltedauer zusätzlich ein Geldbetrag zu einem risikofreien Zinssatz investiert wird, so verringert sich das Risiko um diesen Betrag.“131 Erfüllt ein Risikomaß die Axiome der Subadditivität und positiven Homogenität, so ist es konvex. Dies ermöglicht die Lösbarkeit von Risk-/Return Portfoliooptimierungen, so dass für jedes Risikoniveau ein optimales Portfolio gefunden werden kann. Sofern ein Risikomaß alle vier Axiome erfüllt, stellt dies ein kohärentes und damit ideales Risikomaß dar.132 3.2.2.1.1
Value at Risk
Das Konzept des Value at Risk bildet eine wichtige Ausgangsbasis für die Risikopolitik und wird speziell für die Messung von Marktpreisrisiken verwendet. Für die Erläuterung muss der bereits erläuterte zugrunde liegende Risikobegriff herangezogen werden. Danach wurde das Risiko als die Gefahr einer negativen Abweichung des tatsächlichen Ergebniswertes vom erwarteten Ergebniswert definiert. Dieses Maß ermöglicht unter Berücksichtigung von Korrelationseffekten die Aggregation sämtlicher Risiken zu einer einzigen VaR Größe. Die Gesamtrisikoposition wird mit der Risikotragfähigkeit im Zusammenhang mit der Risikopräferenz der Bank verglichen und kann als Ausgangspunkt für Steuerungsmaßnahmen herangezogen werden.133 Definiert werden kann der VaR als der maximal mögliche Verlust einer Position oder eines Portfolios über einen bestimmten Zeitraum unter üblichen Marktbedingungen bei einem vorgegebenen Konfidenzniveau (1-α).134 Das Konfidenzniveau stellt hierbei die Wahrscheinlichkeit dar, mit der ein bestimmter Verlustbetrag nicht überschritten wird.135 Grundlage für die Berechnung des VaR ist die modelltheoretische Annahme über eine Normalverteilung. Aufgrund der bereits erwähnten Rechtsschiefe
130 131 132 133 134 135
Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 28. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 28. Vgl. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 28ff. Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 265. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 121. Vgl. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 28; Paul, S./ Süchting, J. (1998), S. 481; Riegler, J. J. (2005), S. 16; Schierenbeck, H. (2001), S. 17.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
191
der Kreditverluste wird eine Quantifizierung mit Hilfe des VaR deutlich erschwert, da die Grundlage der Normalverteilung nicht erfüllt ist.136 Seit Mitte der neunziger Jahre setzt sich dieses Verfahren in der Kreditwirtschaft durch. Mittlerweile ist dieses Risikomaß zu dem bekanntesten Risikomaß avanciert und findet eine immer größer werdende Anwendung.137 Für die Quantifizierung der Kreditrisiken wird jedoch eine Abwandlung, der Credit Value at Risk, verwendet. 3.2.2.1.2
Credit Value at Risk
Der Credit Value at Risk, eine Abwandlung des VaR, entspricht der Höhe der unerwarteten Verluste. Er stellt eine statistische Kennzahl dar, die die maximale Höhe eines potentiellen Verlustes aus unerwarteten Kreditausfällen innerhalb einer vorgegebenen Periode unter Vorgabe eines Konfidenzniveaus angibt. Er gibt somit den Verlustbetrag aus den unerwarteten Kreditausfällen eines Kreditportfolios an, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit innerhalb eines festgelegten Zeitraums nicht überschritten wird. Dabei wird zu einem Niveau α der Schaden aus der Differenz zwischen dem α – Quantil und dem erwarteten Verlust bestimmt, der nur mit einer Wahrscheinlichkeit (1-α) überschritten wird. Bei einem Konfidenzniveau (1-α) handelt es sich somit um eine Vertrauenswahrscheinlichkeit die angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der zu erwartende Kreditverlust aus einem Kreditportfolio einen bestimmten Wert nicht überschreiten wird, wobei α die zulässige Irrtumswahrscheinlichkeit misst. Welchen Wert das Konfidenzniveau besitzt, bestimmt dabei jedes einzelne Kreditinstitut für sich. Dieser hängt vor allem von der Risikoneigung des Vorstandes sowie von der Geschäftsstrategie ab. Die durch die Geschäftsstrategie festgelegten Irrtumswahrscheinlichkeiten betragen in der Praxis zumeist Werte von einem oder weniger Prozent. So wird bspw. in der Berliner Volksbank eG eine Irrtumswahrscheinlichkeit von einem Prozent verwendet. Dies entspricht dabei einem Konfidenzniveau von 99 Prozent.138 Dieser hohe Wert wird gewählt, um möglichst eine vollständige Abdeckung der unerwarteten Verluste aus Kreditgeschäften mit Eigenkapital zu gewährleisten. Die Höhe des CVaR wird durch die Granularität139 des Kreditportfolios, die Volatilität der Ausfallraten, die Risikokorrelation zwischen den Kreditnehmern und der Risikoneigung der Geschäftsleitung, d.h. durch die Höhe des Konfidenzniveaus, bestimmt. Er zeichnet sich durch seine einfache Handhabung und die leichte Interpretierbarkeit aus. Vorteilhaft ist auch, dass genau eine Kennzahl geliefert wird, die die
136 137 138 139
Vgl. Duffie, D./ Singelton, K. J. (2003), S. 31ff.; Schierenbeck, H. (2001), S. 257. Vgl. Schiller, B./ Tytko, D. (2001), S. 259. Expertengespräch mit Gröning, J. in der Berliner Volksbank eG am 22.06.2006. Der Begriff Granularität bezeichnet die Verteilung von Krediten auf mehrere bzw. viele Kreditnehmer statt nur auf einen einzelnen Kreditnehmer.
192
Kapitel V
Verlusthöhe, Wahrscheinlichkeit und Zeithorizont berücksichtigt. Der CVaR stellt ein leicht zu interpretierendes Risikomaß dar, indem unerwartete Verluste in Geldeinheiten ausgedrückt werden und zusätzlich die Wahrscheinlichkeit der Überschreitung eines maximalen Verlustes mit angezeigt wird. Jedoch wird die Eigenschaft der Subadditivität verletzt, wodurch Optimierungsprobleme nur unzureichend dargestellt werden können. Damit stellt es kein konvexes Risikomaß dar. Für die Ermittlung des CVaR werden Kreditportfoliomodelle zur Hilfe genommen, die in Kapitel 3.3 näher erläutert werden. 3.2.2.1.3
Alternative Ansätze
3.2.2.1.1.1 Lower Partial Moments
Ein weiteres in der Praxis wenig beachtetes Risikomaß ist der so genannte Lower Partial Moments (LPM). Dieses ist ebenso wie die beiden bereits beschriebenen Risikomaße ein Downside-Risikomaß der ausschließlich den Verlustbereich einer Verteilung betrachtet, der über einen vorher festgelegten Referenzwert liegt. Der LPM besitzt mehrere Stufen, die als Ordnungen bezeichnet werden. Dabei besteht methodisch ein Zusammenhang zu dem bereits erläuterten VaR. Der LPM0 misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verlust bei Überschreitung des Referenzwerts eintritt. Der LPM1 bildet den Durchschnitt aller Verluste, die die festgelegte Verlustschranke überschreiten. Beim LPM2 werden die mittleren quadrierten negativen Abweichungen vom Referenzwert gemessen. Durch letzteres werden somit extrem ungünstige Szenarien stärker gewichtet als kleinere. Dieses Maß eignet sich vor allem zu Quantifizierung verschiedener Risikoarten, jedoch stellt es keine geeignete Zielgröße im Rahmen von Optimierungsproblemen dar, da vor allem die Kohärenzeigenschaft aufgrund der Nichterfüllung der Anforderungen an die Monotonie und Translationsvarianz nicht erfüllt sind. Zudem lässt sich keine Konvexität nachweisen, da die Subadditivität und die positive Homogenität nur bei LPM1 erfüllt sind, wenn der Referenzwert einen Wert von null annimmt. Daher ist dieses Maß für die Risikosteuerung eher ungeeignet. Jedoch bieten LPMs die Möglichkeit, weitergehende Hinweise für die Charakterisierung des Risikos hinter der Verlustschranke zu liefern. Daher sind einige Autoren der Meinung, dass dieses Maß als Ergänzung zu dem VaR bzw. CVaR genutzt werden kann.140 3.2.2.1.1.2 Expected Shortfall
Der Expected Shortfall ist definiert als der erwartete Verlust für den Fall, dass der VaR überschritten wird.141 Damit werden die tail risk, d.h. die Risiken hinter dem
140
141
Vgl. Angermüller, N. O./ Eichhorn, M./ Ramke, T. (2006), S. 150ff.; Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 30. Vgl. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 31.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
193
festgelegten Konfidenzniveau, berücksichtigt. Dieses leicht zu interpretierende Risikomaß bietet die Möglichkeit, das ökonomische Risiko direkt zu messen, da es als theoretisch als notwendiges Risikokapital angesehen werden kann. Zudem ist es als Zielgröße für Optimierungsprobleme geeignet. Die Risikoquantifizierung ist zudem nicht auf bestimmte Verteilungsklassen beschränkt, so dass beliebige Portfolioverteilungen gemessen werden können. Somit bietet es die Möglichkeit der integrativen Risikomessung unterschiedlicher Risikoarten. Der große Vorteil bei diesem Maß besteht in der Berücksichtigung der beim VaR vernachlässigten tail risk. Damit wird es für die Banken möglich, die extremen Verluste messen zu können.142 Neben der leichten Interpretierbarkeit werden sowohl die positiven Eigenschaften der Homogenität und der Subadditivität erfüllt. Damit stellt es ein konvexes Risikomaß dar und ist für Optimierungsprobleme geeignet. Zusätzlich erfüllt es die anderen beiden Axiome und stellt damit ein kohärentes Risikomaß dar.143 3.2.2.2
Vergleich der beschriebenen Modelle
Die Messung der Kreditrisiken hat vor allem durch die aktuelle Diskussion zu den MaRisk im Rahmen der Umsetzung der zweiten Säule von Basel II an Bedeutung gewonnen. Die beschriebenen Risikomaße untersuchen ausschließlich die unerwarteten Verluste und werden deshalb als Downside-Risikomaße bezeichnet. Sie erfüllen die Anforderungen der leichten Interpretierbarkeit und sind in der Lage, unterschiedliche Risikoarten zu messen. Bisher findet in der Praxis im Bereich der Kreditrisikomessung vor allem der CVaR Verwendung. Die CVaR basierte Risikomessung stößt jedoch an Grenzen, so dass Alternativen zunehmendere Beachtung finden.144 Das Grundmodell, der VaR, unterliegt starken Marktschwankungen, d.h. Verluste hinter der festgelegten Verlustschranke werden nicht erfasst.145 Der LPM als auch der Expected Shortfall messen zudem die tail risk. Letzteres Maß stellt als einziges ein konvexes Risikomaß dar und kann deshalb für Optimierungsprobleme verwendet werden. Da es zusätzlich als einziges Risikomaß kohärent ist, eignet es sich am ehesten, Kreditrisiken zu messen. Der LPM ist dagegen für die Messung der Kreditrisiken eher ungeeignet, „da sie in ihrer allgemeinen Ausprägung, mit Ausnahme der integrierten Risikomessung unterschiedlicher Risikoarten, nicht den gestellten Anforderungen an ein Risikomaß zur Kreditrisikoquantifizierung entspricht“146. In der Praxis hat sich der CVaR dank seiner begrifflichen Einfachheit durchgesetzt. Die weitere Entwicklung des Expected Shortfall wird zukünftig von der Stabilität seiner Schätzergebnisse abhängen, aber auch von der Möglichkeit von Backtesting. Hinzukommt, 142 143 144 145 146
Vgl. Yamai, Y./ Yoshiba, T. (2002), S. 6. Vgl. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 31. Vgl. Angermüller, N. O./ Eichhorn, M./ Ramke, T. (2006), S. 149. Vgl. Angermüller, N. O./ Eichhorn, M./ Ramke, T. (2006), S. 150. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 31.
194
Kapitel V
dass die Regulierungsbehörden dieses Maß bisher nicht akzeptieren, weil ihnen der grundlegende Überblick über die Insolvenzwahrscheinlichkeit der Bank nicht unbedingt gegeben ist. Bei der Berechnung des Expected Shortfall muss der VaR mitberechnet werden, so dass dieses Modell als eine Erweiterung des VaR-Konzeptes angesehen werden kann und sollte.147 3.3
Praktischer Einsatz von Kreditrisikomodellen zur Kreditrisikomessung
3.3.1
Überblick
Die eingangs definierten Kreditrisiken müssen im Rahmen des Kreditrisikomanagements ermittelt werden, bevor eine Bank in der Lage sein kann, diese zu steuern. Für die Messung von Risiken existiert eine Vielzahl von Ansätzen, die allesamt aufgrund der eigentlich nicht vorhandenen Möglichkeit Risiken zu messen heftig diskutiert werden.148 Generell ist festzustellen, dass in einem Kreditportfolio das Gesamtrisiko asymmetrisch verteilt ist. Daher ist es nur verständlich, dass die Kreditrisikomodelle komplex aufgebaut sind. In dieser Arbeit werden die Modelle konzeptionell dargestellt, wobei die komplexen Berechnungen nicht näher thematisiert werden sollen. Hierbei ist zu beachten, dass der Einsatz solcher Modelle zur Quantifizierung von Adressenausfallrisiken betriebswirtschaftlich sinnvoll, jedoch aufsichtsrechtlich nicht vorgeschrieben ist. Von großen Investmentbanken und Unternehmensberatungen wurden in der Vergangenheit verschiedene Modelle entwickelt, die auch bei den Universalbanken entweder verwendet werden oder als Grundlage für eigene institutsinternen Systeme dienen. Als wesentliche Standards auf Portfolioebene haben sich der CreditPortfolioManagerTM von KMV, CreditMetricsTM von J.P. Morgan, CreditPortfolioViewTM von McKinsey und CreditRisk+TM von Credit Suisse herauskristallisiert.149 Zwischen den aufgeführten Kreditrisikomodellen besteht keine Übereinstimmung bezüglich der theoretischen Grundkonzepte. Allerdings, sofern die Inputdaten ziemlich identisch sind, sind die Ergebnisse relativ ähnlich. Im Hinblick auf die Richtigkeit der Modellergebnisse ergeben sich somit keine grundsätzlichen Präferenzen für einen bestimmten Ansatz. Die Auswahl eines Kreditrisikomodells hängt mit der bankspezifischen Steuerungsphilosophie zusammen. Generell können die Modelle in die Ausfallratenmodelle und Firmenwertmodelle unterteilt werden, die in den folgenden Abschnitten im Hinblick auf die Risikosteuerung einzeln dargestellt und abschließend kritisch
147 148 149
Vgl. Daldrup, A./ Gehrke, N./ Schumann, M. (2006), S. 31f. Vgl. Straßberger, M. (2002), S. 40. Es wird darauf hingewiesen, dass sich bei den aufgeführten Modellnamen um durch das Urheberrecht geschützte Warenzeichen handelt.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
195
gewürdigt werden.150 Eine Übersicht über die grundlegenden Eigenschaften dieser Modelle ist im Anhang zu finden. 3.3.1.1
Ausfallratenmodelle
Das Analyseziel dieser Modelle, zu denen der CreditRisk+TM und der CreditPortfolioViewTM zählen, ist die Abbildung einer Verlustverteilungsfunktion eines Kreditportfolios. Dabei werden ausschließlich die Ausfallwahrscheinlichkeiten mit den Verlustbeträgen geschätzt und zwischen zwei Ausprägungen unterschieden, d.h. das entweder ein Kreditausfall eintritt oder das Darlehen bis zur Fälligkeit im Portfolio der Bank verbleibt. Der Kreditausfall stellt somit ein diskretes Ereignis151 dar.152 3.3.1.2
CreditRisk+TM
Im Jahre 1997 wurde das CreditRisk+TM Modell, auch als Volatilitätsmodell bezeichnet, von der Credit Suisse Financial Products entwickelt. Dieses Modell stellt ein analytisches Verfahren dar und beschränkt sich auf die Modellierung von effektiven Ausfällen.153 Dabei wird auf aufwendige und technisch anspruchsvolle Monte-CarloSimulationen154 verzichtet.155 Die primäre Ausrichtung des Modells bezieht sich auf Kreditportfolios, die sich aus weitgehend illiquiden Buchkrediten zusammensetzen. Das eingangs genannte Kreditrisiko wird bei CreditRisk+TM als Ausfallrisiko aufgefasst und das Eintreten von Risikoereignissen ausschließlich als Insolvenzereignis des Kreditnehmers angesehen.156 Jedoch wird keine Aussage zu den Ursachen von Ausfallraten getroffen, sondern das Risikopotential aufgrund historischer Zeitreihen modelliert. Dabei werden die Bonitätsveränderungen der Kreditnehmer nicht berücksichtigt. Es wird die Kreditausfallwahrscheinlichkeit eines oder mehrerer Kreditnehmer für den Betrachtungszeitraum angegeben, der in den meisten Fällen ein Jahr beträgt.157 Für die Berechnung werden relativ wenige Daten benötigt. Dabei sind nur der Verlust im Insolvenzfall (Netto-Exposure), die mittlere Ausfallrate und die Standardabweichung der Ausfallrate zu spezifizieren.158
150 151
152 153 154
155 156 157 158
Vgl. Felsenheimer, J./ Gisdakis, P./ Zaiser, M. (2006), S. 373ff. Der Begriff Diskret bedeutet, dass nur zwei Ausprägungen in Betracht kommen können. Vgl. dazu auch Eckstein, P. P. (2001), S. 12. Vgl. Schiller, B./ Tytko, D. (2001), S. 262. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 138. Die Monte-Carlo-Simulation stellt ein Verfahren aus der Stochastik dar, bei dem sehr häufig durchgeführte Zufallsexperimente die Basis darstellen. Vgl. dazu Finke, R. (2005), S. 95ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 239. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 87. Vgl. Schiller, B./ Tytko, D. (2001), S. 265. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 89; Wehrspohn, U. (2005), S. 119f.
196
Kapitel V
Für die Ermittlung der Verlustverteilung, die die durchschnittlich zu erwartende Quote an Ausfällen repräsentiert, werden mehrere versicherungsmathematische Prämissen zugrunde gelegt, die zu einer ausgeprägten Stochastik des Modells führen. Die Ausfallrate wird exogen vorgegeben bzw. selbst als zufallbedingt angenommen und modelliert. Es besteht die Annahme, dass ein Kredit entweder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausfällt oder der Schuldner mit einer erwarteten Wahrscheinlichkeit seinen Verpflichtungen nicht nachkommt wodurch unterstellt wird, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites oder Portfolios für einen gegebenen Betrachtungszeitraum die gleiche Höhe hat wie für jeden anderen vergleichbaren Zeitraum. Von dieser Verteilung der Ausfallanzahl kann auf die Verlustverteilung des Portfolios geschlossen werden, wozu neben dem Ausfallereignis auch die bei Eintritt eines Ausfalls zu erwartenden unterschiedlichen hohen Verluste je Kredit berücksichtigt werden müssen. Dafür werden verschiedene Exposureklassen (Exposurebänder) gebildet, die als eigenständige voneinander unabhängige Teilportfolios betrachtet werden. Es wird von einer Poissonverteilung159 ausgegangen, da diese für geringe Ausfallraten eine gute Näherung der Binomialverteilung erzielen kann, wodurch sich für ein Portfolio mit x Krediten ein Erwartungswert von µP für die Kreditausfälle ergibt. Dazu wird angenommen, dass alle in einem Band befindlichen Kredite das gleiche Exposure aufweisen. Ausgehend davon wird die Verlustverteilung des Gesamtportfolios ermittelt, indem zunächst eine erzeugende Wahrscheinlichkeitsfunktion für jedes einzelne Band, als Produkt daraus anschließend die Funktion des Portfolios und letztlich dessen Verlustverteilung ermittelt wird. Der VaR des Portfolios wird analog zu den bislang erörterten Modellen über ein vorgegebenes Perzentil160 bestimmt. Aufgrund der Unsicherheit über die zukünftigen Perioden bzgl. der Kreditausfälle wird der Erwartungswert als eine stochastische Variable aufgefasst wobei die Annahme besteht, dass die Kreditausfälle in den einzelnen Sektoren voneinander unabhängig sind. CreditRisk+TM berechnet nun aus der Kombination der Verteilungsannahmen sowie der Poissonverteilung für die einzelnen Kreditausfälle die Kreditausfallverteilung eines Kreditsektors. Abschließend wird die Ausfallwahrscheinlichkeit des gesamten Portfolios berechnet, indem die Ausfallverteilungen der einzelnen Kreditsektoren unter Berücksichtigung der jeweiligen Verlusthöhen betrachtet werden, wobei voneinander unabhängige Teilportfolios gebildet werden, in denen jeder Kredit im Konkursfall die gleiche Recovery Rate (Verwertungsquote) aufweist. Für jedes dieser Teilportfolios wird eine Wahrscheinlichkeitsfunktion berechnet und aus dieser die für 159
160
Die Poissonverteilung besteht aus mehrmaligen, aufeinander folgenden Ausführungen von Bernoulli-Experimenten, d.h. einzelnen, gleichartigen Zufallsversuchen mit genau zwei möglichen Ergebnissen. Sie ist für den Spezialfall einer großen Anzahl von Durchführungen mit geringer Erfolgswahrscheinlichkeit eine gute Näherung an die Normalverteilung. Vgl. dazu auch Eckstein, P. P. (2001), S. 233ff. Durch Perzentile wird eine Verteilung in einhundert gleichgroße Teile zerlegt. Vgl. dazu auch Eckstein, P. P. (2001), S. 40f.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
197
das gesamte Portfolio, woraus die Verlustverteilung des Portfolios abgeleitet werden kann. Der Grund für die Zusammenfassung der Kreditnehmer in Kreditnehmergruppen liegt darin, dass die Kreditausfälle als eine Aneinanderreihung unabhängiger Kreditereignisse aufgrund der Vielzahl von nicht vorhersehbaren Einflussfaktoren interpretiert werden können. Die Bildung erfolgt in Abhängigkeit von der Branche, aber auch regionale Aspekte werden mit einbezogen. Das Ausfallrisiko wird für die einzelnen Sektoren berechnet und nicht bezogen auf die einzelnen Kreditnehmer. Innerhalb der gebildeten Sektoren werden auf dieser Basis implizit hohe Ausfallkorrelationen vermutet, während die Sektoren untereinander als unabhängig erachtet werden.161 Damit wird versucht, dem Korrelationsaspekt implizit Rechnung zu tragen.162 Die wenig realitätsnahe Annahme konstanter Ausfallraten kann aufgehoben und somit durch eine stochastische Verteilung ersetzt werden. Als Konsequenz erhöht sich allerdings die Komplexität des Modells.163 3.3.1.3
CreditPortfolioViewTM
Ein weiteres Portfoliomodell für die Steuerung von Ausfallrisiken stellt CreditPortfolioViewTM dar. Dieses ist ein makroökonomisches Migrationsmodell164 für die Ermittlung von Kreditportfolioverlusten, welches von McKinsey & Company entwickelt worden ist.165 Der Grundgedanke besteht darin, dass die Einflüsse der Konjunktur auf die verschiedenen branchen- und regionenspezifischen Risikosegmente durch eine adäquate konjunkturabhängige Modellierung der Migrationsraten Rechnung getragen werden muss. Dabei wird der Zusammenhang zwischen den Wahrscheinlichkeiten für Kreditereignisse und der gesamtwirtschaftlichen Situation modelliert und somit zusätzlich eine von mehreren makroökonomischen Faktoren abhängige Wertenwicklung des Portfolios berücksichtigt.166 Des Weiteren erfolgt eine Marktbewertung nur für die Risikopositionen, die tatsächlich auf Sekundärmärkten gehandelt werden.167 Damit ermöglicht dieses Modell eine gezielte Abbildung der spezifischen Charakteristika des Kreditgeschäftes in bankbasierten Volkswirtschaften wie Deutschland. Zusätzlich können öffentlich verfügbare Insolvenzraten der bankeigenen Ausfalldaten zur Korrelationseinschätzung verarbeitet werden. Einzelne, geratete Kreditnehmer können einbezogen werden, die gerade in für Deutschland typischen, oft ungerateten Retailportfolio, bestehend aus kleinen gewerbe- oder Privatkundenkrediten, integriert
161 162 163 164 165 166 167
Vgl. Duffie, D./ Singelton, K. J. (2003), S. 334ff.; Offermann, C. (2001), S. 138ff. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 138ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 86ff.; Schiller, B./ Tytko, D. (2001), S. 265ff. Der Begriff Migration bedeutet Wanderung. Bröker, F. (2000), S. 233. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 129ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 233.
198
Kapitel V
sind.168 Makroökonomische Parameter haben bei diesem Modell demzufolge einen Einfluss auf die Ausfallraten von Krediten. Der Grund dieser Annahme liegt darin, dass Ausfallraten in einem Kreditportfolio nicht hauptsächlich durch einzelne Kreditnehmer verursacht werden, sondern auf der Unsicherheit hinsichtlich der generellen Entwicklung der Ausfallraten beruhen. Besonders konjunkturelle Einflüsse mit überdurchschnittlichen Ausfallraten und vermehrten Ratingherabstufungen erhöhen die Wahrscheinlichkeiten für größere Portfolioverluste.169 Die Grundstruktur dieses Modells setzt sich aus zwei Kernkomponenten zusammen. Innerhalb des so genannten systematic risk Modells werden potentielle makroökonomische Zustände modelliert. Dabei werden die Wahrscheinlichkeiten für die Kreditereignisse, d.h. die Bonität bzw. Ratingveränderung betrachtet. Diese Daten sollten allerdings unter Berücksichtigung der zuletzt angenommenen Werte dargestellt werden, da diese abhängig von der historischen Entwicklung sind. Die zweite Komponente, die so genannte portfolio loss calculation ermittelt im Anschluss daran die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Portfoliowertänderungen durch Kombination der ermittelten Migrationswahrscheinlichkeiten mit dem bankindividuellen Kreditportfolio. Hierbei können auch Länderrisiken zusätzlich erfasst werden.170 Bröker (2000) weißt hierbei darauf hin, dass ein Rückgriff auf makroökonomische Größen die realen Insolvenzquoten in sehr guter Qualität vorhersagen kann.171 Ausgangspunkt für die erste Komponente bilden empirische Untersuchungen der Ausfallraten eines Kreditportfolios. Die Migrationsmatrizen werden regelmäßig angepasst. Danach werden diese auf das individuelle Portfolio der Bank angewandt und die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Portfolioveränderungen bestimmt. Dabei werden die sehr heterogene Struktur eines Kreditportfolios sowie die bestehenden Verwertungsrisiken für Sicherheiten berücksichtigt. Als Endprodukt der portfolio loss calculation werden die Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Wertveränderungen des gesamten bankindividuellen Kreditportfolios sowie wesentliche Informationen zu den Risikoeinflüssen einzelner Portfolioelemente oder Teilportfolios ermittelt.172 Die Migrationsmatrizen werden nun zu den Regionen- und Branchensegmenten zugeordnet. Dabei ist zu beachten, dass überdurchschnittliche Ausfallraten im Spekulationsbereich zu überdurchschnittlich vielen Herabstufungen und sehr wenigen Heraufstufungen in allen Risikoklassen führen können.173
168 169 170 171 172 173
Vgl. Offermann, C. (2001), S. 129ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 234. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 235. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 236. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 129ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 236; Wehrspohn, U. (2005), S. 129ff.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
3.3.1.4
199
Firmenwertmodelle
Die Firmenwertmodelle, CreditMetricsTM sowie CreditPortfolioManagerTM, haben hingegen das Ziel, das Kreditportfolio zu Marktpreisen zu bewerten. In einem Kreditportfolio können bereits Bonitätsverschlechterungen Wertminderungen verursachen. Daher müssen eingetretene Wertminderungen bei einzelnen Kreditpositionen berücksichtigt werden.174 3.3.1.4.1
CreditMetricsTM
CreditMetricsTM175 ist ein statistisches Modell, um das Ausfallrisiko im Sinne des CVaR für verschiedene Varianten von Forderungen nach einer einheitlichen Methode portfolioorientiert zu messen und zu steuern. Bei der Quantifizierung des Ausfallrisikos bestimmt dieses Modell in einem ersten Schritt zunächst die Marktwerte und Exposures aller Forderungspositionen innerhalb des betrachteten Kreditportfolios. Danach werden für jede Forderungsposition mögliche Wertveränderungen infolge einer veränderten Ratingeinstufung ermittelt, wobei, wie in der Tabelle 2 ersichtlich, jede mögliche Migration innerhalb der gegebenen Ratingsysteme einer bestimmten Migrationswahrscheinlichkeit zugeordnet wird. Die Bewertungsposition infolge der Migration des Schuldners in eine andere Ratingklasse resultiert daraus, dass der dem Kredit zugrunde liegende Zahlungsstrom mit einer neuen, der aktuellen Ratingklasse entsprechenden Zinsstruktur mit anderen credit spreads176 zu bewerten ist. Der letzte Schritt ist die Korrelation zwischen den Migrationen berücksichtigende Aggregation der Volatilitäten der einzelnen Positionen zu einer Portfoliovolatilität, aus der schließlich der CVaR des Kreditportfolios abgeleitet werden kann.177 Die Anwender sollen damit eine Verlustverteilung für ihr Kreditportfolio generieren können. Das Ziel besteht vor allem darin, das Kreditportfolio zu Marktpreisen zu bewerten. Dabei wird unterstellt, dass bereits Bonitätsveränderungen zu Wertminderungen im Kreditportfolio führen können. Die dazu herangezogene Migrationsmatrix, die für jede durch ein bestimmtes Rating gegebene aktuelle Bonitätseinstufung jeweils die Wahrscheinlichkeiten dafür angibt, dass nach Ablauf eines Jahres der Schuldner das gleiche oder ein bestimmtes anderes Rating einschließlich eines Ausfalls erhält.178 In der folgenden Tabelle, eine Migrationsmatrix von Standard & Poor´s, ist ersichtlich, dass
174 175
176
177 178
Vgl. Schiller, B./ Tytko, D. (2001), S. 263. Vgl. J.P. Morgan (Hrsg.) [Introduction to CreditMetricsTM, 1997]; J.P. Morgan (Hrsg.) [CreditMetricsTM, 1997]. Der credit spread ist ein Risikoaufschlag, den ein Schuldner schlechter Bonität im Vergleich zu einem risikolosen Schuldner zahlen muss. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 124ff. Vgl. Eller, R./ Gruber, W./ Reif, M. (1999), S. 340.
200
Kapitel V
z.B. ein Kreditnehmer mit dem aktuellen Rating A in einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 5,52 Prozent nur noch über das Rating BBB verfügen wird. Rating am Jahresanfang
Rating am Jahresende AAA
AA
A
BBB
BB
B
CCC
Ausfall
AAA
90,81
8,33
0,68
0,06
0,12
0,00
0,00
0,00
AA
0,7
90,56
7,79
0,64
0,06
0,14
0,02
0,00
A
0,09
2,27
91,05
5,52
0,74
0,26
0,01
0,06
BBB
0,02
0,33
5,95
86,93
5,30
1,17
0,12
0,18
BB
0,03
0,14
0,67
7,73
80,53
8,84
1,00
1,06
B
0,00
0,11
0,27
0,46
6,51
83,46
4,07
5,20
CCC
0,22
0,00
0,22
1,30
2,38
11,24
64,86
19,79
Tab. 2: Mittlere einjährige S&P – Migrationsmatrix Quelle: In Anlehnung an Bröker, F. (2000), S. 197; Dunemann, O. (2001), S. 198.
Eingetretene Wertminderungen bei einzelnen Kreditpositionen werden als besondere Ausprägungsform des Kreditportfolios interpretiert und berücksichtigt. Die Wertminderung wird dabei über ihr Downgrading erfasst, indem ein credit spread berechnet wird. Der zu erwartende Marktwert soll zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Basis der antizipierten Marktwertveränderungen einzelner Kreditpositionen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der untereinander bestehenden Korrelationswirkungen bestimmt werden. Hierbei wird aus Vereinfachungsgründen zumeist ein Jahr zugrunde gelegt. Realistischerweise kann aber auch hier nicht davon ausgegangen werden, dass die Migrationsbewegungen stochastisch unabhängig sind. Die Wahrscheinlichkeit für bestimmte simultane Bonitätsänderungen zweier Kreditnehmer ist also nicht einfach gleich dem Produkt der entsprechenden Wahrscheinlichkeiten in der Migrationsmatrix. Die Bonitätsmigrationen werden als Wertänderungen des Vermögens des Kreditnehmers interpretiert. Ein bestimmtes zukünftiges Bonitätsurteil ergibt sich dabei genau dann, wenn die annahmegemäß normalverteilte Asset-Rendite in ein zugeordnetes, durch geeignet festgelegte Schranken definiertes Intervall fällt.179 Für die Berechnung der Verlustverteilung verwendet CreditMetricsTM Monte-CarloSimulationen.180 Für die Höhe der Risikoaufschläge wird grundsätzlich mit den sich aus der Migrationsmatrix ergebenden Wahrscheinlichkeiten für Bonitätsverschlechterungen und Insolvenz vereinbart. Ein Problem bei der Bewertung von Forderungen ist die Differenzierung der Risikoaufschläge nach der Laufzeit. Theoretisch anspruchsvollere Methoden der Forderungsbewertung bedienen sich optionstheoreti179 180
Vgl. Dunemann, O. (2001), S. 197. Vgl. für die genaue Vorgehensweise J.P. Morgan (1997], S. 113 ff.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
201
scher Modelle, bei denen die Position der Gläubiger als Stillhalter einer Verkaufsoption auf die Assets des Kreditnehmers modelliert wird.181 Um den vorher bereits erwähnten CVaR zu ermitteln, wird ein dreistufiger Analyseprozess verwendet. Zuerst werden die Risikopositionen gegenüber jedem einzelnen Kontrahenten bestimmt, wobei diese Bewertung nach Kreditproduktarten differenziert wird. Beim zweiten Schritt werden die möglichen Wertveränderungen einzelner Kreditpositionen gemessen. Dabei ist zunächst für jede einzelne Kreditposition die zu erwartende Wertveränderung zu berechnen, wozu die Migrationsmatrix verwendet wird. Zum Ende des Zeitraumes wird der Marktwert des Kredites bestimmt, wobei zwischen dem Eintreten eines Insolvenzfalls und einer nur wertbedingten Veränderung der Kreditposition unterschieden wird. Bei ersten ist der Wert der Position vom erzielbaren Restwert abhängig, wobei die Höhe von dem Besicherungsvolumen und der -form abhängig ist. Bei einer nur wertbedingten Kreditveränderung erfolgt die Bewertung über die Diskontierung der noch ausstehenden Zahlungsverpflichtungen des Kreditnehmers. Es werden dabei die Zinsstrukturkurven am Ende des Jahres mit den prognostizierten Terminzinssätzen verglichen. Darauf aufbauend wird durch CreditMetricsTM der zukünftige Marktwert einer Kreditposition als Erwartungswert über die jeweils für die einzelnen Ratingveränderungen prognostizierten Marktwertausprägungen. Im dritten Schritt werden die bisherigen Analyseergebnisse in eine Portfoliobetrachtung überführt. 3.3.1.4.2
CreditPortfolioManagerTM
Der CreditPortfolioManagerTM geht im Vergleich zu den bereits beschriebenen Kreditrisikomodellen bei der Beurteilung von Kreditrisiken von einem optionpreistheoretischen Kreditportfolioansatz aus. Wie beim Migrationsansatz des CreditMetricsTM liegt hier ein wertorientiertes Ausfallrisikoverständnis zugrunde. Dieses umfasst neben dem Ausfallrisiko auch das aus Bonitätsveränderungen resultierende Positionsrisiko.182 Jedoch wird im Unterschied zu dem Migrationsmodell der einzelne Kreditnehmer statt einzelner Ratingklassen fokussiert. Damit ist die Orientierung wesentlich konkreter auf die individuelle Bonitätssituation des betrachteten Schuldners ausgerichtet. Es wird versucht, einen kausalen Zusammenhang zwischen der individuellen mikroökonomischen Situation des einzelnen Schuldners und seinem daraus resultierenden Ausfallrisiko zu entwickeln. Im Vordergrund dieses Modells steht damit die Ausfallrisikomeldung auf Einzelkreditebene, die bei der Portfoliobetrachtung zu berücksichtigen sind.183 Abschließend berücksichtigt der CreditPortfolioManagerTM die Diversifikationseffekte auf Portfolioebene. Dazu werden die gemeinsamen Ausfallra181
182 183
Der optionstheoretische Ansatz wird vor allem von der 1989 von Stephen Kealhofer, John McQuown und Oldrich Vasicek gegründeten KMV Corporation umgesetzt. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 134. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 134f.
202
Kapitel V
ten abgeschätzt, mittels derer die Wahrscheinlichkeit bestimmt wird, dass die Marktwerte der Aktiva zweier Unternehmen zugleich unter den Wert ihres jeweiligen Fremdkapitals fallen.184 In diese Berechnung einfließende Korrelationen werden wiederum über die Schwankungen des Eigenkapitals in Form von Aktienkursschwankungen erhoben. 3.3.1.5
Zusammenfassender Vergleich und Eignung der Modelle
Die obigen Beschreibungen der vier Modelle sowie der Überblick im Anhang erwecken den Anschein, als wären die beschriebenen Modelle sehr unterschiedlich. Wie verschiedene Untersuchungen jedoch zeigen, sind die Modelle weder in der Theorie noch in den Ergebnissen, die in der Praxis ermittelt werden, sehr verschieden, wenn die Inputparameter konsistent gesetzt werden. In allen Modellen haben die Ausfallwahrscheinlichkeiten und die Korrelation entscheidende Bedeutung, lediglich die Modellierung dieser Parameter ist unterschiedlich. Generell besteht das Ziel darin, die Auswirkungen von Kreditrisiken auf das Kreditportfolio zu messen. Alle Modelle stellen Prognoseansätze dar, die mittels statistisch fundierter Methoden Aussagen über die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftig anfallenden Kreditportfolioverluste treffen. Zudem basiert jeder Ansatz auf den drei zentralen Risikokomponenten, Kreditäquivalent, Ausfallrate und Rückflussquote im Insolvenzfall. Jedoch ist eine Empfehlung eines speziellen Modells nicht möglich aufgrund von Problemen in der Kalibrierung der Modellparameter.185 Zudem existieren bei jedem Modell Annahmen, die jedes Mal zu hinterfragen sind. Hinzukommt die spezielle Struktur von Kreditgeschäften. Aufgrund eines noch wenig liquiden Sekundärmarktes für Kreditpositionen, auf das im vierten Kapitel eingegangen wird, scheitert eine Bewertung zu Marktpreisen. Daher werden vor allem Ausfallratenmodelle bei den Kreditinstituten angewendet. Diese benötigen deutlich weniger Eingabedaten, um die Portfoliorisiken abbilden zu können. Die Firmenwertmodelle hingegen eignen sich für die Bewertung der Portfolios, die aus handelbaren Krediten z.B. Schuldverschreibungen bestehen. Aus diesem Grund hängt die zukünftige Bedeutung von der Entwicklung der Sekundärmärkte ab. CreditRisk+TM zeichnet sich vor allem durch seine in der Praxis einfache Handhabung und der geringen Anforderungen an die Inputdaten aus. Daher wird dieses Modell sehr häufig verwendet. Weiterhin ist die Eindeutigkeit der ermittelten Wahrscheinlichkeitsverteilung der Portfolioverluste hervorzuheben, die bei den simulationsgestützten Ansätzen dadurch beeinträchtigt wird, dass sowohl die Anzahl der Simulationsläufe als auch der Startwert der Zufallsgenerierung sowie die Rechenleistung des Computers Einfluss auf die ermittelte Wahrscheinlichkeitsverteilung nehmen. Allerdings erscheint es vor allem durch in der Annahme über die zeitliche Kon184 185
Vgl. Schierenbeck, H. (2001), S. 241. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 268.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
203
stanz der Risikoparameter, welche die Realität keineswegs widerspiegeln, problematisch. Hinzukommt, dass die Ausfallkorrelationen nur schwer gemessen und ermittelt werden können sowie die einzelnen Sektoren, z.B. bei einer gesamtwirtschaftlichen Rezession, nicht unabhängig voneinander sind. Des Weiteren wird das Positionsrisiko vernachlässigt sowie die Korrelationsbetrachtung vereinfacht. Die angeführten Problemfelder resultieren zum Großteil daraus, das der Ausfallprozess selbst nicht modelliert, sondern als zufallsbedingt unterstellt wird. Während Migrations- und Optionspreisansatz den Ausfall als eine außerordentliche Ausprägung einer sich verschlechternden Bonität interpretieren, wird in CreditRisk+TM angenommen, dass sich Ausfälle ungeachtet der jeweiligen Ausgangsbonität der Schuldner und der sich daran anschließenden Bonitätsentwicklung zufällig ereignen. Folglich lassen sich aus dieser Betrachtungsweise gewissermaßen keine Anknüpfungspunkte für die Modellierung von Korrelationen gewinnen.186 CreditMetricsTM, ebenfalls ein leicht verständliches Modell, beruht ebenfalls auf ungenauen Datenbasen und vereinfachten Prämissen. Daher werden Korrelationseffekte nur ungenau abgebildet und erfordern weitere Untersuchungen und Verfeinerungen.187 Die Vertreter von J.P. Morgan attestieren, dass es sich bei diesem Modell um eines handelt, welches sich hauptsächlich für Kreditportfolios aus marktbewerteten Anleihen eignet.188 Bei einem Vergleich von CreditMetricsTM und CreditRisk+TM ist festzustellen, dass letzteres Modell, bezugnehmend auf die Tabelle 2, lediglich die Ratingmigration in der Kategorie Ausfall berücksichtigt. CreditMetricsTM dagegen zieht sämtliche Veränderungen der Kreditqualitäten innerhalb des Portfolios in Betracht.189 Der große Nachteil von CreditMetricsTM besteht darin, dass dieses Modell von einem festen Zeithorizont von meistens einem Jahr ausgeht, da besonders die illiquiden Kreditinstrumente meistens bis zur Fälligkeit gehalten werden müssen. CreditPortfolioViewTM basiert auf einem Migrationsansatz und modifiziert die Methodik des CreditMetricsTM Modells. Vor allem die Erweiterung der Risikobetrachtung um die Berücksichtigung makroökonomischer Faktoren stellt einen wesentlichen Unterschied zu anderen Modellen dar. Generell beinhaltet dieses Modell der Kreditereignisse zwei Aspekte. Erstens wird bei diesem Modell unterstellt, dass eine Bonitätenrangfolge innerhalb einer Ratingkategorie möglich ist, zweitens dass Korrelationen der Migrationsraten abgebildet werden können. Des Weiteren müssen keine weiteren Daten außer der Region, Branche, Ratingklasse und konjunkturelle Zustände berücksichtigt werden. Neben dem Migrationsansatz werden zusätzlich konjunkturelle Parameter berücksichtigt. Jedoch stellt die Verfügbarkeit der Daten eine große
186 187 188 189
Vgl. Offermann, C. (2001), S. 138ff.; Wehrspohn, U. (2005), S. 127. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 244. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 259. Vgl. Dunemann, O. (2001), S. 198.
204
Kapitel V
Herausforderung dar. Für die Berechnung werden komplexe Rechenschritte und aufwendige Monte-Carlo Simulationen benötigt.190 Dieses Konzept ist vor allen Dingen für liquide, auf Sekundärmärkten gehandelten Anleihen aufgrund der vorhandenen Ratingeinstufungen und Marktbewertungen sinnvoll. Die Vorgehensweise der Erweiterung des Migrationsansatzes um makroökonomische Faktoren erscheint vorteilhaft, ist allerdings auch mit Problemen behaftet. Zum einen ist die hinreichende Qualität der empirischen Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen makroökonomischen Größen und Ausfallraten in Frage zu stellen. Hinzukommt die Unsicherheit nach der Fortschreibbarkeit der auf Basis historischer Daten ermittelten Zusammenhänge aufgrund der nicht vorhandenen Möglichkeit, einen Rückschluss auf die Kausalität zwischen den identifizierten Korrelationen zwischen den ökonomischen Faktoren und den Migrationswahrscheinlichkeiten zu ziehen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die verwendeten Relationen auch in der Zukunft, unter zum Teil signifikant veränderten Rahmenbedingungen, Bestand haben werden.191 Insgesamt ist dieses Modell jedoch grundsätzlich flexibler und problemadäquater, trotzdem ist auch hier die erforderliche Anzahl an Daten problematisch. Im Gegensatz zu CreditMetricsTM teilt CreditPortfolioViewTM die Kredite in zwei Kategorien ein. In Deutschland orientiert sich u.a. der Deutsche Sparkassen- und Giroverband an diesem Modell. Jedoch ist generell die Akzeptanz in der Bankpraxis relativ gering aufgrund des hohen Implementierungsaufwandes der Software und der Erhaltung einer ausreichend hohe Anzahl an verlässlichen Daten.192 Das vierte Modell, der CreditPortfolioManagerTM, ist zunächst auf Aktiengesellschaften zugeschnitten worden. Allerdings wird es sehr oft bei internationalen Banken eingesetzt, „die aufgrund ihrer geringen Anzahl und ihrer hohen Kreditvolumina einen überproportionalen Anteil zum Kreditportfoliorisiko dieser Banken beiträgt“193. Im Gegensatz zu den dargelegten Modellen CreditMetricsTM und CreditPortfolioViewTM ermöglicht der CreditPortfolioManagerTM eine kundenindividuelle Bewertung des Ausfallrisikos sowie dessen Einbeziehung in die Portfoliobetrachtung. Damit bietet es den Vorteil, einen Erklärungsansatz für den Unternehmensausfall zu liefern. Eine besondere Stärke des Modells ist, dass in die Ausfallwahrscheinlichkeiten sowohl aktuelle Informationen als auch Zukunftserwartungen des Marktes eingehen. In diesem Punkt ist dieses Modell alternativen Ansätzen deutlich überlegen, da diese zumeist nur jährlich aktualisierte Datenbestände verwenden können. Besondere Bedeutung gewinnt dieser Aspekt hinsichtlich des Kreditgeschäftes mit Großunternehmen, die sich aufgrund einer Vielzahl individueller Bonitätsmerkmale einer Klassifizierung entziehen bzw. bei denen diese zu inadäquaten Ergebnissen führt, weil die Risikobe190 191 192 193
Vgl. Bröker, F. (2000), S. 239. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 129ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 261. Wehrspohn, U. (2005), S. 112.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
205
wertung auf dem Aktienwert des Schuldners bzw. eines vergleichbaren börsennotierten Unternehmens basiert.194 Damit erfolgt eine aktuelle und marktorientierte Bewertung des Ertragswertes und damit der künftigen Solvenz des Schuldners. Vorteilhaft erweist sich diese Form der Bewertung insofern, als sich bei einem funktionsfähigen Aktienmarkt sowohl unternehmensinterne Faktoren wie die Qualität des Managements oder die individuelle Absatzlage als auch externe Rahmenbedingungen wie die gesamtwirtschaftlichen oder branchenspezifischen Zukunftsperspektiven in den Aktienkursen niederschlagen. Nachteile einer vergangenheitsorientierten und zudem diskret modellierten Ratingeinstufung werden damit vermieden. Jedoch muss bei nicht börsennotierten Unternehmen auf vergangenheitsbezogene Jahresabschlussdaten im Rahmen des Vergleichs mit börsenmäßig gehandelten Kreditnehmern zurückgegriffen werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass Aktien vergleichbarer Unternehmen als Schätzer des Marktwertes der Aktiva und dessen Volatilitäten der nicht börsennotierten Unternehmen nicht unbedingt als geeignet zu bezeichnen ist. Sogar bei börsennotierten Unternehmen kann bezweifelt werden, ob die implizierten Volatilitäten der Aktienkurse eine adäquate Schätzgröße für die erwartete Volatilitäten des Firmenwertes darstellen. Jedoch stellt der CreditPortfolioManagerTM hauptsächlich auf größere Firmenkunden ab. Daher erscheint eine Anwendung darüber hinaus gerade bei deutschen Banken nur für einen Teilausschnitt des Gesamtportfolios geeignet, was sich im Hinblick auf die Aggregation zu einem Gesamt – CVaR des Kreditportfolios als problematisch erweist.195 Da es sich um eine analytische Berechnung und nicht wie bei den zuvor vorgestellten Modellen um eine Simulation handelt, bietet dieses Modell als weiteren Vorteil, dass die entsprechenden Rechenzeiten für die Portfoliobewertung überschaubar bleiben. Allerdings durch die Schätzung von an sich nicht beobachtbaren Modellparametern wie Unternehmenswert oder Volatilität kann die Schätzgenauigkeit nicht kontrolliert werden. Speziell die Ableitung der Korrelation von Unternehmenswertänderungen über die Korrelation ihrer Aktienrenditen kann zu Abweichungen führen, die sich erheblich auf die geschätzten gemeinsamen Ausfallwahrscheinlichkeiten auswirken. Diese Unsicherheit nimmt noch zu, wenn dieses auf nicht börsennotierte Unternehmen übertragen wird. 3.3.2
Schlussbetrachtung
Generell ist festzuhalten, dass die Ergebnisse bei allen Modellen ziemlich identisch sind, sofern von den gleichen Ausgangsparametern ausgegangen wird. Jedoch sind die Ergebnisse der Modelle immer auf Plausibilität und Konsistenz zu anderen Entscheidungsfaktoren zu prüfen, um Fehlentscheidungen im Bereich der Kreditrisikosteuerung zu vermeiden.196 Jede Bank sollte anhand ihrer Bedürfnisse prüfen, aus 194 195 196
Vgl. Offermann, C. (2001), S. 134ff. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 134ff. Vgl. Bröker, F. (2000), S. 273.
206
Kapitel V
welchen Komponenten das eigene Risikomanagementsystem bestehen soll. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Steuergrößen und –signale des ausgewählten Modells an den strategischen und operativen Zielsetzungen der Bank angepasst sind. Zusätzlich muss die vorherrschende Portfoliostruktur berücksichtigt werden. Letztlich lässt sich unabhängig vom Umfeld und Zweck des Einsatzes kein abschließendes Urteil zu den einzelnen Modellen fällen. Angesichts der Tatsache, dass die Modelle gleiche Prozesse modellieren, kann es in der Praxis auch sinnvoll sein, die Modelle parallel einzusetzen und so Inputparameter und Ergebnisse auf Plausibilität zu überprüfen. 3.4
Risikoadjustierte Performancemessung
Die Rendite ist das klassische Maß für die Profitabilität einer Kapitalanlage. Für den Bereich der Aktivgeschäfte werden die Renditen von den Banken als unzureichend angesehen. Daher müssen die gemessenen Kreditrisiken im Rahmen der Risk-/Return orientierten Gesamtbanksteuerung bewertet werden. Bei sämtlichen geschäftspolitischen Entscheidungen, wozu auch das Kreditrisikomanagement zählt, steht die Rentabilität im Mittelpunkt. Dies bedeutet, dass sowohl die Risiko- als auch die Wachstumspolitik der Rentabilität unterordnen müssen. Als reines Instrument zur Performancemessung haben sich im Bankgeschäft Return on Equity197 (ROE) – Kennzahlen etabliert, die den Ertrag ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital sehen. Bei diesen Kennziffern bleibt jedoch unberücksichtigt, welches Risiko eingegangen wurde, um diesen Ertrag zu erzielen. Das Problem kann gelöst werden, indem ROE-Kennzahlen um Risk Adjusted Performance Measures (RAPM) ergänzt werden.198 RAPM =
Erwarteter Rückfluss - Kosten - erwartete Verluste Risikokapital
Das RAPM, welches grundsätzlich zwei Fragestellungen bzgl. der Steuerung von Kreditrisiken, zum einen die Allokation des ökonomischen Kapitals, zum anderen die Performancebeurteilung in Abhängigkeit von der jeweils eingegangenen Risikoposition, betrifft, ist nach dieser Formel um das Risiko bereinigt, dass für die Erzielung einer Rendite eingegangen worden ist.199 Die Ergebnisse der Risikomessung können für die interne Steuerung von Kreditrisiken und insbesondere für die Anwendung von Risk-/Return Kennzahlen sukzessive verarbeitet werden. Im Idealfall kann der Beitrag eines jeden neuen oder zu überprüfenden Kreditengagements zum Kreditportfoliorisiko bestimmt werden und dementsprechend risikoadjustiert bepreist werden. Das gemäß vorhandenen Risikodeckungsmassen angestrebte Kreditportfoliorisiko wird in
197 198 199
Der Ertrag wird bei dem ROE ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital gesetzt. Vgl. Hartmann-Wendels, T./ Pfingsten, A./ Weber, M. (2000), S. 556. Vgl. Oehler, A./ Unser, M. (2002), S. 363.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
207
Form strategischer (Verlust-)Limite hierarchisch „nach unten“ verteilt. Die Performance einzelner Geschäftsbereiche wird auf Basis des in Anspruch genommenen ökonomischen Kapitals gemessen. Damit wird eine effizientere Kapitalallokation auf Basis dieser Ergebnisse angestrebt, wodurch in der Gesamtbanksteuerung auf Basis konsistenter Risk-/Return Kennzahlen das langfristige Ziel der Rentabilität erreicht wird. Dies stellt gleichermaßen eine Abkehr von den risikoignorierenden Performancemaßen wie den ROE dar. Nachfolgend werden daher die drei Erfolgskennzahlen für die Messung des Einflusses auf den risikoadjustierten Gesamtbankerfolg respektive den Risikostatus beschrieben. Unabdingbar für eine wertorientierte und integrierte Kreditrisikosteuerung ist die Verwendung einheitlicher Erfolgs- und Risikobegriffe. In diesem Fall sind dies die so genannten RAPM – Kennzahlen, mittels derer die Messung des Steuerungserfolges in Relation zum eingesetzten Risikokapital erfolgen kann.200 Unter dem Oberbegriff RAPM sind die folgenden drei Maßgrößen subsumiert, die versuchen, den risikoadjustierten Erfolg einer Position zu ermitteln, indem sie eine Erfolgsgröße in Relation zu dem mit der Erfolgserzielung verbundenen Risiko setzen. Dazu zählen RoRAC, RARoC und RARoRAC. Mitte der siebziger Jahre wurde von Bankers Trust erstmals eine Betrachtung von Rendite und Risiko in der Banksteuerung beleuchtet und die Kennzahlen RoRAC und RARoC entwickelt. Diese zählen heutzutage zu den Kernelementen von Steuerungskonzepten in den Banken.201 Hinzukommt der RARoRAC. Die einzelnen Varianten unterscheiden sich in der unterschiedlichen Definition und Verwendung der eingehenden Größen.202 Danach kann ein Wachstum nur soweit erfolgen, wie durch zusätzliche Geschäfte das Erreichen der geforderten Rentabilität gewährleistet werden kann. Deshalb ist im Rahmen der Risikopolitik sicherzustellen, dass Risiken nur dann eingegangen werden, wenn dies durch bestimmte Ergebnisbeiträge gerechtfertigt ist. Zusätzlich muss die Risikotragfähigkeit jederzeit gewährleistet werden. 3.4.1
RoRAC
Diese Kennzahl ist das Nettoergebnis aus Bankgeschäften in Relation zum ökonomischen Kapital. Dabei entspricht das ökonomische Kapital bzw. Risikokapital dem mit dem VaR – Konzept gemessenen Risiko. Damit können Geschäftspositionen bzw. Geschäftsbereiche, die eine unterschiedliche Risikostruktur aufweisen, auf eine einheitliche Bezugsgröße dimensioniert „und damit [...] hinsichtlich ihrer Performance sinnvoll verglichen werden“203. Der RoRAC gibt das Verhältnis von Nettogewinn und 200 201 202 203
Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 352. Vgl. Baule, R. (2004), S. 153f. Vgl. Straßberger, M. (2002), S. 187. Schierenbeck, H. (2001), S. 42.
208
Kapitel V
Risikokapital wider. Dabei erfolgt die Risikoadjustierung nur kapitalseitig, so dass sich die folgende Formel ergibt. Diese Kennzahl kann sowohl auf IstRisikokapitalbasis als auch auf Limitbasis berechnet werden.204 RoRAC auf Ist - Risikokapi talbasis =
Nettoergeb nis aus (Ist-)Risi kokapital (Ist-)Risi kolkapital
bzw. RoRAC auf Limitbasis =
Nettoergeb nis aus (Ist-)Risikokapital Risikolimi t
Das Nettoergebnis besteht dabei aus Erträgen abzgl. Refinanzierungskosten sowie Betriebskosten und Expected Loss. Beim RoRAC muss das ökonomische Kapital größer als null sein. Das Risiko wird mittels des VaR – Konzeptes errechnet. Alternativ zu dem VaR kann auch in Erwägung gezogen werden, den Expected Shortfall zu verwenden.205 Der RoRAC drückt aus, welchen Beitrag ein Portfolio zum ROE leistet.206 Kritisiert wird jedoch, dass ein gegen null gehender Risikokapitalbedarf, der durch den VaR gemessen wird, zu einem unendlichen RoRAC und damit zu einer ungewollten Bevorzugung risikoloser Investitionen führen kann.207 Bei der Verwendung des RoRAC wird tendenziell ein risikoaverses Verhalten der Entscheidungsträger aufgrund des Vergleiches mit der Ziel – Risikoprämie gefördert. Denn es kann überprüft werden, ob eine gesetzte Mindestrendite überschritten wurde. Dieses Ergebnis kann allerdings auch dann erzielt werden, wenn nur bei sehr geringem Risiko ein sehr kleiner Ergebnisbeitrag erzielt wurde.208 3.4.2
RARoC
In der Literatur sind unterschiedliche Ansätze zur Definition des RARoC zu finden. Beim RARoC erfolgt die Risikoadjustierung im Gegensatz zum RoRAC nicht kapitalseitig, sondern gewinnseitig. Der risikoadjustierte Nettogewinn wird zu dem nicht risikoangepassten Kapital ins Verhältnis gesetzt.209 Für die Berechnung des RARoC wird das risikoadjustierte Nettoergebnis ins Verhältnis zum ökonomischen Kapital gesetzt.210
204 205 206 207 208 209 210
Vgl. Schierenbeck, H. (2001), S. 42. Vgl. Baule, R. (2004), S. 155. Vgl. Lister, M. (1997), S. 210f.; Straßberger, M. (2002), S. 188. Vgl. Baule, R. (2004), S. 155. Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 353. Vgl. Straßberger, M. (2002), S. 188. Vgl. Schierenbeck, H. (2001), S. 45.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
RARoC =
209
Risikobereinigter erwarteterÜberschuss Eingesetzes Kapital
Bei diesem Risikomaß wird somit eine Proportionalität von risikoadjustiertem Nettogewinn und dem Zweck seiner Erzielung von investiertem Kapital unterstellt. Dabei erfolgt die Risikoadjustierung des Nettogewinns durch die Subtraktion der Risikokapitalkosten. Durch eine erhöhte Risikoaufnahme steigen zum einen der Nettogewinn und zum anderen der Bedarf an Risikokapital. Durch letzteres steigen auch die Risikokapitalkosten, wodurch sich schließlich der risikoadjustierte Nettogewinn vermindert. Ein Portfolio wird dann besser bewertet, wenn es relativ zum investierten Kapital einen höheren risikoadjustierten Nettogewinn erwirtschaftet. Das RARoC – System basiert auf dem Rating des Schuldners. Dabei muss ein richtiges Rating erfasst worden sein. Ein solches quantitatives Risikomanagementsystem sollte als Ergänzung zu der herkömmlichen Bonitätsanalyse verstanden werden, die im Rahmen der Einzelkreditanalyse Anwendung findet. Das Ergebnis der Berechnung ist dabei der Kapitalbedarf der entsprechenden Geschäftstätigkeit. Die Kreditabteilung in einer Bank legt das Rating sowie die Kreditlinien aus der Bonitätsanalyse fest. Neue Geschäfte werden gegen diese Kreditlinien geprüft und nach Genehmigung in das Risikomanagementsystem eingegeben. Anhand des Ratings kann das RARoC System das RARoC Kapital und die RARoC Rendite berechnen, sogar eine Berechnung für ein einzelnes Geschäft ist möglich. Das Ziel der Berechnung ist die eigentliche Rentabilität festzustellen.211 3.4.3
RARoRAC
In der Literatur wird der RARoC oft mit dem RARoRAC gleichgesetzt. Jedoch kann diese Kennzahl auch als eine eigenständige Kennzahl angesehen werden. Dabei stellt dieser eine Kombination aus den beiden vorher beschriebenen Performancemaßen dar. Es ist eine Risikoadjustierung sowohl gewinn- als auch kapitalseitig möglich.212 Der RARoRAC setzt den risikoadjustierten Nettogewinn ins Verhältnis zu dem Risikokapital: RARoRAC = RoRAC −
Kosten für Risikokapital Risikokapital
Vor allem bei Kreditportfolios kann eine veränderte Formel zur Anwendung kommen: RARoRAC=
211 212
Nettoergebnis inkl.Standardrisikokosten- (Credit at Risk ∗ Zielrisikoprämie) Credit at Risk
Vgl. Bessis, J. (1998) S. 262f.; Straßberger, M. (2002) S. 188f. Vgl. Straßberger, M. (2002) S. 189.
210
Kapitel V
Es wird eine Proportionalität von risikoadjustiertem Nettogewinn und notwendigem Risikokapital unterstellt. Analog zu den gegebenen Erklärungen für RoRAC und RARoC steigt mit der Höhe der übernommenen Risiken der Bedarf an Risikokapital. Fällt die Zunahme des Nettogewinns höher aus als die Zunahme der Risikokapitalkosten, so steigt der risikoadjustierte Nettogewinn. Dabei wird ein Kreditportfolio besser bewertet als ein anderes, wenn diese Steigerung des risikoadjustierten Gewinnes relativ zum notwendigen Risikokapital höher ausfällt.213 Nachdem nun die Kreditrisikomessung als ein wichtiger Teil des Kreditrisikomanagements ausführlich erläutert worden ist, wird nun darauf aufbauend im folgenden Kapitel die Kreditrisikosteuerung näher beleuchtet.
4
Steuerung der Kreditrisiken zur Optimierung des Risk-/ Return Profils
Die Kreditrisikosteuerung bildet das eigentliche Kerngeschäft des Kreditrisikomanagements. Mit dem Ziel der Risikovermeidung bzw. Risikominderung kommen dabei sowohl konventionelle als auch innovative Steuerungstechniken zur Anwendung. Zuvor werden allerdings die Ansätze zur Risikobegrenzung systematisiert. 4.1
Systematisierung der Ansätze zur Risikobegrenzung
4.1.1
Ursachenbezogene Risikopolitik
Die Maßnahmen der ursachenbezogenen Risikopolitik sollen die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken verringern bzw. den Grad der Ungewissheit herabsetzen und haben einen positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung und Höhe der möglichen Kreditverluste.214 Die Höhe der Verluste wird mittels Maßnahmen zur Abfederung oder Abwälzung der Konsequenzen gemildert. Zu diesem Punkt zählen im Bereich des Kreditrisikomanagements sowohl die Risikovermeidungs- als auch die Risikominderungsstrategien. Um Risiken zu vermeiden, kann eine Bank entweder keine Kreditgewährungen zulassen oder eine sehr konservative Besicherungspolitik betreiben. Die zweite mögliche Strategie hingegen basiert auf einer effizienten Kreditwürdigkeitsprüfung inkl. Sicherheitenprüfung und einer integrierten Kreditüberwachung.215 4.1.2
Wirkungsbezogene Risikopolitik
Demgegenüber zielt die wirkungsbezogene Risikopolitik auf den verbleibenden potentiellen Schaden ab. Diese kann dahingehend charakterisiert werden, dass sie zur 213 214 215
Vgl. Straßberger, M. (2002) S. 189f. Vgl. Schmoll, A. (1993), S. 38. Vgl. Schierenbeck, H. (2001), S. 296.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
211
Abfederung oder Abwälzung der Konsequenzen bei eingetretenen Kreditverlusten dienen. Der Schaden für die Bank soll auf diese Weise minimiert werden, so dass die Solvenz des Institutes nicht gefährdet wird.216 Hierzu zählen sowohl der Risikotransfer als auch die Risikovorsorge. Risikotransferstrategien dienen dazu, Risiken aus dem Kreditportfolio auf den Kreditnehmer selbst oder auf Dritte zu übertragen, wobei hier der Einsatz von Kreditderivaten von besonderer Bedeutung ist und immer mehr verbreitet Anwendung findet. Die Risikovorsorge hingegen steht zeitlich am Ende der beschriebenen Strategien und wird auf noch verbleibende Risiken angewandt. Eine geeignete Maßnahme ist die Kapitalunterlegung, bspw. durch Bildung von Wertberichtigungen oder durch Dotierung von Eigenkapitalreserven. Die wirkungsbezogene Steuerung erhöht die Risikotragfähigkeit der Bank. Dabei werden sowohl bilanz- als auch eigenkapitalpolitische Maßnahmen gefasst. Im Rahmen der Risikoreduzierung wird versucht, die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schadenshöhe eines Risikos zu verringern oder zu begrenzen. Das Einhalten von Limiten ist dabei jederzeit zu gewährleisten. Über die Limitvorgabe hinaus sind als Maßnahmen der Risikoreduzierung vor allem die Risikostreuung durch Diversifikation, die Risikoabwälzung an Dritte und die Risikoteilung mit anderen Banken zu sehen.217 4.2
Konventionelle Steuerungsansätze
4.2.1
Risikoteilung
Durch die Risikoteilung besteht die Möglichkeit, einen Kreditbetrag durch den Zusammenschluss mit einem oder mehreren Kreditinstitut(en) auf verschiedene Kreditgeber aufzuteilen. Damit ist jede beteiligte Bank nur verpflichtet, das Risiko eines Teils des Kreditbetrages zu tragen. Besonders im Großkreditgeschäft findet diese Steuerungsmethode Anwendung, da vor allem kleinere Banken durch die Höhe der Kreditbeträge schnell an ihre Grenzen der Risikotragfähigkeit stoßen. Des Weiteren kann die Höhe eines Kreditengagements eine einzelne Bank auch in Kollision mit aufsichtrechtlichen Bestimmungen bringen. Aber auch geschäftpolitische Gründe können eine Rolle spielen, indem nämlich Konsortien die Möglichkeiten bieten, an Krediten für solche Kreditnehmer zu partizipieren, mit denen sie allein nicht in Geschäftsverbindung hätten treten können. Des Weiteren spielt der Cross Selling Gedanke eine Rolle und der Wunsch, mit den Partnerbanken an weiteren Großkrediten teilhaben zu können und so eine größere Anzahl von Kreditnehmern zu erhalten.218
216 217 218
Vgl. Schmoll, A. (1993), S. 38. Vgl. Schierenbeck, H. (2001), S. 296. Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 283.
212
Kapitel V
4.2.2
Risikoabgeltung
Der „Gegenstand der Risikoabgeltung ist die Kalkulation adäquater, dem risikofreien Zinssatz aufzuschlagender Risikoprämien, deren Bemessung sich an einzelnen Risikoklassen orientieren muss“219. Die Risikoklassen werden auf Basis von Bonitätsindikatoren gebildet. Die Bonitätsklassen weisen dabei unterschiedliche Ausfallquoten auf, auf deren Basis die Kreditkonditionen risikoadjustiert kalkuliert werden. Dabei erfolgt die Einstufung der Kreditnehmer in die einzelnen Bonitätsklassen mittels interner bzw. externer Ratings. Die risikobezogene Kalkulation der Kreditzinsen ist auch im Kontext mit der risikoadäquaten Eigenmittelunterlegung von Risikoaktiva, wie von Basel II gefordert, zu sehen. Die bankinterne Bildung von Risikoklassen führt jedoch zu bankspezifischen Risikoprämien, da die realisierten Ausfallquoten der Bank nicht nur von der wirtschaftlichen Entwicklung des Kreditkunden im betrachteten Segment, sondern möglicherweise ebenso von der Risikopolitik der Bank abhängen. Die Banken müssen allerdings immer bei der Kalkulation der Risikoprämien das jeweilige Marktniveau beachten. Dabei dürfen die Kreditkosten für den Kreditnehmer nicht über diesem liegen, da diese sonst nicht bereit sind, die Kosten zu bezahlen. Falls die Risikoprämien nicht durchgesetzt werden können, gilt es entweder auf die Kreditvergabe zu verzichten bzw. Kostensenkungsmaßnahmen einzuleiten und/oder ihr Kreditportfolio umzustrukturieren.220 Die undifferenzierte Berücksichtigung von Ausfallrisiken im Rahmen der Bankenaufsicht sowie die konzeptionellen Grenzen der traditionellen Bewertungs- und Pricingansätze haben dazu geführt, dass die Kredite nicht entsprechend der ihnen tatsächlich inhärenten Risiken bepreist wurden. Damit bildeten sich dauerhaft Quersubventionierungen zwischen verschiedenen Teilsegmenten des Kreditgeschäftes heraus.221 Generell lässt sich die Bepreisung für die erwarteten und unerwarteten Verluste differenzieren. 4.2.2.1
Bepreisung der erwarteten Verluste
Für die erwarteten Verluste verlangen die Banken eine Risikoprämie (default premium). Für die Bestimmung der Risikoprämien werden für alle Kredite einer Risikoklasse die Kalkulationen einer klassenspezifischen, materiellen Risikoprämie vorgesehen. Die Prämien werden in einem Risikodeckungsfonds angesammelt, um damit die erwarteten Verluste abdecken zu können. Sie stellen dabei keinen entnahme- bzw. ausschüttungsfähigen Gewinn dar, falls die erwartete Ausfallquote positiv ausfällt. Dieser wird für andere Perioden vorgehalten, in denen die erwartete Quote negativ ausfällt. Wird die erwartete Quote realisiert, so entsteht der Bank kein Schaden. Die 219 220 221
Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 283. Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 283f. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 1.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
213
Risikoprämien dienen zur Deckung zukünftiger Verluste und werden bei korrekter Kalkulation im langfristigen Mittel den tatsächlichen Abschreibungen entsprechen.222 Als problematisch erweist sich jedoch, dass die traditionelle Vereinnahmung für die erwarteten Verluste nur durch die Standardrisikokosten einer Rendite im Kreditgeschäft in Höhe der Verzinsung gleichkommt, die auch durch eine Investition in eine sichere Anlage zu erzielen wäre.223 Durch die zusätzlichen Kreditkosten wird natürlich die Bank von der Wettbewerbssituation bei der Kalkulation der Risikoprämien beeinflusst. Sind allerdings im Rahmen der Rentabilitätsrechnung trotz dieser zusätzlichen Kosten am Markt weiterhin die gewünschten Zinsmargen zu verdienen, so ist das Risikogeschäft grundsätzlich rentabel.224 4.2.2.2
Bepreisung der unerwarteten Verluste
Für die Abgeltung des eigentlichen Risikos verlangen die Banken ebenfalls eine Prämie (risk premium). Jedoch können die vereinnahmten Risikoprämien für die Bank nicht ausreichen, um die tatsächlichen Ausfallverluste zu decken, was zunächst zu einer Verschlechterung des Periodenerfolges, aber auch zu einer Aufzehrung des Eigenkapitals und damit zur Insolvenz des betreffenden Kreditinstitutes führen kann. Es sollte zusätzlich eine Bepreisung in Abhängigkeit von der Bonität vorgenommen werden. Jedoch reichen die bisherigen bankeigenen Bonitätsverwertungen zumeist nicht aus, die tatsächlichen ökonomischen Risiken zu differenzieren. Die Einzelkreditnehmerbeurteilung und die Portfoliobetrachtung können zu divergierenden Kreditbewertungen führen. Damit ist es zumeist nicht möglich, die Kredite differenziert zu bepreisen. Falls die Banken die Kredite auf Basis subjektiver Risikobewertungen im Kontext des gegebenen Portfolios durchführen, können diese Konditionen meisten am Markt nicht durchgesetzt werden. Eine weitergehende Differenzierung nach risikorelevanten Faktoren, die z.B. die Ausfallwahrscheinlichkeiten beeinflussen, wird bisher nur von wenigen Banken vorgenommen.225 Das herkömmliche Pricing der Banken trägt damit den eigentlichen Risiken nur unzureichend Rechnung. Geringe Risiken werden zu hoch, hohe Risiken zu niedrig bepreist. 4.2.3
Risikolimitierung
Eine adäquate Limitsystematik stellt eine zentrale Aufgabe im Kreditrisikomanagement dar. Mit Hilfe von aktiven Steuerungsansätzen wird versucht, die Kreditportfoliostruktur bewusst zu gestalten, wobei die Geschäfts- und Risikopolitik hierbei von entscheidender Bedeutung ist. Durch den Einsatz der Risikolimitierung kann die Geschäftsleitung einer Bank versuchen, die Übernahme von Kreditrisiken durch be222 223 224 225
Vgl. Merz, A. (2001), S. 109. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 82. Vgl. Hirt, G. (2003), S. 255. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 82f.
214
Kapitel V
tragsmäßige Begrenzungen zu limitieren. Die Limitierung ist besonders für die Steuerung des Neugeschäftes eine wesentliche Grundlage.226 Die am häufigsten verwendeten Maßnahmen stellen die Festlegung von einzel- und gesamtgeschäftsbezogenen Obergrenzen bei der Kreditvergabe dar, wobei diese bereits durch gesetzliche Vorgaben wie durch Großkreditgrenzen, geregelt in § 13 KWG227, gegeben sind.228 Der Vorstand einer Bank setzt für diese Limitierung unter Berücksichtigung der jeweiligen Geschäfts- und Risikopolitik die Limite fest. Dabei können verschiedene Kriterien Anwendung finden, z.B. Kreditarten, Kundengruppen, Branchen oder Regionen. Die Obergrenzen können dabei unterschiedlich hoch sein und sind für die dezentralen Marktbereiche bindend. „Das Instrument der Risikolimitierung […] kann sowohl einzel- als auch gesamtgeschäftsbezogen eingesetzt werden.“229 Einzelgeschäftsbezogen bedeutet, dass z.B. volumenmäßige Obergrenzen für die Kreditvergabe an jeden einzelnen Kunden existieren. Im Kreditportfolio hingegen existieren drei verschiedene Alternativen. Den ersten Ansatzpunkt dabei bilden die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften des Grundsatzes I des Bundesaufsichtsamtes für das Finanzwesen. Nach dem Aufsichtsrecht wird das risikobehaftete Kreditvolumen über Anrechnungsfaktoren an die Höhe des Eigenkapitals gebunden. „Als Steuerungsmaßnahme sind die jeweiligen Auslastungsentscheidungen zu fällen.“230 Somit wird das risikobehaftete Kreditvolumen in Relation zum haftenden Eigenkapital beschränkt. Damit stellt der Grundsatz I eine Risikobegrenzungsnorm dar.231 Eine Risikolimitierung kann auch an der Risikoklassenverteilung ansetzen. Die Obergrenzen werden für die verschiedenen Risikoklassen festgelegt, wobei diese von Risikoklasse zu Risikoklasse entsprechend den zugewiesenen Ausfallwahrscheinlichkeiten differieren können. Den dritten Ansatzpunkt stellt eine größenklassenbezogene Verteilung und Limitierung der Kreditvolumina dar. Dabei werden kreditvolumenmäßig abgegrenzte Größenklassen abgebildet und Obergrenzen für jede dieser Kreditgruppen festgelegt. Dadurch wird dem besonderen Risikopotenzial von Großkreditausfällen Rechnung getragen, welches im gehäuften Auftreten zur Insolvenz einer Bank führen kann.232 4.2.3.1
Limitsystematik
Ein Limitsystem in einer Bank stellt wie in der nachfolgenden Abbildung 7 zu erkennen ein komplexes System dar und gibt einen Überblick über die verschiedenen Ebenen der Limitierung und die dabei anzuwendenden betriebswirtschaftlichen Instru226 227 228 229 230 231 232
Vgl. Offermann, C. (2001), S. 79. Vgl. o.V. [Kreditwesengesetz, 2005]. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 53f. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 284. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 284. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 54. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S 54.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
215
mente. Mit Hilfe eines internen Kreditrisikomodells wird für die Gesamtbank durch die Ermittlung einer VaR Kennzahl die Übernahme der Kreditrisiken limitiert. Zunächst stellt der Gesamtvorstand das Gesamtbankrisikodeckungspotenzial der Planungsperiode, i.d.R. ein Jahr, fest. Der Risikoneigung des Vorstandes entsprechend wird dann der Anteil des Kapitals definiert, der als Risikokapital eingesetzt werden soll. Dieses Risikokapital wird im Sinne eines mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit maximal zulässigen Verlustbetrages für den Planungshorizont festgelegt. Dieses Globallimit wird im nächsten Schritt auf die einzelnen Teilportfolios aufgeteilt. Dabei kann zwischen der operativen und der strategischen Limitierung unterschieden werden. Bei der ersten Möglichkeit findet eine Limitierung bzgl. des Kontrahenten und auch für die einzelnen Produkte bzw. Produktgruppen statt, bei der zweiten Variante werden die Limite auf Länder, Branchen, Ratingklassen oder auch Regionen bezogen. Innerhalb der einzelnen Teilportfolios werden die einzelnen Limite dann auf die jeweiligen Risikoarten aufgeteilt. Ausgehend vom definierten Gesamtbanklimit sind die einzelnen Risikoarten separat zu limitieren. Die Limitierung von Adressenausfallrisiken ist damit ein Bestandteil der Gesamtbank-Limitsystematik und ist als solcher in diese zu integrieren. Zielsetzung ist die integrierte Steuerung aller Risiken auf Gesamtbankebene. Limitsysteme stellen somit einen wesentlichen Bestandteil des Kreditrisikomanagements dar. Die Zielsetzung für die Entwicklung eines Gruppenlimitsystems ist der zeitnahe Vergleich der bestehenden Inanspruchnahme eines Kreditnehmers mit seiner aktuellen Bonität, um Risiken frühzeitig erkennen zu können. Für die Entwicklung eines Gruppenlimitsystems sollten mehrere miteinander verbundene Limite aus unterschiedlichen Risikoperspektiven auf Gruppenebene entwickelt werden.233 Durch die Begrenzung des Risikos auf ein tragfähiges Maß wird die Fortführung der regulären Bankaktivitäten sichergestellt. Der Abgleich des eingegangenen Risikos mit der Risikotragfähigkeit liegt damit im ureigensten Interesse jeder Bank.
233
Vgl. Böhm, H. J. (2005), S. 60.
216
Kapitel V
Gesamtbank Risikotragfähigkeit (Ökonomisches/aufsichtsrechtliches Kapital) Operative Limitierung Kontrahent
Instrument (Einzelprodukt o. Produktgruppen)
Strategische Limitierung Länder, Lokationen
Branchen
Ratingklassen
Ländergruppen
Ratinglimit für Kontrahenten für einzelne Produkte Produkt(e)/-gruppen über Lokationen
Globales Limitsystem
Internes Kreditrisikomodell (Ökonomisches Kapital)
Abb. 7: Übersicht über die verschiedenen Limitierungsebenen Quelle: In Anlehnung an Gehrmann, V. (2005), S. 378.
Über das Kreditrisikomanagement soll gewährleistet werden, dass eine Bank nicht mehr Risiken eingeht, als sie aufgrund ihrer Vermögens- und Ertragssituation zu kompensieren in der Lage ist, wenn die Risiken schlagend werden. Die Existenz der Bank kann damit auch in Perioden ungünstiger volkswirtschaftlicher Entwicklungen sichergestellt werden. Um diesem Aufgabenkomplex gerecht zu werden, ist auf Gesamtbankebene ein System zu entwickeln, dass eine einheitliche Messung von Risiken über unterschiedliche Risikoarten und eine Aggregation der Risiken zu einem Gesamtbankrisikostatus erlaubt. 4.2.3.2
Zielsetzung der Adressrisikolimitierung
Die grundlegende Zielsetzung der Limitierung von Adressenausfallrisiken ist die Vermeidung existenzgefährdender Verluste für ein Kreditinstitut. Diese Zielsetzung hat zwei verschiedene Facetten: Vor dem Hintergrund der Portfoliobetrachtung gilt es, im Rahmen der Limitsystematik Konzentrationsrisiken, die z.B. durch Größenklassen-, Branchen-, Länder-, Regionen- oder auch Ratingklassenkonzentrationen verursacht werden, im Kreditportfolio zu vermeiden. Zu hohe Konzentrationen sind die elementaren Risikotreiber für unerwartete Verluste und die wichtigste Ursache von Bankenkrisen. Aus dieser Sicht ist durch die Identifikation von strategischen Li-
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
217
mitierungsebenen und die Vorgabe geeigneter Limite, die auf Branchenkonzentrationen und Ratingkategorien basieren, eine ex ante Steuerung des Portfolios mit der Zielsetzung der Vermeidung von Konzentrationsrisiken vorzunehmen. Im Bedarfsfall ist darüber hinaus eine Festlegung von Einzelengagementlimiten vorzunehmen. Darüber hinaus ermöglicht die Adressrisikolimitsystematik durch die Überwachung der definierten Adressrisikolimite im Rahmen eines regelmäßigen Soll-Ist-Vergleichs die Identifikation und Früherkennung von Fehlentwicklungen im Sinne drohender bzw. existierender Konzentrationsrisiken innerhalb des Kreditportfolios. Mit einer integrierten Limitsystematik erhalten die Banken die Möglichkeit, Adressenausfallrisiken im Portfoliokontext, d.h. unter expliziter Einbeziehung bestehender Korrelations- und Konzentrationseffekte zu limitieren. Dies ermöglicht eine konsequentere und vor allem risikoadäquatere Vermeidung existenzbedrohender Konzentrationsrisiken, als dies z.B. mit traditionellen volumenorientierten Adressrisikolimiten möglich ist. Darüber hinaus ist die Limitsystematik ein Instrument zur Umsetzung der Adressrisikoplanung, konkret des Plan-Portfolios. Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit einer adäquaten Adressrisikolimitierung wird auch von Seiten der Bankaufsicht formuliert. Die Installation einer Adressrisiko-Limitsystematik ist trotz einer konsequent risikoorientierten Preisstellung im Rahmen der Vorkalkulation des Deckungsbeitrags III, kurz DB III, notwendig, da der Markt für Adressenausfallrisiken als nicht ausreichend liquide zu bezeichnen ist, so dass diese Risiken nicht ohne weiteres jederzeit abgegeben und somit drohende Konzentrationsrisiken bspw. aus der Anhäufung von Kreditengagements in einer bestimmten Branche beseitigt werden könnten.234 Diese traditionellen Limitierungen, die an Nominalbeträgen bzw. Kreditäquivalenten ausgerichtet sind, haben den Nachteil, dass sie keinen Bezug zum eingesetzten Risikokapital haben und nicht vergleichbar sind. Sie sollten um portfoliobezogene Ansätze ergänzt werden, die sich stärker am messbaren Risikogehalt der Geschäfte orientieren. Aspekte der Transparenz, Kommunizierbarkeit, Verständlichkeit und der Umsetzbarkeit werden jedoch in der Praxis dazu führen, dass die traditionellen, am Nominalvolumen ausgerichteten Limite ihre Bedeutung beibehalten werden. 4.2.4
Risikostreuung
Im Kreditrisikomanagement spielt besonders das Diversifikationsprinzip eine wichtige Rolle.235 „Die Diversifikation [...] [ist] umso höher im Kreditportfolio, je geringer die Risiken miteinander korreliert sind.“236 Bei der Risikostreuung stehen im Gegensatz zu der vorgestellten Risikolimitierung qualitative Aspekte im Vordergrund. Allgemein werden unter diesem Begriff Maßnahmen subsumiert, die das Kreditportfolio in zahlreiche, mit unterschiedlichen Ausfallrisiken behaftete und voneinander wei234 235 236
Vgl. Straßberger, M. (2002), S. 41. Oehler, A./ Unser, M. (2002), S. 32. Merz, A. (2001), S. 113.
218
Kapitel V
testgehend unabhängige Kreditengagements strukturiert. Eine Verminderung des Risikos eines Totalausfalles wird bspw. durch Verteilung der Kredite auf mehrere Kreditnehmer statt nur auf einen einzelnen erreicht. Dies wird als Granularität bezeichnet. Die Umsetzung dieses Steuerungsansatzes bewirkt, dass zahlreiche Kredite vergeben werden, bei denen die Ursachen potentieller Ausfälle auf unterschiedlichen Einflussfaktoren basieren und deren Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht oder nur gering korrelieren. Dies dient dazu, den Klumpenrisiken entgegenzuwirken. Durch die Streuung von Einzelkreditrisiken nach unterschiedlichen, nicht korrelierenden Diversifikationskategorien wird das Portfoliorisiko und damit die Wahrscheinlichkeit hoher Kreditausfälle vermindert. Dazu sind Entscheidungen über die Diversifikationskategorien sowie deren quantitative Verteilung im Kreditportfolio zu treffen. Dies geschieht durch den Vorstand der einzelnen Banken. Kreditportfolios lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien strukturieren, z.B. nach sachlichen, zeitlichen und geografischen Kriterien. Bei der sachlichen Strukturierung steht die Bildung von Kreditnehmergruppen im Vordergrund, bspw. nach Einzelpersonen oder nach Unternehmen, die jeweils noch weiter untergliedert werden können. Die Bildung von spezifischen Kreditnehmergruppen hat den Vorteil, dass bei der Annahme, dass diese Kreditnehmer der gesamten Gruppe gleich oder ähnlich auf externe Einflüsse wie Konjunkturveränderungen reagieren, konjunkturelle Abhängigkeiten im Kreditportfolio erfasst und begrenzt werden können. In sachlicher Strukturierung kann man das Kreditportfolio z.B. nach Kreditarten einteilen. Zeitlich gesehen kann die Bank nach Kreditlaufzeiten Diversifikationen vornehmen, wobei langfristigen Krediten allgemein ein höheres Ausfallrisiko beigemessen wird als kurzfristigen. Der Grund liegt darin, dass die Prognose der Bonität von Schuldnern für längere Zeiträume mit größeren Unsicherheiten behaftet ist als die für kürzere. Bei einer geografischen Strukturierung des Portfolios wird nach Branchen oder Regionen unterteilt. Bereits bei der Kreditvergabe kann durchaus eine Konzentration auf eine bestimmte Region vermieden werden. Dadurch wird verhindert, dass sich negative Entwicklungen einzelner Regionen kumulativ auf das Kreditportfolio einer Bank auswirken.237 „Die Risikodiversifikation setzt nicht an der Limitierung einzelner Bereiche an, sondern versucht, die gesamte Portfoliostruktur [!] unter Berücksichtigung der zwischen einzelnen Branchen und Regionen bestehenden Zusammenhänge zu optimieren.“238 Dazu werden die einzelnen Branchen und Regionen im Gesamtportfolio regelmäßig ermittelt und überwacht. Dadurch ist es möglich, Steuerungsimpulse zu erkennen und umsetzen zu können.239
237 238 239
Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 967f. Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 136. Vgl. Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 136.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
4.3
Innovative Steuerungsinstrumente
4.3.1
Anforderungen an moderne Kreditrisikotransferinstrumente
219
Durch Kreditrisikotransferinstrumente wird das Kreditrisiko weitergegeben. Dabei wird die Kundenbeziehung nicht angetastet. Diese Instrumente müssen verständlich sein und trotz ihrer Komplexität für die Banken handelbar sein. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung dieser Instrumente bieten diese die Möglichkeit, den Kapitalmarkt vollkommener und vollständiger zu machen und die Informationsfunktion des Kapitalmarktes zu verbessern. Um die Erkenntnisse und Steuerungsimpulse der bereits ausführlich im dritten Kapital dargestellten Kreditportfoliomodelle effizient umsetzen zu können, ist die Transferierbarkeit von Kreditrisiken eine wichtige Möglichkeit.240 4.3.2
Risikotransformation durch Sekundärmärkte für Kreditrisiken
Weltweit ist eine Verflechtung der internationalen Finanzmärkte zu beobachten. Vor allem für regionale Kreditinstitute wie die Berliner Volksbank eG stellen Instrumente wie die Risikostreuung nicht sehr viele Möglichkeiten für die Steuerung der Kreditrisiken aus dem Kreditportfolio zur Verfügung. Dies wird durch das so genannte Regionalprinzip241 eingegrenzt. Aus diesem Grund sind auch Möglichkeiten der Branchendiversifikation nur eingeschränkt vorhanden, da in gewissen Regionen nur wenige Wirtschaftszweige angesiedelt sind. Durch Insolvenzen sind somit solche Banken deutlich höheren Risiken ausgesetzt als Großbanken, die eine viel höhere Diversifikation des Kreditportfolios besitzen. Jedoch werden diese Gefahren durch den Einsatz von innovativen Instrumenten für die Steuerung der Kreditportfoliorisiken gemildert. „Der Handel mit Krediten/Kreditrisiken bedeutet dabei den Verkauf bzw. Ankauf von Krediten oder anderen risikohaltigen Instrumenten zur Weitergabe von Risiken bzw. Transformation der Portfoliostruktur und deren Risikoverhalten.“242 Für die Verbesserung der Liquidität von Kreditportfolios haben sich vor allem in den USA Trends herausgebildet. Dabei sind Sekundärtransaktionen, Syndizierung von Krediten, Handel von Krediten, Einbringung von Krediten in Fonds und die Verbriefung von Krediten von besonderer Bedeutung. Die Syndizierung mit einem Volumen von über 880 Mrd. USD stellt dabei die am weitesten verbreitete Form dar.243 Diese Instrumente, vor allem Verbriefungen und Kreditderivate, werden von den deutschen Banken immer mehr genutzt. In 2003 traten die zehn in diesem Bereich aktivsten 240 241
242 243
Vgl. Sommerfeld, H. (2001), S. 304. Das Regionalprinzip stellt einen Grundsatz dar, wonach sich v.a. Sparkassen und Genossenschaftsbanken i.d.R. geschäftlich nur auf dem in ihrer Satzung festgelegten Gebiet betätigen dürfen. Teschner, C. L. (1998), S. 234. Vgl. Sautter, M. T./ Droste, K. D. (1998), S. 230.
220
Kapitel V
Banken als Sicherungsgeber mit einem Volumen von 303 Mrd. EUR, als Sicherungsnehmer mit 263 Mrd. EUR auf.244 Dies macht die steigende Bedeutung deutlich, jedoch werden vier Fünftel des Handels von Kreditrisiken innerhalb des globalen Bankensystems gehandelt. Der moderne Kreditrisikotransfer bietet dabei viele verschiedene Möglichkeiten, von denen eine Auswahl im Folgenden für die Steuerung der Kreditrisiken dargestellt wird. Diese sind besonders interessant für die Kreditrisikosteuerung, da sich dieser Bereich nach Auffassung des Verfassers weiterentwickeln wird. 4.3.2.1
Verbriefung von Kreditforderungen
Eine Form des Kreditrisikotransfers stellt die Verbriefung in der Form von AssetBacked Securities (ABS) dar.245 Diese werden häufig zur Steuerung von Kreditportfolios eingesetzt und zeichnen sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher und komplexer Varianten und Strukturierungsmöglichkeiten aus, wodurch eine maßgeschneiderte Risikosteuerung möglich ist. Im Bereich des Kreditrisikomanagements besteht die Zielsetzung vor allem darin, nicht liquide Finanzaktiva wie Buchkredite in fungible Wertpapiere zu transformieren. Die Grundstruktur einer ABS-Transaktion ist in der Abbildung 8 visualisiert. Das Underlying, ein Forderungspool246, wird von einem Originator, in diesem Fall eine Bank, an eine rechtlich selbständige, eigens für eine bestimmte oder eine Mehrzahl solcher Transaktionen gegründeten Zweckgesellschaft247 verkauft und in stiller Form abgetreten.248 Zweckgesellschaften sind dabei Unternehmen, deren Firmensitze meistens in Staaten mit niedrigen Mindestkapitalanforderungen und geringen Steuersätzen liegen. Sie verfügen des Weiteren nicht über weitere nennenswerte Vermögenswerte als die verbrieften Forderungsbestände. Für den Verkauf erhält die Bank den Kaufpreis der dem Kapitalbetrag der verkauften Kreditforderungen entspricht und am Tag der Übertragung fällig ist.249 Die Zweckgesellschaft refinanziert sich ihrerseits durch die Emission von Wertpapieren an den Kapitalmärkten.250 Für die Bedienung des Kapitaldienstes und zur Rückzahlung der ABS werden die regelmäßigen Zins- und Tilgungszahlungen der Kreditschuldner an die Investoren weitergeleitet.251 Die Forderungsverbriefung ermöglicht nicht nur eine Verwendung 244 245 246
247 248 249 250
251
Vgl. Deutsche Bundesbank [Monatsbericht April, 2004], S. 27. Vgl. Perridon, L./ Steiner, M. (1995), S. 403. Innerhalb eines Forderungspools werden gleichartige Kredite zusammengefasst. Dieser wird in der Literatur häufig auch als Credit-Pool bezeichnet. Der englische Begriff für die Zweckgesellschaft lautet Special Purpose Vehicle. Vgl. Baule, R. (2004), S. 94. Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 337. Die Platzierung der Wertpapiere erfolgt dabei üblicherweise über ein Bankenkonsortium. Vgl. dazu Oßenbrink, N. (2001), S. 337; Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 134. Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 337f.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
221
in der oben angesprochenen extern orientierten Bilanzpolitik, sondern bewirkt auch eine bessere Steuerung des internen Kreditrisikomanagements. Durch diese Transaktion trennt sich die Bank von dem Kreditrisiko, jedoch wird gleichzeitig neues Eigenkapital zur Verfügung gestellt, was den Liquiditätsstatus der Bank erhöht.252 „Neben dem Ausfallrisikoaspekt ergibt sich somit gleichzeitig auch ein Liquiditätsaspekt.“253 Die ABS-Finanzierung erlaubt es somit, die den Forderungen eigenen Risiken bezüglich des Ausfalls und der Verzögerung von Zahlungen sowie der Zinsänderung zu separieren und diese auf Dritte zu übertragen. Dabei übernehmen die Nachfrager nur die Risiken, die sie am besten abschätzen und aufnehmen können. Die an die Investoren zu zahlenden Zins- und Tilgungsleistungen werden aus den laufenden Einnahmen des an die Zweckgesellschaft übertragenen Forderungspools erbracht. Die Wertpapiere werden vor der Übertragung von einer renommierten Ratingagentur bewertet. Dabei stehen vor allen Dingen die komplette Emissionsstruktur als auch der Forderungspool im Mittelpunkt der Betrachtung. Bei der Auswahlmöglichkeit des Forderungspools ist die Bank allerdings in ihren Auswahlmöglichkeiten beschränkt, da diese den Anforderungen des BaFin genügen müssen. Hiernach muss der so genannte Credit-Pool nach dem Zufallsprinzip aus dem Gesamtportfolio ausgewählt werden und die durchschnittliche Kreditqualität repräsentieren.254 Damit soll eine Übertragung besonders risikobehafteter Kredite verhindert werden. Die Zins- und Tilgungsleistungen an die Investoren der ABS werden durch die Zahlungseingänge aus dem Forderungsportfolio bestritten.
252 253 254
Vgl. Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 134. Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 134. Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Hrsg.) [Asset-Backed Securities, 1997].
222
Kapitel V
Treuhändler Forderungsabtretung Forderungsverkauf Kreditinstitut (Originator)
Kaufpreis Weiterleitung von Zins und Tilgung
Kredit
Zins und Tilgung
Forderungsschuldner
Kontrolle und Verwaltung Zins und Tilgung
Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle)
Investor Liquidität
Bewertung
Ratingagentur
Abb. 8: Grundstruktur einer ABS-Transaktion Quelle: In Anlehnung an Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 285; Oehler, A./ Unser, M. (2002), S. 374; Oßenbrink, N. (2001), S. 342.
ABS-Transaktionen werden hinsichtlich der Zahlungsstromgestaltung in traditionelle Pass-Trough-Konstruktionen und in neuere Pay-Through-Konstruktionen unterschieden. Bei der ersten Variante werden die eingehenden Zahlungen von der Zweckgesellschaft direkt an die Investoren entsprechend ihrer prozentualen Quote am Gesamtvolumen der ABS-Transaktion weitergeleitet. Dabei kann er nicht mit einem festen Zahlungsstrom kalkulieren und ist daher dem Risiko einer vorzeitigten Tilgung ausgesetzt. Bei der Pay-Through-Konstruktion wird ein Zahlungsstrommanagement von einem Treuhändler vorgenommen. Dabei werden die aus dem Forderungspool eingehenden Zahlungen gesammelt und entsprechend den mit den Investoren vereinbarten Zins- und Tilgungsplänen weitergeleitet. Damit verfügt der Kapitalgeber über eine sichere Kalkulationsgrundlage hinsichtlich der zu erwartenden Zahlungsströme.255 In jüngster Zeit werden vor allen Dingen synthetische ABS verwendet. Bei dieser Form der ABS wird nicht der Forderungspool physisch an die Zweckgesellschaft, sondern nur das Risiko mithilfe von Kreditderivaten übertragen. Die Forderungen bleiben in der Bilanz des Originators, was Zeit- und Kostenvorteile beinhalten kann.256 ABS können heutzutage in verschiedenen Formen verwendet werden. So 255 256
Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 348; Perridon, L./ Steiner, M. (1995), S. 404. Vgl. Baule, R. (2004), S. 94; Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 135.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
223
können diese weiter in Asset-Backed Securities im engeren Sinne, Mortgage-Backed Securities und Collateralized Debt Securities untergliedert werden. Die erste Variante verbrieft meistens Kleinkredite, wie Kreditkartenforderungen, Konsumentenkredite oder Leasinggeschäfte. Im Forderungspool der Mortgage-Backed Securities befinden sich dagegen Hypothekarkredite. Die dritte Variante untergliederte sich noch einmal in Collateralized Bond Obligation und Collateralized Loan Obligation und verbriefen Anleihen bzw. Kredite.257 Die Entwicklung der ABS-Transaktionen begann im Februar 1970 in den Vereinigten Staaten von Amerika mit der Emission von Mortgage-Backed Securities.258 Bei dieser Art der Ausgestaltungsform wurden die Effekten durch Hypothekarkreditforderungen gedeckt. Der ABS Markt war in den siebziger Jahren noch durch vergleichsweise geringe Transaktionsvolumina gekennzeichnet, jedoch im Verlauf der achtziger Jahre setzte eine starke Wachstumsdynamik ein.259 Diese Dynamik ist neben gesetzlichen Deregulierungen seit Beginn der achtziger Jahre sowie konjunkturellen Faktoren insbesondere auch auf eine Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen zurückzuführen.260 Der Grund liegt darin, dass ABS den Banken eine kostengünstige, bilanz- und vor allem eigenkapitalentlastende Refinanzierung von Kreditforderungen ermöglichen. Seit Ende der achtziger Jahre haben sich ABS-Transaktionen in Europa verbreitet, besonders in Großbritannien und Frankreich. Deutsche Kreditinstitute setzten dieses Instrument bis zum Jahr 1997 nicht ein. Dies lag an der fehlenden rechtlichen sowie aufsichtsrechtlichen Regelung bis zu diesem Zeitpunkt.261 Im Frühjahr 1997 wurde die Verbriefung von Kreditforderungen durch Banken auch in Deutschland aufsichtsrechtlich geregelt. In einem Rundschreiben vom 20. Mai 1997 gab das BAKred der deutschen Kreditwirtschaft seine Forderungen an eine den Grundsatz I entlastende Verbriefung und Veräußerung von Kundenforderungen bekannt. Damit wurde eine aufsichtrechtliche Regelung von ABS-Transaktionen geschaffen.262 Die deutschen Banken hatten dies gefordert, da sie eine Isolierung des Finanzplatzes Deutschland befürchteten. Von acht Mrd. DM im Jahr 1997 wurde 1998 bereits 39,1 Mrd. DM verbrieft, ein Anteil von ca. 28 Prozent der europäischen ABS-Emission in diesem Jahr.263 ABS-Transaktionen werden in Folge der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen in Deutschland künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Die Banken können vor allem 257 258 259 260 261 262 263
Vgl. Baule, R. (2004), S. 94f. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) [Monatsbericht Juli, 1997], S. 58. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) [Monatsbericht Juli, 1997], S. 61. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) [Monatsbericht Juli, 1997], S. 59. Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 340. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) [Monatsbericht Juli, 1997], S. 62. Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 340.
224
Kapitel V
damit eine risikopolitische Feinsteuerung ihrer Kreditportfolios vornehmen. Diese Feinsteuerung lässt sich dabei sowohl in einer risikolimitierenden als auch in einer risikodiversifizierenden Hinsicht vornehmen. Beispielsweise können nämlich Kredite an Unternehmen einer Branche veräußert werden. Dies hätte die gleiche Wirkung wie eine Volumenslimitierung für Kredite an Unternehmen dieses Wirtschaftszweiges. Der Vorteil gegenüber einer reinen Volumenslimitierung liegt darin, dass sich das Kreditinstitut nicht in seinen Geschäftsmöglichkeiten einschränken muss.264 Hinzu kommt, dass eine gezieltere Auslagerung von Kreditrisiken vorgenommen werden kann. Eine Risikostreuung im Kreditportfolio lässt sich durch den Kauf von ABS erzielen. Dies ist besonders für regionale Banken oder Banken mit einem branchenspezifischen Geschäftsschwerpunkt interessant. Gegenüber dem Direktverkauf von Krediten haben die ABS zusätzlich den Vorteil, dass die Beziehung zwischen Kunde und Bank nicht beeinträchtigt wird. Trotzdem wird durch eine solche Transaktion Eigenkapital durch die Entlastung des Grundsatzes I freigegeben. Eine weitere unmittelbare Wirkung aus dem Verkauf von Forderungen besteht in der Reduzierung des Forderungsvolumens und damit in der absoluten Verringerung des Expected Loss. Eine Reduktion des Unexpected Loss kann allerdings nicht sichergestellt werden.265 Negativ wirken sich die hohen Kosten für die Emission einer ABS auf dieses Produkt aus, vor allem durch die Kosten durch die Vertragsgestaltung, die Verpflichtung einer Ratingagentur sowie die Strukturierung des zu veräußernden Forderungspools. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass bei der Verbriefung von Kreditforderungen eine Risikoreduktion erreicht wird. Allerdings ist dies fragwürdig und könnte, sofern das Kreditportfolio zu einer Risikodiversifikation des Gesamtbankbuches beigetragen hat, zu einer Erhöhung des Gesamtbankrisikos beitragen.266 4.3.2.2
Kreditderivate
Mit Beginn der neunziger Jahre hat sich im Bereich der Kreditderivate ein neues Marktsegment entwickelt. Derivative Instrumente, entwickelt in den siebziger Jahren, z.B. Swaps, Forwards oder Optionen dienen eigentlich der Absicherung von Marktpreisrisiken. Dieses gewinnt seit Beginn der neunziger Jahre zunehmend für die Steuerung von Kreditrisiken im Kreditrisikomanagement an Bedeutung. Kreditderivate sind Finanztitel, deren Wert von der Bonität eines Kreditnehmers bzw. Emittenten eines Underlyings abhängen. Überwiegend handelt es sich um OTC-Geschäfte, da diese bisher noch kaum an den Börsen notiert werden.267 Im Dezember 2005 ist durch den Zusammenschluss der wtb Warenterminbörse Hannover AG und der dekrebo Deutsche Kreditbörse München AG zur RMX Risk Management Exchange AG eine 264 265 266 267
Vgl. Schulte, M./ Horsch, A. (2004), S. 134. Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 364ff. Vgl. Oßenbrink, N. (2001), S. 374f. Vgl. Grundke, P. (2003), S. 25.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
225
öffentliche Börse nach dem Börsengesetz entstanden, die den Handel mit Bankkrediten seit Oktober 2005 anbietet.268 Durch diese Plattform sollen die Banken künftig einzelne Kredite an mittelständische Unternehmen verkaufen und kaufen können, um ihr Kreditportfolio optimieren zu können.269 Vor allem die Standardisierung, für die die Börse sorgt, wird den Handel mit Krediten erleichtern und vorantreiben. Im Kontext der Kreditderivate existiert bereits der DJ iTraxx-Kreditindex-Produktpalette, womit Kreditrisiken mittels Kreditderivaten gehandelt werden können.270 Die Produkte sind immer als credit default swaps bzw. credit linked notes verfügbar, wodurch einer Vielzahl von Marktteilnehmern die Möglichkeit geboten wird, diversifizierte Kreditrisiken zu handeln.271 Kreditderivate ermöglichen die Abspaltung des Bonitätsrisikos vom originären Geschäft und den Handel des darin enthaltenden Ausfallrisikos.272 Der große Vorteil bei dieser Methode besteht darin, dass der eigentliche Schuldner von diesem Geschäft nichts mitbekommt und dementsprechend auch nicht dem Geschäft zustimmen muss.273 Diese Geschäfte stellen außerbilanzielle Geschäfte dar, so dass externe Bilanzleser nicht erkennen können, ob das Risiko weiterhin in den Büchern besteht oder nicht. Kreditderivate weisen gegenüber den traditionellen Maßnahmen der Risikound Ertragssteuerung eine Reihe von Vorteilen auf. Vor allem bieten diese die Möglichkeit, Ausfallrisiken zu separieren und flexibel zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern zu transferieren, ohne das originäre Gläubiger-Schuldner-Verhältnis der zugrunde liegenden Forderung zu tangieren.274 Generell werden unter Derivaten Finanzkontrakte verstanden, die aus den Underlying abgeleitet sind. Ein besonderes Charakteristikum derivativer Instrumente besteht in der Möglichkeit, beliebige Zahlungsstrom- und Risikoprofile zu generieren. Damit ist es möglich, spezifische Risikoprofile des jeweiligen Underlying auszugleichen, wobei dazu eine Gegenposition generiert wird, deren Wertentwicklung vollständig negativ mit der des Grundgeschäftes korreliert ist. Dadurch gleichen sich die Wertveränderungen der beiden Positionen vollständig aus.275 Sie eignen sich folglich, um Ausfallrisiken aus bilanzwirksamen Geschäften außerbilanziell zu handeln und weisen gegenüber den traditionellen Steuerungselementen eine deutlich höhere Flexibilität
268 269 270
271 272 273 274 275
Vgl. Flesch, J. R. (2006), S. 21; Franke, D. (2005), S. 14. Vgl. Franke, D. (2005), S. 14. Vgl. Felsenheimer, J./ Gisdakis, P./ Zaiser, M. (2005), S. 61; Felsenheimer, J./ Gisdakis, P./ Zaiser, M. (2006), S. 526. Vgl. Felsenheimer, J./ Gisdakis, P./ Zaiser, M. (2005), S. 62. Vgl. Merz, A. (2001), S. 120. Vgl. Ufer, W. (1998), S. 286. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 10; Schierenbeck, H. (2001), S. 324. Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 970.
226
Kapitel V
aus. Dadurch kann die Bank sich einerseits gegen unerwünschte Risikopositionen absichern, andererseits jedoch auch außerbilanzielle Risikopositionen aufbauen.276 Heutzutage bieten Kreditderivate zusätzlich die Möglichkeit, Kreditrisiken von einer zugrunde liegenden Forderung zu separieren und auf eine dritte Partei zu übertragen. Wie bei den Kreditverkäufen bleibt auch hierbei die Beziehung zwischen dem Kunden und der Bank unberührt. Mit Hilfe dieser Steuerungsinstrumente ist es möglich, Kreditrisikokapital zu absorbieren, trotzdem aber bspw. die Handelsgeschäfte auszuweiten. Finanzinstitute, die ihre Kreditlimite noch nicht ausgeschöpft haben, können diese dagegen übernehmen, um ihr Kreditportfolio zu optimieren. Vor allem aus dieser sich bietenden Möglichkeit haben angelsächsische Investmentbanken die Entwicklung vorangetrieben. Viele rechtliche und institutionelle Hindernisse verhinderten eine zügige Entwicklung eines breiten Wettbewerbes auf diesem Markt. Vor allem für kleine und mittlere Banken ist besonders wegen der Komplexität dieser Produkte und des teilweise fehlenden Know how eine Absicherung von Ausfallrisiken kaum umsetzbar.277 „In den Verbänden der Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken ist mittlerweile zu beobachten, dass die Zentralinstitute […] hier eine Aufgabenstellung für einen verbundinternen Risikotransfer erkannt haben.“278 4.3.2.3
Systematisierung von Kreditderivaten
Aufgrund der relativen Neuartigkeit dieser Geschäfte weisen diese noch einen geringen Standardisierungsgrad auf. Trotzdem können diese grundsätzlich in drei Grundstrukturen untergliedert werden.279 Mittels credit default swaps, basket credit swaps oder credit linked notes wird das reine Ausfallrisiko von den Kreditnehmern oder Emittenten übertragen. Mittels der zweiten Gruppe, zu denen vor allem die credit spread options zählen, wird das gesamte Bonitätsänderungsrisiko transferiert. Zu der dritten Gruppe gehören die total return swaps. Damit ist es möglich, sowohl Kreditals auch Marktpreisrisiken zu übertragen.280 4.3.2.3.1
Credit default Produkte
4.3.2.3.1.1 Credit default swaps
Der credit default swap281 ist das wichtigste Kreditderivat und wird von den Banken am häufigsten verwendet. Dieses transferiert das Adressenausfallrisiko, jedoch kann 276 277 278 279 280 281
Vgl. Offermann, C. (2001), S. 11. Vgl. Flesch, J. R. (2006), S. 20. Flesch, J. R. (2006), S. 20. Vgl. Baule, R. (2004), S. 91. Vgl. Grundke, P. (2003), S. 25. Der Begriff des credit default swap wird in der Literatur uneinheitlich bezeichnet. Es wird auch der Begriff „credit default option“ „credit swap“ oder „default swap“ verwendet.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
227
es auch für die Sicherung gegen Spreadrisiken eingesetzt werden.282 Die Bank zahlt an einen Swap-Kontrahenten eine Prämie. Bei Eintritt eines bei Vertragsabschluss definierten credit event283 ist der Swap-Kontrahent zu einer Ausgleichszahlung gegenüber dem Risikoverkäufer, in diesem Fall der Bank, verpflichtet. Die Höhe der Ausgleichszahlung kann entweder bei Vertragsabschluss zwischen den Vertragsparteien festgelegt werden oder zum Eintrittzeitpunkt des credit events auf der Grundlage des Markt- bzw. Zeitwertes der zugrunde liegenden Forderung bestimmt werden. Credit default swaps ähneln in der finanziellen Wirkungsweise einer Kreditversicherung, sind streng genommen aber Optionen.284
Sicherungsnehmer
Prämie
Sicherungsgeber
Ausgleichszahlung im Falle eines Kreditereignisses Kreditbeziehung Referenzschuldner
Abb. 9: Struktur eines credit default swaps Quelle: In Anlehnung an Deutsche Bundesbank (Monatsbericht April, 2005), S. 30.
4.3.2.3.1.2 Credit default notes
Durch credit default notes, eine Abwandlung der CDS, sichert sich der SwapKontrahent das übernommene Risiko durch die Emission einer Anleihe mit variabler Verzinsung ab. Bei Eintritt des credit events leistet der Swap-Kontrahent bzw. der Anleiheemittent die Ausgleichszahlung an die Bank. Zugleich reduziert sich die Tilgung der Anleihe in Höhe der geleisteten Ausgleichszahlung. Das Kreditrisiko wird bei einer credit default notes folglich an die Zeichner der Anleihe weitergereicht. Für diese Risikoübernahme erhalten sie eine angemessene Verzinsung, die sich aus einem Basiszinssatz, zumeist EURIBOR285, und einer festen Risikomarge (spread) zusam-
282 283
284 285
Vgl. Deutsche Bundesbank (Monatsbericht April, 2004), S. 28. Unter dem Begriff credit event wird ein kreditrelevantes Ereignis verstanden. Hiezu können Bonitätsverschlechterungen des Schuldners, Insolvenz oder Zahlungsverzug zählen. Vgl. Baule, R. (2004), S. 92; Offermann, C. (2001), S. 20ff. Der European Interbank Offered Rate ist der Zinssatz für Termingelder in EUR, der zwischen Banken gehandelt wird. Er dient als Referenzzinssatz bei Krediten und Anlageprodukten.
228
Kapitel V
mensetzt. Credit default notes ermöglichen somit eine breite Streuung des ursprünglichen Kreditrisikos. 4.3.2.3.1.3 Basket credit swaps
Die dritte Variante stellen die basket credit swaps286 dar. Vertragsgegenstand bei diesem Produkt ist das bonitätsinduzierte Ausfallrisiko einer Vielzahl von Schuldnern, die quasi in einem „Korb“ zusammengefasst sind. Es lassen sich zwei Vertragsausgestaltungen unterscheiden. Der Swap-Kontrahent kann entweder zur einmaligen Ausgleichszahlung beim erstmaligen Eintritt des credit events im Portfolio oder zu entsprechenden mehrfachen Ausgleichszahlungen verpflichtet sein.287 4.3.2.3.2
Credit spread Produkte
Für eine Absicherung der Kreditrisiken aus Anleihen werden in der Praxis überwiegend credit spread Produkte verwendet.288 Hierbei hängt der Wert „vom Ausmaß der Veränderung der Höherverzinsung einer gehandelten Anleihe gegenüber einer identisch ausgestatteten adressenrisikolosen Anleihe ab.“289 Dabei schlägt sich jede Spreadveränderung, die meistens durch eine Bonitätsveränderung begeleitet wird, indirekt im Preis des Derivates positiv oder negativ sowie in der Höhe der Zahlung im Fall der Ausübung bzw. Fälligkeit nieder. Zu dieser Klasse gehören vor allem die credit spread forwards und credit spreads options. 4.3.2.3.2.1 Credit spread forwards
Credit spread forwards sind unbedingte Terminkontrakte, bei denen sich zwei Vertragsparteien zu einer Ausgleichszahlung infolge einer Bonitätsveränderung eines bestimmten Schuldners verpflichten und die Zahlung bei Fälligkeit erfolgt. Die Höhe der Zahlung richtet sich nach dem Unterschied zwischen dem Spread290 und einer vorab vereinbarten Marge (Basispreis). Bei Verschlechterung der Bonität erhält der Käufer, bspw. eine Bank, vom Verkäufer bei Fälligkeit des Kontraktes die Veränderung des spreads vergütet, da sich eine Bonitätsverschlechterung in der Erhöhung des credit spreads niederschlägt. Umgekehrt muss die Bank einen Differenzausgleich ge-
286 287 288 289 290
Dieser Begriff wird in der Literatur teilweise auch als „basket credit option“ bezeichnet. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 25f. Vgl. Sommerfeld, H. (2001), S. 305. Sommerfeld, H. (2001), S. 305. Hierunter wird die Spanne zwischen dem durch den Schuldner am Markt zu zahlenden Zinssatz und dem risikolosen Marktzinssatz verstanden. Der entsprechende Differenzbetrag stellt die Risikoprämie dar, die der Schuldner am Markt entrichten muss.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
229
genüber dem Verkäufer leisten, sofern sich der schuldnerspezifische Spread am Markt aufgrund einer Verbesserung der Bonität verringert hat.291 4.3.2.3.2.2 Credit spread options
Im Unterschied zu den credit spread forwards besitzen die credit spread options ein asymmetrisches Gewinn- und Verlustprofil. Der Käufer hat das Recht, die Option auszuüben, d.h. einen Differenzausgleich zwischen dem schuldnerspezifischen Marktspread und dem vereinbarten Basispreis zu verlangen. Eine Ausübung des Inhabers wird folglich nur bei einem finanziellen Vorteil stattfinden. Der Stillhalter ist dabei zum Differenzausgleich verpflichtet. Für dieses käuferspezifische Wahlrecht zahlt der Optionsinhaber an den Stillhalter eine Prämie. Diese stellt den maximal erzielbaren Gewinn des Stillhalters dar. Zu unterscheiden gilt es zwischen credit spread call option (Kaufoption) und credit spread put options (Verkaufsoptionen). Der Inhaber einer credit spread call option möchte an einer Bonitätsverbesserung des entsprechenden Schuldners partizipieren und wird die Option deshalb bei einer Verringerung des spreads am Markt ausüben. Dabei wird der Optionsinhaber sein Wahlrecht auf Ausübung der Option verfallen lassen. Diese Variante stellt für das hier vornehmlich betrachtete Kreditrisikomanagement von Kreditinstituten den Regelfall dar. Bei einer credit spread put option findet eine Ausübung durch den Inhaber nur bei einer Ausweitung des spreads statt. Sein Verlust beschränkt sich dabei auf die gezahlte Optionsprämie. Sowohl bei der Kauf- als auch bei der Verkaufoption realisiert der Optionsstillhalter bei einem Verfall durch den Inhaber, aber auch im Fall der Ausübung, wenn die Höhe der zu entrichtenden Ausgleichzahlung die der eingenommenen Prämie nicht übersteigt, einen Gewinn.292 Diese credit spread Instrumente können nur in der Praxis für Schuldner angewandt werden, die intensiv am Kapitalmarkt beteiligt sind und dadurch ein Marktspread adäquat festgestellt werden kann. Ein konzeptionelles Problem besteht darin, dass Veränderungen bei den credit spreads nicht nur auf geschätzte Bonitätsabweichungen zurückzuführen sind. Diese Schwankungen können auch durch Zinsstrukturveränderungen, die sich aufgrund von Veränderungen des Zinsniveaus zuerst bei den als Referenzwerten dienenden Staatsanleihen und mit einer zeitlichen Verzögerung bei den nicht staatlichen Anleihen auswirken, hervorgerufen werden.293 4.3.2.3.3
Credit linked notes
Credit linked notes stellen vom Sicherungsnehmer emittierte Schuldverschreibungen dar, deren Rückzahlungsbetrag vom Eintritt des Kreditereignisses abhängt. Am Ende
291 292 293
Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 974; Offermann, C. (2001), S. 35f. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 27ff. Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 974f.
230
Kapitel V
der Laufzeit wird der volle Nennwert zurückgezahlt, wenn das vereinbarte Kreditereignis während der Laufzeit ausgeblieben ist. Bei Eintritt wird jedoch der Rückzahlungsbetrag um die vereinbarte Ausgleichszahlung gekürzt. Der Sicherungsgeber übernimmt neben dem Kreditrisiko für den Kredit auch das Kreditrisiko des Emittenten. Credit linked notes eliminieren das Kontrahentenrisiko durch die Vereinnahmung des Emissionserlöses.294 4.3.2.3.4
Total return swaps
4.3.2.3.4.1 Konzeption von total return swaps
Der Gegenstand der total return swaps ist das gesamte wirtschaftliche Risiko einer Kreditbeziehung.295 Mit diesem werden die Gesamterträge aus unterschiedlichen Vermögensgegenständen einschließlich der diesen Zahlungsströmen anhaftenden Risiken getauscht. Kredite oder auch ganze Kreditportfolios, aber auch Anleihen können dabei der Basiswert (Underlying) sein. Zwischen dem Sicherungsgeber und nehmer werden periodische Ausgleichszahlungen vereinbart, um Wertveränderungen bei dem jeweiligen Referenz-Vermögensgegenstand auszugleichen. Dazu übernimmt der Sicherungsgeber neben dem Kreditrisiko zusätzlich das Marktpreisrisiko. Bei illiquiden Aktiva werden die Preise bspw. durch Händlerbefragungen ermittelt. Die zu leistende Prämienzahlung basiert meistens auf einem variablen Zinssatz, wie dem EURIBOR. Dabei wird allerdings noch ein Zuschlag bzw. Abschlag vereinbart. Dieser hängt von der Bonität des Kredites sowie der Kreditwürdigkeit der beiden Kontrahenten ab.296 Total return swaps ermöglichen somit prinzipiell eine effiziente Portfoliodiversifikation ohne dabei die getauschte Vermögensposition liquidieren zu müssen.297 4.3.2.3.4.2 Gestaltungsvarianten von total return swaps
Der total return swaps lässt sich in einen one way total return swaps und einen two way total return swaps differenzieren. Bei einem one way total return swap findet der Tausch mit nur einem Swapkontrahenten statt. Eine Bank, die sich bspw. gegen das Bonitätsrisiko eines bestimmten Schuldners absichern möchte, könnte z.B. den so genannten total return, den zurückfließenden Gesamtertrag, aus diesem Kredit an den Swapkontrahenten weiterreichen und dafür eine geldmarktorientierte Verzinsung vereinnahmen. Diese Verzinsung setzt sich üblicherweise aus einem Geldmarktreferenz-
294
295 296
297
Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 287f.; Deutsche Bundesbank (Monatsbericht April, 2004), S. 30f. Vgl. Deutsche Bundesbank (Monatsbericht April, 2004), S. 28. Vgl. Büschgen, H. E./ Börner, C. J. (2003), S. 287; Deutsche Bundesbank (Monatsbericht April, 2004), S. 30. Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 976.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
231
zinssatz wie dem EURIBOR und einer festen Marge, in der die Prämie für die Übernahme des Kreditrisikos durch den Swapkontrahenten bereits berücksichtigt ist, zusammen. Auf dieser Variante des total return swap aufbauend wird bei einem two way total return swap die geldmarktorientierte Verzinsung durch die Bank an einen weiteren Swapkontrahenten im Austausch gegen einen total return aus einer Anleihe, einem Kredit oder einem entsprechenden Portfolio dieses Swapkontrahenten weitergereicht. Während die Bank gegenüber dem einen Swapkontrahenten als Risikoverkäuferin auftritt, fungiert sie gegenüber dem anderen Swapkontrahenten als Risikokäuferin. Die Bank tauscht gewissermaßen den verkauften risikobehafteten total return aus ihrem eigenen Portfolio gegen den gekauften total return eines anderen Portfolios ein. Dabei wird eine synthetische Risikoposition erzeugt. Diese Produktart ermöglicht eine effiziente Portfoliodiversifikation ohne Liquidation der getauschten Vermögenspositionen.298 4.3.2.4
Einsatzgebiet von Kreditderivaten
Kreditderivate werden im Rahmen von Spekulationen, Arbitragegeschäften und vor allem zum Hedging verwendet. Der Fokus der Absicherung von Ausfallrisiken bezieht sich dabei sowohl auf einzelne Forderungspositionen als auch auf Portfolioebene auf die Risikostreuung.299 Bezogen auf den Schwerpunkt der Arbeit wird deshalb nur auf letzteres Einsatzgebiet eingegangen.300 Dieses stellt das zentrale und wichtigste Einsatzgebiet dar. „Ein Hauptmotiv für das Eingehen einer Sicherungsnehmerposition ist die Absicherung eigener Kreditrisiken im Anlagebuch.“301 Zum Hedging von Adressenausfallrisiken wird neben der Risikoreduktion auch die Möglichkeit der Gestaltung des Risk-/Return-Verhältnisses verstanden. Basierend auf den Kreditportfoliomodellen können mit diesen gezielt die Kreditrisiken abgegeben werden bzw. in das Portfolio aufgenommen werden. Durch diese Möglichkeiten können auch Einzelengagementlimite entlastet werden. „Bestehende Kundenverbindungen können im Hinblick auf das Kreditvolumen ausgenutzt werden, während der Risikogehalt aus einer Kreditvergabe durch Kreditderivate – Transaktionen an einen Kontraktpartner weitergegeben wird.“ 302 Dabei wird das Verhältnis zum Kunden nicht berührt.303 Durch die Kreditderivate ist es möglich, eine risikobehaftete Position durch den Aufbau einer negativ korrelierten Gegenposition abzusichern. Dadurch werden die Ver-
298 299 300 301 302 303
Vgl. Büschgen, H. E. (1998), S. 976; Offermann, C. (2001), S. 40ff. Vgl. Offermann, C. (2001), S. 49. Zu Arbitrage und Spekulation vgl. Sommerfeld, H. (2001), S. 314f. Deutsche Bundesbank (Monatsbericht April, 2004), S. 29. Sommerfeld, H. (2001), S. 315. Vgl. Sommerfeld, H. (2001), S. 315.
232
Kapitel V
luste der Ausgangsposition durch die Gewinne der eingegangenen Gegenposition ausgeglichen. Kreditderivate eignen sich vor allem zum gezielten Einsatz im Kreditrisikomanagement des Gesamtforderungsbestandes. Aufgrund der regionalen Begrenzung vieler Kreditinstitute, verfügen diese nicht über die Möglichkeit, ein diversifiziertes Portfolio im originären Kreditgeschäft zu generieren. Sie sind stattdessen geografischen, Branchen- oder auch anderen strukturellen Konzentrationen ausgesetzt. Somit stößt eine Diversifikation allein über Neugeschäft schnell an seine Grenzen.304 Zudem können mittels Kreditderivaten die Ausschöpfung der Kreditlinien präzise gesteuert werden, besonders in Bezug auf die Höhe der Kreditposition und deren zeitliche Befristung.305 Sie dienen damit der Vermeidung von Klumpenrisiken, die im Bereich des Adressrisikos eine entscheidende Rolle spielen. 4.4
Schlussbetrachtung
Die genannten Möglichkeiten dienen der Verbesserung der Kreditportfolioqualität. Mit ihrer Hilfe werden die Kreditrisiken reduziert. Mittels der im dritten Kapitel beschriebenen Kreditportfoliomodelle wird versucht, den Vorteil der Risikostreuung mathematisch zu erfassen. Die Möglichkeiten der Diversifizierung der Kreditportfolios sind besonders für regional ansässige Banken wie die meisten Genossenschaftsbanken und Sparkassen u.a. durch die regionalen Gegebenheiten beschränkt. Hinzu kommt üblicherweise eine Übergewichtung einzelner Branchen. Am Beispiel der Berliner Volksbank eG wird nun im folgenden Kapitel das Kreditrisikomanagement in der Praxis verdeutlicht sowie Probleme und Lösungsvorschläge erörtert.
5
Ausblick
Das Kreditgeschäft der Banken unterliegt wie eingangs dargestellt einem tief greifenden Strukturwandel, der sich durch eine Tendenz zur Securitization und Desintermediation, einer Verschärfung der Wettbewerbssituation für Banken sowie einer Abschwächung der nationalen wie internationalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen charakterisieren lässt. Dieser Strukturwandel erfordert eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Management von Kreditrisiken, eine effizientere Kreditportfolioanalyse sowie ein verfeinertes Instrumentarium zur Kreditrisikosteuerung. In Bezug auf den letztgenannten Problemkreis zeigen die vorgestellten Instrumente Lösungsansätze basierend auf einem isolierten Handel von Kreditrisiken auf. Um sich im voranschreitenden Prozess der Desintermediation behaupten zu können, wird die Fähigkeit einer effizienten Informationsverarbeitung und –bewirtschaftung sowie die Fähigkeit zur Transformation von Kreditrisiken zukünftig eine entscheidende strategische Kernkompetenz von Kreditinstituten darstellen. Um diesen künftigen Herausforde304 305
Vgl. Offermann, C. (2001), S. 51f. Vgl. Deutsche Bundesbank (Monatsbericht April, 2004), S. 29.
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
233
rungen gewachsen zu sein, ist die Entwicklung von Kreditrisikosteuerungskonzepten erforderlich, die die Bewertung und Steuerung von Kreditrisiken integrieren. Die verbesserten Methoden der Kreditrisikomessung und -steuerung und die aktuellen Entwicklungen im Kreditmarkt betreffen nur einen Ausschnitt der Herausforderungen, denen Banken sich zukünftig stellen müssen. So kommen zunehmend analytische und statistische Methoden zur Anwendung. Durch den zunehmenden Wettbewerb werden zukünftig nur die Institute Ausfallrisiken verstärkt übernehmen, die diese am effizientesten steuern können. Banken werden daher verstärkt zu einer aktiven Portfoliosteuerung übergehen. Der Risikobeitrag zum Portfolio wird vermehrt in der Kreditentscheidung berücksichtigt werden und Grundlage der Preiskalkulation sein. Zudem werden verstärkt Methoden entwickelt, die makroökonomische Faktoren berücksichtigen und die Bank im Hinblick auf bestimmte erwartete konjunkturelle Szenarien positionieren. Zu diesen Entwicklungen kommt die Möglichkeit des Handels von Kreditrisiken hinzu, da für diese Märkte ein starkes Wachstum zu erwarten ist. Durch diese Entwicklungen am Kreditmarkt werden sich Banken stark von ihrer klassischen Rolle als Kreditrisikonehmer hin zu einer Vertriebsorganisation für Finanzprodukte sowie zu Risikohändlern im Kreditmarkt wandeln. Da Risiken losgelöst vom Grundgeschäft gehandelt werden können, wird dies dramatische Auswirkungen auf die Art und Weise der Kreditrisikosteuerung haben.
306
In Anlehnung an Bröker, F. (2000), S. 284. ja
nein (aber: integrierbar)
fester Zeithorizont
vor allem Kreditpositionen Anleihen und Kredite börsennotierter Firmen im Bankbuch
fester Zeithorizont / bis kreditspezif. Fälligkeit
vor allem liquide Portfolios
ja
ja
vor allem illiquide Portfolios
Analytischer Ansatz schnell
Analytischer Ansatz sehr schnell
TM
relativ hoch
TM
CreditPortfolioView
Rating / Scoring, Branche, Region, BIP
konjunktursensible Kreditportfolios
fester Zeithorizont
Integration liquider und illiquider Portfolios
bei Bonds: Credit Spread
ja
langsam
sehr langsam
Monte-Carlo Simulation Monte-Carlo Simulation
relativ hoch
CreditManager
Rating
Anleihen mit einem externen Rating
fester Zeithorizont
liquide Portfolios, sonst kein Kurswert existent
ja (Credit Spread)
ja
Makroökonomie
Marktwertänderung
CreditPortfolioViewTM
mittel bis hoch diverse Banken
relativ gering mehrere Banken
Umsetzungserfahrung
mehrere Banken
mittel
einige Banken
relativ hoch
Modellierung & Paraeinfache / schnelle Aus- Modellierung und ParametFlexibilität vor allem metrisierung sehr flexiwertung & Adaption risierung flexibel durch Eingangparameter bel
relativ hoch
KMV Portf. ManagerTM
relativ gering
kostenloses Excel-Tool
Umsetzungsaufwand
Flexibilität
Umsetzung
Rechengeschwindigkeit
Rechenmethodik
Datenanforderungen
Software
Implementierung
Marktwertänderung
CreditMetricsTM
Unternehmensvermögen Unternehmensvermögen
Marktwertänderung
Verlust aus Kreditausfall keine Kausalität
CreditPortfolioManagerTM
CreditRisk+TM
Zuordnung der Ausfallraten Internes Scoring / Rating Schuldnerindividuelle optionsth. Betrachtung
Ausrichtung der Datenanforderung auf
Zeithorizont der Risikoprognose
Liquidität der Portfoliopositionen
Portfoliostrukturen
Bonitätsveränderungen
Kreditausfälle
Kausaler Risikofaktor
Risikodefinition
Risikoverständniss
234 Kapitel V
Anhang:
Kreditportfoliomodelle im Überblick306
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressausfallrisiken
235
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