Doreen Schwarz Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung
GABLER RESEARCH
Doreen Schwarz
Strategische ...
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Doreen Schwarz Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung
GABLER RESEARCH
Doreen Schwarz
Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung Simulationen anhand der Cottbuser Formel Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christiane Hipp
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Brandenburgische Technische Universität Cottbus, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Anita Wilke Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2095-9
Für Nele Aurelia
Geleitwort Ausgangspunkt der vorliegenden Dissertation von Doreen Schwarz ist der demografische Wandel. Bereits seit einigen Jahren werden die Konsequenzen immer wieder diskutiert und notwendige Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen für Politik und Wirtschaft angemahnt. Gerade der Rückgang sowie die Alterung des Erwerbspersonenpotenzials lassen bei vielen Firmen die Alarmglocken klingeln. Doch ob und in welcher Form sich Nachwuchsprobleme und Überalterung tatsächlich für die eigene Firma als problematisch erweisen werden, ist aufgrund mangelnder Analysemethoden nicht immer klar erkennbar. Während in der aktuellen Literatur hauptsächlich Beispiele zur Personalentwicklung (z.B. life long learning) sowie zum Wissenstransfer, zur Personalbindung und zum Gesundheitsmanagement vorgeschlagen werden, fehlen konkrete Analysemethoden für eine dem Wandel angepasste und vor allem vorausschauende Personalplanung. Um Unternehmen eine verbesserte, langfristige Personalplanung zu ermöglichen, hat Frau Schwarz im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit bei mir am Lehrstuhl einen neuen Ansatz entwickelt. Sie hat es geschafft, neben einer dynamischen Personal- und Altersstrukturprognose das Erfahrungswissen und die Qualifikation mit in die Analyse aufzunehmen und zu operationalisieren. Ganz besonders interessant ist dabei die Berücksichtigung des Erfahrungswissens. Gerade bei unternehmensspezifischem Erfahrungswissen ist die Frage des Transfers und damit die rechtzeitige Rekrutierung neuer Mitarbeiter von großer Bedeutung, da nur im Zeitverlauf dieses Wissen aufgebaut werden kann. Hier sind zudem unterstützende Maßnahmen wie Mentoring oder eine umfassende Einarbeitungsphase notwendig. Die Arbeit von Frau Schwarz ist als sehr innovativ und zukunftsweisend einzuschätzen. Besonders gelungen ist die breite und fundierte theoretische Herleitung und Zusammenführung verschiedener Ansätze zu einem Simulationsmodell. Die Einbettung der von Frau Schwarz entwickelten „Cottbuser Formel“ zeigt anhand des Planungshorizontes deutlich die Zukunftsorientierung des Ansatzes. Somit können nicht nur ex post die Veränderungen bewertet, sondern die Effekte zukünftiger Veränderungen („Was-passiert-wenn“-Betrachtungen) antizipiert werden. Das ist von großem Wert für Entscheidungsträger und unterstützt die Qualität der unternehmerischen Entscheidungsfindung. Die Bewertung und Überprüfung des Modells wird anhand eines Beispielunternehmens vorgenommen. Hierbei wird deutlich, was Unternehmen konkret aus der Analyse für die eigene Personalplanung lernen können.
VII
Die vorliegende Arbeit wurde von der Fakultät Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus als Dissertation angenommen. Die Arbeit gibt wichtige Impulse für die Diskussion zum angepassten Umgang mit dem demografischen Wandel auf Unternehmensebene und unterstreicht in besonderem Maße die interdisziplinäre, theoretisch fundierte und zugleich innovative Ausrichtung der Forschungsaktivitäten an meinem Lehrstuhl. In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern viel Spaß sowie eine positive Aufnahme in Wissenschaft und Wirtschaft. Prof. Dr. Christiane Hipp
VIII
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) am Lehrstuhl ABWL und Besondere der Organisation, des Personalmanagement sowie der Unternehmensführung. Das Thema der Dissertation ergab sich aus einem an mich herangetragenen Projekt, für die Verwaltung der BTU eine Personalbestandsplanung unter Berücksichtigung der alternden Belegschaft durchzuführen. Parallel zum Auftakt dieses Projektes bot sich mir die Möglichkeit, an der Universität in Bergen/ Norwegen an System-Dynamics-Kursen teilzunehmen. Schließlich führte mein steigendes Interesse an beiden Themen dazu, sie zu kombinieren und zu einem Promotionsthema auszubauen. Mit dem Voranschreiten der Arbeit wurde das Thema der demografischen Entwicklung, und insbesondere das der alternden Belegschaft, immer populärer. Hauptsächlich waren in der Literatur jedoch nur Bestandsaufnahmen dieser Problematik sowie allgemeingültige Ratschläge zu finden, nicht jedoch konkrete Vorschläge zur wirklich strategischen quantitativen und qualitativen Personalplanung. Ebenso wenig wurden auf praxisnahen Konferenzen greifbare Lösungen für die Personalverantwortlichen angeboten. Das Ziel meiner Arbeit war es deshalb, ein Personalplanungstool zu erarbeiten, mit dem Personalplaner den Personalbestand der Zukunft simulieren können, welcher durch die firmenspezifischen Personalmaßnahmen zu erwarten ist. Mit diesem Tool soll es für mittelständische und große Unternehmen möglich sein, vorausschauend zu agieren und einen strategischen Wettbewerbsvorteil im Kampf um qualifiziertes Personal und Nachwuchskräfte zu generieren. Die unternehmerische Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer bestimmten Personalausstattung führte mich darüber hinaus zum Humankapitalmanagement. Der Fokus lag dabei auf der bisher in der Literatur noch nicht betrachteten expliziten Bewertung des Fach- und vor allem des Erfahrungswissens der Mitarbeiter. Gerade Letzteres ist enorm wichtig, fand jedoch bei „Verjüngungskuren“ von Unternehmen bzw. bei Ausgliederungsmodellen von älteren Beschäftigten keine nennenswerte Berücksichtigung. Anhand des Humankapitalwertes nach der eigens erstellten Cottbuser Formel können nunmehr solche und andere personalpolitische Maßnahmen von internen als auch externen Stakeholdern bewertet werden. Auch wenn eine Dissertationsschrift in eigener Regie durchgeführt wird, haben doch sehr viele Personen einen wesentlichen Anteil am Erfolg dieser Arbeit. Dazu gehört in erster Linie meine Doktormutter Frau Prof. Dr. Christiane Hipp. Sie gestand mir große Freiräume hinsichtlich meiner thematischen Ausrichtung zu, stand trotz ihrer vielfälIX
tigen Verpflichtungen und ihres engen Zeitplans jederzeit geduldig für Diskussionen zur Verfügung und hielt mir in der „heißen Phase“ den Rücken für konzentriertes Arbeiten und Schreiben frei. Für das vertrauensvolle und harmonische Arbeitsklima gilt ihr mein herzlichster Dank. Ebenso möchte ich Frau Prof. Dr.-Ing. Irene Krebs danken, die den Vorsitz meiner Promotionskommission übernahm und für eine zügige Anberaumung der mündlichen Aussprache sorgte. Darüber hinaus danke ich den direkten Arbeitskollegen und -kolleginnen, vor allem dem gesamten Team des Lehrstuhls ABWL und Besondere der Organisation, des Personalmanagement sowie der Unternehmensführung. Ich werde mich sehr gerne an die vielen unterhaltsamen Gegebenheiten erinnern, die uns über den Arbeitsalltag hinaus verbinden. Mit einigen Arbeitskollegen und -kolleginnen entwickelte sich eine sehr enge Freundschaft. Ich bin dankbar dafür, dass ich gemeinsam mit Claudia Lubk, Axel Lubk, Matthias J. Kaiser und Prof. Dr. Birgit Verworn den größten Abschnitt meines Promotionsweges gehen konnte. Sie alle waren nicht nur in den betrüblichen Momenten eine große und zuverlässige Hilfe; sie standen jederzeit bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite, waren Motivatoren, Diskussionspartner, Vertraute und Begleiter sehr unterhaltsamer freizeitlicher Ablenkungsmanöver. Danken möchte ich auch meinen Ansprechpartnern des an dieser Arbeit beteiligten Projektunternehmens. Ohne das Interesse des damaligen Geschäftsbereichsleiters für Personal und Organisation wäre es mir nicht möglich gewesen, mit konkreten Zahlen die Praxistauglichkeit des Ansatzes zu belegen. Der umfangreiche Datenschatz wurde von den Verantwortlichen für Personalcontrolling sowie Personalentwicklung zusätzlich zu ihrer normalen Arbeit für meine Zwecke zusammengestellt und aufbereitet und mir großzügig zur Verfügung gestellt. Dafür und für die stete Gesprächsbereitschaft gilt allen drei Personen mein außerordentlicher Dank. Zu guter Letzt hat mein privates Umfeld einen maßgeblichen Anteil an der Vollendung dieses Werkes. Das endlose Verständnis von Freunden und der Familie für die wenige Zeit, die seltenen Telefonate und die noch selteneren Treffen ist ihnen hoch anzurechnen. Das Wissen um ihren Rückhalt half, sich trotz arbeitsintensiver Wochenenden nicht einsam zu fühlen. Ich danke meiner Familie, die jederzeit hinter mir stand und mich aus voller Kraft in jeglicher Hinsicht unterstützte. Insbesondere meiner Mutter möchte ich herzlichst danken, die mich aus fachlicher Perspektive in meiner Idee bestärkte, sehr gute Tipps gab, mich bei jedem Motivationstief mit ermutigenden Worten unterstützte und sich als Lektorin akribisch durch mein Manuskript las. Meinen Eltern, Dr.-Ing. Ines Schwarz und Wolfgang Schwarz, verdanke ich meine Erziehung, meine Ausbildung und zu einem maßgeblichen Teil meinen bisherigen Lebensweg. Ich bin ihnen für all das unendlich dankbar. X
Schließlich möchte ich meinem Freund und Partner, Dr. Lars Weber, seinerzeit ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter, von Herzen danken. Er hat jedes Hoch und jedes Tief hautnah miterlebt und war in einer Person Leidensgenosse, Motivator, fachlicher Kritiker und meine liebste Ablenkung in der wenigen Freizeit. Es war ein sehr großes Glück, diese Zeit mit ihm gemeinsam zu erleben und durchzustehen. Allein wäre das Projekt Promotion wohl kaum zu diesem erfolgreichen Abschluss gekommen. Ich danke ihm für seine Liebe, sein Verständnis und seine enorme Unterstützung. Ich bin stolz auf das, was wir gemeinsam geschafft und erlebt haben. Unsere Tochter ist das wunderbare Ergebnis dieses Zusammenhaltes und das i-Tüpfelchen unseres Jahres 2009. Sie ist Symbol für den Abschluss der überaus erfolgreichen Zeit in Cottbus und gleichzeitig Symbol für den Beginn einer neuen Ära. Ihr sei dieses Buch gewidmet. Doreen Schwarz
XI
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis..............................................................................................XVII 1 1.1 1.2 1.3 2
Einleitung .................................................................................................... 1 Aktualität des Themas................................................................................. 1 Problemstellung und Forschungsschwerpunkte.......................................... 3 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen......................................... 5
Personalmanagement als Unternehmensfunktion....................................... 9 2.1 Historischer Abriss...................................................................................... 9 2.1.1 Personalarbeit in der Praxis ........................................................................ 9 2.1.2 Personalarbeit in der Forschung................................................................ 11 2.1.3 Theoretische Grundlagen des Personalmanagements............................... 15 2.2 Strukturierung des Personalmanagements ................................................ 17 2.2.1 Ebenen und Dynamik innerhalb des Personalmanagements .................... 17 2.2.2 Strategische Personalplanung als Teil des strategischen HRMs .............. 22 2.2.2.1 Strategische Personalbedarfsplanung................................................... 25 2.2.2.2 Strategische Personalbestandsplanung................................................. 27 2.2.2.3 Strategische Personalveränderungsplanung......................................... 31 2.3 Umgang mit Entwicklungstreibern des Personalmanagements................ 34 2.3.1 Allgemeine Entwicklungstreiber .............................................................. 34 2.3.1.1 Wirtschaftliche Treiber ........................................................................ 35 2.3.1.2 Politische Treiber ................................................................................. 37 2.3.1.3 Gesellschaftliche Treiber ..................................................................... 40 2.3.1.4 Wissenschaftliche Treiber.................................................................... 41 2.3.2 Demografischer Trend mit Blick auf das Erwerbspersonenpotenzial ...... 42 2.3.3 Demografiebedingte Handlungsfelder strategischer Personalplanung ..... 49 2.4 Kapitelfazit................................................................................................ 53
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2
Humanressourcen und -kapital als Forschungsfeld .................................. 57 Der ressourcenbasierte Ansatz.................................................................. 57 Der Resource-Based View in Bezug auf Humanressourcen .................... 57 Ressourceneigenschaften in Bezug auf Humanressourcen....................... 62 Bewertung des Resource-Based View ...................................................... 66 Humankapitalmanagement ....................................................................... 69 Status quo der Forschung.......................................................................... 69 Betriebswirtschaftliche Ansätze der Humankapitalwertberechnung........ 73 XIII
3.2.2.1 Marktwertorientierte Ansätze .............................................................. 80 3.2.2.2 Rechnungswesenorientierte Ansätze ................................................... 81 3.2.2.3 Indikatorenbasierte Ansätze................................................................. 84 3.2.2.4 Wertschöpfungsorientierte Verfahren.................................................. 88 3.2.2.5 Ertragsorientierte Verfahren ................................................................ 90 3.2.2.6 Ansatz der Saarbrücker Formel ........................................................... 92 3.2.3 Resümee zum Stand der Humankapitalwertberechnung .......................... 98 3.3 Neuer Weg der Humankapital-Bewertung – die Cottbuser Formel ....... 100 3.3.1 Neu-Interpretation der Entgeltkomponente ............................................ 101 3.3.1.1 Marktlohn im Sinne des Arbeitsmarktmodells .................................. 101 3.3.1.2 Marktlohn als Durchschnittswert....................................................... 104 3.3.1.3 Ergebnis der Diskussion .................................................................... 105 3.3.2 Ausschluss des Motivationsindexes........................................................ 106 3.3.3 Realisierung einer dynamischen Berechnung......................................... 108 3.3.4 Explizite Subsumtion der Wissensarten ................................................. 112 3.3.4.1 Erfassung des Fachwissens ................................................................ 113 3.3.4.2 Erfassung des Erfahrungswissens ...................................................... 118 3.3.4.3 Synthese zu einer Formel................................................................... 124 3.3.5 Sicherstellung der dimensionalen Konsistenz ........................................ 126 3.4 Kapitelfazit.............................................................................................. 127 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.5 4.6 5
Deskriptive Auswertung der Unternehmensdaten .................................. 133 Informationen über das Projektunternehmen.......................................... 133 Personalbestand....................................................................................... 139 Mitarbeiterstamm in den Funktionsbereichen ........................................ 139 Auszubildende......................................................................................... 141 Personalbewegungen............................................................................... 142 Ausstiege in den Funktionsbereichen ..................................................... 142 Einstellungen in den Funktionsbereichen ............................................... 145 Einstellungen von Auszubildenden und Absolventenübernahmen ........ 147 Entlohnung in den Funktionsbereichen .................................................. 149 Personalentwicklungskosten ................................................................... 151 Kapitelfazit.............................................................................................. 151
Systemdynamische Modellierung des Personalplanungssystems .......... 153 5.1 Der systemdynamische Ansatz im Überblick......................................... 153 5.1.1 Historische Entwicklung und Einordnung des Ansatzes ........................ 153 5.1.2 Wesentliche Bausteine systemdynamischer Modelle ............................. 157 5.1.2.1 Rückkopplungen ................................................................................ 157
XIV
5.1.2.2 Bestands- und Flussgrößen ................................................................ 159 5.1.2.3 Verzögerungen ................................................................................... 162 5.1.3 Altersketten und Coflows ....................................................................... 163 5.1.4 Bewertung des systemdynamischen Ansatzes........................................ 168 5.2 Arbeitsspezifisches systemdynamisches Personalplanungsmodell ........ 171 5.2.1 Teil A: Alterskette für die quantitative Personalplanung ....................... 172 5.2.2 Teil B: Humankapital-Coflow ................................................................ 175 5.2.3 Modellgrenzen und Rahmenparameter ................................................... 182 5.2.4 Überprüfung des Modells und des Modellverhaltens ............................. 184 5.2.4.1 Verhaltenstest I .................................................................................. 185 5.2.4.2 Verhaltenstest II ................................................................................. 188 5.2.4.3 Verhaltenstest III................................................................................ 191 5.2.5 Resümee zum systemdynamischen Personalplanungsmodell ................ 193 5.3 Kapitelfazit.............................................................................................. 193 6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.4
Exemplarische Strategiesimulation am Personalplanungsmodell .......... 197 Szenario 1: „Business as usual“.............................................................. 198 Auswirkungen auf die Alters- und Personalstruktur............................... 199 Auswirkungen auf den Fachwissensbestand........................................... 202 Auswirkungen auf den Erfahrungswissensbestand................................. 204 Auswirkungen auf den Humankapitalwert und Resümee....................... 206 Szenario 2: „Jeder wird gebraucht“ ........................................................ 207 Auswirkungen auf die Alters- und Personalstruktur............................... 208 Auswirkungen auf den Fachwissensbestand........................................... 210 Auswirkungen auf den Erfahrungswissensbestand................................. 213 Auswirkungen auf den Humankapitalwert und Resümee....................... 214 Szenario 3: „Jugend zählt“...................................................................... 215 Auswirkungen auf die Alters- und Personalstruktur............................... 216 Auswirkungen auf den Fachwissensbestand........................................... 219 Auswirkungen auf den Erfahrungswissensbestand................................. 220 Auswirkungen auf den Humankapitalwert und Resümee....................... 222 Kapitelfazit.............................................................................................. 223
7.1 7.2 7.3
Erkenntnisse der Arbeit........................................................................... 225 Zusammenfassung................................................................................... 225 Handlungsempfehlungen für Unternehmen............................................ 229 Handlungsempfehlungen für die Forschung........................................... 231
7
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 235 Anhang........................................................................................................................ 267 XV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Kontext unternehmensexterner und -interner demografischer Entwicklung ........................................................................................ 1 Abbildung 1-2: Gliederungsdesign............................................................................... 6 Abbildung 2-1: Entwicklungsphasen der Personalarbeit ............................................. 9 Abbildung 2-2: Zentrale Ansätze in der deutschsprachigen Personalforschung........ 13 Abbildung 2-3: Vergleich von Personalverwaltung und Personalmanagement......... 14 Abbildung 2-4: Merkmale der Ebenen des Personalmanagements............................ 19 Abbildung 2-5: Dynamik des Personalmanagement-Feedback-Prozesses ................ 20 Abbildung 2-6: Teilpläne der strategischen Personalplanung.................................... 23 Abbildung 2-7: Differenzierung und Zusammenhänge der Personalbedarfsarten..... 26 Abbildung 2-8: Personalbewegungen......................................................................... 29 Abbildung 2-9: Anlässe und Formen der Personalveränderung ................................ 31 Abbildung 2-10: Konzepte der Personalentwicklung .................................................. 33 Abbildung 2-11: Entwicklungstreiber des Personalmanagements............................... 34 Abbildung 2-12: Wichtige Rechtsquellen des Arbeitsrechts ....................................... 38 Abbildung 2-13: Anhebung der Regelaltersgrenze ...................................................... 39 Abbildung 2-14: Dynamik der Bevölkerungsentwicklung .......................................... 43 Abbildung 2-15: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland zum 31.12.2006...... 44 Abbildung 2-16: Änderung des Bevölkerungsbestands nach Bundesländern ............. 45 Abbildung 2-17: Zahl der Erwerbspersonen im Zeitraum 2002-2020 ......................... 48 Abbildung 3-1: Auszug von Ressourceneigenschaften im Sinne des RBV............... 59 Abbildung 3-2: Ressourceneigenschaften und ihr Beitrag zur Wettbewerbsposition 60 Abbildung 3-3: Auswahl von Ressourcenkategorisierungen ..................................... 61 Abbildung 3-4: Achenbachs Ressourcenkategorisierung........................................... 62 Abbildung 3-5: Humankapital als Bestandteil des Unternehmenswertes .................. 72 Abbildung 3-6: Bilanzierungsrichtlinien für Humanressourcen ................................ 76 Abbildung 3-7: Übersicht populärster Ansätze zu Humankapitalbewertung............. 79 Abbildung 3-8: Intangible Assets Monitor................................................................. 85 Abbildung 3-9: Architektur des Human Potenzial Index........................................... 88 Abbildung 3-10: Neoklassisches Arbeitsmarktmodell............................................... 102 Abbildung 3-11: Determinanten des freiwilligen Ausstiegs ...................................... 107 Abbildung 3-12: Zusammenhänge der Variablen in der Saarbrücker Formel ........... 109 Abbildung 3-13: Graphische Unterscheidung von Integration und Differentiation .. 110 Abbildung 3-14: Bedeutung einzelner Terme der Saarbrücker Formel ..................... 113 Abbildung 3-15: Erfahrungswissen und Erfahrungswissens-Zuwachs...................... 120 XVII
Abbildung 3-16: Abbildung 3-17: Abbildung 4-1: Abbildung 4-2: Abbildung 4-3: Abbildung 4-4: Abbildung 4-5: Abbildung 4-6: Abbildung 4-7: Abbildung 4-8: Abbildung 4-9: Abbildung 4-10: Abbildung 4-11: Abbildung 4-12: Abbildung 4-13: Abbildung 4-14: Abbildung 4-15: Abbildung 4-16: Abbildung 5-1: Abbildung 5-2: Abbildung 5-3: Abbildung 5-4: Abbildung 5-5: Abbildung 5-6: Abbildung 5-7: Abbildung 5-8: Abbildung 5-9: Abbildung 5-10: Abbildung 5-11: Abbildung 5-12: Abbildung 5-13: Abbildung 5-14: Abbildung 5-15: Abbildung 5-16: Abbildung 5-17: Abbildung 5-18: Abbildung 5-19: Abbildung 5-20: Abbildung 6-1: XVIII
Zusammensetzung des Arbeitsprozesswissens............................... 121 Neuinterpretation wissensrelevanter Komponenten im Überblick. 124 Mitarbeiterbestand in den zehn Funktionsgruppen 2005-2007 ...... 136 Altersstruktur des Unternehmens.................................................... 138 Bestand nach Funktionsgruppen und Altersklassen ....................... 139 Anteile der Funktionsbereiche am Gesamtbestand......................... 140 Anteile führender, kaufmännischer, gewerblicher FTE.................. 141 Bestand an Auszubildenden............................................................ 141 Anzahl an Ausstiegen nach Gründen und Altersklassen ................ 142 Ausstiegsquoten nach Gründen und Altersklassen......................... 144 Geometrisches Mittel der Ausstiegsquoten für 2005-2007 ............ 144 Absolute und relative Neueinstellungen nach Funktionsbereichen 145 Einstellungen nach Funktionsbereichen und Altersklassen............ 146 Mittelwert der Einstellungsquoten für 2005-2007.......................... 147 Neueinstellungen von Auszubildenden und Absolventenzahlen.... 147 Übernahmen von Auszubildenden nach Funktionsbereichen......... 148 Arithmetisches Mittel der Übernahmequoten für 2005-2007......... 149 Durchschnittliches Jahresbruttoentgelt in den Funktionsbereichen 150 Typen wissenschaftlicher Modelle nach der Darstellungsform...... 154 Beispiele für Wechselwirkungsschleifen........................................ 157 Einfaches Bestands-Flussgrößen-Diagramm.................................. 160 Bestands-Flussgrößen-Diagramm mit den Rückkopplungen ......... 161 Anpassungsformen von Systemen .................................................. 162 Allgemeine Darstellung einer Alterskette....................................... 164 Systemantwort auf Verzögerungen bei einer Stufenfunktion......... 166 Generische Coflow-Struktur mit einer relevanten Eigenschaft ...... 167 Änderungskosten mit und ohne Simulationsverfahren................... 171 Schematische Darstellung der Indexbildung .................................. 172 Alterskette in System-Dynamics-Symbolik.................................... 173 Fachwissens-Coflow in System-Dynamics-Symbolik ................... 177 Erfahrungswissens-Coflow in System-Dynamics-Symbolik ......... 180 Simulationsmodell in System-Dynamics-Symbolik....................... 181 Endogene, exogene und ausgeschlossene Modellvariablen ........... 183 Variablenwerte für den Verhaltenstest I ......................................... 186 Simulationsergebnisse des Verhaltenstests I .................................. 188 Simulationsergebnisse des Verhaltenstests II ................................. 190 Simulationsergebnisse des Verhaltenstests III................................ 192 Zusammenhänge der Variablen in der Cottbuser Formel............... 194 Variablenwerte für das Szenario „Business as usual“ .................... 199
Abbildung 6-2: Abbildung 6-3: Abbildung 6-4: Abbildung 6-5: Abbildung 6-6: Abbildung 6-7: Abbildung 6-8: Abbildung 6-9: Abbildung 6-10: Abbildung 6-11: Abbildung 6-12: Abbildung 6-13: Abbildung 6-14: Abbildung 6-15: Abbildung 6-16: Abbildung 6-17: Abbildung 6-18: Abbildung 6-19: Abbildung 6-20: Abbildung 6-21: Abbildung 6-22: Abbildung 6-23: Abbildung 6-24: Abbildung 7-1: Abbildung 7-2: Abbildung 7-3:
„Business as usual“: Einstellungen und Ausstiege ......................... 200 „Business as usual“: Alters- und Personalstruktur ......................... 201 „Business as usual“: Wertänderungen des Fachwissens ................ 202 „Business as usual“: Wert des Fachwissens ................................... 203 „Business as usual“: Wertänderungen des Erfahrungswissens ...... 205 „Business as usual“: Wert des Erfahrungswissens ......................... 206 „Business as usual“: Humankapitalwert ......................................... 206 Variablenwerte für das Szenario „Jeder wird gebraucht“............... 208 „Jeder wird gebraucht“: Einstellungen und Ausstiege ................... 209 „Jeder wird gebraucht“: Alters- und Personalstruktur.................... 210 „Jeder wird gebraucht“: Wertänderungen des Fachwissens ........... 210 „Jeder wird gebraucht“: Wert des Fachwissens.............................. 212 „Jeder wird gebraucht“: Wertänderungen des Erfahrungswissens. 213 „Jeder wird gebraucht“: Wert des Erfahrungswissens.................... 214 „Jeder wird gebraucht“: Humankapitalwert ................................... 214 Variablenwerte für das Szenario „Jugend zählt“ ............................ 216 „Jugend zählt“: Einstellungen und Ausstiege................................. 217 „Jugend zählt“: Alters- und Personalstruktur ................................. 218 „Jugend zählt“: Wertänderungen des Fachwissens ........................ 219 „Jugend zählt“: Wert des Fachwissens ........................................... 220 „Jugend zählt“: Wertänderungen des Erfahrungswissens .............. 220 „Jugend zählt“: Wert des Erfahrungswissens ................................. 221 „Jugend zählt“: Humankapitalwert ................................................. 222 Schematische Darstellung der Saarbrücker Formel (SF)................ 227 Schematische Darstellung der Cottbuser Formel (CF) ................... 227 Exemplarische Auflistung von Bestands- und Flussgrößen ........... 231
Abbildung A- 1: Ansätze der Humankapitalrechnung (Teil 1).................................. 267 Abbildung A- 2: Ansätze der Humankapitalrechnung (Teil 2).................................. 268 Abbildung A- 3: Ansätze der Humankapitalrechnung (Teil 3).................................. 269
XIX
The dominant factor for business in the next two decades is not going to be economics or technology. It will be demographics. (Drucker, 1997, S. 20)
1 Einleitung 1.1 Aktualität des Themas Die demografische Entwicklung und die Auswirkungen dieser auf die verschiedensten wirtschaftlichen, politischen oder gesellschaftlichen Bereiche sind inzwischen Inhalt vieler Studien. Für die personalpolitischen Konsequenzen scheinen sich Unternehmen bislang nur wenig zu interessieren (von Eckardstein, 2004, S. 1627) und trotz „zunehmender Projekte und Veröffentlichungen zur Problematik der Bevölkerungsentwicklung aus betriebswirtschaftlicher Perspektive mangelt es noch immer an empirischen Daten zu betrieblichen Konsequenzen und Herausforderungen“ (Prezewowsky, 2007a, S. 2). Die demografischen Megatrends Alterung und Schrumpfung (Prezewowsky, 2007a, S. 34) sind im Allgemeinen jedoch auch für firmeninterne Belegschaftsstrukturen zu erwarten und lassen deshalb auf einen enormen Handlungsbedarf für die strategische Personalplanung in Unternehmen schließen. Die Zusammenhänge sind in der Abbildung 1-1 visualisiert. Demografische Entwicklung unternehmensextern Alterung dauerhaft
niedrige Geburtenziffer auch durch historische Ereignisse Lebenserwartung steigt Schrumpfung Wanderungsbewegung zu Ungunsten für den Bestand Sterbeziffer übertrifft Geburtenziffer Abbildung 1-1:
Erwerbspersonenpotenzial
Angebot
Nachfrage
unternehmensintern Alterung Versäumte
Einstellungen von Nachwuchskräften Gesetzliche Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre Schrumpfung Bisherige Frühverrentung Betriebsbedingte Kündigungen Lebensphasenbedingte Fluktuation
Kontext unternehmensexterner und -interner demografischer Entwicklung Quelle: Eigene Darstellung.
1
D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Die mit der Schrumpfung des Erwerbspersonenpotenzials zusammenhängende erwartete Verknappung spezifischer Qualifikationen führt dazu, dass Unternehmen in strukturschwachen Regionen benachteiligt sind. Sie können unter Umständen ihren Personalersatzbedarf – aufgrund hoher Verrentungszahlen, die der Belegschaftsalterung in den letzten Jahren geschuldet ist – immer schwerer decken. Öffentliche Institutionen, kleine und mittelständische Unternehmen haben zudem meist weder die finanziellen Mittel, Personal auf „Vorrat“ einzustellen, noch können sie mit dem Image und den Anreizstrukturen großer Unternehmen wettstreiten. Da mit den internen Alterungsprozessen oft „sehr unterschiedliche Befindlichkeiten und Planungshorizonte angesprochen werden, besteht die Gefahr, das Alterungsproblem zunächst zu unterschätzen oder sogar zu übersehen“ (Hübner & Wahse, 2002, S. 77). Aber Unternehmen und öffentliche Einrichtungen dürfen den internen Personalstrukturwandel nicht länger ignorieren. Die Entwicklung mittel- bis langfristiger Strategien scheint jedoch aufgrund der nicht zu unterschätzenden Wechselwirkungen im In- und Umsystem des Unternehmens sowie der zeitverzögerten Effekte immer weniger fundiert. Erfolgreicher Umgang mit dieser Komplexität und der Entscheidungsfindung in komplexen Situationen gehört deshalb zu den zentralen Erfordernissen in unserer heutigen Gesellschaft (Müller & Funke, 1995, S. 57) und verlangt von Führungskräften eine Änderung ihrer Denk- und Handlungsweisen (Snowden & Boone, 2007, S. 32). Handeln „wie bisher“ ist zukünftig keine wettbewerbsfähige Alternative, da sich die Arbeitskräftesituation in den nächsten Jahren eben nicht wie in der Vergangenheit entwickeln wird. Unternehmen werden ihren Personal- und Qualifikationsbedarf langfristiger planen müssen, was neue Wege und neue Entscheidungsgrundlagen erfordert. Gleichzeitig wird es damit immer wichtiger, die Konsequenzen der strategischen Personalplanung nicht nur am aktuellen Personalbestand und den Personalkosten zu messen, sondern an immateriellen Werten. Der Humankapitalwert eines Unternehmens wird in der Literatur insofern als Indikator diskutiert, um die Handlungen des (Personal-)Managements zu bewerten. Da bisher entwickelte Ansätze zur Humankapitalwertbestimmung große Schwächen aufweisen, besteht ein enormer Forschungsbedarf zur Entwicklung eines Bewertungsinstrumentes für einen auf unternehmensspezifischen Personaldaten basierenden Humankapitalwert.
2
1.2 Problemstellung und Forschungsschwerpunkte Die Problemstellung für diese Arbeit ergibt sich aus den bisher nicht im Zusammenhang behandelten Themenbereichen ‚demografiebedingtes Personalmanagement’1 (u.a. Staudinger, 2007), ‚Humankapitalmanagement’ (u. a. Becker, 2008; Scholz, Stein & Bechtel, 2006; Riese, 2007) und ‚systemdynamische Simulation im Human Resource Management’ (u. a. Tabacaru, 2006; Hafeez, Aburawi & Norcliffe, 2004; Maasch, 1996). Folgende Leitgedanken sollen die Relevanz dieser kombinierten Themenbearbeitung unterstützen: “In theory, those managers who are aware of the demographic changes will be best equipped to operate recruitment campaigns in an increasingly competitive market; those who are unaware and make no provision for the changes, may suffer, if the current surplus of unemployed graduates is absorbed, and competition for qualified young people intensifies. If recruitment managers are unaware of the competition of the labour market and of any changes in their target age group, then their ability to be effective is brought into question.” (Hodgkinson et al., 1996, S. 192) Die Diskussion um die Humankapitalwertbestimmung hat in den letzten Jahren in Deutschland wieder zugenommen. Nicht zu letzt auch aufgrund der „Saarbrücker Formel“ (Scholz, Stein & Bechtel, 2006), die durch ihre Entwickler in der Praxis angewendet, in der Literatur jedoch stark kritisiert wird. Wesentliche Gründe für dieses ehrgeizige Engagement, ein Instrument zur Bewertung des betrieblichen Humankapitals zu erarbeiten, sind in den folgenden Aspekten zu sehen: erstens, zunehmende Anerkennung des Personals als strategische Ressource (auch im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Fachkräftemangel) und nicht nur als Kostenfaktor, zweitens, Auskunft für das Personalmanagement und die Unternehmensleitung über die Entwicklung des Humankapitalwertes und Formulierung adäquater Strategien zur Erhöhung sowie drittens, Bewertung des immateriellen Vermögens eines Unternehmens und Angabe dieses Wertes in der Bilanz zur Unterrichtung externer Stakeholder. Ziel sollte es schließlich sein, dass sich die Wissenschaft der Bewertung von Humanressourcen objektiv und „ohne Hass und Leidenschaft“ widmet, um zu messen, was an betrieblichem Humankapital vorhanden ist, und wie es sich verändert (Becker, 2008, S. 33).
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Staudinger, 2007: Dazu gehören Kompetenzmanagement, Diversity Management, Erfahrungstransfer und Wissensmanagement, Gesundheitsmanagement, Unternehmensklima.
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Malik bezeichnete es als Fehlentwicklung, dass im Bereich des Managements in Publikationen mit Begriffen wie System, Subsystem, Interaktion, Selbstorganisation, Feedback, Komplexität usw. argumentiert wird, ihre praktischen Konsequenzen und Anwendungsmöglichkeiten aber kaum sichtbar gemacht werden. Denn gerade weil Systemtheorie und Kybernetik sehr abstrakt sind, sollte erheblicher Aufwand betrieben werden, diese zu konkretisieren (Malik, 2006, S. 5). Führungskräfte benötigen neben Instinkt, Intellekt und Charisma heute Werkzeuge und Konzepte, um ihre Unternehmen sicher durch weniger bekannte Gewässer zu steuern (Snowden & Boone, 2007, S. 42). Inspiriert durch diese Aussagen ist es Ziel dieser Arbeit, das System der strategischen Personalplanung computergestützt nach kybernetischen Erkenntnissen abzubilden, geplante Strategien an diesem Modell zu simulieren und das daraus folgende Verhalten des Systems in der Zukunft zu prognostizieren. Die Evaluation dieser Strategien erfolgt anhand des durch sie beeinflussten Humankapitalwertes. Aufgrund der Berücksichtigung relevanter, mit dem Personalbestand zusammenhängender Wechselwirkungen, werden so die intendierten und nicht intendierten Konsequenzen dieser Strategien für das System aufgedeckt. Dadurch lassen sich Strategien noch vor der Implementierung bewerten und gegebenenfalls in Iterationsprozessen solange anpassen, bis der gewünschte Zustand des modellierten Systems erreicht ist. Ziel ist es, die Personalplanung mit diesem Werkzeug so auszurichten, dass die Organisation hinsichtlich der Quantität (Personalbestand) und Qualität (Wert) ihrer Humanressourcen, insbesondere vor dem Hintergrund der demografiebedingten Veränderungen, wettbewerbsfähig aufgestellt ist. Hauptanwendungsbereiche für computergestützte Simulationen in der Personalarbeit sind bisher die Eignungsdiagnostik und die Weiterbildung, wobei beispielsweise der systemdynamische ‚Management Flight Simulator’ zum Einsatz kommt, um Systemdenken zu vermitteln, kognitive Fähigkeiten zu trainieren und mentale Modelle für praktische komplexe Management-Probleme zu bilden (Funke, 1995, S. 202 f.; Hasselmann, 1995, S. 237). Als reale Entscheidungsgrundlage in der Personalarbeit lassen sich diese Simulationsmodelle bisher kaum finden. Insofern ist diese Arbeit eine innovative Ergänzung zu den Veröffentlichungen, die verschiedene Maßnahmen zur Bewältigung demografischer Herausforderungen ausschließlich deskriptiv abhandeln. Einige Autoren empfehlen zu Recht verstärkte Anstrengungen in der Nachwuchs-
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rekrutierung, keine vorzeitige Externalisierung älterer Arbeitnehmer2, verstärkte Weiterbildungsanstrengungen oder auch wirksamere Personalbindungsprogramme (z. B. Holz & Da-Cruz, 2007; Prezewowsky, 2007b, S. 385, 386). Ein Manko dieser Arbeiten ist allerdings, dass Unternehmen entsprechender Größe aufgrund der dynamischen Wechselwirkungen nicht genau antizipieren können, wie stark sie zukünftig von der Belegschaftsalterung betroffen sein werden. Kurz: Ob verstärktes Engagement für ein Unternehmen notwendig ist und wie es den Bedarf für die mittel- bis langfristige Planung ermitteln kann, wird bisher in der Literatur nicht behandelt. Es ist deshalb ein Novum, das System der Personalplanung – in seiner Komplexität und mit seiner Dynamik – ausgehend von der Personalstruktur zu analysieren, zu modellieren und Strategien anhand personalwirtschaftlicher Indikatoren ex ante zu evaluieren. Entsprechend wird folgenden Forschungsaufgaben nachgegangen: Konzeption einer theoriebasierten Formel zur Berechnung des unternehmensspezifischen Humankapitalwertes, Erstellung eines systemdynamischen Personalplanungsmodells, welches die quantitative Personalplanung (Alters- und Personalstruktur) und die qualitative Personalplanung (Humankapitalwert) integriert, die Aufgaben der strategischen Personalplanung abdeckt und Unternehmen spezifisch für den internen demografischen Wandel rüstet. Vorstellung der Funktionstüchtigkeit des Simulationsmodells anhand realistischer Personaldaten und Evaluation exemplarischer Personalstrategien hinsichtlich ihrer mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Alters- und Personalstruktur sowie den Humankapitalwert. 1.3 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen Im Anschluss an diese Einleitung werden sechs Kapitel folgen. Die Abbildung 1-2 visualisiert den Aufbau. Im zweiten Kapitel werden die fundamentalen Aspekte des strategischen Personalmanagements innerhalb eines Unternehmens erörtert. Die strategische Personalplanung ist ein wesentlicher Teil des strategischen Personalmanagements, die hinsichtlich ihrer Funktionen detailliert beschrieben wird. Die zu erläuternden Entwicklungstreiber des Personalmanagements und der Personalplanung weisen darauf hin, dass diese
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Zur besseren Lesbarkeit des Textes wird für Personenbezeichnungen keine Paarformel (z. B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) verwendet. Die verwendeten Begriffe wie Mitarbeiter, Arbeitnehmer, etc. schließen beide Geschlechtsformen ein.
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Unternehmensbereiche von vielen Faktoren abhängig sind. Dieses Kapitel schließt mit der Erkenntnis, dass die Personalplanung ein dynamisches, komplexes System ist und daher zur Planungsunterstützung einer Methode bedarf, die den Umgang mit Komplexität und Dynamik ermöglicht. 1. Einleitung 2. Personalmanagement als Unternehmensfunktion 3. Theoretische Grundlagen Resource-based View
4. Empirische Analyse
Humankapitalrechnung
Deskriptive Auswertung der spezifischer Personaldaten
5. Systemdynamische Modellierung System Dynamics
Modellerstellung
Modellbewertung
6. Exemplarische Strategiesimulation 7. Erkenntnisse der Arbeit
Abbildung 1-2:
Gliederungsdesign Quelle: Eigene Darstellung.
Das folgende dritte Kapitel befasst sich mit zwei theoretischen Ansätzen, die das Personalmanagement tangieren. Es werden die thematisch stark zusammenhängenden Ansätze des ressourcenbasierten Ansatzes (Resource-Based View = RBV) und des Humankapitalmanagements vorgestellt. Während der RBV die strategische Bedeutung von Humanressourcen erklärt und damit die Wichtigkeit langfristiger Personalplanung betont, befasst sich das Humankapitalmanagement mit der Wertbestimmung der Humanressourcen. Dieser Aspekt gewinnt im Zuge der Diskussion um die Erfassung immaterieller Vermögenswerte und Anpassung externer Rechnungslegungsvorschriften an Relevanz. Aufgrund der fundamentalen Schwächen des populär gewordenen Ansatzes zur Humankapitalwertberechnung auf Basis von Personaldaten („Saarbrücker Formel“), wird eine die Kritik aufgreifende, verbesserte und erweiterte „Cottbuser Formel“ theoretisch fundiert entwickelt. Im vierten Kapitel wird die Datenbasis deskriptiv vorgestellt. Dazu gehören die im Rahmen einer Primärerhebung ermittelten personalbezogenen Daten des Projektunternehmens. Diese Daten beschränken sich auf die Informationen, die für die Personalplanung und die Humankapitalwertbestimmung relevant sind. Dazu gehören Personalbestandsdaten ebenso wie Fluktuationsdaten, Gehaltsstrukturen, Ausbildungszahlen, etc. Die wesentlichen Informationen stehen für die Jahre 2005, 2006 sowie 6
2007 zur Verfügung und sind aufgeschlüsselt nach Abteilungen (Funktionsgruppen) und dem Alter der Mitarbeiter. Da es sich hierbei um hoch sensible Daten des Beispielunternehmens handelt, sind alle Ausführungen in dieser Arbeit anonymisiert. Im Folgenden wird deshalb auch von dem „Projektunternehmen“ gesprochen. Das sich im fünften Kapitel anschließende Methodenkapitel befasst sich im ersten Abschnitt mit dem Ansatz der systemdynamischen Modellierung (System Dynamics). Hier werden sowohl dessen Herkunft und Begrifflichkeiten geklärt als auch die grundsätzlichen Modellbausteine erläutert. Anhand des im zweiten Abschnitt entstehenden computergestützten Simulationsmodells – bestehend aus dem Alters- und Personalstrukturmodell (Alterskette) und der Cottbuser Formel (Coflow-Struktur) – wird deutlich, dass der Mensch nicht mehr in der Lage sein kann, diese komplexen Strukturen zu erfassen, zu verarbeiten und rationale Entscheidungen treffen zu können. Im dritten Abschnitt dieses fünften Kapitels erfolgt die Modellevaluation. Die Logik und Robustheit des Modells sind ausschlaggebend dafür, wie realistisch die im sechsten Kapitel simulierten Szenarien sind. Relevante Strategievariationen beziehen sich dabei auf die Personalplanungspolitik. Dadurch wird es möglich, den von Malik (2006) kritisierten hohen Abstraktionsgrad von Systemen zu reduzieren und konkrete Simulationsergebnisse zu präsentieren. Die erstellten Szenarien zeigen, welche Effekte Alters- und Personalstrukturveränderungen auf den Bestand an Fachund Erfahrungswissen und schließlich auf den Humankapitalwert haben. Grundsätzlich ist bereits an dieser Stelle zu betonen, dass die Modellstruktur aufgrund des theoretischen Bezugs zum Großteil unternehmensunspezifisch und generalisierbar ist. Die Simulationsergebnisse sind dagegen nicht verallgemeinerbar, da diese vor allem auf den spezifischen Daten des Projektunternehmens basieren. Eine individuelle Bewertung der Alters- und Personalstruktur sowie des Humankapitalwertes ist für jedes Unternehmen zu empfehlen, da angesichts der Komplexität von Organisationen und der unterschiedlichen internen und externen Einflussfaktoren keine generell gültigen Aussagen (Prezewowsky, 2007a, S. 232) und Lösungen zum „Überstülpen“ (Gesellschaft für Arbeitsschutz- und Humanisierungsforschung mbH Volkholz und Partner, 2006, S. 29) getroffen werden können. Im abschließenden siebten Kapitel folgen die Zusammenfassung der Arbeit, Handlungsempfehlungen für Unternehmen und der Ausblick für weitere Forschungsaktivitäten.
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“Old-fashioned methods that rely on ‘seat-of-the-pants’ forecasts and activities cannot be expected to lead to optimal results.” (Walker, 1969, S. 162)
2 Personalmanagement als Unternehmensfunktion 2.1 Historischer Abriss 2.1.1
Personalarbeit in der Praxis
Anders als in anderen betriebswirtschaftlichen Disziplinen hat sich die Personalfunktion in Unternehmen eher etabliert als die Auseinandersetzung mit diesem Thema in der Forschung (Staehle, 1994, S. 736). Verwaltungsarbeit, die durch das beschäftigte Personal entstand, gab es seit jeher. Allerdings haben sich im Laufe der letzten 50 bis 60 Jahre diese Tätigkeitsfelder insofern verändert, als dass inzwischen eher von der Arbeit mit dem und der Arbeit für das beschäftigte(n) Personal gesprochen werden kann. Die verschiedenen Entwicklungsphasen der Personalarbeit werden in der relevanten Literatur zum Teil unterschiedlich deklariert, insbesondere die letzten zwei Dekaden betreffend. Die Abbildung 2-1 stellt daher nur eine Möglichkeit dar, diese Phasen einzuteilen. 1960 Personalverwaltung
Abbildung 2-1:
1970 Personalstrukturierung
1980 Personalentwicklung
1990 Personalstrategie
2000
Personalinterfunktionalität
2010 Personalkompetenzintegration
Entwicklungsphasen der Personalarbeit Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Scholz, 2000, S. 33.
Rückblickend lässt sich für jedes Jahrzehnt ein anderer Schwerpunkt der Personalarbeit identifizieren. Das bedeutet gleichzeitig, dass sich das Aufgabenspektrum der Personalarbeit in jeder Periode – unter anderem bedingt durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Einflüsse – erweiterte. Die anfänglichen Aktivitäten und Schwerpunkte des Personalbereichs sind zumeist auch noch in den Folgephasen relevant. Allerdings ist festzustellen, dass nicht alle Unternehmen diese Phasen sukzessiv durchlaufen haben, so dass gegenwärtig in der Praxis zum Teil ganz unterschiedliche Fokusse die Personalarbeit bestimmen (Scholz, 2000, S. 33).
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D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Die ursprüngliche Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Mitarbeitern anfiel, war die reine Personalverwaltung. Dazu gehörten die Aufgaben der Lohn- und Gehaltsabrechnung, eine rudimentäre Personaleinsatzplanung (Scholz, 2000, S. 32) sowie die Bereitstellung gesunder und möglichst billiger Arbeitskräfte (Wunderer & Dick, 2007, S. 50–53; Berthel, 1989, S. 353 ff.). An strategische Ziele der Personalarbeit war in dieser Phase kaum zu denken. Anfang der 1960er Jahre waren erste Strukturierungsmaßnahmen im Personalbereich erkennbar, die auch dazu führten, dass Personalabteilungen als separate Funktion in Unternehmen anerkannt wurden (Scholz, 2000, S. 33). Die konkreten Aufgaben bestanden zu dieser Zeit vor allem in der Personalverwaltung, -planung und -einstellung sowie Entgeltfindung, juristischen Konfliktregelung und die Anpassung der Mitarbeiter an komplexere organisatorische Anforderungen (Wunderer & Dick, 2007, S. 50–53). Ab den 1970er Jahren begann sich die Personalarbeit mehr an den Mitarbeitern selbst auszurichten. Die Anpassung des Personals an organisatorische Anforderungen wandelte sich hin zur Anpassung der Organisation an die Mitarbeiter (Wunderer & Dick, 2007, S. 50–53). Wunderer bezeichnete diesen Entwicklungsabschnitt deshalb auch als Humanisierungsphase (ebenda). Stellenbeschreibungen, formalisierte Zielvereinbarungen, Personalentwicklung und Personalbetreuung waren sehr wichtige Führungsinstrumente und die Umsetzung des Betriebsverfassungsgesetzes rückte die Personalabteilung in eine formal-juristische Schlüsselrolle (Scholz, 2000, S. 32). Ziel war es, mit diesen Mitteln das Personal zu aktivieren und Mitarbeiterzufriedenheit zu schaffen (Scholz, 2000, S. 33; Wunderer & Dick, 2007, S. 50–53). Mit Beginn der 1980er Jahre wurde die Personalarbeit an ökonomischen Prinzipien ausgerichtet. Begründet durch ein hohes Lohnniveau in Deutschland und strukturelle Arbeitsmarktprobleme stand die Wertschöpfung durch die Personalarbeit im Vordergrund (Scholz, 2000, S. 32, 33). Die zum Teil durch amerikanische und japanische Vorbilder entstandene strategische Ausrichtung (Scholz, 2000, S. 32) bezog sich auf die kostenorientierte Anpassung der Organisation und des Personals an veränderte Rahmenbedingungen, auf die Flexibilisierung der Arbeit und der Arbeitskräfte, auf die Rationalisierung des Entwicklungspotenzials sowie auf die Freisetzungspolitik in Unternehmen (Wunderer & Dick, 2007, S. 50–53). Hiermit wird deutlich, dass die Personalstrategie vor allem von der Produkt- und Marktstrategie abhängig war (ebenda). Die Ausrichtung an wirtschaftlichen Aspekten setzte sich auch in den 1990er Jahren aufgrund der Rezession und breit angewendeter Konzepte wie Lean Management und Business Reengineering (Scholz, 2000, S. 32) fort. Die Aufgabe der Personalabteilung bestand vor allem darin, die Profitabilität des Unternehmens zu verbessern und in diesem Zusammenhang die teilweise massiven Umstrukturierungsmaßnahmen zu be10
gleiten sowie die personalwirtschaftlichen Ziele und Strategien vertikal durchzusetzen (Scholz, 2000, S. 32; Wunderer & Dick, 2007, S. 50–53). Interfunktionalisierung der Personalarbeit heißt demnach, dass jede Führungskraft in einem gewissen Rahmen Aufgaben eines Personalmanagers wahrzunehmen hatte (Scholz, 2000, S. 32). Scholz definierte ab 2000 eine letzte Entwicklungsphase: die Personalkompetenzintegration. Grund für diese Bezeichnung waren die damals antizipierten Merkmale der künftigen Personalarbeit, wie Virtualisierung und die damit erforderliche Integration der verteilten personalwirtschaftlichen Kompetenzen (Scholz, 2000, S. 33). Zukünftige Schwerpunkte der praktischen Personalarbeit sind schwer zu antizipieren. Sicher scheint jedoch, dass sie hinsichtlich der zunehmenden Markt-, Organisations-, Technologie- und Wertedynamik sowie der Globalisierung3 (Scholz, 2000, S. 7) sehr vielschichtig werden. Für den europäischen Wirtschaftsraum untersuchten die Europäische Vereinigung für Personalführung und die Strategieberatung Boston Consulting Group die Trends in der Personalarbeit. In diesem Kontext wurden 1.355 Personaler und Führungskräfte durch einen Fragebogen und 102 durch Interviews in 27 europäischen Ländern zu personalwirtschaftlichen Schwerpunkten und Herausforderungen bis zum Jahr 2015 befragt (Daniel, Leicht & Strack, 2007, S. 6). Besonders bedeutsam sind aus der Sicht der Befragten das Talentmanagement, der demografische Wandel, die Entwicklung zur lernenden Organisation, die Work-Life-Balance sowie das Change-Management und damit einhergehend die Transformation der Unternehmenskultur (ebenda). Darüber hinaus ist die Erkenntnis dieser Studie, dass diese fünf Themenfelder nicht nur besonders bedeutsam, sondern aufgrund der geringen Fähigkeiten der Personalverantwortlichen im Umgang mit ihnen außerordentlich zukunftskritisch sind (ebenda, S. 7). 2.1.2
Personalarbeit in der Forschung
Während Personalarbeit schon lange in Unternehmen praktiziert wurde, beschäftigten sich Forscher erst später mit dieser Thematik (Staehle, 1994, S. 736). Die durch die Existenz von Personal in Organisationen geschaffenen Probleme könnten Auslöser für das personaltheoretische Interesse gewesen sein, mit dem Ziel, „Aussagen über Gestaltungsbeiträge zum Einsatz von Personal in Unternehmungen gemäß unternehmerischen, sozialen und individuellen Zielen“ zu treffen (Drumm, 2008, S. 10 f.). Zwischen 1900 und 1950 gingen wesentliche Impulse für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit personalbezogenen Fragen im Unternehmen von US-ameri-
3
Vergleiche die Beschreibung der Einflussfaktoren im Abschnitt 2.3.1.
11
kanischen Forschern aus – zu nennen seien hier vor allem Taylor und Gilbreth (‚Scientific Management’), Munsterberg (‚Angewandte Psychologie’) sowie Mayo, Roethlisberger, u. a. (‚Human-Relations-Bewegung’ und Hawthorne-Experimente) (Klimecki & Gmür, 2005, S. 10–21). In den darauffolgenden Jahren kristallisierten sich weitere Forschungsschwerpunkte heraus (Scholz, 2000, S. 48-50): Die 1950er und 60er Jahre waren vom ‚individuellen Führungsansatz’ geprägt. In den 1970er Jahren standen die Humanvermögensrechnung, der Personalplanungsansatz und verhaltensorientierte Systemansätze im Vordergrund. Die Orientierung an Interessengruppen führte in den 1980er Jahren zu Ansätzen wie dem ‚individuellen Entwicklungsansatz’ mit systematischer Personalentwicklung, dem ‚strategischen Planungsansatz’ (Michigan-Ansatz, Harvard-Konzept), dem ‚ökonomischen Ansatz’ als Weiterentwicklung der Humanvermögensrechnung, dem ‚personellen Stimmigkeitsansatz’, der aus dem Zusammenwirken von Entwicklungs- und Strategieansatz resultierte, sowie dem ‚Kulturansatz’, d. h. einem an der Unternehmenskultur orientierten Personalführungsansatz. In den 1990er Jahren war die Personalmanagement-Forschung aufgrund der Komplexität des Forschungsfeldes und der hohen Interdisziplinarität vor allem durch Spezialisierung gekennzeichnet. Ihr Ergebnis ist in der US-amerikanischen Forschung ein Kontinuum, an dessen Polen der Market-Based View (Marktbelange beeinflussen die Strategie) bzw. der Resource-Based View (Personalbelange beeinflussen die Strategie) stehen. In Deutschland fand die akademische Auseinandersetzung mit der Personallehre anfangs (Dietrich, 1914; Fischer, 1929) unter dem Begriff der sozialen Unternehmensführung statt, denn als eigenständiges Teilgebiet innerhalb der Betriebswirtschaftslehre war dieses Fach zu dem Zeitpunkt noch nicht anerkannt (Klimecki & Gmür, 1998b, S. 20, 21-25): Nach 1945 galt es in der BRD die autoritären Strukturen vor allem im großindustriellen Bereich aufzulösen und durch Gesetze wie das Montan-Mit-bestimmungsrecht von 1951, das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 und das Mitbestimmungsgesetz von 1976 demokratischer zu gestalten (auch Böck, 2002, S. 1). Parallel zur Bildungsexpansion Mitte der 1970er Jahre fand aufgrund des Mangels an hochqualifiziertem Personal eine rasante Institutionalisierung des psychologieund soziologiebezogenen Personalwesens an Hochschulen der BRD statt. Die 1980er Jahre waren geprägt von der Human-Relations-Tradition und gleichzeitig dem ökonomisch orientierten Human Resource Management, begleitet vom Personal-Controlling-Ansatz und der mikroökonomischen Theorie. Die Schere zwischen beiden Ansätzen öffnete sich Anfang der 90 Jahre aufgrund der wachsenden strukturellen Arbeitslosigkeit. 12
Personaladministration Planung/ Verwaltung
Personalmanagement Information
Entwicklung
Controlling
Management
Rechtliche, mitbestimmungsrelevante Aspekte; Umsetzung strategischer Vorgaben
Anpassung der Informations- und Kommunikationsprozesse an Situation, Strategien & Ziele
Trainings- und Entwicklungskonzeptionen
Humanressourcen als Kostenfaktor; Personalmanagement als Quelle betrieblicher Wertschöpfung
Ganzheitlichkeit; Beeinflussung durch mehrere wissenschaftliche Disziplinen
z. B. Marr, Oechsler
z. B. Domsch, Hentze
z. B. Eckardstein, Weber
z. B. Potthoff, Wunderer
z. B. Scholz, Ackermann, Berthel
Abbildung 2-2:
Zentrale Ansätze in der deutschsprachigen Personalforschung Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Scholz, 2000, S. 45.
Aus diesen amerikanischen und nationalen Ursprüngen haben sich „kaleidoskopartig“ potenzielle Inhalte des Personalmanagements aufgetan, die aus diversen fachlichen Perspektiven behandelt wurden und damit neue theoretische Ansätze begründeten (Scholz, 2000, S. 44). Seit Anfang der 1980er Jahre haben sich dadurch in Deutschland fünf zentrale akademische Ansätze heraus kristallisiert (ebenda). Wie die Abbildung 2-2 zeigt, lassen sich diese wissenschaftlichen Orientierungen zwischen der Personaladministration und dem Personalmanagement einbetten. Die Trennung in Personaladministration und Personalmanagement wurde mit identischen Inhalten aus der amerikanischen Forschung übernommen (Scholz, 1996, S. 2– 3). Personalmanagement steht dabei für eine ganzheitliche, handlungs- und wettbewerbsorientierte Perspektive, deren Ziele die Zufriedenheit der Organisationsmitglieder und die Wirtschaftlichkeit sind (Scholz, 2000, S. 44; Scholz, 1996, S. 2–3; Holtbrügge, 2005, S. 2). Da die Umwelt in diesem Ansatz als dynamisch angenommen wird, sind im Personalmanagement Instrumente wie die leistungsorientierte Bezahlung, Partizipation bzw. Personalcontrolling erforderlich (Holtbrügge, 2005, S. 2), mit denen die Leistung beeinflusst, gemessen und gegebenenfalls angepasst werden kann. Betriebswirtschaftliche und verhaltenswissenschaftliche Grundlagen stehen primär im Vordergrund (ebenda). Der Gegenpol zum Personalmanagement ist die traditionelle Personalverwaltung (Scholz, 2000, S. 44; Scholz, 1996, S. 2–3), die bürokratisch ausgerichtet und auf die korrekte institutionelle Regelung aller Aktivitäten und Arbeitsproduktivität fokussiert ist (Holtbrügge, 2005, S. 2). Entsprechend sind rechtliche, verwaltungs- und ingenieurwissenschaftliche Grundlagen relevant. In der Abbildung 2-3 sind diese beiden Extrema zusammenfassend gegenübergestellt.
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Merkmale
Personalverwaltung
Personalmanagement
Ziele
Rechtmäßigkeit, Arbeitsproduktivität
Zufriedenheit, Wirtschaftlichkeit
Leitbilder
Bürokratie (Verwaltungsorientierung)
Markt (Wettbewerbsorientierung)
Wissenschaftliche Grundlagen
Recht, Verwaltungswissenschaften, Ingenieurwissenschaften
Betriebswirtschaftslehre, Verhaltenswissenschaften
Umweltzustand
Statisch
Dynamisch
Antriebskräfte
Gesetzgeber
Wettbewerb
Instrumente
Dienstanweisungen und Verwaltungsvorschriften, Senioritätsprinzip, Hierarchie, formale Qualifikationen
Leistungsorientierte Anreizsysteme, Partizipation, Personalcontrolling, Gruppenarbeit
Abbildung 2-3:
Vergleich von Personalverwaltung und Personalmanagement Quelle: Holtbrügge, 2005, S. 2.
In dem Wirtschaftlichkeitsgedanken, der Wettbewerbsorientierung sowie im Dynamikverständnis ist für die vorliegende Arbeit der Fokus auf das Personalmanagement begründet. Schwierigkeiten innerhalb dieses akademischen Ansatzes bereiten allerdings die in der Literatur verwendeten diversen und oft nicht eindeutig abgrenzbaren Begrifflichkeiten (Lucht, 2007, S. 20; Brewster, 1995, S. 2). Neben Personalmanagement gehören dazu beispielsweise Bezeichnungen wie Personalwirtschaft oder Personalwesen. Gaugler und seine Kollegen gehen damit wie folgt um (Gaugler, Oechsler & Weber, 2004, S. 1654 f.): Solange Personalwesen nicht institutionell interpretiert wird und insbesondere die Geschäftsführung, die Personalabteilung, betriebliche Führungskräfte sowie die Betriebsratsmitglieder unter einem Dach zusammenfasst, können die genannten Begriffe als sinnverwandte Wörter verstanden werden. Inhaltlich gibt es nur geringe Unterschiede zur Benennung desselben Aufgabenkomplexes. Bezüglich der Abgrenzung der Begriffe ‚Personalmanagement’ und ‚Human Resource Management’ verdeutlicht letzterer viel prägnanter, dass die Mitarbeiter als erfolgskritische Ressource verstanden werden (Conrad, 2003, S. 7; Staffelbach, 1993, S. 112). ‚Personalmanagement’ hingegen verweist eher auf die Personalfunktion als Teil eines umfassenden personalbezogenen und dem ökonomischen Prinzip folgenden Unternehmensführungsprozesses (Lucht, 2007, S. 25; Scholz, 2000, S. 53). Allerdings spielt diese Akzentuierung in immer mehr Publikationen scheinbar keine Rolle mehr. Die Verwendung beider Termini geschieht sehr häufig synonym (Lucht, 2007, S. 25; vgl. hierzu beispielsweise Neuberger, 2004, S. 1194; Schirmer, 2004, S. 1273; von Eckardstein, 2004, S. 1617; Scholz, 2000, S. 55). In Anlehnung an diese Autoren sind die Bezeichnungen Personalmanagement und Human Resource Management (HRM) in der vorliegenden Arbeit als gleichbedeutend zu betrachten.
14
2.1.3
Theoretische Grundlagen des Personalmanagements
Personalmanagement ist eine angewandte Wissenschaft, die vorhandene Theorien verschiedener Provenienz kontextspezifisch nutzt (Weibler & Wald, 2004, S. 259 ff.). Die Personaltheorie existiert demnach nicht (Nienhüser, 1996, S. 48 ff.). Die Vielfalt ist immens und es scheint sogar, als könnte für jedes personalwirtschaftliche Aufgabenfeld eine Reihe passender Erklärungsansätze gefunden werden. Hinsichtlich der Steuerung des menschlichen Verhaltens beispielsweise finden meistens arbeits- und organisationspsychologische Ansätze, mit Fokus auf das Verhältnis von Personal und Organisation, Gestaltung von Arbeitsplätzen und Aufgaben, sowie soziologische Ansätze, mit Fokus auf Beziehungen mit äußeren und inneren Interessengruppen, Anwendung (Matiaske, 2004, S. 1526). Exemplarisch seien an dieser Stelle folgende theoretische Ansätze genannt: Human-Relations-Ansatz (Mayo/Roethlisberger, 1924-1934), motivationstheoretische Ansätze wie die Bedürfnispyramide von Maslow (1943, 1970), die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg (1966), die Gerechtigkeitstheorie von Adams basierend auf der Anreiz-Beitrags-Theorie von March/Simon (1958), die VIETheorie von Vroom (1964) und das Motivationsmodell von Porter/ Lawler (1968), der konfliktorientierte Ansatz von Marr/ Stitzel (1979) sowie der Kontingenzansatz oder situative Ansatz der 1970er/80er Jahre (Holtbrügge, 2005, S. 7–32). Entsprechend der Entwicklung des Personalmanagements in der Praxis wurden in der Forschung später auch Theorien und Ansätze entwickelt, die weniger das individuelle Verhalten erklären, sondern großes Potenzial im Hinblick auf die theoretische Erklärung personalstrategischer Handlungen haben. Häufig in diesem Zusammenhang genutzte theoretische Ansätze sind (Holtbrügge, 2005, S. 7–32; Festing, Groening & Weber, 1998, S. 409; Wright & McMahan, 1992, S. 300): die ressourcenorientierte Perspektive bzw. der Resource-Based View, der kybernetische Systemansatz und institutionenökonomische Ansätze, insbesondere die Transaktionskostentheorie und die Prinzipal-Agenten-Theorie. Die grundlegende Annahme des ressourcenorientierten Ansatzes ist, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der Organisation weniger umweltbedingt ergibt, sondern vielmehr auf dem Aufbau und der Nutzung unternehmungsspezifischer Ressourcen basiert (Holtbrügge, 2005, S. 26; Scholz, 2000, S. 50). Personelle Ressourcen sind demnach besonders gut geeignet, nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufgrund ihres vielfältigen, aufgabenübergreifenden Einsatzspektrums, der sozialen Einbettung, beschränkter Mobilität und geringer Abnutzung bei entsprechenden Bildungsinvestitionen aufzubauen (u. a. Lucht, 2007, S. 89; Holtbrügge, 2005, S. 26; Barney, 1991, S. 112). Der kybernetische Ansatz integriert Überlegungen zur ganzheitlichen und informatorischen Verknüpfung der verschiedenen Teilfunktionen des Personalmanagements 15
(Scholz, 2000, S. 42). Es wird angenommen, dass die „Effizienz des Personalmanagements dann am höchsten ist, wenn die verschiedenen personalpolitischen Instrumente integrativ aufeinander abgestimmt und in übergeordnete Zusammenhänge der Unternehmung und der Umwelt eingeordnet werden“ (Holtbrügge, 2005, S. 25). Insofern ist es mit diesem Ansatz möglich, die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Funktionen des Personalmanagements deutlich zu machen, was vor allem für Großunternehmungen relevant ist, in denen personalpolitische Entscheidungen in unterschiedlichen Bereichen und häufig ohne genaue Kenntnis voneinander getroffen werden (Holtbrügge, 2005, S. 25). Institutionenökonomische Analysen betrieblicher Personalpolitik breiten sich seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre im deutschsprachigen Raum aus (Backes-Gellner, Lazear & Wolff, 2001, S. V). Zum Untersuchungsgegenstand im Rahmen dieser ökonomischen Ansätze gehören die mikroökonomische Betrachtung von Kooperationschancen und Interessenkonflikten im Arbeitsverhältnis (Sadowski, 2002, S. V), die Analyse effizienter Personalentwicklung und Entlohnung oder auch die Organisation unternehmensinterner Leistungswettbewerbe und interne Arbeitsmärkte (Backes-Gellner, Lazear & Wolff, 2001; Alewell & Martin, 2006, S. 283; siehe auch Jans, 2002, S. 1). Aufgrund der generellen Kritik und des äußerst prämissenabhängigen Erklärungsbeitrags (Williamson, 1985, S. 390 ff.; Richter & Furubotn, 2003; Eigler, 1997, S. 26; Alewell & Martin, 2006, S. 283), ist die mikroökonomische Herangehensweise umstritten. Zudem ist die Operationalisierung und Messung der entstehenden (Agenturbzw. Transaktions-)Kosten problematisch (Ebers & Gotsch, 2002, S. 224, 243). Insgesamt werden lediglich bekannte Tatbestände in mikroökonomischen Modellen abgebildet, so dass dieser „Modellplatonismus“ wenig praktischen und keinen theoriebildenden Nutzen hat (Scholz, 2000, S. 54). Jedem dieser theoretischen Ansätze sind in seiner Anwendbarkeit auf bestimmte Probleme Grenzen gesetzt. Meist werden die zugrundeliegenden Annahmen als zu restriktiv kritisiert. Die hier genannten institutionenökonomischen Ansätze thematisieren die Austauschbeziehungen zwischen Akteuren, konkrete ökonomische Institutionen hinsichtlich ihrer Verhaltenswirkung (Kieser, 2002, S. 199) und vertragstheoretische Problemstellungen (Jans, 2002, S. 1). Dabei greift die Transaktionskostentheorie beispielsweise Erklärungstatbestände wie Formierungsprozesse und -kontexte von Personalstrategien kaum auf (Jans, 2002, S. 2). Ihre Eignung für Analysen personalwirtschaftlicher Problemfelder ist stark eingeschränkt (Alewell & Martin, 2006, S. 287). Der ressourcenorientierte Ansatz verleiht dem strategischen HRM eher ein solides und theoretisches Fundament (Wright & McMahan, 1992, S. 300 ff.). Da in der personalstrategischen Forschung den Mitarbeitern eines Unternehmens ein sehr hoher Wert im Sinne der Erreichung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile beigemessen 16
wird (Becker & Gerhart, 1996, S. 780, 781), soll die Wichtigkeit des Themas der vorliegenden Arbeit mit diesem ressourcenorientierten Ansatz begründet werden (siehe Kapitel 3). Auch der kybernetische Systemansatz findet Eingang in diese Arbeit. Die Methode der systemdynamischen Modellierung entstammt der kybernetischen Denkweise und ermöglicht die Erfassung der Dynamik und Komplexität des Personalsystems. 2.2 Strukturierung des Personalmanagements 2.2.1
Ebenen und Dynamik innerhalb des Personalmanagements
Wie auch der allgemeine Managementprozess ist das Personalmanagement grundsätzlich in die drei Ebenen des strategischen, taktischen und operativen Personalmanagements zu untergliedern (Scholz, 2000, S. 88). Das operative Personalmanagement beschäftigt sich mit dem Management von Beschäftigungsverhältnissen in einem Unternehmen (Chadwick, 2005, S. 200; Scholz, 2000, S. 110). Es befasst sich ausschließlich mit der Umsetzung von Plänen und personellen Einzelmaßnahmen, wie beispielsweise dem Fähigkeitsprofil eines Mitarbeiters, dem Anforderungsprofil eines Arbeitsplatzes sowie individuellen Personalentwicklungs- und Förderungsmaßnahmen (Klimecki & Gmür, 1998b, S. 123; Scholz, 2000, S. 110). Dabei geht es auch darum, ob und wie die verfügbaren Personalbereiche und Adressaten des Personalmanagements in den Prozess der Implementierung beteiligt werden (Klimecki & Gmür, 2005, S. 421). Kennzeichnend für operatives Verhalten sind die Kurzfristigkeit umgesetzter Maßnahmen, die vorwiegende Einbindung unterer Hierarchieebenen sowie die starke Differenzierung der Teilpläne (Lucht, 2007, S. 43). Das dem operativen Personalmanagement gegenüberstehende Pendant ‚strategisches Personalmanagement’ findet erst in den letzten zwei Jahrzehnten verstärktes Forschungsinteresse (Ferris, Hochwarter, Buckley, Harrell-Cook & Frink, 1999, S. 385. 389). Es impliziert einen organisationalen Systemansatz (Chadwick, 2005, S. 200) und einen Bezug zur Firmenleistung (Mayson & Barrett, 2006, S. 448; Boxall & Purcell, 2000, S. 184). Forscher im Bereich des strategischen HRMs fokussieren mehr auf das Management der Belegschaft als Ganzes und auf die Kombination personalbezogener Maßnahmen als auf individuelle Aufgaben, deren Aufgabenträger und isolierte Maßnahmen (Lepak & Snell, 2002, S. 517). ‚Strategisch’ bedeutet demnach eher die Untersuchung globalerer Zusammenhänge innerhalb der Personalarbeit sowie die Zusammenhänge zwischen Personalarbeit und anderen Unternehmensfunktionen und weniger die Beschäftigung mit Details. Basierend auf Personalleitbildern und Unternehmensstrategien ergeben sich wenig ausdifferenzierte Personalstrategien, mit denen obere Hierarchieebenen für einen Zeitraum von in der Regel mehreren Jahren Ziel17
punkte definieren, an denen sich operative Maßnahmen ausrichten sollen (Lucht, 2007, S. 43; Horváth, 2006, S. 171; Klimecki & Gmür, 2005, S. 421 f.; Macharzina & Wolf, 2005, S. 258 ff.; Wimmer & Neuberger, 1998, S. 39; Kräkel & Schauenberg, 1998, S. 85). Dazu zählen beispielsweise Festlegungen zum Anteil an Auszubildenden, zum Umfang betrieblicher Weiterbildung, zur Belegschaftsstruktur nach quantitativen und qualitativen Kriterien oder auch zur Vergütungsstruktur bzw. zum Vergütungsniveau (von Eckardstein, 2004, S. 1620–1622; Scholl, 1998, S. 195; Weber, 1971, S. 134). Das strategische HRM4 geht davon aus, dass die Mitarbeiter5 eine Quelle des strategischen Wertes sind und durch ihre Entwicklung, Beschäftigung und Organisation gemeinsam mit anderen strategischen Ressourcen des Unternehmens zur Unternehmensleistung und Nachhaltigkeit beitragen (Lucht, 2007, S. 3; Wunderer & Dick, 2007, S. 76; Mayson & Barrett, 2006, S. 448). Oft wird deshalb die Personalstruktur als eine eigenständige erfolgs- und existenzsichernde strategische Zielgröße angesehen, denn infolge zunehmender Umweltkomplexität sind vor allem die Qualifikationen des Personals eine der wenigen nachhaltigen Erfolgspotenziale für die Unternehmensentwicklung (Klimecki & Gmür, 1998b, S. 351). Die taktische Ebene hat eine Vermittlerfunktion zwischen Strategie und Operation inne: zum einen werden strategische Vorgaben auf Gruppenbasis disaggregiert und der operativen Planung nahegebracht (top down), zum anderen werden Informationen des operativen Personalmanagements aggregiert und der strategischen Planung zur Verfügung gestellt (bottom up) (Scholz, 2000, S. 110). Die im Personalmanagement anfallenden Aufgaben werden auf jeder dieser drei Ebenen ausgeführt (Scholz, 2000, S. 88 ff.). Sie unterscheiden sich allerdings in ihrem jeweiligen Wirkungshorizont, in der Art der formulierten Ziele, der Analyseeinheit
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Einhergehend mit der strategischen Ebene des Personalmanagements findet der Begriff der ‚Personalpolitik’ in der Literatur Verwendung. Inzwischen hat sich ein duales Verständnis diese Bezeichnung betreffend herausgebildet: zum einen werden unter Personalpolitik Grundsatzentscheidungen im Personalbereich (policies) verstanden, zum anderen findet Personalpolitik Verwendung, um den politischen Prozess zur Durchsetzung oft divergierender Interessen (politics) auszudrücken (von Eckardstein, 2004, S. 1616 f.; zur Abgrenzung Martin & Nienhüser, 1998, S. 19, 157, 167; Scholl, 1998, S. 195; Bisani, 1995, S. 38 f.; Klimecki & Gmür, 1998a, S. 375, 384; Bartscher-Finzer & Martin, 1998, S. 115). Auch wenn beide Interpretationen zusammenhängen und Grundsatzentscheidungen aufgrund (personal-)politischer Prozesse ständigen Veränderungen unterliegen (Scholl, 1998, S. 195), spielt das prozessuale Verständnis in der vorliegenden Arbeit keine primäre Rolle. Personalpolitik wird aus diesem Grund im Folgenden als Grundsatz- bzw. Metaentscheidung rationaler Akteure der Unternehmensleitung (Alewell & Hackert, 1998, S. 34) verstanden. Damit entspricht dieses Politikverständnis aufgrund der inhaltlichen Beschreibung als Plan dem Begriff der Personalstrategie im Rahmen des strategischen Human Resource Managements (von Eckardstein, 2004, S. 1617). Anmerkung: Nach Holtbrügge werden Mitarbeiter wie folgt definiert: Mitarbeiter sind neben den Führungskräften individuelle Akteure des Personalmanagements, die in die Subtypen Arbeitnehmer (d. h. Arbeiter, Angestellte, Auszubildende sowie Volontäre/ Praktikanten), Arbeitnehmerähnliche, Leiharbeiter und Beamte unterschieden werden können (Holtbrügge, 2005, S. 33, 34).
sowie der Analyseart (Spengler, 2008, S. 11; Nicolai, 2007, S. 508 f.; Nolte, 2006, S. 14–15; Wimmer & Neuberger, 1998, S. 85, 104 f.). Die nachfolgende Abbildung fasst diese Kriterien zusammen. Strategisches Personalmanagement
Taktisches Personalmanagement
Operatives Personalmanagement
Erfolgswirkung: langfristig
Erfolgswirkung: mittelfristig
Erfolgswirkung: kurzfristig/ unterjährig
Zielformulierung eng verbunden mit Unternehmensplanung
Formulierung konkreter Ziele und Inhalte der Maßnahmen
Formulierung handlungsbezogener Maßnahmen
Analyseeinheit ist die globale Altersund Personalstruktur
Analyseeinheit sind gleichartige Stellen oder Qualifikationen
Analyseeinheit ist das Individuum
quantitativ
quantitativ und qualitativ
qualitativ
Abbildung 2-4:
Merkmale der Ebenen des Personalmanagements Quelle: Eigene Darstellung.
Den Rahmen für die Personalstrategie bildet zum einen die immanente Rückkopplung zwischen Entscheidungen und Ergebnissen aller drei Ebenen (Alewell & Hackert, 1998, S. 34; Kahle, 1998, S. 370). Das heißt beispielsweise, dass der Personalbestand und die Personalstruktur durch Reaktionen der Mitarbeiter auf gewisse strategische Entscheidungen beeinflusst werden und diese Veränderungen in Bestand und Struktur die personalpolitischen Möglichkeiten der Unternehmung bestimmen. Kahle spricht in diesem Zusammenhang von den „innerorganisatorischen Logiken“ (Kahle, 1998, S. 370). Zum anderen begründet die in hohem Grade marktlich determinierte Unternehmensstrategie bzw. -struktur das personalpolitische Vorgehen (ebenda). Dieser Rückkopplungsprozess ist in der Abbildung 2-5 visualisiert und erweitert den bekannten Managementzyklus. Dessen Grundbausteine der Zielfestlegung, der Messung der Ist-Situation, des Soll-Ist-Vergleichs sowie der sich anschließenden Korrekturmaßnahmen (Steahle, 1994, S. 517) sind integriert. Diese Darstellung zeigt die Abhängigkeiten innerhalb des Personalsystems (Insystem) sowie die Wechselwirkungen mit dessen Umsystem (Scholz, 1987, S. 64). Beginnend mit einem gewünschten Soll-Zustand des Personalsystems wird in der Literatur von einer Mehrfachzielsetzung gesprochen. Dabei müssen sowohl soziale Ziele im Sinne der Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt werden, als auch wirtschaftliche Ziele des Arbeitgebers (Mag, 2004, S. 1602; Hafeez, Aburawi & Norcliffe, 2004, S. 1). Letztere beinhalten die Versorgung des Unternehmens mit der richtigen Quantität und der richtigen Qualität von Mitarbeitern, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu möglichst kostengünstigen Bedingungen (Breyer-Mayländer, 2004, S. 175; von Eckardstein, 2004, S. 1620–1622). Der Vergleich dieses definierten Zustands mit dem
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aktuellen Zustand des Personalsystems kann Diskrepanzen aufdecken, die es durch korrektive Handlungen zu reduzieren gilt (Sterman, 2004, S. 114). Legende:
+
vs. vs.
+
Positiver Kreislauf = sich selbstverstärkender Prozess
Unternehmensleistung
Negativer Kreislauf = sich selbst ausgleichender Prozess Kausalzusammenhang = x bewirkt y
gewünschte Unternehmensleistung
Kausalzusammenhang mit Verzögerungswirkung Einfluss auf Umsystem Verzögerung durch Aggregation
Soll-Zustand des Personalsystems
Ist-Zustand des Personalsystems Verzögerung durch Messung, Berichterstattung
operative Umsetzung
Verzögerung durch Disaggregation
Personalstrategie Balance zwischen Stabilisierung und Flexibilisierung
Diskrepanz
Diskrepanz.
ressourcenorientiert
Unternehmensstrategie Strategische Stimmigkeit
Verzögerung durch Beratung, Abwägung der Alternativen
marktorientiert
Abbildung 2-5: Dynamik des Personalmanagement-Feedback-Prozesses Quelle: Eigene Darstellung, i.A. an Aussagen von Lucht, 2007, S. 114; Sterman, 2004, S. 114; Scholz, 1987, S. 64 ff.; Scholz, 2000, S. 110; Staehle, 1994, S. 517-520; Breyer-Mayländer, 2004, S. 175; Klimecki & Gmür, 2005, S. 112, 390; Klimecki & Gmür, 1998a, S. 380; Walgenbach, 1998, S. 267 f.
Da die Personalstrategie ausschlaggebend ist für die Maßnahmen auf operativer Ebene, muss diese zunächst in Richtung des Soll-Zustandes ausgerichtet werden. Die Anpassung der Personalstrategie geschieht allerdings nicht autonom. Inwiefern die Unternehmensstrategie ihren Einfluss geltend macht, diskutierte Scholz in seiner Arbeit. Von den vier Möglichkeiten – 1. völlige Unabhängigkeit beider Strategien, 2. Personalstrategie folgt der Unternehmensstrategie, 3. Unternehmensstrategie folgt der Personalstrategie und 4. Personalstrategie ist Teil der Unternehmensstrategie – sei lediglich die letzte Alternative zielführend (Scholz, 2000, S. 91 f.; Oechsler, 2006, S. 138), da nur dann alle Ressourcen in der bestmöglichen Verbindung genutzt werden könnten (Scholz, 2000, S. 93; Bell, 1974, S. 8). Während die Personalstrategie mit ihrer Ressourcenorientierung die Signifikanz von Human Ressourcen für den unternehmerischen Erfolg erklärt, macht die Unternehmensstrategie mit ihrer Produkt- und Marktorientierung die Vorgaben für den Personalbereich (Lucht, 2007, S. 114; Scholz, 2000, S. 92). Die strategieadäquate Ausrichtung ist notwendige Bedingung für strategisches Verhalten und für strategische Effizienz (Scholz, 1987, S. 66). Sind beide Strategien aufeinander abgestimmt, werden die personalstrategischen Vorgaben auf taktischer Ebene im operativen Personalmanagement umgesetzt und die Mitarbeiter dazu veranlasst, einen Beitrag zur Erreichung der organisationalen Ziele zu leisten (Walgenbach, 1998, S. 267 f.). Der Zyklus schließt sich mit der Messung der erreich20
ten Ergebnisse und einem erneuten Soll-Ist-Vergleich (Bröckermann, 1997, S. 432; Steahle, 1994, S. 517). Entscheidend für das Verständnis der aus diesem Feedback-Prozess resultierenden Dynamik sind unter anderem die Zeitverzögerungen. Diese sind eine wichtige Ursache des Kräftespiels in nahezu allen Systemen6 (Sterman, 2004, S. 409). Solche Verzögerungen ergeben sich beispielsweise dadurch, dass Handlungsbedarfe erst wahrgenommen, entsprechende Messungen durchgeführt, Berichte erstattet, Handlungsalternativen erarbeitet (Maasch, 1996, S. 17–18, Sterman, 2004, S. 409) bzw. auf taktischer Ebene Vorgaben disaggregiert und Informationen aggregiert werden müssen (Scholz, 2000, S. 110). Andererseits resultiert das dynamische Verhalten eines solchen Systems aus den jeweiligen Rückkopplungsschleifen, die entweder selbstverstärkend (positive Rückkopplung) oder selbstkorrigierend (negative Rückkopplung) sein können (Sterman, 2004, S. 13). Der Einfluss der Unternehmensstrategie auf die Personalstrategie und umgekehrt sind positive Verknüpfungen, da sie aufeinander abgestimmt und damit einen sich selbst verstärkenden Prozess bedingen. So bedeutet diese Selbstverstärkung einerseits, dass die Festlegung eines reduzierten Personalbudgets auf Unternehmensebene die Eingrenzung der Weiterbildungsplanungen nach sich zieht. Andererseits führt eine unternehmerische Expansionsentscheidung zur gesteigerten Personalbeschaffungsplanung. Soll-Ist-Vergleiche in einem System provozieren dagegen immanente Korrekturen aufgrund des angestrebten Gleichgewichtszustandes (Sterman, 2004, S. 13). Ausschlaggebend ist der gemessene aktuelle Systemzustand: je mehr die Ergebnisse dem gewünschten Ziel entsprechen, desto geringer die Differenz (negative Verknüpfung), desto weniger Handlungsbedarf (positive Verknüpfung) und desto geringer die Veränderung des Systems (positive Verknüpfung). Ein Beispiel mit dem gewünschten Ziel einer dauerhaften Personalbedarfsdeckung verdeutlicht dieses Prinzip: Ergibt die jährliche Personalbestandsanalyse eine Unterdeckung, folgt eine erhöhte Soll-Ist-Diskrepanz, die einen erhöhten personalstrategischen Handlungsbedarf impliziert. Beispielsweise folgen daraus Entscheidungen zum Ausbau des internen Arbeitsmarktes und der Medienoptimierung für Stellenanzeigen (Scholz, 2004, S. 389 ff.). Auf operativer Ebene führen diese Entscheidungen z. B. zu ver-
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Vgl. Bossel, 2004, S. 35 f.: Viele Objekte in der Erfahrungswelt werden als System bezeichnet. Zentrale Kriterien, um ein Objekt als System zu verstehen, sind 1. ein vorhandener Systemzweck, 2. vorhandene Wirkungsverknüpfungen zwischen Systemelementen sowie 3. die vorhandene Systemintegrität, d. h. Unteilbarkeit des Systems. Es wird von dynamischen Systemen gesprochen, wenn Systeme in einem relevanten Zeitraum ihren Zustand verändern. Dynamische Systeme sind gekennzeichnet durch Rückkopplungsprozesse, die Unterscheidung von Bestands- und Bewegungsgrößen, Zeitverzögerungen und nichtlinearem Verhalten über die Zeit (Sterman, 2004, S. 12). Ausführlich dazu im Kapitel „Systemdynamik“.
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stärkten Personalentwicklungsgesprächen und Umsetzung von Fördermaßnahmen bzw. zu verstärkter externer Personalsuche und Personalauswahl. Erfolg dieser Aktivitäten würde sich am Ende dieser Periode in einer reduzierten Soll-Ist-Differenz äußern. Dieser Prozess ist iterativ. Er zielt auf Stabilität ab, erfordert aber gleichzeitig Flexibilität für Anpassung (Breyer-Mayländer, 2004, S. 175; Klimecki & Gmür, 2005, S. 112). Der dritte Wirkungskreislauf bezieht sich auf den Beitrag der Personalarbeit, bspw. in Form von Produktivitätskennzahlen (Gmür & Schwerdt, 2005, S. 223–224) oder Kündigungsquoten (Wright & McMahan, 1992, S. 306), zur Unternehmensleistung. Einige Studien aus der Erfolgsfaktorenforschung zeigen, dass der Einfluss personalwirtschaftlicher Maßnahmen auf den Unternehmenserfolg nicht zu unterschätzen ist (Bonn, Gmür & Klimecki, 2004, S. 19; Wächter, 1974, S. 128; Holtbrügge, 2007, S. 6). Insbesondere die Personalplanung (Koch & McGrath, 1996, S. 335 ff.), das Verhaltensmanagement – bspw. durch leistungsorientierte Entgeltmodelle (Delery & Doty, 1996, S. 802 ff.) sowie Personalauswahl, Training und Anreizsysteme (Delaney & Huselid, 1996, S. 949 ff.; Gmür & Schwerdt, 2005) – tragen zur Unternehmensleistung entscheidend bei (Shipton, West, Dawson, Birdi & Patterson, 2006, S. 4, 19). Da die erreichte gesamtorganisationale Leistung wiederum mit einem Soll-Wert verglichen und die Unternehmensstrategie entsprechend der Diskrepanz angepasst wird, handelt es sich auch hierbei um eine negative Wirkungsschleife. Entsprechend dieser entstehenden Dynamik und des langfristigen Wirkungshorizonts allein im Personalsystem muss kaum mehr betont werden, dass Personalarbeit zukunftsorientiert ausgerichtet und sich gegenseitig beeinflussende Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden müssen (Köchling, 2002, S. 12). Gerade die Wirkungszusammenhänge personalbezogener Handlungen sind entscheidender für den Unternehmenserfolg als eine spezifische Variable allein (Shipton et al., 2006, S. 4, 19). 2.2.2
Strategische Personalplanung als Teil des strategischen HRMs
An der Prozesslogik der Personalarbeit ausgerichtet, definierte Scholz 9 Felder im Personalmanagement (Scholz, 2000, S. 83). Allerdings sind diese personalwirtschaftlichen Funktionen in der Literatur nicht eindeutig. Entsprechend argumentierte Drumm, dass die Aufzählung und Analyse aller personalwirtschaftlicher Problemfelder aufgrund des kontinuierlichen Wandels personalwirtschaftlicher Probleme weder sinnvoll noch hilfreich ist (Drumm, 2008, S. 32). So ist die Ausrichtung und Bedeutung des Personalwesens wohl auch mit der Größe des Unternehmens verknüpft (Tiedtke, 2007, S. 344; Mag, 2004, S. 1612). Die strategische Personalplanung ist ein wesentlicher Teil des strategischen Personalmanagements und damit der strategischen Unternehmensplanung (Wilson, 1971, S. 3; Idris & Eldridge, 1998, S. 349). Wie auf der übergeordneten Ebene des Personal22
managements wird die Personalplanung ebenfalls in die strategische, die taktische und die operative Personalplanung unterschieden. Die strategische Personalplanung ist dabei der Ausgangspunkt aller anderen Personalplanungsebenen (Beck, 2002, S. 109) und kann als Schnittstelle zwischen operativer bzw. taktischer Personalplanung und strategischer Unternehmensplanung verstanden werden (Wimmer & Neuberger, 1998, S. 43, 51). Bereits die Darstellung des simplifizierten Managementprozesses zeigt, wie wechselseitig abhängig die Personalstrategie in das Gesamtsystem eingebunden ist. Die Verknüpfung mit weiteren exogenen und endogenen dynamischen Subsystemen wurde in dieser Abbildung noch nicht verarbeitet. Die strategische Personalplanung ist allerdings interdependent verwoben, so dass von einem multioperativen, multitemporalen und multipersonalen Vorgang gesprochen werden kann (Witte, 1968, S. 625 ff.). Um in diesem Komplexitätsraum überhaupt fundierte, zielorientierte Entscheidungen treffen zu können, muss dieser strukturiert und zielorientiert reduziert werden (Weinmann, 1978, S. 24–25). Entsprechend wird die Personalplanung in diverse Teilplanungen gegliedert. Welche Teilplanungen in welchem Ausmaß zur Personalplanung gehören, wird in der Literatur allerdings nicht einheitlich sondern kontextabhängig definiert (vgl. dazu u. a. Holtbrügge, 2005; Scholz, 2000; Mag, 2004; Jung, 2008, S. 37). Den kleinsten gemeinsamen Nenner bilden die Bedarfsplanung (Soll), die Bestandsplanung (Ist) und die Veränderungsplanung, bestehend aus der Beschaffungs-, der Entwicklungs- sowie der Freisetzungsplanung (Mag, 2004, S. 1604; Scholz, 2000, S. 383; Khoong, 1996, S. 26–27; Nolte, 2006, S. 14–15; Wimmer & Neuberger, 1998, S. 104–105; Holtbrügge, 2005, S. 73). Entsprechend der oben verwendeten Darstellungsweise ergibt sich für die strategische Personalplanung folgender Feedback-Prozess (vgl. Abbildung 2-6).
Ersatzbedarfsplanung Erweiterungsbedarfsplanung Reservebedarfsplanung Bedarfsplanung
auf Basis der Analyse der Bestands- und Bewegungsdaten Bestandsplanung
Beschaffungsplanung Entwicklungsplanung Freisetzungsplanung Veränderungsplanung
Diskrepanz
Abbildung 2-6:
Teilpläne der strategischen Personalplanung Quelle: Eigene Darstellung.
Auch im Rahmen der Personalplanung geht es entsprechend darum, zukünftige Entwicklungen, Ereignisse und Situationen zu antizipieren (Nolte, 2006, S. 13) und im 23
Zusammenhang zu betrachten (Zülch & Becker, 2008, S. 7). Der definierte SollZustand wird mit dem Ist-Zustand verglichen. Korrektive Handlungen reduzieren die potenzielle Diskrepanz in Richtung des gewünschten Zustands. Dieser sich selbstkorrigierende Feedback-Prozess ist iterativ (Beck, 2002, S. 109). Es ist festzuhalten, dass die Personalplanung – zumindest in der Wissenschaft – als der Inbegriff eines idealtypischen rationalen Personalmanagements gilt, denn im Gegensatz zu einer ad hoc betriebenen Personalarbeit steht sie für Konzepte wie Strategie, Integration und Zukunftsorientierung (Wimmer & Neuberger, 1998, S. 4). Ihre Aufgabe ist es, durch Analyse vergangener und zukünftiger Entwicklungen die Unternehmen vor den Auswirkungen unerwarteter Ereignisse wie etwa Personalengpässen oder teuren Personalüberhängen zu schützen (Wimmer & Neuberger, 1998, S. 5). Strategische Personalplanung findet unternehmensspezifisch mit eigens festgelegten zweckdienlichen Methoden statt und umfasst folgende zusammenhängende Elemente (Wimmer & Neuberger, 1998, S. 10-11; Bell, 1974, S. 9 f., 69 f.; Walker, 1969, S. 154 f., 173; Maasch, 1996, S. 34): systematische Analyse der internen Personalsituation nach relevanten Kriterien, Analyse des externen Personalangebots hinsichtlich Erwerbspersonenpotenzial nach Qualifikation in der relevanten Region und abhängig von der Konkurrenznachfrage, Planung bzw. Prognose des Personalbedarfs nach relevanten Kriterien, zielorientiertes Vorgehen und Abgleich mit der Unternehmensplanung, Entwicklung von Handlungsalternativen zur Erreichung der Ziele, Entscheidungsfindung und Anweisung zur Realisierung der gewählten Alternative, Implementierung sowie spätere Evaluation des Beitrags der Maßnahmen hinsichtlich des angestrebten Ziels. Diese Prozesselemente spiegeln die einzelnen Schritte des in Abbildung 2-5 visualisierten Management-Feedback-Prozesses wider. Es handelt sich um ein iteratives Vorgehen. Wichtig ist dabei, dass die Personalplanung sowohl mit den Subsystemen der Organisation als auch mit der Umwelt, vor allem mit dem Arbeitsmarkt, interagiert (Idris & Eldridge, 1998, S. 347; Holtbrügge, 2007, S. 4; Wright & McMahan, 1992, S. 306). Die Vorteile einer effektiven Personalplanung liegen arbeitgeberseitig in der Steuerung hin zu einer adäquaten Personalausstattung, in der daraus folgenden Möglichkeit, Personalkosten zu senken und Gewinne zu steigern, sowie in der Umsetzbarkeit der personalpolitischen Vorgaben der Unternehmensplanung (Prezewowsky, 2007a, S. 14; Wimmer & Neuberger, 1998, S. 80–85). Zudem ist langfristige Planung relevant, um den gestiegenen Bedarf an Hochqualifizierten trotz langwieriger Beschaffungs- und Ausbildungszeiten zu decken (Walker, 1969, S. 153). Aus Arbeitnehmersicht schafft eine systematische Personalplanung mehr Sicherheit des Arbeitsplatzes 24
und verhindert negative Auswirkungen bei technischem oder organisatorischem Wandel (Wimmer & Neuberger, 1998, S. 80–85). Die Akzeptanz einer Personalplanung steigt zusätzlich, wenn es einen erhöhten Problemdruck beispielsweise aufgrund des demografischen Wandels gibt, wenn die Personalplanungsmethode effizient und effektiv ist, wenn die Entwicklung und der Einsatz der Methode durch Fachpromotoren und Machtpromotoren7 unterstützt wird und wenn die Planungsmethode keine subjektiven Ermessensspielräume reduziert (Scholz, 1994, S. 42; RKW, 1996, S. 27). 2.2.2.1 Strategische Personalbedarfsplanung Die strategische Personalbedarfsplanung steht am Anfang des Planungsprozesses. Sie ist Bindeglied zwischen der Produkt- und Marktstrategie und der Organisationsstrukturstrategie (Scholz, 2000, S. 251, 260; Kossbiel, 1992, S. 1603 f.; Nolte, 2006, S. 15–16; Edwards, 1983, S. 1032 f.). Ihre Aufgabe besteht in der Ermittlung des zur Erfüllung der Unternehmensaufgabe erforderlichen Soll-Personalbedarfs (Mag, 2004, S. 1602; Khoong, 1996, S. 26–27), der entweder als eine Gesamtzahl oder als Zahlentupel8 ausgedrückt werden kann (Kossbiel, 1992, S. 1596). Der Personalbedarf gibt an, wie viele Mitarbeiter (quantitative Dimension), mit welcher Qualifikation (qualitative Dimension), zu welcher Zeit (temporale Dimension), an welcher Stelle des Unternehmens (lokale Dimension) erforderlich sind (Scholz, 2000, S. 251; Kossbiel, 1992, S. 1597; El Agizy, 1971, S. 131; Mag, 2004, 1604 f.). Bei der Auswahl der Bedarfsplanungsinstrumente spielt unter anderem die Dynamik der Umwelt eine Rolle. So werden in einer eher statischen Umwelt arbeitswissenschaftliche sowie mathematische Verfahren wie Trendverfahren, Korrelation/ Regression und Modellbildung/ Simulationen eingesetzt; in einer dynamischen Umwelt finden vor allem intuitive Verfahren wie Schätzungen, Funktionendiagramme, Netzplantechnik und die Stellenplan-/ Arbeitsplatzmethode Anwendung (ausführlich dazu Oechsler, 2006, S. 166).
7
8
Das Promotorenmodell wurde primär entwickelt, um Innovationsprozesse zu erklären und zu gestalten (Witte, 1999, S. 11). Die Aufgabe des Fachpromotors innerhalb eines Innovationsprozesses ist es, mit objektspezifischem Fachwissen sachliche Problemlösungen zu erarbeiten und den Machtpromotor, d. h. eine hochrangige Führungsperson, bei der Durchsetzung des Innovationsprozesses und Überzeugungsarbeit zu unterstützen (Pietsch, 2003, S. 75). Das Ursprungs-Promotorenmodell aus den frühen 1970er Jahren wurde im Laufe der Zeit insbesondere durch Hauschildt und Chakrabarti weiterentwickelt, die den ProzessPromotor neu in das Modell aufgenommen haben (Wieseke, 2004, S. 148). Verschiedene Teilpersonalbedarfe können sich aus der Differenzierung nach der Qualifikation des Personals bzw. nach der organisatorischen Einbettung ergeben.
25
Personalbedarf ist differenzierbar in den Ersatzbedarf, den Erweiterungsbedarf sowie den Reservebedarf (Nicolai, 2007, S. 508 f.). Der Erweiterungsbedarf ergibt sich ausschließlich aus der Unternehmensplanung. Soll beispielsweise eine bestimmte Abteilung personell ausgebaut bzw. neu aufgebaut werden, entsteht entsprechend der zeitlichen, räumlichen, qualitativen und quantitativen Vorgaben zusätzlicher Bedarf an Mitarbeitern. Ersatzbedarf, der sich auf die aktuellen und voraussichtlichen Mitarbeiterabgänge bezieht, und Reservebedarf, mit dem personelle Fehlzeiten kompensiert werden sollen, (Nicolai, 2007, S. 508 f.) sind sowohl von der Unternehmensstrategie als auch von der Dynamik des Insystems abhängig. Feststehende Personalab- und -zugänge bestimmen beispielsweise den Ersatzbedarf, wenngleich strategisch bedingt nicht jede Kündigung, Pensionierung etc. einen solchen Bedarf auslöst (Weinmann, 1978, S. 173; Oechsler, 2006, S. 165; Bell, 1974, S. 43). Die Bedarfsplanung und die Bestandsplanung sind demnach nicht trennscharf voneinander abzugrenzen (Scholz, 2000, S. 329). Die Abbildung 2-7 stellt deshalb die Zusammenhänge zwischen den Arten des Personalbedarfs und die Veränderungsgrößen vereinfacht und nur auf die Quantität bezogen dar.
+
Bestand t0
feststehende Zugänge
voraussichtliche / feststehende Abgänge
Anzahl der Mitarbeiter
-
Bewegung t0-t1
Variante 1:
Variante 2:
Variante 3:
Bestand t1 bei Bestand t1 bei Bestand t1 bei übererfüllter erfüllter nicht erfüllter BedarfsBedarfsBedarfsdeckung deckung deckung
Abbildung 2-7:
+
t0 t0-t1 t1
Soll-Personalbestand davon: Reservebedarf Erweiterungsbedarf Ersatzbedarf Personelle Unterdeckung Personelle Überdeckung Ist-Personalbestand Bewegungsgrößen Stichtag der Periode Zeitraum zwischen t0 & t1 Stichtag der Folgeperiode
Differenzierung und Zusammenhänge der Personalbedarfsarten Quelle: Eigene Darstellung i. A. an Nüssgens, 1975, S. 103; Wimmer & Neuberger, 1998, S. 99; Oechsler, 2006, S. 165.
Ausgehend von einem fiktiven Personalbestand zum Zeitpunkt t0 verlangen die unternehmensstrategisch vorgegebene Sollgröße sowie diverse Personalbewegungen im Verlauf der Folgeperiode (t0-t1) korrektive Handlungen zur Deckung der verschiedenen Personalbedarfe zum Zeitpunkt t1. Bereits hier wird deutlich, dass die Bewegungsgrößen, d. h. die Fluktuation bzw. Schwankung (Baillod, 1992, S. 11), den ent26
scheidenden Einfluss auf den Bestand der Folgeperiode haben. Da überhastete Personalbeschaffungen und Umsetzungen von Personalentwicklungsmaßnahmen ebenso wie dringende Personalfreisetzung aufgrund von Personalüberhängen sehr kostenintensiv sind (Scholz, 2000, S. 251), gilt es, dies durch gute Planung zu vermeiden. Möglich ist dies einerseits durch eine gute Unternehmensstrategie, andererseits durch eine solide Personalbestandsplanung, deren Grundlage der oft unzureichend verwendete, aber vorhandene Datenbestand jeder Organisation ist. 2.2.2.2 Strategische Personalbestandsplanung Die Personalbestandsplanung „ist die Feststellung des Status quo der Kenntnisse und der demografischen Charakteristika zu einem bestimmten Planungszeitpunkt und eine darüber hinaus gehende Prognose der künftigen Entwicklung dieser Struktur [...]“ (Nolte, 2006, S. 15–16). Das heißt: Während bei der Personalbedarfsplanung vom Soll gesprochen wird, gilt es bei der Personalbestandsplanung, das Ist und das Wird zu analysieren. Letzteres scheint besondere Schwierigkeiten zu verursachen, denn für eine Prognose spielt die aus den Veränderungen über die Zeit (Bell, 1974, S. 43) sowie aus den Verzögerungen resultierende interne Dynamik der Personalstruktur die wesentliche Rolle (vgl. dazu Khoong, 1996, S. 26 f.). Basis für die strategische Bestandsplanung ist die Analyse des Ist-Bestandes. Darunter wird „die zahlenmäßige Verteilung der Gesamtbelegschaft nach mindestens einem Kriterium“ verstanden (Scholz, 2000, S. 337). Nützliche Kriterien sind z. B. das Alter der Organisationsmitglieder, der Dienstrang und die Qualifikation (Holtbrügge, 2005, S. 73; Scholz, 2000, S. 337; Huber, 1974, S. 32). Die Personalbestandsanalyse hat nicht nur eine entscheidungsvorbereitende Funktion für die Personalveränderungsplanung. Eine nach mehreren Merkmalen differenzierte Auflistung des Personalbestands bildet darüber hinaus die Basis für die Berechnung diverser Personalkennzahlen (Martina & Hartung, 2005, S. 15; Schulte, 1990, S. 18 ff.), die in bestimmten Berichterstattungen Verwendung finden können (Scholz, 2000, S. 330; Nagels & DaCruz, 2007, S. 63). Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist diese Bestandsanalyse unter dem Begriff der Altersstrukturanalyse (Gesellschaft für Arbeitsschutz- und Humanisierungsforschung mbH Volkholz und Partner, 2006, S. 29) auch im nicht wissenschaftlichen Sprachgebrauch populär geworden. Inzwischen gibt es viele verschiedene
27
Anbieter, die sich der Programmierung von Altersstrukturanalyse-Werkzeugen verschrieben haben.9 Für die Bestimmung des zukünftigen Bestandes (Wird) sind allerdings nicht nur Bestandsdaten erforderlich, sondern viel wesentlicher die Bewegungsdaten über einen möglichst langen Vergangenheitszeitraum hinweg. Erst mit diesen Bewegungsdaten können die zukünftigen Veränderungen abgeschätzt bzw. prognostiziert werden. So betonte Edwards bereits 1983: “It should be stressed that if data on leavers are not currently available, there is no alternative but to wait until some collecting has been done; manpower planning models without leavers data are of little value, and ‘borrowing’ wastage figures from elsewhere is extremely inadvisable” (Edwards, 1983, S. 1036). Bewegung, synonym auch Fluktuation, ist ein universeller Prozess in sozialen Systemen, der in der betriebswirtschaftlichen Forschung sowohl zwischen- als auch innerbetriebliche Schwankung, d. h. entweder Zunahme oder Abnahme des Personalbestandes, meint (Weller, 2007, S. 7–8). Personalbewegungen sind jene Vorgänge, „die als intervenierende Variablen in die personalpolitische Zweck-Mittel-Relation eingreifen“ (Dincher, 1992, S. 873). Die in der Abbildung 2-7 benannten Personalzugänge und Personalabgänge können nach Gründen weiter untergliedert werden. Personalzugänge sind unterteilbar in Neueintritte/ Neueinstellungen, Wiedereintritte und Betriebswechsel, d. h. Zugänge aus getrennt verwalteten Betriebseinheiten. Personalabgänge umfassen die durch das Unternehmen veranlassten Abgänge/ Entlassungen, die individuumsinitiierten Abgänge aus privaten Gründen und die unvermeidbare Fluktuation. Letztere ist definiert durch natürliche, d. h. weder betrieblich noch individuell verursachte Bewegungen wie Renteneintritt, Tod bzw. Krankheit (Dincher, 1992, S. 874) sowie den Ausstieg aus dem Unternehmen aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages. Die Integration der innerbetrieblichen Stellenwechsel zum Fluktuationsbegriff ist nicht unumstritten, da es sich „um differenziert zu bewertende und zu behandelnde Phänomene“ handelt (Dincher, 1992, S. 874). Da diese intraorganisationalen Bewegungen vor allem auf taktischer und operativer Ebene der Personalbestandsplanung entscheidend sind (Scholz, 2000, S. 360, 363) und diese für das Projektunternehmen keine Relevanz haben, beschränken sich die weiteren Ausführen auf die interorganisationalen Personalzu- und -abgänge.
9
28
Detaillierte Ausführungen dazu im Abschnitt 2.3.3.
Personalbewegungen
Neueintritt Wiedereintritt
Aufstieg Personalzugänge
Personalabgänge
Innerbetriebliche Stellenwechsel
Betriebswechsel
Umsteigen Abstieg Pensionierung
Entlassung
Organisationsinitiierte Fluktuation
Individuumsinitiierte Fluktuation
Unvermeidbare Fluktuation
Tod/ Krankheit Fristablauf
Selbständigkeit
Abbildung 2-8:
Firmenwechsel
Aussetzen
Personalbewegungen Quelle: Eigene Darstellung i. A. an Baillod, 1992, S. 20. Grauschattierungen zeigen die Bewegungen, die für die vorliegende Arbeit relevant sind.
Festzuhalten ist, dass eine Personalbestandsplanung nicht nur auf einer Bestandsanalyse, sondern auf einer Bestands- und Bewegungsgrößen-Analyse beruht (Maasch, 1996, S. 34; Bell, 1974, S. 77–96; Edwards, 1983, S. 1036). Selbst wenn insbesondere die unvermeidbaren Personalbewegungen die Unsicherheit der Planung erhöhen (Weinmann, 1978, S. 177–178), ist es wichtiger die Fluktuation so weit wie möglich zu integrieren, als auf sie zu verzichten und damit statisch zu planen. Denn Personalbewegungsdaten, getrennt nach Mitarbeitergruppen bestimmter Organisationseinheiten und nach Fluktuationsarten, sind entscheidende Informationen für Bestandsentwicklungsberechnungen und die Entwicklung von Simulationsmodellen zur Bestandsplanung (Maasch, 1996, S. 41). Zudem ergeben sich aus Auswertung der Fluktuation wertvolle Hinweise für die Personalbindungsstrategien, denn letztlich sind die direkten und indirekten Kosten der Fluktuation, wie z. B. Rekrutierungs-, und Einarbeitungskosten, Kosten durch potenzielle Leistungsabnahme nach Kündigung, Kosten durch das Auslösen weiterer Kündigungen, betriebswirtschaftlich nicht zu unterschätzen (Baillod, 1992, S. 15–18; Nieder, 2004, S. 759). Je detaillierter und gruppenspezifischer die Personaldaten ausgewertet werden sollen, desto mehr sind spezifische Lösungstechniken erforderlich (Scholz, 2000, S. 338). Um das Wird zu bestimmen, stehen nach Scholz der strategischen Personalbestandsplanung folgende Methoden zur Verfügung (Scholz, 2000, S. 338-356): einfache Simulationsstudien: Neben Personalbestand werden historische und sachlogische Beziehungen quantifiziert und in einem „simplen Tabellenkalkulationsblatt“ (Scholz, 2000, S. 340) eingepflegt. Die Einsatzbereiche sind allerdings begrenzt. 29
Analyse durch Markoff-Ketten: Sie erlauben das Abschätzen der zu erwartenden Entwicklung der Personalstruktur, indem Personalbewegungen der Vergangenheit analysiert werden. Daraus ergeben sich sogenannte Übergangswahrscheinlichkeiten. Allerdings sind diese Wahrscheinlichkeiten konstant, da Rückkopplungen im System nicht berücksichtigt werden. Endogene Parameteränderungen sind demnach nicht möglich. Analyse mit System-Dynamics-Modellen: systemdynamische Modelle bauen auf dem aus der Kybernetik bekannten Bestands-Fluss-Größen-Konzept auf. Ein Bestand ändert sich demnach durch diverse Zuflüsse (Personalzugänge) und Abflüsse (Personalabgänge). Diese Flüsse sind zeitabhängig (bspw. 20 Mitarbeiter pro Jahr) und verursachen dadurch die realistischen Verzögerungen. Die Zusammenhänge lassen sich mit spezifischer Software zunächst grafisch darstellen und anschließend in ein mathematisches Modell überführen. Es sind jederzeit Parameteränderungen exogener und endogener Art durchführbar. Dadurch ist es möglich, über die reine Bestandsprognose hinaus verschiedene Szenarien durch simultane Veränderung mehrerer Parameter am Modell zu evaluieren. Dieses Vorgehen kann konkrete Handlungen in der Realität konstatieren. Ein weiterer Vorteil zu den anderen methodischen Ansätzen ist, dass bei systemdynamischen Modellen nicht nur konstante, sondern auch variable Raten abgebildet werden können. Ein in der Literatur dokumentiertes Planungsmodell mit System Dynamics stammt von Weinmann (1978), basierend auf Daten der BASF Ludwigshafen. Da allerdings die Nachfrage nach präzisen Personalplanungstechniken der 70er Jahre aufgrund drastischer politischer und ökonomischer Veränderungen Ende der 80er und 90er Jahre abnahm, wurden formale, quantitative Verfahren weniger und qualitative Verfahren wie die Szenarioplanung mehr und mehr nachgefragt (Wimmer & Neuberger, 1998, S. 50–51). Wahrscheinlich erlebten formale Verfahren auch aufgrund der dynamischen Effekte der Bevölkerungsentwicklung eine Renaissance. Jüngere systemdynamische Modelle kommen von Maasch (1996), basierend auf Daten des gesamten Personalbestands der BASF AG Ludwigshafen sowie von Schwarz (2006), basierend auf Bereichsdaten der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Insbesondere bezogen auf die Methodeneffizienz und Methodeneffektivität basieren Planungen sehr häufig auf Prognosen, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern und die Wahrscheinlichkeit der Erreichung gewünschter Zustände zu erhöhen (Ackoff, 1970, S. 4). Über die Schaffung einer höheren Planungssicherheit hinaus ist ein Personalprognosemodell ressourcenschonend, da unterschiedliche Szenarien unter Einbeziehung organisationsspezifischer Besonderheiten am Modell simuliert werden können (Günther & Berendes, 2007, S. 15). Weiterhin argumentierte Walker bereits 1969, dass mit Personalprognosemodellen Nachbesetzungen für regulär aussteigende Schlüssel30
personen langfristig geplant sowie strategische Rekrutierungsprogramme für Ersatzbedarfe definierbar sind und sie dadurch letztendlich die organisationale Effektivität verbessern (Walker, 1969, S. 161). Kurzfristige Planungen oder Korrekturen sind nur notwendig, weil sofortiger Handlungsbedarf durch nicht erwartete Entwicklungen entstanden ist (Walker, 1969, S. 154; Wächter, 1974, S. 17). 2.2.2.3 Strategische Personalveränderungsplanung Schließlich ist die Personalveränderungsplanung der Teil der Personalplanung, mit der bestimmte Fehlentwicklungen bzw. identifizierte Diskrepanzen zwischen Bestand und Bedarf korrigiert werden sollen (Edwards, 1983, S. 1032–1034; Bell, 1974, S. 77 ff.). Als Maßnahmen zur Bedarfsdeckung (Holtbrügge, 2005, S. 73) stehen dabei die Personalbeschaffung, die Personalentwicklung sowie die Personalfreisetzung zur Auswahl, die Scholz folgendermaßen systematisiert hat: qualitativer Bedarf quantitativer Bedarf Bestand < Bedarf
Bestand = Bedarf
Bestand > Bedarf
Abbildung 2-9:
Bestand < Bedarf
1
Beschaffung und Entwicklung
Bestand = Bedarf
2
4 Entwicklung/ Beschaffung
5
7 Entwicklung/ Beschaffung
8
und evtl. punktuelle Freisetzung
und punktuelle Freisetzung
Beschaffung und evtl. punktuelle Entwicklung
evtl. punktuelle Entwicklung punktuelle Entwicklung punktuelle Freisetzung
Bestand > Bedarf
3
Beschaffung und evtl. punktuelle Entwicklung
evtl. punktuelle Entwicklung und punktuelle Freisetzung
6 9
punktuelle Entwicklung Freisetzung
Anlässe und Formen der Personalveränderung Quelle: i. A. an Scholz, 2000, S. 383.
Entsprechend dem quantitativen, d. h. zahlenmäßigen, und qualitativen, d. h. fähigkeitsbezogenen, Ist- und Sollabgleich ergeben sich verschiedene Maßnahmen. Ist der jeweilige Bestand geringer als der Bedarf sind personal- und qualifikationserhöhende Maßnahmen zu planen bzw. durchzuführen (Felder 1, 4). Ist der quantitative Personalbedarf nicht zu decken, können Weiterbildungen und gemachte Erfahrungen die Arbeitsproduktivität des vorhandenen Personals steigern und somit substituierend wirken (Weinmann, 1978, S. 135). Umgekehrt sind personal- und dadurch qualifikationsreduzierende Handlungen nötig, wenn der Bestand größer ist als der Bedarf (Felder 3, 6-9). Aufgrund der Orientierung der strategischen Personalentwicklungsplanung an der Unternehmensstrategie (Oechsler, 2006, S. 498), der Effizienzerhöhung (Bell, 1974, S. 77 ff.) sowie der Motivationswirkung von Trainingsangeboten (Weber, 1993, S. 208) können einzelne qualifikationserhöhende Maßnahmen aber auch sinn31
voll sein, wenn der Bestand dem Bedarf entspricht (Felder 2, 5) bzw. der Bestand höher ist als der Bedarf (Felder 6, 8, 9) (Scholz, 2000, S. 384, 389). Beschaffungsplanung auf strategischer Ebene bewirkt eine Veränderung der Beschaffungsstrategien, d. h. beispielsweise Aufbau oder Stärkung des internen Arbeitsmarktes, Medienoptimierung bei Rekrutierung auf dem externen Arbeitsmarkt oder auch Ausbau des relevanten externen Arbeitsmarktes (Scholz, 2000, S. 393, 396, 404). Bei der strategischen Entwicklungsplanung stehen zweierlei Aspekte im Fokus: Zum einen können hiermit die Arbeitnehmerinteressen befriedigt und dadurch Motivationseffekte erzielt werden (Scholz, 2000, S. 407). Zum anderen kann strategische, an Unternehmenszielen ausgerichtete Personalentwicklung und -ausbildung wertschöpfendes Arbeitskräftepotenzial hervorbringen und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sichern (Scholz, 2000, S. 407). Weiterbildung stellt eine Investition in das Humankapital des Unternehmens dar, die sich mittelfristig auf den Unternehmenserfolg auswirkt (Barney, 1991; Nolte, 2006, S. 20). Der Mensch als Träger organisationalen Wissens wird somit zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor (Prezewowsky, 2007a, S. 33; Probst, Gibbert & Raub, 2004, S. 2039 f.; Morosini, 2004, S. 251–252). Problematisch ist allerdings die mangelnde Quantifizierbarkeit der Entwicklungsmaßnahmen sowie der Erfahrungen und Fähigkeiten eines Mitarbeiters (Scholz, 2000, S. 411; Weiß, 1998, S. 92). Dies erschwert vor allem auch die Bewertung dieses Potenzials im Rahmen der Humankapitalberechnung (Kröll, 2003, S. 359). Ein Grund dafür liegt darin, dass es in der Literatur keine Analysekriterien gibt, um die Erfahrungen und die Fähigkeiten zu bewerten (Kröll, 2003, S. 359). Darüber hinaus ist Personalentwicklung auf vielerlei, oft nicht messbare Wege möglich (Fitz-Enz, 2000, S. 98, 99). Jede Betreuung durch den Vorgesetzten, selbstinitiiertes Training, formaler Lehrgang, Job Rotation (Fitz-Enz, 2000, S. 98, 99), Arbeitsgespräche, Arbeitskreise, internes Seminar und die Verwendung von Wissensdatenbanken (Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.), 2005, S. 4) stellt eine Form von Personalentwicklung dar. Die Abbildung 2-10 spiegelt eine Variante der Strukturierung dieser Bildungswege wider. Während Into-the-Job-Maßnahmen ein neues Organisationsmitglied zur Tätigkeitsausübung erst befähigen sollen, werden On-the-Job-Maßnahmen eingesetzt, um mit Hilfe der Gestaltung der Arbeitsumgebung und der Personalbeziehungen am Arbeitsplatz neue Qualifikationen aus der Tätigkeit heraus zu generieren (Klimecki & Gmür, 2005, S. 208 f.). Near-the-Job-Maßnahmen sowie Off-the-Job-Konzepte finden in Distanz zum gewohnten Arbeitsplatz statt: bei ersteren wird die zu entwickelnde Person vorübergehend aus dem Tagesgeschäft ausgegliedert, um Wissenszuwachs z. B. durch organisierten Erfahrungsaustausch zu erreichen; Off-the-Job meint hingegen unternehmensextern stattfindende Personalentwicklung von Fachseminaren, über Freistellungen für ein Studium, bis hin zu Teambildungsprogrammen (ebenda, S. 21332
215). Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Lernen außerhalb des Arbeitsprozesses, arbeitsintegriertem Lernen und Arbeiten mit Lerneffekten ist in der Praxis allerdings kaum möglich (Weiß, 1998, S. 92). Als Konsequenz aus dieser Vielfalt formulierte Fitz-Enz: „The irony of development programs is that nine times out of ten, their payback is virtually unknown” (Fitz-Enz, 2000, S. 99). Konzepte der Personalentwicklung into-the-job
on-the-job
Berufsausbildung Juniorfirma Einarbeitung Trainee-Programm
near-the-job Lernstatt Entwicklungsarbeitsplatz Quality Circle
Lernpartnerschaft
Qualifikationsfördernde Arbeitsgestaltung
Mentoring Coaching Mitarbeitergespräch
Job enlargement Job enrichment Job rotation
off-the-job Konferenz Fachseminar Studium an Fach-/ Hochschule Erlebnispädagogik
on-the-job (i.e.S.) Gelenkte Erfahrungsvermittlung Stellvertretung Projektarbeit
Abbildung 2-10: Konzepte der Personalentwicklung Quelle: i. A. an Klimecki & Gmür, 1998b, S. 212; Klimecki & Gmür, 2005, S. 207-217.
Insofern wird der dringende Bedarf nach Messung und Optimierung des Wertes des Personals im Rahmen des Humankapitalmanagements diskutiert (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 15, 19; Scholz, 2000, S. 336). Die zunehmende Wertschöpfungsorientierung10 führt jedoch dazu, dass die strategischen Personalaktivitäten wertmäßig beurteilt werden müssen (Scholz, 2000, S. 336; Oechsler, 2006, S. 8). So schreibt § 315 HGB vor, dass nicht nur finanzielle sondern auch nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, wie Informationen über Arbeitnehmerbelange, im Konzernlagebericht darzustellen sind, sofern sie zum Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage beitragen (Handelsgesetzbuch, § 315). „Auch das Deutsche Rechnungslegungs-StandardsCommittee (2005) empfiehlt im DRS 12, Informationen über das intellektuelle Kapital und damit auch über das Humankapital in den Konzernlagebericht aufzunehmen“ (Holtbrügge, 2007, S. 6). Da der Wert des Humankapitals von den Weiterbildungsaktivitäten und der Personalstruktur abhängt, bietet sich eine zusammenhängende Analyse in dieser Arbeit an. Aus
10
Wertschöpfung ist die „Differenz zwischen den vom Unternehmen an die externen Kunden abgegebenen Leistungen und den von den Lieferanten übernommenen Leistungen“ oder anders ausgedrückt: Wertschöpfung ist die Eigenleistung einer Organisation (Oechsler, 2006, S. 6).
33
diesem Grund folgen ausführliche Erläuterungen zum Humankapitalmanagement im dritten Kapitel. 2.3 Umgang mit Entwicklungstreibern des Personalmanagements 2.3.1
Allgemeine Entwicklungstreiber
Die Aufgaben des Personalmanagements ergeben sich nicht nur aus den Veränderungen des Insystems, im Sinne der Stabilisierung der Personalstruktur aufgrund ablaufoder aufbauorganisatorischer Veränderungen, Fluktuation, Fehlzeiten, etc. (Klimecki & Gmür, 2005, S. 401; Scholz, 2000, S. 15; Fitz-Enz, 2000, S. 96, 97), sondern auch aus den Veränderungen des Umsystems, d. h. von der Unternehmensstrategie sowie der Umwelt (Holtbrügge, 2005, S. 75 f.). In den vorherigen Abschnitten wurde der Einfluss der Unternehmensstrategie auf das Personalmanagement und insbesondere die Personalbedarfsplanung mehrfach angesprochen. Im Detail werden hierzu finanzwirtschaftliche, technologiewirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Ergebnisse herangezogen, deren Übereinstimmungsgrad mit dem gewünschten Zustand die unternehmensstrategischen und damit personalstrategischen Korrekturen festlegen (vgl. Abbildung 2-5). Während zu den finanzwirtschaftlichen Kennzahlen bspw. die Rentabilität, die Liquidität, die Kapitalbindung oder das Investitionsvolumen gehören, kennzeichnen technologiewirtschaftliche Daten z. B. die Komplexität der Arbeitsmittel, der Automatisierungsgrad und der Produktivitätsfaktor (Klimecki & Gmür, 2005, S. 401). Im Rahmen leistungswirtschaftlicher Entscheidungen wird die qualitative oder quantitative Veränderung von Wertschöpfungsprozessen im Sinne der Unternehmensexpansion oder -verschlankung bestimmt (ebenda). Alle diese Daten, einschließlich der unternehmerischen Lebenszyklusphase (Holtbrügge, 2007, S. 76, 77) geben den Entscheidungsträgern auf höchster Ebene Aufschluss darüber, inwiefern Personal beschafft, entwickelt bzw. eingesetzt werden muss (Klimecki & Gmür, 2005, S. 401). 1
3
Wirtschaft
insbes. Globalisierung, Technologieentwicklung, Arbeitsmarkt
Gesellschaft Kultur, Wertwandel
Einfluss auf das strategische HRM, insbes. Personalplanung 2
Politik
Gesetze, Interessensvertretungen
Abbildung 2-11: Entwicklungstreiber des Personalmanagements Quelle: Eigene Darstellung.
34
4
Wissenschaft Theorien, Methoden
Darüber hinaus existieren, wie die Abbildung 2-11 zeigt, wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und nicht zuletzt wissenschaftliche Treiber, die die Handlungsoptionen des Personalmanagements beeinflussen. Diese sollen im Folgenden kurz erläutert werden; die Reihenfolge der Abhandlung spiegelt die Bedeutung für Unternehmen wider (Wunderer & Dick, 2007, S. 7–46; mit dem Wichtigsten beginnend). 2.3.1.1 Wirtschaftliche Treiber Durch eine Unternehmensbefragung in ausgewählten europäischen Ländern im Rahmen des Cranfield Projekts11 Anfang der 1990er Jahre konnte belegt werden, dass Personalmanagement und die Personalplanung von den allgemeinen ökonomischen und strukturellen Veränderungen beeinflusst sind (Klimecki & Gmür, 2005, S. 147). In diesem Kontext spielen die Globalisierung, die Technologieentwicklung sowie die Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt für die wirtschaftlichen Bedingungen eine bedeutende Rolle (Oechsler, 2006, S. 98). Globalisierung meint dabei internationales Marktengagement und internationale Verflechtung von Wirtschaftssubjekten, welche sich als Aktivitäten in Form von Export, Lizenzverträgen, Joint Ventures oder Gründung ausländischer Tochtergesellschaften äußern können (ebenda, S. 98-99). Die Wettbewerbsbedingungen werden sich dadurch zukünftig massiv verändern: der Wettbewerb wird aggressiver, zunehmend globale Aktionen führen zu wechselnden Konkurrenten und Arenen, die Wettbewerbsregeln werden immer weniger bekannt sein und die Aktivitäten richten sich neben Produkten, Dienstleistungen und Innovationen verstärkt auf Markt- und Branchenerweiterungen (Zahn, 1997, S. 3). Aufgrund des Wettbewerbs werden auch die Technologieentwicklungen immer rasanter, die Produktlebenszyklen dagegen immer kürzer (Oechsler, 2006, S. 100). Die Unternehmen geraten durch die zunehmende Wettbewerbsdynamik immer mehr unter Zeitdruck und Bedrängnis, denn die durch die Globalisierung vereinfachten Marktzugänge gefährden sicher geglaubte Besitzstände (Scholz, 2000, S. 11). Durch die Internationalisierung sind Wissen, Arbeit und Kapital zu mobilen Produktionsfaktoren geworden, wobei Kapital der Faktor mit der höchsten Mobilität
11
Brewster, Hegewisch, Mayne & Tregaskis, 1994, S. 230-238: Das ‚Cranfield Project’ wurde von Price Waterhouse und der Cranfield School of Management durchgeführt. Das Projekt war als jährliche Erhebung konzipiert, beginnend 1989/1990, um Trends in den ursprünglich 5 Ländern (Westdeutschland, Spanien, Frankreich, Schweden und Großbritannien) zu analysieren. Es gab zwei Untersuchungsziele: Erstens sollte der Einfluss der steigenden Europäisierung von Unternehmen auf HRM Maßnahmen, insbesondere auf die internationale Angleichung von Personalstrategien, untersucht werden. Zweitens galt es herauszufinden, inwieweit es eine Verschiebung in Richtung eines strategischen HRM gab, d. h. inwieweit Personalstrategien von der Unternehmensstrategie beeinflusst werden. In den 3 Jahren von 1989/90 bis 1991/92 nahmen pro Jahr durchschnittlich etwa 30.000 Unternehmen teil. Die Rücklaufquote betrug im ersten Jahr 22%, in den Folgejahren 17%.
35
ist (Steger & Kummer, 2002, S. 184). Die starke Verhandelbarkeit dieser Faktoren und durch internationales Benchmarking entstehende Renditeerwartungen führen schließlich zu permanentem Rationalisierungsdruck (Scholz, 2000, S. 12; Steger & Kummer, 2002, S. 184; von Eckardstein, 2004, S. 1627). Die entsprechende unternehmensstrategische Antwort auf diese Entwicklungen hat auch Konsequenzen für das Personalmanagement (Klimecki & Gmür, 2005, S. 147). Dazu gehören primär eine veränderte Personalbedarfsplanung in quantitativer und qualitativer Hinsicht (Morschhäuser, 2000, S. 291; Fitz-Enz, 2000, S. 96 f.), eine veränderte und eventuell international ausgerichtete Personalbeschaffung, eine angepasste Personalentwicklung hinsichtlich der kürzer werdenden Halbwertszeit des technologischen Wissens sowie eine entsprechende Freisetzungsplanung und eine damit einhergehende Konfrontation mit den sozialen Folgeproblemen (Scholz, 2000, S. 12; Oechsler, 2006, S. 99; Wunderer & Dick, 2002, S. 9). Die Dynamik des Marktes und die potenziellen Arbeitsmöglichkeiten für Mitarbeiter mit gefragten Qualifikationen ist im Sinne der Personal- und Know-how-Bindung ebenfalls eine Herausforderung für das Management (Hafeez et al., 2004, S. 2; Hodgkinson, Snell, Daley & Payne, 1996, S. 184). Zudem gilt es, auch die Arbeitsbedingungen an diese Dynamik anzupassen, denn die Potenziale der Informations- und Kommunikationstechnologie führen zu zeit- und raumunabhängiger Arbeit (Picot, Reichwald & Wigand, 2003, S. 455). In diesem Zusammenhang finden sich in der Literatur Begriffe wie Electronic Human Resource Management, Electronic-Business Personal oder Cyber Human Resource Management (Oechsler, 2006, S. 100; Klimecki & Gmür, 2005, S. 148). Neben der Globalisierung und der technologischen Entwicklung ist der Arbeitsmarkt ein weiterer Treiber der Personalarbeit (Oechsler, 2006, S. 101). Er stellt gewissermaßen ständig einen latenten Engpassfaktor dar und muss deshalb in die betriebliche Personalplanung einbezogen werden (Weinmann, 1978, S. 141). „Gelingt es einem Unternehmen nicht rechtzeitig, strukturelle Verschiebungen im Arbeitsmarkt zu erkennen und antizipativ zu agieren, führt dies zu Problemen in späteren Planungsphasen“ (Scholz, 2000, S. 12). Während nach der politischen Wende in Deutschland der gespaltene Arbeitsmarkt problematisch war (Scholz, 2000, S. 12), werden die gegenwärtigen Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt für die Unternehmen immer spürbarer. Diese sind bedingt durch die fortschreitende europäische Integration (ebenda), durch die anhaltende Arbeitslosigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt (Oechsler, 2006, S. 101) und die gleichzeitige Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung (Köchling, 2000, S. 8; von Eckardstein, 2004, S. 1627). Insbesondere die erst seit kurzem in der Praxis wahrgenommene Gefährdung durch die demografische Entwick36
lung beeinflusst die zeitgenaue Personalbedarfsdeckung. Aufgrund der Wichtigkeit der Arbeitskräfteverfügbarkeit auf dem externen Arbeitsmarkt und der gleichzeitigen Verschlechterung dieser wird diese Problematik in einem gesonderten Abschnitt (Kapitel 2.3.2) behandelt. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil in diesem Zusammenhang Altersstrukturanalysen populär geworden sind und Unterstützung bei der Problemlösung versprechen. 2.3.1.2 Politische Treiber Arbeitsrecht und kollektive Arbeitsbeziehungen sind anders als bei wirtschaftlichen Treibern von den Unternehmen kaum beeinflussbar (Klimecki & Gmür, 2005, S. 147). Diesbezüglich gibt es nicht nur nationale, sondern auch internationale und europäische Regelungen zu beachten (Oechsler, 2006, S. 40). Beispielhaft seien hier die folgenden genannt (vgl. Oechsler, 2006, S. 40-51): international: Regelungen der International Labour Organization (ILO), Europäische Menschenrechtskonvention, Europäische Sozialcharta; europäisch: europäisches Arbeits- und Sozialrecht mit folgenden personalbezogenen Regelungsbereichen: Soziale Sicherheit und Ordnung, Schutz und Würde des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz, Chancengleichheit von Mann und Frau (Personalpolitik); Informationspflichten bei Betriebsschließungen und Betriebsübergängen (Personalplanung); Freizügigkeit der Arbeitnehmer, freier Zugang zur Beschäftigung und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, Anerkennung von Hochschulzeugnissen (Personalauswahl); Regelungen zu maximalen Arbeitszeiten und zum Mindesturlaub, Regelungen zur Zeitarbeit und zu Befristungen sowie zu Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz (Personalorganisation); Diskriminierungsverbot (Personalentgelt); Entsendung von Arbeitnehmern; Richtlinie über die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten (Personalentwicklung). Auf nationaler Ebene ist das Arbeitsrecht unterteilbar in das individuelle Arbeitsrecht und das kollektive Arbeitsrecht. Einen Überblick über die wichtigsten Rechtsquellen bietet die Abbildung 2-12. Das Individualarbeitsrecht ist für die Gestaltung der einzelnen Vertragsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bindend und basiert auf der Annahme, dass der Arbeitnehmer der wirtschaftlich und sozial schwächere Vertragspartner ist (Klimecki & Gmür, 2005, S. 140; Holtbrügge, 2007, S. 66). Es besteht aus dem Arbeitsvertragsrecht sowie dem Arbeitsschutzrecht (Holtbrügge, 2007, S. 64). Das kollektive Arbeitsrecht regelt die mittelbaren Beziehungen zwischen Arbeitgeber (bzw. den Arbeitgeberverbänden), Arbeitnehmer (bzw. den Gewerkschaften) und dem Staat und gliedert sich in Tarifvertragsrecht und Mitbestimmungsrecht (Klimecki & Gmür, 2005, S. 142; Holtbrügge, 2007, S. 64). Die entstehenden Arbeitgeber-Arbeitnehmer37
Beziehungen stellen dann den rechtlichen Handlungsrahmen für das Personalmanagement dar (Oechsler, 2006, S. 40). Arbeitsrecht Individuelles Arbeitsrecht Arbeitsvertragsrecht
Arbeitsschutzrecht
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Arbeitsschutzgesetz Arbeitszeitgesetz / Bundesurlaubsgesetz Beschäftigungsförderungsgesetz Berufsbildungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz insbes. §§ 75, 81-84 Bürgerliches Gesetzbuch Entgeltfortzahlungsgesetz Grundgesetz Jugendarbeitsschutzgesetz Kündigungsschutzgesetz / Mutterschutzgesetz Schwerbehindertengesetz Sozialgesetzbuch Teilzeit- und Befristungsgesetz
Kollektives Arbeitsrecht Tarifvertragsrecht
Mitbestimmungsrecht
Tarifvertragsgesetz Betriebsverfassungsgesetze (BetrVG 1952, 1972) Montan-Mitbestimmungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Vertretungsgesetz für das Bundespersonal
Abbildung 2-12: Wichtige Rechtsquellen des Arbeitsrechts Quelle: Eigene Darstellung i.A. an Holtbrügge, 2007, S. 64; Klimecki & Gmür, 2005, S. 141 f.
Das individuelle und kollektive Arbeitsrecht wird zunehmend von europäischen Normen überlagert bspw. hinsichtlich des Gebotes der Gleichbehandlung aller Bewerber und Arbeitnehmer aus EU-Ländern und hinsichtlich der Institutionalisierung europäischer Betriebsräte (Klimecki & Gmür, 2005, S. 141 f.). Diese hohe Regulierungsdichte in Deutschland beschränkt die Beschaffung und Freisetzung von Personal erheblich (Klimecki & Gmür, 1998b, S. 147). Dies führt beispielsweise zu den Paradoxa, dass aufgrund des Kündigungsschutzgesetzes Arbeitgeber weniger Mitarbeiter einstellen, als nach der Personalbedarfsplanung sinnvoll wäre und oft auch zögern, ältere Arbeitsuchende, Schwerbehinderte und Frauen zu beschäftigen (Holtbrügge, 2007, S. 66). Deshalb ist eine solide Personalplanung in europäischen Ländern aufgrund der europäischen Richtlinien, des Arbeitsrechts und des Einflusses von Gewerkschaften wahrscheinlich wichtiger als z. B. in den USA (Edwards, 1983, S. 1031). Ganz besonderen Einfluss auf die strategische Personalplanung, insbesondere die Ersatzbeschaffungsplanung hat die Änderung des Sozialgesetzbuches SGB II, § 7a. Es handelt sich hierbei um die veränderten Vorschriften der Altersgrenze für den Renteneintritt, die am 1.1.2008 in Form des Rentenversicherungs-Altersanpassungsgesetztes in Kraft getreten sind (Deutscher Bundestag, 2007, no. Artikel 27 „Inkrafttreten“). Danach wird ab 2012 schrittweise das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre angehoben, um die durch vorgezogene Renteneintritte und steigende Lebenserwartung verursachte Leistungsausweitung der gesetzlichen Rentenversicherung zu 38
begrenzen und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Systems nachhaltig zu stabilisieren (Bucher-Koenen & Wilke, 2008, S. 2; Brussig & Knuth, 2006, S. 307; Oechsler, 2006, S. 56).
des Lebensalters von
Renteneintritt mit Vollendung
68
67
Anh ebun g um jew eils 1 M onat 66
A nhe bung um jew eils 2 M onate 65
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
1959
1958
1957
1956
1955
1954
1953
1952
1951
1950
1949
1948
1947
64
G e b u rts jah r g an g
Abbildung 2-13: Anhebung der Regelaltersgrenze Quelle: Deutscher Bundestag, 2007.
Neben einigen Ausnahmen12 ist die Regelaltersgrenze ausschlaggebend für zukünftige Planungen. Die Anhebung des Renteneintrittsalters sieht anfänglich eine Anpassung in monatlichen, anschließend in zweimonatlichen Schritten vor (Bucher-Koenen & Wilke, 2008, S. 6; Clemens, 2006, S. 163). Die Regelung bestimmt damit den gesetzlichen Renteneintrittszeitpunkt abhängig vom Geburtsjahr ab den nach 1946 geborenen Jahrgängen (Bucher-Koenen & Wilke, 2008, S. 6). Die Jahrgänge 1964 und jünger arbeiten nach dieser Neuregelung im Normalfall bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres, wie in der Abbildung 2-13 dargestellt ist. Zwar gibt es für langjährig Versicherte, Schwerbehinderte und bei Erwerbsminderung vorzeitige Rentenbezugsmöglichkeiten, allerdings sind diese zum Teil mit erheblichen Einbußen verbunden (ebenda, S. 7). Bei einer strategischen Personalbedarfsplanung müssen so auch gesetzliche Regelungen zum Renteneintrittsalter beachtet werden. Über die langfristige Ersatzplanung hinaus ergeben sich personalpolitische Überlegungen zur Förderung des Wissenstransfers (‚flow of knowledge’, Wright, Dunford & Snell, 2001, S. 715), zur Förderung der Leistungs- und Innovationsfähigkeit (Kleefeld, 2008, S. 118; Schneider & Stein, 2006, S. 21) bzw. zur Anpassung von Entlohnungsstrukturen.
12
Vgl. für einen detaillierten Überblick Fuchs, 2007.
39
2.3.1.3 Gesellschaftliche Treiber Die fortschreitende Globalisierung und Migrationsbewegungen führen dazu, dass ein international tätiges und international besetztes Unternehmen verschiedene Landesspezifika beachten muss (Oechsler, 2006, S. 106, 109). Einerseits müssen besondere arbeits-, steuer-, und sozialrechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden (Oechsler, 2006, S. 108), andererseits tragen die Mitarbeiter kulturelle Unterschiede in das Unternehmen und schaffen so eine gewisse Heterogenität an Werthaltungen, Einstellungen und Bedürfnissen (Scherm & Süß, 2002, S. 846). Infolge der Multikulturalität finden sich in einem heterogen zusammengesetzten Unternehmen auch unterschiedliche Werte (Oechsler, 2006, S. 109). Werte werden dabei definiert als relativ stabile individuelle Überzeugungen, die die Wahrnehmung, Präferenzen, Erwartungen, Einstellungen und das Verhalten einer Person beeinflussen (Weinert, 1998, S. 126 f.; Stummer, 2006, S. 10). Die Individuen sind demnach Träger dieser Einstellungen, die allerdings gesellschaftlich vermittelt werden (Oechsler, 2006, S. 109). Auch wenn Werte eher stabil sind, gibt es Hinweise darauf, dass sich Werte durch ökonomische, technologische und sozio-politische Umwälzungen wandeln können (Stitzel, 2004, S. 1993; Klimecki & Gmür, 1998b, S. 143). Dies geschieht entweder durch Ersatz „neuer“ gegen „alte“ Werte oder durch Verschiebung der Bedeutung und Intensität bestimmter Werte (Oechsler, 2006, S. 109 f.). Hinsichtlich des Wertewandels die Lebens- und Arbeitswerte betreffend, lassen sich seit den 1940er Jahren vier Phasen erkennen (Weinert, 1998, S. 127): Die 40er bis 50er Jahre waren gekennzeichnet durch harte Arbeit, konservative Haltung, Loyalität gegenüber der Organisation. Es ging um das Bemühen, sich eine eigene Existenz aufzubauen (Opaschowski, 1994, S. 29 f.). In den 60er und 70er Jahren standen die Lebensqualität, die Nonkonformität, die Suche nach Autonomie und Loyalität sich selbst gegenüber im Vordergrund. Die 70er und 80er Jahre waren geprägt vom Leistungs- und Erfolgsstreben, vom Ehrgeiz und der Loyalität der eigenen Karriere gegenüber. Seit den 90er Jahren geht es um Flexibilität, Unabhängigkeit, Arbeits- und Lebenszufriedenheit, Freizeit und Erholung (Klimecki & Gmür, 2005, S. 149) sowie Individualisierung und Selbstentfaltung (Stitzel, 2004, S. 1994). Statt des Karrierestrebens steht die Sinnsuche im Vordergrund: es wird gearbeitet, um zu leben (Wunderer & Dick, 2007, S. 7–46) und Spaß zu haben (Stitzel, 2004, S. 1995). Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verwischen zunehmend und die Aktivitäten in beiden Bereichen sind durch Produktivität und Nützlichkeit gekennzeichnet (Opaschowski, 1994, S. 29 f.). Allerdings zeichnet sich hinsichtlich der Arbeitseinstellungen zwischen Ost- und Westdeutschland ein Unterschied ab: Während die westdeutschen Frauen und Männer stärker auf Karriere, Selbstver40
wirklichung und Freizeit orientiert sind, fokussieren die Ostdeutschen auf Erwerbstätigkeit, Einkommen und das Vereinbaren von Familie und Arbeit (Dorbritz, Lengerer & Ruckdeschel, 2005, S. 27). Diese Werterelevanz beeinflusst in hohem Maße die Ziele von Organisationen, die Kooperation von Organisationsmitgliedern und das Verhalten von Mitarbeitern (Stitzel, 2004, S. 1989), so dass der Personalpolitik auch in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zukommt. Daraus ergeben sich konkrete personalstrategische Zielstellungen wie z. B. das Erreichen der Zielkompatibilität zwischen Unternehmen und Mitarbeiter durch geeignete Personalauswahlkonzepte, wirksame Anreizsysteme und Förderung einer Organisationskultur (Stitzel, 2004, S. 1996; Scholz, 2000, S. 21; Holtbrügge, 2007, S. 83 f.). Allerdings ist eine 100%-ige Werteharmonie aufgrund der Informationsasymmetrien13 zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Individualisierung und der Schichtzugehörigkeit der Mitarbeiter weder umsetzbar noch ist sie für die Anpassungs- und Innovationsfähigkeit des Unternehmens gewünscht (Stitzel, 2004, S. 1996 f.). Wirksame Elemente, um allerdings die individuellen Werte unterstützen zu können, sind die Personalentwicklungs- und Karriereplanung sowie die Personaleinsatzplanung einschließlich der Entwicklung sinnvoller Arbeitszeitmodelle (Stitzel, 2004, S. 1997; Oechsler, 2006, S. 110). 2.3.1.4 Wissenschaftliche Treiber Wie bereits im Abschnitt 2.1.3 angedeutet, spielen für das Personalmanagement eine Reihe wissenschaftlicher Disziplinen eine wesentliche Rolle. Entsprechend vielfältig sind die Forschungsinhalte im deutschsprachigen Raum. Eine Analyse der Internetseiten von 42 personalwirtschaftlichen Institutionen durch Scholz und seine Kollegen zeigte Forschungsaktivitäten insbesondere in den Bereichen Personalentwicklung, internationales Personalmanagement, Personaleinsatz sowie Personalkostenmanagement und Anreizgestaltung (Scholz, 2000, S. 47). Neue Konzepte können dabei auf zweierlei Wegen zustande kommen. Sie können entweder rein aus dem Austausch wissenschaftlicher Disziplinen und durch Übertragung bestimmter Erkenntnisse entstehen, wie beispielsweise die Theorie der Selbstorganisation (Probst, 1987) und die Theorie des organisationalen Lernens (Senge, 1990)
13
Informationsasymmetrien im Sinne der personalökonomischen Perspektive ergeben sich zwischen Prinzipal und Agent durch versteckte Eigenschaften (hidden characteristics), versteckte Informationen und Aktionen (hidden information/ hidden action) und versteckte Intentionen (hidden intentions). Diese Asymmetrien können mit Hilfe verschiedener Konzepte wie Signalsetzung (signalling), Auswahlverfahren (screening), Selbstselektionsmechanismen (self selection), Kontrolle (monitoring) und Interessensangleichung durch entsprechende Anreizmechanismen reduziert werden. Vgl. dazu Backes-Gellner, Lazear & Wolff, 2001.
41
(Klimecki & Gmür, 1998b, S. 148). Auf der anderen Seite stehen Wissenschaft und Praxis in einem Wechselverhältnis, in dem die Forschung Probleme aus der Praxis aufgreift und konzeptionelle Lösungsvorschläge erarbeitet und die Praxis diese nutzt und gegebenenfalls verbreitet (Klimecki & Gmür, 1998b, S. 148 f.). Entsprechend orientiert sich diese Arbeit an den Entwicklungen der personalwirtschaftlichen Praxis und erarbeitet ein Personalplanungs- und Personalcontrollingmodell, um das Bedürfnis nach Bewertung des Humankapitalwertes sowie in Zeiten der Alterung und des Fachkräftemangels das Bedürfnis nach Planungssicherheit die Personalstruktur betreffend zu befriedigen. Da die unternehmensspezifische Personalstruktur mit ihren quantitativen und qualitativen Kenngrößen Basis der Wertmessung ist (Scholz, Stein & Bechtel, 2006), werden diese beiden Aspekte entsprechend der im strategischen HRM geforderten ganzheitlichen Betrachtung von einander abhängig modelliert. Die Konsequenzen einer bewussten bzw. einer demografisch erzwungenen Personalstrukturveränderung werden anhand personalwirtschaftlicher Kennzahlen der Fluktuation, Fehlzeiten und dem Humanvermögenswert gemessen. Insbesondere die strategische Personalbestandsplanung verfügt hierbei über Forschungspotenzial, da bisher vor allem auf die Entwicklungsplanung fokussiert wurde (Achenbach, 2003, S. 60, 69). Die Grundlagen der Modellerstellung entstammen der systemtheoretisch-kybernetischen Forschung und den Human Accounting-Ansätzen. Die systemtheoretische Herangehensweise erfüllt damit gleichzeitig die Forderung, die in der Realität existierende Komplexität in die Forschung einzubeziehen und Konzepte weniger durch praxisferne Annahmen zu beschränken (Dipboye, 2007, S. 102). 2.3.2
Demografischer Trend mit Blick auf das Erwerbspersonenpotenzial
Demografie beschreibt mit Zahlen und Kennziffern, wie sich die Bevölkerung eines Landes in ihrer Zahl und ihren Strukturen (Alter, Geschlecht, Nationalität, Gesundheitszustand, etc.) durch demografische Verhaltensmuster (Wanderungsbewegungen, Gebären von Kindern, Sterben, Heiraten, etc.) verändert (BiB, 2008a; Baade, 2007, S. 5). Bevölkerungswissenschaft dagegen ist der übergeordnete Begriff und befasst sich zusätzlich mit den Wechselwirkungen zwischen der Bevölkerungsentwicklung und anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Wirtschaft, Politik oder der Umwelt (BiB, 2008a). Bevölkerungswissenschaftlich ist das Ziel, die Bevölkerung in einem demografischen Gleichgewicht zu halten, bei dem die Einwohnerzahl weder einem permanenten Wachstum noch einer permanenten Schrumpfung unterliegt und sich die vorhandene Altersstruktur konstant entwickelt (Birg, 2003, S. 6). 42
Einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, ist kaum möglich, da die Bevölkerung von gegenläufigen Rückkopplungen abhängig ist, wie die Abbildung 2-14 zeigt, und wird deshalb permanent schwanken. Wie sich die Bevölkerungszahl entwickelt, ist abhängig vom aktuellen Bevölkerungsbestand, von den Bevölkerungszugängen, bestimmt durch die Fertilitätsrate und die Zuwanderungsquote, sowie von den Bevölkerungsabgängen, bestimmt durch die Mortalitätsrate und die Abwanderungsquote (Bähr, 2004, S. 151).14 Die Raten und Quoten sind dabei nicht dauerhaft konstant, sondern können sich in Abhängigkeit der Umfeldbedingungen (bspw. medizinischer Fortschritt, politische Situation, Aufnahmekapazität eines Landes) verändern. Dadurch ist die Wirkungsstärke der positiven und negativen Rückkopplungen variabel und die Bevölkerungsentwicklung, wie in allen realen Systemen, nicht linear (Sterman, 2004, S. 284). Legende:
Fertilitätsrate.
Mortalitätsrate.
Geburten.
Postiver Kreislauf Negativer Kreislauf
Sterbefälle.
Weltbevölkerung
Kausalzusammenhang Bestand zum definierten Zeitpunkt
Abwanderungsquote.
Bewegungsgröße; Änderung je Zeiteinheit Systemgrenze
Abwanderungen.
Zuwanderungen.
Zuwanderungsquote
Abwanderungsquote
Zuwanderungen
Abwanderungen Bevölkerung Deutschlands
Geburten
Fertilitätsrate
Sterbefälle
Mortalitätsrate Aufnahmefähigkeit Schocks Kapazitätsgrenze
Abbildung 2-14: Dynamik der Bevölkerungsentwicklung Quelle: Eigene erweiterte Darstellung in Anlehnung an Sterman, 2004, S. 285.
Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland vollzieht sich bereits seit einigen Jahrzehnten (Kistler, 2006, S. 24) vordergründig aufgrund der seit langem nicht bestandserhaltenden Geburtenziffer. Dies führt zu einer sinkenden Anzahl potenzieller Mütter und schließlich zu einer weiteren Abnahme der Geburten. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Die Abwechslung der Stärke der positiven
14
Während Fertilitätsrate und Mortalitätsrate auch als natürliche Bevölkerungsbewegung bezeichnet werden, können die Zu- und Abwanderungen unter dem Begriff der räumlichen Bevölkerungsbewegung zusammengefasst werden (Bähr, 2004, S. 1, 52, 247).
43
und negativen Rückkopplungen begründet sich in den in der Abbildung 2-15 visualisierten historischen Umfeldbedingungen. Die Erkenntnisse des BiB (2008b, S. 24) zusammenfassend sind folgende Einflüsse wesentlich für den derzeitig wahrgenommenen demografischen Wandel: Die Tiefe der Einschnitte durch den ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise sind aufgrund der hohen Sterblichkeit in den Altersjahren kaum mehr zu erkennen. Allerdings ist der vorhandene Frauenüberschuss nicht allein auf die höhere Lebenserwartung zurückzuführen, sondern vor allem darauf, dass die Männer im Krieg gefallen bzw. frühzeitig an den Kriegsverletzungen verstorben sind (Kistler, 2006, S. 24). Der Aufschwung nach der Weltwirtschaftskrise und die Familienpolitik des Dritten Reichs führten zu einer erhöhten Fertilitätsrate. Die positive Wirkungsschleife im Bevölkerungssystem gewann an Stärke mit der Konsequenz eines starken Bevölkerungswachstums. Der folgende deutliche Einschnitt im Bevölkerungsaufbau begründet sich im Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Die stark zurückgegangene Geburtenziffer bis Kriegsende führte im langfristigen Verlauf wiederum dazu, dass 20 bis 30 Jahre später eine ganze Elterngeneration schwach besetzt war. Zunächst allerdings bekamen die nach der Weltwirtschaftskrise Geborenen nach Kriegsende verstärkt Kinder, zusätzlich motiviert durch das Wirtschaftswunder im früheren Bundesgebiet und der Aufbruchstimmung in der ehemaligen DDR. Die sogenannte „Baby-Boom-Generation“ kam in dieser Zeit zur Welt.
Abbildung 2-15: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland zum 31.12.2006 Quelle: BiB, 2008b, S. 25 basierend auf Daten des Statistischen Bundesamtes.
Der sich anschließende starke Geburtenrückgang zwischen 1965 und 1975 lässt sich durch die fehlende Elterngeneration, den Trend der Individualisierung, der veränderten 44
Rolle der Frau, vor allem aber durch die Freigabe der Antibabypille und die Liberalisierung der Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch erklären. Seitdem ist bis auf „Nachholeffekte“ Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre ein konstant niedriges Geburtenniveau zu verzeichnen. Der Tiefstand von 0,77 Kindern pro Frau (zusammengefasste Geburtenziffer, Statistisches Bundesamt, 2006a, S. 28) wurde in den Jahren nach der politischen Wende erreicht, der die Generation der heute ca. 12bis 19-Jährigen reduzierte. Seit Mitte der 1990er Jahre steigt die Geburtenziffer in Deutschland wieder an. Im Jahr 2007 lag diese bei durchschnittlich 1,37 Kindern pro Frau (Statistisches Bundesamt, o. J.). Da diese Geburtenziffer für die Bestandserhaltung zu gering ist, wird die Bevölkerung in Deutschland weiter schrumpfen. Regional betrachtet gibt es allerdings in Deutschland ein Nebeneinander von Bevölkerungsschrumpfung und -wachstum. Der Ost-West-Gegensatz in der Bevölkerungsentwicklung wird neben den Auswirkungen des niedrigen Geburtenniveaus in Ostdeutschland nach 1990 und der geringeren Lebenserwartung in Ostdeutschland vor allem durch die Binnenwanderungen bestimmt (BiB, 2008b, S. 33; Dienel, 2005, S. 7). Während vor allem im Süden und Nordwesten Deutschlands die Bevölkerungszahl stabil bleibt oder sogar steigt, sinkt sie bis 2020 fast flächenübergreifend in Ost- und Mitteldeutschland (Bucher & Schlömer, 2006a, S. 21). Aufgrund der Sterbeüberschüsse ist in den darauffolgenden 30 Jahren deutschlandweit mit Schrumpfung zu rechnen (ebenda). Die Abbildung 2-16 zeigt die kumulierte Veränderung im Bevölkerungsbestand des jeweiligen Bundeslandes im Zeitraum von 1990 bis 2006.
Abbildung 2-16: Änderung des Bevölkerungsbestands nach Bundesländern 1990-2006 Quelle: BiB, 2008b, S. 32 nach Daten des Statistischen Bundesamtes.
Während in den Jahren zwischen 1990 und 2006 die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Berlin stetig Einwohner verloren, stieg die Bevölkerungszahl in den meisten Ländern des früheren 45
Bundesgebiets. Faktoren, die die Abwanderungsentscheidung beeinflussen, können in Anlehnung an Dienel wie folgt zusammengefasst werden (2005, S. 21): Einerseits bestimmen exogene Faktoren wie Arbeitsplatzangebot, Lebensbedingungen und Image der Herkunftsregion, Grundbesitz, soziale Netzwerke oder auch Verantwortlichkeiten in regionalen Ämtern die Abwanderungsentscheidung. Anderseits wird diese von endogenen Faktoren wie Qualifikationsniveau, Grad der Berufs- bzw. Familienorientierung sowie der Ausprägung von Motivation, Unabhängigkeit und zielgerichteter Lebensplanung sowie Ortsgebundenheit/ Identität beeinflusst. Da die demografische Entwicklung kein kurzfristig entstehendes Phänomen ist, äußern sich diese vergangenen und zum Teil anhaltenden außerordentlichen Entwicklungen entsprechend negativ in den Prognosen. Im Zeitraum von 2006 bis 2050 wird sich nach der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes15 folgende Entwicklung ergeben (2006a, S. 57, 58): Die Anzahl der Gesamtbevölkerung sinkt von ca. 82,4 Mio. auf etwa 68,7 Mio. Personen. Das entspricht einer Schrumpfung von 17%. Die Anzahl unter 20-Jähriger sinkt von ca. 16,5 Mio. auf 10,3 Mio. bzw. 11,4 Mio. Personen. Das bedeutet, dass der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe an der Gesamtbevölkerung von einem Fünftel auf ca. 15,1% bzw. 15,4% sinkt. Das entspricht einer Schrumpfung von ca. 37% bzw. ca. 31%. Die Anzahl der Personen im Erwerbsalter, d. h. zwischen 20 und 65 Jahren, sinkt von ca. 50 Mio. auf ca. 35,5 Mio. bzw. 39 Mio. Menschen. Das bedeutet, dass der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe an der Gesamtbevölkerung von 60,8% auf ca. 51,7% bzw. 52,8% sinkt. Das entspricht einer Schrumpfung von ca. 30% bzw. 22%. Auch wenn aufgrund der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre hochgerechnet ca. 2 Mio. Personen mehr auf dem Arbeitsplatz zur Verfügung stehen (ebenda, S. 21), ist die Reduktion des Erwerbspersonenpotenzials16 erheblich.
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Die Angaben beziehen sich auf die „mittlere Variante“ der Bevölkerungsvorausberechnung mit folgenden Annahmen: annähernd konstante zusammengefasste Geburtenziffer von ca. 1,4 Kindern je Frau, Anstieg der Lebenserwartung bei Männern um 7,6 Jahre auf 83,5 bei Geburt im Jahr 2050 bzw. bei Frauen um 6,5 Jahre auf 88 Jahre bei Geburt im Jahr 2050 sowie einem Wanderungssaldo von 100.000 bzw. 200.000 Personen pro Jahr (Statistisches Bundesamt, 2006a, S. 5, 13). „Erwerbspersonen sind Personen mit Wohnsitz in Deutschland (Inländerkonzept), die eine unmittelbar oder mittelbar auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben oder suchen (Selbständige, mithelfende Familienangehörige, abhängig Beschäftigte), unabhängig von der Bedeutung des Ertrags dieser Tätigkeit für ihren Lebensunterhalt und ohne Rücksicht auf den Umfang der von ihnen tatsächlich geleisteten oder vertragsmäßig zu leistenden Arbeitszeit. Erwerbspersonen setzen sich aus den Erwerbstätigen und den Erwerbslosen zusammen.“ (Statistisches Bundesamt, 2006b, S. 75). Erwerbspersonen sind Bestandteil des Erwerbspersonenpotentials. Letzteres umfasst zusätzlich die Stille Reserve („Entmutigte Personen, die bei ungünstiger Arbeitsmarktlage die Arbeitssuche entmutigt aufgeben, aber bei guter Arbeitsmarktlage Arbeitsplätze nachfragen, Personen in kurzfristigen ‚Warteschleifen’ des Bildungs- und Ausbildungssystems oder in Maßnah-
Die Anzahl der über 65-Jährigen steigt von ca. 15,8 Mio. auf etwa 22,8 Mio. bzw. 23,5 Mio. Personen. Das bedeutet, dass der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe an der Gesamtbevölkerung von 19% auf ca. 33% bzw. 32% ansteigt. Das entspricht einem Zuwachs von ca. 44% bzw. 48%. In Anbetracht der Wanderungsbewegungen in den letzten Jahren innerhalb Deutschlands wird diese Entwicklung in den Neuen Bundesländern noch dramatischer ausfallen. Hochrechnungen des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung weisen eine Senkung der Bevölkerungszahl von ca. 17 Mio. in 2002 auf 13,1 Mio. in 2050 aus (Bucher & Schlömer, 2006a, S. 20)17. Als Ergebnis aller demografischen Einflussfaktoren ist festzuhalten, dass die Bevölkerung Deutschlands unter den genannten Annahmen schrumpft als auch altert. Diese demografischen Megatrends der Alterung und Schrumpfung sind auch in Bezug auf das Erwerbspersonenpotenzial zu beobachten (Prezewowsky, 2007a, S. 34). Aufgrund der Betrachtung eines speziellen Bevölkerungsausschnitts (Bevölkerung zwischen 15 und 65 bzw. 67 Jahren) ist diese Entwicklung allerdings nicht im Maßstab 1:1 auf den Arbeitsmarkt übertragbar (Bucher & Schlömer, 2006b, S. 63, 65). Auf Bundesebene prognostiziert das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung von 2002 bis 2020 eine Senkung der erwerbsfähigen Bevölkerung um 3,4% von 55,7 Mio. auf 53,8 Mio. Personen (Bucher & Schlömer, 2006b, S. 65). Dieser insgesamt scheinbar nur geringe Verlust spielt sich allerdings großflächig betrachtet im ostdeutschen Raum ab. Während nämlich in den alten Bundesländern das Erwerbspersonenpotenzial sogar um 0,3% steigt (von ca. 43,7 Mio. Personen in 2002 auf ca. 43,9 Mio. Personen in 2020), sinkt dieses Potenzial in den neuen Ländern um 16,7% (von ca. 11,9 Mio. Personen in 2002 auf ca. 9,9 Mio. Personen in 2020) (ebenda, S. 64). Selbst in den Agglomerationsräumen der neuen Bundesländer ist dieser Trend nicht aufzuhalten. Hier wird die Zahl Erwerbsfähiger um 10% sinken, während sie in den verstädterten Räumen um 23,5% bzw. in den ländlichen Räumen um 22,1% sinken wird (ebenda, S. 65, 67). Differenziert nach Kreisen und Regionen zeigt sich die Entwicklung weniger eindeutig hinsichtlich des Ost-West-Gefälles. Kleinflächig analysiert wird es sowohl im Westen
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men der beruflichen Weiterbildung, Personen, die jeweils aus Arbeitsmarktgründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.“), Personen, die unter anderen Rahmenbedingungen erwerbsbereit sind sowie sonstige Nichterwerbspersonen. Das Erwerbspersonenpotential umfasst damit alle Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 16 und 64 Jahren (in den in dieser Arbeit verwendeten Statistiken) (Fuchs, 2002, S. 79, 81). Bei der Annahmensetzung werden regionale Besonderheiten berücksichtigt. Räume, die im demografischen Geschehen eher homogen sind werden definiert und deren Eigenschaften in die Zukunft fortgeschrieben. Dadurch ergeben sich regional unterschiedliche Fertilitätsraten und Mortalitätsraten. Das Wanderungsverhalten wird durch Fortzugsraten operationalisiert. Diese werden für jeden der 440 Kreise geschätzt. Nähere Erläuterungen in BBR, 2006, S. 13-16.
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Deutschlands Räume mit abnehmendem Erwerbspersonenpotenzial geben als auch „Wachstumsinseln“ im Osten (Bucher & Schlömer, 2006b, S. 67). Allerdings zeigt sich aufgrund der vergangenen demografischen Verschiebungen auch eine deutliche Unterscheidung in der inneren Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials. Die Altersentwicklung ist in der Abbildung 2-17 entsprechend der Einteilung in zwei grobe Altersgruppen dargestellt. über 15 bis unter 45-Jährige
45 bis unter 65-Jährige % % % %
% % % %
Abbildung 2-17: Zahl der Erwerbspersonen im Zeitraum 2002-2020 Quelle: i. A. an Bucher & Schlömer, 2006b, S. 67.
Grund dieser Entwicklung ist, dass die räumlichen Umverteilungen vorwiegend von der mobileren, jüngeren Gruppe getragen wurden (Bucher & Schlömer, 2006b, S. 69). Bis auf wenige Ausnahmen, wie dem Großraum München und Kreise im suburbanen Raum größerer Städte18, sinkt deutschlandweit die Zahl der Arbeitskräfte zwischen 16 und 44 Jahren in bedeutendem Maße (ebenda, S. 69). Hierfür ist die geringe Geburtenziffer in der Vergangenheit der Hauptgrund. Da in Ostdeutschland zusätzlich die Binnenwanderung von Ost nach West seit der politischen Wende nachwirkt, schrumpft der Anteil der jüngeren Gruppe hier besonders stark. Die Zahl der älteren Erwerbsfähigen wird sehr stark von der Baby-Boom-Generation geprägt. Die Wende zur Schrumpfung dieser Altersgruppe wird in den neuen Bundesländern früher, d. h. ca. zwischen 2010 und 2012, eintreten (ebenda, S. 69). Sobald diese geburtenstarken Jahr-
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Diese Räume profitieren vor allem vom Zuzug junger Familien. Diese Dynamik ist weniger den Arbeitsmärkten als vielmehr den günstigeren Wohnungsmarktbedingungen geschuldet (Bucher & Schlömer, 2006b, S. 69).
gänge in Rente gehen, sinkt die Zahl des Erwerbspersonenpotenzials noch einmal erheblich: 2030 werden nur noch etwa 42 bzw. 44 Mio. Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, 2050 sind es nur noch 35,5 bzw. 39 Mio. Personen (BiB, 2008b, S. 17). Da das Erwerbspersonenpotenzial alle arbeitsfähigen Personen umfasst, ist deren Schrumpfung nur ein Hinweis auf die Entwicklung des tatsächlichen Arbeitskräfteangebots (Buck, Kistler & Mendius, 2002, S. 16). Entscheidend ist die Erwerbstätigenquote. Die Zahl der tatsächlichen Erwerbspersonen stieg auf Bundesebene von 40,1 Mio. in 1990 auf 41,2 Mio. 2002 und soll bis 2020 etwa dieses Niveau halten (Bucher & Schlömer, 2006b, S. 66). Grund dafür, dass diese Zahl im Vergleich zu den Erwerbsfähigen nicht in dem Maße sinken wird, sind die politischen Bemühungen hinsichtlich der Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit, der Anhebung des gesetzlichen Rentenalters sowie der Verkürzung der Ausbildungszeiten (ebenda, S. 57, 65). Der Ost-West-Unterschied zeigt sich allerdings trotzdem: In den alten Bundesländern wird die Zahl der Erwerbspersonen bis 2020 um ca. 4,6% auf ca. 33,5 Mio. steigen, während sie in den neuen Bundesländern bis 2020 um 16% auf ca. 7,7 Mio. schrumpft (Bucher & Schlömer, 2006b, S. 66). Auch wenn es nicht zu einem generellen Arbeitskräftemangel kommen wird (Weimer, Mendius & Kistler, 2001, S. 25), sind in Anbetracht dieser Zahlen regionale und branchenspezifische Differenzen zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage insbesondere bei Hochqualifizierten und Facharbeitern sehr wahrscheinlich (Zahn-Elliot, 2001, S. 8; Daniel, Leicht & Strack, 2007, S. 7). Somit ist für Organisationen die demografische Entwicklung kein abstraktes, externes Phänomen; sie werden direkt damit konfrontiert (Fitz-Enz, 2000, S. xiii). Je nach Attraktivität des jeweiligen Unternehmens kann es sich mehr oder weniger vom demografischen Wandel entkoppeln und die Belegschaftsstruktur bewusst gestalten (Prezewowsky, 2007a, S. 37). 2.3.3
Demografiebedingte Handlungsfelder strategischer Personalplanung
Die allgemeine demografische Entwicklung in Deutschland spiegelt sich auch in den Belegschaften der Unternehmen wider. Zwischen 1993 und 1998 ist trotz massiven Personalabbaus älterer19 Arbeitnehmer der Anteil der über 55-Jährigen um 22% gestie-
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Eine allgemeingültige Definition älterer Mitarbeiter existiert nicht, sondern richtet sich nach verschiedenen Kriterien und ist von der jeweiligen Zielsetzung abhängig (Prezewowsky, 2007a, S. 69). Die OECD vermeidet beispielsweise eine konkrete Altersangabe (BAuA, 2008, S. 9). Im Laufe der Zeit hat sich allerdings die Schwelle für ‚alt’ deutlich nach vorn vorschoben (Hübner & Wahse, 2002, S. 70). Da die Kategorisierung in dieser Arbeit hauptsächlich zur Abgrenzung der Mitarbeitergruppen verwendet wird und kein Bezug zu Leistungspotentialen hergestellt wird, orientiert sich die Autorin an der häufig verwendeten
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gen, so dass in bestimmten Unternehmenskonstellationen und Branchen problematische Altersstrukturen anzutreffen sind (Weimer, Mendius & Kistler, 2001, S. 28; BAuA, 2008, S. 5). In vielen Unternehmen herrscht ein deutliches Übergewicht der mittleren Altersgruppen vor. Die Gründe sind oft vielfältig und miteinander verknüpft (ebenda, S. 28; Pawlowsky, 2001, S. 107, 117): extensive Frühverrentungsprogramme (auch Mendius, 2002, S. 37; Börsch-Supan, Düzgün & Weiss, 2006, S. 2), betriebsbedingte Kündigungen vorwiegend jüngerer Mitarbeiter jahrelange fehlende Neueinstellungen jüngerer Nachwuchskräfte, Reduktion der Belegschaft führte zu hoher Arbeitsbelastung des verbleibenden Personals und senkte Freiräume für Qualifizierungsmaßnahmen fehlende altersbedingte Fluktuation, da auch die Renteneintrittsaltersgrenzen schrittweise angehoben wurden und zögerliche Ausbildungsbereitschaft der Betriebe aufgrund geringer Ersatz- und Erweiterungsbedarfe. Dies wird zeitnah dazu führen, dass der entstandene „Altersberg“ (Weimer, Mendius & Kistler, 2001, S. 28) das Rentenalter erreicht und dadurch erheblicher Personalersatzbedarf entsteht, der insbesondere in Ostdeutschland aufgrund schwach besetzter Nachwuchskohorten kaum zu decken sein wird (Pawlowsky, 2001, S. 117). Insofern ist ein partieller, aber bedeutsamer Fachkräftemangel insbesondere für die neuen Bundesländer zu erwarten (Bellmann & Leber, 2004, S. 1, 2). Der demografische Wandel, die prognostizierten Entwicklungstendenzen des Erwerbspersonenpotenzials und deren Konsequenzen für Unternehmen dürfen somit nicht länger ignoriert werden, denn ein Umbruch in den betrieblichen Personalstrategien erlaubt kein kurzfristig orientiertes Handeln (Hübner & Wahse, 2002, S. 69; Prezewowsky, 2007a, S. 53; von Eckardstein, 2004, S. 1627). Zudem ist der bisherige Fokus im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel auf ältere Erwerbstätige hinsichtlich (Weiter-)Bildungsoptionen bzw. ihrer (Wieder-)Eingliederung und auf die Jugend nicht mehr zeitgemäß: im Vordergrund muss eine präventive, altersneutrale, ganzheitliche und strategische Personalarbeit stehen (Zahn-Elliot, 2001, S. 7). Die Forderungen in der Literatur sind oft sehr qualitativ. Dazu gehören Maßnahmenvorschläge wie: Rekrutierungsstrategien, Personalbindung, Wertschätzungskultur, GeEinteilung. Entsprechend dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit schwankt die Grenze zum älteren Arbeitnehmer um das 50. Lebensjahr. Sofern eigene Daten ausgewertet werden liegt folgende Einteilung nach Prezewowsky, 2007a, S. 69 und Hübner & Wahse, 2002, S. 71 zugrunde: bis 34-Jährige werden als ‚jüngere Arbeitnehmer’, 35- bis 49-Jährige als ‚mittelalte Arbeitnehmer’, 50- bis 60-Jährige als ‚ältere Arbeitnehmer’ und über 60-Jährige als ‚rentennahe Arbeitnehmer’ bezeichnet.
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sundheitsvorsorge, altersgerechter Personaleinsatz, altersheterogene Gruppenarbeit, Gestaltung einer lernförderlichen Arbeitsorganisation und Entwicklung adäquater Führungsstile (Auflistung aus Kordey & Korte, 2005, S. 37; Buck, 2001, S. 11). Allerdings wird häufig nicht betont, dass in Zeiten belegschaftsstruktureller Änderungen die Kenntnis über die aktuelle und vor allem zukünftige Personalstruktur entscheidend ist. Sie erst ist die Grundlage für gezielte Strategien. Erst wenn die Entscheidungsträger wissen, welche Qualifikationen und Altersgruppen für eine heterogene Personalstruktur fehlen, können beispielsweise Medien und die regionale Reichweite der Rekrutierung festgelegt bzw. Weiterbildungskonzepte erarbeitet werden. Diese Notwendigkeit begründet die Popularität von Altersstrukturanalyse-Programmen, die in den letzten Jahren, auch durch staatliche Förderung (siehe bspw. www.demowerkzeuge.de oder www.demotrans.de), entwickelt worden sind. Eine reine Altersstrukturanalyse liefert die Aufstellung der aktuellen Personalverteilung nach Jahrgängen und eventuell Qualifikationsgruppen. Als statische Abbildung kann sie allenfalls als Frühwarnindikator nützlich sein, entgegen verschiedener Aussagen in der Literatur (bspw. von Nicolai, 2007, S. 508; Gesellschaft für Arbeitsschutz- und Humanisierungsforschung mbH Volkholz und Partner, 2006, S. 24) jedoch nicht als Planungsgrundlage. Werden dann auf Basis dieser statischen Personalverteilung Hochrechnungen der zukünftigen Personalstruktur vorgenommen ohne zeitabhängige Parameter zu berücksichtigen, wiegen sich die Unternehmen unter Umständen in trügerischer Sicherheit. Die Verteilung des Personalbestands wird nach diesem Prinzip als Parallelverschiebung unreflektiert in die Zukunft transferiert. Dabei werden Wechselwirkungen, die Eigendynamik des Mitarbeiterbestandes und die Wirkungsverzögerungen vernachlässigt und langfristige Auswirkungen von Personalentscheidungen unterschätzt (Günther & Berendes, 2007, S. 14). Solche einfachen, statischen Modelle zur Prognose des Mitarbeiterbestands sind nur beschränkt anwendbar. Dieser Ansatz passt nur in Organisationen, in denen Ausstiege ausschließlich altersbedingt erfolgen, Personal nur in bestimmten Kohorten geregelt eingestellt wird und aufgrund einer eher statischen Unternehmenssituation kaum Personalerweiterungsbedarfe entstehen (Jonker & Ziekemeyer, 2005, S. 373). Den meisten dieser Altersstruktur-Hochrechnungs-Programme ist insofern vorzuwerfen, dass sie möglicherweise aus Gründen der Nutzerfreundlichkeit und Einfachheit keine flexiblen, unternehmensspezifischen Parametereingaben erlauben bzw. umfangreiche Vergangenheitsdaten abfragen. Damit wird die so wesentliche Entscheidungsgrundlage nur grob erfasst. Eine Analyse von Prezewowsky zeigte, dass den Unternehmen als Ergebnis ihrer Analyse nur begrenzt aussagefähige Vorausberechnungen vorlagen, da unter anderem nur altersbedingte Personalabgänge erfasst, die Altersstruktur nur unregelmäßig betrachtet und Planungshorizonte zu kurz festgelegt wurden (Prezewowsky, 2007a, S. 207). Selbst wenn Unternehmen in ihre Struktur51
prognose die entscheidenden Bewegungsgrößen implementieren, sind diese meist nur intuitiv oder auf Basis allgemeiner Statistiken abgeleitet (Wimmer & Neuberger, 1998, S. 103). Dies ist ein ebenso bedenkliches Vorgehen. Es ist überraschend, dass der technologische Fortschritt, insbesondere hinsichtlich der Computertechnologie, in der Personalplanung nicht genutzt wird und nicht selten diese Personalplanung in vielen großen Unternehmen noch manuell gehandhabt wird (Khoong, 1996, S. 26). Leider sind die Hilfsmittel der Personalplaner bestenfalls auf dem technologischen Stand von Tabellenkalkulationsprogrammen, was sowohl die Tiefe, Breite und Akkuratheit von Erkenntnissen als auch die Konsistenz, Effizienz und Qualität von Personalplanungsverfahren einschränkt (Khoong, 1996, S. 38). Erforderlich ist aber in der heutigen Zeit eine systematische, modellgestützte und moderne Personalplanung (Spengler, 2008, S. 11). Diese Kritik behebend werden in dieser Arbeit quantifizierbare und damit modellierbare Variablen analysiert und die Wechselwirkungen sowie die mehrfach angesprochene systemendogene Dynamik in einem Computermodell verarbeitet. Anknüpfend an die geforderten zukünftigen personalpolitischen Schwerpunkte (Buck, 2001, S. 19; Naegele & Walker, 2006, S. 7 ff.) wird ein systemdynamisches Personalplanungsmodell erarbeitet, um Strategien zur Erreichung folgender Ziele zu entwickeln: Schaffung ausgewogener Altersstrukturen und Vermeidung drastischer Rekrutierungs- und Verrentungswellen, Kompetenzentwicklung bei allen Beschäftigten und Erhöhung des Fachwissens sowie Erhöhung der Verweildauer im Unternehmen und damit Bindung des Erfahrungswissens. Das Ausmaß, in welchem Organisationen von der demografischen Entwicklung betroffen sein werden, sowie der Zeitpunkt spürbarer Auswirkungen hängen von unternehmensspezifischen Faktoren ab, die zuvor analysiert werden müssen. Dazu gehören vor allem die unternehmensspezifische Altersstruktur, die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens (Wachstum, Stabilität oder Schrumpfung) in Bezug auf den zukünftigen qualitativen und quantitativen Personalbedarf, Altersspezifika der bisherigen Zugänge und Ausstiege (Ekamper, 1997, S. 235 f.) sowie hinsichtlich der Personalentwicklungsstrategien die aktuelle Qualifikationsstruktur und Qualifikationsspezifika der bisherigen Zugänge und Ausstiege.
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2.4 Kapitelfazit Quintessenz dieses Kapitels ist, dass strategische Personalplaner in einem komplexen System agieren. Die meisten Situationen und Entscheidungen in Unternehmen sind komplex, da jede Veränderung, z. B. ein schlechtes Quartal, eine Neuausrichtung des Führungsstils und eine Übernahme oder Fusion, zu Unberechenbarkeit und Wandel führt (Snowden & Boone, 2007, S. 36). Komplexität ist dabei das Maß für die Intensität der Veränderungen, mit denen sich bspw. das Personalmanagement auseinandersetzen muss (Klimecki & Gmür, 2005, S. 134). Alle natürlichen und sozialen Systeme haben einen hohen Grad an dynamischer Komplexität (Sterman, 2004, S. 21). Eine Organisation ist somit ein komplexes System (Schauenberg, 2004, S. 2018). Die wichtigsten fünf Merkmale von komplexen Systemen sind im Folgenden zusammengestellt (i. A. an Sterman, 2004, S. 22): Dynamik: Veränderungen in einem System geschehen auf unterschiedlichen Zeitskalen, die sich auch manchmal gegenseitig beeinflussen können. Verändern sich mehrere Systemelemente unterschiedlich schnell, sind die Wirkungen oft schwer zu steuern. Dynamik entsteht damit spontan aus der internen Systemstruktur heraus. Im Personalsystem einer Organisation beispielsweise entsteht die Dynamik durch die unterschiedlichen Verbleibedauern der Arbeitnehmer im Unternehmen, durch nicht planbare Fehlzeiten oder durch Produktionsschwankungen und Arbeitszeitanpassungen. Vielzahl von Wechselwirkungen: Um die Interdependenzen erfassen zu können, wird das zu betrachtende System häufig in kleine überschaubare Einheiten aufgeteilt. Diese Reduktion führt aber oftmals zu isolierten Teillösungen mit problematischen Folgewirkungen für das gesamte System (Pfiffner, 2003, S. 45). Es ist festzuhalten, dass die Personalstrategie nicht isolierter, sondern integrierter Bestandteil der Unternehmenspolitik ist. Dies schließt nicht nur alle Personalfunktionen auf allen drei Managementebenen ein, sondern auch den Bezug zur Umwelt (Holtbrügge, 2007, S. 3), weswegen komplexe Systeme typischerweise auch offene Systeme sind (Zsifkovits & Krenn, 2007, S. 58). Es werden positive und negative Rückkopplungen unterschieden: letztere bringen das System in einen stabilen Zustand, positive Feedbacks dagegen bringen das System aus dem Gleichgewicht. Wechselwirkungen werden beispielsweise deutlich, wenn zum einen die Anzahl involvierter unternehmensinterner und –externer Akteure und ihrer Schnittstellen analysiert wird (Zsifkovits & Krenn, 2007, S. 55). Rückkopplungen zeigen sich allerdings auch im Hinblick auf die Personalstruktur. Diese kann sich aufgrund personalpolitischer Maßnahmen sowie externer Rahmenbedingungen schnell verändern. Sie ist Konsequenz eines bestimmten personalpolitischen Verhaltens. Die Personalstruktur bedingt wiederum diverse Personalkennzahlen, die ihrerseits den Status quo des Personalsystems und des Unternehmens widerspiegeln und zukünftige strategische Anpassungen begründen. 53
Nichtlinearität: In den seltensten Fällen verläuft die Wirkung proportional zur Ursache. Anders formuliert: Die Effekte verhalten sich nicht proportional zu der Kraft, die auf das System eingewirkt hat (Götz, 1997, S. 140). Als Beispiel aus dem Personalmanagement nannte Sterman das folgende: Der Druck einer Führungskraft auf das Leistungsverhalten eines Mitarbeiters erhöht die Motivation und die Anstrengung – allerdings steigt der Grad der Motivation nicht proportional zum Druck, sondern schlägt in Frustration um, sobald das Ziel unerreichbar scheint (Sterman, 2004, S. 22). Nichtlinearität erlaubt auch nicht immer beliebig genaue Berechenbarkeit von Wirkungen aus Ursachen (Mainzer, 2004, S. 2 f.), was in Kombination mit allen anderen Merkmalen dazu führt, dass die Entscheidungsgrundlage ohne Hilfsmittel nicht erfassbar ist. Pfadabhängigkeit: Pfadabhängigkeit ist ein Verhaltensmuster und besagt, dass das endgültige Gleichgewicht abhängig ist von den Anfangsbedingungen des Systems und unvorhersehbaren Ereignissen während dessen Entwicklung (Sterman, 2004, S. 350). Jedes System hat demnach eine spezifische Historie. Aus diesem Grund postuliert der ressourcenorientierte Ansatz, erfolgreiche Praktiken anderer Unternehmen nicht zu imitieren (Berg, 2006, S. 206). So kann beispielsweise ein Best-Practice Weiterbildungskonzept für ältere Mitarbeiter nur bedingt weiterhelfen, wenn die eigene Altersund Qualifikationsstruktur dem nicht entspricht. Verzögerungen: Verzögerungen sind eine entscheidende Quelle der Dynamik eines Systems (Sterman, 2004, S. 409). Da normalerweise das Ergebnis eines Prozesses verzögert auf den Input eintritt, muss es eine Zwischengröße in diesem Prozess geben, die die Differenz zwischen Input und Output akkumuliert (Sterman, 2004, S. 411). Diese Regel begründet die Unterscheidung von Bestands- und Flussgrößen in einem System. Bezogen auf das Personalmanagement ist der aktuelle Personalbestand die Bestandsgröße, die sich aus der Differenz von Beschäftigten in der Vorperiode, neu eingestellten Mitarbeitern (Input) und ausgeschiedenen Mitarbeitern (Output) ergibt. Ein anderes Beispiel wäre der organisationale Wissensbestand, der durch Weiterbildungen erhöht (Input) werden kann und sich aufgrund der Halbwertszeit des Wissens (Output) reduziert. Da Verzögerungen innerhalb von Prozessen unterschiedlich lange dauern können, erhöht dies wiederum die Dynamik innerhalb eines Systems. Insbesondere die Unterscheidung von Bestands- und Flussgrößen, d. h. zeitunabhängigen und zeitabhängigen Größen, ist wesentlich für die Herleitung der Cottbuser Formel und damit für die Realisierung einer systemdynamischen Simulation der Veränderung des Humankapitalwertes über die Zeit. Im Kapitel 5.1.2 erfolgen dazu weiterführende Erklärungen. Der Grad der Komplexität hängt von der Vielzahl und Vielfalt der Wechselwirkungen sowie vom Grad und der Richtung der Dynamik innerhalb des Systems ab (Zsifkovits 54
& Krenn, 2007, S. 57). Je komplexer ein System ist, desto schwieriger wird es, in diesem ganzheitlich zu agieren und für die Langfristigkeit relevante Entscheidungen zu treffen. Das Kapitel zusammenfassend wurden für die weitere Arbeit folgende Erkenntnisse hergeleitet: Das Konzept des Personalmanagements (HRM) entspricht mit der Forderung nach ganzheitlicher, wirtschaftlicher und dynamischer Betrachtung dem Anliegen dieser Arbeit und bildet den Rahmen. Das Ziel des strategischen Personalmanagements ist es, auch positive Effekte für das gesamte Unternehmen zu bewirken, in dem präventiv in Bezug auf den Wandel des Erwerbspersonenpotenzials agiert wird. Denn die personalpolitischen Konsequenzen dieser Entwicklung wurden häufig zu lange ignoriert bzw. unterschätzt. Die zunehmende Wertschöpfungsorientierung führt auch dazu, dass die Aktivitäten des Personalmanagements, beispielsweise im Rahmen des Humankapitalmanagements bzw. der Humanvermögensrechnung, bewertet werden. Die strategische Personalplanung ist ein wesentlicher Teil des strategischen Managements (Khoong, 1996, S. 26). Ihre Aufgabe ist die Planung des Personalbedarfs in Abhängigkeit von der Unternehmensstrategie und vom aktuellen Personalbestand, die Planung der Personalbeschaffung, der Personalentwicklung und der Personalfreisetzung. Das sind die wesentlichen Aufgaben, um Mitarbeiter in ausreichender Menge, mit geforderter Qualifikation zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle des Unternehmens einsetzen zu können. Es existiert eine methodische Lücke, strategische Personalplanung in der Praxis ganzheitlich, d.h. komplexitätsorientiert, umzusetzen. Bisherige Antizipationsmethoden sind statisch und werden dadurch der Dynamik nicht gerecht. Der Fortschritt der Computertechnik ermöglicht die Erfassung der exogenen und endogenen Dynamik und durch gleichzeitige Parameteränderungen im Simulationsmodell eine ex ante Überprüfung realistischer Strategien. “A computer model adds enormously to the range of possibilities which can be tried” (Bell, 1974, S. 97). Es gibt keine einheitliche Theorie, mit der personalpolitische Fragestellungen geklärt werden können. Allerdings wurde der ressourcenorientierte Ansatz in den letzten Jahren verstärkt genutzt, um die Wichtigkeit des Personalmanagements zu erklären und ganzheitliche Problemstellungen zu bearbeiten. Aus diesen Erkenntnissen leitet sich das weitere Vorgehen ab: die Entwicklung eines theoretisch fundierten Werkzeugs, mit dem Personalbestand und -struktur und deren abhängige Kennzahlen zusammenhängend analysiert, computerbasiert prognostiziert und korrigierende Maßnahmen noch vor Umsetzung bewertet und zielentsprechend angepasst werden können. Die Wichtigkeit dieser Problemlösung ergibt sich aus wirt55
schaftlichen Gründen, denn Korrekturen am Personalbestand aufgrund überhasteter Personalbeschaffung, -entwicklung oder auch -freisetzung sind kostenintensiver als ihre antizipative Vermeidung (Scholz, 2000, S. 251). So argumentierte bereits auch Walker: “Business needs broadly conceived plans for manpower management based upon solid manpower forecasts” (Walker, 1969, S. 152). Zur wissenschaftlichen Fundierung einer strategischen und dynamischen Personalplanung werden in den nachstehenden Kapiteln weitere theoretische Grundlagen erarbeitet: Resource-Based View (RBV), der primär die strategische Wichtigkeit der Ressource Mensch begründet und eine Beschäftigung mit der Personalstruktur legitimiert, das Humankapitalmanagement als Basis für die Betrachtung der Wechselwirkungen der strategischen Personalplanung auf den Humankapitalwert sowie die methodische Vorgehensweise mittels eines systemdynamischen (kybernetischen) Simulationsmodells.
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"The challenge for future work is to develop ... practical guidance for practitioners, who can then develop HRM systems that capture the potential gains for all concerned." (Huselid, Jackson & Schuler, 1997, S. 186)
3 Humanressourcen und -kapital als Forschungsfeld 3.1 Der ressourcenbasierte Ansatz 3.1.1
Der Resource-Based View in Bezug auf Humanressourcen
Wie bereits im vorangegangenen Kapitel herausgestellt wurde, ist strategisches Personalmanagement unabdingbar, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen (Hays & Kearney, 2001, S. 590). Rein operative, d. h. reaktive statt proaktive, personalwirtschaftliche Maßnahmen sind demnach als Mittel zur Abgrenzung von der Konkurrenz unzureichend (Huselid, Jackson & Schuler, 1997, S. 173, 184). Die Theorie des Resource-Based View (RBV) scheint als ökonomische Theorie geeignet, personalpolitische Strategien und den Einfluss demografischer Veränderungen gleichermaßen diskutieren zu können (Boxall & Purcell, 2000, S. 193). Die Grundannahme des Resource-Based View ist, dass der individuelle Unternehmenserfolg auf die zwischen den Wettbewerbern heterogene Ressourcenausstattung zurückzuführen ist (Nolte, 2006, S. 28). Insofern sollte der Fokus auf solche Ressourcen gelegt werden, die innerhalb der Organisation entwickelt worden sind. Nur diese Ressourcen können Quelle eines Wettbewerbsvorteils sein, da sie unternehmensspezifisch und langfristig an die Firma gebunden sind (Argote & Ingram, 2000, S. 155; Barney & Zajac, 1994, S. 6; Lado & Wilson, 1994, S. 701). Forscher haben den RBV bereits auf verschiedene Geschäftsfelder angewendet (Acedo et al., 2006, S. 629). Da sich viele RBVArgumente allerdings auf die Fähigkeiten, das Wissen und auch das Verhalten von Mitarbeitern beziehen (Colbert, 2004, S. 343), bietet er ausdrücklich die theoretische Grundlage für die Diskussion eines strategischen Personalmanagements20 (Barney, 2001, S. 41; Wright, Dunford & Snell, 2001, S. 706), insbesondere im Zusammenhang mit der Veränderung der Belegschaftsdemografie (Verworn, Schwarz & Herstatt, 2009, S. 149 ff.). Es gibt kaum betriebliche Erfahrungen sowie empirische Belege im
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Siehe bspw. in Autier & Picq, 2005; Déniz-Déniz & De Saá-Pérez, 2003; Hitt, Bierman, Shimizu & Kochhar, 2001; Wright, McMahan & McWilliams, 1994.
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D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Umgang mit demografischen Veränderungen, auf die aktuell zurückgegriffen werden könnte. Theorien, die sich mit der Belegschaftsalterung befassen, stammen hauptsächlich aus der Psychologie bzw. der Sozialpsychologie (vgl. bspw. Perry, Kulik & Bourhis, 1996; Salthouse, 2006; Waldman & Avolio, 1986). Der RBV ist zurückzuführen auf die Arbeiten von Penrose (1959) und Rubin (1973), wobei erst Wernerfelt (1984) mit seinem ‚Resource-Based View of the firm’ die erste schlüssige Beschreibung des Ansatzes veröffentlichte (Wright, Dunford & Snell, 2001, S. 702 f.). Dieser wurde u. a. von Barney (1991) durch die Fokussierung auf firmeninterne Ressourcen (Prezewowsky, 2007a, S. 10) sowie durch die bahnbrechende Spezifikation der zu einem Wettbewerbsvorteil führenden Ressourceneigenschaften erweitert (Wright, Dunford & Snell, 2001, S. 702 f.). In der Literatur existieren sehr verschiedene Definitionen des Begriffes ‚Ressource’ im Sinne des Resource-Based View. Die Vielfältigkeit der Auslegungen erstreckt sich dabei nicht nur auf die eigentliche Wortklärung, sondern darüber hinaus auf die Kategorisierung der Ressourcen sowie die Zuschreibung von Ressourceneigenschaften und deren Beitrag zur Wettbewerbsposition. Lado et al. fassten aus der Literatur zusammen, dass eine Firma als ein Verbund von Ressourcen und Kompetenzen verstanden wird und diese dann potente Quellen eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils seien, wenn der durch sie erbrachte ökonomische Nutzen nicht vollständig durch Aktivitäten der Konkurrenz kopierbar ist (Lado & Wilson, 1994, S. 701). Da zudem die Ressourcen und Kompetenzen selbst durch „Veredelungsprozesse“ unternehmensspezifisch gestaltbar sind, können Rivalen erstens von deren Nutzung und dadurch zweitens von der Erstellung potenziell wettbewerbsrelevanter interner und/oder externer Leistungen in nachhaltiger Weise ausgeschlossen werden (Freiling, 2001a, S. 22; Führing, 2006, S. 74). Die Anwendbarkeit des RBV auf die hier relevante Problemstellung ergibt sich zum einen daraus, inwiefern die Humanressourcen die geforderten Ressourceneigenschaften erfüllen und zum anderen, ob Mitarbeiter und ihre Kompetenzen als Ressourcen im Sinne des RBV verstanden werden können. Der Terminus ‚ressourcenbasiert’ bezieht sich auf alle, dem Wettbewerbserfolg eines Unternehmens zugrundeliegenden besonderen Ressourcen und Ressourcenkombinationen (Lucht, 2007, S. 89). Um Rentenrückflüsse generieren zu können, müssen diese Ressourcen allerdings bestimmten Eigenschaften genügen. Führing hat in seinen Ausführungen einige Eigenschaftslisten zusammengestellt, die in den letzten Jahren in der relevanten Literatur veröffentlicht worden sind (siehe Abbildung 3-1).
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Nolte/ Bergmann
Barney
Grant
(1998), S. 16 ff.
(1991), S. 112
(1991), S. 124 ff.
Dauerhaftigkeit Verwertbarkeit relative Seltenheit Transferierbarkeit Ersetzbarkeit Imitierbarkeit Kausale Ambiguität Spezifität Soziale Komplexität Tacitness Historizität
Value Rareness Imperfect imitability Substitutability
Eriksen/ Mikkelsen
Barney
Wolf
(2002), S. 160 ff.
(2003), S. 420 ff.
(1996), S. 62 f.
Abbildung 3-1:
Durability Transparency Transferability Replicability
Value Heterogenity Imitability Substitutability
Value Rareness Imitability Organization
Wert Strategische Relevanz Nachhaltigkeit Mobilität Imitierbarkeit Substituierbarkeit Strategische Flexibilität
Auszug von Ressourceneigenschaften im Sinne des RBV Quelle: Führing, 2006, S. 80.
Die Unterschiede zwischen den Autoren dürften aus dem jeweils verwendeten Detailliertheitsgrad der Definition resultieren. Umfangreiche Aufzählungen von Eigenschaften relativieren sich insofern, als dass sich beispielsweise der Grad der Imitierbarkeit einer Ressource aus ihrer historischen Entwicklung, ihrer komplexen Beziehung zu anderen Ressourcen sowie aus dem uneindeutigen Zusammenhang zwischen dieser Ressource und einem Wettbewerbsvorteil (kausale Ambiguität) ergibt (Barney, 1991, S. 112; Wright et al., 1994, S. 306–313; Lucht, 2007, S. 100-103). Da es für die vorliegende Arbeit und den Erklärungsgehalt nicht hilfreich erscheint, Ressourcen nach ihren detailliertesten Erkennungszeichen aufzuschlüsseln, wird im Folgenden auf die originären Eigenschaften Bezug genommen. Ausgangspunkt des ressourcenbasierten Ansatzes ist die beobachtete Verschiedenheit konkurrierender Unternehmen (Penrose, 1980, S. 75) hinsichtlich ihrer Ergebnissituation, der Wettbewerbsvor- und -nachteile sowie hinsichtlich der Inputgüter, der Prozesse oder der erwirtschafteten Produkte (Lucht, 2007, S. 87; siehe auch Barney 1991, S. 99; Hunt & Morgan, 1995, S. 5-8). Der RBV geht davon aus, dass diese Heterogenität und das Ergebnis unternehmerischer Tätigkeit auf die unterschiedliche Ressourcenausstattung zurückzuführen sind (Lucht, 2007, S. 87; siehe auch Freiling, 2001b, S. 78). Gleichzeitig führt diese Ressourcenheterogenität unter nicht näher zu erläuternden mikroökonomischen Überlegungen dazu, dass diese unternehmensspezifischen Ressourcen aufgrund der Unvollkommenheit von Faktormärkten nicht oder nur zu hohen Transaktionskosten21 übertragbar sind (Barney, 1991, S. 103 ff.;
21
Im Rahmen der Transaktionskostentheorie werden Transaktionskosten als monetäre und nicht-monetäre Nutzenverluste aufgrund des Ressourcenverzehrs bei der Vereinbarung, Durchführung und Kontrolle von Leistungsaustauschen (entspricht der Definition des Begriffs Transaktion) verstanden (Alewell & Martin,
59
Lucht, 2007, S. 88). Dies führt zur zweiten Prämisse, der Ressourcenimmobilität. Das bedeutet, dass Wettbewerbsvorteile letztlich nur dadurch erzielt werden können, wenn die betrachtete Unternehmung die Verfügungsgewalt über die entsprechende Ressource innehat und dadurch andere Wettbewerber von der Nutzung dieser Ressource ausschließen kann (Lucht, 2007, S. 89). Insofern erklären sich die Wettbewerbsvorteile eher aus der betriebsinternen Ausstattung und der Ressourcenverwendung als aus der Produkt-Markt-Position des Unternehmens (Lado & Wilson, 1994, S. 700). Neben den Basisprämissen der Ressourcenheterogenität und der Ressourcenimmobilität fordert der RBV weitere Eigenschaften, durch die erst nachhaltige Wettbewerbsvorteile entstehen.
Firm Resource Heterogenity? Competitive Advantage? Firm Resource Immobility?
Abbildung 3-2:
Value? Rareness? Imperfect Imitability? History Dependent? Causal Ambiguity? Social Complexity? Non-Substitutability?
Sustained Competitive Advantage?
22
Ressourceneigenschaften und ihr Beitrag zur Wettbewerbsposition Quelle: i. A. an Barney, 1991, S. 112; Lucht, 2007, S. 96.
Die betriebswirtschaftliche Literatur postuliert weitestgehend einstimmig, dass ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil nur entstehen kann, wenn die Ressource wertvoll, einzigartig/ selten, unvollständig imitierbar sowie nicht substituierbar ist (Wright et al., 1994, S. 303 f.; Barney, 1991, S. 112; Priem & Butler, 2001, S. 25; Lucht, 2007, S. 90; Achenbach, 2003, S. 23; Ridder, 2002, S. 224). Wie die Abbildung 3-2 und das von Barney stammende Prüfmodell zeigt, sind Heterogenität und Immobilität von Ressourcen jedoch immer Grundvoraussetzung für einen (temporären) Wettbewerbsvorteil.
22
60
2006, S. 284). Es werden ex ante- und ex post Transaktionskosten unterschieden: während erstere Vertragsanbahnungs- und –vereinbarungskosten darstellen, sind ex post Transaktionskosten Kosten der Überwachung, Durchsetzung und nachträglichen Anpassung der Vertragskonditionen (Jans, 2002, S. 7). Transaktionskosten, die auch innerhalb des Personalmanagements anfallen, haben negative Effekte auf den Unternehmenserfolg (Drumm, 1999, S. 464). Den Unterschied zwischen Wettbewerbsnachteilen, Wettbewerbsgleichheit, temporären Wettbewerbsvorteilen und nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen definierte Barney (2002, S. 9 f., 174 f.) wie folgt: Wettbewerbsnachteile entstehen, wenn es einem Unternehmen nicht gelingt, ökonomischen (Mehr-)Wert zu schaffen und es nicht fähig ist, sich auf dem Markt zu behaupten. Wettbewerbsgleichheit besteht, wenn ein Unternehmen über ein vergleichbares Ressourcen- und Fähigkeitspotential wie der/die Wettbewerber verfügt bzw. vergleichbaren Output realisiert. Temporäre Wettbewerbsvorteile entstehen durch zeitliche Vorsprünge bei der erfolgreichen Einführung nachgefragter Produkte und Leistungen auf dem Markt, d. h. durch das Abschöpfen der Pionierrente. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile resultieren aus der effektiven und/oder effizienten Akkumulation sowie Entwicklung dauerhaft wertvoller und einzigartiger Ressourcen und Fähigkeiten sowie deren Umwandlung in Kundennutzen und nachhaltige Rentenflüsse.
Eine firmeninterne Ressource kann darüber hinaus eine Quelle eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils sein, wenn sie wertvoll, selten und nur unvollständig imitierbar ist, und sie gleichzeitig keine strategisch gleichwertigen Substitute hat, die allgemein verfügbar und einfach zu imitieren sind (Barney, 1991, S. 105 f.; Barney, 2001, 47). Dieses umfassende Ressourcenverständnis hat einige Forscher mit dem Ziel der Untermauerung verschiedener Managementmaßnahmen dazu veranlasst, Ressourcen zu kategorisieren (Lucht, 2007, S. 91). Wernerfelt, als Urautor, teilte diese nach ihrer Dinghaftigkeit, d. h. nach längerfristig an die Organisation gebundenem tangiblen und intangiblen Vermögen ein (Wernerfelt, 1984, S. 172)23. Mit der Zeit beschäftigten sich weitere Autoren damit, die Ressourcen detaillierter einzustufen bzw. neue Kategorien aufzustellen. Eine Auswahl dieser Vielfalt stellte ebenfalls Führing (2006) in seiner Untersuchung (Abbildung 3-3) zusammen. Penrose (1959/80), S. 24 f. Physical Human
Hofer/ Schendel
Chatterjee/ Barney Grant Wernerfelt (1991), S. 101 (1991), S. 119
(1978), S. 145 ff. (1991), S. 34 Financial Physical Human Organizational Technological
Abbildung 3-3:
Physical Intangible Financial
Eriksen/ Mikkelsen
Barney
Wolf
(2002), S. 156
(2003), S. 423 f.
(1996), S. 56 f. Physical Financial Human Physical Organizational Human Technological Reputation Organizational
Tangible Intangible Knowledge
Financial Physical Human Organizational
Managementfähigkeiten Managementsysteme Stakeholder-Beziehungen Technologisches Know-how Organisationale Arrangements Fertigungsprozesse Fertigungsstrukturen Produktionserfahrung Kundentreue Unternehmenskultur
Auswahl von Ressourcenkategorisierungen Quelle: i. A. Führing, 2006, S. 75.
Auch wenn sich einige Kategorien wie physische, tangible, intangible, finanzielle und humane Ressourcen häufiger wiederfinden, tragen diese Unterscheidungen nicht zur Aufhellung ihrer Bedeutung bei (Martin, 2003, S. 5). Ein Beleg dafür, dass Organisationsmitglieder und deren Wissen als Ressourcen im Sinne des RBV verstanden werden können, bietet Achenbach (2003, S. 18). Nach seinem Verständnis sind Personen als physisches Kapital und deren individuelle Fähigkeiten und Kompetenzen als immaterielles Kapital zu unterscheiden. Seine Matrix ergibt sich aus den Dimensionen der Dinghaftigkeit (materiell bzw. immateriell) sowie der Übertragbarkeit.
23
Wernerfelt, 1984, S. 172: “More formally, a firm’s resource at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm.”
61
Ressourcen des Unternehmens tangibel, materiell
intangibel, immateriell
Abbildung 3-4:
mobil
immobil
physische Güter Materialien
spezialisierte physische Güter ohne Markt Personen
Patente Lizenzen
spezifisches, personengebundenes Know-how (Prozesswissen, Human- und Organisationsvermögen wie Markenname, Netzwerke, Geschäftsgeheimnisse, Bekanntheitsgrad der Produkte, etc.)
Achenbachs Ressourcenkategorisierung Quelle: i. A. an Achenbach, 2003, S. 18.
Achenbach geht hinsichtlich der Übertragbarkeit davon aus, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens als Träger firmenspezifischen Wissens immobil sind, da für sie dieses Wissen auf dem externen Markt nicht in vollem Umfang nutzbar und für andere Arbeitgeber nicht in dem Maße wertvoll ist (Achenbach, 2003, S. 18). Entsprechend ist der hoch spezialisierte Arbeitnehmer und sein Know-how an sein aktuelles Unternehmen mehr oder weniger stark gebunden (dazu auch Backes-Gellner, Lazear & Wolff, 2001, S. 533 f.). Darüber hinaus wird deutlich, dass Person und Wissen als untrennbar voneinander definiert sind. Entscheidend für die Argumentationslogik der vorliegenden Arbeit ist schließlich, ob die Humanressourcen alle genannten Eigenschaften erfüllen und als nachhaltige „Rentengeneratoren“ (Lucht, 2007, 96) verstanden werden können. Die bisher veröffentlichten Analysen zeigen diesbezüglich große Übereinstimmung. Die Anwendung der Ressourceneigenschaften auf Personen mit ihren Motiven und Qualifikationen (Gmür, 2003, S. 44) lässt sich daher wie folgt zusammentragen. 3.1.2
Ressourceneigenschaften in Bezug auf Humanressourcen
Entsprechend den obigen Ausführungen ist zu hinterfragen, inwiefern Humanressourcen entsprechend dem RBV als strategisch wichtige Ressourcen verstanden und damit die hohe Bedeutung eines strategisch ausgerichteten Personalmanagements begründet werden können. Während die Heterogenität und die Immobilität zunächst temporäre Wettbewerbsvorteile ermöglichen, können ein hoher Wertbeitrag, die Knappheit, die eingeschränkte Imitierbarkeit und die Nicht-Substituierbarkeit von Humanressourcen nachhaltige Wettbewerbsvorteile für ein Unternehmen schaffen. Heterogenität der Humanressourcen Personen sind aufgrund unterschiedlichen Wissens, unterschiedlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie unterschiedlicher Beeinflussung durch historische Umstände zwischen Unternehmen verschieden (Mayson & Barrett, 2006, S. 448; Achenbach,
62
2003, S. 23, 24). Zudem bauen sie mit ihren individuellen Handlungen und Erfahrungen das unternehmensspezifische Know-how aus (Achenbach, 2003, S. 19). Auch kulturell24 unterscheiden sich Menschen, was bei unzureichender Beachtung in der Unternehmensführung – nicht nur im international ausgerichteten Management – zu nicht akzeptablen Zielverfehlungen in der Geschäftstätigkeit führen kann (Holzmüller & Berg 2002, S. 883). Neben dem heterogenen Angebot von Humanressourcen auf dem Arbeitsmarkt ist auch die interorganisationale Nachfrage nach ihnen heterogen, da Firmen unterschiedliche Aufgaben zu besetzen haben, die unterschiedliche Fähigkeiten erfordern (Wright et al., 1994, S. 306; Lucht, 2007, S. 97). In Zeiten des Kampfes um Talente ist es deshalb wettbewerbsentscheidend, dass sich Unternehmen frühzeitig um das Humanressourcenpotential auf dem Arbeitsmarkt bemühen und parallel Maßnahmen zur spezifischen Weiterentwicklung und damit zur Forcierung der Heterogenität konzipieren (Hodgkinson, 1996, S. 192; Lado & Wilson, 1994, S. 704, 710). Immobilität der Humanressourcen Personen sowie das personengebundene Wissen stufen Achenbach und andere Autoren als nicht-transaktionsfähig, d. h. als nicht auf andere Organisationen übertragbar ein (Achenbach, 2003, S. 18). Auch wenn Organisationsmitglieder natürlich freie Wahl ihres Arbeitgebers haben (Lucht, 2007, S. 98), bezieht sich die Nichtübertragbarkeit auf den heterogenen, bedingt einzigartigen Mitarbeiterpool (ebenda; Achenbach, 2003, S. 19). Darüber hinaus hängt die Mobilität entscheidend von der betrieblichen Spezifität der jeweiligen Fähigkeiten ab – je spezifischer, desto immobiler (Prezewowsky, 2007a, S. 12–14). Insofern spielt die Investition in die Humanressourcen durch eine strategische Karriere- und Entwicklungsplanung in Unternehmen eine besondere Rolle (McPhail & Fisher, 2008, S. 461; Collins, 2003, S. 146; Bajracharya, Ogunlana & Bach, 2000, S. 94; Lado & Wilson, 1994, S. 705; Becker, 1992, S. 89). Allerdings ist aufgrund der Unsicherheit über das menschliche Verhalten der Grad der Mobilität nicht sicher bestimmbar. Nach Wright et al. scheint das Risiko hoher Mobilität allerdings deshalb begrenzt, da die Transaktionskosten unverhältnismäßig wären (Wright et al., 1994, S. 311). Grund ist einerseits die für den Wettbewerber nicht eindeutige Identifizierbarkeit der Quelle des Wettbewerbsvorteils aufgrund kausaler Ambiguität und sozialer Komplexität und andererseits die nicht annähernd mögliche Bereitstellung
24
Gerade im Zeitalter der international agierenden Unternehmen ist die kulturelle Heterogenität von Herausforderungen begleitet, mit denen sich ein eigener Forschungszweig – verhaltenswissenschaftlich, z. T. aber auch populärwissenschaftlich in Form von „Knigge-Bücher“ (Holzmüller & Berg 2002, S. 886) – auseinandersetzt.
63
dieser Verflechtungen bei einer Abwerbung der spezifischen Humanressourcen (Wright et al., 1994, S. 311). Einzigartigkeit und Knappheit der Humanressourcen „Die Ressource Mensch ist zunächst weder einzigartig noch knapp“ (Prezewowsky, 2007a, S. 13). In Anbetracht der hohen Arbeitslosenzahlen kann auch nicht per se von einer Verknappung die Rede sein (Lucht, 2007, S. 99). Allerdings sind Humanressourcen mit hoher Qualität unter der Annahme der normalverteilten Heterogenität von Fähigkeiten per Definition rar (Wright et al., 1994, S. 307) und zwar nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Unternehmen (Lucht, 2007, S. 99). Darüber hinaus wird die Einzigartigkeit der Leistungsfähigkeit durch die jeweiligen Arbeitsbedingungen sowie den, wenn überhaupt nur unvollständig kopierbaren, Umgang des Unternehmens mit den Arbeitnehmern forciert (Ridder et al., 2001, S. 15). Da, gemessen an den Anforderungen der auszuübenden Tätigkeiten, langfristig das Angebot an leistungsfähigen Mitarbeitern sinkt (Prezewowsky, 2007a, S. 13), kann Knappheit an hochqualifiziertem Personal durchaus bestätigt werden (Nolte, 2006, S. 34; Achenbach, 2003, S. 23, 24). Darüber hinaus finden sich in aktuellen Studien zu den Auswirkungen des demografischen Wandels in industrialisierten Ländern entscheidende Hinweise, dass in den nächsten Jahren das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften den Bedarf kaum decken kann (vgl. u. a. Zahn-Elliot, 2001, S. 8; Bellmann & Leber, 2004, S. 1, 2). Wert der Humanressourcen Während Humanressourcen traditionell als zu minimierender Kostenfaktor angesehen wurden, gelten sie heute eher als Wertschöpfungsquelle und strategischer Hebel (Becker & Gerhart, 1996, S. 780, 781; Wright et al., 1994, S. 323). Leistungsfähige und qualifizierte Mitarbeiter haben einen maßgeblichen Anteil an der Produktivität des Unternehmens (Achenbach, 2003, S. 23, 24; Prezewowsky, 2007a, S. 12; Staehle, 1999, S. 793), denn ihre Aufgaben bestehen in der Beschaffung und Veredelung von Ressourcen(kombinationen), der expliziten und impliziten Strategieentwicklung insbesondere auf der Ebene des Managements sowie in der Strategieumsetzung in Kernprozessen (Führing, 2006, S. 82–83). Auch diese Feinheiten des Wertschöpfungsprozesses selbst sind sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich für Wettbewerber zu imitieren, da sie pfadabhängig und kausal mehrdeutig sind (Ferris, Hochwarter, Buckley, Harrell-Cook & Frink, 1999, S. 388–389). Allerdings ist der Beitrag der Humanressourcen zur Transformation der Unternehmensprozesse in Wettbewerbsvorteile nicht als statisch anzusehen. Sowohl die gegenwärtige als auch die zukünftige Leistungsfähigkeit und damit der (Humanressourcen-)Wert werden zum einen durch die Belegschaftsstruktur in Verbindung mit der praktizierten Personalpolitik, zum anderen durch die Fluktuation im Unternehmen, den gesundheitlichen Zustand, die Qualifika64
tionen und Fähigkeiten sowie durch die Zusammenarbeit mit anderen beeinflusst (Prezewowsky, 2007a, S. 12, 13). Insofern sind kontinuierliche Investitionen zur Bindung und Entwicklung der Organisationsmitglieder notwendig, um dauerhaft von ihnen zu profitieren (Nolte, 2006, S. 20; Prezewowsky, 2007a, S. 13). Nichtsubstituierbarkeit der Humanressourcen Partielle Substituierbarkeit ist in weniger geistig anspruchsvollen Tätigkeiten möglich, z. B. durch den Einsatz technischer Geräte in passenden Situationen (Prezewowsky, 2007a, S. 12–14). Sofern dies möglich wäre, gilt allerdings zu bedenken, dass dieser technische Ersatz eher selten zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil führt und mittel- bis langfristig auch von anderen Unternehmen beschafft oder imitiert wird (Wright, McMahan & McWilliams, 1994, S. 312; Lucht, 2007, S. 105). Grundsätzlich ist bei qualifizierten Tätigkeiten davon auszugehen, dass dieses Wissen trotz technologischer Sprünge vor allem aufgrund der Qualität und der Zusammensetzung des Wissens sowie der unternehmensspezifischen Arbeitsbedingungen nicht ersetzbar sein wird (Achenbach, 2003, S. 23, 24; Lucht, 2007, S. 104). Nichtimitierbarkeit der Humanressourcen Die Imitierbarkeit ist eingeschränkt aufgrund der Einbettung der Humanressourcen in historisch gewachsene Unternehmensstrukturen und -prozesse (Mayson & Barrett, 2006, S. 448) sowie aufgrund der Einbringung ihres Wissens und ihrer Erfahrungen in die jeweiligen Produkte und Dienstleistungen (Pietschmann & Bell, 1999, S. 177; Achenbach, 2003, S. 23, 24). Hinsichtlich der Wechselwirkungen argumentierten Wright et al., dass Humanressourcen einmalig sind in ihrer Fähigkeit, eine einzigartige historische Entwicklung, kausale Ambiguität sowie soziale Komplexität zu verursachen und sich gleichzeitig von diesen Bedingungen beeinflussen zu lassen (Wright et al., 1994, S. 309), so dass Imitierbarkeit unmöglich erscheint. Ebenso ist es schwer, Wettbewerbsvorteile der Konkurrenz durch die Umsetzung deren erfolgreicher personalpolitischer Maßnahmen zu reduzieren, da Maßnahmen „immer nur im Wirkungsverbund mit anderen Maßnahmen und vor allem oft gänzlich in unterschiedlichen Umwelten“ wirken (Martin, 2006, S. 33). Firmenspezifische (HR-)Prozesse können so zu völlig anderen Ergebnissen führen. Insofern scheint es zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen weniger notwendig, eine besonders kreative und innovative Personalpolitik zu betreiben (Martin, 2006, S. 33). Mit Rückgriff auf die kontinuierlich schlechter werdenden demografischen Rahmenbedingungen wird eher frühzeitiges Handeln zur Generierung eines dauerhaften, humanressourcenbasierten Wettbewerbsvorteils beitragen (Prezewowsky, 2007a, S. 14). Ableitend aus diesen Ausführungen scheint es plausibel, dass einzigartige Humanressourcen durchaus nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen können. Insofern sind Bezeichnungen für Mitarbeiter wie „elementare Ressourcen“ und „zentrale Werttreiber 65
des unternehmerischen Erfolgs“ (u. a. Nolte, 2006, S. 29, Wright, Dunford & Snell, 2001, S. 702; Achenbach, 2003, S. 19; Boxall & Purcell, 2000, S. 195, 196; Wright, McMahan & McWilliams, 1994, S. 317, 322) berechtigt. Darüber hinaus bilden Person und ihr Wissen eine untrennbare Einheit. Anders formuliert sind Personen einerseits Träger relevanten Wissens (Objektcharakter) und andererseits handelnde und mit Bedürfnissen ausgestattete Akteure, die Wissen erwerben, einsetzen und weiterentwickeln (Subjektcharakter) (Führing, 2006, S. 82–83; Shipton, West, Dawson, Birdi & Patterson, 2006, S. 4; Staehle, 1999, S. 794). Die Kombination aus Wissen, Motivation und Beziehungsnetzwerk erschwert die Imitierbarkeit und ermöglicht deshalb die Differenzierung von Wettbewerbern und das Schaffen von Wettbewerbsvorteilen (Nolte, 2006, S. 1; Schreyögg & Kliesch, 2006, S. 457; Freiling, 2001a, S. 23). Allerdings wies Warren mit Nachdruck darauf hin, dass das Ausmaß der Beständigkeit, Mobilität, Imitierbarkeit und Substituierbarkeit von Ressourcen, und damit auch von Humanressourcen, veränderlich und von anderen Faktoren abhängig ist (Warren, 1999, S. 6). Diese Dynamik ergibt sich aus dem gleichzeitigen Bestreben der Unternehmen und deren Wettbewerbern, diese Eigenschaften im jeweiligen Sinne zu beeinflussen. Selbst die erfolgs- und überlebenssichernde Personalstruktur und damit eigenständige strategische Zielgröße (Klimecki & Gmür, 2005, S. 351) verändert sich stetig über die Zeit: zum einen durch die Bevölkerungsstruktur als zentrale, sich verändernde und wettbewerbsbeeinflussende Rahmenbedingung (Prezewowsky, 2007a, S. 12), zum anderen durch die Mitarbeiterfluktuation sowie in qualitativer Hinsicht durch diverse Personalentwicklungsmaßnahmen. Auf diese einzigartige Rolle der Humanressourcen wird in den bestehenden Beiträgen des Resource-Based View zwar hingewiesen, letztlich wird sie aber bisher nicht entsprechend konzeptionell integriert (Führing, 2006, S. 83). 3.1.3
Bewertung des Resource-Based View
Obgleich der klassische Resource-Based View einen der bedeutendsten Ansätze innerhalb der Theorieentwicklung des strategischen (HRM-)Managements als auch für die Argumentation in der empirischen Forschung der letzten Jahre darstellt (Wright, Dunford & Snell, 2001, S. 703; Katou & Budhwar, 2006, S. 1227; Khilji & Wang, 2007, S. 379), gehen die Bewertungen weit auseinander. Positiv sind die Übereinstimmungen über den RBV in den entsprechenden Forschungsarbeiten hervorzuheben. Dazu gehören erstens dessen weite und schnelle Verbreitung in der wissenschaftlichen Literatur und in Managementpraktiken, zweitens dessen heterogener Charakter, so dass verschiedene Theorien und Perspektiven integriert werden können und letztlich dessen Ruf als hauptsächlich strategischer Managementansatz (Acedo, Barroso & Galan, 2006, S. 621; Martin, 2003, S. 5; Haesli & Boxall, 2005, S. 1955; Priem & 66
Butler, 2001, S. 22). Der große Verdienst des RBV ist die Erweiterung der lange vorherrschenden Marktperspektive (market-based view), die Wettbewerbserfolge vorrangig auf spezifische Marktkonstellationen zurückführt, um eine auf die unternehmensinternen Potenziale bedachte Perspektive (Lucht, 2007, S. 85 f., zur wechselseitigen abhängigen Beziehung beider Perspektiven siehe S. 114; Prezewowsky, 2007a, S. 12 ff.; Ridder & Conrad, 2004, Sp. 1705). Da aufgrund der steigenden Komplexität und Dynamik des unternehmerischen Umfelds die Möglichkeiten der analytischen Erschließbarkeit und Prognostizierbarkeit der beeinflussenden Umweltfaktoren fehlen, ist es immer wichtiger, die internen strategisch relevanten Erfolgsursachen zu erschließen und zu prognostizieren (Lucht, 2007, S. 84 f.). Allerdings sind die Diskussionen um den wissenschaftlichen Status des RBV noch nicht abgeschlossen. Es wird bemängelt, dass es zu wenige Bemühungen um die Weiterentwicklung einer theoretischen Struktur (Priem & Butler, 2001, S. 34) gegeben hat. Insbesondere die lange existierenden Unklarheiten im Umgang mit dem Ressourcenverständnis und die terminologische Unschärfe führten zu Schwierigkeiten bei der konkreten Ausgestaltung des Ressourceneinsatzes entsprechend der betrieblichen Zielsetzung (Prezewowsky, 2007a, S. 12, 15, 34, Wagner 2003, S. 11; Priem & Butler, 2001, S. 34; Lucht, 2007, S. 93). Hingegen ist zu bemerken, dass gerade die Einordnung und Definition der Humanressourcen als strategische Ressourcen in den letzten Jahren sehr viel konkreter geworden sind (vgl. u. a. Lado & Wilson 1994; Wright et al. 1994; Achenbach 2003). Darüber hinaus werden die unzureichende analytische und empirische Fundierung der Annahmen des Resource-Based View kritisiert (Freiling, 2001a, S. 42-45). Zwar basieren viele Studien auf dem RBV, allerdings reicht die Häufigkeit nicht als Argument für seine empirische Bewährung aus (Gmür, 2003, S. 29–30; Barney 2001, S. 46; Haesli & Boxall, 2005, S. 1956). Weiterhin wird das Fehlen eines entsprechenden Instrumentariums „zur Umsetzung einer ressourcenorientierten Unternehmungsführung“ beklagt (Boos & Jarmai, 1994, S. 20). Inhaltlich sei vor allem defizitär, dass Wechselwirkungen im Konstrukt des Ressourcenansatzes nicht zu erkennen sind und dieser dadurch sehr statisch ausgerichtet ist (Freiling, 2001a, S. 47; Black & Boal, 1994, S. 132). Diese Statik äußert sich darin, dass kausale Beziehungen in einer „black box“ verschwinden und die Strategieforschung erschwert wird (Priem & Butler, 2001, S. 34). Insbesondere aufgrund der Kritik am zu statischen Charakter des klassischen RBV wurden in jüngster Zeit Weiterentwicklungen im Bereich der Dynamisierung angestrebt. Diese äußert sich darin, dass durch permanente Veränderungen der Rahmenbedingungen Unternehmen dazu gezwungen sind, ihre Ressourcenausstattung anzupassen, zu rekonfigurieren und zu verstetigen (Becker, 2004, S. 246; Schreyögg & Kliesch, 2006, S. 462). Daraus entstand der Dynamic Capabilities Approach. ‘Dyna67
mik’ bezieht sich dabei auf die Fähigkeit, sich einer verändernden Unternehmensumwelt anzupassen; der Begriff der ‘Capabilities’ betont die Schlüsselrolle eines strategischen Managements, internale und externale organisatorische Fähigkeiten, Ressourcen und Fachkompetenzen in angemessener Weise den Anforderungen der Unternehmensumwelt anzupassen, sie zu integrieren und zu rekonfigurieren (Teece, Pisano & Shuen, 1997, S. 510; Eisenhardt & Martin, 2000, S. 1106). Dies erfolgt vor allem durch organisationale Lernprozesse (Schreyögg & Kliesch, 2006, S. 463), die wiederum durch Individuen vollzogen werden (Hedberg, 1981, S. 6, zit. nach Fiol & Lyles, 1985, S. 804). Insofern spielt der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle in der Wertschöpfung (Committee on Human Resource Accounting, 1973, S. 169), die in den bestehenden Beiträgen des RBV zwar erwähnt, letztlich aber nicht entsprechend konzeptionell integriert wird (Führing, 2006, S. 83). Wissenschaftler und Praktiker sind sich darüber einig (Lucht, 2007, S. 93), dass die Humanressourcen einen sehr hohen Stellenwert im wirtschaftlichen Wettbewerb einnehmen, wenn nicht sogar die ausschlaggebende Quelle von Wettbewerbsvorteilen sind (Prezewowsky, 2007a, S. 12; Gmür, 2003, S. 29–30). Somit wird auch das Argument entkräftet, Mitarbeiter seien reine Kostenverursacher (Buck 2001, S. 20). Die Personen sind Träger der Kompetenzen, des spezifischen Wissens sowie der Motivation (Guthrie, 2001, S. 33; Führing, 2006, S. 74) und eröffnen einem Unternehmen erst den Möglichkeitsraum, der durch keine andere verfügbare Ressource vollkommen ersetzt werden kann (Lucht, 2007, S. 94). Daraus folgt einerseits die Aufgabe, den Wert der Mitarbeiter messen sowie wertschätzen zu können. Andererseits bedeutet dies für ein ressourcenorientiertes strategisches HRM, den qualitativen und quantitativen Humanressourcenbedarf des Unternehmens zu erschließen und zu prognostizieren, da die Personalstruktur und die Veränderung dieser Struktur den Ausgangspunkt zur Generierung von Strategien darstellen (Lucht, 2007, S. 113). Während diese Aussage in der wissenschaftlichen Literatur häufig zu finden ist, bleibt die Antwort auf die Frage nach einem effizienten und soliden Werkzeug für diese Aufgabe ungeklärt. Mit Rückgriff auf die demografische Entwicklung stellt sich ein Lösungsvorschlag jedoch als dringend und längst überfällig heraus. Die vorgestellten Argumente und Forderungen unterstützen das Vorhaben der Autorin, sich auf Basis des RBV der Veränderung der qualitativen und quantitativen Humanressourcenausstattung über die Zeit sowie der Bewertung des Humankapitals unter Berücksichtigung der zu erwartenden steten Verknappung zu widmen. Die Erkenntnisse aus diesem dynamischen Zusammenspiel führen zu Handlungsempfehlungen, die für Mitbewerber zwar kopierbar (Prezewowsky, 2007a, S. 14), aber aufgrund der kausalen Mehrdeutigkeit und Pfadabhängigkeit (Becker & Gerhart, 1996, S. 782) 68
sowie des spezifischen Humankapitalpools (Wright et al., 1994, S. 309 f.) wenig nützlich sind. Somit begründet sich in der Rolle firmenspezifischer HR Strategien, als wichtige Quelle eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils (Cardy, Miller & Ellis, 2007, S. 145; Lado & Wilson, 1994; Pfeffer, 1994; Porter, 1985/ 1991; Schuler & Macmillan, 1984; Wright & McMahan, 1992), die Forderung nach ihrer faktenbasierten – statt intuitiven – Entwicklung und ihrer ex ante25 Evaluation, um die intendierten sowie nicht intendierten Effekte der Maßnahmen zu erkennen und gegebenenfalls die Strategien in iterativen Evaluationsprozessen abzuändern. Um dieses Vorhaben zu realisieren und die Wechselwirkungen Schritt für Schritt aufzubauen, gilt es im Folgenden zu klären, wie der Wert von Humanressourcen gemessen werden kann. 3.2 Humankapitalmanagement 3.2.1
Status quo der Forschung
Der Resource-Based View unterstützt aus theoretischer Sicht die wieder aufgenommene Diskussion über die Bewertung des Humankapitals (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 39). Die erste Auseinandersetzung in den USA erfolgte durch Likert (1967) unter dem Begriff Human Resource Accounting (Becker, 2008, S. 1, 60). In Deutschland wurde dieser Ansatz in den frühen 1970er Jahren übernommen, verebbte dann aber wieder (ebenda; Scholz, 2000, S. 274). Gründe für die spärliche Fortentwicklung der Berechnungsansätze liegen zum einen darin, dass die Aufmerksamkeit der Wissenschaft und Praxis den Folgen der ersten Ölkrise galt und zur damaligen Zeit keine Knappheit der Arbeitskräfte herrschte (Becker, 2008, S. 1). Zum anderen sind die Gründe im Konzept selbst zu suchen: erstens stellt die Humankapitalrechnung hohe Anforderungen an die erforderliche Datenbasis, so dass der Aufwand erheblich ist, und zweitens wurde die Humankapitalrechnung, also die monetäre Bewertung von Humanressourcen teilweise aus moralischer und sozialer Hinsicht als nicht haltbar erklärt (Scholz, 2000, S. 274; Mirvis & Macy, 1976, S. 75; Brummet, Flamholtz & Pyle, 1968, S. 218; Thielmann-Holzmayer, 2002, S. 41). Der Kritik26 der Vergegenständlichung der Ressource Mensch begegnete Martin allerdings mit der Aussage, dass es der Würdigung des Personals nur dienlich sein kann, wenn man in ihm primär oder gar ausschließlich das Humankapital, d. h. den Wert sieht (Martin, 2003, S. 5–6). So
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Ex ante meint in diesem Zusammenhang die Evaluation der Strategien vor ihrer realen Umsetzung. Diese ex ante Evaluation wird am Simulationsmodell vorgenommen. Siehe dazu beispielhaft die Ausführungen zum „Unwort des Jahres“ 2004, z. B. Schlosser, 2005.
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betonte auch Becker, dass sich die Wissenschaft der Bewertung von Humanressourcen objektiv und „ohne Hass und Leidenschaft“ widmet, um zu messen, was an Humankapital vorhanden ist, und wie es sich verändert (2008, S. 33). Seit Ende der 1990er Jahre (Becker, 2008, S. 2) wurde das Thema der Wertbestimmung wieder verstärkt aufgegriffen. Anlass waren unter anderem die beobachteten, zum Teil eklatanten Abweichungen zwischen Markt- und Buchwert börsennotierter Unternehmen (Schäfer & Lindenmayer, 2004, S. 56; Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 55; Kasperzak, Krag & Wiedenhofer, 2001, S. 1495; Scholz, 2000, S. 274 f.). Es wurde deutlich, dass ein Unternehmen oft mehr Wert ist als sein bilanziertes Vermögen (Schmeisser, 2007, S. 1). Diese Differenz, der Firmenwert bzw. der Goodwill, wurde bisher zwar auch im Zusammenhang mit immateriellem Vermögen diskutiert, aber konkret die Mitarbeiter und deren Potenzial als Teil der Unternehmen blieben dabei unberücksichtigt (Guthrie, 2001, S. 29; Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 6; Lev & Schwartz, 1971, S. 103). Das Personal eines Unternehmens ist jedoch der bedeutende Werttreiber (Committee on Human Resource Accounting, 1973, S. 169; Schmeisser, 2007, S. 5; Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 38). Zudem wurde die Bedeutung der Bewertung immaterieller Vermögenswerte deutscher Großunternehmen im Rahmen der externen Rechnungslegung erkannt (Porter, 2004, S. 8). Nicht nur der Umstand, dass Kreditinstitute eine erweiterte Kreditwürdigkeitsprüfung in Bezug auf Softfaktoren27 durchführen, auch die Wertfindung bei Unternehmensfusionen zielt auf die Identifikation solch kritischer Werttreiber ab (ebenda, S. 8, 9). Darüber hinaus ist das Informationsbedürfnis von Eigen- und Fremdkapitalgebern sowie anderer Stakeholder zur Beurteilung des nachhaltigen Unternehmenswertes gestiegen (Porter, 2004, S. 8; Frederiksen & Westphalen, 1998, S. 8). Nicht zuletzt ist die Bewertung des Humankapitals auch managementorientiert, um Entscheidungen des Managements im Hinblick auf die menschlichen Ressourcen der Organisation unter Wirtschaftlichkeitsaspekten zu verbessern (Fischer-Winkelmann & Hohl, 1982, S. 2637). Insofern ist es verständlich, dass in Theorie und Praxis Konzepte entwickelt werden, „die eine systematische betriebswirtschaftliche und verhaltenswissenschaftliche Messung und Bewertung der Humanressourcen ermöglichen“ (Becker, 2008, S. 1). Aufgrund der zögerlichen Fortentwicklung kann die Humankapitalbewertung noch als junges Forschungsfeld bezeichnet werden, was sich auch in der breiten und uneindeutigen Terminologie widerspiegelt (Porter, 2004, S. 10). Es gibt in der Literatur eine Vielzahl von Begrifflichkeiten, die in diesem Kontext Verwendung finden. Dazu
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Zu den sogenannten Softfaktoren gehören immaterielle Vermögenswerte wie bspw. Mitarbeiterqualifikation, Managementqualität, Unternehmenskultur, etc. (Porter, 2004, S. 8).
zählen vor allem Humankapital, Humanvermögen, Humanressourcen sowie immaterielles/ intangibles Vermögen und intellektuelles Kapital (Porter, 2004, S. 13). Beginnend mit der Abgrenzung von Humankapital und Humanvermögen lässt sich feststellen, dass es keine trennscharfe Verwendung dieser Termini gibt. Es wird weder einheitlich von Kapitalarten noch von Vermögensgegenständen gesprochen (Schäfer & Lindenmayer, 2004, S. 13). Selbst wenn es scheint, dass sich Autoren auf einen Begriff festgelegt haben, finden im Verlauf der Abhandlungen doch wieder beide Begriffe Anwendung (siehe bspw. Becker, 2008; Riese, 2007; Scholz, Stein & Bechtel, 2006). Dem Bilanzverständnis zufolge werden allerdings Vermögenswerte auf der Aktivseite (Mittelverwendung) und die Kapitalquellen auf der Passivseite (Mittelherkunft) abgebildet (HGB, 2008, §266; Thielmann-Holzmayer, 2002, S. 42). Mit dem Eigen- oder Fremdkapital werden die Vermögenswerte finanziert, die schließlich die Erfolge generieren (Schäfer & Lindenmayer, 2004, S. 14). Personen als Vermögen zu betrachten ist allerdings insofern schwierig, als dass Unternehmen an den Mitarbeitern rechtlich kein Eigentum erwerben können, was nicht zuletzt das Investitionsrisiko des Unternehmens erhöht (Schäfer & Lindenmayer, 2004, S. 14; Brummet, Flamholtz & Pyle, 1968, S. 218; Oechsler, 2006, S. 494; Fitz-Enz, 2000, S. 91). Es sind demnach nicht die Menschen als Vermögen zu verstehen, sondern die Leistungen, die sie für die Organisation erbringen und durch die sie Nutzen stiften (Flamholtz, 1974, S. 292; Thielmann-Holzmayer, 2002, S. 42; Riese, 2007, S. 275 f.). An der Erbringung der vertraglich festgelegten Leistung hat das Unternehmen einen juristischen Anspruch, der als Gegenleistung entsprechend entlohnt wird (Schäfer & Lindenmayer, 2004, S. 15). Aus der Kapitalperspektive ist der Arbeitnehmer Fremdkapitalgeber, da er seine Kompetenzen dem Unternehmen zur Verfügung stellt und in der Lage ist, diese dem Unternehmen wieder zu entziehen (ebenda, S. 15). Zu Eigenkapital des Unternehmens werden das Wissen und die Fähigkeiten des Mitarbeiters in gewisser Weise dann, wenn das Wissen der beschäftigten Person intern zugänglich gemacht und konserviert wird und im Falle des Weggangs dieses Mitarbeiters dem Unternehmen auch erhalten bleibt (ebenda, S. 15). Auch wenn aufgrund der sprachlichen Herkunft des Vermögensbegriffs aus dem Englischen (human assets, human resources) Humanvermögen und Humankapital in der deutschsprachigen Literatur sehr häufig synonym verwendet werden (Riese, 2007, S. 257; Ortner, 1991, S. 307), ist die korrekte betriebswirtschaftliche Verwendung dieser Begriffe danach zu entscheiden, ob der Aktiv- oder der Passivposten im Fokus der Betrachtung steht. Hinsichtlich des demografischen Wandels, des regional- und qualifikationsspezifisch zu erwartenden Fachkräftemangels und der möglicherweise steigenden Arbeitskräftemobilität aufgrund des „Kampfes um Talente“ scheint für diese Arbeit der Kapitalbegriff geeigneter zu sein. Da eine Person und ihr Wissen, ihre 71
Fähigkeiten und Erfahrungen untrennbar voneinander sind (Riese, 2007, S. 258), ist die reine Leistungsvermögens-Perspektive wenig sinnvoll. Der Arbeitnehmer wird in Anbetracht des Objekt- und Subjektcharakters im Folgenden als Kapitalgeber spezifischer Leistungsfähigkeiten verstanden, der durch Ausscheiden aus dem Unternehmen einen Verlust an Humankapital verursacht. Bildungsinvestitionen können dazu beitragen, Fähigkeiten und spezifisches Wissen und dadurch den Humankapitalwert zu erhöhen (Staehle, 1999, S. 782 f.). Personal, als die Gesamtheit der Humanressourcen, und Humankapital sind im Nachstehenden als Synonyme zu verstehen (ähnlich Wilson, 1971, S. 200). Des Weiteren ist der Zusammenhang zwischen den Termini Humankapital, intellektuellem Kapital und immateriellem Vermögen zu klären. Humankapital ist neben dem organisationalen Kapital, welches sich aus Strukturkapital, Prozesskapital, Markenimage und geistigem Eigentum zusammensetzt, sowie dem Beziehungskapital, bestehend aus Kundenbeziehungen, Lieferantenbeziehungen, Allianzen und Netzwerken, der personalbezogene Teil des intellektuellen Kapitals eines Unternehmens (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 24, 51)28. Unternehmenswert Finanzielles Kapital
Physisches Kapital
Humankapital
Liquide Mittel Forderungen Finanzanlagen
Gebäude Maschinen Hardware
Wissen/ Intellekt Fähigkeiten Kreativität
Bilanzvermögen
Organisationales Kapital Strukturkapital Prozesskapital Markenimage Geistiges Eigentum
Humankapital
Beziehungskapital Kunden- & Lieferantenbeziehungen Allianzen/ Netzwerke
Sonstiges immaterielles Vermögen Intellektuelles Kapital
Abbildung 3-5:
Humankapital als Bestandteil des Unternehmenswertes Quelle: i. A. an Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 24.
Das Humankapital, welches durch Investitionen z. B. in Bildung, Trainings und Gesundheitsmanagement geschaffen und erhöht wird (Becker, 1992, S. 85), ist dabei der Bestandteil des Unternehmenswertes, der jeden Abend nach Hause geht (Fitz-Enz, 2000, S. 91; Porter, 2004, S. 12, 13). Das aus Mitarbeiterleistungen entstandene Orga-
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Diese Differenzierung ist bei den maßgeblichen Autoren zwar nicht deckungsgleich, aber doch ähnlich (Brennan & Connell, 2000, S. 219). Vergleiche dazu z. B. Sveiby, 1997; Edvinsson & Malone, 1997; Petrash, 1996; Kaplan & Norton, 1992.
nisations- und Beziehungskapital bildet hingegen das immaterielle Vermögen, welches Eigentum des Unternehmens ist. Das sämtliche immaterielle Werte eines Unternehmens umfassende intellektuelle Kapital beschreibt wirtschaftliche Vorteile, die weder durch materielle noch finanzielle Güter konkretisiert werden, aber dennoch Erfolgspotenzial für das Unternehmen darstellen (Niehaus, 1972, S. 1045). Als Übersicht für die begriffliche Differenzierung dient die Abbildung 3-5. Entsprechend dieser Relevanz des Humankapitals für den Unternehmenswert befasst sich das Humankapitalmanagement mit dessen Messung. Diese ist dringend erforderlich, um Einfluss auf die Humansysteme in den Organisationen zu nehmen und sie zu steuern (Lawler, 1982, S. 193). Das Humankapitalmanagement kann insofern als „unverzichtbarer Bestandteil einer professionellen Personalarbeit“ dazu beitragen, „den Mitarbeiter von seinem (negativen) Status als Kostenfaktor auf seinen (positiven) Status als nachweisbar bedeutsamer Bestandteil des Unternehmens aufzuwerten“ (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 6, 7). Das Humankapitalmanagement befasst sich mit der periodischen Erfassung, Darstellung und Auswertung des ökonomischen Wertes des Humankapitals eines Unternehmens und schließt die Messung der Produktivität im Sinne einer Funktionserfüllung ein (Riese, 2007, S. 277 f., 280; Oechsler, 2006, S. 494). Es gibt eine Reihe von in der Literatur diskutierten Ansätzen, wobei diese Vielfalt, die verschiedenen Zielfunktionen sowie die fehlenden Richtlinien29 zur Bewertung immateriellen Vermögens (Riese, 2007, S. 278; Porter, 2004, S. 9) ein standardisiertes Vorgehen und damit die interorganisationale Vergleichbarkeit des Humankapitalwertes unmöglich machen. Das folgende Unterkapitel befasst sich mit der Vorstellung der wichtigsten Ansätze der Humankapitalwertrechnung zur Ableitung einer umfassenden, auf Personaldaten bezogenen Bewertungsmöglichkeit und deren Integration in ein dynamisches Personalplanungsmodell. 3.2.2
Betriebswirtschaftliche Ansätze der Humankapitalwertberechnung
In der Literatur werden neben betriebswirtschaftlichen Ansätzen verhaltenswissenschaftliche und volkswirtschaftliche Berechnungsverfahren diskutiert. Verhaltenswissenschaftliche Modelle orientieren sich am Subjekt, d. h. an der Person bzw. der Persönlichkeit, die als Unikat erfasst und behandelt wird (Becker, 2008, S. 13). Die
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Vgl. Porter, 2004, S. 9: Die Bewertung von materiellen Vermögenswerten ist durch Gesetze, die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und die Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung weitestgehend unstrittig. Die Bilanzierung von immateriellen Vermögensgegenständen weist dagegen eine große Bandbreite unterschiedlicher nationaler und institutioneller Vorstellungen auf, so dass die Konsensfindung und die Integration in Rechnungslegungsstandards noch ein langwieriger Prozess zu werden scheint.
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Ergebnisse solcher eher qualitativen Messungen können in den operativen Bereichen der Berufseignung und Personalentwicklung genutzt werden (Becker, 2008, S. 91). Volkswirtschaftliche Modelle dagegen quantifizieren beispielsweise auf nationaler Ebene unter anderem den Gesundheitsstatus und den Bildungsstand der Bevölkerung als Determinanten des Humankapitals (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 52). In dieser Arbeit stehen die betriebswirtschaftlichen Ansätze im Mittelpunkt, wenngleich zu betonen ist, dass sich die Ansätze auch an Aspekten anderer, fachfremder Verfahren orientieren. So finden beispielsweise motivationale Aspekte aus der Psychologie ebenso Anwendung, wie Argumentationen aus mikro- oder makroökonomischer Perspektive. Insofern drückt sich auch in diesem Forschungsfeld die Interdisziplinarität der Betriebswirtschaftslehre aus. Dennoch sind im Folgenden die Gründe der Befassung mit der Humankapitalrechnung vorrangig betriebswirtschaftlicher Natur. Dazu gehören die angestrebte Unterstützung eines strategisch ausgerichteten Personalmanagements und eine dadurch mögliche positive Beeinflussung des Unternehmenswertes, der wiederum für externe Anspruchsgruppen von Interesse ist. Um dieses interne und externe Informationsbedürfnis zu befriedigen, sind auf Unternehmensebene aggregierte Werte (Becker, 2008, S. 21) erforderlich. Es steht demnach der Wert der gesamten Belegschaft im Vordergrund, zu dem alle dauerhaft im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter zählen. Aufgrund der Wechselwirkungen innerhalb des Personalsystems30 kann davon ausgegangen werden, dass der aggregierte Humankapitalwert höher ist als die Summe der Werte einzelner Beschäftigter (Wilson, 1971, S. 198). Zudem sind hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Vorjahren und von Unternehmen quantitative Angaben nützlicher als qualitative Auswertungen. Die Kennzeichen und damit die Zielsetzung der betriebswirtschaftlichen Humankapitalmessung und –bewertung lassen sich wie folgt zusammenfassen (Becker, 2008, S. 19): Betrachtung des Humankapitals als Objekt und strategisch wertvolle Ressource, Messung der Eingangsparameter, der Veränderungsparameter und der Ergebnisparameter, Ausweis des Humankapitalwertes als monetäre bzw. monetär gewichtete Größe, Fokussierung der Beschaffung, Nutzung und Veränderung des Humankapitals, Informationsbeitrag sowohl für externe als auch interne Interessengruppen, Unterstützung der unternehmensinternen Planung, Entscheidung, Kontrolle sowie Bestandteil zielorientierter strategischer Unternehmensführung.
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Personalsysteme sind Systeme, „die eine nachhaltige und mitarbeiterorientierte Personalarbeit und Führung unterstützen, z. B. ein qualifiziertes Führungskonzept, eine explizit formulierte Personalstrategie, ein System des Controllings der Humankapital-Faktoren sowie klassische Systeme wie Ausbildung, Entwicklung und Vergütung“ (Gaugler, Wächter & Wunderer, 1978, S. 1793).
Es ist bereits seit den 1960er Jahren ein Anliegen der Wissenschaft und der Praxis, den Wert menschlicher Ressourcen zu messen (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 80). Der immaterielle Teil allerdings erschwerte und erschwert nach wie vor die Bewertung des Humankapitals bzw. des intellektuellen Kapitals: zum einen aufgrund der Operationalisierung, zum anderen aufgrund der gesetzlich beschränkten Bilanzierungsfähigkeit, selbst wenn Humankapital einheitlich operationalisierbar wäre. Gerade aufgrund des Umbruchs vom Industrie- zum Wissenszeitalter wäre es wichtig, das immaterielle Vermögen bewerten zu können, um einen adäquaten Buchwert in der Bilanz auszuweisen. Stattdessen basiert das Rechnungswesen nach wie vor auf dem industriellen Paradigma, in dem nur physischer und materieller Besitz als Vermögensgegenstand betrachtet wird (Flamholtz, 1999, S. 4; Sveiby, 1998, S. 209; Peters, Reinhardt & Seidel, 2006, S. 118). Dem Vollständigkeitsgebot31, im Jahresabschluss alle Vermögensgegenstände aufzuführen, steht ein Aktivierungsverbot32 nicht entgeltlich erworbener immaterieller Vermögensgegenstände gegenüber (Becker, 2008, S. 278). „Explizite Rechnungslegungsnormen zur Bilanzierung von humanen Ressourcen existieren derzeit weder in den nationalen Rechtsnormen des HGB noch in den für deutsche Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen anzuwendenden internationalen Rechnungslegungsnormen nach IFRS bzw. US-GAAP“ (Becker, 2008, S. 278; ähnlich Porter, 2004, S. 15). Die Abbildung 3-6 stellt die Bilanzierungsrichtlinien für Humanressourcen gegenüber.
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„Der Jahresabschluß [!] hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.“ (HGB, 2008, § 246, Abs. 1, S. 1) „Für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, darf ein Aktivposten nicht angesetzt werden.“ (HGB, 2008, § 248, Abs. 2)
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indirekte BF
direkte Bilanzierungsfähigkeit (BF)
HGB selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände
Aktivierungsverbot
entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände
Aktivierung, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Schuldendeckungseignung Einzelverwertbarkeit Einzelveräußerbarkeit Einzelvollstreckbarkeit
IAS / IFRS
US-GAAP
Aktivierung, wenn die Kriterien der: abstrakten BF erfüllt sind: Identifizierbarkeit Verfügungsmacht des Unternehmens Künftiger wirtschaftlicher Nutzen konkrete BF erfüllt sind: Zufluss des zukünftigen Nutzens an das Unternehmen Anschaffungs-/ Herstellungskosten sind vernachlässigbar verwertbar
Aktivierungsverbot bzw. Aktivierung zu marginalen Kosten, die nach F&E-Phase anfallen Aktivierung zu Anschaffungskosten, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Entstehung aus vertraglich oder anderen Rechten Separierbarkeit Weitere Kriterien: Künftiger wirtschaftlicher Nutzen Verfügungsmacht Abgeschlossene Transaktion
originärer Firmenwert
Aktivierungsverbot
Aktivierungsverbot
Aktivierungsverbot
derivativer Firmenwert
Aktivierungswahlrecht
Aktivierungsgebot
Aktivierungswahlrecht
Abbildung 3-6:
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Bilanzierungsrichtlinien für Humanressourcen Quelle: i. A. an Becker, 2008, S. 281; Porter, 2004, S. 27; Klimecki & Remer, 1997, S. 1815.
Da den Humanressourcen die Erfüllung der HGB-Kriterien weitestgehend abgesprochen wird und nach den IAS/IFRS- bzw. den US-GAAP-Kriterien die Verfü-
33
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Das HGB (Handelsgesetzbuch) stellt mit dem § 342 die gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit eines privaten, mit unabhängigen Fachleuten besetzten Gremiums, um die Entwicklung der Rechnungslegungsgrundsätze voranzutreiben, eine stärkere Annäherung der deutschen Vorschriften an die internationalen Grundsätze der Rechnungslegung zu ermöglichen und ihre schnellere Anpassung an neue Erfordernisse zu gewährleisten. Damit wurde das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) 1998 geschaffen und unter dessen Dach der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) gegründet, der unter anderem Empfehlungen (Deutsche Rechnungslegungsstandards, DRS) zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung entwickelt. (Vgl. DRSC, o.J.) Die deutsche Rechnungslegung wird als besonders Gläubiger-orientiert beschrieben (Porter, 2004, S. 19). Die International Financial Reporting Standards (IFRS) werden nach einem internationalen Beratungsprozess (due process), an dem interessierte Personen und Organisationen der ganzen Welt teilnehmen, durch den International Accounting Standards Board (IASB) festgelegt. Dieser IASB ist ein unabhängiger Standardsetzer der International Accounting Standards Committee Foundation mit Sitz in London/UK (IASC Foundation). (Vgl. IASB, o.J.) Die International Accounting Standards (IAS) und die IFRS gelten als ein wesentliches Instrument der weltweiten Harmonisierung der Rechnungslegung (Henselmann, 2008, S. 26). Jeder Mitgliedsstaat der EU kann selbständig erlauben, inwiefern IFRS Anwendung finden: der deutsche Gesetzgeber hat so die Pflicht-Anwendung der IFRS für den Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen entschieden (§ 315a, Abs. 1 und 2 HGB), die Wahl-Anwendung für den Konzernabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen erlaubt (§ 315a, Abs. 3 HGB) und die Wahl-Offenlegung eines IAS/IFRS-Einzelabschlusses für große Kapitalgesellschaften (§ 325, Abs. 2a HGB) (Henselmann, 2008, S. 28). Die IAS/IFRS gelten als eher Eigentümer-orientiert (Porter, 2004, S. 19). Die rein nationalen und ebenfalls eher Eigentümer-orientierten (Porter, 2004, S. 19) Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) werden grundsätzlich von der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, SEC) reguliert, die diese Arbeit inzwischen weitestgehend an das Financial Accounting Standards Board (FASB) delegiert hat. Neue vom FASB erlassene Standards werden Statements of Financial Accounting Standards (SFAS, oder FAS) genannt. Sofern sich deutsche Unternehmen über den US-amerikanischen Kapitalmarkt finanzieren möchten, greifen die US-GAAP auch für diese Firmen. Mittlerweise haben sich jedoch die IFRS als weltweiter Standard durchgesetzt, so dass mittels des „Norwalk Agreement“ im Oktober 2002 zwischen FASB und IASB langfristig eine Vereinheitlichung beider Standards erfolgen soll. (Vgl. Henselmann, 2008, S. 37 f.)
gungsmacht nicht erfüllt ist, können Humanressourcen nicht direkt als immaterieller Vermögensgegenstand in der Bilanz aktiviert werden (Becker, 2008, S. 279 f.; Wucknitz, 2002, S. 108; Pellens, Fülbier & Gassen, 2006, S. 269). Insofern stellt sich die Frage nach einer indirekten Bilanzierbarkeit. Während der originäre (selbstgeschaffene) Goodwill nach allen Richtlinien nicht angesetzt werden darf, besteht nach IAS/IFRS eine Aktivierungspflicht und nach HGB- und US-GAAP-Richtlinien ein Aktivierungswahlrecht des derivativen (erworbenen) Firmenwertes. Folglich besteht nur die Möglichkeit, Humanressourcen indirekt als Teil des Firmenwertes und insofern nicht als Einzelwert in der Bilanz auszuweisen (Becker, 2008, S. 281). Um dennoch externen Stakeholdern konkrete personalbezogene Informationen offenzulegen, nutzen Unternehmen die freiwillige Berichterstattung im Lagebericht (Becker, 2008, S. 282), wie z. B. in Form des Personalberichts, des Personalwertberichts oder der Personalbilanz (Porter, 2004, S. 9–10). Für deutsche Unternehmen wurde das HR Reporting als Element des (Konzern-)Lageberichts im HGB gesetzlich kodifiziert (Weinmann, 1978, S. 2705, 2707). Folgende Angaben zum Humankapital werden darin empfohlen (Weinmann, 1978, S. 2705):
Fluktuation, Mitarbeiterqualifikation, Weiterbildungsaufwendungen pro Mitarbeiter, Entlohnungssysteme, Vergütungsregeln sowie wesentliche Änderungen der tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen.
Die Deutsche Bank AG verwendete in ihrem HR Reporting der Jahre 2002-2004 diese Indikatoren. In dieser Berichterstattung wurde in Strukturdaten (deskriptiv) und Leistungsindikatoren unterschieden (Weinmann, 1978, S. 2705): Zu den Strukturdaten gehörten Angaben über die Anzahl der Vollzeitkräfte und die Anteile dieser Vollzeitkräfte an Unternehmensbereichen, Standorten, Bildungsabschlüssen sowie an fünf definierten Altersklassen. Im Rahmen der Leistungsindikatoren wurde auf den Mitarbeiter-Commitment-Index, auf den Anteil der Austritte wegen Stellenwechsels, auf Weiterbildungsaufwendungen pro Mitarbeiter in Euro sowie auf Berufsausbildungsaufwendungen in Mio. Euro eingegangen. Schütte fand im Rahmen seiner Untersuchung in Geschäfts- oder Personalberichten sehr häufig mitarbeiterbezogene Informationen in drei Kategorien (Gaugler, Wächter & Wunderer, 1978, S. 1793): Zum einen gehörten dazu Strukturdaten der Belegschaft wie Alter, Geschlecht, formale Bildungsabschlüsse, Dauer der Betriebszugehörigkeit, usw. Allerdings sei die Aussagekraft dieser Daten begrenzt, da sie in keinem Zusammenhang mit konkreten Zielsetzungen oder Fragestellungen stehen würden. 77
Zum Anderen waren Angaben zu neuen Programmen und Initiativen des Personalbereichs zu finden, die allerdings meist nur dem Personalmarketing dienen. Des Weiteren wurden allgemeine Aussagen zum Engagement der Mitarbeiter, der Unternehmenskultur und der Zusammenarbeit im Unternehmen getroffen. Eine Studie34, in der externe Adressaten und Unternehmensangehörige nach der Wichtigkeit einzelner personalbezogener Indikatoren schriftlich befragt wurden, ergab, dass Angaben zu
der Mitarbeiterbindung/ -fluktuation, der Mitarbeiterqualifikation, der Anzahl der Mitarbeiter, den Investitionen in Mitarbeiterbildung, der Mitarbeiterzufriedenheit, der Altersstruktur und den Fehlzeiten
eine vergleichsweise hohe Bedeutung haben, wobei die externen Adressaten die Wichtigkeit einzelner Indikatoren in den meisten Fällen geringfügig höher einschätzten (Weinmann, 1978, S. 2705). Aus solchen Angaben schließen Kapitalmarktteilnehmer auf den Umgang eines Unternehmens mit seinen Angestellten und treffen Anlageentscheidungen: So kann eine hohe Mitarbeiterfluktuation als Zeichen für strategische Fehlplanungen oder eine geringe Mitarbeiterloyalität gedeutet werden (Henderson, 2004, S. 2610). Es wird deutlich, dass es für diese freiwilligen Berichterstattungen durchaus befürwortende Argumente gibt. Problematisch ist allerdings die derzeitige Willkürlichkeit der Angaben, da Standards zum Berichtsgegenstand fehlen, keine Konsistenz in Art und Weise bzw. Umfang der Berichterstattung herrscht, die Aussagekraft der nicht im Kontext mit Zielsetzungen dokumentierten Zahlen zu hinterfragen ist und qualitative Aussagen und Behauptungen nicht belegt werden müssen (Gaugler et al., 1978, S. 1793). Kurz: „Diese Art der Berichterstattung wird in keiner Weise der Bedeutung und dem Stellenwert des Humankapitals für den Erfolg des Unternehmens gerecht“ (Gaugler et al., 1978, S. 1793).
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Als externe Adressaten zählten in dieser Studie Analysten, Finanz- und Wirtschaftsjournalisten, Fondsmanager, Mitarbeiter von Ratingagenturen, Börse, Börsenaufsicht, Schutzvereinigungen für Wertpapieranleger und Wirtschaftsprüfer. Aus Unternehmenssicht wurden Mitarbeiter in Fachabteilungen befragt. Die Rücklaufquote bei den externen Adressaten betrug 20,9%, die der Unternehmen 21,1%. (vgl. Weinmann, 1978, S. 2706)
Ansätze zur Humankapitalbewertung marktwertorientiert Markt-/Buchwert-Relation Markt-/Buchwert-Differenz Human Capital Market Value Investor-Assigned Market Value Tobin‘s q Marktwert-Mitarbeiter-Quotient Value Creation Index
wertschöpfungsorientiert Originärer VAIC / Weiterentwickelter VAIC Market Value Added Economic Value Added Human Economic Value Added Workonomics Knowledge Capital Total Value Creation Kosten-Nutzen-Analyse
Abbildung 3-7:
rechnungswesenorientiert Accounting for the Future Human Resource Accounting - inputorientiert = HR Cost Accounting - outputorientiert = HR Value Accounting Entgeltbarwert-Ansatz Lernzeitbasierte Wissensbilanz
ertragsorientiert Calculated Intangible Value ICM Model Human Capital Pricing Model ROI of Human Capital Knowledge Capital Scoreboard
indikatorenbasiert Value Explorer Intangible Asstes Monitor Intellectual Capital Index Intellectual Capital Navigator Skandia Navigator Intellectual Capital-Audit IC-Rating Balanced Scorecard HR Scorecard Kennzahlenbasierte Wissensbilanz Employee-Value-Index Summenmodell des Humankapitals Humatics Human Asset Worth Human Capital Indikator Competence & Commitment Aries CIPD-Framework
Übersicht populärster Ansätze zu Humankapitalbewertung Quelle: Eigene Darstellung nach Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 11-13.
Entsprechend dieser zu schließenden Forschungs- und Praxislücke gibt es viele und vor allem viel diskutierte Vorschläge zu Messkonzepten, die das Humankapital auf indirektem Weg zu bewerten versuchen. Dieser Diversität auch hinsichtlich der Kategorisierung ist es geschuldet, dass eine übersichtliche Abhandlung aller verfügbaren betriebswirtschaftlichen Ansätze nach einem anerkannten Schema nicht möglich ist. Es gibt zu viele Einteilungsmöglichkeiten und zu viele Personalbewertungsverfahren, um diese hier im Einzelnen vorzustellen (Wilson, 1971, S. 199; Peters, Reinhardt & Seidel, 2006, S. 133).35 Scholz et al. bieten in ihrer Arbeit eine der umfangreichsten Auflistungen zu den 43 „zurzeit prominentesten Bewertungsansätzen“36 (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 52) und thematisieren dadurch die Vielfalt der Verfahren sowie die Möglichkeit, Elemente verschiedener Ansätze zu kombinieren. Da ihre Kategorisierung zudem nachvollziehbar ist, soll dieser Struktur im Weiteren gefolgt werden.
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Eine im Rahmen der Recherche zusammengestellte Übersicht über verschiedenste Ansätze der Humankapitalrechnung und die verschiedenen Varianten der Kategorisierung ist im Anhang einzusehen. Scholz und seine Kollegen haben einigen Ansätzen Namen gegeben, die bisher nicht explizit betitelt waren, sondern nur mit Autorennamen verknüpft waren. Darüber hinaus haben sie zur Vereinfachung alle Ansätze als Berechnungen für den Humankapitalwert definiert, obwohl beispielsweise bei den marktorientierten Verfahren der Wert des intellektuellen Kapitals berechnet wird. Unter der Annahme, das der Wert des Humankapitals kleiner als bzw. maximal gleich dem Wert des intellektuellen Kapitals ist, wurden auch Verfahren einbezogen, die ursprünglich nicht explizit zur Humankapitalbewertung entwickelt wurden (Scholz, Stein & Bechtel, S. 51 f.). Weitere Informationen zu den einzelnen Ansätzen sind in Scholz, Stein, Bechtel, 2006, S. 54 ff. nachzulesen.
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3.2.2.1 Marktwertorientierte Ansätze Diese Ansätze nehmen eine marktseitige Einschätzung des Humankapitals von Unternehmen vor und weisen überwiegend monetäre Kenngrößen aus, weshalb sie besonders für Analysten und Investoren von Interesse sind (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 54). Nach Scholz et al. ergibt sich der Humankapitalwert (HC) als Funktion aus dem Buchwert, dem Marktwert und bei einigen Ansätzen aus der Mitarbeiterzahl (ebenda). Entsprechend lautet die Basisformel marktwertorientierter Ansätze: HC = f ( Marktwert , Buchwert , Mitarbeiterzahl )
(3.1)
Marktwert-Buchwert-Verknüpfungen basieren auf der Annahme, dass der Unterschied zwischen beiden Werten das intellektuelle Kapital und damit zum Teil den Humankapitalwert eines Unternehmens widerspiegelt. Entscheidende Variable bei diesen Ansätzen ist der Marktwert des zu betrachtenden Unternehmens, der sich als Produkt aus der Anzahl der Aktien und dem (tages-)aktuellen Börsenkurs ergibt. Der Einfachheit dieses Grundgedankens steht allerdings die Problematik des Marktwertes eines Unternehmens entgegen, denn er wird stark durch Preisschwankungen auf den Aktienmärkten beeinflusst, die selten mit dem Wert des intellektuellen Kapitals in Zusammenhang stehen (Wilson, 1971, S. 200). Zudem ist der Börsenwert von wirtschaftlich irrationalen Faktoren – Stichwort Börsenpsychologie – abhängig, so dass Schwankungen des Börsenkurses nicht zwingend eine Veränderung des intellektuellen Kapitals dokumentieren (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 56). Insofern beinhaltet die Verwendung des Marktwertes eine „groteske Logik“ im Falle eines radikalen Personalabbaus und einem dadurch häufig steigenden Börsenkurs (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 60): In den Berechnungsansätzen, in denen der Marktwert als Dividend oder als Minuend eingeht, steigt der HC-Wert trotz des Verlustes von Humankapitalträgern. Aufgrund des volatilen Verhaltens des Marktwertes sind die periodischen HC-Werte begrenzt aussagekräftig und vergleichbar. Darüber hinaus ist die Einbeziehung des Buchwertes eines Unternehmens kritikwürdig, da dieser durch Abschreibungsoptionen tendenziell zu gering bemessen wird (Persch, 2003, S. 88 f.; Stewart, 1997, S. 225). In einer Weiterentwicklung der Markt-/Buchwert-Differenz schlägt Fitz-Enz die Umrechnung des unternehmensbezogenen HC-Wertes in einen mitarbeiterbezogenen HCWert vor, indem die Zahl der Vollzeitäquivalente37 integriert wird. Dabei heißt es explizit, dass im Zuge der Zunahme von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen die Gesamtanzahl der Mitarbeiter wenig aussagekräftig ist und insofern eine Normierung
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Vollzeitäquivalente = Full Time Equivalent (FTE). Beispiel: bei 10 halbtags arbeitenden Mitarbeitern handelt es sich um 5 Vollzeitäquivalente (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 61).
aller Mitarbeiter auf Vollzeitäquivalente erfolgen sollte (Fitz-Enz, 2000, S. 31 ff.). Da die Markt-Buchwert-Differenz in diesem Human Capital Market Value-Ansatz von Fitz-Enz durch die Zahl der Vollzeitäquivalente dividiert wird, ergibt sich ein normierter individuumsbezogener HC-Durchschnittswert, der durchaus eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Unternehmen erlaubt (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 63). Dennoch bleiben die verwendeten Größen Marktwert und Buchwert problematisch. Zudem dürfte eine pauschale Angabe der Vollzeitäquivalente ohne Einteilung in die verschiedenen Qualifikationsgruppen des Unternehmen wenig aussagekräftig sein und allenfalls für sehr homogene Belegschaften gelten (ebenda, S. 65). 3.2.2.2 Rechnungswesenorientierte Ansätze Diese Ansätze streben eine Integration der Humankapitalbewertung in die traditionellen Rechnungslegungs- und Bilanzierungsverfahren an und orientieren sich daher an bekannten Abschreibungsmethoden (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 78). Während die Ergebnisse des internen Rechnungswesens primär den Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollaufgaben im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses dienen, legen die Ergebnisse des externen Rechnungswesens externen Stakeholdern Rechenschaft über die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ab (Ossadnik, 2008, S. 4, 10 f.; Becker, 2008, S. 19 f.). Die Basisformel dieser Verfahren lautet wie folgt (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 78): HC = f ( Personalaufwandsgrößen, Abschreibungen)
(3.2)
Bereits in den 1960er Jahren gab es Bemühungen, das Personal in der Bilanz auszuweisen (Becker, 2008, S. 283). Orientiert an den materiellen Vermögensgegenständen wurde versucht, diese Bewertungskonzepte auf die Humanressourcen zu übertragen. Dementsprechend sind die klassischen rechnungswesenorientierten (auch accountingorientierten) Ansätze zur Humankapitalbewertung, die unter dem Begriff Human Resource Accounting vereint sind, monetär ausgerichtet (Wilson, 1971, S. 200). Das Human Resource Accounting lässt sich in das inputorientierte Human Resource Cost Accounting und das outputorientierte Human Resource Value Accounting unterteilen (Becker, 2008, 283 ff.; Riese, 2007, S. 282; Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 81 f.; Wächter, 1974, S. 2639). Zur erstgenannten Gruppe zählen z. B.
die Bewertung auf Basis der Anschaffungskosten, die Bewertung auf Basis der Wiederbeschaffungskosten, die Bewertung auf Basis der Opportunitätskosten, die Bewertung auf Basis ranggewichteter Personalkosten und die Bewertung auf Basis zukünftiger Kosten.
Diese Modelle widmen sich den personalbezogenen Kosten und Aufwendungen des Betriebes. Zu der Gruppe der outputorientierten Ansätze, die die effektiven Leistungs81
beiträge der Mitarbeiter, die Erträge oder die Saldierungen zwischen Aufwand und Ertrag aufgreifen, gehören z. B. die Firmenwertmethode, die Bewertung mit zukünftigen Leistungsbeiträgen sowie die nicht-monetäre Methode der Verhaltensvariablen (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 81; Wächter, 1974, S. 2639). Der Grundgedanke all dieser Human-Resource-Accounting-Ansätze ist es, personalbezogene Aufwendungen, wie z. B. Personalentwicklung, als Investition zu verstehen und damit den ökonomischen Wert des Personal zu quantifizieren (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 80 f.; Sackmann, Flamholtz & Bullen, 1989, S. 235, zit. nach Bontis, Dragonetti, Jacobsen & Roos, 1999, S. 393). Da sich diese Methoden an den Rechnungslegungsvorschriften orientieren, sollte dies die Kommunikation der Ergebnisse an interne und externe Adressaten erleichtern und eine Etablierung der Vorgehensweise im Berichtswesen fördern (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 84; Bontis et al., 1999, S. 393). Trotz dieser Intentionen bleibt festzuhalten, dass die Human-ResourceAccounting-Ansätze entweder nur Teilaspekte des Humankapitalwertes betrachten oder die Modellrechnungen von der Praxistauglichkeit weit entfernt sind (Becker, 2008, S. 299). Fischer-Winkelmann und Hohl argumentierten sogar, dass keines der Konzepte ein eigenständiges Bewertungsverfahren darstellt, da alle Modelle mit Surrogatwerten und herkömmlichen ökonomischen Wertkategorien arbeiten. Die Verwendung von Surrogatwerten ist insofern massiv zu kritisieren, als dass die bei fast allen Verfahren38 unterstellte lineare Korrelation zwischen den verwendeten Größen (Anschaffungskosten, Wiederbeschaffungskosten, etc.) und dem tatsächlichen Wert des Humankapitals in keinem Ansatz belegt werden konnte (Wächter, 1974, S. 2642; Becker, 2008, S. 300; Flamholtz, 1999, S. 191). Eine solche Linearität spricht gegen die Alltagserfahrung (Wächter, 1974, S. 2642). Darüber hinaus leidet aufgrund der Vergangenheitsorientierung einiger Verfahren die Brauchbarkeit, da die Daten des herkömmlichen Rechnungswesens selbst keine neuen Informationsmöglichkeiten bieten (Wächter, 1974, S. 2642). Dieser Vergangenheitsbezug widerspricht insofern der eigentlichen Zielstellung39 der Humankapitalrechnung (Becker, 2008, S. 300). Nicht zuletzt suggeriert das Investitionsverständnis dieser Ansätze den Besitz des Personals und dessen Leistungseigenschaften, wodurch auch das negative Image dieser Human-
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Auszunehmen ist hier die Bewertung auf Basis der zukünftigen Leistung, bei der ein „irgendwieZusammenhang“ unterstellt wurde (Wächter, 1974, S. 2642). Beispielsweise soll bei der Bewertung auf Basis zukünftiger Leistungen der Wert des zukünftig zu erwartenden Nutzens der menschlichen Ressourcen ermittelt werden (Flamholtz, 1974, S. 114).
Resource-Accounting-Verfahren zu erklären ist (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 85; Flamholtz, 1999, S. 2). Neben diesen input- und outputorientierten Human-Resource-Accounting-Ansätzen sind das Accounting for the Future, der Entgeltbarwertansatz und die lernzeitbasierte Wissensbilanz den rechnungswesenorientierten Ansätzen zuzuordnen. Auch wenn das von Nash entwickelte Accounting for the Future die Chance für eine zukünftige Berücksichtigung immaterieller Vermögenswerte in der Rechnungslegungspraxis bietet, stellt der Ansatz letztlich nur eine spezielle Barwertmethode40 dar (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 79). Lev und Schwartz sowie später Siegert sind die Wegbereiter des Entgeltbarwertansatzes41, dessen Ausgangspunkt der jährliche, aus Löhnen und Gehältern resultierende Personalaufwand ist (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 85). Der Humankapitalwert ist demnach ein Schätzwert, der sich aus dem kumulierten Personalaufwand für die restliche Verbleibedauer im Unternehmen berechnet (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 87). Zwar ist der Entgeltbarwertansatz hinsichtlich der benötigten Kennzahlen ein sehr praktikables Verfahren und aufgrund der Berücksichtigung der Verbleibedauer langfristig ausgerichtet, allerdings ist die Personalvergütung als einzig sinnvoller Parameter zur Steigerung des Humankapitalwertes als kritisch zu betrachten (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 87, 89). Demgegenüber berechnet sich der Humankapitalwert bei der lernzeitbasierten Wissensbilanz42 aus der Wissensmenge eines Mitarbeiters gemessen an der für seine Tätigkeit benötigten Lernzeit (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 91). Die Einheiten der individuellen Wissensmenge und damit entsprechend die Einheit des individuellen oder aggregierten Humankapitalwertes sind Zeiteinheiten wie Stunden, Tage oder Wochen. Die erforderliche Wissensmenge für einen bestimmten Aufgabenbereich wird mit der vorhandenen Wissensmenge des jeweiligen Mitarbeiters abgeglichen. Je kleiner die individuelle Differenz, desto eher kann von einem Aufgaben-Mitarbeiter-Fit gesprochen werden; je kleiner die über die gesamte Belegschaft aggregierte Differenz, desto idealer ist die praktizierte Personaleinsatzplanung. Entscheidend ist, dass mit zunehmender Komplexität der Aufgabe das erforderliche Wissen steigt, so dass im Endeffekt der Humankapitalwert des Unternehmens vom Komplexitätsgrad der Aufgaben und von dem
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HC= AFTF-Wertt - (AFTF-Wertt-1 + Kapitalkosten), wobei AFTF der Gegenwartswert aller zukünftig erwarteten, zu einem angemessenen Kapitalzinsfuß diskontierten Netto-Cash-Flows ist (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 78). HC= Personalaufwand ∗ Konversionsfaktor, wobei sich der Konversionsfaktor aus der mit einem Langfristzinssatz diskontierten Differenz der jährlichen Personalaufwandsveränderung ergibt. Der Personalaufwand wird über so viele Perioden aufsummiert, wie die durchschnittliche Restzeit bis zum Pensionseintritt beträgt (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 86 f.). HC= Lernzeit des Mitarbeiters = individuelle Wissensmenge (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 91).
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Ausbildungsniveau des Personals abhängig ist. So schafft die lernzeitbasierte Wissensbilanz Transparenz bezüglich der vorhandenen Qualifikationsstruktur sowie den erforderlichen Maßnahmen in der Personalentwicklung und im Personaleinsatz (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 93). Neben dem hohen Aufwand für den Abgleich von Anforderungs- und Fähigkeitsprofilen ist zu bemängeln, dass „der eigentlich ‚spannende’ Transfer“ durch Monetarisierung der ermittelten Lernzeit unterbleibt und damit der Anteil des Humankapitals am Unternehmenswert nicht exakt bestimmt werden kann (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 93). Die rechnungswesenorientierten Ansätze zusammenfassend kann Folgendes gesagt werden: In der Idee, die Humankapitalbewertung an den Rechnungslegungsvorschriften für materielle Vermögensgegenstände zu orientierten, steckt großes Potenzial hinsichtlich einer Standardisierung und einer einheitlichen Kommunikation mit externen Interessengruppen. Allerdings ist aufgrund der gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften eine Bilanzierung von immateriellen Ressourcen auch in naher Zukunft nicht abzusehen, so dass auch diese Ansätze höchstens im Rahmen der freiwilligen Berichterstattung Anwendung finden (Porter, 2004, S. 46; Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 83; Becker, 2008, S. 282). Des Weiteren erscheint die Auswahl der Surrogatwerte zum Teil willkürlich und nicht fundiert. Die menschliche Ressource ist zu komplex, als dass eine reine Kostenorientierung nur zu einer Scheingenauigkeit des Humankapitalwertes führt und die Aussagekraft des Personalaufwands als einzige wertbestimmende Größe zu hinterfragen bleibt (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 85, 89). 3.2.2.3 Indikatorenbasierte Ansätze Indikatorenbasierte Ansätze sind auf allen Unternehmensebenen anwendbar. Zwar sind organisationsübergreifende Vergleiche der kontextbezogenen Kennzahlen kaum durchführbar, aber sie betonen generell die Wichtigkeit immaterieller Vermögenswerte (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 95). Sehr verallgemeinernd lautet die Basisformel (ebenda): HC = ¦ Indikatoren
(3.3)
Wie in der Abbildung 3-7 zu sehen war, gibt es sehr viele kennzahlenorientierte Ansätze. Dies ist zum einen auf die Mannigfaltigkeit der durch das (Personal-)Controlling zur Verfügung gestellten Kennzahlen zurückzuführen und zum anderen auf die sich daraus ergebenen Kombinationsmöglichkeiten. Da für den weiteren Verlauf der Arbeit nicht alle dieser oben genannten Ansätze (Abbildung 3-7) relevant sind, werden an dieser Stelle nur der Intangible Assets Monitor von Sveiby und 84
der ‚Competence x Commitment’-Ansatz beschrieben sowie auf den neuesten, deutschen und politisch initiierten Human Potenzial Index verwiesen. Ausgehend von der Annahme, dass der Wert immateriellen Vermögens nicht wie bei Sachanlagen durch Routine-Markttransaktionen ermittelt werden kann (Sveiby, 1998, S. 27), entwickelte Erik Sveiby das Modell des Intangible Asstes Monitor (Peters, Reinhardt & Seidel, 2006, S. 137). Der Mensch steht im Mittelpunkt dieses Ansatzes, um dessen Bedeutung hervorzuheben. Sveiby argumentierte (Sveiby, 1998, S. 26): „Mitarbeiter sind die einzig wahren Handelnden im Geschäft. Alle Vermögensgegenstände und Strukturen – ob materiell oder immateriell – sind das Ergebnis menschlicher Handlungen. Alles hängt letzten Endes von den Mitarbeitern ab.“ Intangible Vermögenswerte Wertbereiche Wachstum/ Erneuerung
Effizienz
Externe Struktur bezieht sich auf die außenwirksamen Strukturen (Kunden- und Lieferantenbeziehungen, Unternehmensimage, Markenname, Warenzeichen, etc.)
Anzahl Berufsjahre Ausbildungsniveau /-abschluss Trainings-/ Weiterbildungskosten Individuelle Kompetenznoten Veränderung der Kompetenz Anteil kompetenzerweiternder Kunden
Abbildung 3-8:
Interne Struktur bezieht sich auf Sachbearbeiter und die organisationalen Strukturen (Rechtsform, Konzepte, Computersysteme, Unternehmenskultur, etc.)
Stabilität
Kompetenz bezieht sich nur auf die Gruppe der Spezialisten als Umsatzträger, die direkten Kundenkontakt haben und so die externe Struktur repräsentieren
Anteil der Spezialisten an Belegschaft Verstärkungseffizienz der Spezialisten Wertschöpfung pro Spezialist (Nettoproduktionswert je Spezialist)
Durchschnittsalter der Spezialisten Betriebszugehörigkeit in Jahren Gehaltsniveau der Spezialisten Fluktuationsrate bei Spezialisten
Innovationen in die interne Struktur Investitionen in die IT-Systeme Kundenbeitrag zur internen Struktur
Anteil von Sachbearbeitern Umsatz pro Sachbearbeiter Messung von Werten und Einstellungen
Alter des Unternehmens Fluktuationsrate der Sachbearbeiter Anteil neuer Sachbearbeiter
Gewinn pro Kunde Umsatzanstieg (abzgl. Des Umsatzes mit Neukunden)
Index der Kundenzufriedenheit Erfolgsquote bei Ausschreibungen Umsatz pro Kunde
Umsatzanteil von Großkunden Altersstruktur der Kunden Anteil von Stammkunden Kaufhäufigkeit
Intangible Assets Monitor Quelle: Eigene Darstellung nach Sveiby, 1998, S. 207, 225, 229 ff.
Aus diesem Verständnis heraus definierte Sveiby die immateriellen Werte bestehend aus der Kompetenz der Mitarbeiter sowie aus der internen und externen Struktur (Sveiby, 1998, S. 27; Reinhardt, 2002, S. 309). Jeder dieser drei Bereiche soll anhand von Wachstums-/Erneuerungsindikatoren, Effizienzindikatoren und Stabilitätsindikatoren bewertet werden. Daraus ergibt sich eine Matrix, die ähnlich eines Monitors die Ergebnisse des personalbezogenen Handels widerspiegelt. Die Abbildung 3-8 verdeutlicht das Prinzip. Die Ziele, die Sveiby mit seinem Ansatz verfolgte, entsprechen den allgemeinen Intentionen beim Messen immaterieller Vermögenswerte (Sveiby, 1998, S. 223): Dieser Monitor dient zunächst externen Interessengruppen als Darstellung von Kennzahlen 85
und Interpretationen. Hierbei, so Sveiby, würden hauptsächlich Bestandsgrößen relevant sein, da externe Rechenschaftsberichte nur in größeren Abständen erscheinen. Zudem unterstützen die Kennzahlen das Management (interne Ausrichtung), um den Fortschritt des Unternehmens zu überwachen und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen. In diesem Fall ist die Kenntnis über die Veränderungen und Trends, also die Stromgrößen, wichtiger als Niveaumessungen, um die Ursachen der Bestandsabweichungen zu Vorjahreswerten verstehen zu können. Insbesondere bei den Stromgrößen spielt die Genauigkeit der Kennzahlen eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist die Erkenntnis über Entwicklungstendenzen und die Schnelligkeit der Messung. Insgesamt empfiehlt Sveiby dem Management, je nach verfolgter Strategie und organisationalen Besonderheiten ein oder zwei Kennzahlen je Wertbereich auszuwählen, um die Daten verständlich, übersichtlich und verwertbar zu präsentieren (Sveiby, 1998, S. 225; Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 102). Sveibys Kritik an anderen Modellen, dass Indikatorenmodelle aufgrund nicht vorhandener Objektivität schwer zu interpretieren sind (Sveiby, 1998, S. 209), kann mit dem Intangible Assets Monitor allerdings nicht ausgeräumt werden. Gerade die Willkürlichkeit der Indikatorenauswahl bzw. die Verwendung weniger populärer Kennzahlen wie die Verstärkungseffizienz verbessern weder die Nachvollziehbarkeit noch das von ihm kritisierte Fehlen eines zusammenhängenden theoretischen Rahmens (Sveiby, 1998, S. 215), der die Anforderungen der sich entwickelnden Wissensunternehmen berücksichtigt. Insofern ermöglicht der Intangible Asstes Monitor Zeitvergleiche, aber aufgrund der freien Gestaltbarkeit keine zwischenbetrieblichen Gegenüberstellungen (Becker, 2008, S. 317). Abgesehen davon, dass Sveibys Ansatz bereits praxiserprobt ist, die Belegschaftsteilung in verschiedene Mitarbeitergruppen einen weiterverfolgbaren Vorschlag darstellt und durch den Stabilitätsindikator personalbezogene Risikofaktoren wie die Betriebszugehörigkeitsdauer Eingang finden (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 104 f.), gibt es weitere Kritikpunkte. Der Ansatz lässt eine Aggregationsregel vermissen, „die die einzelnen Werte so miteinander verbindet, dass eine aussagekräftige, handlungsleitende Information“ über immaterielle Vermögensgegenstände sowohl für externe Adressaten als auch für das Management bereitgestellt wird (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 105). Des Weiteren stellt der Monitor für immaterielle Vermögenswerte eine Reihe sachdienlicher Kennzahlen in einfacher Form mit dem Ziel dar, eine wissensorientierte Strategie überprüfen zu können (Sveiby, 1998, S. 269). Damit wird zwar die nachträgliche Überprüfung einer umgesetzten Strategie ermöglicht, allerdings erfüllt dies nicht die Forderung nach der Zukunftsorientierung, d. h. die ex ante Bewertung einer personalbezogenen langfristig wirksamen Maßnahme. Das Modell von Ulrich bezeichneten Scholz, Stein und Bechtel entsprechend der Berechnung als ‚Competence x Commitment’-Ansatz (2006, S. 154). Das Humankapital 86
wird hierbei als Produkt von Qualifikation und Selbstverpflichtung des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen definiert. Zur Operationalisierung der beiden Faktoren werden Surrogate empfohlen: beispielsweise Potenzialanalysen zur Veranschaulichung der Kompetenz und der Retentionsgrad als Maß für das Commitment der Mitarbeiter (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 154). Im Wortlaut bedeutet dieser Ansatz, dass weder hoch qualifizierte Mitarbeiter mit geringer Selbstverpflichtung, noch gering qualifizierte Mitarbeiter mit hohem Commitment zur Steigerung des Humankapitalwertes beitragen. Allerdings ließen sich nach dieser Berechnung eindeutige Effekte durch Personalentwicklungsmaßnahmen und die Anpassung von Anreizmechanismen erzielen (ebenda). Der Verdienst dieses Ansatzes liegt in der Einfachheit und der Plausibilität sowie in der Einbindung eines Verhaltensindikators, durch den auch motivationale Aspekte den Humankapitalwert beeinflussen (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 155). Allerdings ist bei diesem Ansatz ebenfalls auf die Problematik der Surrogatwerte und der beliebigen Operationalisierung und insofern auf die Nicht-Vergleichbarkeit der Humankapitalwerte zwischen Unternehmen zu verweisen. Eines der neuesten, d. h. bei Scholz et al. noch nicht analysierten, und politisch initiierten Instrumente zur Humankapitalmessung ist der Human Potenzial Index (HPI). „Das Instrument listet Indikatoren auf, über deren Messung mittels Managementbefragung Rückschlüsse darauf möglich sind, wie sehr Prozesse und Systeme des Personalmanagements zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen beitragen“ (Haufe Personal, 2008). Dieses Instrument wurde von Fachleuten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Kooperation mit drei Dax-30-Unternehmen und Krankenkassen entwickelt und soll bundeseinheitlich durch Zertifizierungsstellen, die vom Staat, den Industrie- und Handelskammern, Verbänden und Banken gemeinsam betrieben werden, Anwendung finden (ama, 2009, S. 8). Der HPI „soll Banken verlässlich über die sogenannten „weichen“ Erfolgsfaktoren eines Kreditnehmers Auskunft geben und das herkömmliche Unternehmensrating künftig sinnvoll ergänzen“ (Kemper, 2009, S. 29). Es soll sich hierbei um einen umfangreichen Kriterienkatalog handeln, der Aspekte des Personalmanagements und der Personalauswahl, der Vergütungssysteme, der Mitarbeiterpartizipation, der Work-Life-Balance bis hin zu Aspekten der Gesundheitsförderung im Unternehmen einbezieht (Tartler, 2008, S. 10). Eine grobe Übersicht über die Architektur des HPI bietet die Abbildung 3-9. Die ersten Ergebnisse des Instruments im Feldversuch zeigten, dass sich 41% des Unternehmenserfolgs durch den Umgang der Firma mit ihrem Humankapital erklären lassen (ebenda). Weitere Ergebnisse der ersten Rating-Runde, an der Unternehmen wie die Deutsche Bahn, Eon Ruhrgas, Fujitsu, RWE, Schenker, Siemens, Solarworld und T-Systems teilnahmen, werden allerdings nicht veröffentlicht (Tartler, 2008, S. 10; ama, 2009, S. 8). 87
Da das Instrument erst im Mai 2009 (Haufe Personal, 2008; Kemper, 2009, S. 29) der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, auf den detaillierten Aufbau dieses Ansatzes einzugehen. Laut Aussagen von Haufe Personal handele es sich um einen online ausfüllbaren Fragebogen, dessen Ergebnisse in einen übergeordneten Index verdichtet werden und der dann für die verschiedenen Treiberbereiche wieder in Teilindizes heruntergebrochen wird (Haufe Personal, 2008). Interne Handlungsbedarfe sollen sich schließlich durch die grafische Auswertung nach Ampelfarben sehr gut erkennen lassen. Durch ein Rating ähnlich der Hotelklassifizierung sollen die Unternehmen dann über die Anzahl von Sternen miteinander vergleichbar sein (ama, 2009, S. 8). Inwiefern dieses Vorhaben spruchreif ist, bleibt offen, denn der Projektkoordinator selbst sagte im Interview mit dem Personalmagazin, dass an eine echte Zertifizierung bisher nicht gedacht wurde (Große-Jäger, zit. in Jessl, 2009, S. 14). Rahmenbedingungen
Branche, Unternehmensgröße, Rechtsform Engagement-Indikatoren
Werttreiber - Prozesse und Systeme - HR-Kennziffern
Personalstrategie, Personalmanagement Personalplanung, Personalauswahl Compensation, Benefits, Führung Personalentwicklung Change Management Kommunikation und Information
Wertschöpfungs-Prozesse Engagement-Indikatoren Zielgrößen
Abbildung 3-9:
Motivation, Mitarbeiterbindung Innovationen
Nachhaltigkeits-Instrumente Unternehmenswerte Arbeitsplatzverantwortung Demografie, Gesundheitsförderung Work-Life-Balance Mitarbeiterbindung Chancengleichheit und Diversity
Wirtschaftlicher Erfolg Bilanz: umsatzrelativierter EBIT Managementbeurteilung
Architektur des Human Potenzial Index Quelle: Haufe Personal, 2008.
Der Durchbruch des HPI ist noch nicht in Sicht (Jessl, 2009, S. 12). Das liegt unter Umständen auch daran, so Scholz, dass gerade in der Diskussion um Kreditwürdigkeit, Managergehälter, Insolvenzgefahr, etc. ein verbindlich monetärer Wert für das Humankapital benötigt wird, der HPI aber lediglich eine „umgangssprachliche Aussage“ erlaubt, wie stark sich ein Unternehmen mit Humankapital befasst (Scholz, zit. in Jessl, 2009, S. 12). 3.2.2.4 Wertschöpfungsorientierte Verfahren Diese Ansätze beruhen auf Informationen, die durch die interne Rechnungslegung bereitgestellt werden und insofern relativ leicht in Unternehmen einzuführen sind (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 161). Der Humankapitalwert wird hierbei als 88
Mehrwert (Wertschöpfung, auch Value Added) definiert, der sich aus der Differenz zwischen Output und Input berechnet (ebenda): HC = Output − Input
(3.4)
Während rechnungswesenorientierte Ansätze auf Aufwendungen und deren Abschreibung fokussieren, geht es in den wertschöpfungsorientierten Verfahren um die Abweichung zwischen Ergebnis und Aufwand. Je höher die Differenz, desto größer ist die Wertschöpfungsfähigkeit des Unternehmens (Ho & Williams, 2003, S. 477). Zu diesen Verfahren gehören beispielsweise
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der originäre43 bzw. weiterentwickelte44 Value Added Intellectual Coefficient, der Market Value Added45, der Economic Value Added46, der Human Economic Value Added47, die Ansätze Workonomics48, Knowledge Capital49, Total Value Creation50 sowie die Kosten-Nutzen-Analyse51 (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 161 ff.).
HC= (Value Added/Physisches Kapital) + (Value Added/Personalaufwand) , wobei physisches Kapital unternehmensintern zu ermitteln ist. Einfachster Näherungswert ist das Eigenkapital (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 162 f.). HC= (Value Added/ Eingesetztes Kapital) + (Value Added/ Personalaufwand) + (Strukturkapital/ Value Added), wobei eingesetztes Kapital aus physischem und finanziellem Kapital besteht. Hier ist darüber hinaus Intellektuelles Kapital im weiteren Sinne gemeint, welches sich aus dem Humankapital und dem Strukturkapital zusammensetzt. (vgl. Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 165 f.; Ho & Williams, 2003, S. 477 f) HC= Marktwert – Investiertes Kapital, wobei Scholz, Stein und Bechtel die Differenz als Näherungsgröße für den aggregierten Wert des nicht in der Bilanz geführten immateriellen Vermögens bzw. für das Humankapital interpretieren (2006, S. 168 f.). HC= Geschäftsergebnis – Kapitalkosten, wobei das Geschäftsergebnis als „operativer Gewinn nach Abzug der Ertragssteuern, jedoch vor den Kosten der Finanzierung“ definiert ist (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 172 f.). Die Kapitalkosten ergeben sich als Produkt aus Kapitalkostensatz und investiertem Vermögen (ebenda). HC= (Geschäftsergebnis – Kapitalkosten)/ Vollzeitäquivalente. Mit diesem Ansatz kann eine durchschnittliche individuumsbezogene monetäre Humankapitalkennzahl errechnet werden (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 175-177). HC= Übergewinn pro Mitarbeiter = (Value Added/ Mitarbeiterzahl) – (Personalaufwand/ Mitarbeiterzahl). Der Ansatz wurde von der Boston Consulting Group entwickelt und fußt auf der Annahme, dass in personalintensiven Geschäftsfeldern Kontroll-, Mess- und Steuerungssysteme angewendet werden (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 179 f.). Statt des (Finanz-)Kapitals soll in diesem Kennzahlensystem der Mitarbeiter im Fokus stehen: entsprechend handelt es sich um den ‚Value Added per Person’ als Äquivalent zum ‚Cashflow Return on Investment’, um ‚Average Coste per Person’ als Äquivalent zu den Kapitalkosten sowie um ‚Anzahl der Mitarbeiter’ als Äquivalent zur Bruttoinvestitionsbasis (Heidecker, 2003, S. 151). HC= (Geschäftsergebnis – Kapitalkosten)/ Kapitalkosten, wobei für die Kapitalkosten (Zinssatz) verschiedene Kapitalmarktmodelle herangezogen werden können (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 184 f.). Diesen noch in der Entstehung befindlichen Ansatz entwickelten die kanadischen Forscher Anderson und McLean als System zur Messung und Abbildung der Wertschöpfungsleistung eines Unternehmens zwecks Unterstützung der Entscheidungsfindung im Management. Die Ermittlung des Humankapitals erfolgt durch die Bestimmung der Mitarbeiter-Wertschöpfung. (vgl. Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 186 f.)
89
Im Allgemeinen ist bei diesen Ansätzen positiv hervorzuheben, dass sie den Wertschöpfungscharakter des Personals betonen. Allerdings lässt die Umsetzung dieses Potenzialgedankens in der Berechnungsformel beispielsweise bei der Kosten-NutzenAnalyse zu wünschen übrig (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 164, 167, 182, 189). Zwar sind die Modelle zum Teil sehr einfach in der Anwendung, da die Kennzahlen häufig aus dem Rechnungswesen bekannt oder über den Börsenkurs ermittelbar sind und die Berechnungsgrundlagen aus klassischen Ansätzen der Rechnungslegung stammen (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 170, 177, 182, 187, 190; bzgl. WorkonomicsAnsatz Heidecker, 2003, S. 154). Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass diese Kennzahlen Ersatzwerte darstellen, die nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Humankapitalwert stehen (ebenda, S. 167, 190). Zudem ist die Aussagekraft von individuellen Humankapitalwerten infolge der Durchschnittswertbildung, insbesondere bei den Ansätzen Economic Value Added und Human Economic Value Added, fragwürdig (ebenda, S. 174, 182). Es ist grundsätzlich festzuhalten, dass sämtliche wertschöpfungsorientierte Verfahren Mängel aufweisen, die eine effiziente Ermittlung des Personalwertes erschweren, wenn nicht unmöglich machen (Wilson, 1971, S. 203). 3.2.2.5 Ertragsorientierte Verfahren Diese Ansätze basieren auf der Ermittlung von Rückflüssen für einen festgelegten Zeitraum, die auf den Netto-Gegenwartswert diskontiert werden (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 192). Weitestgehend geht es um die Berechnung einer Humankapitalrendite (Wilson, 1971, S. 203). Die allgemeine Formel lässt sich insofern wie folgt formulieren (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 192): HC =
Ertragsgröße Kapitalkostensatz
(3.5)
Wie die meisten der bisher genannten Verfahren handelt es sich hierbei um monetäre Ansätze der Humankapitalbewertung (Wilson, 1971, S. 203). Laut Scholz und seinen Kollegen gehören zu den populärsten Berechnungsverfahren der Calculated Intangible Value52,
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HC= Nutzen – Kosten, wobei der Nutzen beispielsweise durch den geschaffenen Umsatz dargestellt werden kann. Die Kosten umfassen sämtliche mit dem Personal verbundenen Kosten, so beispielsweise Beschaffungs- und Entwicklungskosten, als auch Fluktuationskosten. Zentrales Anwendungsfeld dieses Ansatzes könnte das Personalkostenmanagement sein. (vgl. Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 188 f.) HC= (Überschussertrag – Ertragssteuer)/Kapitalkostensatz , wobei der Überschussbetrag der für mehrere Jahre errechnete Durchschnittsgewinn nach Steuern ist. Mit diesem Ansatz wird im Grunde das immaterielle Vermögen von Unternehmen berechnet. Da das Humankapital ein Teil des immateriellen Vermögens ist, interpretieren Scholz et al. das Bewertungsergebnis als Humankapital-Maximalwert (Scholz, Stein & Bechtel,
das ICM Model53, das Human Capital Pricing Model54, der ROI of Human Capital55 sowie das Knowledge Capital Scoreboard56 (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 192 ff).
Als fortschrittlich gegenüber bisher betrachten Ansätzen ist das Einbringen einer Kontextspezifität im ICM Model bzw. die (wenn auch beschränkte) Berücksichtigung der Fluktuation als Risikokomponente im Human Capital Pricing Model zu beurteilen (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 198, 201). Zudem ist sehr häufig das erforderliche Zahlenmaterial über die intern verfügbaren finanzwirtschaftlichen Daten nutzbar, so dass die Anwendung der Ansätze (Calculated Intangible Value, Human Capital Pricing Model und Knowledge Capital Scoreboard) einfach und plausibel wird (ebenda, S. 195, 202, 209). Ein großes Manko einiger dieser Ansätze (ICM Modell, Human Capital Pricing Model, ROI of Human Capital) ist vor allem die fehlende Verknüpfung der theoretischen Modelle mit der Unternehmenspraxis, so dass die Übertragbarkeit generell in Frage gestellt ist (Wilson, 1971, S. 203). Darüber hinaus bleibt auch hier die fehlende Zukunftsorientierung und damit die geringe Aussagekraft hinsichtlich der zukünftigen Wertigkeit der Mitarbeiterressourcen zu bemängeln (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 41, 195, 199, 202, 206, 209).
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2006, S. 192). Ein hohes oder steigendes Ergebnis wird als Indiz für einen im Humankapital begründeten Wettbewerbsvorteil verstanden (ebenda, S. 194). HC= Netto-Gegenwartswert der Einkünfte aus dem intellektuellen Kapital , wobei je nach Unternehmenssituation (z. B. Weiterbestehen oder M&A) die immateriellen Vermögenswerte mit unterschiedlichen Kalkulationsmethoden berechnet werden sollen (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 196). Zwar grenzt sich dieser Ansatz durch die Kontextbetrachtung von anderen ab, gleichzeitig geht er nicht über eine abstrakte Formelvariation hinaus (ebenda, S. 198). HC= Erwartungswert der Rendite des Humankapitalträgers i, wobei zwischen zwei verschiedenen Humankapitalträgertypen unterschieden wird und definitionsgemäß die Rendite des qualifizierten Humankapitals größer ist als die Rendite des unqualifizierten Humankapitals (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 200). Dieses Modell nimmt eine risikoadjustierte Bewertung des Humankapitals vor (Bender & Röhling, 2001, S. 28). HC= Ertrag – (Aufwand – Personalkosten)/(Personalkosten) , wobei die Personalkosten entweder nur als direkte Kosten ( z. B. Löhne und Gehälter) oder als gesamte Kosten (inkl. sonstiger personalbezogener Kosten wie Fluktuationskosten, Absentismuskosten, Leih- und Zeitarbeitskosten) definiert werden können (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 203). HC= Wissenskapital = [(Normalisierter Jahresgewinn)–(Gewinn aus materiellem Anlagevermögen und Zinserträgen)]/Wissenskapitalzinsfuß, wobei die Operationalisierung auf zwei Teilen beruht: nach der klassischen Finanzanalyse gemäß bekannter Rechnungslegungsmethoden schließt sich die Ermittlung langfristig zu erwartender Rückflüsse für das Wissenskapital an, womit die Rechnungslegung um einen spezifischen Wissensteil, das Humankapital, erweitert wird (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 206 f.). Auch hier wird der errechnete Wissenskapitalwert als Humankapital-Maximalwert interpretiert (ebenda, S. 208).
91
3.2.2.6 Ansatz der Saarbrücker Formel Scholz, Stein und Bechtel schlugen vor, die Schwächen existierender zum Teil unstandardisierter Ansätze und willkürlicher Bewertungsmethoden zu kompensieren und die Stärken diverser Ansätze zu aggregieren. Ergebnis dieser Idee ist der integrierte Ansatz „Transparent Human Capital Valuation“, auch Saarbrücker Formel genannt (Scholz, 2007a, S. 30). Dabei soll der Fokus auf den Wert der Belegschaft gelegt und sichergestellt werden, dass das Humankapital-Management diesen im Zeitablauf evaluieren und korrigieren kann (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 221). Die Entwickler der Saarbrücker Formel konzentrierten sich auf Berechnungsverfahren aus marktwert- und rechnungswesenorientierten als auch indikatorbasierten Ansätzen. Folgende Komponenten flossen in die Saarbrücker Formel ein: Der Ansatz des Human Capital Market Value (marktwertorientierter Ansatz) ist eine Weiterentwicklung der Markt-/Buchwert-Differenz von Fitz-Enz, dessen Verdienst die Berücksichtigung der relevanten Zahl der Humankapitalträger ist (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 61). Da allerdings die Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse immer populärer geworden sind und damit die Aussagekraft der Kennzahl „Mitarbeiter“ sank, führte Fitz-Enz die Größe „Vollzeitäquivalente“ ein (Fitz-Enz, 2000, S. 31 ff.), die aufgrund ihrer Praxisrelevanz in die Saarbrücker Formal einfließt. Den rechnungswesenorientierten Ansätzen wurden drei Aspekte entnommen. Zum einen handelt es sich um die personalbezogenen Aufwendungen des inputorientierten Human Resource Accounting, die als „Erhaltungsinvestition“ in das Humankapital verstanden werden (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 81, 224). Dazu zählen vor allem die Personalentwicklungskosten. Da das Human Resource Accounting ansonsten konzeptionelle und methodische Schwächen aufweist (Mirvis & Macy, 1976, S. 76) und keine exakten Regeln zur konkreten Erfassung und Bewertung bietet, wird nur der Grundgedanke der personalbezogenen Aufwendungen in die Saarbrücker Formel integriert. Zum anderen nimmt der Entgeltbarwert-Ansatz den jährlichen Personalaufwand in die Betrachtung auf, der als Summe von Löhnen und Gehältern einen Schätzwert für das Humankapital aus Unternehmenssicht darstellt (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 86). Lev und Schwartz (1971, S. 110 f.) begründeten die Wichtigkeit dieser Kennzahl bereits in ihrer frühen Arbeit: “[A]ccounting values of physical assets are determined by their market prices and not by their relative contribution to the firm. Therefore it seems reasonable that values of human capital may also be similarly determined.” Als dritte Komponente fließt die Idee der Lernzeit aus dem Ansatz der lernzeitbasierten Wissensbilanz in die Saarbrücker Formel ein, auch wenn dieser Ansatz ansonsten als sehr aufwendig einzuschätzen ist (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 53, 91). Als relevant erscheint aber dennoch, dass sich das Humankapital eines Unternehmens in diesem Ansatz 92
über das Vorhandensein bzw. Fehlen von Mitarbeiterwissen bestimmt (Lingemann, 2001, S. 175-177) und dieses Wissen über die Zeit an Wert verlieren kann, d. h. die Nutzungsdauer begrenzt ist (Scholz, 2007a, S. 31; Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 224). Auch die indikatorenbasierten Ansätze der Humankapitalbewertung liefern zwei Komponenten für die Saarbrücker Formel: Eine aufgegriffene Idee stammt aus dem Intangible Assets Monitor von Sveiby, der durch das Abbilden des immateriellen Vermögens mittels Kennzahlen die Grundlage für Veränderungs- und Lernprozesse des Managements bildet (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 100). Für die Saarbrücker Formel wurde die Betriebszugehörigkeitsdauer als Kennzahl für den Indikator „Stabilität“ ausgewählt. Diese von der Fluktuationsquote abhängige Kennzahl wurde als Risikokomponente auch im Human Capital Pricing Model als wichtiger humankapitalwertbestimmender Faktor betont (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 201). Die zweite Komponente ist das zu integrierende Verhalten der Mitarbeiter, das den Humankapitalwert senken oder steigern kann. Ausschlaggebend hierfür war der ‚Competence x Commitment’-Ansatz von Ulrich, der wie folgt argumentierte: „Firms with high competence but low commitment have talented employees who can’t get things done. Firms with high commitment but low competence have less talented employees who get things done quickly. Both are dangerous. Intellectual capital requires both competence and commitment” (Ulrich, 1998, S. 15, 16). Den Faktor Commitment greifen die Entwickler der Saarbrücker Formel auf und erweitern diesen um die Faktoren Context und Retention, als Wertrisiko durch die Abwanderungsneigung der Mitarbeiter, zum Motivationsindex57 (Scholz, 2007a, S. 31, f.). Der Motivationsindex in der Saarbrücker Formel soll als stark vereinfachte Stellgröße Wille und Bereitschaft der Mitarbeiter ausdrücken, sich für den Erfolg ihres Unternehmens einzusetzen, und den Wert des Humankapitals positiv oder negativ beeinflussen. Aus diesen sechs Komponenten ergibt sich folgende Aggregation (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 232): g ª º § · w HC = ¦ «¨ FTEi ∗ li ∗ i + PEi ¸ ∗ M i » bi i =1 ¬ «© ¹ ¼»
57
(3.6)
Die einzelnen Bestandteile des Motivationsindexes lauten wie folgt: Der Commitmentindex im Sinne von Leistungsbereitschaft ergibt sich bspw. aus Items zu Zielvereinbarungen, Unternehmenskultur, Führung und Vision; Der Contextindex im Sinne von Arbeitsbedingungen ergibt sich bspw. aus Items zu Arbeitsumfeld, Personaleinsatz, Information und Kommunikation; Der Retentionsindex im Sinne von Bindungsbereitschaft ergibt sich bspw. aus Items zu leistungsgerechter Vergütung, Work-Life-Balance und Employability (Scholz, Stein & Müller, 2007a, S. 33; Scholz, Stein & Müller, 2007b, S. 32 f.).
93
mit: i FTE l w b PE M
: Beschäftigtengruppen nach Ausbildungsabschluss : Full-Time Equivalent = in Vollzeitkräfte umgerechnete Beschäftigte : branchenübliche Durchschnittsgehälter und -löhne als Arbeitsmarktpreise : durchschnittliche Wissensrelevanzzeit : durchschnittliche Betriebszugehörigkeit : aufgewendete Personalentwicklungskosten : Motivationsindex.
Diese Formel soll der Grundlogik folgen, „dass eine fähige, hoch motivierte Belegschaft, die über möglichst aktuelles wertschöpfungsrelevantes Wissen verfügt und durch Personalentwicklung weitgehend auf diesem Wissensstand gehalten wird, zu hohen HC-Werten führt“ (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 226). Die Basis des Humankapitalwertes (Wertbasis) bildet die Gehaltssumme als Produkt aus Vollzeitkräften und den Durchschnittsreferenzgehältern (ebenda, S. 227). Der Quotient aus durchschnittlicher Wissensrelevanzzeit (Halbwertszeit des Wissens) und der Betriebszugehörigkeit (Nutzungsdauer des Wissens) repräsentiert den Wertverlust, d. h. den Verlust durch Wissenssubstanz (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 227; Scholz, 2007a, S. 31). Ist dieser Quotient größer 1, deutet dies auf einen relativ aktuellen Wissensstand hin; ist der Quotient kleiner 1 (bspw. durch eine sehr lange durchschnittliche Betriebszugehörigkeit), ist das Wissen veraltet und nicht mehr wertschöpfungsrelevant (ebenda, S. 228 f.). Dieser Wertverlust kann durch Personalentwicklungsmaßnahmen kompensiert werden (Wertkompensation), solange die entsprechenden Trainingsmaßnahmen der Arbeitsaufgabe bzw. dem Geschäftszweck dienlich sind (ebenda, S. 230). Schließlich ist der durch Mitarbeiterbefragung gebildete Motivationsindex, der laut Autoren Werte zwischen 0 und 2 annimmt, als Multiplikator wertverändernd. „Der Motivationsindex von „1“ gilt hierbei als „normal“ – er ist HC-wertneutral“ (ebenda, S. 231). Die Saarbrücker Formel hat aufgrund ihrer schnellen Verbreitung die in Deutschland seit den 1970er Jahren geführte Diskussion um die Bewertung des Humankapitals von Unternehmen wieder belebt (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 44; Kossbiel, 2007, S. 336). Die zum Teil sehr kritische Debatte ist allerdings nicht unberechtigt und führt beispielsweise zu der resümierenden Aussage von Schütte, dass der Versuch, die Mängel anderer Verfahren durch die Aneinanderreihung einzelner Elemente zu einem ganzheitlichen Modell zu kompensieren, nur begrenzt als gelungen zu bezeichnen ist (2005, S. 25). Die wesentlichen Diskussionspunkte werden nachfolgend zusammengefasst: 94
Unplausible Interpretation der Marktpreise Es wird kritisiert, dass die Durchschnittslöhne l – entgegen dem Anspruch – keine explizite Marktorientierung widerspiegeln würden, da keine Beurteilung der Humankapitalleistung durch den Kunden berücksichtigt ist (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 45). Dieses Argument entkräftet Scholz insofern, als dass die Formel ausdrücklich die Verwendung durchschnittlicher Marktgehälter fordert und damit der Wert, der auf dem externen Arbeitsmarkt dem qualifikationsspezifischen Humankapital zugeschrieben wird, Berücksichtigung findet (2007b, S. 60). Allerdings ist erstens der Zugriff auf die jeweils benötigten branchenüblichen Durchschnittsgehälter und –löhne nicht einheitlich geregelt. Zweitens wird keine Aussage darüber getroffen, wie stark die Beschäftigtengruppen i untergliedert werden sollen. Dies verhindert eine Standardisierung. In einem Exempel der Entwickler werden die Beschäftigtengruppen nach Bildungsabschluss unterteilt (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 243). Einer dieser Gruppen werden die Personen mit Universitätsabschluss zugeordnet, deren durchaus unterschiedliche Qualifikationen allesamt mit einem Betrag x bewertet werden, unabhängig davon, dass Ingenieure des Maschinen- und Fahrzeugbaus im Durchschnitt höher entlohnt werden als beispielsweise Sozialpädagogen (vgl. u. a. Statistisches Bundesamt, 2009, Tabelle 7). Lineare Wissensveralterung Darüber hinaus ist der unterstellte lineare Verlauf der Wissensabnutzung in dynamischen Branchen fragwürdig und unrealistisch. Vielmehr handelt es sich um eine beschleunigende Entwertung des „historischen Humankapitalwertes“ (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 45). Vernachlässigung des Erfahrungswissens Erfahrungslernen findet in der Formel keine Berücksichtigung (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 46), weder explizit als Formelbestandteil – auch wenn die Entwickler w als zusammengesetzten Faktor aus Fachwissen und Erfahrungswissen deklarieren (Scholz, Stein & Müller, 2007, S. 32; Scholz & Stein, 2006, S. 38) – noch implizit über die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Eine lange Verbleibedauer im Unternehmen, die wiederum Stabilität kennzeichnet (vgl. Sveiby, 1998), wirkt sich in der Formel aufgrund der Positionierung im Nenner nur wertmindernd aus. Damit wird die Dynamik des Lernens, das auch ohne organisierte Personalentwicklungsmaßnahmen stattfinden kann, gänzlich vernachlässigt (Wilson, 1971, S. 204). Rein quantitatives und proportionales Verständnis der Personalentwicklungskosten Weiterhin sagt die Anrechnung der Personalentwicklungskosten nichts über die Nutzungsabsicht aus, „die erforderlich wäre, um von einer Wertgröße sprechen und den Beitrag der Personalentwicklung zur Erhöhung des Humankapitals einschätzen zu 95
können“ (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 46). Indes ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Saarbrücker Formel unter anderem auf der Annahme basiert, dass wirksame Personalarbeit geleistet wird (Scholz, 2007b, S. 61). Tatsächlich allerdings lässt sich der Wirksamkeitsfaktor im Sinne des Transfererfolges von Personalentwicklungsmaßnahmen nur schwer quantifizieren und in die Saarbrücker Formel integrieren. Eine qualitative Einschätzung wird insofern vernachlässigt. Darüber hinaus wird das streng proportionale Verhältnis zwischen Investitionen in Personalentwicklung und Wertsteigerung des Humankapitals kritisiert, da dies eher unrealistisch ist (Wilson, 1971, S. 204; Kossbiel, 2007, S. 340). Zudem wird der Kompensationsgedanke der Personalentwicklungsmaßnahmen konterkariert, da sowohl der Wertverlust als auch der Wertzuwachs an Humankapital mit einem positiven Vorzeichen versehen sind (Kossbiel, 2007, S. 340). Unreflektierter Einsatz eines Motivationsindexes Als kritisch ist die Aggregation der Teilindizes Commitment, Context und Retention zu einer Motivationskomponente M anzusehen, die nicht an die Erkenntnisse der psychologischen Grundlagenforschung anschließen (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 47). So ist beispielsweise das Commitment entgegen der Annahme von Scholz (2007b, S. 61) nicht mit Wollen gleichzusetzen. Obwohl Commitment ein vielseitiges Konstrukt ist und es viele verschiedene Definitionen und Messmethoden gibt, ist der gemeinsame Nenner in der Stärke der Identifikation und der Selbstverpflichtung zu sehen (Weinert, 1998, S. 135). Zu den bisher identifizierten Commitment-Komponenten gehören erstens eine starke Überzeugung von und die Akzeptanz der Ziele und Werte der Organisation, zweitens die Bereitschaft, sich in hohem Maße zu bemühen sowie drittens der starke Wunsch des Verbleibens in der Organisation (ebenda). Gerade hinsichtlich des letzt genannten Punktes gäbe es eine Überschneidung mit dem von Scholz et al. definierten Teilindex Retention/ Bindung. Abgesehen davon erfolgt die Messung der Motivationsitems auf einer 3-stufigen Ordinalskala: „2“ = trifft voll zu, „1“ = trifft teilweise zu, „0“ = trifft gar nicht zu (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 236). Die additive Zusammenfassung der Werte und die anschließende Durchschnittsbildung, sowohl auf individueller als auch auf Gesamtebene, sind allerdings bei ordinalskalierten Größen unzulässige Operationen (Kossbiel, 2007, S. 345). Entsprechend fragwürdig ist dann auch die Multiplikation dieses Motivationsindexes M mit dem rational-skalierten Multiplikator (ebenda). Darüber hinaus ist die Quantifizierung der Motivation grundsätzlich problematisch, da es sich dabei um ein besonders komplexes und dynamisches Phänomen handelt (Wilson, 1971, S. 204) und höchstens auf die motivationale Grunddisposition, nicht jedoch auf das Leistungsverhalten der Arbeitnehmer hinweist (Becker, Labucay & 96
Rieger, 2007, S. 47). Damit ist der Aussagegehalt für den Humankapitalwert sehr eingeschränkt (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 47). Hinzu kommt, dass die Entwickler der Formel selbst bei nicht ausreichenden Daten zur Bildung des Motivationsindexes den Neutralwert „1“ ansetzen (Scholz & Stein, 2007, S. 32). Diese Lösung des Problems erscheint mehr als unbefriedigend und stellt umso berechtigter die Frage nach dem Sinn dieses Motivationsindexes in den Raum. Statische Betrachtung Die Saarbrücker Formel ist rein statisch und lässt Bemühungen des Managements, den HC-Wertverlust durch Personalentwicklungsmaßnahmen auszugleichen, außer acht (Kossbiel, 2007, S. 343). Der periodisch errechnete Humankapitalwert HCt ist nicht Ausgangspunkt der Wertberechnung der Folgeperiode HCt+1. Damit wird das Humankapital eines Unternehmens systematisch unterbewertet (ebenda). Dimensionale Inkonsistenz Mathematisch gravierender ist, dass die Einheiten der einzelnen Formelbestandteile auf der rechten Seite der Gleichung nicht mit der Einheit der linken Seite der Gleichung übereinstimmen. Die ‚dimensionale Konsistenz’ (Sterman, 2004, S. 866) wurde aufgrund der Annahme der jahresbezogenen Berechnung völlig vernachlässigt. Es heißt in der Beispielrechnung wie folgt (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 246): g ª§ º · w [J ] + PEi [ € ] ¸ ∗ M i [ dmnl ]» HC [ € ] = ¦ «¨ FTEi [ dmnl ] ∗ li [ € ] ∗ i ¨ ¸ b J [ ] i =1 ¬ «© i ¹ ¼»
(3.7)
mit: dmnl € J
: dimensionslos : Euro, Geldeinheit : Jahr, Zeiteinheit.
Vermeintlich folgt daraus: g
HC [ € ] = ¦ HCi [ € ]
(3.8)
i =1
Die Verwendung dimensionsloser Parameter mit Werten, die eine Einheit haben, ist allerdings suspekt (Sterman, 2004, S. 866). Mathematisch korrekt müssten deshalb die personenbezogenen Jahreslöhne und -gehälter li, die zeitbezogenen Personalentwicklungskosten PEi sowie die Angabe der Vollzeitäquivalente FTEi (P=Personen) folgendermaßen angegeben werden: g ª§ º ª € º w [J ] ª € º· + PEi « » ¸ ∗ M i [ dmnl ]» HC [ € ] = ¦ «¨ FTEi [ P ] ∗ li « » ∗ i ¨ ¸ ¬ P ¼ bi [ J ] ¬J ¼¹ i =1 « »¼ ¬©
(3.9) 97
Entsprechend folgt daraus: g €º ª HC [ € ] ≠ ¦ HCi « € + » J¼ ¬ i =1
Selbst wenn die Löhne und Gehälter explizit zeitabhängig formuliert werden g ª§ º ª € º wi [ J ] ª € º· ∗ + PEi « » ¸ ∗ M i [ dmnl ]» HC [ € ] = ¦ «¨ FTEi [ P ] ∗ li « » ¨ ¸ ¬ P * J ¼ bi [ J ] ¬J ¼¹ i =1 « »¼ ¬©
(3.10)
folgt daraus: ª€º HC [ € ] ≠ ¦ HCi « » . ¬J ¼ i =1 g
Die resultierende Einheit stimmt in beiden Fällen nicht mit der vorgeschlagenen Einheit ‚Euro’ überein. Die Abgrenzung der zeitabhängigen Größen (Stromgrößen) von den zeitunabhängigen Größen (Bestandsgrößen) ist in der Saarbrücker Formel nicht widerspruchsfrei. Es fehlt entweder die Angabe eines Proportionalitätsfaktors oder die Struktur der Formel bedarf einer Korrektur, um die Stimmigkeit der Dimensionen herzustellen. Unbeachtet darf diese Kritik jedoch nicht bleiben, denn dimensionale Unstimmigkeit „ist ein wichtiges Indiz für Fehler in der Modellformulierung“ (Bossel, 2004, S. 115). Trotz dieser beachtlichen Anzahl an Kritikpunkten hat diese Saarbrücker Formel einen hohen Popularitätsgrad erreicht. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sie die Diskussion um die betriebswirtschaftliche Humankapitalwertberechnung in Deutschland wieder hat aufleben lassen. Zusätzlich war es für ihre Verbreitung nicht unerheblich, dass die Formel in der wissenschaftlichen Literatur in den letzten 2 bis 3 Jahren sehr häufig publiziert wurde58 und sie darüber hinaus in Beratungsprojekten59 im personalwirtschaftlichen Bereich ihren Einsatz fand und findet. 3.2.3
Resümee zum Stand der Humankapitalwertberechnung
Es gibt in der Literatur unzählige Berechnungsmöglichkeiten, um den Wert des immateriellen Vermögens eines Unternehmens zu messen. Oftmals sind diese Ansätze denen zur Bewertung physischen Kapitals ähnlich. In den seltensten Fällen handelt es sich bei den vorgestellten Berechnungsmöglichkeiten speziell um Konzepte zur Er-
58
59
98
Siehe dazu bspw. die Replik-Serie in der Zeitschrift „Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis“, 1/2007, in der Zeitschrift „Personal“, Hefte 1, 6, 7/8 und 12 des Jahres 2006 sowie den Verbesserungsvorschlag von Kossbiel in der Zeitschrift für Management, Heft 3/2007. Vgl. PRISMA Prof. Scholz GmbH, http://prisma-scholz.de.
fassung des Humankapitalwertes, d. h. eines Wertes, der auf die Mitarbeiter und deren Wissen fokussiert (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 51 f.). Es ist daher das Verdienst von Scholz, Stein und Bechtel, mit der Saarbrücker Formel die Diskussion um die Ermittlung des Humankapitalwertes belebt zu haben (Kossbiel, 2007, S. 336). Diese Diskussion und die zum Teil grundlegenden Kritikpunkte bescheinigen der Formel derzeit allerdings ein unreifes Entwicklungsstadium. Dennoch sind die Ideen, die in der Saarbrücker Formel stecken, für die nachfolgende Fokussierung ausschlaggebend, da sie das Potenzial für einen konsequenten Einsatz im Rahmen des Humankapitalmanagements zeigt. Letztendlich sind der Saarbrücker Formel folgende Vorteile gegenüber den zuvor erwähnten Ansätzen zuzuschreiben: Der Wert der Mitarbeiter als monetäres Äquivalent des Wissensbestands (Kossbiel, 2007, S. 344) wird fokussiert. Es handelt sich um einen innovativen Ansatz, der auf vorhandene und gegebenenfalls erhebbare Daten vor allem aus dem Personalsystem zurückgreift (Ringlstetter & Kaiser, 2008, S. 143). Ein aggregierter Wert gibt Auskunft über den ohnehin schwer quantifizierbaren Wert der Humanressourcen bzw. des Wissens als Teil des intellektuellen Kapitals. Willkür bei der Auswahl zu veröffentlichender Indikatoren – auch wenn dies auf freiwilliger Basis erfolgt – wird reduziert. Dieser Humankapitalwert ist aufgrund des standardisierten Vorgehens über die Zeit vergleichbar. Somit ist es für das Management potenziell möglich, ex post Rückschlüsse über durchgeführte Personalmaßnahmen zu ziehen. Die Unterteilung in verschiedene Beschäftigungsgruppen ermöglicht intern einen Vergleich zwischen diesen Gruppen. Die Komponente der Betriebszugehörigkeitsdauer hat das Potenzial, die für das Unternehmen risikobehaftete Fluktuation in die Bewertung einzubeziehen. Für externe Adressaten sind Veränderungen über die Zeit ebenso nachvollziehbar. Zudem sind aufgrund der Ausgabe eines monetären Humankapitalwertes die Interpretation sowie der Bezug zu anderen Werten der Rechnungslegung möglich. Dieses Verfahren ist auch für nicht börsennotierte Unternehmen anwendbar, da der Marktwert des Unternehmens keine Rolle spielt. Die Kritikpunkte sind Anlass, die Saarbrücker Formel weiterzuentwickeln und entsprechend der Intention der Entwickler mit anderen Modellen zu verknüpfen. Schließlich geht es in der Wissenschaft auch darum, bestehende Konzepte zu diskutieren und – sofern es sich um sinnvolles Neuartiges handelt – auszubauen. Nur so ist Fortschritt möglich. Bisher gab es viele Kritiker, aber kaum Wissenschaftler, die sich der Verbesserung stellten. Kossbiel allerdings hat 2007 kritisiert und weiterführende Vorschläge gemacht. Diese gehen im folgenden Abschnitt im Rahmen der 99
Entwicklung eines verbesserten und erweiterten Konzeptes der Saarbrücker Formel in die Betrachtung mit ein. Die Verbesserungen beziehen sich dabei auf die grundlegenden kritischen Argumente bezüglich der branchenüblichen Durchschnittslöhne und –gehälter, des Motivationsindexes, der statischen Ausrichtung des Ansatzes sowie der fehlenden dimensionalen Konsistenz. Darüber hinaus scheint es in Anbetracht der Kritik an der ausschließlich negativ besetzten Betriebszugehörigkeitsdauer sinnvoll, die Formel bezüglich der ausdrücklichen Trennung von Fach- und Erfahrungswissen auszubauen. 3.3 Neuer Weg der Humankapital-Bewertung – die Cottbuser Formel Als Überblick über das folgende Kapitel seien folgende Formeln genannt: Saarbrücker Formel (2006): g ª º § · w HC = ¦ «¨ FTEi ∗ li ∗ i + PEi ¸ ∗ M i » b i =1 ¬ «© i ¹ ¼»
Verbesserungsvorschlag Kossbiel (2007): g ª º § · w HC = ¦ «¨ FTEi ∗ li ∗ wi − FTEi ∗ li ∗ i + HC ( PEi ) ¸ ∗ M i » b i =1 ¬ «© i ¹ ¼»
Cottbuser Formel (2009) – Ansatz der Autorin: g t ½° º 1 ° ª HC ( t ) = ¦ ® ³ « FTEiin ( t ) ∗ Li + PEi ( t ) − FWi ( t ) ∗ − FW i ( t ) ∗ FTEiout ( t ) » dt + FWi ( t0 ) ¾ + w i i =1 ° ¼ °¿ ¯ t0 ¬ t g ½° λi −1 ° ª out ® ³ ¬ FWi ( t ) ∗ β ∗ λi ∗ Ai ( t ) − EWi ( t ) ∗ FTEi ( t ) ∗ (1 − ε i ) º¼ dt + EWi ( t0 ) ¾ ¦ i =1 ¯ ° t0 ¿°
Die Cottbuser Formel, als Verbesserung und fundamentale Erweiterung der Saarbrücker Formel, wird in den nachfolgenden Abschnitten detailliert hergeleitet. Ihre Entwicklung ergibt sich aus den in 3.2.2.6 ausführlich dokumentierten Kritikpunkten, die Schritt für Schritt bearbeitet werden. Zur Argumentation der einzelnen Bestandteile wird auf theoretische Ansätze aus der psychologischen und ökonomischen Literatur zurückgegriffen. Dies steht – wie bereits oben erläutert – nicht in Konflikt zur Formulierung einer betriebswirtschaftlichen Humankapitalwertberechnung, da die Betriebswirtschaftslehre in ihren Funktionen interdisziplinär ausgerichtet ist. Beispielsweise wirken auf die betriebswirtschaftlich interessante Arbeitsproduktivität ähnliche Einflussfaktoren wie auf die volkswirtschaftliche, so dass letztere als aggregiertes Maß der betriebswirtschaftlichen Produktivität interpretierbar ist (Kräkel, 2004, S. 343). 100
Entsprechend ähnlich sind die Erklärungsansätze. So sind in der originären Formel von Scholz und seinen Kollegen sowohl psychologische Aspekte durch den Motivationsindex Mi als auch volkswirtschaftliche Begriffe wie Marktlohn und Wertgrenzprodukt (Kossbiel, 2007, S. 337) enthalten. 3.3.1
Neu-Interpretation der Entgeltkomponente
Scholz und seine Kollegen gehen davon aus, dass es sich bei den Löhnen und Gehältern um branchenübliche durchschnittliche Marktwerte handelt. Mit der Verwendung dieser Größe wollen die Entwickler eine Marktorientierung gewährleisten. Um die Aussagekraft der in dieser Form interpretierten Löhne und Gehälter für den Humankapitalwert einer Unternehmung zu diskutieren, ist die Bedeutung der Begrifflichkeiten zu erörtern: Meinen die Entwickler der Saarbrücker Formel mit li den (gleichgewichtigen) Marktlohn im Sinne der arbeitsmarktökonomischen Theorie? Und meinen die Entwickler der Saarbrücker Formel mit li dann den Branchendurchschnitt des Marktlohnes in einem bestimmten Erhebungszeitraum? 3.3.1.1 Marktlohn im Sinne des Arbeitsmarktmodells Beginnend mit der ersten Fragestellung60 wird neoklassisch der gleichgewichtige Reallohn als Marktlohn verstanden (Arnold, 2006, S. 63). Er stellt die marginalen Arbeitskosten, d. h. die realen Grenzkosten der Arbeit dar (Cezanne, 2005, S. 344). Anders formuliert ist der Marktlohn aus Unternehmenssicht die Gütermenge, mit der ein zusätzlicher Beschäftigter entlohnt bzw. die durch eine Entlassung gespart wird (Arnold, 2006, S. 61). Dieser Reallohn berechnet sich aus dem Nominallohn W61 im Verhältnis zum Preisniveau P. Grafisch ergibt sich der Reallohn an der Stelle, an der sich die Arbeitsangebotskurve (aggregierte Funktion der Nutzenfunktion der Arbeitnehmer) und die Arbeitsnachfragekurve (Resultat aus Gewinnmaximierung der Unternehmen in Abhängigkeit ihrer Produktionsfunktion sowie der Arbeitskosten der Produktion) schneiden (Burda & Wyplosz, 2003, S. 88) (vgl. Abbildung 3-10). Aufgrund der Annahme dieses sich selbst regulierenden Gleichgewichts62 wird von einem gleichgewichtigen Real- oder Marktlohn gesprochen. Da in dem neoklassischen
60
61
62
Es wird entsprechend der arbeitsmarkttheoretischen Herangehensweise unterstellt, dass es sich um gewinnmaximierende Unternehmen handelt. Um im Folgenden Verwechslungen mit der Wissensrelevanzzeit w aus der Saarbrücker Formel zu vermeiden, wird der Nominallohn mit dem Großbuchstaben W gekennzeichnet. Weiterführende Literatur z. B. Cezanne, 2005; Arnold, 2006; Hens & Pamini, 2008.
101
Modell unterstellt wird, dass W und P exogen gegeben sind, ist die Nachfrage nach Arbeit L die einzige veränderliche Größe. Das bedeutet auch, dass L die einzige Variable ist, mit der Unternehmen die Gewinnfunktion, definiert durch Produktionsfunktion und Lohnkostenfunktion mit determiniertem Lohn W, maximieren können (Arnold, 2006, S. 60). Reallohn
Reallohn Angebot (L)
W* P
Marktgleichgewicht
Nachfrage (L) = marginale Grenzproduktivität der Arbeit L*
Beschäftigung
Angebot (L) W P W* P
Unfreiwillige Arbeitslosigkeit Mindest- oder Tariflohn
Nachfrage (L) LNachfrage L* LAngebot Beschäftigung
Abbildung 3-10: Neoklassisches Arbeitsmarktmodell Quelle: Eigene Darstellung, i. A. an Burda & Wyplosz, 2003, S. 90 f.; Arnold, 2006, S. 60 f.
Für sehr wettbewerbsintensive Arbeitsmärkte wie den US-amerikanischen mag die Annahme zutreffen, dass sich der Marktpreis für Arbeit W/P an die Arbeitsnachfrage und das Arbeitsangebot anpasst; auf Arbeitsmärkten wie in Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern werden Löhne auch gesetzlich festgelegt oder zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt (Arnold, 2006, S. 67). Insofern trifft in Deutschland die Annahme eines gleichgewichtigen Marktlohnes eher nicht zu. Hierzulande beschränken zum einen gesetzliche Mindestlöhne die Anpassung des Marktpreises nach unten. Zum anderen verhandeln Gewerkschaften mit dem Ziel der Maximierung des Erwartungsnutzens ihrer Mitglieder diejenige Lohnhöhe, bei der die Mitglieder gerade ihren Arbeitsplatz behalten und die Arbeitslosen arbeitslos bleiben (Arnold, 2006, S. 67). Diese bis hierhin geführte Argumentation lässt an der Aussagekraft des Marktpreises als humankapitalwertbestimmend insofern zweifeln, als dass die gesetzlich festgelegten und gewerkschaftlich verhandelten Löhne nicht darauf abzielen, die Arbeitnehmer mit ihrer Grenzproduktivität (Cezanne, 2005, S. 539) und damit entsprechend ihrer Qualifikation bzw. ihres Fachwissens zu entlohnen. Die Beweggründe für die determinierten Marktlöhne sind eher politisch und weniger produktivitätsorientiert. Damit lässt sich schlussfolgern, dass die vermeintliche Wertbasis in der Saarbrücker Formel nicht dem Marktwert der Fähigkeiten, Qualifikationen und des Wissens der Arbeitnehmer gleichsteht bzw. höchstens eine sehr ungenaue Approximation dessen 102
ist. Der Marktlohn entspricht aufgrund der Gewinnmaximierungsabsicht der Unternehmen durch Umverteilungsreaktionen63 auf lange Sicht zwar wieder der Grenzproduktivität der Arbeit, aber er ist künstlich angehoben worden (vgl. Abbildung 3-10 rechts). Darüber hinaus spricht gegen die Verwendung des neoklassisch definierten Marktpreises die Beobachtung, dass viele Unternehmen freiwillig und dauerhaft ihre Arbeitnehmer über dem (gleichgewichtigen, gesetzlich festgelegten bzw. verhandelten) Reallohn entlohnen (Sadowski, 2002, S. 112). Für derartige Lohnprämien, definiert als Aufschlag auf den Marktlohn, werden in nicht-neoklassischen Aufsätzen folgende Gründe angegeben (im Folgenden Sadowski, 2002, S. 114 ff.; Arnold, 2006, S. 71 ff.): Synergieeffekte: Durch Synergieeffekte, die sich durch eine bessere Technologie, bessere Produktions- und Organisationsprozesse oder auch Teamarbeit, bei der die Leistung der Gruppe höher ist als die Summe der individuellen Leistung, verläuft die Produktionsfunktion steiler. Damit steigt auch die Grenzproduktivität der Arbeit, woraus der Aufschlag auf den Marktlohn resultiert. Entscheidend für die Grenzproduktivität der Arbeit sind demnach nicht nur die Fähigkeiten und das Wissen der Arbeitnehmer, sondern auch Unternehmensdaten wie Belegschaftsgröße, Kapitalintensität und Marktstellung. Kompensation: Trotz anforderungsabhängiger Entgeltfindung64 können Lohnunterschiede aus nicht gleichwertigen Arbeitsplätzen zwischen Unternehmen resultieren, so dass schlechtere Arbeitsbedingungen durch Lohnprämien kompensiert werden. Diese Theorie der kompensierenden Lohndifferenziale beobachtete schon Adam Smith 1776. Vice versa können mit ihr auch unterdurchschnittliche Löhne
63
64
Die politische Diskussion von Mindest- und Tariflöhnen ist nicht Bestandteil der Arbeit. Es sei an dieser Stelle nur kurz angemerkt, dass aufgrund der Erhöhung des Reallohns die Unternehmen ihre langfristige Gewinnmaximierung gefährdet sehen, da die Grenzkosten der Arbeit nun nicht mehr mit der Grenzproduktivität der Arbeit übereinstimmen. Die Unternehmen versuchen diese Umverteilung zu ihren Ungunsten (Cezanne, 2005, S. 542) entweder a) durch Preiserhöhungen rückgängig zu machen, d. h. durch den erhöhten Umsatz den Reallohn zu senken, was dem Ziel der Preisniveaustabilität widerspricht bzw. b) durch Erhöhung der Rationalisierungsinvestitionen zu korrigieren, d. h. durch die Substitution von Mensch durch Maschine, von hoch durch gering qualifizierte Arbeitskräfte oder gar durch Einstellungsstopps und Kurzarbeit die Arbeitsproduktivität zu erhöhen (Kräkel, 2004, S. 343), was dem Ziel der Vollbeschäftigung entgegensteht. Entsprechend der arbeitsmarkttheoretischen Erklärungen kann davon ausgegangen werden, dass sowohl Mindest- als auch Tariflöhne dazu führen, dass der Reallohn nicht auf das markträumende Niveau fällt (Arnold, 2006, S. 67). Vgl. Ackermann & Eisele, 2004, S. 703: Entscheidend für diese Entgeltfindung sind die Anforderungen, die an einen Positionsinhaber gestellt werden. Dafür ist eine Arbeitsbewertung bzw. Arbeitsplatzbewertung notwendig, die anschließend dazu führt, dass die Arbeit oder die Arbeitsplätze als Ganzes oder in Teilen in eine Rangreihe gebracht werden. Individuelle Unterschiede finden bei diesem Vorgehen keine Berücksichtigung. Auf diese Entgeltfindung greifen auch Tarifparteien zurück.
103
mit überdurchschnittlich attraktiven nicht-monetären Arbeitsbedingungen erklärt werden. Optimierung: Stetige Lohnanpassungen an die Bewegungen des Marktes verursachen Kosten. Es bleibt für das Unternehmen abzuwägen, ob die Preiskonsistenz vorteilhaft ist. Sind die Transaktionskosten der ständigen Lohnanpassungen höher als die Mehrkosten durch die Lohnprämien, wird sich ein rational handelndes Unternehmen für Lohnprämien entscheiden. Effizienzlohntheorie: Danach können Lohnprämien die Leistung der Belegschaft erhöhen. Für diesen Zusammenhang lassen sich vier Gründe angeben. Erstens: Je höher der Reallohn, desto besser fühlen sich die Beschäftigten vom Arbeitgeber behandelt und revanchieren sich mit hoher Leistungsbereitschaft. Zweitens: Der Arbeitgeber nutzt die Lohnprämie als Kontrollinstrument, um Drückebergerei zu reduzieren. Denn je höher der Lohnsatz im Vergleich zum Marktlohn, desto größer sind die finanziellen Verluste bei einem Arbeitsplatzverlust und desto eher wird der Arbeitnehmer vom Faulenzen absehen. Drittens: Lohnprämien können als Signal seitens der Unternehmen dienen, insbesondere wenn die Leistungseigenschaften der Bewerber schlecht beobachtbar sind. Hier wird unterstellt, dass mit höherem Lohnsatz im Vergleich zum Marktlohn Besserleister angezogen werden, die die erwarteten überdurchschnittlichen Leistungsanforderungen des Arbeitgebers erfüllen können. Durch Selbstselektion der potenziellen Beschäftigten ist es somit möglich, langfristig das durchschnittliche Leistungsniveau der Belegschaft zu erhöhen. Viertens: Lohnprämien können ebenso darauf abzielen, die Fluktuation in einem Unternehmen zu reduzieren, da eingearbeitete Belegschaften produktiver arbeiten. Mit höheren Löhnen im Vergleich zum Marktlohn versuchen Arbeitgeber, die Mitarbeiter möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden. Letztendlich stellt sich bei der Definition von Reallöhnen im neoklassischen Sinn und der Argumentation von Lohnprämien heraus, dass ein Marktlohn eher weniger geeignet ist, den Wert des Humankapitals eines Unternehmens zu bewerten. Die Gefahr der Über- oder Unterschätzung ist groß. Unternehmen sind verpflichtet, gesetzlich festgelegte Mindestlöhne und verhandelte Tariflöhne einzuhalten. Sie sind aber frei in ihrer Entscheidung – und Gründe dafür wurden dargestellt – Lohnaufschläge zu zahlen. Die firmenspezifisch gezahlten Löhne und Gehälter sind aufgrund der unterstellten Gewinnmaximierung eher als produktivitäts- und insofern qualifikationsorientiert anzusehen als die vermeintlich gleichgewichtigen Marktlöhne. 3.3.1.2 Marktlohn als Durchschnittswert Trotz der eben gewonnenen Erkenntnis stellt sich hierbei grundsätzlich die Frage, wieso sich ein Unternehmen zur Berechnung seines Humankapitalwertes an externen Durchschnittswerten orientieren sollte, statt die firmenspezifische Summe an Löhnen 104
und Gehältern anzusetzen. Unterschiede in der Höhe der Entlohnung auch innerhalb einer Branche, die theoretisch aus oben genannten Gründen zustande kommen, können durch Mittelwertbildung den Humankapitalwert des einzelnen Unternehmens stark verzerren. Hierzu ist aus zwei Perspektiven zu argumentieren: Ist die Saarbrücker Formel ein Instrument für das Management, um die Entwicklung des Humankapitalwertes über die Zeit zu verfolgen, sollten primär firmenspezifische Variablen zur Berechnung herangezogen werden. Nur auf Basis dieser Daten können Erkenntnisse gewonnen werden, die schließlich zu firmenspezifischen korrigierenden Maßnahmen führen sollten. Wird die Saarbrücker Formel als Instrument für externe Adressaten genutzt, um die Bilanz bzw. den Lagebericht mit einem monetären Wert des Humankapitals freiwillig zu vervollständigen, wäre auch hier die Aussagekraft eines Durchschnittsbranchenwertes zu hinterfragen. Schließlich sind die externen Stakeholder daran interessiert, auf Basis firmenspezifischer Angaben beispielsweise Investitionsentscheidungen zu treffen. Die Verwendung der branchenüblichen Durchschnittslöhne und -gehälter würde c. p. dazu führen, dass sich die interorganisationalen Unterschiede der Humankapitalwerte reduzieren. Für beide Zielgruppen wäre der Ansatz branchenüblicher Durchschnittslöhne und -gehälter dann sinnvoll, wenn mit der Saarbrücker Formel sowohl ein branchenüblicher Humankapitalwert berechnet würde mit branchenüblichen Durchschnittsdaten, als auch ein firmenspezifischer Humankapitalwert mit firmenspezifischen Daten. Ein Vergleich dieser beiden Werte wäre dann als tatsächliches Benchmarking innerhalb einer Branche möglich und unter Umständen (z. B. hinsichtlich des Personalmarketings) auch nützlich. Diese Herleitung findet sich in der Aussage von Lev und Schwartz (1971, S. 108) bestätigt: „The specific value of human capital is based on the firm’s actual wage scale while the general value is based on industry-wide wage averages. The difference between the two therefore indicates the level of the firm’s wage scale relatively to the industry average.” 3.3.1.3 Ergebnis der Diskussion Konsequenz dieser Diskussion ist, dass die Gründe zur Verwendung von Marktpreisen bzw. branchenüblichen Durchschnittslöhnen und -gehältern von Scholz, Stein und Bechtel (2006) nicht haltbar sind. Entsprechend wird dafür plädiert, in der Cottbuser Formel die unternehmensspezifischen Löhne und Gehälter anzusetzen. So lassen sich Lohn- und Gehaltserhöhungen über die Jahre beispielsweise durch produktivitätsbeeinflussende Bildungsinvestitionen erklären (Sadowski, 2002, S. 53; Kräkel, 2004, S. 344). Dadurch steigt die Bindung der Arbeitskräfte an das Unternehmen, da ihr 105
betriebsspezifisches Wissen auf dem externen Arbeitsmarkt nicht anwendbar ist und ein Arbeitgeberwechsel faktisch zur Lohn- bzw. Gehaltseinbuße führen würde. Franz betonte: Es gibt nicht „den“ Lohnsatz im Sinne eines Marktlohnes, sondern eine betriebliche Lohnstruktur hauptsächlich in Abhängigkeit von der Qualifikation der Beschäftigten (2006, S. 123). Firmenspezifische Löhne und Gehälter gewährleisten deshalb eher eine produktivitäts- und anreizorientierte Perspektive als die Verwendung von Markt- bzw. branchenüblichen Durchschnittslöhnen und -gehältern. 3.3.2
Ausschluss des Motivationsindexes
Der Motivationsindex wird in der Saarbrücker Formel als wertverändernde Variable verwendet. Dessen Hebelwirkung erhöht die Differenzen zwischen den Humankapitalwerten verschiedener Firmen sowie zwischen denen eines Unternehmens im Zeitverlauf. Aufgrund der sehr aufwendigen Quantifizierung eines solchen Indexes durch Mitarbeiterbefragungen, die regelmäßig durchgeführt werden müssten, der stark kritisierten Operationalisierung, der Skalierung, die bei Mi=0 einen Humankapitalwert von 0 ausgibt sowie aufgrund des inkonsequent und zweifelhaften Vorgehens der Entwickler, bei nicht verfügbaren Daten den Wert „1“ anzusetzen, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf eine solche Motivationskomponente verzichtet. Folgende weitere Aussagen aus theoretischen Ansätzen unterstützen diese Entscheidung. Zur Erinnerung sei noch einmal darauf hingewiesen, dass sich der Motivationsindex Mi aus der Bereitschaft zur Leistungserbringung (Commitment), der Neigung im Unternehmen zu bleiben (Retention) und Merkmalen des Arbeitsumfeldes (Context) zusammensetzt (Scholz, 2006, S. 33). Mueller und Price fanden unter anderem in ihrer Untersuchung heraus, dass der Grad der Arbeitsmotivation positiv auf den Grad der Zufriedenheit wirkt, dass Zufriedenheit in positivem Zusammenhang mit Commitment steht und gleichzeitig ein hoher Zufriedenheitsgrad die Kündigungsneigung senkt (1990, S. 329). Ebenso kann über bestimmte Arbeitsplatzmerkmale die Zufriedenheit, das Commitment sowie daraus folgend die Bindung beeinflusst werden. Die Zusammenhänge sind in der Abbildung 3-11 visualisiert.
106
Arbeitsplatzsituation
Legende:
Ganzheitlichkeit der Aufgabe
positiver Einfluss negativer Einfluss
Zusammenhalt der Gruppe Höhe der Bezahlung
Zufriedenheit
Feedback
Persönliche Attribute Austrittsneigung
allgemeines Ausbildungsniveau
Austritt
Arbeitsmotivation Ausdrücklichkeit der Entscheidung
Umweltfaktoren
Commitment
Anstellungsmöglichkeiten Bewerber auf Warteliste
Abbildung 3-11: Determinanten des freiwilligen Ausstiegs Quelle: Eigene Darstellung nach Mueller & Price, 1990, S. 329.
Es gilt ebenso als empirisch bestätigt, dass Commitment die Produktivität von Mitarbeitern erhöht bzw. die Austrittsneigung und damit den Austritt, den Absentismus sowie das empfundene Arbeitsleid reduziert (Süß, 2007, S. 204). Insofern ist erkennbar, dass sich die für den Motivationsindex relevanten Indikatoren gegenseitig bedingen und nicht strikt unabhängig voneinander erfassbar sind, was die Aussagekraft ihrer Kombination, wie bereits mehrfach betont, in Frage stellt. Wie bereits beschrieben wird darüber hinaus in der ökonomischen Theorie unterstellt, dass Mitarbeiter entsprechend ihrer Produktivität entlohnt werden. Die Produktivität wiederum resultiert zum einen aus der Qualifikation und zum anderen aus den Persönlichkeitseigenschaften eines Mitarbeiters (Kräkel, 2004, S. 344). Unter Persönlichkeitseigenschaften sind dabei die Veranlagungen eines Individuums zu bestimmten Verhaltens-, Erlebens- und Denkweisen zu verstehen (Borkenau, 2004, S. 1664), die unter anderem die Größe der Bedürfnisdefizienz beeinflussen, welche einen Suchprozess im Menschen mit der Intention der Defizienzbeseitigung auslöst und damit (Arbeits-)Motivation schafft (Weinert, 1998, S. 142). Die Arbeitsmotivation wirkt, wie Mueller und Price belegten, wiederum auf Zufriedenheit, Commitment und Bindung. Bei einer produktivitäts- und anreizorientierten Entlohnung, die ein solches Mangelempfinden auslösen soll, kann somit davon ausgegangen werden, dass die Konstrukte Commitment und Retention implizit Eingang in die Bewertung des Humankapitals finden. Ebenso wird in der Literatur davon ausgegangen, dass Personalentwicklungsmaßnahmen eine leistungsmotivationssteigernde Wirkung entfalten können (Thom, 2009, S. 16; Zaugg, 2009, S. 34; Scholz, 2000, S. 407) und zur Verringerung von Fluktuation und Abwesenheit eingesetzt werden (Phillips & Schirmer, 2008, S. 131). Entsprechend 107
kann auch davon ausgegangen werden, dass Trainingsprogramme, operationalisiert durch deren Kosten, Commitment und Retention stimulieren. Darüber hinaus zeigt sich Kapitalmarktteilnehmern über die Höhe der Mitarbeiterfluktuation der Umgang des Unternehmens mit seinen Angestellten. Eine sehr hohe Fluktuation kann als ein Anzeichen für strategische Fehlplanungen oder eine geringe Mitarbeiterloyalität und damit ein Indikator für die Mitarbeiterzufriedenheit sein (Henderson, 2004, S. 2610). Denn sinkt die Zufriedenheit mit der Arbeit erheblich, kehren Mitarbeiter einem Unternehmen mittelfristig den Rücken. Dies kann katastrophale Folgen für das gesamte Unternehmen haben. Insofern ist die Fluktuation die vielleicht kritischste Mitarbeitervariable (Phillips & Schirmer, 2008, S. 130). Nicht zuletzt ist die Aussagekraft eines zu einem bestimmten Zeitpunkt erfragten Motivationsindexes als gering einzuschätzen. Aus dem Ergebnis lässt sich nicht schließen, dass dieser Motivationsgrad für die gesamte Periode der Humankapitalevaluation gilt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die subjektiven Bewertungen der Items zu Commitment, Context und Retention schwanken und je nach Befragungszeitpunkt unterschiedlich ausfallen. Beispielsweise können die zur Bewertung herangezogenen Merkmale der Stelle bzw. der Tätigkeit, der Unternehmensmerkmale und des Verhältnisses zu Vorgesetzten und Kollegen nicht notwendigerweise als überdauernd bezeichnet werden (Süß, 2007, S. 205). Insofern dürften die Ergebnisse der Mitarbeiter- bzw. Vorgesetztenbefragung zur Motivation mit einer eher geringen Wahrscheinlichkeit den Motivationsgrad für einen längeren Betrachtungszeitraum, hier von einem Jahr, für die Humankapitalwertberechnung kennzeichnen. Es lässt sich somit zusammenfassen, dass die Operationalisierung des Motivationsindexes Mi (Kossbiel, 2007, S. 345) sowie die Quantifizierung eines derart komplexen und dynamischen Phänomens (Wilson, 1971, S. 204) höchst kritisch sind. Zudem ist die Hebelwirkung aufgrund des Wertebereichs 0 ≤ Mi ≤ 2 unverhältnismäßig. Mit Argumenten aus der theoretischen Literatur konnte belegt werden, dass zumindest ein Teil des vermeintlich hilfreichen Motivationsindexes durch die produktivitäts- und anreizorientierte Entlohnung li, durch Personalentwicklung PEi sowie durch die Relation ungeplanter Mitarbeiterausstiege abgebildet werden kann. Auf Basis dieser Argumente wird im Weiteren der Motivationsindex Mi nicht mehr berücksichtigt bzw., den Entwicklern der Formel folgend, wertneutral (Mi=1) gesetzt. 3.3.3
Realisierung einer dynamischen Berechnung
Da es sich in der Saarbrücker Formel um eine statische Betrachtung handelt, unterstellen die Entwickler implizit, dass der aktuelle Wert des Humankapitals unabhängig ist von dem der Vorperiode. 108
Motivationsindexi
FTEi
+
li
+
wi
+
bi
-
Personalentwicklungskosteni
+ +
jährliche Abschreibungi
HumankapitalwertSF
+
Legende:
+
-
positiver Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in die gleiche Richtung negativer Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in entgegengesetzte Richtung
Abbildung 3-12: Zusammenhänge der Variablen in der Saarbrücker Formel Der Motivationsindex wird aus der weiteren Diskussion ausgeschlossen. Quelle: Eigene Darstellung (Erklärung der Variablen siehe Formel (3.6)).
Grafisch zeigt sich, dass die Saarbrücker Formel (SF) eine Aneinanderreihung von Variablen ohne Berücksichtigung des Einflusses zeitabhängiger Flussgrößen auf zeitunabhängige Bestandsgrößen ist. Durch diese Abbildung ist erstens erkennbar, dass die Formel keine Wechselwirkungen zwischen den Variablen berücksichtigt. Dazu zählen beispielsweise Interdependenzen zwischen Veränderungen in der Struktur der Vollzeitäquivalente und dem Wissensbestand. Zudem lässt sich zweitens sehr eindrucksvoll nachvollziehen, wie sich der Humankapitalwert zusammensetzt: aus der Summe der jährlichen Personalentwicklungskosten und der jährlichen Abschreibung, jeweils bezogen auf die Beschäftigtengruppe i. Der Zusammenhang dieser Summe zum Humankapitalwert bleibt allerdings „rätselhaft“ (Kossbiel, 2007, S. 340). Wie bereits erwähnt, werden in der Humankapitalrechnung nach Scholz, Stein und Bechtel zeitunabhängige und zeitabhängige Größen verwendet, die auch so Berücksichtigung finden müssen. Zu ersteren gehören beispielsweise die Anzahl der Vollzeitäquivalente sowie die in der Cottbuser Formel eingeführten Bestände des Erfahrungswissens und des Fachwissens. Als zeitabhängig sind die Personalentwicklungskosten pro Jahr, die FTE-Neuzugänge pro Jahr, die FTE-Austritte pro Jahr, der Wissensverlust pro Jahr sowie der Wissenszuwachs pro Jahr zu nennen. Diese Bestände (synonym Zustände, Integrale, engl.: levels, stocks, state variables) und Flussgrößen (synonym Raten, engl.: flows, derivatives, rates), einschließlich ihrer Wechselwirkung, sind die zentralen Bestandteile einer dynamischen Systembetrachtung (Sterman, 2004, S.
109
191, 197). Insofern ist es von besonderer Bedeutung, diese explizit zu erfassen und mathematisch widerspruchsfrei abzubilden.65
Bestand B ( in z.B. Personen)
Graphische Differentiation
Veränderung des Bestands
B1
Veränderung des Bestands
B0 t0
t1
Zeit t
Netto-Rate R ( in z.B. Personen/Jahr)
Bestand B ( in z.B. Personen)
Netto-Rate R ( in z.B. Personen/ Jahr)
Graphische Integration
R1 R0
R1 R0
t0
t1
Zeit t
Abbildung 3-13: Graphische Unterscheidung von Integration und Differentiation Quelle: i. A. an Sterman, 2004, S. 233.
Bestände werden durch Zu- und Abflüsse verändert. So erhöht sich beispielsweise der Mitarbeiterbestand durch Neueinstellungen bzw. sinkt durch Kündigungen, Entlassungen und Verrentungen. Bestände akkumulieren oder integrieren die Flüsse. Während Bestände in der Regel eine Menge darstellen (unabhängig davon ob tangibel oder intangibel66), müssen Flüsse in entsprechend gleicher Einheit wie der Bestand pro Zeitintervall gemessen werden. Die Bestands- und Flussgrößenperspektive repräsentiert die Zeit als kontinuierlich: Veränderungen ereignen sich fortdauernd und Zeit kann in unendlich kleine Intervalle geteilt werden. Grafisch lässt sich das wie folgt erklären (Abbildung 3-13): Die Menge, die zu einem Bestand B in einem Zeitintervall hinzu addiert wird, ist die Maßzahl der Fläche, die von dem Graph der Netto-Rate R sowie dem Start- und Endpunkt des Intervalls begrenzt wird. Der Endwert des Bestandes ergibt sich aus dem Initialwert des Bestandes plus diesen Flächeninhalt. Die Funktion (synonym: das Verhalten) von Zu- und Abflüssen über die Zeit lässt demnach immer auf die Entwicklung eines Bestandes schließen. Dieser Prozess wird als graphische Integration bezeichnet. Gleichermaßen kann von der Zustandskurve auf die Netto-Rate der Veränderung des Bestandes geschlossen werden, denn der Anstieg der Tangente zu jedem Punkt auf der
65 66
110
Im folgenden Absatz siehe Sterman, 2004, S. 191-208, 232-235. Tangible Mengen sind beispielsweise Personen, Geld oder Rohstoffe. Bestände können allerdings auch intangible Variablen wie psychologische Zustände, Wahrnehmungen und Erwartungen sein.
Zustandskurve (dB/dt) ist gleich der Netto-Rate der Veränderung zu diesem Zeitpunkt. Dieser Prozess wird als graphische Differentiation bezeichnet, da der Anstieg der Zustandskurve der Ableitung des Bestandes zu diesem Zeitpunkt entspricht. Wie in der Abbildung 3-13 links erkennbar, ist zum Zeitpunkt t0 der Wert des Bestandes B0. Durch Addition der grauen Fläche unterhalb der Kurve der Netto-Rate zwischen t0 und t1 erhöht sich der Wert des Bestandes auf B1. Auch wenn die NettoRate über die Zeit mit einem immer geringeren Wert ansteigt, steigt sie stetig und erhöht damit ebenfalls stetig im betrachteten Zeitintervall den Bestand. Ähnlich lässt sich dies für die Differentiation ( Abbildung 3-13 rechts) beschreiben: Der Anstieg der Zustandskurve zum Zeitpunkt t0 ist R0, so dass die Netto-Rate zum Zeitpunkt t0 ebenfalls R0 beträgt. Zum Zeitpunkt t1 ist der Anstieg der Zustandskurve größer als in t0, so dass in t1 die Netto-Rate größer als R0 sein muss und damit R1 beträgt. Der Bestand steigt mit einer zunehmenden Rate, so dass die Netto-Rate ebenfalls positiv und steigend verläuft. Da wie beschrieben die Summation der augenblicklichen Zu- und Abflüsse mathematisch die Integration dieser Zustandsveränderungsraten über die Zeit bedeutet, ergibt sich die Rechenvorschrift für einen Bestand bei kontinuierlichen Systemen67 entsprechend (Bossel, 2004, S. 130): t
Bestand ( t ) = ³ [ dB / dt ] dt + Bestand ( t0 )
(3.11)
t0
und ist gleichbedeutend mit t
Bestand ( t ) = ³ ¬ª Zufluss ( t ) − Abfluss ( t ) ¼º dt + Bestand ( t0 ) .
(3.12)
t0
67
Bei zeitdiskreten Systemen (vs. kontinuierlich) werden die Veränderungen in gleichen und abzählbaren Zeitintervallen (Allen, 1971, S. 213) in die Wertbestimmung des neuen Bestandes einbezogen. Die Rechenvorschrift lautet: neuer Bestand = Zustandsveränderungsrate * Zeitschritt + alter Bestand, d. h. B(t) = (dB/dt)(t-Δt) * Δt + B(t-Δt) (Bossel, 2004, S. 130). Diskrete Lösungen sind im Vergleich zu stetigen leichter zu gewinnen sowie zu interpretieren und genügen vielen ökonomischen Problemstellungen (Allen, 1971, S. 217). Die Entscheidung für eine bestimmte Länge des Zeitintervalls ist allerdings ein Kompromiss zwischen Genauigkeit der Lösung und Berechnungsgeschwindigkeit (Strohhecker & Fischer, 2008, S. 159). Hinreichend kurze Zeitintervalle führen zu einer Lösung, die nahezu äquivalent mit der des kontinuierlichen Prozesses der Integration ist (Forrester, 1972, S. 137), allerdings steigt der Rechneraufwand stark an. In computerbasierten Simulationen, insofern auch in dem im weiteren Verlauf der Arbeit relevanten SystemDynamics-Ansatz, werden die Zeitschritte zwar je nach Problemstellung definiert, mathematisch werden die Bestände allerdings als kontinuierliche Akkumulationen formuliert (Sterman, 2004, S. 206). Damit wird es möglich, Veränderungen von Beständen in infinitesimal kleinen Zeitspannen zu erfassen (Strohhecker & Fischer, 2008, S. 119). Verständlich wird diese Perspektive insbesondere bei dem Wissenszuwachs durch Lernen, was fortdauernd während der Tätigkeitsausübung vonstatten geht.
111
Diese Integralgleichung drückt aus, dass der Humankapitalbestand die Akkumulation der Wertzuwächse (Zuflüsse) abzüglich der Wertverluste (Abflüsse) ist, wobei diese Stromgrößen den Wert der Veränderung zu jedem Zeitpunkt zwischen Startzeitpunkt t0 und Endzeitpunktes t repräsentieren (Sterman, 2004, S. 194, 207). Nach diesem Muster wird entsprechend die Cottbuser Formel formuliert. Sie gilt damit als dynamische Formel, so dass mit ihr auch unterjährige Humankapitalwerte im Rahmen der strategischen Maßnahmenplanung berechnet werden könnten. 3.3.4
Explizite Subsumtion der Wissensarten
Scholz und seine Kollegen erklärten zwar, dass sie in der Halbwertszeit des Wissens sowohl das Fachwissen als auch das Erfahrungswissen berücksichtigen, eindeutig erfasst wird letzteres jedoch nicht. Dies scheint in Anbetracht der Entwicklung hin zu älteren Belegschaften und Vorruhestandsregelungen ein interessanter Untersuchungsaspekt zu sein, der in der Humankapitalbewertung nicht vernachlässigt werden sollte. Zwar kann das Erfahrungswissen den Verfall der übrigen Determinanten der individuellen Leistungsfähigkeit nur bis zu einem gewissen Maß ausgleichen (Schneider, 2006, S. 20-21), aber da es zu einem nicht unwichtigen Anteil aus implizitem Wissen besteht (Plath, 2002, S. 517) und mit zunehmendem Alter steigt (Maintz, 2004, S. 115; Schneider, 2006, S. 7; Giniger, Dispenzieri & Eisenberg, 1983, S. 474), ist Erfahrungswissen eine nicht zu unterschätzende Ressource.68 Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebenen Projektes identifizierte Astor Wissen und Erfahrung als zentrale Elemente der Innovationsfähigkeit (im Folgenden Astor, 2003, S. 153-161): In 35 qualitativen Fallstudien wurde ermittelt, dass dem impliziten Wissen eine besondere Bedeutung
68
112
Zum Thema der Leistungsunterschiede zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern sowie zur Leistungsentwicklung über die Lebensarbeitszeit existiert in der gerontologischen und psychologischen Literatur eine sehr umfassende Diskussion, die wiederzugeben den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. An dieser Stelle seien deswegen nur einige Aspekte und weiterführende Literatur genannt: Seit Beginn der neunziger Jahre gilt das Defizitmodell zugunsten des Kompetenzmodells als empirisch widerlegt (Richenhagen, 2004, S. 63; Kruse, 2000, S. 76). Es wird nicht länger von einer generellen Leistungsabnahme, sondern einem „psycho-physischen Leistungswandel“ gesprochen (Behrend, 2002, S. 37). Die Umstrukturierung des Leistungsspektrums ergibt sich dadurch, dass zwar bestimmte, insbesondere physische Fähigkeiten im Altersverlauf abgebaut werden, diese aber durch die Weiterentwicklung bestehender oder den Aufbau neuer Kompetenzen kompensiert werden können (Maintz, 2004, S. 115; Schneider, 2006, S. 7; Prskawetz et al., 2006, S. 40-43). So könnte beispielsweise mittels geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen, die Abnahme einzelner kognitiver Fähigkeiten nicht verhindert, aber zumindest verlangsamt werden (Prskawetz et al., 2006, S. 33). Kennzeichnend für die kristalline Intelligenz, als das Pendant zur fluiden Intelligenz, sind das im Altersverlauf erworbene und steigende Allgemein- und Erfahrungswissen sowie das Artikulationsvermögen (Börsch-Supan et al., 2006, S. 4).
zukommt und dieses häufig für den entscheidenden Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens verantwortlich ist. Dieses Erfahrungswissen nimmt gerade im Innovationsbereich eines Unternehmens mit jedem durchgeführten Projekt und auch jedem erlebten Misserfolg zu. Das Lernen aus Fehlern kann dazu führen, bestehende Routinen zu hinterfragen und unkonventionelle Lösungsansätze auszuprobieren. Da erfahrungsbasiertes Wissen auf den eigenen Versuch-Irrtum-Erfahrungen sowie auf dem darin begründeten, langwierigen Lernprozess basiert, wird das implizite Produkt- und Prozesswissen überwiegend von den älteren Mitarbeitern eines Unternehmens getragen. Insofern erkennen einige Betriebe bereits das Problem, das sich daraus ergeben wird: sie befürchten einen enormen Know-how-Verlust durch den zumeist rentenbedingten Austritt älterer Arbeitnehmer (Jasper, 2004, S. 236). Quantifiziert und visualisiert wurde diese Aussage in der Literatur jedoch noch nicht. Formelkomponenten FTE
Originäre Bedeutung nach Scholz, Stein & Bechtel, 2006 Bestand an Vollzeitäquivalenten zum Betrachtungszeitpunkt
l
Marktlöhne; branchenübliche Durchschnittslöhne/ –gehälter; Surrogat für Fach- & Erfahrungswissen
w
Nutzungsdauer des Fach- und Erfahrungswissens; erhöht durch Multiplikation mit FTE und l die Wertbasis des Humankapitals
b
Betriebszugehörigkeitsdauer; wirkt durch Positionierung im Nenner der Wertbasis als Abschreibungsvariable und damit bei [b>1] ausschließlich humankapitalwertsenkend
w/b
Multiplikativ mit FTE und l verknüpfter Humankapital-Wertverlust mit der Konsequenz: je kleiner b (im Wertebereich [01), desto kleiner w/b, desto kleiner HC [!]
PE
Personalentwicklungskosten als direkt proportionaler Ausgleich des Wertverlustes
Abbildung 3-14: Bedeutung einzelner Terme der Saarbrücker Formel Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Scholz, Stein & Bechtel (2006).
Um diese Bedeutung greifbar zu machen, werden Fachwissen und Erfahrungswissen explizit in die Humankapitalwertberechnung mittels Cottbuser Formel integriert. In den folgenden zwei Unterabschnitten werden die originären Formelbestandteile, die direkt mit der Wissenskomponente in Verbindung gebracht werden, erklärt und in neue Zusammenhänge gebracht. Als Überblick ist deshalb in der Abbildung 3-14 die ursprüngliche Bedeutung dieser Bestandteile noch einmal zusammengefasst. 3.3.4.1 Erfassung des Fachwissens Wie bereits erläutert handelt es sich bei der Entgeltkomponente L um die firmenspezifische Wertbeimessung der erworbenen Qualifikationen, definiert als aktuelles Fachwissen, welches neben Persönlichkeitseigenschaften die Arbeitsproduktivität beeinflusst. Entsprechend erhöht sich der Humankapitalwert durch die Anzahl neueingestellter Vollzeitäquivalente bewertet mit L. Diese Größe ist zeitabhängig. Neu einge113
stelltes Wissen auf Vollzeitbasis stellt den wertsteigernden Zufluss zum Bestand an Fachwissen dar. Die Personalentwicklungskosten PE betreffend wird in ökonomischen Theorien davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber nur in betriebsspezifisches Wissen investiert (Sadowski, 2002, S. 57). Investitionen in allgemeingültiges Wissen wären für den Arbeitgeber hoch riskant, da er damit die Attraktivität des Arbeitnehmers auf dem externen Arbeitsmarkt erhöht und dadurch das Risiko des Arbeitgeberwechsels steigt (Fischer, 2007, S. 70; Backes-Gellner, Lazear & Wolff, 2001, S. 47). Anders formuliert: während betriebsspezifische Bildungsmaßnahmen das Grenzprodukt der Arbeit nur im anbietenden Unternehmen erhöhen, steigern allgemeine Bildungsmaßnahmen das Grenzprodukt der Arbeit auch in vielen anderen Firmen (Becker, 1962, S. 13). Investitionen in allgemeingültiges Wissen sind deshalb laut Theorie vom Arbeitnehmer selbst zu tragen und würden sich durch entsprechende Kürzungen im Entgelt äußern. Es kann definiert werden, dass es sich sowohl bei arbeitgeberfinanzierten als auch bei arbeitnehmerfinanzierten formellen Bildungsmaßnahmen um die Entwicklung von Fachwissen handelt (Dehnbostel, 2002, S. 47). Da jedoch allgemeingültiges Fachwissen, zum Beispiel Erlernen von Wirtschaftsenglisch, nicht notwendigerweise69 den Humankapitalwert des betrachteten Unternehmens erhöht, wird nachfolgend unter Fachwissen nur betriebsspezifisch relevantes Fachwissen verstanden. Dies wird insofern durch die Entwickler der Saarbrücker Formel unterstützt, als dass sie explizit Personalentwicklungskosten in die Humankapitalwertberechnung einfließen lassen, also Arbeitgeberinvestitionen, die wie oben beschrieben betriebsspezifische Bildung indizieren. Die Annahme des proportionalen Humankapitalwertzuwachses durch Personalentwicklungskosten wird trotz Kritik in der Cottbuser Formel beibehalten. Scholz, Stein und Bechtel verwendeten damit ein legitimes Surrogat, welches für die Anwender der Formel einfach zu erheben und zu kontrollieren ist. Auch wenn der Vorschlag von Kossbiel, einen Funktionsterm HCZU(PE) zu definieren, „der den Wertzuwachs des Humankapitals in Abhängigkeit von der Höhe der jährlichen Personalentwicklungs-
69
114
Nicht notwendiger Weise meint Folgendes: Personalentwicklungsmaßnahmen haben neben dem Bildungseffekt allgemein auch eine motivationsfördernde Wirkung. Demnach kann die arbeitgeberseitige Genehmigung zur Aufwendung von Zeit (damit Opportunitätskosten für das Unternehmen) für die Aneignung von allgemeingültigem Wissen motivationsfördernd, dadurch zufriedenheitsfördernd und folglich Commitment stärkend und bindend wirken. Der sinkenden Mitarbeiterfluktuation, die den Humankapitalwert positiv beeinflussen, stünden allerdings die gegengerechneten Bildungs- und Opportunitätskosten gegenüber, die sich in einem reduzierten Lohn bzw. Gehalt niederschlagen. Ein reduziertes Entgelt L wiederum senkt den Humankapitalwert. Die Wirkungen von Bildungsmaßnahmen für allgemeingültiges Wissen scheinen innerhalb der Humankapitalwertbetrachtung gegenläufig und werden aufgrund dessen vernachlässigt.
kosten“ zum Ausdruck bringt (Kossbiel, 2007, S. 341), eine gute Idee zur Weiterentwicklung der Formel ist, bleibt dennoch die Umsetzbarkeit einer „Funktion der Personalentwicklung“ offen. Es gibt zu viele Faktoren, von denen die Entscheidung für Personalentwicklungsmaßnahmen abhängen. Beispielsweise sind das Alter bzw. die noch zu erwartende Verbleibezeit des Mitarbeiters im Unternehmen nach der Humankapitaltheorie (Becker, 1962, S. 11) ebenso relevant wie die Wissensrelevanzzeit (Jung, 2008, S. 252) und die Veränderungsdynamik im Unternehmen und Unternehmensumfeld. Ebenso müssten in einer Personalentwicklungsfunktion Effekte wie Transferverluste zwischen Lehrendem und Lernendem (Kossbiel, 2007, S. 341) verarbeitet werden. Diese und andere Einflussfaktoren gelten in der Literatur als schwer bzw. nicht operationalisierbar. Somit könnte die Formulierung eines Funktionsterms den Humankapitalwert eher verfremden als die angenommene Proportionalität. Die Wissensrelevanzzeit w wird im Original als Nutzungsdauer des aktuellen Fachund Erfahrungswissens deklariert und vervielfacht das von den Entwicklern als Wertbasis bezeichnete Produkt aus Vollzeitkräften FTE und Entgelt L. Mit steigender Wissensrelevanzzeit steigt demnach der Humankapitalwert. Zur Illustration sei angenommen, dass IT-Spezialisten, die in einer schnelllebigen technologischen Welt arbeiten, eine Wissensrelevanzzeit von ca. 1 oder 2 Jahren haben und Mitarbeiter, die in Routineprozessen eher seltener Innovationen erfahren, eine Wissensrelevanzzeit von ca. 6 Jahren vorweisen können (beispielhafte Angaben aus Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 243). Diese Annahme hat zur Folge, dass Angestellte in Routineprozessen einen größeren Wertzuwachs zum Humankapital leisten als IT-Spezialisten. Obwohl gerade wissensintensive Arbeiten durch eine geringe Wissensrelevanzzeit gekennzeichnet sind (Prange, 2002, S. 75), wirken diese hier in geringerem Maße wertsteigernd als weniger wissensintensive Arbeiten. Dies ist ein Zusammenhang, der nicht plausibel erscheint (ähnlich Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 55). Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie die Reduktion der Wissensrelevanzzeit in jeder Periode in die Saarbrücker Formel eingeht. Ohne Weiterbildungsmaßnahmen müsste diese Relevanzzeit pro Jahr um ein Jahr gesenkt werden. Eine dynamische Anpassung dieser Wissensrelevanzzeit in der Saarbrücker Formel scheint jedoch nicht vorgesehen zu sein. Aus dieser Überlegung heraus wird im Folgenden das Konzept des exponentiellen Zerfalls konsequent umgesetzt. Der spezielle Fall der Halbwertszeit70 ist in der Literatur im Zusammenhang mit der Personalentwicklung häufig exemplarisch anzutreffen
70
Bei einer Halbwertszeit von 6 Jahren sind nach 6 Jahren noch 50% des ursprünglichen Wissensbestandes vorhanden.
115
und betont dabei, dass sich mit sinkender Halbwertszeit auch die Investition in die Fähigkeiten und Fertigkeiten Älterer wieder rentieren (Bellmann & Leber, 2004, S. 4; Prezewowsky, 2007a, S. 49). Während ursprünglich das Zerfallsgesetz den Zerfall radioaktiven Materials in der Kernphysik beschreibt, handelt es sich im Kontext dieser Arbeit um den Zerfall des Fachwissens. Die Zeit, in der sich das Fachwissen um den Faktor e reduziert, wird durch die mittlere Lebensdauer w beschrieben. Der Verlust ist dabei auf das Veralten sowie auf das Nichtabrufen und Vergessen bestimmter Wissensteile zurückzuführen. Dieses Konzept wird in der Cottbuser Formel verwendet, um einen nicht-linearen Wertverlust des Humankapitalwertes in die Humankapitalwertberechnung zu implementieren. Entsprechend dem Zerfallsgesetz lässt sich der Wert des Fachwissens zum Zeitpunkt t wie folgt berechnen (dazu auch Sterman, 2004, S. 274 ff.; Precht, Voit & Kraft, 2005, S. 42; McDougall, Wagner, Hartmann & Drensek, 2007, S. 22; Bossel, 2004, S. 139): FW ( t ) = FW ( t0 ) ∗ e
−
1 *t w
(3.13)
mit: FW w
: Wert des Fachwissens : mittlere Lebensdauer des Fachwissens, Halbwertszeit ≡ w *ln(2).
Mit der Formel (3.13) lässt sich der neue Bestand an Fachwissen berechnen, indem der alte Bestand mit dem Zerfallsterm multipliziert wird. Um gemäß der obigen Erklärung zur Integration und Differentiation aus der Zustandskurve die Rate des Wissensverlustes zu bestimmen, ist die Ableitung zu bilden. Unter Berücksichtigung der verketteten Funktion ergibt sich folgende Gleichung für den Fachwissens-Abfluss FWA: 1 − t 1 FWA ( t ) = − FW ( t0 ) * e w *
w
(3.14)
= FW ( t )
Durch Substitution lautet die zu verwendende Formel: FWA ( t ) = − FW ( t ) *
1 w
(3.15)
Der neue Bestand des Fachwissens bestimmt sich ceteris paribus schließlich durch Addition dieses Wertverlustes FWA. Der Bestand sinkt demnach mit jedem Zeitschritt. Während Scholz, Stein und Bechtel ihrer „Konvention gemäß“ (2006, S. 227) von einer linearen Wissensveralterung ausgehen, wird mit Hilfe des Zerfallsgesetzes eine realistischere exponentielle Reduktion genutzt. Schließlich ist die Rolle der Betriebszugehörigkeitsdauer b zu prüfen. Sie repräsentiert in der originären Formel die unternehmensseitige Verfügbarkeitsdauer über das Wis116
sen und ist gleichsam die „Nutzungsdauer“ des Humankapitals (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 227). Der Quotient w/b stellt, wie im Zusammenhang mit der Diskussion über w bereits erläutert, aufgrund der multiplikativen Verknüpfung eine Art jährliche lineare Abschreibung dar (Kossbiel, 2007, S. 338), allerdings ohne Bezug zu einer Abschreibungsbasis. Entsprechend lässt sich schlussfolgern, dass die Betriebszugehörigkeit nach dieser Formel unter der Bedingung b>1 ausschließlich humankapitalwertsenkend wirkt: je länger die Mitarbeiter im Unternehmen verbleiben, desto kleiner wird der genannte Term und je kleiner ist ceteris paribus der resultierende Humankapitalwert. Becker et al. sehen in dieser Bedeutung des b sogar die Aufforderung an das Management, für eine hohe Fluktuation zu sorgen, um den Humankapitalwert zu steigern (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 55). Zwar wiesen die Entwickler der Saarbrücker Formel auf die Wechselwirkungen zwischen den Formelkomponenten hin, so dass sich eine bewusst hervorgerufene hohe Fluktuation zum Zwecke der Humankapitalwertsteigerung negativ auf den vermeintlichen Motivationsindex auswirke (Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 229), aber de facto wird sich dies erst mit sehr verzögerter Wirkung und damit eventuell als Fehl-Entscheidungshilfe für das Management äußern. Da die Abschreibung des Wissens in der Cottbuser Formel mit Hilfe des Zerfallsgesetzes umgesetzt wird, ist die Verwendung der Betriebszugehörigkeitsdauer b in der Formel in Bezug auf einen Wissensverlust nicht mehr notwendig. Zusammenfassend lassen sich folgende Änderungen zur Saarbrücker Formel konstatieren. Das in diesem Unterabschnitt definierte Fachwissen wirkt humankapitalwertsteigernd durch in
das Wissen der Neuzugänge FTE je Zeiteinheit bewertet mit dem Entgelt (Jahresbrutto) L sowie durch Personalentwicklungskosten PE und humankapitalwertmindernd durch das Wissen der ausgeschiedenen Mitarbeiter FTE
out
je Zeiteinheit bewertet mit dem
aktuellen Durchschnittswert des Fachwissens FW 71 sowie durch den exponentiellen Zerfall des Wissens (mittels Zerfallsgesetz).
71
Da es nicht möglich ist, bei aggregierten Werten das akkumulierte Fachwissen eines einzelnen Mitarbeiters zum Zeitpunkt seines Ausstiegs zu bewerten, wird vorgeschlagen, den Fachwissensabbau durch das durchschnittliche Fachwissen multipliziert mit der Anzahl gegangener Mitarbeiter zu modellieren (ähnlich Sterman, 2004, S. 505). Entsprechend ergibt sich das durchschnittliche Fachwissen durch das Fachwissen zum Zeitpunkt t dividiert durch die Anzahl der Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt t. Weitere Informationen dazu im Kapitel 5 im Zusammenhang mit der Coflow-Struktur.
117
3.3.4.2 Erfassung des Erfahrungswissens Die Erfahrungswissens-Komponente kann als Pendant zur Abschreibung des Fachwissens durch Zuschreibung betriebsspezifischer Berufserfahrung die Humankapitalwertberechnung bereichern. Problematisch ist allerdings die Quantifizierung des Erfahrungswissens, da in der Betriebswirtschaft keine explizite Theorie über die Akkumulation von Erfahrung über die Zeit existiert (Fischer, 2007, S. 66)72. Einige Erkenntnisse entstammen dem humankapitaltheoretischen Ansatz, basierend auf der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie. Danach sind Erfahrung und berufliche Fertigkeiten ein Resultat des Bildungsprozesses, die es den Humankapitalträgern erlauben, produktiv(er) am Produktionsprozess teilzunehmen (Fischer, 2007, S. 67 f.). Demzufolge wird dieser Bildungsprozess auch als Investition zur Verbesserung des Arbeitsvermögens verstanden (Becker, 1962, S. 9). Die Humankapitaltheorie stellt zwar eine Verbindung zwischen eindeutig nachweisbaren Bildungsinvestitionen zum beruflichen Fertigkeitserwerb und den erzielbaren Kapitalwerten her, sie trifft allerdings nur oberflächliche Annahmen über die Art und Weise der Manifestation und der Bewertung des Humankapitals (im Folgenden vgl. Fischer, 2007, S. 70-74): In Bezug auf das Erfahrungswissen fehlt es der Theorie unter anderem an Anhaltspunkten zur ökonomischen Messbarkeit informeller Bildungsprozesse on-the-job in wissensintensiven Arbeitsfeldern, zur Erklärung des oftmals bewussten Verzichtes auf ältere Mitarbeiter durch Entlassungen oder Frühverrentungen und damit des Verzichtes auf Erfahrungen sowie den Ertragswert der Humankapitalinvestitionen sowie zur Entwicklung von Erfahrungswissen und zur Definition maßgeblicher Kriterien. Aufgrund der fehlenden expliziten Theorie wird im Folgenden eine mögliche mathematische Erfassbarkeit der Veränderung des Erfahrungswissens hergeleitet. Dafür werden vereinfachende Annahmen getroffen, die nachfolgend sukzessive erläutert werden. Erfahrungswissen kennzeichnet insbesondere die Bedeutung der Älteren, da es auch mit der Dauer der Tätigkeitsausübung in einem Unternehmen zusammenhängt (Plath, 2000, S. 522). Insofern könnte die Dauer der Betriebszugehörigkeit als Zeitmaß ein
72
118
Erkenntnis aus der Literaturrecherche ist, dass Erfahrungswissen viele Forschungsfelder tangiert: aus psychologischer, arbeitswissenschaftlicher und gerontologischer Perspektive stehen die Leistungsunterschiede jüngerer und älterer Arbeitnehmer, die Kompetenzentwicklung, etc. im Fokus (Mickler & Staudinger, 2008; Gruber, 1999), betriebswirtschaftlich wird Erfahrungswissen u. a. im Zusammenhang mit steigender Produktivität und dem Lernkurvenkonzept versucht zu erklären (Ilmakunnas, Maliranta & Vainiomäki, 1999; Avolio, Waldman & McDaniel, 1990; Adler & Clark, 1991) und selbst in der volkswirtschaftlichen Humankapitaldiskussion geht es um die Beschreibung der Funktion der Wissensakkumulation (z. B. Jungmittag, 2006; Romer, 1990)
Indiz für betriebsspezifisches Erfahrungswissen sein (Astor, 2003, S. 153 ff.; Maintz, 2004, S. 115; Schneider, 2006, S. 7). Da die Betriebszugehörigkeitsdauer allerdings eine ex post Größe ist (Becker, Labucay & Rieger, 2007, S. 45) und sie im Vorhinein nicht planbar ist, kann mit einem solchen Durchschnittswert keine sinnvolle Berechnung des Erfahrungswissens erfolgen. Zudem ist die Kennzahl der Betriebszugehörigkeitsdauer kein hinreichender Beleg für einen eindeutig positiven Effekt auf den Humankapitalwert. Beispielsweise deuten einige Untersuchungsergebnisse auf einen gegenläufigen Zusammenhang zwischen Betriebszugehörigkeit und Produktivität hin (Shaw & Lazear, 2007, S. 18; Ilmakunnas, Maliranta & Vainiomäki, 1999, 30). Ein wahrscheinlicherer, positiver Zusammenhang ist zwischen Erfahrungswissen und dem Alter zu sehen (Maintz, 2004, S. 115; Schneider, 2006, S. 7; Giniger, Dispenzieri & Eisenberg, 1983, S. 474). Wie das Fachwissen beeinflusst auch das Erfahrungswissen (direkt bzw. indirekt als Teil des Handlungswissens) die Produktivität (Giniger, Dispenzieri & Eisenberg, 1983, S. 469; siehe für weiterführende Studienergebnisse Schmidt, Hunter & Outerbridge, 1986, S. 432 f.; Mincer, 1974, S. 65). Zwar nehmen die fluide Intelligenzkomponente und die motorischen Fähigkeiten im Erwerbsleben sukzessive ab, gleichzeitig wird jedoch Erfahrungswissen aufgebaut, so dass sich zunächst ein ansteigender, in den mittleren Altersjahren ein stabiler Produktivitätsverlauf ergibt (Schneider, 2006, S. 22; Giniger, Dispenzieri & Eisenberg, 1983, S. 473). Erst gegen „Ende des Erwerbslebens verstärkt sich der Rückgang der prozessualen Intelligenzkomponente“ derart, dass Erfahrungswissen zur Kompensation unter Umständen nicht mehr ausreicht (Schneider, 2006, S. 22). Da die erfahrungsabhängige kristalline und erfahrungsunabhängige fluide Intelligenzkomponente interdependent sind, kann ein starker Abfall der letztgenannten Komponente auch die Erfahrungsakkumulation in Mitleidenschaft ziehen (ebenda; Wenzke, 2007, S. 71). Aufgrund dieser Zusammenhänge finden sich in der Literatur häufiger die Aussagen, dass berufliches Erfahrungswissen nicht exponentiell steigt, sondern sich mit abnehmender Rate lebenslang erhöht (Wenzke, 2007, S. 71) bzw. im rentennahen Alter ein Plateau erreicht (Maintz, 2004, S. 115). Anlehnend an die Aussage von Wenzke wird für die weitere Arbeit angenommen, dass in Abhängigkeit vom Lebensalter der Bestand an Erfahrungswissen bis zum Renteneintrittsalter einer degressiv steigenden Funktion folgt. Diese beginnt im Koordinatenursprung. Dieses degressive Wachstum lässt sich damit erklären, dass die sich schnell vollziehenden technischen und organisatorischen Veränderungen und die damit wechselnden Arbeitsanforderungen zwar neue Erfahrungen bedingen, aber nicht genutztes (Erfahrungs-)Wissen und nicht genutzte Handlungsroutinen im Zeitablauf vergessen oder umstrukturiert werden (Plath, 2002, S. 522) und deshalb der Zuwachs an zusätzlicher Erfahrung über die Zeit sinkt (Morrison, 2005, S. 8). Die Steilheit der 119
Kurve ergibt sich durch die Lernrate λ. Je höher die Lernrate, desto mehr Wissen wird pro Zeitschritt akkumuliert.73 Hinsichtlich der Höhe der Lernrate folgen einige Autoren der Annahme, dass eine höhere Wissensintensität, die sich beispielsweise in der Vielfalt der zu erfüllenden Aufgaben einer Person oder in der Schwierigkeit der Tätigkeiten zeigt, eine höhere Lernrate indiziert (Schilling, Vidal, Ployhart & Marangoni, 2003, S. 40; Fandel, 2005, S. 168). Personen und Gruppen, die verschiedene, aber verwandte Probleme in ihrem Arbeitsalltag lösen, lernen im Durchschnitt mit einer signifikant höheren Rate als solche, die hoch spezialisiert ohne Problemabwechslung arbeiten (Schilling, Vidal, Ployhart & Marangoni, 2003, S. 52). Diese Aussage könnte in späteren Arbeiten genutzt werden, um jeder Beschäftigtengruppe i eine unterschiedliche Lernrate zuzuweisen.
Erfahrungswissen
ErfahrungswissensZuwachs
Entsprechend dem degressiv steigenden Verlauf der Zustandskurve (Abbildung 3-15 links) zeigt sich die Veränderung des Erfahrungswissens – der ErfahrungswissensZuwachs – als degressiv fallende Funktion (Abbildung 3-15 rechts).
Alter A
Alter A
Abbildung 3-15: Erfahrungswissen und Erfahrungswissens-Zuwachs Quelle: Eigene Darstellung.
Die Zuwachsrate des Erfahrungswissens (Abbildung 3-15 rechts) lässt sich nun näherungsweise mit folgender Funktion beschreiben: EWZ ( t ) = λ ∗ A ( t )
λ −1
(3.16)
mit: A λ
73
120
: Lebens-/ Durchschnittsalter bei aggregierten Berechnungen zum Zeitpunkt t : Lernrate pro Jahr, [0<λ<1]
Konkrete Angaben von Lernraten sind in der Literatur sehr häufig im Zusammenhang mit dem Lernkurvensowie dem Erfahrungskurvenkonzept anzutreffen. Hirsch beispielsweise ermittelte empirisch Lernraten in einem US-amerikanischen Maschinenbauunternehmen. Abhängig von den Produkttypen schwankte die Lernrate des Faktors Arbeit in dieser Untersuchung zwischen 16,5% und 20,8% (Hirsch, 1952, S. 148; siehe dazu auch Fandel, 2005, S. 168). In verschiedenen anderen Studien wurden Lernraten zwischen 0% und 50% ermittelt, wobei sich die Lernraten zumeist auf den Bereich zwischen 10% und 30% konzentrieren (Reeker, 2004, S. 78).
Das berufliche Erfahrungswissen ist nach Böhme und Potyka ein Komplex von Wissen und Fertigkeiten, der auf einem bestimmten Tätigkeitsfeld durch die regelmäßige Lösung entsprechender Aufgaben erworben wird und der das definierte Fachwissen um diese systematisch erlernten Fertigkeiten ergänzt (1995, S. 68). Der sich aus der Cottbuser Formel ergebende Humankapitalwert eines Unternehmens entspricht, wie Abbildung 3-16 zeigt, dem Wert des aggregierten Arbeitsprozesswissens, denn dieses subsumiert das in Aus- und Weiterbildung erworbene Fachwissen sowie die Erfahrung im Arbeitsprozess. Fachwissen und Erfahrungswissen bilden sich demnach abhängig voneinander. Einerseits wird das Fachwissen durch Erfahrungen angereichert und andererseits findet „beiläufig“ zur Aneignung von Fachwissen informelles Lernen statt (Dehnbostel, 2002, S. 48). Betriebliches Lernen
Formelles/ organisiertes Lernen (i.R.d. Personalentwicklung)
Informelles Lernen (reflexives und implizites Lernen)
Fachwissen/ Theoriewissen
Erfahrungswissen
Arbeitsprozesswissen / Handlungswissen Abbildung 3-16: Zusammensetzung des Arbeitsprozesswissens Quelle: i. A. an Dehnbostel, 2002, S. 47; Staudt & Kriegesmann, 2000, S. 176; SevsayTegethoff, 2007, S. 43.
Diese Abhängigkeit wird in der Cottbuser Formel in einer vereinfachten Form integriert, wonach der Erfahrungswissens-Zuwachs zusätzlich von dem aktuellen aggregierten Wert des Fachwissens beeinflusst wird. Das bedeutet, dass sowohl Fachwissenszuwächse durch Personalentwicklung und Neuzugänge als auch Fachwissensverluste durch Ausstiege die Veränderungsrate des Erfahrungswissens beeinflussen. Entsprechend wird die Formel (3.16) um den jeweils aktuellen Fachwissensbestand FW ergänzt: EWZ ( t ) = FW ( t ) ∗ λ ∗ A ( t )
λ −1
(3.17)
Ein weiterer Befund ist, dass das Erfahrungswissen einen größeren Anteil der Handlungsfähigkeit einer Person ausmacht als Fachwissen (Staudt & Kriegesmann, 2000, S. 176). Der explizite Teil des Wissens wirkt – neben dem impliziten Wissen, den Fertigkeiten und den Persönlichkeitseigenschaften – nur zu ca. 20% auf die individuelle Handlungsfähigkeit (ebenda). Hierdurch wird nicht nur die enorme Bedeutung des Er121
fahrungswissens deutlich, sondern auch ein relativer Bezug zum Fachwissen hergestellt. Um diese Gewichtung ebenfalls in die Humankapitalwertberechnung zu integrieren, wird der Faktor β eingeführt.74 EWZ ( t ) = FW ( t ) ∗ β ∗ λ ∗ A ( t )
λ −1
(3.18)
Neben dem Erfahrungswissens-Zuwachs ist auch der Abbau des Erfahrungswissens zu berücksichtigen. Ausstiege von Mitarbeiter aus dem Unternehmen und insbesondere eine (vorzeitige) Ausgliederung älterer Arbeitnehmer können zu einem beträchtlichen Humankapitalwertverlust führen. Die mit der Fluktuation verbundenen ökonomischen, aber auch prozessualen Konsequenzen können beträchtlich sein (Plath, 2002, S. 523; Meifert, 2008, S. 274). Mit expliziter Einbindung der Erfahrungswissens-Komponente in der Cottbuser Formel ist es erstmalig möglich, die monetären Folgen dieser Fluktuation zu quantifizieren. Während sich explizites Wissen leicht vermitteln und nutzbar machen lässt, ist implizites Wissen, also aktionsgebundenes und auf Erfahrung beruhendes Wissen (Staudt & Kriegesmann, 2000, S. 175) personengebunden, schwierig zu formulieren und damit schwer zugänglich (Polanyi, 1985, S. 25). Es kann dabei nur bedingt in explizites Wissen transformiert werden und erfordert darüber hinaus den „sequentiellen Gebrauch von Metaphern, Analogien und Modellen“ (Nonaka & Takeuchi, 1997, S. 79, 87; ähnlich Gesellschaft für Arbeitsschutz- und Humanisierungsforschung mbH Volkholz und Partner, 2006, S. 133). Sind die Grenzen der Externalisierung erreicht, ist die Verfügbarkeit dieses Wissens nur durch die Erreichbarkeit der Person gewährleistet, an die das Erfahrungswissen gebunden ist (Kriegesmann, Kerka & Kottmann, 2007, S. 185). Wissenstransfer ist deshalb ein wesentlicher Faktor, um Erfahrungswissen trotz der Ausstiege von Mitarbeitern im Unternehmen zu halten. Es gibt diverse Literatur, die Maßnahmen zum Wissenstransfer75 vorschlagen. Es finden sich jedoch keine quantitativen Aussagen, in welchem Grad ε Erfahrungswissen externalisierbar ist.
74
75
122
In der Literatur war kein theoretisch angenommenes oder empirisch überprüftes quantitatives Verhältnis zwischen Erfahrungswissen und Fachwissen zu finden und auch der Anteil der Persönlichkeitseigenschaften und der Fertigkeiten am Handlungswissen konnte von Staudt und Kriegesmann nicht konkretisiert werden. Es bleibt nur die Aussage, dass explizites Wissen ca. 20% der individuellen Handlungsfähigkeit ausmacht. Die verbleibenden 80% verteilen sich danach auf das Erfahrungswissen, die Fertigkeiten und die Persönlichkeitseigenschaften (Staudt & Kriegesmann, 2000, S. 176). Würde der Einfluss von Fertigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften mit 0% angesetzt, folgt daraus, dass das Erfahrungswissen maximal das Vierfache des Fachwissens betragen kann. Da dies eine sehr unrealistische Annahme ist und sonstige Angaben fehlen, wird nachfolgend unterstellt, dass Erfahrungswissen und Fachwissen zu gleichen Teilen in die Humankapitalbewertung eingehen. Für personalstrategische Zwecke ist es mit der Cottbuser Formel Entscheidungsträgern allerdings möglich, dem Erfahrungswissen eine höhere Bedeutung beizumessen. Siehe beispielsweise Knörck, 2009; Fuchs, 2006; Amelingmeyer, 2004; Krogh, von & Köhne, 1998.
Weitere Forschung vorwegnehmend wird deshalb diese Konstante in die Cottbuser Formel aufgenommen und mit einer Annahme im Simulationsmodell hinterlegt. Da es nicht möglich ist, bei aggregierten Werten das akkumulierte Erfahrungswissen eines einzelnen Mitarbeiters zum Zeitpunkt seines Ausstiegs zu bewerten, wird wie beim Fachwissensabfluss vorgeschlagen, den Erfahrungswissensabfluss als Produkt des durchschnittlichen Erfahrungswissens und der Anzahl ausgeschiedener Vollzeitäquivalente zu modellieren (ähnlich Sterman, 2004, S. 505). Das durchschnittliche Erfahrungswissen ergibt sich als Quotient aus dem Erfahrungswissen zum Zeitpunkt t und der Anzahl der Vollzeitäquivalente zu diesem Zeitpunkt t: EW ( t ) =
EW ( t )
FTE ( t )
,
(3.19)
so dass sich der Erfahrungswissens-Abfluss EWA wie folgt berechnet (Sterman, 2004, S. 506): EWA ( t ) = EW ( t ) ∗ FTE out ( t ) ∗ (1 − ε )
(3.20)
mit EW
EW EWA FTEout FTE t ε
: durchschnittlicher Wert des Erfahrungswissens : Wert des Erfahrungswissens : Verlust an Erfahrungswissen durch Mitarbeiterausstiege : Anzahl ausgeschiedener Vollzeitäquivalente : Anzahl der Vollzeitäquivalente : Zeit : Externalisierungsgrad des Erfahrungswissens
Mit diesen beiden Veränderungsraten (3.18 und 3.20) wird erstmals erreicht, das so bedeutsame Erfahrungswissen in der Humankapitalrechnung zu berücksichtigen. Entsprechend der Annahme des degressiven Wachstums des Erfahrungswissens ist es möglich, das „learning by doing“ abzubilden. Aufgrund des Bezugs zum Fachwissen wird der Erfahrungswissens-Zuwachs ebenfalls monetär bewertet und mit dem Faktor β gewichtet. Das in diesem Unterabschnitt definierte Erfahrungswissen wirkt humankapitalwertsteigernd durch das stetige Lernen mit der Lernrate λ bei der Ausführung der Arbeit und der Anpassung an tätigkeitsbezogene Veränderungen und humankapitalwertmindernd durch
123
das Ausscheiden von Mitarbeitern FTE
out
bewertet mit dem durchschnittlichen
Erfahrungswissen EW und abhängig vom Externalisierungsgrad ε . 3.3.4.3 Synthese zu einer Formel Als Ergebnis der vorangegangenen Diskussion ist zu konstatieren, dass sich der Humankapitalwert eines Unternehmens nunmehr explizit aus dem Fachwissen sowie dem Erfahrungswissen zusammensetzt. Damit bildet der Wert des Humankapitals den Wert des Arbeitsprozesswissens bzw. des Handlungswissens einer Belegschaft ab. Die kritisierten Bestandteile der Saarbrücker Formel wurden sukzessive verändert. Eine Zusammenfassung der originären und der neuen Bedeutung der einzelnen Formelkomponenten bietet die Abbildung 3-17.
Erfahrungswissen (EW)
Fachwissen (FW)
Komponenten
Originäre Bedeutung in der Saarbrücker Formel
Interpretation für die Cottbuser Formel
l
Marktlöhne; branchenübliche Durchschnittslöhne und – gehälter; Surrogat für Fach- und Erfahrungswissen
firmenspezifisches Entgelt, produktivitäts- und anreizorientiert; gilt in Verbindung mit FTE als Surrogat für Qualifikation/ FW; multipliziert mit der Zahl FTEin ergibt sich ein FW-erhöhender Zufluss; multipliziert mit der Zahl FTEout ergibt sich ein FWmindernder Abfluss
w
Nutzungsdauer des Fach- und Erfahrungswissens; erhöht durch Multiplikation mit FTE und l die Wertbasis des Humankapitals
Exponentieller Zerfall des FW auf Basis der mittleren ; nicht-lineare Abschreibung des FW im Sinne Lebensdauer w des Zerfallsgesetzes
b
Betriebszugehörigkeitsdauer; wirkt durch Positionierung im Nenner der Wertbasis als Abschreibungsvariable und bei b>1 ausschließlich humankapitalwertsenkend
Betriebszugehörigkeitsdauer entfällt als Surrogat für die Abschreibung des Fachwissens
w/b
Multiplikativ mit FTE und l verknüpfter HumankapitalWertverlust mit der Konsequenz: je kleiner b (im Wertebereich [01), desto kleiner w/b, desto kleiner HC [!]
PE
Personalentwicklungskosten als direkt proportionaler Ausgleich des Wertverlustes
Personalentwicklungskosten als direkt proportionaler Ausgleich des Wertverlustes; FW-erhöhender Zufluss
EW
nicht explizit integriert
EW, erhöht sich durch vorhandenes FW und wird vom Lebensalter und der Lernrate λ beeinflusst; reduziert sich durch die Zahl FTEout multipliziert mit dem durchschnittlichen EW und Externalisierungsgrad İ; Ausmaß der Bedeutung des EW gegenüber dem FW durch Gewichtungsfaktor β
HC
Humankapitalwert aus linearer Wissensabschreibung, Personalentwicklungskosten und Motivationsindex
Humankapitalwert als Summe aus FW und EW (=Arbeitsprozesswissen); Bestands- & Flussgrößenkonsistent
Abbildung 3-17: Neuinterpretation wissensrelevanter Komponenten im Überblick Quelle: Eigene Darstellung.
Die Humankapitalwertberechnung erfolgt nunmehr durch die Addition der beiden Bestandsgrößen entsprechend der Bildungsvorschrift von Sterman (2004, S. 194): HCt = FWt + EWt
wobei sich die Summanden wie bereits hergeleitet berechnen: 124
(3.21)
t1
ª «
t0
«¬
º
1 » − FW ( t ) ∗ FTE out ( t ) » dt + FW ( t0 )
w
FW ( t1 ) = ³ « FTE in ( t ) ∗ L + PE ( t ) − FW ( t ) ∗
t1
N
Wertzuwachs
Wertzuwachs
Wertverlust
ª
EW ( t1 ) = ³ « FW ( t ) ∗ β ∗ λ ∗ A ( t ) t0
»¼
Wertverlust
λ −1
(3.22)
Wertbasis
º
− EW ( t ) ∗ FTE out ( t ) ∗ (1 − ε ) » dt + EW ( t0 ) .
» «¬
¼ Wertzuwachs Wertverlust
(3.23)
Wertbasis
Daraus ergibt sich schließlich unter Berücksichtigung der Beschäftigtengruppen i folgende Humankapitalwertgleichung: g
° t ª
i =1
¯° t ¬
HC ( t ) = ¦ ® ³ « FTEiin ( t ) ∗ Li + PEi ( t ) − FWi ( t ) ∗ 0
½° º 1 − FW i ( t ) ∗ FTEiout ( t ) » dt + FWi ( t0 ) ¾ + wi ¼ ¿°
° t ½° λ −1 ¦ ®³ ª¬ FWi ( t ) ∗ β ∗ λi ∗ Ai ( t ) − EWi ( t ) ∗ FTEiout ( t ) ∗ (1 − ε i )º¼ dt + EWi ( t0 )¾ i =1 ° °¿ ¯t
(3.24)
g
i
0
mit: HC : Humankapitalwert; Wert des Arbeitsprozesswissens FW : Wert des Fachwissens FW(t0) : Initialwert des Fachwissens =FTE(t0)*L FW : durchschnittlicher Wert des Fachwissens EW : Wert des Erfahrungswissens EW(t0) : Initialwert des Erfahrungswissens =FTE(t0)*L*β = FW(t0)* β EW
FTEin FTEout L PE w
β λ A ε
76
: durchschnittlicher Wert des Erfahrungswissens : Anzahl neu eingestellter Vollzeitäquivalente : Anzahl ausgeschiedener Vollzeitäquivalente : firmenspezifisches Entgelt : Personalentwicklungskosten : mittlere Lebensdauer des Wissens : Gewichtungsfaktor, [β>0] : Lernrate pro Jahr, [0<λ<1] : Lebensalter bzw. Durchschnittsalter bei aggregierten Berechnungen 76 : Externalisierungsgrad des Erfahrungswissens, [0≤ ε ≤1]
Anmerkung: Epsilon=1 bedeutet, dass das Erfahrungswissen vollständig (zu 100%) externalisiert wird, d. h. trotz Weggang des Mitarbeiters im Unternehmen verbleibt. Epsilon=1 bewirkt demnach, dass der Erfahrungswissens-Abfluss EWA=0 ist. Demgegenüber bedeutet epsilon=0, dass das Erfahrungswissen nicht (zu 0%) externalisiert wird. Epsilon=0 bewirkt demnach, dass der Erfahrungswissens-Abfluss EWA vollständig zum Tragen kommt.
125
t dt i
: Zeit : infinitesimaler Zeitschritt : Beschäftigtengruppe
Die Kritikpunkte an der Saarbrücker Formel wurden systematisch bearbeitet. Die bedeutendsten Änderungen sind in der Betrachtung der Bestands- und Flussgrößen, im Ausschluss des Motivationsindexes sowie in der expliziten Erweiterung um das Erfahrungswissen zu sehen. In diesem Erfahrungswissen wird in der Literatur eine enorme Bedeutung gesehen: Erfahrungswissen hat einen höheren Anteil am Handlungswissen als Fachwissen. Innovationen erfordern in vielen Fällen die Einbeziehung von Erfahrungen und des impliziten Wissens (Jungmittag, 2006, S. 89). Wird der explizierbare Teil des individuellen Erfahrungswissens kodifiziert, akkumuliert sich auch das organisationale Erfahrungswissen hinsichtlich kausaler Mechanismen zwischen Handlungen und Leistungsergebnissen (Zollo & Winter, 2002, S. 341 f.; Schilling, Vidal, Ployhart & Marangoni, 2003, S. 42). Die hohe Bedeutung des Erfahrungswissens auch für die Zusammenarbeit im Arbeitsteam wird häufig erst im Falle des Verlustes deutlich (Schanz, 2000, S. 142). Insofern ist es erstmals möglich, die Konsequenzen einer erhöhten Fluktuation im Unternehmen für den Wissensbestand monetär zu bewerten. Dadurch dürfte den Unternehmen die Bedeutung der Humanressourcen noch bewusster werden. Die Ausführungen zur Fluktuation und zum Wissensverlust zeigen hierbei sehr deutlich die enge Verbindung zwischen und damit die enorme Bedeutung von Personalplanung und Wissensmanagement (Schanz, 2000, S. 142). Diese Schnittstelle wurde mit der Integration einer Erfahrungswissensformel in die Humankapitalrechnung aufgenommen. 3.3.5
Sicherstellung der dimensionalen Konsistenz
Zunächst ist die Angabe des Humankapitalwertes in Euro folgerichtig. Er akkumuliert vergangene Ereignisse und charakterisiert zu einem definierten Zeitpunkt den Zustand des Systems (Sterman, 2004, S. 195), so dass es sich hierbei um eine zeitunabhängige Größe, d. h. eine Bestandsgröße handelt. Zudem ist die Angabe des Humankapitalwertes in Euro plausibel, denn der Humankapitalwert soll unter anderem mit dem Ziel der externen Informationsbereitstellung die Bilanz vervollständigen. Die Veränderungsraten haben die Einheit Euro pro Zeiteinheit ZE. Das Differential dt ist ein Bestandteil des Rechenprozesses, nicht des realen Systems, und erscheint nur in Bestandsgleichungen (Forrester, 1972, S. 115, 116). Entsprechend ergibt sich der neue 126
Systemzustand aus der Multiplikation der Raten und des infinitesimalen Zeitschritts sowie der Addition des Bestandes zum Zeitpunkt t0 (Forrester, 1972, S. 110, 115; Bossel, 2004, S. 130). Das Produkt aus Rate und Zeitschritt sorgt dafür, dass der Anfangswert des Bestandes mit dimensionsgerechten Werten addiert wird (Forrester, 1972, S. 116). Aus diesen allgemeinen Regeln lässt sich die dimensionale Konsistenz für die Cottbuser Formel zur Humankapitalwertberechnung nachweisen. Zur Erinnerung lautet die Cottbuser Formel: g t ½° º 1 ° ª HC ( t ) = ¦ ® ³ « FTEiin ( t ) ∗ Li + PEi ( t ) − FWi ( t ) ∗ − FW i ( t ) ∗ FTEiout ( t ) » dt + FWi ( t0 ) ¾ + wi i =1 ° ¼ °¿ ¯ t0 ¬ g
t °
¦ ®³ ¬ª FW ( t ) ∗ β ∗ λ ∗ A ( t ) i =1
¯°t0
i
i
i
λi −1
°½ − EWi ( t ) ∗ FTEiout ( t ) ∗ (1 − ε i ) º dt + EWi ( t0 ) ¾ ¼ ¿°
Zur Verdeutlichung der dimensionalen Konsistenz werden nur die Einheiten aufgeführt. Unter Vernachlässigung der für die Beweislegung nicht relevanten Beschäftigtengruppe i heißt es dann wie folgt: t ª P € º ª € º ª 1 º ª € P ºº °½ * » + « » − «€ * » − « P * ZE » » * [ ZE ] + [ € ]¾ + ZE P ZE ZE ¬ ¼ ¬ ¼ ¬ ¼ ¬ ¼ ¼ ¯°t0 ¬ ¿°
[ € ] = °® ³ « ª«
° t ª ª ½° 1 º ª€ P ºº ∗ dmnl » − « ∗ ∗ dmnl » » *[ ZE ] + [ € ]¾ ® ³ « « € ∗ dmnl ∗ ZE ¼ ¬ P ZE ¼¼ °¯t0 ¬ ¬ °¿
(3.25)
mit: P : Personen € : Euro, Geldeinheit ZE : Zeiteinheit, z. B. Jahr dmnl : dimensionslos Daraus folgt, dass auf beiden Seiten der Gleichung die Einheit Euro steht, d. h. die Dimensionen konsistent sind. 77 3.4 Kapitelfazit Quintessenz dieses Kapitels ist, dass personalbezogene Maßnahmen verbindlich und anhand des Humankapitalwertes messbar werden.
77
Der Faktor A(t)λ-1 hat aufgrund des nicht ganzzahligen Exponenten keine Einheit. „Die Argumente von logarithmischen Funktionen oder Exponentialfunktionen müssen prinzipiell die Dimension 1 haben (sie müssen‚ dimensionslos’ sein), da sie nur in diesem Fall mathematisch definiert sind“ (Moore & Paterno, 1990, S. 7).
127
In diesem Kapitel wurden die theoretischen Argumente des Human Resource Managements und des Humankapitalmanagements intensiv besprochen. Erkenntnis aus dem Resource-Based View ist, dass Mitarbeiter eines Unternehmens mit ihrem Wissen, ihren Qualifikationen und ihren Persönlichkeitseigenschaften als strategisch wichtige, humane Ressourcen zu sehen sind. Die ausschlaggebenden Merkmale sind dabei: die Heterogenität der Belegschaft zwischen verschiedenen Unternehmen, die relative Immobilität der Humanressourcen durch unverhältnismäßig hohe Transaktionskosten, die relative Einzigartigkeit und Knappheit der Humanressourcen, was sich aktuell in der Diskussion über den Fachkräftemangel zu äußern scheint, die Fähigkeit der Humanressourcen, Innovationen hervorzubringen und Wert zu schaffen, die Nichtsubstituierbarkeit der Humanressourcen mit insbesondere höher qualifizierten Tätigkeiten durch technische Geräte sowie die Nichtimitierbarkeit der Humanressourcen aufgrund ihrer Einbettung in historisch gewachsene Strukturen und die Kombination ihrer Eigenschaften. Auch wenn viele Unternehmen in der Zwischenzeit bekennen, dass ihr Personal der Erfolgsschlüssel ist, bemerkte Becker erst kürzlich, dass diese „Anerkennungsrhetorik“ in den seltensten Fällten den Weg in Strategiekonzepte und den Aufbau eines leistungsfähigen Personalmanagements findet (2008, S. 9). Aus den Erkenntnissen des RBV resultierte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in der Forschung die Aufgabe, den Wert der Humanressourcen auf Basis der (qualitativen und quantitativen) Personalausstattung eines Unternehmens messen, steuern und steigern zu können. Im Rahmen des Humankapitalmanagements und der -rechnung, durch die das Bewusstsein über den Wert der Mitarbeiter als strategische Ressource im Unternehmen verankert werden sollte (Flamholtz, 1982, S. 74), wurden seit den 1960er Jahren in der Forschung und Praxis verschiedene Bewertungsansätze erprobt. Nachdem im Abschnitt 3.2.1 die Grundlagen des Humankapitalmanagements erläutert wurden, erfolgte im Abschnitt 3.2.2 in Anlehnung an Scholz, Stein und Bechtel (2006) die Vorstellung und kritische Bewertung verschiedener betriebswirtschaftlicher Ansätze, namentlich marktwertorientierter, rechnungswesenorientierter, indikatorenbasierter, wertschöpfungsorientierter sowie ertragswertorientierter Verfahren. Bei dieser Art von Personalbewertung steht meist nicht der Wert einzelner Mitarbeiter im Vordergrund, sondern der Wert der gesamten Belegschaft, zu dem alle dauerhaft im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter zählen. Denn aufgrund der Wechselwirkungen von Managementpraktiken (wie z. B. Einstellungen) und der Interaktion zwischen Mitarbeitern bzw. aufgrund von Lerneffekten ist davon auszugehen, dass auch hier das Ganze mehr als die Summe seiner Einzelteile ist (Wilson, 1971, S. 198). 128
Nach Mertins und Alwert (2003, S. 579) ist jedoch bisher noch keine zufriedenstellende Lösung in der Humankapitalrechnung erreicht, da die Ansätze immer noch Schwachstellen aufzeigen. Dazu gehört, dass (zit. nach Peters, Reinhardt & Seidel, 2006, S. 153 f.): die Ansätze oft zu abstrakt sind und eine unübersichtliche Zahl an einzelnen Kennzahlen beinhalten, die Instrumente keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen den Kennzahlen und den eigentlichen Wissensressourcen herstellen, der Nachweis der Wechselwirkungen zwischen Veränderungen des immateriellen Vermögens und des Geschäftserfolgs als unzureichend einzustufen ist und die dynamischen Veränderungen der Wissensbasis nicht berücksichtigt werden. Als aktuellster Ansatz in der deutschsprachigen Literatur entstand aus der Untersuchung der genannten Verfahren die Saarbrücker Formel, mit der die Entwickler Scholz, Stein und Bechtel (2006) die analysierten Schwächen der bestehenden Ansätze zu kompensieren und die diversen Stärken zu aggregieren versuchten. Sie leisteten damit Pionierarbeit auf dem Gebiet der Humankapitalberechnung auf Basis personalbezogener Daten und legitimierten bzw. steigerten dadurch gleichzeitig das Ansehen der Personalarbeit (Ringlstetter & Kaiser, 2008, S. 143). Trotz der Leistung von Scholz, Stein und Bechtel ist die Saarbrücker Formel jedoch erheblicher Kritik ausgesetzt. Diese wurde im Abschnitt 3.2.2.6 umfassend beschrieben. Die zum Teil am Fundament dieser Formel rüttelnden Argumente führten zu der Erkenntnis, dass auf diese Weise weder eine adäquate Abbildung des Humankapitalwertes, noch eine daraus folgende konstruktive strategische Personalplanung möglich ist. Aus diesem Grund wurden, nur die Idee der Saarbrücker Formel beibehaltend, elementare Veränderungen und Erweiterungen des Konzeptes auf Basis theoretischer Befunde vorgenommen. Die schrittweise Herleitung der Cottbuser Formel zur Humankapitalwertbestimmung erfolgte im Kapitel 3.3. Die entscheidenden Veränderungen beziehen sich dabei auf die Kritik der Verwendung der durchschnittlichen Marktlöhne, so dass theoretisch die Verwendung eines firmenspezifischen Entgelts zur monetären Bewertung der Qualifikation der Vollzeitäquivalente hergeleitet wurde, auf die Kritik des „unsauberen“ Motivationsindex, so dass dieser begründet eliminiert werden konnte, auf die Kritik der statischen Berechnung, mit der die Veränderungen des Personalbestandes und die Folgen daraus nicht erfasst wurden, so dass eine eindeutige
129
Unterscheidung und Definition von Bestands- und Flussgrößen78 vorgenommen und eine kontinuierliche Betrachtung des Humankapitalwertes umgesetzt wurde, auf die degressive Abschreibung des Wissens, auf die Kritik der nicht eindeutigen Unterscheidung von Fach- und Erfahrungswissen, so dass die Subsumtion so weit wie möglich theoretisch fundiert erfolgte, der Auf- und Abbau beider Wissensarten mathematisch nachvollziehbar und damit die Folgen der Fluktuation explizit gemacht wurden sowie auf die Kritik der dimensionalen Inkonsistenz, so dass auch mit Hilfe der Unterscheidung von Bestands- und Flussgrößen eine Stimmigkeit der Einheiten auf beiden Seiten der Gleichung hergestellt werden konnte. Entsprechend ergab sich eine mehrteilige Formel zur Berechnung des Humankapitalwertes. Ihr Umfang ist allerdings insofern gerechtfertigt, als dass sich die Messung und Bewertung des intellektuellen Kapitals eines Unternehmens als höchst komplexes und schwieriges Vorhaben darstellt (Peters, Reinhardt & Seidel, 2006, S. 152 f.). Diese Komplexität wird sich deshalb zwangsläufig in einer für strategische Handlungen brauchbaren Formel widerspiegeln müssen. Eine zu starke Vereinfachung würde der Herausforderung eines Humankapitalmanagements, wie es beschrieben wurde, nicht gerecht werden. Resümierend setzt sich die Cottbuser Humankapitalwertformel wie folgt zusammen: Das über die Beschäftigungsgruppen i bzw. über die gesamte Belegschaft aggregierte Fachwissen ergibt sich aus den zeitabhängigen Größen: Zuwachs an Fachwissen durch Neueinstellungen von Mitarbeitern bewertet mit dem entsprechenden Entgelt, Zuwachs an Fachwissen durch Personalentwicklungsmaßnahmen bewertet mit den Kosten, Verlust von Fachwissen durch dessen exponentiellen Zerfall sowie Verlust von Fachwissen durch Mitarbeiterausstiege bewertet mit dem entsprechenden Entgelt. Das über die Beschäftigungsgruppen i bzw. über die gesamte Belegschaft aggregierte Erfahrungswissen ergibt sich aus den zeitabhängigen Größen:
78
130
Die Dynamik resultiert insofern aus Bestands- und Flussgrößen, als dass Bestände gleichzeitig Zeitverzögerungen abbilden. Zeitverzögerungen sind ein Hauptmerkmal von dynamischen Systemen. Ein weiteres wesentliches Merkmal von dynamischen Systemen sind Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Variablen des Systems. Mit Hilfe des in Kapitel 5 zu erstellenden Simulationsmodells werden genau diese Wechselwirkungen, bspw. durch die integrative Betrachtung der Personal- und Altersstruktur und der Veränderung durch ständige Personalbewegungen dieser über die Zeit und deren Effekte auf den Humankapitalwert, eingebaut.
Zuwachs an Erfahrungswissen durch stetes Lernen („learning by doing“), wobei mit steigendem Lebensalter der Wissenszuwachs abnimmt, sowie Verlust von Erfahrungswissen durch Mitarbeiterausstiege bewertet mit dem durchschnittlich vorhandenen Erfahrungswissen zum Zeitpunkt dieser Ausstiege und dem Externalisierungsgrad des Erfahrungswissens. Ein weiterer Kritikpunkt an den bisherigen Bewertungsansätzen war die fehlende Zukunftsorientierung. Solange es nicht möglich ist, ex ante die personalwirtschaftlichen Strategien und deren Auswirkungen beispielsweise auf den Humankapitalwert zu evaluieren, handelt es sich nur um ex post Bewertungen von Maßnahmenbündeln. Es sollte – in Anbetracht der ständigen Bekundung der Wichtigkeit der Humanressourcen – eine tatsächliche Wertschätzung dieser passieren. Das bedeutet auch, dass nicht die Informationen für externe Stakeholder im Vordergrund der Humankapitalrechnung stehen, sondern eine personalbezogene, mittel- bis langfristig ausgerichtete Personalplanung, die die (demografischen) internen Veränderungen proaktiv ins Auge fasst und vor allem Rekrutierungs- und Entwicklungsmaßnahmen einschließt. Damit ist auch eine gewichtigere Stellung des Personalmanagements im Unternehmen zu erreichen. Wird die Humankapitalrechnung nämlich als ‚pro’ Mitarbeiter ausgelegt, dürfte das Wort Humankapital, im Sinne einer „personellen Rationalisierungsreserve“ (Schlosser, 2005), auch weniger angreifbar werden. Insofern sollte die Personalbewertung im Sinne der Zukunftsorientierung nicht nur den gegenwärtigen Wert des Humankapitals abbilden, sondern zusätzlich die künftigen arbeitsspezifischen Potenziale und Risiken des Personals prognostizieren (Wilson, 1971, S. 197). Dieser Forderung wird im Kapitel 5 nachgegangen. Mit einem dynamischen Simulationsmodell wird nicht nur die Zukunftsorientierung des Ansatzes bewiesen, sondern gleichzeitig die viel geforderte Verknüpfung mit der Personal- und Altersstruktur gewährleistet, denn Humankapitalwertveränderungen resultieren vor allem aus der Veränderung dieser Strukturen (Lev & Schwartz, 1971, S. 108). Damit kann dem Management tatsächlich eine Entscheidungsunterstützung für personalbezogene Maßnahmen dargeboten und damit langfristig die Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. So ist es möglich, strategische Maßnahmen wie Einstellungen, Etablierung von Ausbildungsprogrammen, Frühverrentungen, etc. bereits frühzeitig anhand des sich daraus ergebenen Humankapitalwertes zu evaluieren. Auch die Konsequenzen ungeplanter Mitarbeiterausstiege werden anhand des dynamisch berechneten Humankapitalwertes offensichtlich, so dass konkrete altersspezifische und beschäftigungsgruppenspezifische Bindungsmaßnahmen entwickelt werden könnten. Denn, so bestätigt Fitz-Enz (2000, S. 42): “Turnover is a costly and disruptive event. 131
… That is why retention of talent is a serious responsibility and human capital loss is something that top management should be monitoring.”
132
„It should be stressed that if data on leavers are not currently available, there is no alternative but to wait until some collecting has been done; manpower planning models without leavers data are of little value, and ‘borrowing’ wastage figures from elsewhere is extremely inadvisable.” (Edwards, 1983, S. 1036)
4 Deskriptive Auswertung der Unternehmensdaten 4.1 Informationen über das Projektunternehmen Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich im Rahmen von Personaldaten stets um hoch sensible Daten handelt. Um die Mitarbeiter und das Unternehmen zu schützen, werden die Informationen über das Projektunternehmen so anonym wie möglich, aber so umfassend wie für die anschließende dynamische Personalplanung nötig ausgewiesen. Das Projektunternehmen konnte die Daten, die für ein Simulationsmodell erforderlich sind, weitreichend zur Verfügung stellen, da ein hervorragendes internes Personalcontrolling vollzogen wird. Für die Variablen, für die keine konkreten Daten vorhanden bzw. auswertbar waren, werden Annahmen getroffen, die im Einzelfall begründet werden. Zur Beschreibung des Projektunternehmens wird nachstehend auf Informationen zurückgegriffen, die im Rahmen von Experteninterviews erhoben wurden, sich aus den nachfolgenden statistischen Auswertungen ergeben bzw. in öffentlichen Abschlussberichten nachlesbar sind. Um Rückschlüsse auf das teilnehmende Projektunternehmen zu vermeiden, werden die Quellen bzgl. des Unternehmensregisters bzw. des Eigenverlags und der Homepage nicht genannt. Durch die Anonymisierung der Daten entstehen für die exemplarische dynamische Personalplanung mit Hilfe eines Simulationsmodells in dieser Arbeit keine Nachteile. Vielmehr ist der Vorteil darin zu sehen, dass durch das Projektunternehmen reale und plausible Daten zum Personalbestand und zu Personalbewegungen zur Verfügung gestellt werden konnten. Letztendlich wird das prinzipielle Vorgehen bei einer dynamischen Personalplanung vorgestellt und kann auf jedes Unternehmen ab einer kritischen Belegschaftsgröße angewendet werden. Bei dem Projektunternehmen handelt es sich um ein Familienunternehmen, welches bereits in der dritten Generation geführt wird. Die Zentrale befindet sich in Ostdeutschland und ist als großstadtfern zu lokalisieren. Die Konzernstruktur lässt sich inso133
D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
weit beschreiben, als dass die Mutter-Kapitalgesellschaft vielfältige Beteiligungen an in- und ausländischen Gesellschaften hält. Ihr obliegt die strategische Steuerung sowie die Finanzierung der gesamten Unternehmensgruppe. Die Geschäftsführungen der Tochtergesellschaften berichten direkt an den Vorstand der Muttergesellschaft, die vom Vorstand in eigener Verantwortung geleitet wird. Der Aufsichtsrat nimmt die üblichen Aufgaben wahr und wird in für die Unternehmensgruppe bedeutende Entscheidungen beratend eingebunden. Das Haupteinsatzgebiet der Muttergesellschaft kann dem Wirtschaftszweig des „Verarbeitenden Gewerbes“ (entsprechend der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, 2008e) zugeordnet werden. Die Muttergesellschaft wies zum 31.12.2007 die Merkmale einer großen Kapitalgesellschaft auf. Sie erwirtschaftete im Jahr 2007 Umsatzerlöse von mehr als 120 Mio. Euro. Der Personalaufwand für Löhne und Gehälter sowie für soziale Abgaben, Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung betrug im Geschäftsjahr 2007 über 20 Mio. Euro. Für 2007 konnte ein Jahresüberschuss von über 3 Mio. Euro ausgewiesen werden. Strategisch ist der Muttergesellschaft daran gelegen, weiter zu wachsen und insbesondere den Auslandsumsatz deutlich zu erhöhen. Personalstrategisch ist vorgesehen, dass der Arbeitskräftebedarf im Ganzen stabil bleibt und keine Rationalisierungen durchgeführt werden. Das Unternehmen ist hinsichtlich des Personalmarketings seit einigen Jahren sehr aktiv. Die Nachwuchsgewinnung wird über die Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens durch Hochschulkooperationen, das Angebot verschiedener Ausbildungsberufe, Stipendienprogramme und Sponsoring forciert. Allerdings wird im Zuge des Bologna-Prozesses und der einhergehenden Verkürzung der Studienzeiten damit gerechnet, dass langfristig die Praktikanten- und Diplomandenzahlen sinken und die Rekrutierungschancen für Hochqualifizierte schlechter werden. Zusätzlich wirkt unter Umständen der ländliche Standort nachteilig. Ein Schwerpunkt zur Deckung des Personalbedarfs wird deswegen höchstwahrscheinlich auf dem Ausbau der dualen Ausbildung und der Erhöhung der Übernahmequote der Ausbildungsabsolventen liegen. Auch wenn bisher noch keine Rekrutierungsprobleme von den Verantwortlichen wahrgenommen wurden, ist bei Zuspitzung der Fachkräftesituation in Deutschland durchaus eine Benachteiligung bei der Anwerbung von potenziellen Mitarbeitern gegenüber Unternehmen in bzw. nahe Ballungszentren erkennbar. Eine mittel- bis langfristige Personalplanung ist insofern nötig, um frühzeitig Maßnahmen zur qualifikationsspezifischen Rekrutierung zu planen. In den nachfolgenden Abschnitten werden die zur Verfügung gestellten Unternehmensdaten sukzessive ausgewertet und für die später folgende Simulation aufbereitet. 134
Um bei einer hauptsächlich quantitativen Personalplanung, die sich zwangsläufig auf der Ebene des Gesamtunternehmens bewegt, zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, muss der Personalbestand strukturiert werden (Huber, 1974, S. 32). Huber gibt aus der Literatur verschiedene Möglichkeiten der Einteilung wider. Denkbar ist die Strukturierung nach:
dem Altersaufbau, der Funktionsgliederung, der Vorbildungsgliederung, der Einkommensgliederung, der Ranggliederung (Ranghierarchie), Einsatzbereichen, Beschäftigungsgruppen, Tätigkeitsarten, Berufen bzw. Fachrichtungen sowie dem Grad der Qualifikation (Huber, 1974, S. 32).
Jedoch sind nicht alle Einteilungen gleichzeitig möglich. Denn je detaillierter eine vorhandene Anzahl an Personen kategorisiert wird, desto kleiner wird letztendlich die Personenzahl je Kategorie. Ähnlich wie bei Stichprobendiskussionen in Befragungen wird bei computerbasierten Simulationen eine kritische Größe benötigt, um signifikante Aussagen treffen zu können. Insofern wird im Folgenden auf nachstehende Einteilungen fokussiert: Alter und Abteilungen, die laut Unternehmen als Funktionsgruppen bezeichnet werden. Mit dieser Einteilung wird erreicht, dass sowohl alters- als auch funktionsgruppenspezifische Fluktuationsquoten einbezogen werden können, als auch funktionsgruppenspezifische Lernraten sowie mittlere Nutzungszeiten des Wissens. Damit lassen sich für die Ersatzbeschaffung als auch für die Wissensbildung unterschiedliche Konsequenzen ableiten. Zum nachfolgenden Untersuchungsunternehmen gehören die Muttergesellschaft mit ihren Zentralbereichen sowie der Bereich Produktion und der Bereich Forschung und Entwicklung. Im Einzelnen handelt es sich um folgende zehn durch das Unternehmen definierte und in eine Personalplanung zu integrierende Funktionsgruppen:
Produktion, Marketing, Logistik, Vertrieb, Einkauf, 135
Informations- und Datenverarbeitung (IT), Assistenz/Qualitätsmanagement/Sonstiges (AQS), Finanzierung/Controlling/Revision (FCR), Personal und Entwicklung. Verteilung am 31.12.2004 total: 755 Mitarbeiter 87 11,5%
35 11 4,6% 1,5%
Verteilung am 31.12.2005 total: 754 Mitarbeiter
164 21,7%
82 11%
37 4,9%
16 2,1%
26 3%
39 5,2%
15 2% 27 4%
25 3,3% 327 43,3%
310 41%
Verteilung am 31.12.2007 total: 768 Mitarbeiter
Verteilung am 31.12.2006 total: 771 Mitarbeiter 84 10,9%
35 12 4,5% 1,6%
82 10,7%
174 22,6%
29 12 3,8% 1,6%
170 22,1%
35 4,6%
33 4,3% 27 3,5%
54 7,0%
19 2,5%
27 3,5%
60 7,8%
20 2,6% 26 3,4%
27 3,5% 306 39,7%
Vertrieb Produktion Einkauf Finanzen/ Controlling/ Revision Entwicklung
136
178 24%
30 4%
29 3,8% 24 3,2%
Abbildung 4-1:
36 11 5% 1%
307 40,0%
Marketing Assistenz/ Qualitätsmanagement/ Sonstiges IT Logistik Personal
Mitarbeiterbestand in den zehn Funktionsgruppen 2005-2007 Bestand am 01.01.2005 entspricht dem Bestand am 31.12.2004 1. Wert: absolute Anzahl der Mitarbeiter je Funktionsgruppe 2. Wert: prozentualer Anteil am Gesamtbestand Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Die Anzahl der jeder Funktionsgruppe zugehörigen Vollzeitäquivalente ist sehr ungleichmäßig. Für die zur Verfügung stehenden Daten aus den Jahren 2005 bis 2007, einschließlich des Endbestandes des Jahres 2004, ist die Verteilung zwischen den einzelnen Funktionsgruppen in der Abbildung 4-1 grafisch aufgearbeitet. Während die Funktionsgruppen Produktion und Vertrieb relativ mitarbeiterstark sind, handelt es sich insbesondere bei den Funktionsgruppen AQS, Einkauf, IT, FCR sowie Entwicklung und Personal um eher kleinere Abteilungen. Da die zusätzliche Unterscheidung der letztgenannten Funktionsgruppen nach Altersklassen zu unterkritischen Bestände führt, werden die zehn Funktionsgruppen zu drei Funktionsbereichen zusammengefasst. Als Vorlage für eine sinnvolle Kategorisierung dient die Wertkette nach Porter. Porter definierte in seiner 1986 veröffentlichten Arbeit, dass sich die Tätigkeiten innerhalb der Wertkette jedes Unternehmens auf die primären und unterstützenden Aktivitäten aufteilen (S. 61). Während sich die primären Aktivitäten mit der physischen Herstellung des Produktes sowie dessen Verkauf und Übermittlung an den Abnehmer befassen, halten die unterstützenden Aktivitäten durch den Kauf von Inputgütern, Technologien und menschlichen Ressourcen die primären Aktivitäten und sich selbst gegenseitig aufrecht (Porter, 1986, S. 65). Entsprechend dieser Auffassung können die oben genannten zehn Funktionsgruppen in die primären Aktivitäten Logistik, Produktion, Markting und Vertrieb sowie die unterstützenden Aktivitäten Einkauf, IT, AQS, FCR, Personal und Entwicklung unterteilt werden. Zusätzlich zu Porter werden im Folgenden die primären Aktivitäten in direkte und indirekte primäre Aktivitäten unterteilt. Grund dafür ist, dass die Produktionsabteilung zum einen selbst nach Untergliederung in verschiedene Altersklassen ausreichend Mitarbeiter umfasst und zum anderen, wie später ausgewertet wird, wesentlich geringere Fluktuationsquoten aufweist als die restlichen primären Aktivitäten Logistik, Marketing und Vertrieb. Entsprechend werden für die weiteren Ausführungen drei Funktionsbereiche definiert: Funktionsbereich 1 (primäre direkte Aktivität): Produktion, Funktionsbereich 2 (primäre indirekte Aktivitäten): Logistik, Marketing, Vertrieb, Funktionsbereich 3 (unterstützende Aktivitäten): Einkauf, IT, AQS, FCR, Personal sowie Entwicklung. In der Abbildung 4-1 ist zu erkennen, dass das Unternehmen zum Basiszeitpunkt 31.12.2004 über 755 Mitarbeiter verfügte und diesen Bestand bis Ende 2007 leicht erhöhen konnte. Während die Mitarbeiterzahl in der Produktion um 20 Personen in diesem Zeitraum sank, stiegen die Mitarbeiterzahlen im Marketing sowie leicht im Vertrieb und im FCR. Insgesamt kann aber der Personalbestand als stabil eingeschätzt werden. Hinsichtlich der Altersverteilung der gesamten Belegschaft zeigt sich folgendes Bild: Zum 31.12.2007 lässt sich für das gesamte Unternehmen ein Durchschnittsalter von 137
knapp 38 Jahren ausweisen. Dies kann von vornherein weder als besonders positiv noch als besonders negativ interpretiert werden. Es handelt sich hierbei um eine sehr stark auf das mittlere Alter zentrierte Altersstruktur. Was kurzfristig noch nicht problematisch erscheint, kann bei dieser Struktur mittel- bis langfristig aber ein hohes Risiko bergen. Wird nämlich nicht frühzeitig für ausreichenden Arbeitskräftenachwuchs gesorgt, ist das Unternehmen in spätestens 10 Jahren sehr stark alterszentriert geprägt. Nachrückende jüngere Arbeitskräfte fehlen dann und jährlich tritt eine erhebliche Anzahl an Mitarbeitern in die Rente ein. Dadurch drohen unter anderem ein massiver Erfahrungswissensverlust sowie ein ad hoc Bedarf an neuen Mitarbeitern. Diese Situation könnte sich aufgrund des eher nachteiligen Standorts und des generell steigenden Fachkräftebedarfs verschärfen. Zusätzlich dürften die Kosten für Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement steigen, um gerade bei langjährigen Betriebszugehörigen den Wissensstand aktuell zu halten und die Leistungsfähigkeit zu stabilisieren bzw. zu erhöhen. Zusätzlich können unplanmäßige Ausstiege aus jüngeren Altersklassen die Personalausstattungssituation verschärfen. Bestand am 31.12.2007 (768) Bestand am 31.12.2006 (771) Bestand am 31.12.2005 (754) Bestand am 31.12.2004 (755)
60 54 49 56
55+
190
198 195 199
Altersklasse
45-54
251 247 246
35-44
271
207 216 209 204
25-34
40 15-24 18-24
0
52 54 50 50
100
150
200
250
300
Personen
Abbildung 4-2:
Altersstruktur des Unternehmens Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Allein aus der aktuellen Altersstruktur und dem aktuellen Personalbestand lässt sich jedoch noch keine solide Personalbedarfsplanung erstellen (z. B. entgegen der sehr simplifizierten Empfehlung des Demografie-Ratgebers, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, 2007, S. 10). Entscheidend sind die geplanten und ungeplanten Personalbewegungen in jeder Altersklasse und jedem Funktionsbereich, um den quantitativen und qualifikatorischen Bedarf in der Zukunft fundiert zu analysieren. Diese Daten zum Bestand und zur Fluktuation werden in den nachfolgenden 138
Abschnitten für die drei Funktionsbereiche detailliert ausgewertet. Die Erkenntnisse sind die Basis, um die zukünftige Personalstruktur dynamisch simulieren zu können. 4.2 Personalbestand 4.2.1
Mitarbeiterstamm in den Funktionsbereichen
Die Auswertung des Personalbestands ist insofern relevant, als dass dieser die Bezugsbasis für die Veränderungen (Personalbewegungen) über die Zeit ist. Wie bereits erwähnt, konnten für vier Stichtage die Bestände ermittelt werden: für den jeweils 31.12. der Jahre 2004, 2005, 2006 und 2007. Funktionsbereich 1
55+ 55+
57
113 108 112 116
63 61
20 22 20 22
68
109 107 104 106
35-44 35-44
45 25-34 25-34
11 13 15
15-24 18-24
0
51
Bestand am 31.12.2007 (307) Bestand am 31.12.2006 (306) Bestand am 31.12.2005 (310) Bestand am 31.12.2004 (327) 40
60
116
46 42 43 43
99 98 93 90
80
Personen
Abbildung 4-3:
102 100 97
58 60
20
20
Funktionsbereich 3 5 6 6 7
21 22 24
21 25
45-54 45-54
Altersklasse Altersklasse
Funktionsbereich 2 26
29 27
100
120
14 16 140
0
20
58 54
Bestand am 31.12.2007 (312) Bestand am 31.12.2006 (312) Bestand am 31.12.2005 (299) Bestand am 31.12.2004 (288)
23 21
40
60
80
100
Personen
120
Bestand am 31.12.2007 (149) Bestand am 31.12.2006 (153) Bestand am 31.12.2005 (145) Bestand am 31.12.2004 (140)
15 16 18 14 140
0
20
63 67
40
60
80
100
120
140
Personen
Bestand nach Funktionsgruppen und Altersklassen Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Die Auszählkriterien waren jeweils das Alter sowie die Zugehörigkeit zu dem bestimmten Funktionsbereich. Die Abbildung 4-3 zeigt die Bestände der drei Funktionsbereiche nach Altersklassen zu den jeweiligen Stichtagen. Im Vergleich der drei Altersverteilungen ist diejenige des Funktionsbereiches 1 am kritischsten zu bewerten. Ähnlich den Ausführungen zur Abbildung 4-2 bricht beginnend in 10 Jahren ein erheblicher Anteil der Arbeitskräfte weg, ohne dass die rentenbedingten Ausstiege durch angestellte junge Fachkräfte kompensiert werden könnten. Dabei ist unbedingt zu betonen, dass anhand der Abbildung 4-3 maximal über die planbaren Ausstiege eine Aussage getroffen werden kann. Zusätzlich ist aber damit zu rechnen, dass unplanmäßige Ausstiege (sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerseitig) die Situation verschärfen können. Rein von den Bestandsdaten und der Altersverteilung her, lassen sich die Funktionsbereiche 2 und 3 als weniger kritisch einstufen, denn die Altersklassen der 25- bis 34-Jährigen und der 35- bis 44-Jährigen
139
sind hier am stärksten vertreten. Die Personalbewegungen insbesondere im Funktionsbereich 2 werden allerdings im Unterabschnitt 4.3 diese Einschätzung revidieren. Während der Funktionsbereich 2 in den vergangenen 3 Jahren hinsichtlich der Mitarbeiterzahl gewachsen ist, ist diese im Funktionsbereich 1 zurückgegangen und im Funktionsbereich 3 eher stabil geblieben. Zum Jahresende 2007 verzeichnete der Funktionsbereich 2 den größten Teil des Mitarbeiterstamms. Die Entwicklung der einzelnen Anteile zeigt die nachfolgende Abbildung 4-4 noch einmal im Überblick. Verteilung am 31.12.2004 total: 755 Mitarbeiter
288 38,1%
327 43,3%
310 41,1%
299 39,7%
145 145 19,2% 19,2%
140 140 18,5% 18,5%
Funktionsbereich 1
Abbildung 4-4:
Verteilung am 31.12.2005 total: 754 Mitarbeiter
Funktionsbereich 2
Verteilung am 31.12.2006 total: 771 Mitarbeiter
306 39,7%
312 40,5%
153 153 19,8% 19,8%
Verteilung am 31.12.2007 total: 768 Mitarbeiter
307 40,0%
312 40,6%
149 149 19,4% 19,4%
Funktionsbereich 3
Anteile der Funktionsbereiche am Gesamtbestand Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Innerhalb der Funktionsbereiche ist zusätzlich der Bestand an Führungskräften und Nicht-Führungskräften interessant, um die unterschiedlichen Entgeltstrukturen später in der Humankapitalberechnung berücksichtigen zu können. Die absolute Anzahl an Führungskräften kann vor allem im Funktionsbereich 1 – trotz der gesunkenen Mitarbeiterzahl – als stabil eingeschätzt werden. Der relative Wert schwankte im Betrachtungszeitraum um einen Wert von 0,21% (Standardabweichung). Etwas höher war die Standardabweichung in den Funktionsbereichen 2 (0,65%) und 3 (0,75%). Auffällig ist die Verteilung der gewerblichen und kaufmännischen Vollzeitäquivalente in den jeweiligen Funktionsbereichen. Während in der Produktion vorwiegend (88,7%) gewerbliche Mitarbeiter beschäftigt sind, sind es im Funktionsbereich 2 etwa 24% und im Funktionsbereich 3 gerade 8%. Diese Verteilung wirkt sich auf die gesamte Summe der Löhne und Gehälter aus, wie später gezeigt wird.
140
Durchschnitt der Anteile 2005-2007 Funktionsbereich 1
Durchschnitt der Anteile 2005-2007 Funktionsbereich 2
Durchschnitt der Anteile 2005-2007 Funktionsbereich 3
7,1% 4,1%
8,1% 13,9%
10,2% 24,1%
65,8%
88,7%
Anteil Führungskräfte (FTE)
Abbildung 4-5:
78,1%
Anteil kaufmännischer FTE
Anteil gewerblicher FTE
Anteile führender, kaufmännischer, gewerblicher FTE Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Insgesamt zeigt sich damit das Bild, dass in den unterstützenden Aktivitäten der Anteil an Führungskräften höher ist als in den primären Aktivitäten. Verhältnismäßig sind im Funktionsbereich 3 die meisten Führungskräfte beschäftigt. 4.2.2
Auszubildende
Als Auszubildende werden diejenigen Personen bezeichnet, die im Rahmen einer dualen Berufsausbildung im Unternehmen befristet, nämlich für die Dauer der Ausbildung, beschäftigt sind. Der Bestand an Auszubildenden wurde durch das Projektunternehmen nicht explizit nach Funktionsbereichen untergliedert, da sie während ihrer Ausbildung durchaus in mehreren Funktionsbereichen tätig sein können. Im Betrachtungszeitraum waren Auszubildende im Alter zwischen 15 und 26 beschäftigt. Dies erklärt sich dadurch, dass sowohl Personen mit Haupt- bzw. Realschulabschluss eine Ausbildung beginnen können, als auch Personen mit Hochschulreife, nach Zivil- oder Wehrdienst, nach einem freiwilligen sozialen Jahr oder abgebrochenem Hochschulstudium.
Anzahl an Auszubildenden
35 30
2
3
2
25
Altersklasse 25-34 Altersklasse 15-24
2
20 15
29
10
27
25
23
5 0 31.12.2004
31.12.2005
31.12.2006
31.12.2007
Jahr
Abbildung 4-6:
Bestand an Auszubildenden Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
141
Der Anteil an Auszubildenden ist allerdings in der Altersklasse 25-34 sehr gering, wie die Abbildung 4-6 zeigt. Für das Simulationsmodell wird deshalb keine Altersklassenunterteilung vorgenommen. Der Anteil an Auszubildenden bezogen auf die Stammbelegschaft beträgt im Mittel 3,7%. Im Vergleich dazu lag die Ausbildungsquote in den neuen Ländern einschließlich Berlin (Zahl der Auszubildenden im Verhältnis zur Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter) bei Gesamtbetrachtung aller Betriebsgrößenklassen im Jahr 2005 bei 7,2% und im Jahr 2006 bei 7.0% (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2008, S. 175). 4.3 Personalbewegungen 4.3.1
Ausstiege in den Funktionsbereichen
Wie bereits erwähnt, sind die Flussgrößen entscheidend für die zukünftige Entwicklung eines Bestandes. Insbesondere die Mitarbeiterausstiege sind enorm wichtig, da diese nicht nur das Verhalten des Arbeitgebers (z. B. im Rahmen von Kündigungen), sondern auch das Verhalten von Arbeitnehmern widerspiegeln und häufig Trends erkennen lassen. So sind in den diversen Qualifikations- und damit Funktionsbereichen sowie in den Altersklassen unterschiedlich stark ausgeprägte Personalbewegungen zu beobachten. Als auffällig sind die Mitarbeiterausstiege im Funktionsbereich 2 zu bewerten (siehe Abbildung 4-7). 2005
2006
2007 55+
35-44
25-34 AG-getrieben Fkb. 1 AN-getrieben inkl. Tod Fkb. 1 AG-getrieben Fkb. 2 AN-getrieben inkl. Tod Fkb. 2 AG-getrieben Fkb. 3 AN-getrieben inkl. Tod Fkb. 3
-10
-8
-6
-4
Personen
Abbildung 4-7:
142
-2
0
-10
-8
-6
-4
18-24
-2
0
-10
Personen
Anzahl an Ausstiegen nach Gründen und Altersklassen Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
-8
-6
-4
Personen
-2
0
Altersklasse
45-54
Die Mitarbeiter im Vertrieb, in der Logistik und im Marketing scheinen sowohl Arbeitgeber-getrieben als auch Arbeitnehmer-getrieben79 verstärkt das Unternehmen zu verlassen als Vollzeitäquivalente in den anderen beiden Funktionsbereichen. Zwar ist die Altersstruktur im Funktionsbereich 2 als eher unauffällig hinsichtlich der Risiken zu bezeichnen, allerdings können die höheren Ausstiegsquoten (Abbildung 4-9) bei Nichtbeachtung zum erheblichen ad hoc Personalbedarf führen. In der Abbildung 4-7 sind für die einzelnen Beobachtungsjahre die gesamten absoluten Mitarbeiterausstiege für den jeweiligen Funktionsbereich nach Gründen und Altersklassen visualisiert. Insgesamt schieden Arbeitgeber-getrieben im Jahr 2005 41 Personen, im Jahr 2006 21 Personen und im Jahr 2007 35 Personen aus. Allein im Funktionsbereich 2 wurden davon in 2005 23, in 2006 14 und in 2007 23 Beschäftigungsverhältnisse beendet. Demgegenüber entschieden sich 2005 17 Mitarbeiter, 2006 19 Mitarbeiter und 2007 22 Mitarbeiter selbst für einen Ausstieg aus dem Projektunternehmen. Dem Funktionsbereich 2 gehörten davon allein 11 Personen (2005), 14 Personen (2006) und 9 Personen (2007) an. Der bei Abbildung 4-7 entstehende Eindruck, dass vorrangig in den jüngeren Altersklassen eine hohe Zahl an Ausstiegen zu bekunden ist, relativiert sich durch den Bezug zur jeweiligen Bestandsgröße: Eine hinsichtlich der Personenzahl wachsende Altersklasse hat bei ähnlichem Verhaltensmuster der Klassenangehörigen auch eine steigende Zahl an Ausstiegen zu verzeichnen. Die Quote kann dennoch unveränderlich sein. Entsprechend zeigt sich in Abbildung 4-8 folgendes Bild: die höchsten Ausstiegsquoten sind in der jüngsten und der ältesten Altersklasse zu beobachten. Der Grund bei den 18- bis 24-Jährigen ist sehr häufig die Fortsetzung des Bildungsweges an externen Bildungseinrichtungen, wie z. B. an Hochschulen. In der ältesten Altersklasse sind es ordentliche Kündigungen durch den Arbeitnehmer ohne Angabe besonderer Gründe.
79
Als Arbeitgeber-getriebene Kündigungen wurden folgende Maßnahmen zusammengefasst: auslaufende befristete Verträge, Kündigung (fristlos, betriebsbedingt, ordentlich ohne Grund) durch Arbeitgeber sowie der Wechsel zu beteiligten Auslandsgesellschaften bzw. zu ausgegliederten Tochtergesellschaften. Demgegenüber sind den Arbeitnehmer-getriebenen Kündigungen einvernehmlich mit dem Projektunternehmen folgende Gründe zugeordnet: ordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer, arbeitnehmerseitig gewünschter Aufhebungsvertrag, Eintritt in den Vorruhestand sowie Tod des Mitarbeiters. Da die Anzahl an Todesfällen im Verhältnis zu anderen Austrittsgründen eher gering ist (2006: 2, 2007: 4) wurden diese den Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiegen zugewiesen.
143
2005
2006
2007
55+
Altersklasse
45-54
35-44
25-34 AG-getrieben Fkb. 1 AN-getrieben inkl. Tod Fkb. 1 AG-getrieben Fkb. 2 AN-getrieben inkl. Tod Fkb. 2 AG-getrieben Fkb. 3 AN-getrieben inkl. Tod Fkb. 3
18-24
0%
10%
20%
30%
40%
0%
10%
20%
30%
40%
0%
10%
20%
30%
40%
Prozent
Abbildung 4-8:
Ausstiegsquoten nach Gründen und Altersklassen Basis der Ausstiegsquoten sind die Bestände der jeweiligen Jahre. Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Nach wie vor zeigt sich im Vergleich aller Funktionsbereiche bei den mittleren Altersklassen im Funktionsbereich 2 durchschnittlich die höchste Ausstiegsquote, was in der Abbildung 4-9 sehr deutlich nachvollziehbar ist. Die hier angegebenen Werte ergeben sich aus dem geometrischen Mittel der Quoten der Jahre 2005 bis 2007. 1,2%
45-54
10,8%
15,1%
6,1%
2,6% 2,9% 3,2% 0,3%
8,8%
2,0%
0,6%
Altersklasse
10,5%
4,3%
55+
Austritte AG-getrieben Funktionsbereich 1 Austritte AN-getrieben inkl. Tod Funktionsbereich 1 Austritte AG-getrieben Funktionsbereich 2 Austritte AN-getrieben inkl. Tod Funktionsbereich 2 Austritte AG-getrieben Funktionsbereich 3 Austritte AN-getrieben inkl. Tod Funktionsbereich 3
0,9%
35-44
3,4% 3,9%
0,8% 0,6%
6,0%
1,6%
25-34
6,8%
4,6%
2,5% 2,5%
15,9%
0,0%
18-24
0,0% 0,0%
0%
14,0% 2,0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
Prozent
Abbildung 4-9:
144
Geometrisches Mittel der Ausstiegsquoten für 2005-2007 Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
14%
16%
18%
20%
Diese Durchschnittwerte80 finden später Eingang in das Simulationsmodell und reduzieren so periodenaktuell den Personalbestand getrennt nach Funktionsbereichen, Altersklassen und Ausstiegsgründen. 4.3.2
Einstellungen in den Funktionsbereichen
Als Einstellungen zählen alle neuen Vertragsbeziehungen, die zwischen Projektunternehmen und Beschäftigten geschlossen wurden. Insgesamt wurden in den Jahren 2005 und 2006 jeweils 53 Mitarbeiter und in 2007 48 Mitarbeiter eingestellt. Die Zahl der gesamten Neueinstellungen im Betrachtungszeitraum ist damit geringfügig niedriger, als die gesamte Zahl der Austritte (2005: 58, 2006: 40, 2007: 57). Die Neuzugänge verteilen sich wie folgt auf die Funktionsbereiche: Anteile an den 53 Neueinstellungen im Jahr 2005 6 11,3%
Anteile an den 53 Neueinstellungen im Jahr 2006
Anteile an den 48 Neueinstellungen im Jahr 2007
3 5,7%
2 3,8%
3 6,3%
10 18,9% 40 75,5%
45 84,9%
Funktionsbereich 1
14 29,2%
Funktionsbereich 2
31 64,6%
Funktionsbereich 3
Abbildung 4-10: Absolute und relative Neueinstellungen nach Funktionsbereichen Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Im Funktionsbereich 1 ist über die Jahre der Personalbestand geschrumpft, da die Einstellungen (2005: 2, 2006: 3, 2007: 3) die Mitarbeiteraustritte (2005: 19, 2006: 6, 2007: 10) nicht kompensierten. Den größten Teil der Neueinstellungen konnte in allen drei Jahren der Funktionsbereich 2 verbuchen. In den Jahren 2005 und 2006 wurden die Mitarbeiterausstiege sogar überkompensiert: während in 2005 34 Beschäftigte ausschieden und 45 neu hinzukamen, gingen in 2006 28 Beschäftigte und es traten 40
80
Die Verwendung des geometrischen Mittels ist insofern gefordert, als dass sich die Ausstiegsquoten jeweils auf eine andere Basis, d. h. eine variable Bezugsperiode beziehen (Schulze, 2007, S. 57), die sich aus dem System heraus verändert. Das geometrische Mittel dient typischerweise für die Beschreibung von Zeitreihendaten und nicht von Querschnittsdaten (ebenda). „Es gehen zwar alle Beobachtungswerte in die Berechnung ein, jedoch dämpft das geometrische Mittel – im Gegensatz zum arithmetischen Mittel – den Einfluss von Extremwerten“ (ebenda). Entsprechend ist das geometrische Mittel in der Regel kleiner als das arithmetische Mittel (Cleff, 2008, S. 47).
145
neue Mitarbeiter ein. Im Jahr 2007 haben dagegen 32 Personen das Projektunternehmen verlassen und 31 Neueinstellungen waren möglich. Da die Nettofluktuation insgesamt positiv ist, stieg die Mitarbeiterzahl im Betrachtungszeitraum. Der hohe prozentuale Anteil an den gesamten Neueinstellungen im Funktionsbereich 2 verringerte sich aber in dieser Zeit, da die Zahl an Neueinstellungen im Funktionsbereich 3 stieg. In diesem letztgenannten Bereich sind zwar die absoluten Neueinstellungen gestiegen (2005: 6, 2006: 10, 2007: 14), aber sie gleichen im Wesentlichen gerade die Ausstiege (2005: 5, 2006: 6, 2007: 15) aus. 2005
2006
2007
Einstellungen Fkb 1 Einstellungen Fkb 2 Einstellungen Fkb 3
55+
Altersklasse
45-54
35-44
25-34
18-24
0
5
10 Personen
15
20
0
5
10
15
20
Personen
0
5
10
15
20
Personen
Abbildung 4-11: Einstellungen nach Funktionsbereichen und Altersklassen Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Die Abbildung 4-11 zeigt die Zahl der Neueinstellungen verteilt auf die Altersklassen und die Funktionsbereiche. Die verhältnismäßig hohe Zahl an Neueinstellungen wird im Funktionsbereich 2 sehr deutlich sichtbar. Hauptsächlich wurden jüngere Mitarbeiter eingestellt. Um für das Simulationsmodell später realistische Einstellungsquoten nutzen zu können, wurden die einzelnen Neueinstellungen je Altersklasse je Funktionsbereich zur Gesamtzahl der Einstellungen im entsprechenden Jahr ins Verhältnis gesetzt. Die daraus resultierenden Einstellungsquoten pro Jahr ergeben mittels der arithmetischen Mittelwertberechnung81 die in Abbildung 4-12 ersichtlichen durchschnittliche Einstellungsquoten je Altersklasse und Funktionsbereich.
81
146
Hier erfolgt die Mittelwertberechnung mit dem arithmetischen Mittel. Grund ist, dass sich die Bezugsgröße der gesamten Neueinstellungen pro Jahr nicht systemendogen ergeben (im Gegensatz zu den Personalbeständen, die sich dynamisch durch periodische Zu- und Abflüsse bestimmen). Die Zahl der Neueinstellungen ist vielmehr eine exogene, einzelfallbezogene Variable.
Da es das Ziel des Projektunternehmens ist, in den nächsten Jahren den derzeitigen Personalbestand zu halten, ergeben sich aus der zukünftigen Veränderung des Personalbestandes diverse Einstellungsszenarien. Die Konsequenzen hinsichtlich der Personalbedarfsdeckung bzw. hinsichtlich des Humankapitalwertes lassen sich mittels des Simulationsmodells dann bewerten und gegebenenfalls optimieren. 0,6% 1,3%
55+
Einstellungen Fkb 1 Einstellungen Fkb 2 Einstellungen Fkb 3
0,0% 0,0%
45-54
7,7%
Altersklasse
0,6% 1,3%
35-44
22,8% 2,1% 1,3%
25-34
30,5% 13,2% 2,0%
18-24
12,8% 3,9%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
Prozent
Abbildung 4-12: Mittelwert der Einstellungsquoten für 2005-2007 Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
4.3.3
Einstellungen von Auszubildenden und Absolventenübernahmen
Die Neueinstellungen von auszubildenden Jugendlichen werden getrennt von den Einstellungen in den Mitarbeiterstamm erfasst. Zusätzlich zu den am 31.12.2004 im Unternehmen beschäftigten Auszubildenden wurden im Jahr 2005 10 weitere Azubis eingestellt (Abbildung 4-13). Insgesamt 14 Azubis schlossen in 2005 ihre Ausbildung ab. Im Jahr 2006 wurden erneut 10 Auszubildende eingestellt, während 7 Personen ihre Ausbildung erfolgreich beendeten. 2007 sank die Zahl der neueingestellten Azubis auf 6; für 11 Personen endete die Ausbildungszeit.
Anzahl Personen
15 10
0
0
5
10
10
0 6
-14
-7 0
-10
0 -5 -10 -15
0
-20 2005
-1 Einstellungen 15-24 Ausbildungsabsolventen 15-24 2006
Einstellungen 25-34 Ausbildungsabsolventen 25-34 2007
Jahr
Abbildung 4-13: Neueinstellungen von Auszubildenden und Absolventenzahlen Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
147
Die Ausbildungszeit dauerte im Betrachtungszeitraum im Durchschnitt 2,6 Jahre. Danach steht sowohl die Entscheidung des Unternehmens als auch die des Ausbildungsabsolventen an, im Unternehmen zu bleiben. Entsprechend wird von Übernahme von Ausbildungsabsolventen gesprochen, wenn diese einen regulären Beschäftigtenvertrag erhalten. Erst wenn Ausbildungsabsolventen übernommen wurden, zählen sie entsprechend der Erfassung des Projektunternehmens zum Mitarbeiterstamm. Die jüngste Person, die nach der Ausbildung im Betrachtungszeitraum übernommen / eingestellt wurde, war 18 Jahre alt. Daraus erklärt sich, dass im Simulationsmodell die Klassenbreite der ersten Altersklasse des Mitarbeiterstamms ‚18-24’ nur sieben Jahre beträgt. Die anderen Altersklassen umfassen jeweils 10 Jahre.
Anzahl an Übernahmen
7 6
Übernahmen gesamt Funktionsbereich 1
Übernahmen gesamt Funktionsbereich 2
1
5 4 3 2 1 0
Übernahmen gesamt Funktionsbereich 3
2 1
1 2
1
1
2005
2006
5
2007
Jahr
Abbildung 4-14: Übernahmen von Auszubildenden nach Funktionsbereichen Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Von den zwischen 2005 und 2007 insgesamt 14 übernommenen Ausbildungsabsolventen gehörte nur eine Person (in 2007) der Altersklasse der 24- bis 34-Jährigen an. Aufgrund dieser geringen Anzahl an übernommenen Absolventen, die der Altersklasse der 24- bis 34-Jährigen angehören, wird im Simulationsmodell die Zahl der Auszubildenden zu einer Kohorte zusammengefasst. Die Unterscheidung in unterschiedliche Altersklassen wird weder bei der Einstellung noch bei der Übernahme vollzogen. Insofern gehen alle übernommenen Ausbildungsabsolventen in die Altersklasse der 18- bis 24-Jährigen des Mitarbeiterstamms über. Um im Simulationsmodell diese bisherigen Werte als Richtgröße für das zukünftige Verhalten einfließen zu lassen, müssen auch für die Übernahmen Quoten berechnet werden. Diese ergeben sich durch arithmetische Mittelwertbildung aus den jährlichen Übernahmequoten in den jeweiligen Funktionsbereich. In der Abbildung 4-15 zeigt sich, dass knapp 47% der Ausbildungsabsolventen übernommen wurden. Die Mehrzahl dieser Personen wurde im Funktionsbereich 1 eingestellt. Fast 12% der Ausbildungsabsolventen nahmen im Funktionsbereich 2 ihre Arbeit auf und knapp 13% begannen im Funktionsbereich 3 ihre Tätigkeit. 148
Durchschnittliche Übernahmequote
46,8%
0%
22,3%
gesamt in den Funktionsbereich 1 in den Funktionsbereich 2 in den Funktionsbereich 3
11,9% 12,6%
10%
20%
30%
40%
50%
Prozent
Abbildung 4-15: Arithmetisches Mittel der Übernahmequoten für 2005-2007 Bezugsbasis ist die Zahl der Ausbildungsabsolventen pro Jahr. Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
4.4 Entlohnung in den Funktionsbereichen Auch bei den Entgeltdaten handelt es sich um sensibles und im weitesten Sinne wettbewerbsrelevantes Zahlenmaterial, so dass im Rahmen dieser zu veröffentlichen Arbeit auch hier nur auf aggregierte Daten zurückgegriffen werden kann. Das hier verwendete durchschnittliche Jahresbruttoentgelt gibt die Kosten des Arbeitgebers für die Mitarbeiter für 12 Monate an. Tantiemen oder sonstige Boni sind nicht enthalten. Das durchschnittliche Jahresbruttoentgelt eines Funktionsbereiches wurde wie folgt ermittelt: Je Funktionsbereich wurde der Anteil an Führungskräften, kaufmännischen sowie gewerblichen Vollzeitäquivalenten bestimmt. Für jede dieser drei Beschäftigtentypen im jeweiligen Funktionsbereich stand das durchschnittliche Jahresbruttoentgelt zur Verfügung. Das durchschnittliche Jahresbruttoentgelt eines gesamten Funktionsbereichs ergab sich schließlich durch Addition der gewichteten durchschnittlichen Jahresbruttoentgelte. In der Abbildung 4-16 sind die Ergebnisse für das Initialisierungsjahr 2005 visualisiert. Zwischen den definierten drei Funktionsbereichen lassen sich eindeutige Entgeltunterschiede erkennen. Währen die Führungskräfte im Funktionsbereich 2 am höchsten entlohnt werden, sind die kaufmännischen und gewerblichen Beschäftigten in der Produktion (Funktionsbereich 1) der niedrigsten Entgeltgruppe zuzuordnen. Diese Unterschiede lassen sich vor allem mit den Qualifikationsniveaus erklären: In der Produktion arbeiteten 2007 beispielsweise knapp 60% aller Beschäftigten mit Real- bzw. Hauptschulabschluss, nur knapp 11% aller Beschäftigten mit Abitur als höchstem Ausbildungsabschluss
149
sowie nur etwa 11% aller Beschäftigten mit einem Studienabschluss.82 35.000 30.000
Euro
25.000 20.000
31.395,15
31.450,69
Funktionsbereich 2
Funktionsbereich 3
21.802,17
15.000 10.000 5.000 0 Funktionsbereich 1
Abbildung 4-16: Durchschnittliches Jahresbruttoentgelt in den Funktionsbereichen Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung.
Eine Staffelung der Entgeltentwicklung nach weiteren Kriterien war mit dem zur Verfügung gestellten Zahlenmaterial nicht möglich. Für das Simulationsmodell bedeutet dies, dass die Durchschnittsbruttoentgelte je Funktionsbereich für alle Altersklassen gleichermaßen gelten. Da allerdings im Kapitel 3 analysiert wurde, dass das Entgelt produktivitätsorientiert ist, hängt es also nicht von der Altersklasse ab (was einer Senioritätsentlohnung entsprechen würde), sondern viel mehr von den durchgeführten Personalentwicklungsmaßnahmen. Diese Personalentwicklungskosten standen allerdings nur unzureichend zur Verfügung, so dass eine Zuordnung der durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen weder zu einem bestimmten Funktionsbereich, zu einem bestimmten Beschäftigtentypus noch zu einer bestimmten Altersklasse möglich war. Insofern wird im Weiteren unterstellt, dass die durchschnittlichen Entgelte wie in der Abbildung 4-16 visualisiert gelten. Aufgrund des Datenmangels muss hier die vereinfachende Annahme getroffen werden, dass alle Vollzeitäquivalente eines Funktionsbereiches (unabhängig vom Beschäftigungstyp) mit dem Durchschnittsentgelt bewertet werden. Eine getrennte Entgeltzuschreibung nach Funktionsbereichen und dem Beschäftigungstypus hätte ansonsten auch bei allen anderen Bestands- und Bewegungsdaten eine Aufschlüsselung nach diesen Kriterien erfordert.
82
150
Die Verteilung der Beschäftigten nach Bildungsabschlüssen ergibt sich wie folgt: 504 Personen mit einem Haupt- bzw. Realschulabschluss als höchstes Ausbildungsniveau, 46 Personen mit der Hochschulreife als höchstes Ausbildungsniveau sowie 154 Personen mit einem Studienabschluss (unabhängig von der Institution). Die verbleibenden Personen verteilen sich auf „kein Abschluss“ bzw. „keine Angaben“.
4.5 Personalentwicklungskosten Für diese Variable besteht ein Informationsdefizit. Personalentwicklungskosten werden weder im Jahresabschluss noch im Konzernabschluss als Einzelposten aufgelistet. Aufgrund der organisatorischen Umstellungen innerhalb des Projektunternehmens war auch die interne Datenlage lückenhaft. So wurden beispielsweise im Jahr 2005 viele Personalentwicklungsmaßnahmen noch von den Funktionsgruppen selbst organisiert und somit nicht im zentralen Personalinformationssystem erfasst. Entsprechend wenig hilfreich ist die Angabe der dort aufgelaufenen Personalentwicklungskosten von insgesamt 250.000 Euro. Eine Zuteilung war weder zu Altersklassen noch zu Funktionsbereichen möglich. Während im Jahr 2005 spezielle Seminarreihen für junge Führungskräfte, die Nachwuchsgruppe, Projektleiter und das obere Management angeboten wurden, fand im Jahr 2006 eine Qualifizierungsoffensive für den Vertrieb statt. Diese hatte einen Umfang von etwa 40% der gesamten Personalentwicklungskosten von knapp 500.000 Euro in 2006. Die Verdopplung der Kosten erklärt sich zum einen durch die Erfassung im zentralen Informationssystem, zum anderen auch durch die sehr unterschiedlichen Entwicklungsmaßnahmen. Da aufgrund der uneinheitlichen Erfassung der Schulungen sowie der zu kurzen Zeitreihe keine eindeutigen Aussagen über die Höhe der Personalentwicklungskosten getroffen werden können, werden im Modell verschiedene Annahmen aufgestellt. 4.6 Kapitelfazit In diesem Kapitel wurden die hochsensiblen Personaldaten des Projektunternehmens deskriptiv ausgewertet, die in engem Zusammenhang mit einer unternehmerischen Personalplanung stehen. Damit wird es möglich, im Simulationsmodell realistische Zahlen verwenden zu können. Im Einzelnen wurden die Personalbestände je Altersklasse und Funktionsbereich analysiert. Dazu gehören der Bestand an Auszubildenden sowie der Bestand der Stammbelegschaft, bei der alle Beschäftigten als Vollzeitäquivalente gelten. Die Bestandsdaten gehen nur als Initialwerte in das Simulationsmodell ein. Entscheidend für die Simulation des zukünftigen Personalbestandes und des Humankapitalwertes sind die Flussgrößen, die ebenfalls ausgewertet wurden. Dazu gehören die Ausstiegsquoten nach Gründen, die Einstellungsquoten sowie die Übernahmequoten von Ausbildungsabsolventen. Jede dieser Quoten wurde je Altersklasse und je Funktionsbereich bestimmt. Nur in diesem Detailliertheitsgrad sind sie für ein dynamisches Simulationsmodell nützlich. Um die Cottbuser Formel anwenden zu können, war es darüber hinaus relevant, die firmenspezifische Gehaltsstruktur sowie die Personalentwicklungskosten zu analysie151
ren. Während die Gehaltsstruktur zumindest als Durchschnittswert für jeden Funktionsbereich eingehen kann, standen für die Personalentwicklungskosten leider keine detaillierten Angaben, weder zum Alter der Geförderten noch zum Funktionsbereich zur Verfügung. Hier müssen im Simulationsmodell entsprechende Annahmen getroffen werden. Ebenso lagen keine Entgeltdaten für Auszubildende vor. Insofern wird definiert, dass der Humankapitalwert in dieser Arbeit für die Stammbelegschaft berechnet wird. Der Bestand an Auszubildenden wird dennoch im Modell abgebildet, da aus ihm auch die jüngste Altersklasse des Mitarbeiterstamms gespeist wird. Dadurch wird dieser Zufluss an Vollzeitäquivalenten nicht exogen vorgegeben, sondern ergibt sich systemendogen und dynamisch. Als Erkenntnis aus dieser deskriptiven Analyse lässt sich schlussfolgern, dass im Betrachtungszeitraum 2005 bis 2007 der Personalbestand als eher stabil einzuschätzen ist. Auch die Altersverteilung weist zumindest kurzfristig kein hohes Risiko auf. Dennoch ist mittelfristig zu beachten, dass erste größere und gleichzeitig eintretende Verrentungen einen erheblichen Personalbedarf auslösen können, der derzeit durch jüngere Altersklassen bzw. potenzielle Ausbildungsabsolventen nicht zu decken ist. Darüber hinaus geben die Fluktuationsquoten insbesondere im Funktionsbereich 2 Anlass zur Beobachtung und Gegensteuerung durch regelmäßige Einstellungen, um den Personalbestand zu halten. Der Autorin wurde ein sehr umfangreiches Datenmaterial, auch hinsichtlich der detaillierten Unterscheidung nach Jahrgängen und Funktionsgruppen, bereit gestellt. Das Projektunternehmen ist insofern auch im Bereich des Personalcontrollings sehr gut aufgestellt. Allerdings waren die ersten vollständigen Daten erst ab 2005 verfügbar. Insgesamt lassen sich deshalb für die eher kurze Zeitreihe von nur 3 Jahren keine sinnvollen Trends bestimmen. Die Schwankungen sind zum Teil zu groß. Entsprechend wurden Durchschnittswerte (arithmetisch bzw. geometrisch) ausgewertet. Im folgenden Kapitel werden die wesentlichen Bausteine der systemdynamischen Modellierung aufgezeigt, das Simulationsmodell hergeleitet und hinsichtlich des Systemverhaltens bewertet, so dass anschließend im Kapitel 6 verschiedene Szenarien zur Personalbestandsentwicklung simuliert und evaluiert werden können.
152
The next generation of thinkers in strategy will deal with ideas and tools to chart the “course through this increasingly complex and demanding competitive environment” (Bartlett, 2004, S. 224).
5 Systemdynamische Modellierung des Personalplanungssystems 5.1 Der systemdynamische Ansatz im Überblick 5.1.1
Historische Entwicklung und Einordnung des Ansatzes
Jay W. Forrester ist mit seinen Arbeiten der Begründer des heutigen System Dynamics Ansatzes. Er leistete Pionierarbeit, in dem er die „Feedback Control Theory“ sowie Computer und Management Wissenschaften kombinierte, um diese Disziplin zu formen (Hafeez, Aburawi & Norcliffe, 2004, S. 3). Im McKinsey Quarterly wurde der Beginn von System Dynamics wie folgt dokumentiert (Forrester, 1995, S. 4 ff.): Forrester, geboren 1918 in Nebraska/ USA, studierte ‘Electrical Engineering’ an der Universität Nebraska, da dies der einzige akademische Bereich war, der sich von Grund auf mit theoretischen Dynamiken beschäftigte. Als späterer Forschungsassistent am Massachusetts Institute of Technology (MIT) war ihm der praktische Nutzen seiner Forschung stets wichtig, so dass er beispielsweise den ersten Flugsimulator für Flugzeuge entwickelte. 1956 wurde er Professor an der Sloan School of Management am MIT und wechselte damit offiziell in die Management-Forschung. Er beschäftigte sich auch hier mit Fragen, die praktischen Bezug hatten und Probleme in Angriff nahmen, die den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg bedeuteten. Startschuss für die erste Simulation, mit Stift und Zettel, waren Unterhaltungen mit Mitarbeitern von General Electric, die den Zusammenhang zwischen Konjunkturzyklen, schwankender Nachfrage und eigenen Mitarbeiterentlassungen zu ergründen versuchten. In Zusammenarbeit mit anderen Forschern entwickelte er Computerprogramme, die seine Modelle mathematisch abbilden konnten. Forresters Hauptwerke waren “Industrial Dynamics” (1961), “Principles of Systems” (1968), “Urban Dynamics” (1969), “World Dynamics” (1971) sowie “The Limits to Growth” (1972). Gerade die Weltmodelle führten zu einer heftigen Methodenkritik des systemdynamischen Ansatzes, die allerdings gleichzeitig mit wesentlichen Verbesserungen und Modifikationen einherging (Schmidt, 2009, S. 125). Letztendlich entwickelte sich der Ansatz von Forrester ständig weiter, allerdings den Grundsatz der Handhabbarkeit 153
D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
komplexer dynamischer Systeme stets beibehaltend. Insofern lässt sich der systemdynamische Ansatz wie folgt definieren (Richardson, 1991, S. 144): System Dynamics ist ein computergestützter Ansatz und dient der Analyse und Gestaltung von Entscheidungsregeln (policies). Er findet bei dynamischen Problemen Anwendung, die durch Veränderung über die Zeit, wechselseitige Abhängigkeiten der Systemelemente, Informationsrückkopplung sowie zyklische Kausalitäten charakterisiert sind und in jedem komplexen sozialen, betrieblichen, ökonomischen oder auch ökologischen System83 vorkommen. System Dynamics-Modelle lassen sich nach Milling (1996) den expliziten, mathematischen Modellen zuordnen. In der Abbildung 5-1 sind die verschiedenen Modelltypen dargestellt, die wie folgt gekennzeichnet sind: Modelltypen implizite (mentale) Modelle physische Modelle
Abbildung 5-1:
explizite Modelle mathematisch formale Modelle
begriffliche Modelle
analytisch lösbare Modelle
schematische Modelle
Simulationsmodelle
verbale Modelle 84
Typen wissenschaftlicher Modelle nach der Darstellungsform Quelle: Milling, 1996, S. 1841 f.
Mentale Modelle sind innere Vorstellungen vom Wesen der Dinge bzw. Bilder, Annahmen und Geschichten, die jeden individuell die Welt interpretieren lassen und die Handlungen bestimmen (Senge, 2003, S. 213 f.). Sie unterliegen durch Lernprozesse zwar ständigen Plausibilitätskontrollen, sind dadurch aber instabil, gelten darüber hinaus als unpräzise, nicht (ohne Informationsverlust) austauschbar, einge-
83
84
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„Ein System ist die gedankliche Abgrenzung einer realen Gegebenheit, ein willkürlicher Ausschnitt der Wirklichkeit also, mit dem zugleich festgelegt wird, was als Systeminneres, was als Systemumgebung und was als Systemgrenze anzusehen ist. Mit dieser Abgrenzung werden Größen definiert, die im Zusammenhang mit einer konkreten Aufgabenstellung von Interesse sind.“ …“Von einem System soll erst dann gesprochen werden, wenn mehrere Prozeßvariablen [!] zu einem geordneten Ganzen verbunden sind. Dabei zeigt sich in aller Regel, daß [!] es eine oder mehrere Prozeßvariablen [!] gibt, die als unabhängige Größen aufzufassen sind, und andere Prozeßvariablen [!], die als abhängige Größen von diesen beeinflußt [!] werden.“ (Vgl. Kramer & Neculau, 1998, S. 12) Andere Möglichkeiten der Einteilung von wissenschaftlichen Modellen finden sich beispielsweise in Adam, 1997, S. 81 ff.; Zsifkovits & Krenn, 2007, S. 55 ff.
schränkt analysierbar und auswertbar und stellen Zusammenhänge zwischen Einflussgrößen nur „ungefähr“ dar (Strohhecker, 2008b, S. 30). Physische Modelle sind materielle Nachbildungen mit visueller Analogie zu den realen Objekten, bei denen unterstellt wird, dass durch die Skalierung 1:n sowie die Anpassung an eine Laborumwelt Schlussfolgerungen für das Verhalten des Originals unmittelbar möglich sind (Milling, 1996, S. 1841 f.). Beispiele hierfür sind Windkanalstudien mit verkleinerten Modellen von Großraumflugzeugen oder maßstabsgetreuen PKW-Modellen und das Testen von chemischen Prozessen im Labor (ebenda). Begriffliche und mathematische Modelle verwenden Symbole unterschiedlicher Abstraktionen und arbeiten mit entsprechend geringerer Anschaulichkeit, aber größerer Flexibilität als physische Modelle (Milling, 1996, S. 1841 f.). Begriffliche Modelle bilden reale Sachverhalte schematisch (z. B. Konstruktionszeichnungen, Kausalitätsdiagramme) oder verbal ab (ebenda). Mathematische Modelle schließlich stellen die Grundlage für analytische oder simulativ erzeugte Problemlösungen dar. Tendenziell werden mehr und mehr Simulationen eingesetzt, beispielsweise in der Automobilindustrie, um Crashtests durch Berechnungen im Computermodell zu ersetzen (Milling, 1996, S. 1841 f.). Grundsätzlich lassen sich bei den Simulationsmodellen gleichungsbasierte Modelle, Warteschlangenmodelle und Mikrosimulationen, die alle eher auf die quantitative Vorhersage von Zuständen realer Systeme abzielen, unterscheiden (Troitzsch, 2004, S. 1268). System Dynamics-Simulationsmodelle sind bei den gleichungsbasierten Modellen einzuordnen (ebenda), da die einzelnen Abhängigkeiten mathematisch, sachlogisch, quantitativ definiert sind (Milling, 1996, S. 1841 f.; Winkelmann, 1990, S. 217 f.). Zusätzlich bieten die meisten Software-Lösungen85 eine sehr gute grafische Visualisierbarkeit der Zusammenhänge, die deren Verständnis fördert (Graham, Morecroft, Senge, & Sterman, 2000, S. 221). Sterman argumentierte (Sterman, 1994, S. 321): “Regardless of the form of the model or technique used, the result of the elicitation and mapping process is never more than a set of causal attributions, initial hypotheses about the structure of a system, which must then be tested. Simulation is the only practical way to test these models.” Auch deshalb wird die Bedeutung von Simulationsverfahren in den letzten Jahren gestiegen
85
Forrester, 1995, S. 16 (Herv. durch Autorin): „The original DYNAMO software has been further developed, while STELLA and ITHINK, both with excellent manuals, have provided a user-friendly way to start in the field. POWERSIM has recently come on the market as an alternative entry-level package with several advanced features. At the top end, VENSIM provides powerful facilities for working with larger models and tracing the causes of dynamic behavior.”
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sein (Troitzsch, 2004, S. 1256). Die Komplexität realer Systeme und das fehlende Verständnis über deren endogene Strukturen (Wolstenholme, 2000, S. 184) machen strategisches Handeln ohne solide Hilfsmittel mit umfassender Folgenabschätzung für Entscheidungsträger unmöglich. Die Konsequenz können strategische Fehler sein, die Vester wie folgt zusammenfasste (1980, S. 25): Erster Fehler: Mangelhafte Zielerkennung. Das System wird abgetastet, bis ein Missstand gefunden wird. Dieser wird beseitigt, dann der nächste Missstand gesucht. Zweiter Fehler: Beschränkung auf Ausschnitte der Gesamtsituation. Große Datenmengen werden gesammelt, die zwar enorme Listen ergeben, jedoch kaum Beziehungen aufzeigen. Die Dynamik des Systems bleibt unerkannt. Dritter Fehler: Versteifung auf einen Schwerpunkt, der richtig erkannt wurde. Hierdurch bleiben jedoch gravierende Konsequenzen in anderen Bereichen unbeachtet. Vierter Fehler: Unbeachtete Nebenwirkungen. In eindimensionalem Denken befangen, findet die Suche nach geeigneten Maßnahmen zur Systemverbesserung sehr geradlinig und ohne Verzweigungen statt. Nicht intendierte Nebenwirkungen werden nicht berücksichtigt. Fünfter Fehler: Tendenz zur Übersteuerung. Häufig werden zunächst Maßnahmen sehr zögerlich umgesetzt. Geringe oder gar fehlende Wirkungen führen dazu, dass Maßnahmen darauffolgend mit Nachdruck durchgeführt werden. Diese Übersteuerung hat den Effekt, dass bei der ersten unbeabsichtigten Rückwirkung das Handeln wieder komplett gebremst wird. Sechster Fehler: Tendenz zu autoritärem Verhalten, das zum einen aus der Macht resultiert, das System verändern zu dürfen, und zum anderen aus dem Glauben, das System durchschaut zu haben. Dieses Verhalten ist für komplexe Probleme allerdings eher ungeeignet. Die Erfassung von komplexen Systemen erfordert deshalb Methoden, die dieser Komplexität gerecht werden. Aus analytischer Perspektive bestehen komplexe Systeme aus Elementen, die über ihre Wechselwirkungen lokal in einen Beziehungszusammenhang eingebettet sind (Kappelhoff, 2002, S. 78). Die sich daraus ergebenden (Verhaltens-) Muster sind allerdings global verbunden und in ihrer emergenten Dynamik nur holistisch zu verstehen (ebenda). System Dynamics erlaubt, bei korrekter und eindeutiger Abbildung der verschiedenen Elemente und Beziehungen eines Systems, dieses dynamische Verhalten des Systems zu kalkulieren (Hafeez, Aburawi & Norcliffe, 2004, S. 3). Modellbildung und Simulationen können in zweierlei Hinsicht helfen: einerseits durch Visualisierung komplexer Strukturen und Erhöhung des Verständnisses über die Wechselwirkungen (Ossimitz, 2002, S. 163 ff.) und andererseits durch die Möglichkeit, Strategien durch Simulation der (intendierten und nicht intendierten) Effekte vor 156
der Umsetzung zu bewerten (Morecroft, 1999, S. 30; Wimmer & Neuberger, 1998, S. 484). 5.1.2
Wesentliche Bausteine systemdynamischer Modelle
Mentale Modelle sind tendenziell zu „eng“ und lassen vor allem Rückkopplungen, Zeitverzögerungen und Akkumulationen aus (Sterman, 1994, S. 320 f.). Diese Bausteine determinieren allerdings die Dynamik eines Systems (Sterman, 2004, S. 12, 191) und sollen im Folgenden, soweit wie für das arbeitsspezifische Simulationsmodell relevant, näher erläutert werden. 5.1.2.1 Rückkopplungen Der Unterschied zu linearen Ursache-Wirkungs-Ketten besteht darin, dass in systemdynamischen Modellen die Effekte, die wiederum die Ursache beeinflussen, Berücksichtigung finden. Solche Wechselwirkungen werden in sogenannten Kausalschleifendiagrammen86 bzw. Wirkungsschleifendiagrammen dargestellt. Ein solches Diagramm wurde bereits im Kapitel 2 (Abbildung 2-5), ohne im Speziellen auf die Notation einzugehen, in die Erklärung eingebunden. Die folgende Abbildung 5-2 zeigt zwei einfache exemplarische Feedback-Prozesse und die entsprechende Notation. In dieser Abbildung sind die Kausalitäten zwischen den verschiedenen Variablen visualisiert. Sie ergeben durch ihre wechselseitige Beeinflussung Wirkungskreisläufe. Die einzelnen Verknüpfungen weisen entweder eine positive (+) oder eine negative (-) Polarität auf.
Lebendgeborene + +
+
+ Bevölkerung
-
Gestorbene + -
Einstellungen +
-
+ Mitarbeiter
Soll-Ist-Differenz Geburtenrate
Abbildung 5-2:
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Lebenserwartung
-
Ausstiege + +
-
+
gewünschte Mitarbeiterzahl
Kündigungsquote
Beispiele für Wechselwirkungsschleifen Quelle: Eigene Darstellung.
Vgl. Binder, Vox, Belyazid, Haraldsson & Svensson, 2004, S. 1 f.: “Causal Loop diagrams (CLDs) have long been used in standard system dynamics practice for purposes connected with simulation modeling. They are nowadays mostly used prior to simulation analysis, to depict the basic causal mechanisms. … Later, CLDs have started to be used for purposes not necessarily related to model building, namely, for detailed system description and for stand-alone policy analysis”.
157
Positive Kausalitäten lassen sich unter der Bedingung, dass alle anderen Variablen gleich bleiben, (ceteris paribus) wie folgt interpretieren: Wenn eine Variable X steigt (bzw. sinkt), dann steigt die Variable Y über (bzw. dann sinkt die Variable Y unter) das Niveau, welches sie sonst gehabt hätte (Sterman, 2004, S. 139). Es handelt sich hierbei also um eine gleichgerichtete Veränderung. Im linken Teil der obigen Abbildung heißt es beispielsweise: Je größer die Zahl der Bevölkerung und damit die Zahl potentieller Mütter, desto höher ist die Zahl der Lebendgeborenen (bei konstant angenommener Geburtenrate). Im rechten Teil der obigen Abbildung heißt es beispielsweise: Eine Erhöhung der Anzahl von Neueinstellungen erhöht die Anzahl der gesamten Mitarbeiter in einem Unternehmen. Negative Kausalitäten dagegen beschreiben eine gegenläufige Veränderung der zusammenhängenden Variablen. Wenn ceteris paribus eine Variable X steigt (bzw. sinkt), dann sinkt die Variable Y unter (bzw. steigt die Variable Y über) das Niveau, welches sie sonst gehabt hätte (Sterman, 2004, S. 139). Verlässt beispielsweise eine zunehmende Anzahl von Personen ein Unternehmen, dann sinkt der Mitarbeiterbestand. Jedes System, egal wie komplex es ist, besteht aus einem Netz von positiven und negativen Wirkungsschleifen, die durch ihre gegenseitige Beeinflussung die Dynamik verursachen (Sterman, 2004, S. 13). Die Visualisierung dieser Feedback-Prozesse87 trägt erheblich zum Verständnis des Systems bei (Sterman, 2004, S. 212), weshalb die Prozesse eindeutig gekennzeichnet werden sollten: Positive Kreisläufe wirken verstärkend, d. h. entweder „immer besser werdend“ oder „immer schlechter werdend“. Sie ergeben sich durch eine gerade Anzahl negativer Verknüpfungen innerhalb einer Wirkungsschleife bzw. durch ausschließlich positive Verknüpfungen in dieser Schleife. Negative Kreisläufe wirken ausgleichend und halten Veränderungen stand. Sie bleiben lange Zeit stabil und resistent gegen Eingriffe, verleiten dadurch den Akteur zu immer massiveren Maßnahmen, die schließlich zur Vernichtung einzelner Systemteile führen und einen Kollaps des Systems verursachen kann (Winkelmann, 1990, S. 211). Negative Wirkungsschleifen ergeben sich durch eine ungerade Anzahl negativer Verknüpfungen innerhalb einer Wirkungsschleife.
87
158
Feedback ist beispielsweise im Personalbereich inzwischen ein gängiger Begriff, z. B. im Rahmen von Mitarbeiterbeurteilungen. In diesem Zusammenhang meint positives Feedback „Lob“ und negatives Feedback „schlechte Kritik“. In System Dynamics hat Feedback eine andere Bedeutung (Sterman, 2004, S. 14): „positive feedback“ meint positive Rückkopplung bzw. sich selbst verstärkender Prozess, gleichbedeutend mit dem Begriff „Teufelskreis“; „negative feedback“ meint negative Rückkopplung bzw. sich selbst korrigierender oder Gleichgewicht-anstrebender Prozess.
Diese Wirkungsschleifendiagramme sind zwar ein hervorragendes Instrument, um mentale Modelle von Individuen oder Gruppen zu eruieren und die Wechselwirkungen innerhalb eines Systems darzustellen (Sterman, 2004, S. 137), allerdings haben diese Diagramme auch ihre Grenzen (Sterman, 2004, S. 191). Sie sind niemals vollständig und endgültig, sie sind nur provisorisch und im Besonderen berücksichtigen sie nicht den für dynamische Systeme wesentlichen Unterschied zwischen Bestands- und Flussgrößen (Sterman, 2004, S. 166; Binder, Vox, Belyazid, Haraldsson & Svensson, 2004, S. 1 f.;). Durch den letztgenannten Aspekt besteht die Gefahr der Angabe falscher Polaritäten (siehe dazu Richardson, 1997, S. 248; Richardson, 1986, S. 159). Aus diesen Gründen ist es vorteilhaft, diese Kausalschleifendiagramme in Bestands-FlussgrößenDiagramme umzuwandeln, die das System realitätsgetreuer abbilden (Ogata, 2004, S. 109). Gleichzeitig ist dies der erste Schritt, ein quantitatives Simulationsmodell zu erstellen (Hafeez, Aburawi & Norcliffe, 2004, S. 4). 5.1.2.2 Bestands- und Flussgrößen Die Notation für Bestands- und Flussgrößen bedient sich der hydrotechnischen Metapher: der Fluss des Wassers in bzw. aus einem Reservoir (Strohhecker & Fischer, 2008, S. 108). Bestände werden als rechteckige Boxen gekennzeichnet, die an einen Behälter oder Speicher erinnern. Der einzige Weg, diese Bestände zu verändern, sind Zu- bzw. Abflüsse. Diese Flüsse werden mit einem Doppellinienpfeil (ebenda, S. 107) dargestellt, wobei der Pfeil die Fließrichtung – entweder in den Speicher oder aus dem Speicher heraus – angibt. Die Stärke des Zu- oder Abflusses wird durch ein Ventil geregelt. Die Systemgrenze, also der Bereich, „der bei der Betrachtung eines Problems außer Acht gelassen werden kann, weil er nicht Bestandteil der problemrelevanten Feedback-Schleifen ist“ (Strohhecker & Fischer, 2008, S. 107), wird mit einer Wolke gekennzeichnet. Wolken finden Verwendung für Quellen von Flüssen, also für einen Bestand unbegrenzter Kapazität, sowie für Senken, d. h. für einen Bestand, der einen Zufluss unbegrenzt aufnehmen kann (Strohhecker & Fischer, 2008, S. 107)88. Die Abbildung 5-3 zeigt die einfachste Verknüpfung eines Bestandes mit jeweils einem Zu- und Abfluss.
88
Vgl. Strohhecker & Fischer, 2008, S. 107: Es handelt sich hierbei um eine vereinfachte Annahme, da kein Bestand in der Realität eine unendliche Kapazität hat. Diese Vereinfachung ist allerdings akzeptabel, wenn die Flüsse im Vergleich zu den Beständen als sehr klein erscheinen. „So kann beispielsweise ein kleines Unternehmen in einer Großstadt, das Mitarbeiter für einfache Tätigkeiten sucht, ohne große Verfälschung davon ausgehen, dass der Arbeitsmarkt ein unbegrenztes Reservoir an solchen Mitarbeitern bietet.“
159
Zufluss
Abbildung 5-3:
Bestand
Abfluss
Einfaches Bestands-Flussgrößen-Diagramm Quelle: Eigene Darstellung.
Wie bereits im vorangegangenen Kapitel 3 im Zusammenhang mit der Cottbuser Formel detaillierter und aus mathematischer Sicht erläutert, bedingen die Flussgrößen den Zustand eines Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt. Bestände tragen aufgrund folgender Hauptmechanismen zur Generierung der Dynamik in Systemen bei (zusammengefasst aus Mass, 1980, S. 98): Bestände verbinden Zuflüsse und Abflüsse und absorbieren ihre Differenz. Das Ungleichgewicht zwischen den Flussgrößen kann zu signifikanten Verzögerungen führen und hat Konsequenzen für andere Systemvariablen, wodurch im System eine unregelmäßige Dynamik ausgelöst wird. Bestände können kurzfristige und langfristige Effekte erzeugen, die gegenläufig sind. Beispielsweise führen Auftragsrückgänge zur Reduktion der Belegschaft, was kurzfristig die Personalkosten senkt. Durch fortschreitende natürliche Personalbewegungen kann es trotz wirtschaftlich schwieriger Lage langfristig zu einem Personalmangel kommen, der dann durch teure ad hoc Beschaffungsmaßnahmen ausgeglichen werden muss und infolge die Personalkosten (massiv) ansteigen lässt. Bestände verstärken Flüsse durch Akkumulationseffekte. Beispielsweise kann eine 5%-ige Steigerung eingehender Bestellungen zur Reduktion des Lagerbestands führen, so dass nicht nur die Bestellungen, sondern auch die Wiederauffüllung des Lagers auf das gewünschte Niveau eine 10%-ige Erhöhung der Produktionsrate bewirken können. Letztlich übersteigt die Produktionsrate damit die Bestellrate. Bestände unterliegen verschiedenen Verhaltensmodi, die sich aus unterschiedlichen Konstanten/ Anpassungszeiten ergeben. Beispielsweise ist die durchschnittliche Kündigungsfrist von Personal kürzer als die Abschreibungsdauer von Anlagegütern. Ebenso verändern sich Einstellungen von Menschen nur langsam und können so den Wandel eines Systems behindern. Jeder Zyklus innerhalb eines Systems kann sich abhängig von den Anpassungszeiten unterschiedlich schnell verändern und so Dynamik auslösen. Neben Beständen und Flussgrößen existieren weitere Systemelemente, die die Entwicklung der Bestände indirekt (Sterman, 2004, S. 204) beeinflussen: die Konstanten und Hilfsgrößen. Konstanten sind Bestandsgrößen, die sich im relevanten Zeithorizont gar nicht oder nur marginal verändern und deshalb nicht explizit als Bestandsgrößen (als Box) modelliert werden (Sterman, 2004, S. 204; Strohhecker & Fischer, 2008, 160
S. 110). Konstanten zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur Informationen an Flussgrößen abgeben, selbst aber unabhängig sind von anderen Variablen. Hilfsgrößen hingegen sind ihrem Namen entsprechend Variablen, auf die prinzipiell verzichtet werden kann (Strohhecker & Fischer, 2008, S. 111). Allerdings vereinfachen sie durch ihre Integration die Kommunikation und die Eindeutigkeit des Modells (Sterman, 2004, S. 202), so dass die Entscheidung ihrer Verwendung ein Kompromiss zwischen zunehmender Komplexität und Klarheit des Modells ist. Hilfsvariablen sind eine Funktion eines Bestandes oder einer Konstanten (Sterman, 2004, S. 203). In der Abbildung 5-4 ist die Struktur der vorangegangenen Abbildung um die Konstanten und die Hilfsgrößen erweitert, die durch einfache Pfeile mit den verschiedenen Variablen verknüpft sind. Sofern verzögerte Wirkungen zwischen ihnen vorliegen, würden diese Verbindungen durch einfache Pfeile mit Doppelstrichen visualisiert werden. Konstante 2
Konstante 1
Hilfsvariable 2
Zufluss
. ..
Hilfsvariable 1
Bestand
Ursache-Wirkungs-Verbindung verzögerte Ursache-Wirkungs-Verbindung
Abfluss Konstante 3
Abbildung 5-4:
Bestands-Flussgrößen-Diagramm mit den Rückkopplungen Quelle: Eigene Darstellung.
In obiger Abbildung sind noch einmal die Bestände, die Flüsse sowie die Rückkopplungen dargestellt. Reale Systeme, in denen Entscheidungen erforderlich sind, enthalten im Normalfall weitaus mehr Variablen und Wechselwirkungen, so dass aufgrund der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des Menschen und seines linearen Denkens (Senge, 2003: 54; Ulrich & Probst, 1991, S. 38) holistisch abgewogene Lösungen, d. h. die intendierten und nicht intendierten Effekte berücksichtigend (Sterman, 1994, S. 297; Winkelmann, 1990, S. 208 f.), ohne Hilfsmittel nicht möglich sind. Das heißt auch: Wenn sich die Grundlage bisheriger Entscheidungen ändert (wie z. B. das allgemeine Arbeitskräfteangebot), ändern sich möglicherweise weitere Variablen im System (wie z. B. Fluktuationsquoten), so dass neue Entscheidungsregeln notwendig sind, die sehr wahrscheinlich mehr erfordern als intuitive Entschlossenheit. So formulierte auch Sterman: “The existence of multiple interacting feedbacks means it is difficult to hold other aspects of the system constant to isolate the effect of the variable of interest; as a result, many variables simultaneously change, confounding the interpretation of changes in system behavior […].” (Sterman, 1994, S. 298 f.). Daraus folgt die Notwendigkeit der mathematischen Analyse und der Simulation solcher dynamischer Systeme (Bossel, 2004, S. 42). 161
5.1.2.3 Verzögerungen Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt angedeutet, resultieren aus den Bestandsgrößen Verzögerungen. Im Folgenden sollen die wesentlichen und für diese Arbeit relevanten Formen näher erläutert werden. „Many decisions turn out to be faulty because people underestimate the length of delays” (Hamilton, 1980, S. 162). Eine Verzögerung bzw. multiple Verzögerungen in einem System sind demnach entscheidend für das zukünftige Systemverhalten und den Zeitpunkt der Wirkung von Maßnahmen. Dennoch werden sehr häufig (betriebswirtschaftliche) Modelle mit der unrealistischen Annahme einer sofortigen Systemantwort erstellt (Milling, 2008, S. 210). Die Unterschiede zwischen sofortiger, diskret verzögerter und kontinuierlich verzögerter Reaktion sind in der Abbildung 5-5 zu sehen. In der Abbildung 5-5 a) verhalten sich Zufluss und Abfluss synchron; es wird also eine unendliche Reaktionsgeschwindigkeit unterstellt und der Einfluss des Faktors Zeit ausgegrenzt (Milling, 2008, S. 210). Die Anpassung des Systems an die Veränderungen erfolgt nach dieser Annahme sofort. Damit wird ein dynamisches System nur statisch betrachtet. Die Abbildung 5-5 b) dagegen zeigt ein „einfaches Duplizieren“ des Zuflusses (ebenda). Die Dynamik und ihre Auswirkung auf das Systemverhalten werden auch hier verkannt. Ergebnis dieser Nichtberücksichtigung ist, dass Entscheidungsträger immer wieder Maßnahmen ergreifen, um die kurzfristigen Diskrepanzen zwischen dem gewünschten und dem aktuellen Zustand zu korrigieren, selbst wenn bereits ausreichend getan wurde, um langfristig das System ins Gleichgewicht zu bringen (Sterman, 1994, S. 299). Insofern sind in systemdynamischen Modellen Verzögerungsstrukturen wichtige und für die realitätsgerechte Erfassung von Sachverhalten notwendige Modellbestandteile (Milling, 2008, S. 210). Die Verzögerungen wirken kontinuierlich und bewirken ein wirklichkeitsnahes Systemverhalten (Abbildung 5-5 c)). a) unendliches Reaktionstempo
b) diskrete Verzögerung
c) kontinuierliche Verzögerung
Legende: Eingangsgröße = Zuflussrate Systemantwort = Abflussrate
Totzeit
t0=t*
Abbildung 5-5:
162
Zeit
t0
t*
Zeit
Anpassungsformen von Systemen Quelle: i. A. an Milling, 2008, S. 210.
t0
t*
Zeit
Es existieren unterschiedliche Verzögerungsstrukturen, die sich aus der Anzahl der Bestände (Ordnungsgrad), der Länge der Verzögerung (Verzögerungszeit) und der Art der Behandlung der Einheiten, die sich in einer Verzögerung befinden (Strukturtypen: Material- bzw. Informationsverzögerungsstruktur) ergeben (Milling, 2008, S. 211). In dem hier relevanten Personalplanungsmodell liegt eine Materialverzögerungsstruktur höherer Ordnung mit zum Teil unterschiedlichen Verzögerungszeiten vor. Da in dem hier erarbeiteten Simulationsmodell ausschließlich Materialverzögerungsstrukturen89 vorkommen und keine Informationsverzögerungsstrukturen90, wird auf die detaillierte Erklärung der unterschiedlichen Wesensmerkmale und des unterschiedlichen Verhaltens dieser Strukturen verzichtet (ausführlich dazu Sterman, 2004, S. 409 ff.; Milling, 2008, S. 215 ff.; Hamilton, 1980, S. 162 ff.). Das Personalplanungsmodell besteht aus einer sogenannten kaskadischen (Alterungskaskade bzw. Alterskette) und parallelen (Coflow) Bestandsstruktur. Insofern wird im Folgenden direkt an diesen Konzepten erläutert, welcher Ordnungsgrad vorliegt und welche Verzögerungszeiten mit welchen Effekten für das Systemverhalten im hiesigen Simulationsmodell auftreten. 5.1.3
Altersketten und Coflows
Zwei besondere Strukturen, die sich aus der Kombination von Beständen, Flüssen und Rückkopplungen ergeben und zu den grundlegenden Bausteinen in systemdynamischen Modellen gehören, sind die Altersketten und Coflows91. Altersketten können sich nicht nur auf die in dieser Arbeit relevanten Klassen aus Geburtsjahrgängen (im Folgenden auch Kohorten) beziehen, sondern sind für jede Abfolge von Entwicklungsphasen nutzbar. Solche Abfolgen beziehen sich zum Beispiel
89
90
91
Materialverzögerungen bezeichnen Strukturen, in denen physische Einheiten den Zufluss-Abfluss-Prozess durchlaufen. Als Beispiele sind hier Produkte in einer Lieferkette, Gebäude im Konstruktionsprozess, Gestaltungsaufgaben im Produktentwicklungsprozess, Briefe im Zustellprozess (Sterman, 2004, S. 411) sowie Personen im Alterungsprozess zu nennen. „In einer Materialverzögerung bleiben alle Einheiten, welche die Struktur durchlaufen, erhalten“ (Milling, 2008, S. 215). Das bedeutet: alle zufließenden Einheiten verlassen je nach Verzögerungszeit den Bestand; es gehen keine Einheiten während dieses Prozesses verloren. „[I]nformation delays are delays in perception or reaction” (Hamilton, 1980, S. 165). “The delay between a change in the order rate for your company’s products and your belief about the likely future order rate is an example of an information delay. […] There is a delay between the receipt of new information and the updating of your beliefs” (Sterman, 2004, S. 412). Als deutsche Übersetzung findet sich der Begriff “Parallelflussstrukturen“ (Salge & Strohhecker, 2008, S. 232). Aufgrund der Sperrigkeit dieses Begriffs wird im Folgenden weiter „Coflow“ verwendet.
163
auf verschiedene Beförderungsstufen im Sinne einer Hierarchie oder auch auf Produktionsstufen mit Vor-, Zwischen- und Endprodukten. Die allgemeine Darstellungsweise einer solchen Alterskette ist in der Abbildung 5-6 visualisiert.
Zufluss n-3
Zufluss n-4
Bestand n-4
Abfluss n-4
Abbildung 5-6:
Bestand n-2
Bestand n-3 Transferrate (n-4)-(n-3)
Transferrate (n-3)-(n-2) Abfluss n-3
Zufluss n-1
Zufluss n-2
Bestand n-1 Transferrate (n-2)-(n-1)
Abfluss n-2
Transferrate (n-1)-n
Abfluss n-1
Zufluss n
Bestand n
Abfluss n
Allgemeine Darstellung einer Alterskette Quelle: Eigene Darstellung, i. A. an Sterman, 2004, S. 471.
Bezogen auf den hier relevanten Personalbestand und dessen Entwicklung hinsichtlich des Alters und der quantitativen Ausstattung der Funktionsgruppen besteht eine Alterskette aus einer dem Problem entsprechenden Zahl von Altersklassen, deren jeweilige Bestände durch diverse Zu- und Abflüsse verändert werden (Sterman, 2004, S. 470). Dieses Verständnis aufeinander aufbauender Bestände ist die essentielle Grundvoraussetzung für jedes Personalplanungsmodell (Edwards, 1983, S. 1034). Jeder Bestand k wächst durch Zuflüsse (z. B. durch Neueinstellungen pro Jahr) sowie durch Transferraten (z. B. die Anzahl der Personen pro Jahr, die einer Altersklasse „entwachsen“). Gleichzeitig sinken die Bestandsniveaus durch Transferraten sowie durch diverse Abflüsse (z. B. durch die Anzahl von Kündigungen pro Jahr). Sowohl die Zuflüsse als auch die Abflüsse, demnach auch die Transferraten, können sich von Klasse zu Klasse unterscheiden, beispielsweise weil mit zunehmendem Alter die arbeitnehmerseitige Kündigungsquote sinkt. Die allgemeine Berechnungsvorschrift92 für den Bestand lautet dann (Salge & Strohhecker, 2008, S. 233): Bestand k = INTEG (Zufluss zu k + Transfer von k-1 zu k – Abfluss von k – Transfer von k nach k+1; Anfangswert k).
(5.1)
Während die Zuflüsse entweder als Konstanten vorgegeben sind oder sich aus weiteren Systemvariablen endogen ergeben, sind die bestandsmindernden Raten direkt
92
164
Logische Zusammenhänge für diese Alterskette ergeben sich aus der demografischen Grundgleichung, „mit der zugleich die wesentlichen Inhalte aller Bevölkerungsstudien umschrieben werden können“ (Bähr, 2004, S. 151).
abhängig vom Bestandsniveau (Salge & Strohhecker, 2008, S. 234), wodurch negative Rückkopplungen entstehen (Forrester, 1972, S. 27 ff; Sterman, 2004, S. 416). Mit der Proportionalität zwischen Bestand und Abflussrate wird gleichzeitig definiert, dass die Reihenfolge des Zuflusses der individuellen Elemente irrelevant ist, um den Abfluss zu determinieren (ebenda). Entscheidend sind nur das aktuelle Bestandsniveau und die Verzögerungszeit. Damit wird unterstellt, dass die Wahrscheinlichkeit für jedes Element gleich hoch ist, als nächstes den Bestand zu verlassen (Sterman, 2004, S. 416). Folglich heißt es: Abflussrate von k = Bestand k / Verzögerungszeit k Abflussrate von k = Bestand k * Abflussquote k
bzw.
Transferrate von k-1 zu k = Bestand k / Verzögerungszeit k bzw. Transferrate von k-1 zu k = Bestand k / mittlere Verweildauer in k
(5.2)
(5.3)
Verzögerungszeit bzw. Verweildauer meint diejenige Zeit, die ein Element durchschnittlich in dem jeweiligen Bestand/ in der jeweiligen Kohorte verbleibt (Sterman, 2004, S. 472; Hamilton, 1980, S. 166). Damit stellt jeder Bestand in der Alterskette eine „konservierende Verzögerung“ dar (Salge & Strohhecker, 2008, S. 234). Entsprechend der obigen Begriffe zur Verzögerung lässt sich Folgendes zusammenfassen: Eine Verzögerungsstruktur erster Ordnung liegt vor, wenn ihr interner Aufbau aus nur einer Bestandsgröße besteht, die den Zufluss kumuliert und deren Abfluss verzögert (Milling, 2008, S. 211; Sterman, 2004, S. 416). Verzögerungsstrukturen zweiter, dritter bzw. höherer Ordnung ergeben sich dann durch zwei, drei bzw. x aufeinanderfolgende Integrationen (Milling, 2008, S. 211). Bei Altersketten handelt es sich demnach um Materialverzögerungen höherer Ordnung93, bestehend aus mehreren Verzögerungen erster Ordnung, wobei der Zufluss zum folgenden Bestand dem Abfluss des vorangegangenen Bestandes entspricht (Sterman, 2004, S. 419). So zeigt beispielsweise die Abbildung 5-6 eine Materialverzögerungsstruktur fünfter Ordnung, bestehend aus fünf Verzögerungen erster Ordnung.
93
Vgl. Sterman, 2004, S. 415, 420: Je höher der Ordnungsgrad, also die Anzahl aufeinanderfolgender Bestände, desto kleiner ist die jeweilige Verweildauer. Für den Grenzfall eines unendlichen Ordnungsgrades bedeutet dies, dass die Verweildauer unendlich klein ist, jede Bestandsgröße nur ein Element aufnimmt und abgibt und damit die Reihenfolge zugehender und abfließender Elemente erhalten bleibt. Hierbei wird dann von einer Verzögerungsstruktur gesprochen, die das „first in – first out“-Prinzip einhält (pipeline delay) und beispielsweise bei zu modellierender Fließbandfertigung anzuwenden ist. Das Gegenteil tritt bei Verzögerungsstrukturen erster Ordnung ein: „The first-order delay assumes the contents of the stock of material in transit are perfectly mixed at all times. Perfect mixing randomizes the order of exit from the delay, implying some items stay in the stock of material in transit longer than the average delay time and some stay for a shorter period” (Sterman, 2004, S. 464).
165
Letztlich führen allein unterschiedliche Ordnungsgrade zu unterschiedlichem Systemverhalten. Zusätzlich kann dieses Systemverhalten durch variierende Verzögerungszeiten beeinflusst werden. Beispielhafte Anpassungsverläufe des Systems sind in der folgenden Abbildung 5-7 unter der Annahme dargestellt (vgl. im Folgenden Milling, 2008, S. 220 f.), dass zum Zeitpunkt t=10 die Zuflussrate vom Wert 0 auf den Wert 100 springt (Stufenfunktion) und auch in den Folgeperioden 100 Einheiten/Periode zufließen. Im Falle der Verzögerung erster Ordnung reagiert die Abflussrate sofort auf die Veränderung und nähert sich asymptotisch dem neuen Gleichgewichtszustand an. Da in diesem Fall nur eine Bestandsgröße modelliert ist, wirkt sich die Erhöhung des Zuflusses unmittelbar auf die Abflussrate aus. Verzögerungen höherer Ordnung reagieren zunächst langsamer auf die Veränderung und nähern sich dann dem Gleichgewichtswert in Form einer s-förmigen Kurve rasch an. Für die Verzögerungszeit gilt generell: je länger sie ist, desto schwächer reagiert das System auf einen einmaligen Schock (Milling, 2008, S. 223). 100
V3 Vz=6
V1 Vz=6
Einheiten/Periode
80 60
Legende: Eingangsgröße = Zuflussrate
V3 Vz=20 V1 Vz=20
Systemantwort = Abflussrate V = Verzögerung/ Ordnungsgrad
Zufluss
40
Vz = Verzögerungszeit
20 5
Abbildung 5-7:
10
15
20
25 30 35 Zeit [Periode]
40
45
50
Systemantwort auf Verzögerungen bei einer Stufenfunktion Quelle: i. A. an Milling, 2008, S. 222.
In engem Zusammenhang mit den Altersketten stehen die Coflows, da sehr häufig nicht nur die Quantität der Systemelemente in einem Bestands-Flussgrößen-Netzwerk relevant ist, sondern auch deren Eigenschaften (Sterman, 2004, S. 469). Zu diesen Attributen gehören beispielsweise die durchschnittlichen Fähigkeiten oder Erfahrungen der Arbeitnehmer, die Qualität von Produktionsmaterial oder der Energiebedarf der betrieblichen Maschinen (ebenda). Die Zu- und Abflüsse zum jeweiligen Attributsbestand werden mit den Zu- und Abflüssen zum Kohortenbestand verknüpft (Salge & Strohhecker, 2008, S. 243), so dass sich beide Bestände parallel verändern. Damit werden auch die Verzögerungen auf den Coflow 1:1 übertragen. Die folgende Abbildung 5-8 stellt den Zusammenhang zwischen kaskadischer und paralleler Bestandsstruktur noch einmal grafisch dar. 166
Zufluss
Menge Abfluss Mittlerer Attributwert
Attributwert des Zuflusses
Attributszufluss
Abbildung 5-8:
Attributsbestand Attributsabfluss
Generische Coflow-Struktur mit einer relevanten Eigenschaft Quelle: Salge & Strohhecker, 2008, S. 244.
Coflows werden in systemdynamischen Modellen genutzt, um die Eigenschaften von Elementen, die sich entlang einer Alterskette bewegen, zu berücksichtigen (Sterman, 2004, S. 469, 497 f.). Ein Coflow94 ist eine Verbindung aus Bestands- und Flussgrößen, die exakt die Hauptverbindung aus Bestands- und Flussgrößen spiegelt (ebenda, S. 499). Bei gleichbleibenden Berechnungsvorschriften für die Alterskette lauten diejenigen der Coflow-Struktur wie folgt (Sterman, 2004, S. 500): Attributsbestand = INTEG (Attributszufluss – Attributsabfluss , Anfangswert Attributsbestand)
(5.4)
mit Attributszufluss = Zufluss * Attributswert des Zuflusses Attributsabfluss = Abfluss * Mittlerer Attributswert
(5.5) (5.6)
wobei Mittlerer Attributswert = Attributsbestand/Menge .
(5.7)
Hinsichtlich der Anzahl von zu integrierenden Attributen gibt es keine Begrenzung (Sterman, 2004, S. 502). Jedes Attribut wird in einem separaten Coflow modelliert. Jeder Attributsbestand eines Coflows wiederum wird entweder ausnahmslos durch Flüsse der Alterskette gesteuert oder zusätzlich durch weitere Flussgrößen beeinflusst (Salge & Strohhecker, 2008, S. 250).
94
Anmerkung: “A useful analogy here is a bath-tub. If the water in the bath represents the resource, then its temperature is an important resource attribute. This attribute can be altered directly – a heater in the bath raises temperature without changing the quantity (training raises staff skills, […]). The bath may cool down with no change to the quantity of water (skill levels deplete as staff forget, […]). In addition, water flowing in brings with it whatever temperature the tap delivers, and water flowing out takes its temperature with it (new staff bring their skill with them, […] – staff leaving take their skills with them, […]).” (Warren, 2000, S. 48)
167
Bevor diese grundsätzlichen Regeln im arbeitsspezifischen Simulationsmodell Anwendung finden, wird das Kapitel 5.1 mit der Bewertung des systemdynamischen Ansatzes abgeschlossen. 5.1.4
Bewertung des systemdynamischen Ansatzes
Die Komplexität und Dynamik von Systemen machen eine mit Logik erschließbare Prognose der Systementwicklung unmöglich. Hierin liegt die Existenzberechtigung wissenschaftlicher Modelle, denn einfache Ursache-Wirkungsbeziehungen gibt es in der Realität nicht (Vester, 1999, S. 15). Modelle machen Probleme zum einen erfassbar, analysierbar und kommunizierbar, zum anderen sind mit ihnen Prognosen erstellbar (Kleinewefers & Jans, 1983, 16-17). Insofern ist System Dynamics eine Möglichkeit und ein wertvolles Werkzeug für die Sensibilisierung der Entscheidungsträger, Verzögerungen, Interdependenzen und Rückkopplungen in einem sensiblen Unternehmensbereich wie dem HRM nicht zu unterschätzen. Die besonderen Vorteile dieses Ansatzes sowie seine Grenzen werden im Folgenden aus der Literatur zusammengetragen: System Dynamics-Modelle dienen als Lernkatalysatoren hinsichtlich einer Verhaltensänderung (single-loop learning) sowie der Anpassung mentaler Modelle (double-loop learning) vor allem wegen des Verständnisses von Zusammenhängen und Rückkopplungen (Strohhecker, 2008b, S. 22, 25; ähnliche Erkenntnisse u. a. in Booth Sweeney & Sterman, 2007; Wheat, 2007; Moxnes, 2004; Moxnes, 2000; Sterman, 1994). Die grafische Aufbereitung der Wechselwirkungen trägt erheblich zum Systemverständnis bei (Hafeez, Aburawi & Norcliffe, 2004, S. 4 f.). So stellte Forrester fest: „Recent trends in system dynamics aim to change the mental models that people use to represent the real world“ (1995, S. 14). Systemdynamische Modelle basieren bei wissenschaftlicher Vorgehensweise95 auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten, auf problemnahen Theorien sowie ergänzend auf empirischen Erkenntnissen (Ogata, 2004, S. 4; Sterman, 2004, S. 86 ff.; Nienhüser, 1996, S. 55; Weller, 2007, S. 62 f.) und stehen damit auf einem soliden Fundament. Kritik an den unterstellten Zusammenhängen ist dann auch Kritik an den zugrundeliegenden Theorien, die so lange Gültigkeit und einen Wahrheitsanspruch besitzen, bis die aus ihr abgeleiteten Hypothesen empirisch widerlegt wurden (Picot, Dietl, & Franck, 2008, S. 406).
95
168
Sterman formulierte in diesem Zusammenhang weiter (Sterman, 2004, S. 104): “[…] Modeling is not a cookbook procedure. … [M]odeling is a disciplined, scientific, and rigorous process, challenging the modeler and client at every step to surface and test assumptions, gather data, and revise their models […].”
System Dynamics-Modelle sind aufgrund der Symbol- und Formelsprache präzise, objektiv und nachprüfbar (Strohhecker, 2008b, S. 32). Entscheidungsexperimente (mit simultaner Veränderung auch mehrerer Variablen) sind am systemdynamischen Modell auf einfache und elegante Weise möglich und erlauben gleichzeitig eine vollständige Wiederherstellung der Ausgangssituation – ähnlich wie in einem Flug-Simulator für Piloten (Strohhecker, 2008b, S. 25). Es müssen keine Tests am Original durchgeführt werden (Bossel, 2004, S. 50). Insofern kann System Dynamics eine Vielzahl von Problemen lösen helfen (Strohhecker, 2008b, S. 26) und führt zu besseren, d. h. fundierteren Entscheidungen und Entscheidungsregeln (Forrester, 1961, S. 45 f.). System Dynamics-Modelle können eine Vielzahl mentaler Modellfragmente zu einem Gesamtmodell integrieren und dadurch ein vollständigeres Abbild des Entscheidungsproblems bereitstellen (Strohhecker, 2008b, S. 32; Hafeez, Aburawi & Norcliffe, 2004, S. 4 f.). Dadurch können Entscheidungen holistisch abgewogen und unter Berücksichtigung der Haupt- und Nebeneffekte die optimale Lösung für das gesamte System gefunden werden. Typisch für diesen Ansatz ist auch die Berücksichtigung qualitativer Variablen wie Innovationsdruck, Mitarbeitermotivation oder Kundenzufriedenheit (Milling, 1996, S. 1841 f.). Systemdynamische Modelle sind statischen Modellen überlegen. Dynamik bedeutet dabei die einmalige Eingabe von Initialwerten. Das System entwickelt sich endogen durch die Flussgrößen in jeder Periode. Es handelt sich also um ein sich periodisch bis zum Ende des Simulationszeitpunktes selbst aktualisierendes Modell (Weber & Schwarz, 2007, S. 198 ff.). System Dynamics-Modelle (auch äußerst komplexe) sind mit Hilfe des Computers vollständig analysierbar (Strohhecker, 2008b, S. 32). System Dynamics-Modelle schaffen eine Zukunftsorientierung hinsichtlich der Entwicklung des Systems (Bossel, 2004, S. 50) bzw. reduzieren die Unsicherheit für Entscheidungsträger. Diese Zukunftsorientierung wurde von Scholz, Stein und Bechtel (2006) bei den meisten Ansätzen der Humankapitalbewertung in Frage gestellt. Eine systemdynamische Modellierung des Humankapitalwertes ermöglicht nicht nur die kontinuierliche Betrachtung, sondern auch die Antizipation der Effekte von Personalmaßnahmen auf den Humankapitalwert. Systemdynamiker erfahren trotz dieser Vorteile sehr häufig Kritik. Dies könnte möglicherweise daran liegen, dass gerade die Komplexität solcher Modelle die Vorstellungskraft über ihre Verarbeitungsweise sprengt. Nachfolgend werden die Grenzen von System Dynamics-Modellen aufgezählt:
169
Der systemdynamische Ansatz bietet sich für statische oder komparativ-statische Problemstellungen weniger an (Strohhecker, 2008b, S. 26 f.). System Dynamics-Modelle sind notwendig für schnelleres Lernen, aber nicht hinreichend (Strohhecker, 2008b, S. 26 f.). Die Abbildung der realen und relevanten Wechselwirkungen und die Modellerstellung sind eher zeitaufwendig und dauern realistischerweise je nach Problembeschaffenheit zwischen einigen Wochen bis hin zu zwei Jahren (Strohhecker, 2008b, S. 32). Für formale Modelle gilt grundsätzlich, dass diese keine verlässlichen Entscheidungshilfen sind, wenn sie mathematische Ungenauigkeiten enthalten (Milling, 1981, S. 80). Ebenso sind System Dynamics-Modelle, wie alle anderen Modelle auch, per Definition Vereinfachungen (Senge, 2003, S. 215). Prinzipiell besteht deshalb immer die Unsicherheit, ob das Modell das reale Systemverhalten in allen Aspekten richtig wiedergibt. Eine gründliche Validierung des Modells kann diese Unsicherheiten allerdings weitgehend beseitigen (Bossel, 2004, S. 50). Unternehmen werden als Ganzes modelliert, so dass beispielsweise detaillierte Arbeitsabläufe nicht berücksichtigt werden können (Troitzsch, 2004, S. 1260). Simulationstechnik hat mit allen anderen wissenschaftlichen Prognosemethoden gemeinsam, dass nichts so schwer vorhersagbar ist wie die Zukunft (Kramer & Neculau, 1998, S. 360). Auch wenn Simulationsmodelle wertvoll sind, um den Unsicherheitstrichter zu reduzieren, können mit ihnen keine 100%-ig sicheren Voraussagen getroffen werden (Eggers, 1991, S. 705). Bei System Dynamics-Modellen handelt es sich um quantitative Modelle, die eine Quantifizierung aller verwendeten Größen erforderlich machen. Dies führt unter Umständen bei qualitativen Größen zur Schätzung bzw. zur Eingabe von Wertebereichen, wobei diese Ungenauigkeiten durch die Verknüpfungen auf andere Größen im Modell übertragen werden (Coyle, 2000, S. 227) und damit einen Fehler potenzieren. Allerdings gibt es in der Literatur strukturierte Vorschläge, um qualitative Variablen zu quantifizieren (siehe bspw. Hamilton, 1980, S. 165 ff.). Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass relevante qualitative, aber nicht quantifizierbare Variablen von vornherein nicht in das Modell integriert werden (Sterman, 1994, S. 321). Abschließend ist zu bemerken, dass die Einführung von Simulationsverfahren in Entscheidungsprozesse mit nicht unerheblichen Kosten einher geht. Neben Einführungskosten, wie Software-, Schulungs- und Beraterkosten, können auch Zusatzaufwendungen, z. B. Zusammenhangsstudien und umfangreiche Datenanalysen, erforderlich sein, die ohne Simulationstechnik nicht zur Diskussion stünden (Strohhecker, 2008b, S. 30; Kramer & Neculau, 1998, S. 360). Allerdings ist der Nutzen nicht zu unterschätzen, da mittels eines Simulationsmodells mit Entscheidungen auf gefahrlose, weil folgenlose Weise und damit kostengünstig sowie zeitsparend experimentiert 170
Änderungskosten
werden kann (Kramer & Neculau, 1998, S. 359). Hierin ist ein erheblicher Vorteil von Simulationsmodellen zu sehen, die eine Investitionsprüfung durchaus rechtfertigen. Eine (Einmal-) Investition könnte kostenintensive Fehlentscheidungen verhindern.
ohne Simulationstechnik Planungsphase
Entwicklungsphase
Benutzungsphase
mit Simulationstechnik Zeit
Abbildung 5-9:
Änderungskosten mit und ohne Simulationsverfahren Quelle: Kramer & Neculau, 1998, S. 360.
Wie die Abbildung 5-9 zeigt, sind die Änderungskosten in den verschiedenen Phasen erheblich niedriger, wenn Entscheidungen nicht konventionell bzw. nicht rein intuitiv, sondern simulationsbasiert getroffen werden. Insofern können sich die höheren Anfangskosten für die Erstellung von Simulationsmodellen rentieren, vor allem wenn es sich um hochinvestive Entscheidungen in komplexen, dynamischen Systemen handelt. Um den Erfolg und die Nutzung von Simulationsmodellen weiter zu fördern, sollten sie bestimmte Eigenschaften aufweisen. Edwards stellte Merkmale zusammen, die ein praktikables und akzeptiertes Modell kennzeichnen (Edwards, 1983, S. 1032–1033): Verwendung bekannter Begriffe und Konzepte bzw. Erklärung neuartiger Elemente mit bekannten Begriffen und Konzepten, klare und präzise Ergebnisformulierung, so dass zusätzlich erforderliche Interpretationen auf ein Minimum reduziert werden, Verständlichkeit der grundlegenden Prinzipien des Modells gerade für NichtMathematiker, damit jedem Nutzer klar ist, wie sich das Modell verhält sowie Verwendung eines adäquaten Datenbestandes, der zeiteffizient und in einem angemessenen Genauigkeitsgrad erhoben wurde. 5.2 Arbeitsspezifisches systemdynamisches Personalplanungsmodell In diesem Kapitel kommen die bisher erarbeiteten, theoriebasierten Aspekte zur Anwendung. Es wird ein dynamisches Personalplanungsmodell (Kapitel 2) erstellt, welches nicht nur auf den quantitativen Personalbestand fokussiert, sondern ebenso auf den qualitativen Wert des Personals, d. h. auf den Humankapitalwert (Kapitel 3). Das Simulationsmodell wird entsprechend der methodischen Hinweise aus dem Kapi171
tel 5.1 erstellt und anschließend mit den Daten des Projektunternehmens (Kapitel 4) gespeist. Nach der Prüfung der Gültigkeit des Modells (Kapitel 5.2.4) werden im Kapitel 6 verschiedene Entscheidungsregeln experimentell bewertet und Handlungsstrategien vorgeschlagen. 5.2.1
Teil A: Alterskette für die quantitative Personalplanung
Entsprechend der Auswertung der projektunternehmensspezifischen Daten geht es um ca. 800 Personen, die in die Personalplanung einbezogen werden. Während die Vollzeitäquivalente des Mitarbeiterstammes nach Alter und Funktionsbereich aufgeteilt sind, werden die Auszubildenden als eine Gruppe erfasst. Erst bei Übernahme in den Mitarbeiterstamm erfolgt eine Zuteilung zu Funktionsbereichen entsprechend der Vergangenheitsdaten (Übernahmequoten). Die Einteilung in Altersklassen und Funktionsbereiche ermöglicht detailliertere Angaben zur Entwicklung der einzelnen Mitarbeiterbestände und damit zur Planung von altersgruppen- bzw. funktionsbereichsspezifischen Maßnahmen. Insofern gibt es im Mitarbeiterstamm fünf Altersklassen beginnend mit den 18-Jährigen und endend mit den 64-Jährigen, wobei jeder dieser Bestände zusätzlich in die drei Funktionsbereiche (entsprechend der bereits in Kapitel 3 beschriebenen Beschäftigtengruppen i) eingeteilt ist. Da diese Einteilungen (engl. subscripts) im folgenden System Dynamics-Modell grafisch nicht erkennbar sind (sondern sich nur an den Formeln ablesen lassen), soll die Abbildung 5-10 das Verständnis für diese zusätzlich verarbeiteten Indizes fördern. Funktionsbereich 3 Funktionsbereich 2 Funktionsbereich 1
Zugänge3 Zugänge2 Zugänge1
Mitarbeiterbestand in der Altersklasse 18- bis 24JährigerFunktionsbereich x
Transfer3 Transfer2
AK nIndex
Transfer1
Ausstiege3
Ausstiege1
Ausstiege2
Abbildung 5-10: Schematische Darstellung der Indexbildung Eigene Darstellung.
Alle Angehörigen einer definierten Altersklasse werden in die drei definierten Funktionsbereiche eingeteilt. Je nach Sinn der Indexbildung könnte hier genauso gut eine Einteilung z. B. nach Bildungsabschlüssen erfolgen. Allerdings ist die Entschei172
dung für zusätzliche Einteilungen der Bestände von der Anzahl der zu einer Altersklasse gehörenden Personen abhängig. „[T]he number of people in each group of staff should not be too small, or else the value of the outputs from the model becomes questionable” (Edwards, 1983, S. 1037). Ist die Entscheidung getroffen, werden sowohl die Bestands- als auch die Bewegungsgrößen sowie zusätzliche Konstanten (bspw. bei Verwendung unterschiedlicher Lernraten) und Hilfsgrößen in die Indizes (hier: Funktionsbereiche = FB) unterteilt. Die Bestände verändern sich in jeder Periode entsprechend der jeweiligen Zugänge, der Transfer- oder auch Alterungsraten und der Ausstiege. Die Aufmerksamkeit bei diesen Altersketten liegt demnach auf der quantitativen Veränderung der Personalstruktur einer Organisation (Jonker & Ziekemeyer, 2005, S. 372). Um die Übersichtlichkeit und Erklärbarkeit zu gewährleisten, wird das arbeitsspezifische System Dynamics-Modell nicht in seinem vollen Umfang, d. h. mit allen sechs Beständen und deren Zusammenhängen, dargestellt, sondern auszugsweise mit nur einem Bestand. Die mit diesem Bestand verbundenen Veränderungsraten und Zusammenhänge setzen sich symmetrisch für die anderen Bestände fort. Die Vollständigkeit des Modells lässt sich anhand der Formelliste im Anhang nachvollziehen. GesamtEinstellungen fracinFB
in Azubis
fracinFTE1824
+ + inFTE + 1824
Vz1824
Azubis
inFTE1824Ue + +
FTE1824
-
+
VzAzubis
-
outAzubis fracAzubisUe
out FTE1824 AG
+
+ fracout FTE1824 AG
+
-
to FTE2534 -
FTEn
+
out FTE1824 AN + fracout FTE1824 AN
Abbildung 5-11: Alterskette in System-Dynamics-Symbolik Quelle: Eigene Darstellung.
Aus den Daten des Projektunternehmens ergibt sich für jede Bestandsgröße und seine Indizes ein Anfangswert (Initialwert) für den 01.01.2005 (vgl. Abbildung 4-3). Zum Ende einer jeden Periode verändern sich die Bestandswerte. Der Bestand an Auszubildenden (‚Azubis’) erhöht sich in der Folgeperiode um die (vom Management) exogen vorgegebene Zahl neu einzustellender Auszubildender (‚inAzubis’) und reduziert sich um die Zahl der Ausbildungsabsolventen (‚outAzubis’), die sich als 173
Quotient aus dem periodenaktuellen Bestand (‚Azubis’) und der spezifischen Verzögerungszeit (‚VzAzubis’ = durchschnittliche Ausbildungszeit) bestimmt. Azubis= INTEG (inAzubis-outAzubis, initAzubis) [Einheit: Personen]
(5.8)
mit: inAzubis=konst. [Einheit: Personen/Jahr]
(5.9)
outAzubis= Azubis/VzAzubis [Einheit: Personen/Jahr]
(5.10)
initAzubis=konst. [Einheit: Personen]
(5.11)
Der Bestand der Altersklasse 18-24-Jähriger (‚FTE1824’) verändert sich simultan in ähnlicher Weise. Er erhöht sich zum einen um die Anzahl der Zugänge vom externen Arbeitsmarkt (‚inFTE’), die sich aus dem Produkt aus exogen vorgegebenen Gesamtzugängen pro Periode, der altersgruppenspezifischen Zugangsquote (‚fracinFTE1824’) sowie der funktionsbereichsspezifischen Zugangsquote (‚fracinFB’) ergibt. Zum anderen erhöht sich der Bestand um die Zahl übernommener Ausbildungsabsolventen (‚inFTE1824Ue’), die sich multiplikativ durch die Zahl der Ausbildungsabsolventen (‚outAzubis’) und einer Übernahmequote (‚fracAzubisUe’) errechnet. Diese Übernahmequote wird wie alle anderen Flussraten nach den Indizes eingeteilt; im einfachsten Fall erfolgt eine Übernahme gleichverteilt in die Funktionsbereiche. Die folgenden Bestände (‚FTE…’) steigen nicht durch die Übernahme von Ausbildungsabsolventen, sondern durch die Aufnahme der der vorangegangenen Altersklasse „entwachsenen“ Mitarbeiter (‚toFTE…’). Darüber hinaus reduziert sich der Bestand durch die Zahl der Abgänge (‚outFTE’), die sich als Produkt aus dem jeweils periodenaktuellen Bestand (‚FTE…’) und den spezifischen Ausstiegsquoten (‚fracout’) bestimmt. Diese Ausstiegsquoten ergeben sich aus den Vergangenheitsdaten des Projektunternehmens und wurden getrennt nach arbeitgeber-getriebenen Ausstiegen (Suffix AG) und arbeitnehmergetriebenen Ausstiegen (Suffix AN) im Modell integriert. Schließlich reduziert sich der Bestand durch die Transferrate (‚toFTE’). Diese Transferraten verbinden die Bestandsgrößen miteinander, so dass hierdurch der Prozess des Alterns der Mitarbeiter nachgebildet wird. Die Mitarbeiter, die einer Altersklasse „entwachsen“, gehen mit einer sich aus der Klassenbreite ergebenen Transferquote (‚Vz’) auf die nächste Altersklasse über. Das bedeutet bei einer Verzögerungszeit (‚Vz’) von 10 Jahren, dass 10% des Bestandes in 174
der darauf folgenden Periode der nächst höheren Altersklasse angehören. Als Gleichung ergibt sich beispielhaft für den Bestand ‚FTE1824’: FTE1824[FB]=INTEG (inFTE1824Ue[FB]+inFTE1824[FB] -outFTE1824AG[FB]-outFTE1824AN[FB]-toFTE2534[FB], initFTE1824[FB]) [Einheit: Personen]
(5.12)
mit: inFTE1824[FB]=GesamtEinstellungen*fracinFB[FB]*fracinFTE1824[FB] [Einheit: Personen/Jahr]
(5.13)
inFTE1824Ue[FB]=fracAzubisUe[FB]*outAzubis [Einheit: Personen/Jahr]
(5.14)
outFTE1824AG[FB]=fracoutFTE1824AG[FB]*FTE1824[FB] [Einheit: Personen/Jahr]
(5.15)
outFTE1824AN[FB]=fracoutFTE1824AN[FB]*FTE1824[FB] [Einheit: Personen/Jahr]
(5.16)
toFTE2534[FB]=FTE1824[FB]/Vz1824 [Einheit: Personen/Jahr]
(5.17)
initFTE1824[FB]=konst.[FB] [Einheit: Personen]
(5.18)
Der Bestand ist also durch zwei Zuflüsse und drei Abflüsse charakterisiert. Alle Veränderungen erfolgen simultan. Weiterhin zeigen sich in diesem Modellausschnitt allein vier negative Rückkopplungsschleifen (vgl. Abbildung 5-11). Diese sind durch die 270°-Pfeile mit dem Negativzeichen symbolisiert. Beispielsweise heißt es: Je größer die Zahl der Ausbildungsabsolventen, desto kleiner ist ceteris paribus der Bestand an Auszubildenden in der Folgeperiode. Die Bestandsveränderungen haben Einfluss auf die Höhe des Humankapitalwertes. Um die Auswirkungen dieser Veränderungen auf diesen Wert aufzuzeigen, wird im folgenden Abschnitt die Cottbuser Formel als Coflow in das Modell integriert. „The co-flow idea offers an integrated approach to the process of improving the firm’s quality across its entire range of resources” (Warren, 2000, S. 51). 5.2.2
Teil B: Humankapital-Coflow
Die im Kapitel 3 hergeleitete Cottbuser Formel besteht aus zwei Teilen: dem aggregierten Fachwissen und dem aggregierten Erfahrungswissen. Beide Teile sind pesonalimmanente Attribute, deren Werte sich proportional zu den endogen determinierten 175
Veränderungen des Personalbestandes wandeln. Entsprechend der allgemeinen Erläuterung zum Coflow sind beide Wissensarten als separate Coflows in das Modell zu integrieren. Beginnend mit dem Fachwissens-Coflow zeigt sich folgende, aus der Cottbuser Formel ergebende, Modellstruktur: In Übereinstimmung mit der Alterskette des Mitarbeiterstammes hat der Fachwissens-Coflow fünf Bestände96, wobei in der Abbildung 5-12 aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die Verknüpfungen mit der jüngsten Altersklasse aufgezeigt werden. Auch hier setzt sich für alle anderen Fachwissensbestände die Struktur symmetrisch fort. Der zur Altersklasse FTE1824 parallele Bestand an Fachwissen (‚FW1824’) erhöht sich durch den Zufluss neu eingestellter Mitarbeiter (‚inFTE1824’), bewertet mit dem funktionsbereichsspezifischen Entgelt (‚L’), die übernommenen Ausbildungsabsolventen, bewertet mit dem funktionsbereichsspezifischen Entgelt (‚L’) sowie den Zufluss von Personalentwicklungsmaßnahmen (‚inFW1824PE’), bewertet mit den jeweils anteiligen Personalentwicklungskosten. Die nachfolgenden Wissensbestände (‚FW…’) erhöhen sich zusätzlich durch den Transfer der älter werdenden Personen (‚toFW…’). Dieser Transferwert des Fachwissens ergibt sich durch die Anzahl der Personen, die der vorangegangenen Altersklasse „entwachsen“ (‚toFTE2534’) sind, multipliziert mit dem aktuellen Durchschnittswert des Fachwissens (‚avgFW1824’). Daneben reduziert sich der Fachwissens-Bestand (‚FW1824’) um den Wert der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege (‚outFW1824AG’ bzw. ‚outFW1824AN’), der sich als Produkt aus der Zahl ausscheidender Personen (‚outFTE1824AG’ bzw. ‚outFTE1824AN’) und dem aktuellen Durchschnittswert des Fachwissens der Altersklasse (‚avgFW1824’) ergibt. Jede Person, die das Unternehmen verlässt, nimmt firmenspezifisches, d. h. funktionsbereichspezifisches Fachwissen mit.
96
176
Wie bereits im Kapitel 4 ausgeführt wurde, zählen Auszubildende seitens des Projektunternehmens nicht zum festen Mitarbeiterstamm. Auch wenn der Bestand an Auszubildenden für die Nachwuchsplanung relevant ist, wird er für die Coflow-Struktur nicht berücksichtigt. Dies kann gleichzeitig als projektkennzeichnende Annahme verstanden werden, nach der das mit der Ausbildungsvergütung bewertete Fachwissen sowie das während der Ausbildung erworbene firmenspezifische Erfahrungswissen vernachlässigbar ist. Erst die übernommenen Ausbildungsabsolventen tragen einerseits zum Fachwissen durch das dann geltende funktionsgruppenspezifische Entgelt und andererseits durch ihren Lernprozess zum Erfahrungswissen bei. Diese Annahme lässt sich für andere Projekte problemlos abwandeln.
durch den exponentiellen Zerfall des Wissens. Dieser Abschreibungswert ist, wie in Kapitel 3 hergeleitet, vom aktuellen Fachwissens-Bestand (‚FW1824’) sowie von der funktionsbereichsspezifischen mittleren Lebensdauer des Wissens (‚ w ’) abhängig. durch die alternden Mitarbeiter (‚toFTE2534’), die ihr Fachwissen im Wert des aktuellen Durchschnittswertes (‚avgFW1824’) in die nächst höhere Altersklasse mitnehmen.
out FW1824 AG
+
out FW1824 AN
+ +
w
+
+
FW1824
inFW1824Ue
+
+
FWn
to FW2534 + inFW1824 + PE
in FW1824
+
out FWA 1824
-
-
+ + avgFW1824
L
Vz1824
GesamtEinstellungen
inAzubis
+ inFTE1824 fracinFB + + fracinFTE1824
Azubis
inFTE1824Ue + +
FTE1824
-
VzAzubis
outAzubis fracAzubisUe
out FTE1824 AG
+
-
to FTE2534 -
+
+
FTEn
+
out FTE1824 AN
+ fracout FTE1824 AG
+ fracout FTE1824 AN
Abbildung 5-12: Fachwissens-Coflow in System-Dynamics-Symbolik Quelle: Eigene Darstellung.
177
Beispielhaft ergibt sich für den Bestand ‚FW1824’ folgende Gleichung: FW1824[FB]= INTEG (PE1824[FB]+inFW1824[FB]+inFW1824Ue[FB] -outFW1824AG[FB]-outFW1824AN[FB]-outFWA1824[FB]toFW2534[FB], initFW1824[FB]) [Einheit: Euro]
(5.19)
mit: PE1824[FB]=PE*(FTE1824[FB]/FTEtotalFB[FB])97 [Einheit: Euro/Jahr]
(5.20)
inFW1824[FB]=L[FB]*inFTE1824[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.21)
inFW1824Ue[FB]=inFTE1824Ue[FB]*L[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.22)
outFW1824AG[FB]=avgFW1824[FB]*outFTE1824AG[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.23)
outFW1824AN[FB]=avgFW1824[FB]*outFTE1824AN[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.24)
outFWA1824[FB]=FW1824[FB]*(1/w[FB]) [Einheit: Euro/Jahr]
(5.25)
toFW2534[FB]=avgFW1824[FB]*toFTE2534[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.26)
avgFW1824[FB]=FW1824[FB]/FTE1824[FB] [Einheit: Euro/Personen]
(5.27)
initFW1824[FB]=initFTE1824[FB]*L[FB] [Einheit: Euro]
(5.28)
97
178
Mit dieser Formel gehen die Gesamt-Personalentwicklungskosten des Unternehmens funktionsbereichsspezifisch und entsprechend der Personenzahl in der jeweiligen Altersklasse anteilig den FachwissensBeständen zu. Als Beispiel: In der Altersklasse 18-24-Jähriger gibt es 50 Personen im Funktionsbereich 1 (‚FTE1824’). Diese Zahl wird ins Verhältnis gesetzt zu allen Mitarbeitern im Funktionsbereich 1 (‚FTEtotalFB’). Die sich daraus ergebene Prozentzahl wird dann multipliziert mit den Gesamt-Personalentwicklungskosten und fließt entsprechend dem Funktionsbereich 1 innerhalb des Bestandes FTE1824 zu.
In gleicher Weise ergibt sich entsprechend der Cottbuser Formel der Erfahrungswissens-Coflow, der ebenfalls zur besseren Übersicht nur anhand des ersten Bestandes erläutert wird. Der Erfahrungswissens-Bestand erhöht sich gemäß Cottbuser Formel durch die Lernvorgänge und sinkt aufgrund der Ausstiege der Vollzeitäquivalente. Der Zufluss an Erfahrungswissen der 18- bis 24-Jährigen (‚inEW1824LR’) ergibt sich als Produkt aus dem Fachwissens-Bestand (‚FW1824’), dem Gewichtungsfaktor (‚beta’), der den Wert des Erfahrungswissen zum Wert des Fachwissens ins Verhältnis setzt, der Lernrate (‚lambda’) sowie dem mittleren Lebensalter der Altersklasse (‚A1824’). Die nachfolgenden Erfahrungswissens-Bestände erhöhen sich zusätzlich durch die alternden Personen, deren Erfahrungswissens-Wert (‚toEW2534’) durch den aktuellen Durchschnittswert des Erfahrungswissens (‚avgEW1824’) und die Zahl der alternden Personen (‚toFTE2534’) determiniert ist. Der Erfahrungswissens-Bestand reduziert sich wiederum durch die arbeitgeber(‚outFTE1824AG’) bzw. Arbeitnehmer-getriebenen (‚outFTE1824AN’) Ausstiege der Mitarbeiter. Beide Werte, die sich aus der Alterskette endogen ergeben, werden mit dem aktuellen Durchschnittswert des Erfahrungswissens (‚avgEW1824’) sowie dem Externalisierungsgrad des Erfahrungswissens (‚epsilon’) multipliziert und bestimmen so den Wert des Erfahrungswissensverlustes (‚outEW1824AG’ bzw. ‚outEW1824 AN’). Zusätzlich sinkt der Bestand (‚EW1824’) durch die alternden Mitarbeiter (‚toFTE2534’), die Erfahrungswissen im Wert des aktuellen Durchschnittswertes (‚avgEW1824’) in die nächst höhere Altersklasse mitnehmen. Die in der Abbildung 5-13 dargestellten Verknüpfungen sind wie folgt formuliert: EW1824[FB]= INTEG (inEW1824LR[FB] -outEW1824AG[FB]-outEW1824AN[FB]-toEW2534[FB], initEW1824[FB]) [Einheit: Euro]
(5.29)
mit: inEW1824LR[FB]=beta*FW1824[FB]*lambda[FB]*A1824^(lambda[FB]- 1)*alpha [Einheit: Euro/Jahr] (5.30) outEW1824AG[FB]=avgEW1824[FB]*outFTE1824AG[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.31)
outEW1824AN[FB]=avgEW1824[FB]*outFTE1824AN[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.32)
toEW2534[FB]=avgEW1824[FB]*toFTE2534[FB] [Einheit: Euro/Jahr]
(5.33) 179
avgEW1824[FB]=EW1824[FB]/FTE1824[FB] [Einheit: Euro/Personen]
(5.34)
initEW1824[FB]=beta*initFW1824[FB] [Einheit: Euro]
(5.35)
GesamtEinstellungen inAzubis
fracinFTE1824
Azubis
Vz1824
+ + inFTE1824
fracinFB
+
-
inFTE1824Ue + +
FTE1824
+ -
outAzubis fracAzubisUe
VzAzubis
+
-
to FTE2534 -
out FTE1824 AG
+
FTEn
+
out FTE1824 AN
+ fracout FTE1824 AG
+ fracout FTE1824 AN avgEW1824 + + + out EW182 4AN
+ out - EW182 4AG +
epsilon
+
EW1824
lambda A1824
+ in + EW1824 + LR -
Abbildung 5-13: Erfahrungswissens-Coflow in System-Dynamics-Symbolik Eigene Darstellung.
180
+
to EW2534
beta
<epsilon>
EWn
out FW1824 AG
+
out FW1824 AN
+ +
w
+ out FWA 1824
-
FW1824
+
+ inFW1824Ue
+
FWn
to FW2534 + inFW1824 + PE
in FW1824
+
-
+ + avgFW1824
L
inAzubis
Vz1824
in FTE1824 fracinFB + + fracinFTE1824
GesamtEinstellungen +
Azubis
inFTE1824Ue + +
FTE1824
-
-
out FTE1824 AG
outAzubis fracAzubisUe
VzAzubis
+
-
to FTE2534 -
+
+
FTEn
+
out FTE1824 AN
+ fracout FTE1824 AG
-
+ fracout FTE1824 AN
avgEW1824 +
+ epsilon
-
+ out EW1824 AG
+ + out EW1824 AN
EW1824
+
<epsilon>
+
EWn
to EW2534 beta lambda A1824
+ in + EW1824 + LR -
Abbildung 5-14: Simulationsmodell in System-Dynamics-Symbolik Quelle: Eigene Darstellung.
181
Die zusammenhängende Struktur für die erste Bestandsgröße ist in der Abbildung 5-14 dargestellt. Die vielen Verbindungen zeigen, dass flussgrößenunabhängige Alters- und Personalstruktur-Hochrechnungen ebenso wie isolierte Humankapitalwertberechnungen keine solide Entscheidungsgrundlage sein können. Letztlich ergibt sich aus der Summe aller Bestände des Fachwissens und des Erfahrungswissens der Humankapitalwert des Projektunternehmens, und zwar endogen und dynamisch. Mit dem Simulationsmodell lässt sich die zukünftige Entwicklung des Humankapitalwertes prognostizieren. Auswirkungen einer reduzierten Einstellungspolitik, einer erhöhten Freisetzungspolitik oder/ und einer eingeschränkten Personalentwicklungspolitik lassen sich damit am Modell noch vor der Umsetzung bewerten. Damit ist die systemdynamische Bewertung des Humankapitals mittels der Cottbuser Formel im Sinne des Humankapitalmanagements hauptsächlich ein zweckmäßiges Instrument für die Personal- bzw. Unternehmenspolitik. Das in dieser Arbeit entwickelte Simulationsmodell beschränkt sich auf derzeit sehr aktuelle, personalbezogene Forschungs- und Praxisthemen, und zwar auf die Umsetzung einer soliden und dynamischen Alters- und Personalstrukturprognose in Zeiten des demografischen Wandels sowie auf die Entwicklung einer quantitativen, dynamischen und zukunftsorientierten Humankapitalwertberechnung, die die elementaren Schwachstellen der Saarbrücker Formel verbessert. Aufgrund dieser Fokussierung bezieht das Modell keine zusätzlichen Variablen aus dem In- und Umsystem des Projektunternehmens mit ein, sondern ist klar abgegrenzt. 5.2.3
Modellgrenzen und Rahmenparameter
Martin argumentierte: Es gibt keine Möglichkeit, einen derart komplexen Gegenstand wie das Personalgeschehen umfassend abzubilden. Es geht nicht ohne eine Auswahl, „um die man sich dann aber auch – befreit vom Zwang, alle Erkenntniswünsche befriedigen zu wollen – intensiver kümmern kann“ (Martin, 2006, S. 31). Die nachfolgende Abbildung 5-15 gibt einen Überblick über den Wirkungsbereich des Simulationsmodells und erfasst die im Modell endogen bzw. exogen einbezogen sowie unberücksichtigten Schlüsselvariablen. Entsprechend der Zielstellung dieser Arbeit werden die zukünftige Personalstruktur und der Humankapitalwert endogen errechnet. Mit dieser dynamischen Simulation der Personalstruktur und des Humankapitalwertes sowie der geschaffenen, endogenen Abhängigkeit beider Teilbereiche geht das vorliegende Simulationsmodell weit über bisherige Ansätze hinaus. 182
Endogene Variablen
Humankapitelwert [Euro] Wert des Fachwissens [Euro] Wert des Erfahrungswissens [Euro] Durchschnittliches Erfahrungswissen [Euro] Anzahl der Vollzeitäquivalente (FTE) Personalbedarf Gesamteinstellungen für Bedarfsdeckung Anzahl ausgeschiedener Vollzeitäquivalente Altersdurchschnitt
Exogene Variablen
Anzahl der Einstellungen von Azubis Lernraten Mittlere Lebensdauer des Wissens Gewichtungsfaktor Erfahrungswissen Jahresbruttoentgelt Personalentwicklungskosten Ausstiegsquoten und Übernahmequoten Verteilungsquoten Neueingestellter
Ausgeschlossene Variablen
Kapitalstock des Projektunternehmens Image des Projektunternehmens Wettbewerbersituation Fachkräfteangebot externer Arbeitsmarkt Produktionskapazität Produktnachfrage (auch in Abhängigkeit gesetzlicher Reformen sowie der Produktqualität)
Abbildung 5-15: Endogene, exogene und ausgeschlossene Modellvariablen Quelle: Eigene Darstellung.
Die exogenen Modellvariablen sind von den anderen Modellvariablen unabhängig und werden als konstante Werte vorgegeben. Allerdings ist es durchaus möglich, für verschiedene Szenarien unterschiedliche Werte ein und derselben Variablen zu berücksichtigen. Beispielsweise können Lernraten und die mittleren Nutzungszeiten des Wissens zum einen für die Funktionsbereiche unterschiedlich verändert und zum anderen an neuere (empirische) Erkenntnisse angepasst werden. Da erst die Erkenntnis über die mittel- bis langfristige Entwicklung eines Systems eine adäquate Personalpolitik im Sinne einer zielgerichteten Gestaltung der Alters- und Qualifikationsstruktur ermöglicht (Salge & Strohhecker, 2008, S. 207), beträgt der Zeithorizont des Simulationsmodells 20 Jahre. Beginnend mit den Werten des Stichtages 31.12.2004 (entspricht dem Anfangsbestand des Jahres 2005) endet der Simulationszeitraum im Jahr 2025. Damit ist gewährleistet, dass jede Altersklasse mit einer Klassenbreite von 10 Jahren zweimal komplett durch neue oder alternde Vollzeitäquivalente ausgetauscht wird. Der Bestand an Auszubildenden (Verzögerungszeit von 2,6 Jahren) wird sogar ca. siebenmal und der FTE-Bestand der 18- bis 24-Jährigen (Klassenbreite von 7 Jahren) ca. dreimal im Simulationszeitraum ersetzt. Da systemdynamische Modelle zeitkontinuierlich formuliert und durch numerische Integration gelöst werden, ist die Festlegung der Integrationsmethode und des Zeitschritts dt erforderlich. Die meisten Softwarelösungen für systemdynamische Modelle beinhalten das Euler- sowie das Runge-Kutta-Verfahren (Barton & Tobias, 1998, S. 86). Im vorliegenden Simulationsmodell wird die einfachste Methode, die Euler Integration, verwendet, die für die Mehrzahl der Anwendungen der Systemdynamik völlig ausreichend ist (ausführliche Erklärungen siehe Bossel, 2004, S. 131; Strohhecker, 2008a, S. 160 f.). Ihr Einsatz ist allerdings ein Kompromiss zwischen numerischer Genauigkeit und erforderlicher Rechenzeit – „ein Kompromiss, der allerdings nur bei rechenintensiven Modellen relevant wird“ (Milling, 2008, S. 214). Bei diesem EulerVerfahren wird vorausgesetzt, dass die Veränderungsraten während des infinitesimalen Zeitschritts dt bis zum Ende der Periode konstant auf dem Wert zu Beginn 183
der Periode verbleiben (Bossel, 2004, S. 131). Aus dieser Annahme kann sich ein numerischer Fehler ergeben, da sich in der Realität die Raten zwischenzeitlich ändern können (ebenda). Je kleiner der Zeitschritt dt gewählt wird, desto kleiner ist der Fehler (ebenda). Der passende Zeitschritt lässt sich mit dem Integrationsfehlertest98 finden. Der Zeitschritt beträgt im Simulationsmodell dt=1; die Zeiteinheit des Modells ist auf ‚Jahr’ festgelegt. Das bedeutet, dass pro Jahr die Modellstruktur nur einmal durchlaufen wird. Da das Modell beim halbierten Zeitschritt dt=0,5 kein verändertes Verhalten zeigt, ist dt=1 als modelladäquat zu bezeichnen. Der Integrationsfehlertest gilt damit als bestanden (Milling, 2008, S. 214). 5.2.4
Überprüfung des Modells und des Modellverhaltens
Wie bei der wissenschaftlichen Theoriebildung lässt sich auch die Richtigkeit eines Modells prinzipiell nicht beweisen, so dass höchstens von der Gültigkeit für den Modellzweck gesprochen (Bossel, 2004, S. 61) und dessen Plausibilität und Sinn überprüft werden kann (Sterman, 2004, S. 846). Ein Modell ist und bleibt nur eine begrenzte und vereinfachte Darstellung der realen Welt (Jonker & Ziekemeyer, 2005, S. 372). Neben dem enormen Erstellungsaufwand sind es deshalb oft Akzeptanzprobleme der planenden Praxis, die einer größeren Verbreitung des Einsatzes quantitativ ausgerichteter Simulationsverfahren entgegenstehen (Oechsler, 2006, S. 169). Mit verschiedenen Tests lässt sich allerdings das Vertrauen in die formulierten Zusammenhänge erhöhen. Da das Modellverhalten aus der Modellstruktur abgeleitet und erklärt wird (Milling, 1996, S. 1841 f.), gilt es, diese wissenschaftlich einwandfrei herzuleiten. Die Struktur des vorliegenden Simulationsmodells ergibt sich für die Alterskette ähnlich der demografischen Grundgleichung und für die Coflows aus der theoriebasierten Cottbuser Formel. Letztere wurde umfassend im Kapitel 3 hergeleitet. Der bei der Modellbildung und Simulation häufig vorgebrachte Vorwurf der Subjektivität (Bossel, 2004, S. 63) kann mit diesem theoriebasierten Vorgehen ausgeräumt werden. Auch die Dimensionen-Konsistenz, die bei Nichtvorhandensein auf Formfehler hinweist, konnte bereits im Kapitel 3 nachgewiesen werden. Die Abbildung der Beziehungen zwischen den Variablen im Simulationsmodell ist dementsprechend ebenfalls Dimensionen-
98
184
Sterman, 2004, S. 872: „The results of your model should not be sensitive to the choice of time step or integration method; the wrong time step or integration method can introduce spurious dynamics into your model. Always test for such “DT error” by cutting the time step in half and running the model again. If the results change in ways that matter, the time step was too large.” Ausführlich zum Integrationsfehlertest vgl. Sterman, 2004, S. 872-874.
konsistent. Die Softwarelösungen für systemdynamische Modelle beinhalten automatisierte Dimensionsanalysen, die mit einem einzigen Kommando abgerufen werden können (Sterman, 2004, S. 866). Die Plausibilität des Modellverhaltens soll nachfolgend geprüft werden. Die Werte der exogenen Variablen des Modells werden so gewählt, dass sich die Anzahl der Vollzeitäquivalente im stabilen Gleichgewicht befindet. Auf diese Weise sind die Auswirkungen einzelner Parameterveränderungen auf das Modellverhalten erklärbar. Dadurch kann vor Implementierung der realen Daten gezeigt werden, dass sich das Modellverhalten durch die Modellstruktur ergibt und nicht zufällig durch die realen Daten. 5.2.4.1 Verhaltenstest I Folgende Werte (für die einzelnen Funktionsbereiche FB) werden in das Modell eingegeben, um den Bestand der Vollzeitäquivalente sowie den Bestand des Fachwissens – je Altersklasse und insgesamt – stabil zu halten und die Entwicklung des Erfahrungswissens zu erklären:
185
Variable
Bedeutung
Wert(e)
initAzubis
Anfangsbestand an Auszubildenden
31
initFTE1824[FB1,FB2,FB3] initFTE2534[FB1,FB2,FB3] initFTE3544[FB1,FB2,FB3] initFTE4554[FB1,FB2,FB3] initFTE5564[FB1,FB2,FB3]
Anfangsbestände in jedem FB je Altersklasse
70,140,210 100,200,300 100,200,300 100,200,300 100,200,300
fracAzubisUe[FB1,FB2,FB3]
Verteilungsquoten der übernommenen Ausbildungsabsolventen auf die FB
0,0,0
fracoutFTEAKAG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTEAKAN[FB1,FB2,FB3]
AG-getriebene Ausstiegsquoten der FTE 0,0,0 im jeweiligen FB je Altersklasse AN-getriebene Ausstiegsquoten der FTE 0,0,0 im jeweiligen FB je Altersklasse
Anmerkung Wert hat aufgrund der Übernahmen von 0% keinen Einfluss auf den Rest des Modells zur Vereinfachung entsprechen die Werte einem Vielfachen der jeweiligen Klassenbreite
FTE verlassen nur rentenbedingt das Unternehmen
w[FB1,FB2,FB3]
Mittlere Lebenszeit des Wissens je FB
,,
1/w geht gegen 0
lambda[FB1,FB2,FB3]
Lernrate je FB
0,0,0
kein Wissenszuwachs durch Lernen
beta
Gewichtungsfaktor für Erfahrungswissen 4
Annahme
epsilon
Externalisierungsgrad des EW
0
EW geht durch Ausstieg vollständig verloren
GesamtPE
Personalentwicklungskosten
0
kein Wissenszuwachs durch PE
L[FB1,FB2,FB3]
Jahresbruttoentgelt je FB
10000,20000,30000
GesamtEinstellungen
gesamte Neueinstellungen
fracin[FB1,FB2,FB3]
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in den jeweiligen FB
1/6,1/3,1/2
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in die FB auf die einzelnen Altersklassen
1,1,1 0,0,0 0,0,0 0,0,0 0,0,0
fracinFTE1824[FB1,FB2,FB3] fracinFTE2534[FB1,FB2,FB3] fracinFTE3544[FB1,FB2,FB3] fracinFTE4554[FB1,FB2,FB3] fracinFTE5564[FB1,FB2,FB3]
60
die AK5564 verlassen pro Jahr 10% (Vz=10) FTE: laut Initialwerten gehen10(FB1)+20(FB2)+ 30(FB3)=60 Einzig die normalen Renteneintritte werden als Neueinstellungen nur in der AK1824 ersetzt und lt. fracin[FB] auf die FB verteilt
Abbildung 5-16: Variablenwerte für den Verhaltenstest I Quelle: Eigene Darstellung.
Entsprechend dieser Werteingaben verhält sich das Modell wie folgt: Die nicht praktizierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen FTE-Ausstiege führen dazu, dass alle Personen die komplette Alterskette durchlaufen und erst mit Erreichen des 65. Lebensjahres das Unternehmen rentenbedingt verlassen. Aufgrund der determinierten Klassenbreiten entwachsen der Altersklasse 1824 pro Jahr 1/7 Personen und den anderen Altersklassen 1/10 Personen, d. h. entsprechend der gewählten Anfangsbestände jeweils 10 Personen (FB1), 20 Personen (FB2), 30 Personen (FB3). Insofern gehen jedes Jahr 60 Personen in die nächst höhere Altersklasse über und es verlassen jedes Jahr 60 Personen rentenbedingt das Unternehmen. 186
Um einen konstanten FTE-Stamm zu gewährleisten, werden diese 60 Personen entsprechend der FB-spezifischen Verteilungsquoten ausschließlich in die Altersklasse 1824 eingestellt. Es findet keine Personalentwicklung und deshalb kein Fachwissenszuwachs statt. Der einzige Fachwissenszuwachs ergibt sich durch die pro Jahr neu eingestellten FTE, bewertet mit L. Es wird mit w = unterstellt, dass kein Fachwissen verloren geht. Da keine Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege stattfinden, erfolgt auch kein Fachwissensverlust. Da nur die alternden Vollzeitäquivalente das durchschnittliche Fachwissen in die nächst höhere Altersklasse mitnehmen, diese Vollzeitäquivalente aber simultan durch die gleiche Anzahl nachrückender Personen ersetzt werden (ebenfalls mit L bewertet), befindet sich der Fachwissensbestand im Gleichgewicht. Das Erfahrungswissen wird mit dem Anfangswert des Fachwissens gewichtet mit beta initialisiert. Da lambda=0, gibt es keinen periodischen Erfahrungswissenszuwachs. Da keine Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege stattfinden, geht kein Erfahrungswissen auf diesem Weg verloren. Der einzige Verlust des Bestandes an Erfahrungswissen ergibt sich durch die alternden Personen, die das durchschnittliche Erfahrungswissen in die nächst höhere Kohorte mitnehmen. Dieser Verlust an Erfahrungswissen fällt degressiv, da der periodische Wertverlust stets vom aktuellen Bestand an Erfahrungswissen abhängig ist. Der Verlauf ist exemplarisch für die Altersklasse 1824 in der Abbildung 5-17 dargestellt. Die mit der Altersklassen-Struktur zusammenhängenden Verzögerungen äußern sich in diesem Test im Erfahrungswissensverlust. In der Abbildung 5-17 „Verzögerte Wirkung in EW-Beständen in FB1 je AK“ zeigt sich, dass der Wertverlust in der Altersklasse 5564 aufgrund der nachrückenden alternden FTE erst sehr verzögert (Verzögerung 4. Ordnung) eintritt. Aufgrund des relativ kurzen Simulationszeitraums von 20 Jahren hinterlässt die Grafik „Erfahrungswissen nach FB“ in der Abbildung 5-17 den Eindruck, als würde sich der Bestand linear reduzieren. Bei Prüfung des langfristigen Verhaltens spiegelt sich der degressiv fallende Verlauf letztlich auch für die über die Altersklassen aggregierten Bestände wider. Entsprechend dem stabilen Gleichgewicht des Fachwissens und des abfallenden Erfahrungswissens sinkt der Humankapitalwert des Unternehmens im Simulationszeitraum ebenfalls degressiv.
187
Anzahl FTE je FB
Erfahrungswissen nach FB
2.000
200 M
3
1.000
2
500
3
3
2
3
2
3
2
3
2
2
3
3
2
3
2
3
2
3
2
2
3
3
2
2
2
3
150 M
3
Euro
Personen
3
1.500
0 2005
1
1
1
2007
2009
FTEtotalFB[FB1] : test01 FTEtotalFB[FB2] : test01 FTEtotalFB[FB3] : test01
1
1
2011
2013
1
1
1
2 3
1
2 3
1
1
2015 Jahr
2017
1 2
3
1
2019
1
1
1
2021
2023
1
1 2
3
1 2
3
1 2
3
1
1
0
2025
1
2 3
2 3
2
2
50 M
2005 1
2 3
1
3
3
3
1
2
1
2007
2
1
2009
2
3
1
1
2011
EWtotalFB[FB1] : test01 EWtotalFB[FB2] : test01
3
Wertverlust EW1824 durch FTE-Transfer
1
1
2013
2
23 4 5
4M 3M Euro
Euro
30 M 3
2
3
2
1
1
2
1
2007
2009 1
3
2
2 1
2011
2013
1 2
3 2 1
1
2 1
2015 Jahr
2017
3 1
3 2
2019
2 1
3 2 1
2021
EW1824[FB3] : test01
1 2
3 2
3 1
3
3 2
2023 3
2 1
2
34 5
2
1
2
1
2017
2019
3
3
1
1
2
2
1
1
2021
2023
EWtotalFB[FB3] : test01
345
3
45
45
4
5
3
5
2025 3
5
4
3
4
3
4
3
1
3
2
3
2
2M
1
2 2 1
2007
2009
2011
2013
2025 EW1824[FB1] : current EW2534[FB1] : current EW3544[FB1] : current
3
2
Fachwissen nach FB
2015 Jahr
2 3
1
2017
1
2019
1
2021
EW4554[FB1] : current EW5564[FB1] : current
1 2
1
2023
2025
4
4 5
3
HC, Fach- & Erfahrungswissen 400 M 1
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
1
300 M
3
1
Euro
3
Euro
1
2
2
0 2005
3 1
60 M
30 M 2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
3
1
1
2007
1
1
2009
FWtotalFB[FB1] : test01 FWtotalFB[FB2] : test01
1
1
2011
2013
1 2
1
1
2015 Jahr
2017
1
1
2019
1
2021
FWtotalFB[FB3] : test01
1 2
1
2
1
1
2023 3
1
1
3
3
1 3
1 3
1
3
1 3
1 3
1 3
1 3
1 3
1 3
100 M 1
2
2
2
2
2
2
2013
2015 Jahr
2
2
2
2
2017
2019
2
2
2
0
2025 3
1 3
200 M
2
2005
1
1
3
1
1
EW1824[FB1] : test01 EW1824[FB2] : test01
0
2
3
2
2005
15 M
3
2
1M
3
2
45 M
3
1
3
0
2
2015 Jahr
1
2
10 M
3
Verzögerte Wirkung in EW-Beständen in FB1 je AK
40 M
20 M
3
2
1 2
3
100 M 2
1
3
2005
2007
HCtotal : test01 FWtotal : test01
2009
1
1 2
2011 1
2
EWtotal : test01
1 2
3
2021 3
2023 3
2025 3
2
Abbildung 5-17: Simulationsergebnisse des Verhaltenstests I Quelle: Eigene Darstellung.
Das Modell verhält sich wie erwartet. Es verhält sich plausibel. Mit diesem Test konnte gezeigt werden, dass sich die Entwicklungen der Bestände endogen ergeben. 5.2.4.2 Verhaltenstest II In diesem Testlauf werden bis auf w dieselben Werte für die exogenen Variablen eingegeben wie im Verhaltenstest I. Die mittlere Lebenszeit des Wissens w je Funktionsbereich wird auf [10,10,10] determiniert. Damit hat vereinfachend jede Funktionsgruppe einen 10%-igen Wissensverlust je Periode.
188
Das Modell verhält sich entsprechend dieser Vorgaben wie folgt: Der FTE-Bestand bleibt nach wie vor in einem stabilen Gleichgewicht. Der Erfahrungswissensbestand nimmt nicht zu, da die Lernrate lambda=0 ist. Es finden weiterhin keine Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege statt, so dass der Erfahrungswissensbestand nur aufgrund der alternden FTE degressiv abfällt. Insofern entwickelt sich der Erfahrungswissensbestand wie im Verhaltenstest I. Zusätzlich zu dem nicht-linearen Verlust an Fachwissen innerhalb einer Altersklasse aufgrund der alternden FTE sinkt nun der Bestand aufgrund des Wissenszerfalls degressiv. Der Fachwissensbestand nähert sich erst zum Ende des Simulationszeitraumes einem neuen Gleichgewichtszustand auf wesentlich niedrigerem Niveau. Die unterschiedlichen Niveaus des Fachwissensbestandes (Vergleich Abbildung 5-18 „Fachwissen nach FB“) sind auf die ungleiche Anzahl an Vollzeitäquivalenten in den Funktionsbereichen zurückzuführen. Im Fall von 60 Ersatzeinstellungen reicht der Fachwissenszustrom allerdings nicht aus, um den Zerfall zu kompensieren. Auch im Test II verhält sich das Modell plausibel. Besonders hervorzuheben ist die deutlich erkennbare degressive Wissensabschreibung, die sich durch die endogenen Zusammenhänge auch auf den Verlauf des Humankapitalwertes auswirkt (Abbildung 5-18 „HC, Fach- & Erfahrungswissen“). Obwohl die Anzahl der Vollzeitäquivalente konstant bleibt, sinkt das Fachwissen. Sehr eindrucksvoll ist dies in der Abbildung 5-18 „FWtotal“ zu sehen: Während im Verhaltenstest I ein stabiles Gleichgewicht des Fachwissensbestandes des Unternehmens herrscht, sinkt er aufgrund des simulierten Wissenszerfalls nicht-linear. Erst zum Ende des Simulationszeitraumes deutet sich ein neues Gleichgewicht auf einem wesentlich niedrigeren Niveau an. Schlussfolgernd kommt hier die Bedeutung von Personalentwicklungsmaßnahmen zum Ausdruck. Es reicht eben nicht aus, nur für eine stabile Anzahl von Mitarbeitern zu sorgen. Der Wissensverlust durch Vergessen führt ceteris paribus zu einem sinkenden Humankapitalwert. In der Grafik „HCtotal“ (Abbildung 5-18) ist der Unterschied zwischen berücksichtigtem Wissenszerfall und unberücksichtigtem Wissenszerfall dargestellt.
189
Anzahl FTE je FB
Erfahrungswissen nach FB
2.000
200 M
3
1.000
2
3
3
2
3
2
3
2
3
2
2
3
3
2
3
2
3
2
3
2
2
3
3
2
2
2
3
150 M
3
Euro
Personen
3
1.500
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
2007
2009
FTEtotalFB[FB1] : test01 FTEtotalFB[FB2] : test01 FTEtotalFB[FB3] : test01
2011 1
2013 1
1
2 3
2015 Jahr
2 3
1 2
3
2017
2021
2023
1
0
2025
2005 1
2 3
2019
1 2
3
1 2
3
1 2
3
1 2
3
1 2
3
2
2
50 M
0 2005
3
3
1
1
2007
2
2
1
2009
1
1
2011
2013
EWtotalFB[FB1] : test02 EWtotalFB[FB2] : test02
3
1
3
2
1
3
3
2
2
1
1
2015 Jahr
3
3
2
1
2017
2
3
2
1
2019
3
2
3
2
1
1
2021
2023
EWtotalFB[FB3] : test02
1 2
1
3
1
2025 3
2
Fachwissen nach FB
FWtotal 80 M 1
45 M
60 M
1
Euro
3
3 3
2
2
1
0 2005
1
1
1
2
1
2007
3
2
1
2
1
2009
1
2011 1
2
3 2 1
2013
2 1
3 2 1
2015 Jahr
3
3
2
2 1
1
2017
2019
2 1
3
3 2
1
2021
1
1
1
1
2
2
1
1
1
2
2 1
1
2
2
2
2
2
2
0
2025
2005 3
2
20 M
3
2023
FWtotalFB[FB3] : test02
1 2
3
2007
2009
2011
2013 2015 2017 Time (Year)
3
FWtotal : test01
2
1
1
1
2019
2021
FWtotal : test02
1
HC, Fach- & Erfahrungswissen
2
2023 2
2025
2
HCtotal
400 M
400 M 1
1 1 3
325 M
1
3
1
3
3
200 M
1 3
3
1 3
1
1 2
1 2
1
1 2
1 3
1
3
1 3
1
3
1 3
1 3
100 M
Euro
1 3
1
1
2 2
250 M
1
1
2 2
2
1
1
1 2
2
2
2007
2009
0
HCtotal : test02 FWtotal : test02
1
2
1 2
2
2011 1
2
2
2015 Jahr
2
2
2
2017
2019
EWtotal : test02
1 2
2
2013
2
2
2
2021
2
2
2023
2025
3
3
2
1 2
1
2
1 2
100 M 2005
3
1
2
175 M 2
2005
1
2
40 M
2
3
2
1
FWtotalFB[FB1] : test02 FWtotalFB[FB2] : test02
300 M
1
2
30 M 15 M
1
2
3
Euro
2
1 2
3
60 M
Euro
3
100 M 2
500
3
2007
2009
2011
3
HCtotal : test01
1
1
1
1
2013 2015 2017 Time (Year)
2019
HCtotal : test02
2021 2
2023 2
2025
2
Abbildung 5-18: Simulationsergebnisse des Verhaltenstests II Quelle: Eigene Darstellung.
Obwohl sich der Fachwissensbestand zum Ende des Simulationszeitraumes einem neuen Gleichgewichtszustand nähert, ist dies beim Humankapitalwert nicht der Fall. Grund dafür ist, dass das Erfahrungswissen auch nach 2025 degressiv (aufgrund der stabilen Transferquote von 1/7 bzw. von 1/10) fällt.
190
5.2.4.3 Verhaltenstest III Der Test III soll schließlich zeigen, wie sich die Bestände entwickeln, wenn zusätzlich zum Test I die Lernrate lambda erhöht wird. Auch hier muss geklärt werden, ob das Modell plausibel auf die Veränderung reagiert. Die Lernrate wird für alle drei Funktionsbereiche auf 7% festgelegt. Das Modell verhält sich wie folgt: Wie im Verhaltenstest 1 befinden sich die FTE-Bestände sowie die Fachwissensbestände im stabilen Gleichgewicht. Die Lernrate von 7% ist ausreichend, um den Erfahrungswissensverlust durch alternde Vollzeitäquivalente auszugleichen. Der Vergleich der Bestandsveränderungen über die Zeit ist in der Abbildung 5-19 in „EWtotal“ dargestellt: Während im Test I der Bestand degressiv fällt, steigt er degressiv im Verhaltenstest III aufgrund des kontinuierlichen Lernens. Bei Prüfung des Verhaltens bei einem längeren Simulationszeitraum wird dieser Verlauf deutlich. Die Lernrate von 7% bewirkt, dass der gesamte Erfahrungswissensbestand über die Zeit degressiv steigt. Bei einem längeren Simulationszeitraum wird deutlich, dass „EWtotal“ nach ca. 80 Jahren einen neuen Gleichgewichtszustand erreicht. Das verzögerte Erreichen des neuen Gleichgewichts zeigt sich für jede Altersklasse in der Grafik „Erfahrungswissen über die AK“. Sobald sich der konstante EW-Zuwachs durch Lernen und der EW-Abfluss durch Alterung entsprechen, erreicht der Bestand wieder einen stabilen Zustand. Der in den theoretischen Ansätzen angenommene degressiv ansteigende Bestand an Erfahrungswissen wird in der Simulation verarbeitet. Dies zeigt die 1. Ableitung des Bestandes zu jedem Durchschnittsalter der Klasse (vgl. Abbildung 5-19 „Wissenszuwachs durch Lernen“). Auch in diesem Verhaltenstest lassen sich alle Verläufe plausibel erklären.
191
Fachwissen nach FB
Anzahl FTE je FB 60 M
1.500
3
1.000
2
2
1
1
500
3
3
3
2
3
2
1
3
2
2
2
1
1
1
2011
2013
1
3
3
3
2
3
2
3
2
1
1
2015 Jahr
2017
3
3
2
2
2
1
1
1
2021
2023
2
1
1
45 M
3
Euro
Personen
2.000
1
3
2007
2009
FTEtotalFB[FB1] : test01 FTEtotalFB[FB2] : test01 FTEtotalFB[FB3] : test01
1
1 2
3
1 2
3
1 2
3
15 M
2
0
1
2025
2005 1
2 3
2019
1
1
2 3
2
1
1
2
3
3
2 3
1 2
3
3
3
3
3
2
2
2
2
2
1
1
1
1
2011
2013
2
1
2007
1
2009
1
FWtotalFB[FB1] : test03 FWtotalFB[FB2] : test03
2 3
3
1 2
0
1
2005
1
1
2007
2
2
2
2
2
1
1
2011
2013
1
2009
EWtotalFB[FB1] : test03 EWtotalFB[FB2] : test03
2
2
1
2015 Jahr
1
1
1
2017
2019
2
2
2
2
2
2
1
1
1
1
2021
2023 3
2
2
2
1
1
2015 Jahr
2017
1
2
1
2019
2
1
2
5 2 3 4
2
4
3
3
3
45
2
3
2
4
3
2
3
2
3
2
2
1 1
1
1
1
1
2
1
1
1
2007
2009
1
1
2011 1
2015
EW1824[FB2] : test03 EW2534[FB2] : test03 EW3544[FB2] : test03
2025
2035 2045 Time (Year)
1
1
1
2 3
2055
1
2023 3
1
2025 3
2
1
1
2
1
1
2
2
2
2
1
1
1
1
2019
2021
EWtotal : test03
2
2023 2
2025
2
AK1824
AK2534
AK3544 Lebensalter
AK4554
AK5564
4
4 5
3
HCtotal 600 M
450 M
3
1
1 3
3
3
3
1
1
1 3
3
1
1 3
3
3
1
1
3
3
450 M Euro
3
3
1
1
1
1
1
1
150 M
2005
2
2013 2015 2017 Time (Year)
HC, Fach- & Erfahrungswissen
0
1
2021
2075
600 M
300 M
2
40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0
1
2065
EW4554[FB2] : test03 EW5564[FB2] : test03
1 2
1
1
0 2005
2
Wissenszuwachs durch Lernen 5
4
Euro/Jahr
3
1
2
2
2
3
5
5
4
4
4 5
30 M
3
0
2025
Erfahrungswissen über die AK 5
3
1
1
EWtotal : test01
5
3
100 M
2
40 M
Euro
3
2
200 M
2005
EWtotalFB[FB3] : test03
1 2
2
2
2 1
2 1
3
3
3
3
3
3
3
Euro
Euro
3
3
3
3
3
3
3
100 M
Euro
3
EWtotal
300 M
200 M
300 M
2
2 1
2 1
1
2
2 1
1
2
2
1
1
2
2
1
1
2
1
2
2
1
1
2
2
1
1
1
150 M 2
2
2
2007
HCtotal : test03 FWtotal : test03
2
2009
1
1 2
2
2011 1
2
2
2013
2015 Jahr
2
2
2
2017
2019
EWtotal : test03
1 2
2
2
2
2
2021
2
2
2023
2025
0 2005
3
3
3
2007
2009
2011
3
HCtotal : test01
Abbildung 5-19: Simulationsergebnisse des Verhaltenstests III Quelle: Eigene Darstellung.
192
3
400 M
300 M
10 M
3
FWtotalFB[FB3] : test03
1 2
Erfahrungswissen nach FB 400 M
20 M
3
30 M
0 2005
3
1
1
1
1
2013 2015 2017 Time (Year)
2019
HCtotal : test03
2021 2
2023 2
2
2025
5.2.5
Resümee zum systemdynamischen Personalplanungsmodell
Mit Hilfe diverser Tests können strukturelle Fehler in Simulationsmodellen aufgedeckt und in iterativen Prozessen beseitigt werden. Für das vorliegende Modell kann auf Basis der durchgeführten Prüfungen festgestellt werden, dass es stabil läuft und endogen sehr plausibel auf die Eingabe unterschiedlicher Variablen reagiert. Sehr eindrucksvoll kann in diesen Gleichgewichtstests gezeigt werden, dass in dynamischen Systemen komplexe Interaktionen zwischen den Variablen auftreten. Zudem zeigen die Zeitverzögerungen, dass sich Gesamtwirkungen auf das System erst mittel- bis langfristig äußern können. Die hohe Modellstabilität erklärt sich aufgrund der hauptsächlich enthaltenen negativen Rückkopplungsschleifen, die das System bei Veränderungen immer wieder in ein stabiles Gleichgewicht bringen (Sterman, 2004, S. 906). Aktuell stehen keine praktischen Ansätze für eine dynamische Personalplanung mit kombinierter Humankapitalwertberechnung zur Verfügung. Häufig werden stattdessen lineare, kurzfristig orientierte und statische Ansätze genutzt, die der realen Dynamik und Komplexität nicht entsprechen. Ein System-Dynamics-Modell kann insofern das Management methodisch unterstützen, den Einfluss verschiedener personalbezogener Entscheidungsregeln zu erklären und die Schlüsselfaktoren zu determinieren (Hafeez, Aburawi, & Norcliffe, 2004, S. 14). 5.3 Kapitelfazit Die Aufgabe bestand in der Herleitung des systemdynamischen Simulationsmodells zur Personalplanung. Dazu wurden im Abschnitt 5.1 die wesentlichen Aspekte zum System-Dynamics-Ansatz erläutert. Dessen historische Anfänge standen ebenso im Fokus wie die Einordnung in wissenschaftliche Disziplinen und die Erarbeitung der für diese Arbeit wesentlichsten Modellbausteine (Rückkopplungen, Bestands- und Flussgrößen sowie Verzögerungen). Zwei besondere Strukturen, die sich aus der Kombination dieser Bausteine ergeben und zu den grundlegenden Strukturen in systemdynamischen Modellen gehören, sind die Altersketten und Coflows. Der allgemeine Aufbau dieser Strukturen sowie der Einfluss der Alterskette auf die Coflows wurden beschrieben. Die abschließende Bewertung des systemdynamischen Ansatzes zeigte wesentliche Vorteile des Ansatzes und seine Grenzen auf. Obwohl systemdynamische Modelle nur Modelle und damit Vereinfachungen der realen Welt sind, die Modellerstellung oft sehr zeitaufwändig und die Einbindung qualitativer Faktoren nur über deren (oft schwierige bzw. ungenaue) Quantifizierung möglich ist, sind sie anderen Modellen sehr häufig überlegen. Zum einen fördern die Kausalschleifen- sowie Bestands- und Flussgrößen-Diagramme das Verständnis über die Systemzusammenhän193
ge, zum anderen begünstigt die Formelsprache die Präzision, Objektivität und Nachvollziehbarkeit der Modelle. Darüber hinaus sind systemdynamische Modelle theoretisch fundiert, sie verarbeiten die Komplexität und Dynamik eines Systems, sind zukunftsorientiert, bilden die Entwicklung des Systems über die Zeit grafisch ab und erlauben Experimente, mit denen Maßnahmeneffekte bewertet und teure Fehlentscheidungen vermieden werden können. Im Abschnitt 5.2 wurde schließlich der Aufbau des Simulationsmodells vorgestellt. Anhand der Betrachtung einer Bestandsgröße, wurden die Veränderungsgrößen sowie Verknüpfungen zu den Coflows grafisch und mathematisch beschrieben. Die Alterskette bildet die Personalstruktur des Projektunternehmens ab. Beginnend mit einem Bestand an Auszubildenden besteht diese Alterskette aus fünf weiteren Personalbeständen, die sich aus den Altersklassen ergeben. Im Hinblick auf eine zusätzlich zum Alter mögliche Differenzierbarkeit der Vollzeitäquivalente wurden diese fünf Bestände sowie die zugehörigen Flussgrößen nach den Funktionsbereichen untergliedert. Damit sind quantitative Aussagen sowohl über die Altersstruktur als auch über die Personaldeckung im Gesamtunternehmen und den einzelnen Funktionsbereichen möglich. FW-Verlusti in €/Jahr, abhängig von FWi [+], FTEi [-], FTEiout [+]
-
FW-Zerfalli
-
FW-Zuwachsi
+
in €/Jahr, abhängig von w~i [-], FWi [+]
Wert Fachwisseni
+
in €/Jahr, abhängig von FTEiin [+], Li [+]
Personalentwicklungskosteni
+
HumankapitalwertCF
in €/Jahr
EW-Verlusti in €/Jahr, abhängig von EWi [+], FTEi [-], FTEiout [+], İi [-]
-
EW-Zuwachsi
+
+ Wert Erfahrungswisseni
in €/Jahr, abhängig von Ai [-], λi [+], FW [+], β [+] Legende:
+
-
positiver Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in die gleiche Richtung negativer Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in entgegengesetzte Richtung
Abbildung 5-20: Zusammenhänge der Variablen in der Cottbuser Formel Anmerkung: Die Variablenkürzel entsprechen denen, die in der Cottbuser Formel (CF) verwendet und detailliert im Kapitel 3 besprochen wurden. Quelle: Eigene Darstellung.
Diese Alters- und Personalstruktur hat Auswirkungen auf den Humankapitalwert, der sich aus der hergeleiteten Cottbuser Formel endogen errechnet. Die Grobstruktur dieser Berechnung des Humankapitalwertes ist in der Abbildung 5-20 noch einmal dargestellt. Trotz der vereinfachten Darstellung werden die Wechselwirkungen zwischen 194
den einzelnen Variablen ebenso deutlich wie die konsequente Formulierung bestandsverändernder Flussgrößen (Euro/Jahr). Anschließend wurden die Modellgrenzen und -rahmenparameter beschrieben sowie die Plausibilität des Modellverhaltens im stabilen Gleichgewicht anhand drei verschiedener Tests geprüft. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass das Verhalten logisch und erwartungsgemäß ist. Das Modell läuft stabil. Die bisherigen theoretischen und methodischen Ausarbeitungen sind in diesem Kapitel in dem dynamischen Simulationsmodell zusammengeführt worden. Das folgende Kapitel ist schließlich der Anwendung des Modells mit realistischen Daten des Projektunternehmens gewidmet. Es werden verschiedene, relevante Personalstrategien hinsichtlich der Wirkung auf die Alters- und Personalstruktur sowie den Humankapitalwert evaluiert – Personalstrategien, die die Forderungen von Klimecki (Klimecki & Gmür, 2005, S. 349 ff.) nach Langfristigkeit (langfristige Zielorientierung und –erreichung), Ganzheitlichkeit (Vermeidung isolierter Eingriffe und Berücksichtigung von Nebeneffekten) sowie Selektivität (Wahl derjenigen Alternative mit höchstem Zielerreichungsbeitrag) erfüllen.
195
„Weiterleben kann die Menschheit nur, wenn sie von Grund auf anders lebt. Das erfordert zuerst ein anderes Denken, eine andere ‚Wahrnehmung’ der Welt. Nämlich: komplex statt linear, in Netzen und Bögen statt in Zielgeraden und den Kurven der Statistik.“ (Capra, 1983, Klappentext)
6 Exemplarische Strategiesimulation am Personalplanungsmodell In diesem Kapitel werden die ausgewerteten Daten des Projektunternehmens in das Simulationsmodell eingelesen. Anhand verschiedener Parameterveränderungen entstehen verschiedene Szenarien, die als exemplarisch zu verstehen sind. Ein Szenario stellt dabei eine möglichst plausible, konsistente und umfassende Beschreibung einer möglichen Zukunftssituation dar (Prezewowsky, 2007a, S. 44, Mißler-Behr, 1993, S. 3). Während die Szenario-Technik, die in den 1970er Jahren populär wurde, eine eher qualitative Planungsmethode ist, handelt es sich bei systemdynamischen Simulationen um computerbasierte Szenarien (ebenda). Diese ermöglichen aufgrund der nachgebildeten Systemstruktur und der Einbindung firmenspezifischer Daten einen Vorausblick auf denkbare Entwicklungslinien. Auch wenn keine 100%-ige Zukunftsvoraussage getroffen werden kann, lassen die Szenarien Erkenntnisse über die langfristigen Effekte von Maßnahmen und daraufhin die Anpassung von Maßnahmen vor der Umsetzung zu. Entscheidend sind demnach nicht die ausgegebenen Werte am Ende des Simulationszeitraumes, sondern der Entwicklungstrend des Systems. Nachfolgend werden aussagekräftige Szenarien vorgestellt. Es wird darauf Wert gelegt, extreme Personalstrategien zu testen, um die Bandbreite der Effekte aufzuzeigen. Mischszenarien wären ebenso möglich. Die Entwicklungslinien abgeschwächter Mischstrategien würden sich zumeist innerhalb der hier dargestellten Extrema bewegen. Zu jedem Szenario werden die Werte der exogenen Variablen tabellarisch aufgelistet und anschließend die sich daraus ergebenen Systemtrends ausgewertet. Die mittlere Nutzungsdauer des Wissens sowie die Lernrate werden für alle Funktionsbereiche gleich definiert. Dies ist zum einen damit zu begründen, dass unterschiedliche Werte je Funktionsbereich ohne empirische Untersuchung im Projektunternehmen sehr willkürlich wären. Zum anderen ergeben sich bereits aufgrund der anderen spezifischen Personaldaten unterschiedliche Entwicklungslinien je Funktionsbereich, die im Fokus der Auswertung stehen sollen. Es ist nicht sinnvoll, bei einer 197
D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
hier festgelegten Anzahl von drei Szenarien zu viele Variablen gleichzeitig zu verändern, da sonst keine ursächliche Zuschreibung der Effekte möglich ist. Eine Kombination aus verschiedenen Werten für w und λ ist in weiteren Mischszenarien jedoch problemlos möglich. Bei den Auswertungen ist zu beachten, dass die Werte aggregiert über alle Altersklassen ausgegeben werden. Die Aufschlüsselung der simulierten Ergebnisse erfolgt nur für die einzelnen Funktionsbereiche (aggregiert über alle Altersklassen) sowie für das gesamte Unternehmen (Aggregation über alle Funktionsbereiche und Altersklassen). 6.1 Szenario 1: „Business as usual“ Die Personalpolitik wird in Bezug auf die Gesamteinstellungen und die Arbeitgebergetriebenen Kündigungen wie in den vergangenen drei Jahren fortgesetzt. Ebenso werden keine Maßnahmen unternommen, die Personalbindung zu erhöhen und die arbeitnehmergetriebenen Kündigungen zu reduzieren. In der Abbildung 6-1 sind die Inputwerte der exogenen Variablen, die hauptsächlich aus dem Kapitel 4 bekannt sind, für das erste Szenario zusammengefasst. Die Simulationsergebnisse werden in den folgenden Abschnitten diskutiert.
198
Variable initAzubis initFTE1824[FB1,FB2,FB3] initFTE2534[FB1,FB2,FB3] initFTE3544[FB1,FB2,FB3] initFTE4554[FB1,FB2,FB3] initFTE5564[FB1,FB2,FB3] fracAzubisUe[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE1824AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE2534AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE3544AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE4554AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE5564AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE1824AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE2534AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE3544AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE4554AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE5564AN[FB1,FB2,FB3]
Bedeutung Anfangsbestand an Azubis Anfangsbestände in jedem FB je Altersklasse Verteilungsquoten der übernommenen Ausbildungsabsolventen auf die FB AG-getriebene Ausstiegsquoten der FTE im jeweiligen FB je Altersklasse
AN-getriebene Ausstiegsquoten der FTE im jeweiligen FB je Altersklasse
w[FB1,FB2,FB3]
Mittlere Lebenszeit des Wissens je FB
lambda[FB1,FB2,FB3]
Lernrate je FB
beta
Gewichtungsfaktor für Erfahrungswissen
epsilon
Externalisierungsgrad von EW (Wissenstransfer)
GesamtPE
Personalentwicklungskosten Verteilungsquoten der PE-Kosten auf die FB
fracPE[FB1,FB2,FB3] L[FB1,FB2,FB3]
Jahresbruttoentgelt je FB
Wert FB1 20 60 106 116 25
GesamtEinstellungen
14 54 entsprechend der 43 Bestände am 31.12.2004 22 im Projektunternehmen 7
0,11905
0,12554 Durchschnitt 2005-07
0,13969 0,06803 0,05998 0,06126 0,04309 0 0,04614 0,03357 0,02600 0,08850
5
5
0,4
0,4
0 0,02534 0,03907 Durchschnitt 2005-07 0,02943 0,10823 0,02041 0,02534 0,00787 Durchschnitt 2005-07 0,03157 0,15074 Annahme, i. A. an 5 Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 235 i. A. an Fandel, 2005, S. 0,4 171
1 0,8
Annahme 0,8
0,8 Annahme
500.000 0,1
0,5
21802,17
31395,15
wie im Jahr 2006 0,4 Annahme 31450,69
nach FTE gewichteter Durchschnitt 2005-07
9
Durchschnitt 2005-07
53
Durchschnitt 2005-07
fracin[FB1,FB2,FB3]
0,05195
0,75325
fracinFTE1824[FB1,FB2,FB3] fracinFTE2534[FB1,FB2,FB3] fracinFTE3544[FB1,FB2,FB3] fracinFTE4554[FB1,FB2,FB3] fracinFTE5564[FB1,FB2,FB3]
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in die FB auf die einzelnen Altersklassen
0,38889 0,27778 0,22222 0 0,11111
0,16652 0,41072 0,30866 0,09928 0,01481
6.1.1
Anmerkung Daten 2005
0,22294
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in den jeweiligen FB
Abbildung 6-1:
Wert FB3
0,15921 0,01640 0,00935 0,02032 0,01220 0 0,00571 0,00311 0,00605 0,10528
Einstellung zur dualen Ausbildung von im Durchschnitt 2,6 Jahren gesamte Neueinstellungen vom externen Arbeitsmarkt
AzubiEinstellungen
Wert FB2 31 16 90 97 61 24
Quoten, nach der die 0,19481 GesamtEinstellungen auf FB verteilt werden 0,22540 Quoten, nach der die 0,64762 Zugänge je FB (fracin) 0,07143 auf die Altersklassen 0,05556 verteilt werden 0
Variablenwerte für das Szenario „Business as usual“ Quelle: Eigene Darstellung.
Auswirkungen auf die Alters- und Personalstruktur
Der Personalbestand des Unternehmens verändert sich zum Ende einer Periode durch die gesamten Neueinstellungen und die gesamten Ausstiege. Die Einteilung in mehrere Altersklassen führt dazu, dass die einzelnen Personalbestände je Altersklasse zusätzlich durch „hineinwachsende“ bzw. „herauswachsende“ Vollzeitäquivalente (Transferraten) erhöht bzw. reduziert werden. In diesem Szenario wird entsprechend der Vergangenheitsdaten angenommen, dass 53 Vollzeitäquivalente pro Jahr im Unternehmen eingestellt werden. Diese 53 Personen 199
werden mit einer konstanten Quote auf die drei Funktionsbereiche (FB) verteilt, so dass die Zugänge je Funktionsbereich ebenfalls über die Zeit konstant bleiben (vgl. Abbildung 6-2 links oben). Gesamteinstellungen je FB 2
2
2
2
2
2
2
2
2
Übernahmen von Ausbildungsabsolventen je FB
2
2
2
2
2
2
30
4
Personen/Jahr
Personen/Jahr
40
20 10
3
0
1
2005
3 1
3
1
2007
1
2009
3
3
1
1
3 1
2011
FBEinstellungen[FB1] : szen1 FBEinstellungen[FB2] : szen1 FBEinstellungen[FB3] : szen1
2013 1 2
3
1
1
2015 Jahr
1
3
3
2
1
1 2
3
3
2017
1
3
3
2019
2021
2
1 2
3
1
1
0
2023
2025
1
1 2
3
1
3
1
1 2
3
3
1 2
3
1
2
3
3
1
1
3
3
3
2005
1
1
2
3
2007
3 2
1
1
1
3 2
2
3
2009
2011
inFTE1824Ue[FB1] : szen1 inFTE1824Ue[FB2] : szen1 inFTE1824Ue[FB3] : szen1
1 2
3
3 2
3
Gesamtausstiege je FB
1
2
2
1
1 3
2007
2
1
1
1
3
3
3
2009
2011
outFTEtotalFB[FB1] : szen1 outFTEtotalFB[FB2] : szen1 outFTEtotalFB[FB3] : szen1
Abbildung 6-2:
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
1
3
2013
1
1 2
2015 Jahr 1
2 3
2
1 2
3
1
1
1
2
3 2
3
2017
1
3
3 2
2019 1
2 3
2
1 2
3
1
1
1
2
3 2
3
2021
1
3
3 2
2023 1
2 3
2025
1 2
3
3 2
1 2
3
3
50
2
Jahre
Personen/Jahr
2
3
0 2005
1
2
60
45
15
1
3 2
Durchschnittsalter je FB
60
30
3 2
1
2013 1
2
1 2
3
1 3
1 2
3
1
2021
1 2
3
1 3
3
2019
1 2
3
1 2 3
1
1
2 3
2 3
1
1
1
2
2 3
3
1 2 3
1
1
3
2 3
2
1 2 3
1
2
2 3
3
1
1
2 3
2
1
1 2 3
3
2 3
30
1
3
2017
1 2
3
1 3
2015 Jahr
1 2
3
1 3
3
40
1 2
3
3 1
2025
1 2
3
3
2023 1
2 3
3 1
3
20 2005
2007
2009
2011
avgAgeFTEtotalFB[FB1] : szen1 avgAgeFTEtotalFB[FB2] : szen1 avgAgeFTEtotalFB[FB3] : szen1
2013 1
2015 Jahr
1 2
2 3
2017
1
1 2
3
2 3
2019
1 2 3
2021
1
1 2
3
2 3
2023 1 2
3
2025
1
1 2
3
3
„Business as usual“: Einstellungen und Ausstiege Quelle: Eigene Darstellung.
Während im Funktionsbereich 2 knapp 75% der Gesamteinstellungen zugehen, werden ca. 20% im Funktionsbereich 3 und nur ca. 5% im Funktionsbereich 1 beschäftigt. Zusätzlich zu den Gesamteinstellungen werden ca. 47% der Ausbildungsabsolventen in die Altersklasse der 18- bis 24-Jährigen übernommen. Da im Startjahr der Simulation 31 Auszubildende beschäftigt waren, seitdem jedoch nur 9 Auszubildende pro Jahr eingestellt werden, sinkt mit einer Verzögerung von 2,6 Jahren die Zahl der Ausbildungsabsolventen. Bei einer konstanten Übernahmequote von 47% führt diese Reduktion der Absolventen auch zu einer geringeren Zahl an Übernahmen in die jeweiligen Funktionsbereiche. Dieser Verlauf ist in der Abbildung 6-2 rechts oben sehr gut nachvollziehbar. Die gesamten Ausstiege (arbeitgeber-, arbeitnehmergetrieben sowie Verrentungen) sind zwischen den Funktionsbereichen sehr unterschiedlich. Exemplarisch für den Funktionsbereich 2 lassen sich die zunehmenden Ausstiege (vgl. Abbildung 6-2 links unten) wie folgt erklären: Da im Funktionsbereich 2 pro Jahr über den gesamten Simulationszeitraum geringfügig mehr Personen hinzukommen als ausscheiden, erhöht sich 200
der Personalbestand in diesem Bereich pro Periode. Diese Erhöhung bewirkt jedoch gleichzeitig, dass die Anzahl der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege pro Periode aufgrund der bestandsbezogenen Ausstiegsquoten steigt. Diese Entwicklung gilt für den Funktionsbereich 3 entsprechend. Für den Funktionsbereich 1 kommt es zur entgegengesetzten Entwicklung: Hier verlassen über den gesamten Simulationszeitraum mehr Personen das Unternehmen als wieder eingestellt werden, so dass der Personalbestand sinkt und dementsprechend die Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege ebenfalls sinken. Die unterschiedliche Fluktuation zwischen den Funktionsbereichen zeigt sich auch im jeweiligen Durchschnittsalter (vgl. Abbildung 6-2 rechts unten). Während in den Funktionsbereichen 2 und 3 das Durchschnittsalter nahezu konstant bleibt, reichen die gesamten Einstellungen im Funktionsbereich 1 nicht aus, um den Altersdurchschnitt zu senken. Trotz der Verteilung der Neuzugänge vornehmlich auf die ersten drei Altersklassen, kommen innerhalb des Simulationszeitraumes die stark besetzten Altersklassen der 35- bis 64-Jährigen zum Tragen (Vergleich Kapitel 4, Abbildung 4-3). Anzahl FTE je FB
Anzahl FTE
400 1 2
1 2
1
2
1
1
2
2
2
2
2
3
1
2 1
1
1
1
1
1 1
1
1
1 3
3
3
3
3
3
3
2
2
2
750
1
200 3
2
2
1 3
1
3
3 1
3
3 1
1
100
Personen
Personen
300
800 2
1 1
700
1
1 1
1
1 1
650 0 2005
2007
2009
FTEtotalFB[FB1] : szen1 FTEtotalFB[FB2] : szen1 FTEtotalFB[FB3] : szen1
Abbildung 6-3:
2011 1 2 3
2013 1 2
3
2015 Jahr
1 2 3
2017
1
1 2
3
2 3
2019
1 2 3
2021
1
1 2
3
2 3
2023 1 2
3
2025
1
1
600 2005
2007
2009
2011
2013
2 3
3
FTEtotal : szen1
1
1
1
1
1
2015 Jahr 1
2017 1
1
2019 1
2021 1
2023 1
1
2025 1
„Business as usual“: Alters- und Personalstruktur Quelle: Eigene Darstellung.
Das Ergebnis der sich über die Zeit verändernden Nettofluktuation ist in der Abbildung 6-3 dargestellt. Während die Einstellpolitik dazu führt, dass die Funktionsbereiche 2 und 3 personell wachsen, sinkt der Bestand an Vollzeitäquivalenten im Funktionsbereich 1 rapide (linke Abbildung). Entsprechend wirkt sich der Personalverlust auf den Gesamtmitarbeiterstamm des Unternehmens aus. Nach einer anfänglichen Erhöhung des Personalbestandes (die Personalzuwächse in den Funktionsbereichen 2 und 3 sind zu Beginn des Simulationszeitraums noch höher als die Personalverluste im Funktionsbereich 1) spiegeln sich die Verluste im Funktionsbereich 1 im Gesamtpersonalbestand wider.
201
6.1.2
Auswirkungen auf den Fachwissensbestand
Der Wert des Fachwissens verändert sich zum Ende einer Periode laut Cottbuser Formel durch vier verschiedene Flussgrößen. Er erhöht sich durch Personalentwicklungsmaßnahmen als auch durch hinzukommende Vollzeitäquivalente und er sinkt durch den Wissenszerfall und durch aussteigende Vollzeitäquivalente. Aufgrund der Unterscheidung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege (zusätzlich eine Abflussgröße) sowie aufgrund der Einteilung in Altersklassen (zusätzlich eine bestandserhöhende und eine bestandssenkende Transferrate) verändern in dem hier erstellten Simulationsmodell insgesamt sieben Flussgrößen den Bestand. FW-Werterhöhung durch Personalentwicklung je FB
FW-Werterhöhung durch Neueinstellungen je FB
400.000
2M 1,5 M 2
2
200.000
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
3
3
2
2
3
3
Euro/Jahr
Euro/Jahr
300.000
2
2
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0
1
0
1
2005
2005
2007
PE[FB1] : szen1 PE[FB2] : szen1
2009 1
2
2011 1
2
2013
2015 Jahr
2
2017
2019
2021
PE[FB3] : szen1
1
2023
3
3
3
3
1
1
2007
1,5 M
1,5 M
2
1M
1
Euro/Jahr
Euro/Jahr
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2 2
500.000 1
1 3
1 3
2007
3
2
3 1
1
2009
outFWtotalFB[FB1] : szen1 outFWtotalFB[FB2] : szen1 outFWtotalFB[FB3] : szen1
Abbildung 6-4:
2
3
2011 1
2
2013
3
1 2
3
2
3 1
3 1
1
1 2
3
2
2019
1 2
3
2
3
2017
1 2
3
2
1
2015 Jahr
1 2
3
3 1
1
1 2
2
3
2
500.000
3 1
3
0
2025
1 2
3
1 2
3
3
3
1
1
2011
2013
1
1 2
3
3 1
2015 Jahr
1 2
3
3
1
1 2
3
3 1
2019
1 2
3
3
1
2017 1 2
3
1 2
3
3
1
1
2021 1
2 3
1 2
3
3
3
1
1
2023 1 2
3
3
2025 1
2 3
3
3
2 2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
3
3
3
1
1
1
2
2023
1 2
3
3 1
1
2021 1
2 3
2
3 1
FW-Wertverlust durch Wissenszerfall 2M
2
3
2009
inFWtotalFB[FB1] : szen1 inFWtotalFB[FB2] : szen1 inFWtotalFB[FB3] : szen1
2
FW-Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen je FB
2005
2
2025 3
2M
0
2
500.000
100.000
1M
2
1M
2005
3
1 3
3
3 1
1
3
3 1
2007
2009
outFWAtotalFB[FB1] : szen1 outFWAtotalFB[FB2] : szen1 outFWAtotalFB[FB3] : szen1
2011
2013
1 2
1 2
3
3 1
2015 Jahr
1 2
3
3
1
2017
2019
1 2
3
3 1
1 2
3
3
1
1 2
3
1
2021 1
2 3
3
1
2 3
2023
1 2 3
2025
1
1 2
3
3
„Business as usual“: Wertänderungen des Fachwissens Quelle: Eigene Darstellung.
Da pro Jahr eine konstante Summe für Personalentwicklungsmaßnahmen sowie ein konstanter Verteilungsschlüssel angenommen werden, ist auch der Zufluss an Personalentwicklung je Funktionsbereich über den Simulationszeitraum konstant. Die Fachwissenszu- und -abflüsse, die von der Personalstruktur abhängen, wirken sich direkt auf den Wert des Fachwissens aus. So führen die über die Zeit konstanten Neueinstellungen bewertet mit den durchschnittlichen Jahresbruttoentgelten in den Funktionsbereichen ebenfalls zu konstanten Fachwissenszuflüssen (vgl. Abbildung 6-4 rechts oben). 202
Die beschriebenen Wertzuflüsse leiten sich ausschließlich aus exogenen Größen ab, während die Wertabflüsse vom aktuellen Bestand des Fachwissens abhängen und endogen berechnet werden. Der Wertverlust durch Wissenszerfall überwiegt den Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen. Der Wertverlust durch Wissenszerfalls sinkt über die Zeit, weil sich der Fachwissensbestand im Simulationszeitraum reduziert. Der Bestand wiederum sinkt, weil die Summe der Wissensabflüsse die Summe der Wissenszuflüsse übersteigt. Damit wird die Bezugsgröße für den Wertverlust durch Wissenszerfall immer geringer bis ein Gleichgewicht erreicht wird. Der stärkste Verlust an Fachwissen ist im Funktionsbereich 1 festzustellen. Dies ist auf den starken Rückgang der Vollzeitäquivalente, bewertet mit dem durchschnittlichen Fachwissenswert dieses Funktionsbereiches, zurückzuführen. Die Beurteilung des Wertverlustes durch Ausstiege und Verrentungen ist nicht kausal auf eine Ursache zurückzuführen. Vielmehr hängt er von drei Faktoren ab: vom Fachwissensbestand, vom Bestand an Vollzeitäquivalenten und den absoluten Ausstiegen je Funktionsbereich. Alle drei Größen verändern sich über die Zeit. Ein neuer Gleichgewichtszustand wird erreicht, wenn der Personalbestand und damit die Ausstiege sowie das Verhältnis Fachwissen zu Vollzeitäquivalenten nahezu konstant bleiben. Dann stagnieren die Wertverluste durch Ausstiege und Verrentungen auf einem bestimmten Niveau. Wert des Fachwissens je FB
Wert des Fachwissens im Unternehmen
10 M
5M
2
30 M
2 2
1
2
2
2
2
2
3
3
3
1
1
2
2
2
2
2
3
3
Euro
Euro
7,5 M
40 M
2
1 3
1
3
3
1
3
0 2007
2009
FWtotalFB[FB1] : szen1 FWtotalFB[FB2] : szen1
Abbildung 6-5:
3
1 1
2005
20 M 1
1 3
2,5 M
2011 1
2013
2017
1
3 1
2019
1
2021
FWtotalFB[FB3] : szen1
1 2
2015 Jahr
1
3
2
1
3 1
2023
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0
2025
2005 3
1
10 M
2007
2009
2011
2013
3
FWtotal : szen1
1
1
1
1
1
2015 Jahr 1
2017 1
1
2019 1
2021 1
1
2023 1
2025 1
„Business as usual“: Wert des Fachwissens Quelle: Eigene Darstellung.
Als Konsequenz lässt sich feststellen, dass der Wert des Fachwissens in allen Funktionsbereichen sinkt, wenn auch unterschiedlich stark. Der starke Rückgang der Vollzeitäquivalente im Funktionsbereich 1 spiegelt sich bei der Analyse des Fachwissenswertes besonders wider. Aus den drei Funktionsbereichen folgt in Summe, dass sich der Fachwissensbestand des Unternehmens über den Simulationszeitraum mehr als halbiert.
203
6.1.3
Auswirkungen auf den Erfahrungswissensbestand
Der Wert des Erfahrungswissens verändert sich zum Ende einer Periode laut Cottbuser Formel durch zwei verschiedene Flussgrößen. Er erhöht sich durch das Lernen und sinkt durch aussteigende Vollzeitäquivalente. Aufgrund der Unterscheidung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege (zusätzlich eine Abflussgröße) sowie aufgrund der Einteilung in Altersklassen (zusätzlich eine bestandserhöhende, bis auf EW-Bestand der 18- bis 24-Jährigen, und eine bestandssenkende Transferrate) verändern in dem hier erstellten Simulationsmodell insgesamt fünf Flussgrößen den Bestand. Das Lernen führt zur Erhöhung des Erfahrungswissens. Diese Werterhöhung wird jedoch im Zeitverlauf immer geringer. Ein besonders geringer Zuwachs lässt sich auch hier wieder für den Funktionsbereich 1 feststellen (vgl. Abbildung 6-6 links). Für die Werterhöhung ist neben dem Durchschnittsalter und der Lernrate der Bestand an Fachwissen relevant. Da der Fachwissensbestand im Funktionsbereich 1 besonders stark rückläufig ist, verringert sich die Bezugsgröße für das Erfahrungswissen. Mit Erreichen eines Gleichgewichtes des Fachwissensbestandes stabilisiert sich im Zeitverlauf der Erfahrungswissenszuwachs durch Lernen. Der Wertverlust des Erfahrungswissens folgt einem ähnlichen Entstehungsmuster wie der Wertverlust des Fachwissens durch Ausstiege und Verrentungen. Er hängt von drei Größen ab: dem Bestand an Erfahrungswissen, dem Bestand an Vollzeitäquivalenten und der Anzahl absoluter Ausstiege und Verrentungen. Für die Funktionsbereiche 2 und 3 steigt der Wertverlust über die Zeit an. Der Funktionsbereich 1 hingegen ist zunächst durch einen Anstieg bis ca. 2011 gekennzeichnet. Danach folgt ein Rückgang bis zum Ende des Simulationszeitraumes auf etwa das Ausgangsniveau. Diese Entwicklung im Funktionsbereich 1 lässt sich entsprechend der Cottbuser Formel hauptsächlich auf die sinkende Anzahl an Vollzeitäquivalenten (Abbildung 6-3 links) zurückführen, die ceteris paribus den Wertverlust erhöhen, sowie auf die anfangs steigende bzw. später sinkende Anzahl der Ausstiege (Abbildung 6-2 links unten), die ceteris paribus den Wertverlust erhöhen bzw. senken.
204
EW-Werterhöhung durch Lernen je FB
EW-Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen je FB
600.000
400.000 300.000 2 2
300.000
2
1
150.000
1 3
3 1
2
2
2007
2009
inEWtotalFB[FB1] : szen1 inEWtotalFB[FB2] : szen1 inEWtotalFB[FB3] : szen1
Abbildung 6-6:
2
2
2
2
2
2
2
2
3
3
3
1
1
200.000
2
2
1
1 3
100.000
3
3 1
1
0 2005
2
Euro/Jahr
Euro/Jahr
450.000
3 1
2011 1
3
2
1 2
3
1
2015 Jahr
1 2
3
3
1
2013
1
3
1
1
2019
1 2
3
3
2017
1 2
3
3
1
1 2
3
1
2021 1
2 3
3
1 2
3
2023 1 2
3
2025 1
2 3
3
0 2005
2007
2
1 3
2009
outEWtotalFB[FB1] : szen1 outEWtotalFB[FB2] : szen1 outEWtotalFB[FB3] : szen1
3
2011 1
2013
1 2
2015 Jahr
1 2
3
1 2
3
3
2 3
2019
1 2
3
3
2017
1
1 2
3
2021
2
1 3
3
2025
1 2
3
2
2023
1 2
3
1 3
3
1 2
3
1
1 3
1
1 3
1
1 3
1
1 3
1 3
2
2
2
2
2
2
2
2
2
1 2
3
3
„Business as usual“: Wertänderungen des Erfahrungswissens Quelle: Eigene Darstellung.
Die Werterhöhung durch Lernen überragt anfangs in den Funktionsbereichen 2 und 3 die Wertverluste durch Ausstiege und Verrentungen. Mit der Zeit kippt diese Beziehung zu unterschiedlichen Zeitpunkten je Funktionsbereich. Im Funktionsbereich 1 führt bis zum Jahr 2010 die positive Nettobilanz zu einem leichten Anstieg des Erfahrungswissens. Ab dem Jahr 2010 bis zum Ende des Simulationszeitraumes sind die Wertverluste durch Ausstiege und Verrentungen größer als die Wertzuwächse durch Lernen. Entsprechend fällt zum Ende des Simulationszeitraumes der Wert des Erfahrungswissens in diesem Funktionsbereich auf einen Wert unter dem des Ausgangsniveaus. In den anderen Funktionsbereichen stabilisiert sich der Wert des Erfahrungswissens leicht oberhalb des Ausgangsniveaus. Der Wert des Erfahrungswissens des Unternehmens ergibt sich aus der Addition der drei Funktionsbereiche. Da die Summe der Erfahrungswissenswerte der Funktionsbereiche 2 und 3 ab etwa dem Jahr 2012 den Rückgang des Erfahrungswissenswertes im Funktionsbereich 1 nicht mehr kompensieren kann, fällt ab diesem Zeitpunkt der aggregierte Wert (Abbildung 6-7 rechts). Die Wertzuwächse reichen insgesamt nicht aus, um den Wert des Erfahrungswissens zum Ende der Simulation oberhalb des Ausgangsniveaus zu halten.
205
Wert des Erfahrungswissens je FB
Euro
7,5 M 5M
2
2
1
1
1
1
2
1
3
3
3
3
2
2
2
1
3
2
1
1
3
3
2
2
1
3
2
1
3
Wert des Erfahrungswissenswissens im Unternehmen
2
1
3
2
2
2
1
1
3
3
1
3
25 M 23,75 M 1 3
Euro
10 M
22,5 M
1
1
1
1
1
1
2,5 M
1 1
1
21,25 M
1
1
1
1
0
1
2005
2007
2009
2011
EWtotalFB[FB1] : szen1 EWtotalFB[FB2] : szen1
1
2015 Jahr
2017
2019
2021
2023
20 M
2025
2005
EWtotalFB[FB3] : szen1
1 2
Abbildung 6-7:
6.1.4
2013
3
2007
2009
2011
2013
3
EWtotal : szen1
2
1
1
1
1
1
2015 Jahr 1
2017
1
1
2019
2021
1
1
2023
1
2025
1
1
„Business as usual“: Wert des Erfahrungswissens Quelle: Eigene Darstellung.
Auswirkungen auf den Humankapitalwert und Resümee
Der Humankapitalwert ergibt sich aus der Summe der Werte des Fachwissens und des Erfahrungswissens. Abbildung 6-8 links stellt den Humankapitalwert je Funktionsbereich dar. Für den Funktionsbereich 1 kann ein starker Rückgang des Humankapitalwertes um nahezu 50% festgestellt werden. Dies ist vor allem dem starken Rückgang des Fachwissenswertes in diesem Funktionsbereich geschuldet. Der Funktionsbereich 2 hat mengenmäßig den größten Anteil am Humankapitalwert. Der Wert in diesem Bereich reduziert sich allerdings über den Simulationszeitraum um ca. 20%. Humankapitalwert je FB
Humankapitalwert des Unternehmens
20 M
60 M 2
2
2
15 M
2
2
2
2
1 3
1
3
2
2
2
2
2
3
1
1 3
2
2
3
1
50 M
1
10 M
1 1
3
3
1
3
3
1 3
3
1
1 3
Euro
Euro
1
1 3
5M
40 M
1 1
3 1
1 1
30 M
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0 2005
2007
2009
HCtotalFB[FB1] : szen1 HCtotalFB[FB2] : szen1
Abbildung 6-8:
2011 1
2
2013
2017
2019
2021
HCtotalFB[FB3] : szen1
1 2
2015 Jahr
2023
2025
20 M 2005
3
2007
2009
2011
2013
3
2
HCtotal : szen1
1
1
1
1
1
2015 Jahr 1
2017 1
1
2019 1
2021 1
1
2023 1
2025 1
„Business as usual“: Humankapitalwert Quelle: Eigene Darstellung.
Der Humankapitalwert des Funktionsbereiches 3 stabilisiert sich auf einem geringfügig niedrigeren Niveau als zum Simulationsbeginn, entspricht jedoch nur ca. 50% des Humankapitalwertes des Funktionsbereiches 2. Der Verlauf im Funktionsbereich 3 wird bestimmt durch die Kompensation des Absinkens des Fachwissenswertes durch die Zunahme des Erfahrungswissenswertes. Alle drei Funktionsbereiche weisen ähnliche Entwicklungslinien des Humankapitalwertes auf. Während der Funktionsbereich 1 fällt, bleiben die Funktionsbereiche 2 und 206
3 nahezu konstant. Der Funktionsbereich 2 bleibt nahezu konstant. Die Summe daraus führt zu einem abfallenden Humankapitalwert des Unternehmens um ca. 30%. Der Humankapitalwert des Unternehmens sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zu Umschichtungen zwischen den Funktionsbereichen sowohl in den Personalbeständen als auch in den Fachwissensbeständen kommt. Zur strategischen Steuerung ist es deshalb sinnvoll, die Humankapitalwerte der einzelnen Funktionsbereiche zu betrachten. Zusätzlich ist festzuhalten, dass sich die negativen Folgen einer drastischen Personalreduktion (besonders im Funktionsbereich 1) und damit eine Personalkostensenkung nicht im Rechnungswesen niederschlagen und leicht übersehen werden (Wächter, 1974, S. 131). Mit der Humankapitalwertberechnung mittels Cottbuser Formel lassen sich diese Folgen abbilden. Dies ist ein entscheidender Vorteil des hier vorgestellten Ansatzes. 6.2 Szenario 2: „Jeder wird gebraucht“ In diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass die strategische Personalbindung intensiviert wird und alle eingestellten Vollzeitäquivalente bis zum Renteneintritt im Unternehmen verbleiben. Die Anzahl der Verrentungen werden zu 100% in den jeweiligen Funktionsbereichen ersetzt. Zusätzlich werden pro Jahr 9 Auszubildende eingestellt, die nach der Ausbildungszeit von 2,6 Jahren zu ca. 47% in die Altersklasse der 18- bis 24-Jährigen übernommen werden. Es ist interessant zu prüfen, welche Auswirkungen eine 100%-ige Personalbindung auf den Humankapitalwert haben könnte. Die im Vergleich zum Szenario 1 veränderten Variablen sind in der Abbildung 6-9 markiert.
207
Variable initAzubis initFTE1824[FB1,FB2,FB3] initFTE2534[FB1,FB2,FB3] initFTE3544[FB1,FB2,FB3] initFTE4554[FB1,FB2,FB3] initFTE5564[FB1,FB2,FB3] fracAzubisUe[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE1824AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE2534AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE3544AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE4554AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE5564AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE1824AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE2534AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE3544AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE4554AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE5564AN[FB1,FB2,FB3] w[FB1,FB2,FB3]
Bedeutung Anfangsbestand an Azubis Anfangsbestände in jedem FB je Altersklasse Verteilungsquoten der übernommenen Ausbildungsabsolventen auf die FB AG-getriebene Ausstiegsquoten der FTE im jeweiligen FB je Altersklasse
AN-getriebene Ausstiegsquoten der FTE im jeweiligen FB je Altersklasse
Mittlere Lebenszeit des Wissens je FB
lambda[FB1,FB2,FB3]
Lernrate je FB
beta
Gewichtungsfaktor für Erfahrungswissen
epsilon
Externalisierungsgrad von EW (Wissenstransfer)
GesamtPE
Personalentwicklungskosten Verteilungsquoten der PE-Kosten auf die FB
fracPE[FB1,FB2,FB3] L[FB1,FB2,FB3]
Jahresbruttoentgelt je FB Einstellung zur dualen Ausbildung von im Durchschnitt 2,6 Jahren gesamte Neueinstellungen vom externen Arbeitsmarkt
AzubiEinstellungen GesamtEinstellungen
fracin[FB1,FB2,FB3]
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in den jeweiligen FB
fracinFTE1824[FB1,FB2,FB3] fracinFTE2534[FB1,FB2,FB3] fracinFTE3544[FB1,FB2,FB3] fracinFTE4554[FB1,FB2,FB3] fracinFTE5564[FB1,FB2,FB3]
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in die FB auf die einzelnen Altersklassen
Abbildung 6-9:
6.2.1
Wert FB1 20 60 106 116 25
Wert FB2 31 16 90 97 61 24
0,22294
0,11905
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
5
5
0,4
Wert FB3
Anmerkung Daten 2005 14 54 entsprechend der 43 Bestände am 31.12.2004 22 im Projektunternehmen 7
0,12554 Durchschnitt 2005-07 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Annahme, i. A. an 5 Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 235 i. A. an Fandel, 2005, S. 0,4 171
0,4 1
0,8
Annahme 0,8
0,8 Annahme
500.000 0,1
0,5
21802,17
31395,15
wie im Jahr 2006 0,4 Annahme 31450,69
9
endogen 0,16652 0,41072 0,30866 0,09928 0,01481
nach FTE gewichteter Durchschnitt 2005-07 Durchschnitt 2005-07
GesamtEinstellungen = Verrentungen
0,38889 0,27778 0,22222 0 0,11111
Annahme der 100%-igen Personalbindung; nur Ausstiege aufgrund des Renteneintritts
endogen jedem FB gehen so viele Mitarbeiter zu, wie jeweils durch Verrentung ausstiegen
0,22540 0,64762 0,07143 Durchschnitt 2005-07 0,05556 0
Variablenwerte für das Szenario „Jeder wird gebraucht“ Quelle: Eigene Darstellung.
Auswirkungen auf die Alters- und Personalstruktur
Die Zahl der gesamten Einstellungen je Funktionsbereich entspricht der Zahl der Verrentungen je Funktionsbereich (vgl. Abbildung 6-10 links oben und links unten). Aufgrund der Altersstruktur in den Funktionsbereichen ergeben sich unterschiedliche Ausstiegszahlen. Da der Funktionsbereich 1 mit 35- bis 64-Jährigen personell stark besetzt ist und diese über den Simulationszeitraum altern, treten hier insgesamt mehr Personen in die Rente ein als in den anderen beiden Funktionsbereichen. Obwohl die Mitarbeiter nach der Einstellung im Unternehmen verbleiben und altern, steigt das 208
Durchschnittsalter nur geringfügig über den Simulationszeitraum an. Dies ist damit zu begründen, dass die Ersatzeinstellungen vorwiegend in den jüngeren Altersklassen erfolgen (vgl. ‚fracinFTE’ in Abbildung 6-9) und die übernommenen Ausbildungsabsolventen ausschließlich der Altersklasse der 18- bis 24-Jährigen zugehen. Die Entwicklung der Übernahmezahlen (vgl. Abbildung 6-10 rechts oben) verläuft identisch zum Szenario 1, da sich an den entsprechenden Ausgangsbedingungen nichts geändert hat. Gesamteinstellungen je FB
5
0 2005
1 2
2
2
2
2
2
3
2007
1
2
2
1 2
1
4
2
3
2011
FBEinstellungen[FB1] : szen2 FBEinstellungen[FB2] : szen2 FBEinstellungen[FB3] : szen2
2013 1
2015 Jahr
1 2
3
2017
1 2
3
1 2
3
2019
1 2
3
2021
1 2
3
1 2
3
2023 1
2 3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
2009
1
2
2
2
3
Übernahmen von Ausbildungsabsolventen je FB 1
2
2
1 1
1
1
1
1
2,5
1
1
7,5
1
Personen/Jahr
Personen/Jahr
10
2 3
1
1
2
3
2007
3 2
1
1
1
3 2
2
3
2009
2011
inFTE1824Ue[FB1] : szen2 inFTE1824Ue[FB2] : szen2 inFTE1824Ue[FB3] : szen2
1 2
3
1
3 2
0 2005
2025
1
1
2
3
Gesamtausstiege je FB
1
5
0 2005
1 2
2
2
1
2
2
2
2
3
2007
3
2009
outFTEtotalFB[FB1] : szen2 outFTEtotalFB[FB2] : szen2 outFTEtotalFB[FB3] : szen2
1
1
2
2
1 2
1
60
2
50
2
2
2
3
2011
2013 1
2
2 3
2015 Jahr
1
1 2
3
2017
2019
1 2
3
3
1 2
3
1 2
3
2021 1
2 3
2023 1
2 3
1
1
2
3
2013
1
1 2
2015 Jahr 1
2 3
2
1 2
3
1
1
1
2
3 2
3
2017
1
3
3 2
2019 1
2 3
2
1 2
3
1
1
1
2
3 2
3
2021
1
3
3 2
2023 1
2 3
2025
1 2
3
3 2
1 2
3
3
1 2
3
3
40
1 2 3
1 2
1
2 3
3
1 2
1 2 3
1
1 2
2 3
3
1 3
1 2 3
2 1
2 3
2 3
1 3
2 1
2 1 3
2 3
1 3
2 1 3
30
2025
1 2
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
1
3 2
Durchschnittsalter je FB 1
1
1
2
1 1
2,5
1
1
7,5
1
Jahre
Personen/Jahr
10
3 2
20 2005
2007
2009
2011
avgAgeFTEtotalFB[FB1] : szen2 avgAgeFTEtotalFB[FB2] : szen2 avgAgeFTEtotalFB[FB3] : szen2
2013 1
2015 Jahr
1 2
2 3
2017
1
1 2
3
2 3
2019
1 2 3
2021
1
1 2
3
2 3
2023 1 2
3
2025
1
1 2
3
3
Abbildung 6-10: „Jeder wird gebraucht“: Einstellungen und Ausstiege Quelle: Eigene Darstellung.
In der Abbildung 6-11 ist erkennbar, dass der Personalbestand je Funktionsbereich ansteigt. Dies ist auf die Übernahme der Ausbildungsabsolventen zurückzuführen. Bei einer Übernahmequote von 0% würde der Personalbestand über den Simulationszeitraum konstant bleiben. Aufgrund des vollständigen Ersatzes in den jeweiligen Funktionsbereichen bleibt das Verhältnis der Funktionsbereiche zueinander konstant. Der stärkere Anstieg der Mitarbeiterzahl im Funktionsbereich 1 kommt nur durch die höhere Anzahl übernommener Ausbildungsabsolventen zustande. Insgesamt führen die intensiven Personalbindungsmaßnahmen verständlicherweise dazu, dass der Personalbestand des Unternehmens mindestens das Ausgangsniveau hält. 209
Anzahl FTE je FB
Anzahl FTE
400 1
1
2
2
1
1
1
1
2
2
2
2
3
3
2
2
1
1
2
2
2
2
2
2
2
900
200 3
3
3
3
1.000
1
1
1
1
1
3
3
3
3
3
3
3
Personen
Personen
300
1
1
3
100
800
2
2
2
2 1
2 1
1
1
1
700
0 2005
2007
2009
2011
FTEtotalFB[FB1] : szen2 FTEtotalFB[FB2] : szen2 FTEtotalFB[FB3] : szen2
1
2013 1
2 3
2015 Jahr
1 2
3
2017 1
2 3
2021
2023
2
1
1
1
1
2
2
2
2
2
1
1
1
2
2
1
1
1
2025 600
1 2
3
2019
2
1 2
3
1 2
3
1 2
3
1 2
3
1 2
3
2005
1
2007
2009
2011
2013 2015 2017 Time (Year)
2 3
FTEtotal : szen1
3
1
1
1
2019
2021
FTEtotal : szen2
1
2
2023 2
2025
2
Abbildung 6-11: „Jeder wird gebraucht“: Alters- und Personalstruktur Quelle: Eigene Darstellung.
6.2.2
Auswirkungen auf den Fachwissensbestand
Aufgrund der zum Szenario 1 unterschiedlichen Personalstruktur, lassen sich für die Bestände des Fach- und Erfahrungswissens auch unterschiedliche Entwicklungen erwarten. FW-Werterhöhung durch Personalentwicklung je FB
FW-Werterhöhung durch Neueinstellungen je FB
400.000
400.000 300.000 2
2
200.000
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
3
3
Euro/Jahr
Euro/Jahr
300.000
200.000 100.000
100.000
2 1
1 2 3
1
1
1
1
1
1
2011
2013
1
1
1
1
2017
2019
1
1
1
2005 2007
PE[FB1] : szen2 PE[FB2] : szen2
2009 1
2
1 2
2015 Jahr
PE[FB3] : szen2
1 2
2021
2023
3
3
2007
1
2 1
3
2
1
2
2 1
2 2 1
3
3
2
2
1
3
2
2
3
1
2
2
2
1
3
3
1 3
3
1 3
3 1
3 1
3 1
3
0 2005
3
2
3
3
1 2
1
2
3
3
2 1
2 1
2
1
3
3
2 1
2
1
3
3
3
2011 1
2013
1
2015 Jahr
2 3
1 2
3
1 2
3
2017
1 2
3
2019
1 2
3
1 2
3
2021 1
2 3
2023
1 2
3
2025
1 2
3
1 2
3
3
FW-Wertverlust durch Wissenszerfall
1,5 M 2
40.000 3
3
1
2M
1
20.000
1 2
2009
inFWtotalFB[FB1] : szen2 inFWtotalFB[FB2] : szen2 inFWtotalFB[FB3] : szen2
Euro/Jahr
Euro/Jahr
60.000
2
3
1 2
2025
FW-Wertverlust durch Verrentungen je FB 80.000
2
3
2
0
1
0 2005
1
1
2 1
1M
2 1
2 2
1
500.000
3
3
3
1
1 3
2
2
3
1
1 3
2
2
3
1
3 1
2
2
3
1
3 1
2
2
3
1
2 3 1
3 1
2 3
0 2007
2009
outFWtotalFB[FB1] : szen2 outFWtotalFB[FB2] : szen2 outFWtotalFB[FB3] : szen2
2011 1
2013
1 2
2 3
2015 Jahr
1
1 2
3
2 3
2017 1 2
3
2019
1
1 2
3
2 3
2021 1 2
3
2023
1 2 3
2025
1
1 2
3
3
2009
2011
outFWAtotalFB[FB1] : szen2 outFWAtotalFB[FB2] : szen2 outFWAtotalFB[FB3] : szen2
2005
2007
1 2
2013
2 3
2015 Jahr
1
1 2
3
2 3
2017
1 2 3
2019
1
1 2
3
2 3
2021 1 2
3
2023
1 2 3
2025
1
1 2
3
3
Abbildung 6-12: „Jeder wird gebraucht“: Wertänderungen des Fachwissens Quelle: Eigene Darstellung.
Da die Annahmen für die gesamten Personalentwicklungskosten und deren Verteilungsschlüssel auf die Funktionsbereiche nicht geändert wurden, ist der Zufluss zum 210
Fachwissen durch Personalentwicklung (vgl. Abbildung 6-12 links oben) identisch zu dem aus dem Szenario 1. Bei den Wertveränderungen durch Neueinstellungen sowie durch die Verrentungen lassen sich allerdings deutliche Unterschiede zum Szenario 1 erkennen. Die Werterhöhung des Fachwissens durch Neueinstellungen hängt positiv kausal mit der Zahl eingestellter Vollzeitäquivalente zusammen. Das heißt: je mehr Neueinstellungen, desto höher ist ceteris paribus der daraus resultierende Wertzuwachs. Die Entwicklungslinie der Gesamteinstellungen je Funktionsbereich und die des Wertzuwachses durch Neueinstellungen verlaufen jedoch nicht identisch. Dies hängt mit den unterschiedlichen Entgeltstrukturen der Funktionsbereiche zusammen. Während sich zu Beginn des Simulationszeitraumes der Abstand zwischen den Gesamteinstellungen der Funktionsbereiche 1 und 2 stetig erhöht, sinkt dieser Abstand wieder zum Simulationsende. Dies erklärt, dass der Wertzuwachs durch Neueinstellungen im Funktionsbereich 1 anfangs den des Funktionsbereiches 2 übersteigt. Ab ca. 2018 reicht das höhere durchschnittliche Entgelt im Funktionsbereich 2 aus, um die Werterhöhung durch Neueinstellungen des Funktionsbereiches 1 zu übersteigen. Die Wertverluste des Fachwissens sind wiederum abhängig vom aktuellen Fachwissensbestand. Auch in diesem Szenario dominiert absolut gesehen der Wertverlust durch Wissenszerfall den Wertverlust durch Verrentungen. Der Anfangswert des Fachwissens (vgl. Abbildung 6-13) ist sehr hoch, da er sich endogen aus dem Produkt der Anzahl der Vollzeitäquivalente und dem funktionsbereichsspezifischen Entgelt ergibt. Dies führt aufgrund des relativen Bezugs dazu, dass der Wissenszerfall anfänglich ebenfalls sehr hoch ist (Abbildung 6-12 rechts unten). Die Konsequenz ist, dass sich der Bestand an Fachwissen und der Wertverlust durch Wissenszerfall solange gegenseitig beeinflussen, bis das System ca. 2019 einen Gleichgewichtszustand erreicht. Die Personalentwicklungsmaßnahmen reichen nicht aus, um den enormen Wertverlust durch Wissenszerfall zu kompensieren. Zum auffälligen Verlauf des Fachwissensverlustes durch Verrentungen im Funktionsbereich 1 (Abbildung 6-12 links unten) ist Folgendes zu sagen: Auf den ersten Blick ist es nicht möglich, zu beurteilen, weshalb der Wertverlust zunächst ansteigt und ab dem Jahr 2007 bis Ende des Simulationszeitraumes abfällt. Zur Beurteilung des Gesamteffektes müssen entsprechend der Cottbuser Formel alle drei Einflussfaktoren herangezogen werden – der aktuelle Fachwissenswert, die Zahl der Vollzeitäquivalente sowie die Anzahl der Ausstiege durch Verrentung. Der Quotient aus Fachwissen und Vollzeitäquivalenten bildet den durchschnittlichen Fachwissenswert. Mittels der Berechnung der Wachstumsraten für jede der drei Größen ergibt sich folgende Erklärung: 211
Die Wachstumsraten der Fachwissensbestände sind für alle Funktionsbereiche bis ca. 2021 negativ und schwanken dann je Funktionsbereich zwischen positiven und negativen Werten um 0 (vgl. Abbildung 6-13 links). Die Wachstumsraten der Personalbestände sind permanent positiv für alle Funktionsbereiche (vgl. Abbildung 6-11 links). Die Wachstumsraten der Gesamtausstiege sind ebenfalls permanent positiv für alle Funktionsbereiche (vgl. Abbildung 6-10 links unten). Die resultierenden Wachstumsraten des durchschnittlichen Fachwissens je Vollzeitäquivalent sind negativ (bis auf die Jahre 2024 und 2025 im Funktionsbereich 2), da das positive Wachstum des FTE-Bestandes dominiert. Schließlich ergeben sich die Wachstumsraten für den Fachwissenswertverlust aus der Addition der Wachstumsraten des durchschnittlichen Fachwissenswertes und der Wachstumsraten der Gesamtausstiege. Beide Effekte sind betragsmäßig annähernd gleich, jedoch mit teilweise wechselnden Vorzeichen (vgl. Abbildung 6-12 links unten). Aus diesen Wachstumsraten für den Fachwissenswertverlust ergibt sich bei allen drei Funktionsbereichen ein unterschiedlich stark ausgeprägter s-förmiger Verlauf mit mindestens einem Wendepunkt. Grundsätzlich sind jedoch die Wertverluste an Fachwissen durch Verrentungen in diesem Szenario niedriger als im Szenario 1, da aufgrund der Personalbindung keine zusätzlichen Ausstiege erfolgen. Wert des Fachwissens im Unternehmen
Wert des Fachwissens je FB 10 M 7,5 M
40 M 2
30 M
1
2 2
1
3
2,5 M
Euro
Euro
2 1
5M
3
3
20 M 2 1
2
1
1 3
3
2 1
3 1
1 2
2
2
1 3
3
2 1
2 3 1
3
2 1
3 1
2
2
3
3 1
2 1
3 1
1
10 M
2
1 2
1 2
0 2005
2007
2009
FWtotalFB[FB1] : szen2 FWtotalFB[FB2] : szen2
2011 1
2013
2017
2019
2021
FWtotalFB[FB3] : szen2
1 2
2015 Jahr
2
2023 3
2025
0 2005
2007
2009
2011
1
1
1
1 2
1 2
1 2
2013 2015 2017 Time (Year)
3
FWtotal : szen1
1 2
1
1 2
2019
FWtotal : szen2
1 2
1 2
1
2021 2
1 2
2
2023 2
1
2025
2
Abbildung 6-13: „Jeder wird gebraucht“: Wert des Fachwissens Quelle: Eigene Darstellung.
Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass nahezu über den gesamten Simulationszeitraum der Wert des Fachwissens des Unternehmens geringer ist als im Szenario 1 (vgl. Abbildung 6-13 rechts). Grund dafür ist, dass durch die fehlende Fluktuation weniger aktuelles Fachwissen vom externen Arbeitsmarkt zufließt. Die Werterhöhung durch Neueinstellungen ist im Szenario 2 um ein Vielfaches niedriger (vgl. Abbildung 6-12 und Abbildung 6-4 jeweils rechts oben). Die angenommenen Personalentwicklungs212
maßnahmen können die entstehende Differenz zwischen Szenario 1 und 2 nicht ausgleichen. 6.2.3
Auswirkungen auf den Erfahrungswissensbestand
Das Lernen erhöht den Bestand an Erfahrungswissen dauerhaft, auch wenn der Zuwachs von Jahr zu Jahr abnimmt. Die Werterhöhungen je Funktionsbereich entwickeln sich sehr homogen, was auf die ähnlichen Entwicklungen der jeweiligen Fachwissenswerte zurückzuführen ist. Der Wertverlust des Erfahrungswissens ist entsprechend der Cottbuser Formel abhängig von dem aktuellen Bestand an Erfahrungswissen, von der Zahl der Vollzeitäquivalente und von den Verrentungen. Steigen die Verrentungen, geht ceteris paribus mehr Erfahrungswissen verloren. Die steigenden Gesamtausstiege je Funktionsbereich (Abbildung 6-10 links unten) spiegeln sich insofern sehr gut im Wertverlust wider (Abbildung 6-14 rechts). Da die absolute Werterhöhung zum Simulationsanfang den Wertverlust betragsmäßig übersteigt, steigt der Bestand an Erfahrungswissen. Erst zum Ende des Simulationszeitraumes nähern sich die beiden Flussgrößen aneinander an, so dass sich ein Gleichgewicht andeutet. EW-Werterhöhung durch Lernen je FB
EW-Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen je FB
600.000
200.000
300.000
150.000 2 1
150.000
Euro/Jahr
Euro/Jahr
450.000
2 1 3
2 1 3
3
50.000
2 2
1
1 3
2 1
3
2 3
3 1
2 1
0 2005
2007
2009
inEWtotalFB[FB1] : szen2 inEWtotalFB[FB2] : szen2 inEWtotalFB[FB3] : szen2
2011 1
2013
1 2
2015 Jahr
1 2
3
1 2
3
100.000
2017
1 2
3
2023
1 2
3
2 3
2025
1 2
3
2 3 1
3 1
1 2
3
2 1
2021 1
2 3
2 3
3 1
1 2
3
2 1
2019
1 2
3
2 3
3 1
3
0 2005
2 1
2 1 3
2007
1 3
2
2 1
3
2009
outEWtotalFB[FB1] : szen2 outEWtotalFB[FB2] : szen2 outEWtotalFB[FB3] : szen2
1
2
3
3
2011 1
2013
2 3
2015 Jahr
1
1 2
3
2 3
2017
1
1 2
3
2021 1
2 3
3
3
2019
1 2
3
1
3
3
3
3
1 2
1
2 1
2 1
2
2 1
2
1
2 1
2
3
3
2025
1 2
3
3
2023
1 2
3
2 1
2
1
1 2
3
3
Abbildung 6-14: „Jeder wird gebraucht“: Wertänderungen des Erfahrungswissens Quelle: Eigene Darstellung.
Aufgrund des anfangs dominierenden Wertzuwachses durch Lernen steigt der Erfahrungswissenswert in jedem Funktionsbereich bis zum Erreichen des Gleichgewichtszustandes an. Personalbindung, d. h. keine Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebenen Ausstiege, führt dazu, dass das Erfahrungswissen bis zum Renteneintritt im Unternehmen verbleiben und sich akkumulieren kann. Der Effekt ist in der Abbildung 6-15 (rechts) durch den Vergleich von Szenario 1 und 2 sehr gut zu erkennen.
213
Wert des Erfahrungswissens je FB
Wert des Erfahrungswissenswissens im Unternehmen
20 M
40 M
10 M 5M
35 M 2
2
1
1
1
1
1
3
3
3
3
2
2
2
2
2
1
1
2
2 1
1 3
3
3
2
1 3
3
2
2
1
1
1
3
3
3
2
2 1
3
1
Euro
Euro
15 M
30 M
3
25 M
2007
2009
2011
EWtotalFB[FB1] : szen2 EWtotalFB[FB2] : szen2
1
2013
2015 Jahr
2
2017
2019
2021
2023
EWtotalFB[FB3] : szen2
1
3
2025
20 M 2005
2 1
2 1
1
2007
2
2 1
2
0 2005
2009
1
2011
EWtotal : szen1
1
1
1
2 1
2
2
2 1
1
1
2013 2015 2017 Time (Year)
3
2
2 1
2
2
1
2019
1
1
2021
EWtotal : szen2
1
2
2
2
1
2023 2
1
2025
2
Abbildung 6-15: „Jeder wird gebraucht“: Wert des Erfahrungswissens Quelle: Eigene Darstellung.
6.2.4
Auswirkungen auf den Humankapitalwert und Resümee
In der Abbildung 6-16 ist erkennbar, dass der Humankapitalwert je Funktionsbereich im gesamten Simulationszeitraum degressiv fällt und zum Ende des Simulationszeitraumes einen neuen Gleichgewichtszustand erreicht. Humankapitalwert je FB
Humankapitalwert des Unternehmens 42,5 M
20 M 2 2
Euro
1
1
2
1
10 M 3
2
1
3
3
3
2
2
1
1
2
2
2
2
2
2
1
1
1
3
3
38,62 M
2
3
3
1 3
1 3
1 3
3
1
1
34,75 M
1 2
3
3
5M 0 2005
2 1 2 1
1
Euro
2
15 M
2 1
30,87 M
2007
2009
HCtotalFB[FB1] : szen2 HCtotalFB[FB2] : szen2
2011 1
2
2013
2
2015 Jahr
2017
2019
2021
HCtotalFB[FB3] : szen2
1 2
2023 3
27 M 2005
2025
2007
2009
1
2
2011
3
HCtotal : szen1
1
1
1
1
2 1
2013
1
2
2015 Jahr
2 1
1
2017
2
2 1
2019
HCtotal : szen2
2 1
2021 2
2
2 1
1
2023 2
2 1
2025
2
Abbildung 6-16: „Jeder wird gebraucht“: Humankapitalwert Quelle: Eigene Darstellung.
Der verminderte Austausch des Unternehmens mit der Umwelt hat zwar den positiven Effekt, dass Erfahrungswissen aufgebaut werden kann. Gleichzeitig führt dies aber dazu, dass neues Fachwissen nicht in ausreichendem Maße vom externen Arbeitsmarkt ins Unternehmen gelangt. Dies können auch Personalentwicklungsmaßnahmen in dem angenommenen Umfang nicht kompensieren. Der positive Effekt des Erfahrungswertes auf den Humankapitalwert wird durch den erheblichen Wertverlust des Fachwissens mehr als aufgezehrt. Daraus folgt, dass auch in diesem Szenario der Humankapitalwert des Unternehmens sinkt. Jedoch entfaltet der Erfahrungswissenszuwachs auf lange Sicht seine Wirkung, so dass ab Mitte des Simulationszeitraumes das Absinken des Humankapitalwertes gestoppt wird. 214
Während in diesem Szenario aufgrund der fehlenden Fluktuation kaum aktuelles Fachwissen durch Einstellungen vom externen Arbeitsmarkt ins Unternehmen gelangt, nimmt das Erfahrungswissen zu. Je nach Relevanz des Fachwissens im Unternehmen ist deshalb zu entscheiden, wie wichtig zusätzliche Personalentwicklungsmaßnahmen sind. Es bleibt festzuhalten, dass extreme Personalbindungsmaßnahmen zwiespältig zu beurteilen sind und mit erhöhten Personalentwicklungsinvestitionen einhergehen müssen. Insofern sollten Vor- und Nachteile bzw. Kosten und Nutzen von Personalbindungsmaßnahmen sehr gründlich bewertet werden. Darüber hinaus wird deutlich, dass der Wert des Erfahrungswissens zwar steigt, weil die Mitarbeiter länger im Unternehmen verbleiben, allerdings dieses Wissen würde mit ihrem Ausstieg auch vollständig verloren gehen. Insofern zeigt dieses Szenario die Bedeutung der Förderung des Wissenstransfers im Unternehmen. Es wird in diesen Szenarien angenommen, dass 80% des Erfahrungswissens externalisiert werden kann. Würden die in Rente eintretenden Vollzeitäquivalente 100% ihres Wissens mitnehmen, dürfte der Humankapitalwert stärker als im Szenario 1 sinken. Auf lange Sicht zahlt sich die Investition in Wissenstransfer ähnlich des Zinseszinseffektes aus. Dies kann mit der Cottbuser Formel abgebildet werden. 6.3 Szenario 3: „Jugend zählt“ In diesem Szenario geht es darum, den Fokus auf die Einstellung sehr junger Mitarbeiter, d. h. 18-24-Jähriger, zu legen. Insofern wird angenommen, dass sämtliche Ersatzeinstellungen, die durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebene Ausstiege sowie Verrentungen erforderlich sind, über die Übernahme von Ausbildungsabsolventen erfolgen. Gleichzeitig wird unterstellt, dass die Übernahmequote 100% beträgt und für die Einteilung auf die Funktionsbereiche die Verteilungsquoten gelten, nach denen bisher die Neueintellungen im Mitarbeiterstamm zugeteilt wurden. Interessant ist zu prüfen, wie sich Personalstruktur und Humankapital entwickeln, wenn die duale Ausbildung im Unternehmen selbst erfolgt. Die Unterschiede in den Werten der exogenen Variablen im Vergleich zum Szenario 1 sind in der Abbildung 6-17 hervorgehoben.
215
Variable initAzubis initFTE1824[FB1,FB2,FB3] initFTE2534[FB1,FB2,FB3] initFTE3544[FB1,FB2,FB3] initFTE4554[FB1,FB2,FB3] initFTE5564[FB1,FB2,FB3]
fracAzubisUe[FB1,FB2,FB3]
fracoutFTE1824AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE2534AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE3544AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE4554AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE5564AG[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE1824AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE2534AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE3544AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE4554AN[FB1,FB2,FB3] fracoutFTE5564AN[FB1,FB2,FB3]
Bedeutung Anfangsbestand an Azubis Anfangsbestände in jedem FB je Altersklasse
Verteilungsquoten der zu 100% übernommenen Ausbildungsabsolventen auf die FB
AG-getriebene Ausstiegsquoten der FTE im jeweiligen FB je Altersklasse
AN-getriebene Ausstiegsquoten der FTE im jeweiligen FB je Altersklasse
w[FB1,FB2,FB3]
Mittlere Lebenszeit des Wissens je FB
lambda[FB1,FB2,FB3]
Lernrate je FB
beta
Gewichtungsfaktor für Erfahrungswissen
epsilon
Externalisierungsgrad von EW (Wissenstransfer)
GesamtPE fracPE[FB1,FB2,FB3] L[FB1,FB2,FB3] AzubiEinstellungen GesamtEinstellungen
Wert FB1
0,05195
0,75325
0,19481
0,15921 0,01640 0,00935 0,02032 0,01220 0 0,00571 0,00311 0,00605 0,10528
0,13969 0,06803 0,05998 0,06126 0,04309 0 0,04614 0,03357 0,02600 0,08850
5
5
0,4
0,4
0 0,02534 0,03907 Durchschnitt 2005-07 0,02943 0,10823 0,02041 0,02534 0,00787 Durchschnitt 2005-07 0,03157 0,15074 Annahme, i. A. an 5 Scholz, Stein & Bechtel, 2006, S. 235 i. A. an Fandel, 2005, S. 0,4 171
0,8
entspricht der Verteilung aus Gesamteinstellungen; = Durchschnitt 2005-07
Annahme 0,8
0,8 Annahme
500.000 0,1
0,5
21802,17
31395,15
Einstellung zur dualen Ausbildung von im Durchschnitt 2,6 Jahren gesamte Neueinstellungen vom externen Arbeitsmarkt
Anmerkung Annahme
14 54 entsprechend der 43 Bestände am 31.12.2004 22 im Projektunternehmen 7
1
Personalentwicklungskosten Verteilungsquoten der PE-Kosten auf die FB Jahresbruttoentgelt je FB
Wert FB3
20 60 106 116 25
Wert FB2 0 16 90 97 61 24
wie im Jahr 2006 0,4 Annahme 31450,69
AzubiEinstellungen = Gesamtausstiege
nach FTE gewichteter Durchschnitt 2005-07 endogen keine, da Ersatz durch Azubis
0
fracin[FB1,FB2,FB3]
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in den jeweiligen FB
0
0
fracinFTE1824[FB1,FB2,FB3] fracinFTE2534[FB1,FB2,FB3] fracinFTE3544[FB1,FB2,FB3] fracinFTE4554[FB1,FB2,FB3] fracinFTE5564[FB1,FB2,FB3]
Verteilungsquoten der neu eingestellten FTE in die FB auf die einzelnen Altersklassen
0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
0 Verteilung entfällt, da Neuzugänge nur durch 0 Übernahme von 0 Ausbildungs-absolventen, 0 die alle in FTE1824 0 beginnen 0
Abbildung 6-17: Variablenwerte für das Szenario „Jugend zählt“ Quelle: Eigene Darstellung.
6.3.1
Auswirkungen auf die Alters- und Personalstruktur
Die Gesamteinstellungen je Funktionsbereich sind annahmegemäß gleich 0 (vgl. Abbildung 6-18 links oben). Entsprechend der Übernahmequote und der Verteilungsquoten der Ausbildungsabsolventen auf die drei Funktionsbereiche steigt die absolute Anzahl degressiv an. In den Funktionsbereich 2 tritt die größte Zahl an Ausbildungsabsolventen ein. Der Funktionsbereich 1 ist nur durch eine geringe Anzahl an Einstellungen gekennzeichnet. 216
Die Gesamtausstiege je Funktionsbereich entwickeln sich im Vergleich sehr unterschiedlich. Der Funktionsbereich 1 nimmt über den Simulationszeitraum ab. Der Funktionsbereich 2 ist durch ein Ansteigen der Gesamtausstiege charakterisiert und im Funktionsbereich 3 bleiben die Ausstiegszahlen nahezu konstant über den Zeitverlauf (vgl. Abbildung 6-18 links unten). Übernahmen von Ausbildungsabsolventen je FB 60
0,15
45
Personen/Jahr
Personen/Jahr
Gesamteinstellungen je FB 0,2
0,1 0,05
2
30
2005
3 2 1
2 1
2007
1 3
3 2
2009
1 2
1 3
2011
FBEinstellungen[FB1] : szen3a FBEinstellungen[FB2] : szen3a FBEinstellungen[FB3] : szen3a
3 2
3 1 2
2013
1
2 1
1 3
1 2
3
2 3
2015 Jahr 1
2 3
2 1
2017
1 2
3
1 3
2 1 3
2019
1 2
3
2 3
1 2
3
2 1
2021 1
2 3
1 3
2 3
2023
1 2
3
2 1
1 2
3
2 1 3
2025
2
0
3 1
2005
1
3 1
1
2007
2009
3
Gesamtausstiege je FB
30
2
2
2
2
2
1
1
1
1
1
3
3
3
2009
2011
1
1
1
3
3
3
2013
2015 Jahr
10 3
3
1
1
3
3
2017
2019
1 3
3
1
1 3
1 3
3
0 2005
3 1
3 1
2013 1
2
1 2
3
3
3
1
1
2015 Jahr 1 2
3
1
1 2
3
3
3
2017
1 2
3
3
3
1
2021
1 2
3
3
1
2019
1
1 2
3
1 2
3
3 1
2025
1 2
3
3
1
2023
1 2
3
3
60 50
20 1
2
2
Durchschnittsalter je FB 2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
Jahre
Personen/Jahr
40
3 1
2011
inFTE1824Ue[FB1] : szen3a inFTE1824Ue[FB2] : szen3a inFTE1824Ue[FB3] : szen3a
1 2
3
2
2
15
3
0
2
2
2
2
2
2
2
2
2
40
1 2 3
1
1
1
1
1
2
3 2
3
1
1
1
3
3 2
1
1
1
1
3 2
2
1
1
2 3
2 3
3 2
30
2
3 2
3
2
3 2
3
3 2
3 2
20 2007
outFTEtotalFB[FB1] : szen3a outFTEtotalFB[FB2] : szen3a outFTEtotalFB[FB3] : szen3a
1 2
1 2
3
1 2
3
1 2
3
1 2
3
1 2
3
2021 1
2 3
1 2
3
2023 1 2
3
2025 1
2 3
3
2005
2007
2009
2011
avgAgeFTEtotalFB[FB1] : szen3a avgAgeFTEtotalFB[FB2] : szen3a avgAgeFTEtotalFB[FB3] : szen3a
2013
2015 Jahr
1 2
2 3
2017
1
1 2
3
2 3
2019
1 2 3
2021
1
1 2
3
2 3
2023 1 2
3
2025
1
1 2
3
3
Abbildung 6-18: „Jugend zählt“: Einstellungen und Ausstiege Quelle: Eigene Darstellung.
Die Bestände an Vollzeitäquivalenten je Funktionsbereich sind positiv ansteigend – mit Ausnahme des Funktionsbereiches 1. Hier kommt es zu einem starken Rückgang der Personenanzahl, da die Ausstiege die Einstellungen über den gesamten Simulationszeitraum überwiegen. Annahmegemäß werden nur wenige Ausbildungsabsolventen in den Funktionsbereich 1 übernommen. Die Konsequenz dieses Rückgangs ist, dass die Gesamtzahl an Vollzeitäquivalenten im Unternehmen in diesem Szenario degressiv sinkt und erst zum Ende des Simulationszeitraumes ein neues Gleichgewicht erreicht (vgl. Abbildung 6-19 rechts). Fraglich ist nun, warum es trotz Ersatz aller Ausstiege zu einem Absinken der Zahl der Gesamtmitarbeiter kommt.
217
Die Hauptursache liegt in der Zeitverzögerung. Dies bedeutet, dass es mit Meldung des Ersatzbedarfes noch 2,6 Jahre dauert, bis der Personalbedarf im Mitarbeiterstamm gedeckt werden kann.99 Während der Wartezeit auf Ausbildungsabsolventen entsteht jedoch jährlich ein neuer Ersatzbedarf im Unternehmen durch Ausstiege, der wiederum nur mit einer Verzögerung zur Verfügung steht. Diese permanente Personalunterdeckung kann das Unternehmen nur umgehen, indem es den Bedarf mindestens 2,6 Jahre im Voraus prognostiziert. Außerdem kommt es durch die bestimmten Übernahmequoten der Ausbildungsabsolventen in die Funktionsbereiche zu einer Verschiebung der Verhältnisse zueinander. Zusätzlich ist jeder Funktionsbereich mit unterschiedlichen Ausstiegsquoten gekennzeichnet, die die Verschiebung ebenfalls begünstigen. Während der Funktionsbereich 1 sehr niedrige Ausstiegsquoten aufweist, ist der Funktionsbereich 2 durch höhere Ausstiegsquoten charakterisiert. Damit beschleunigt sich der Ersatzbedarf des Unternehmens, was die Bedarfslücke erhöht. Anzahl FTE je FB
Anzahl FTE 800
400 1 2
1
1
2
2
1 2
3
3
1
2
1
1 3
3
3
3
3
3
3
2
2
2
2
2
2
750
1
1
1
1
1
1 1
1
200 100
2
2
2
2 1
1
1 3
3
3
3 1
3 1
1
1
Personen
Personen
300
700
1 1
2
1
1 1
1
1 1
2
650 0 2005
2
2007
2009
FTEtotalFB[FB1] : szen3a FTEtotalFB[FB2] : szen3a FTEtotalFB[FB3] : szen3a
2011 1
2013 1
2
1 2
3
2015 Jahr 1 2
3
2017 1
2 3
1 2
3
2019 1 2
3
2021 1
2 3
1 2
3
2023 1 2
3
2025 1
2 2
600 2005
2007
2009
2011
2 3
3
FTEtotal : szen1
1
1
1
2
2
2
2
2013 2015 2017 Time (Year) 1
2
2
2019
FTEtotal : szen3a
2
2
2021
2023
2
2
2
2
2025
2
Abbildung 6-19: „Jugend zählt“: Alters- und Personalstruktur Quelle: Eigene Darstellung.
Durch das ausschließliche Einstellen der Ausbildungsabsolventen in die Altersklasse der 18- bis 24-Jährigen sinkt das Durchschnittsalter je Funktionsbereich (Abbildung 6-18 rechts unten). Da jedoch im Funktionsbereich 1 kaum eingestellt wird, dominiert die Alterung der vorhandenen Vollzeitäquivalente den Verjüngungseffekt durch Ausbildungsabsolventen. Nur in den Funktionsbereichen 2 und 3 ist deshalb ein abnehmendes Durchschnittsalter zu verzeichnen.
99
218
Aufgrund der kontinuierlichen Simulation gilt die Verzögerungszeit nur im Durchschnitt, so dass trotzdem bereits im ersten Simulationsjahr Übernahmen von Ausbildungsabsolventen abgebildet werden (vgl. Abbildung 6-18 rechts oben).
6.3.2
Auswirkungen auf den Fachwissensbestand
Wie in den vorangegangenen Szenarien werden die Personalentwicklungskosten sowie die Verteilungsquoten auf die einzelnen Funktionsbereiche konstant gehalten. Die Werterhöhung durch Neueinstellungen folgt dem gleichen Verlaufsmuster wie die Entwicklung der Zahl übernommener Ausbildungsabsolventen im Zeitverlauf. Aufgrund der höchsten Zunahme der Mitarbeiterzahl und des höchsten durchschnittlichen Entgeltes kann der Funktionsbereich 2 den größten Fachwissenszufluss verzeichnen. Im Funktionsbereich 1 findet wegen dazu entgegengesetzter Ursachen nahezu keine Werterhöhung statt (vgl. Abbildung 6-20 rechts oben). FW-Werterhöhung durch Personalentwicklung je FB
FW-Werterhöhung durch Neueinstellungen je FB
400.000
2M 1,5 M 2
2
200.000
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
2
3
3
2
3
3
2
2
3
3
Euro/Jahr
Euro/Jahr
300.000
1M
1
1
1
1
1
1
2011
2013
1
1
1
1
2017
2019
1
1
3
0 2005
2007
PE[FB1] : szen3a PE[FB2] : szen3a
2009 1
2
1 2
2015 Jahr
PE[FB3] : szen3a
1 2
2021
2023
3
3
inFWtotalFB[FB1] : szen3a inFWtotalFB[FB2] : szen3a inFWtotalFB[FB3] : szen3a
3
2
1,5 M
1,5 M
1M 2
1
0 2005
1 3
2007
1 3
2
2
3
1
2009
outFWtotalFB[FB1] : szen3a outFWtotalFB[FB2] : szen3a outFWtotalFB[FB3] : szen3a
3 1
2
2
3
1
2011
2013
1 2
3
1
1 2
3
2
2015 Jahr
1 2
3
3 1
2
3
1
1 2
3
3 1
2019
1 2
3
2
2017
1 2
3
3 1
2
2
3
1
2021 1
2 3
2
2
3 1
3
2025
1 2
3
2
2023
1 2
3
3 1
1 2
3
2011 1
2013
1 2
2
1
2015 Jahr
1
3
3
3
1
1 2
3
2017
2019
2
1 2
3
1
1 2
3
3
3 1
1
3
3
1
1
3
3
3
1
1
2021 1
2 3
2023
1 2
3
2025
1 2
3
1 2
3
3
FW-Wertverlust durch Wissenszerfall 2M
Euro/Jahr
Euro/Jahr
FW-Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen je FB
2
1
1
2025
2M
500.000
1
3
3
3
3
0 1 1 1 2005 2007 2009
1
2
2 3
1
2
2
2
500.000
100.000
2
2
2
2
2
2
2
2
2
3
2
1M
1
2 2
1
500.000 0 2005
3
1 3
3
1
3 1
3
3 1
2007
2009
outFWAtotalFB[FB1] : szen3a outFWAtotalFB[FB2] : szen3a outFWAtotalFB[FB3] : szen3a
2011
2013
1
1 2
3
1
2015 Jahr
1 2
3
3
3
1
1
2017
2019
1 2
3
2 3
1
1 2 3
1
2021 1
3
3
3
1
1
2025
1 2
3
2
2023
1 2
3
2
2
3
3
3
1
1 2
3
2
2
2
2
2
2
2
2
1 2
3
3
Abbildung 6-20: „Jugend zählt“: Wertänderungen des Fachwissens Quelle: Eigene Darstellung.
Der Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen ist besonders im Funktionsbereich 2 beachtlich. Dieser hängt zum einen von der hohen Anzahl der Ausstiege als auch dem durchschnittlichen Fachwissensbestand je Vollzeitäquivalent ab. Die Verläufe lassen sich wie im Szenario 2 mit den Wachstumsraten erklären. Die Funktionsbereiche 1 und 3 spielen zur Bewertung des gesamten Wertverlustes durch Ausstiege und Verrentungen eine geringere Rolle. Der Wertverlust durch Wissenszerfall verläuft für alle drei Funktionsbereiche degressiv abnehmend (vgl. Abbildung 6-20 rechts unten). Besonders stark ausgeprägt ist der Wertverlust im Funktionsbereich 1. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, 219
dass aufgrund der geringen Neuzugänge der Fachwissensbestand schrumpft. Zum anderen sind in diesem Funktionsbereich nur sehr geringe Personalentwicklungsmaßnahmen vorgesehen. Wert des Fachwissens im Unternehmen
Wert des Fachwissens je FB 10 M
40 M
7,5 M
30 M
1
2 2
1 3
2,5 M 0 2005
1 3
3 1
1
3 1
2007
2009
FWtotalFB[FB1] : szen3a FWtotalFB[FB2] : szen3a FWtotalFB[FB3] : szen3a
2011 1
2
3
3
1
1
1
2015 Jahr
2017
2013 1
2 3
1 2
3
2
2
3
2
2
2
3
1 2
3
1
2019
1
1 2
3
2
2
3
3
2
20 M 1 2
3
1 2
10 M
1
2 3
3
3
3
1 2
3
2
2
Euro
Euro
2
5M
1
1
2021
2023
1 2
3
1 2
3
1
2025
1 2
3
1
0 2005
1
1 2
2
1
2007
2009
1
2011
FWtotal : szen1
3
1
1
1
1 2
1
1 2
2
1
1 2
2
2013 2015 2017 Time (Year)
2 3
1 2
2
1 2
2019
2021
FWtotal : szen3
1
1
2
1 2
2
2023 2
1
2025
2
Abbildung 6-21: „Jugend zählt“: Wert des Fachwissens Quelle: Eigene Darstellung.
Der Gesamtwert des Fachwissens im Unternehmen nimmt trotz Ersatzeinstellungen bis zu einem neuen Gleichgewichtszustand bis ca. 2013 ab. Im Vergleich zum Szenario 1 ergibt sich der niedrigere Verlauf durch die stark verzögerte Personalbedarfsdeckung. 6.3.3
Auswirkungen auf den Erfahrungswissensbestand
Die Werterhöhung durch Lernen ist vor allem abhängig vom Fachwissensbestand des jeweiligen Funktionsbereiches, dem Durchschnittsalter und der Lernrate. EW-Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen je FB 400.000
450.000
300.000
300.000
2 1
150.000 0 2005
2 1 3
2007
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
3
3
3
1
1
2
Euro/Jahr
Euro/Jahr
EW-Werterhöhung durch Lernen je FB 600.000
200.000
2
2
1
1 3
100.000
1 3
3
1
2009
inEWtotalFB[FB1] : szen3 inEWtotalFB[FB2] : szen3 inEWtotalFB[FB3] : szen3
3 1
1
2011 1
3
3
2
1 2
3
1
2015 Jahr
1 2
3
1
2013
1
3
3
2 3
1
1
2017
2019
1
1 2
3
1
1 2
3
1
2021 1
2 3
3
3
3
1 2
3
2023 1 2
3
2025 1
2 3
3
0 2005
2007
2
1 3
2009
outEWtotalFB[FB1] : szen3 outEWtotalFB[FB2] : szen3 outEWtotalFB[FB3] : szen3
3
2011 1
2013
1 2
2015 Jahr
1 2
3
1 2
3
3
2017
1 2
3
2019
1 2
3
3
1 2
3
3
2021 1
2 3
2
1 3
3
2025
1 2
3
2
2023
1 2
3
1 3
1
1 3
1
1 3
1
1 3
1
1 3
1 3
2
2
2
2
2
2
2
2
2
1 2
3
3
Abbildung 6-22: „Jugend zählt“: Wertänderungen des Erfahrungswissens Quelle: Eigene Darstellung.
Da der Wert des Fachwissens im Funktionsbereich 1 stark abfällt und außerdem das Durchschnittsalter steigt, wirken zwei abmindernde Effekte auf das Lernen. Dies hat zur Folge, dass sich die Werterhöhung durch Lernen im Funktionsbereich 1 signifikant über den Simulationszeitraum reduziert, gleichzeitig jedoch eine Stabilisierung in den 220
Funktionsbereichen 2 und 3 erkennbar ist. Betragsmäßig ist besonders im Funktionsbereich 2 ab 2009 eine Werterhöhung durch Lernen ablesbar, da die erhebliche Zahl an Übernahmen den Altersdurchschnitt senkt und in jüngeren Jahren die Akkumulation von Erfahrungswissen höher ist (vgl. Cottbuser Formel). Der Wertverlust durch Ausstiege und Verrentungen hängt wiederum vom durchschnittlichen Erfahrungswissen je Vollzeitäquivalent und der absoluten Anzahl an Ausstiegen im Funktionsbereich ab. Im Funktionsbereich 2 nimmt der Wertverlust über den Simulationszeitraum zu, der sich vor allem durch die hohe Anzahl an Ausstiegen in dem Funktionsbereich 2 erklären lässt (vgl. Abbildung 6-22 rechts). Dies trifft in abgeschwächter Form auch auf die Funktionsbereiche 1 und 3 zu. Die Verläufe des Wertverlustes des Erfahrungswissens lassen sich aufgrund der Wechselwirkungen verschiedener Variablen auch hier am Besten mit den Wachstumsraten begründen. Wert des Erfahrungswissens je FB
Euro
7,5 M 5M
2
2
1
1
2
2
1
1
1
3
3
3
3
2
2
1
2
1
3
3
2
1
3
2
2
1
3
1
3
1
3
Wert des Erfahrungswissenswissens im Unternehmen
2
2
2
2
1
1
30 M 27,5 M
1 3
3
3
1 3
Euro
10 M
25 M 2
2,5 M
22,5 M
0
20 M
2 2 1 3
2 1
2005
2007
2009
EWtotalFB[FB1] : szen3 EWtotalFB[FB2] : szen3
2011 1
2013
2017
2019
2021
EWtotalFB[FB3] : szen3
1 2
2015 Jahr
2
2023 3
2025 3
2005
1 3
2007
EWtotal : szen1 EWtotal : szen2
1
3
1 3
1
2009 1
2
3
2011 1
2
2
2
2
2
2
2
1 3
3
1
2
2
2
2
2013
1 3
3
2015 Jahr
1
1 3
2017
2019
EWtotal : szen3
1 2
1
3
1 3
2021 3
1
3
1 3
2023 3
3
2025 3
2
Abbildung 6-23: „Jugend zählt“: Wert des Erfahrungswissens Quelle: Eigene Darstellung.
Der Wert des Erfahrungswissens steigt im Funktionsbereich 1 bis zum Jahr 2010 an und sinkt danach kontinuierlich. Dies ist vor allem auf die fehlenden Ersatzeinstellungen zurückzuführen. Die Ersatzbeschaffung des Unternehmens fällt hauptsächlich zugunsten der Funktionsbereiche 2 und 3 aus, so dass hier der Wert des Erfahrungswissens stabil bleibt. Insgesamt verläuft in diesem Szenario der Wert des Erfahrungswissens im Unternehmen unterhalb der Werte in den Szenarien 1 und 2 (vgl. Abbildung 6-23 rechts). Die Differenz entsteht wie bereits mehrfach angedeutet durch die verzögerte Personalbedarfsdeckung. Interessant ist, dass nur die Politik im Szenario 2 zu einer Erhöhung des Erfahrungswissenswerts führt. Ursächlich ist die starke Personalbindung bis zum Renteneintritt. Selbst das Einstellen von jungen Vollzeitäquivalenten im Szenario 3 führt nicht annäherungsweise zu der Akkumulation von Erfahrungswissen im Szenario 2, da im Szenario 3 zusätzlich auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-getriebene Ausstiege unterstellt werden. 221
6.3.4
Auswirkungen auf den Humankapitalwert und Resümee
Der Humankapitalwert im Funktionsbereich 1 fällt erwartungsgemäß, da sowohl das Erfahrungswissen ab 2010 als auch das Fachwissen kontinuierlich abnehmen. Im Funktionsbereich 2 kommt es nach einer Reduktion bis ca. 2010 zu einer Stabilisierung des Humankapitalwertes. Dies ist vor allem mit dem Erreichen des Gleichgewichtszustandes des Fachwissenswertes ab 2010 zu begründen. Ein ähnliches Verlaufsmuster ist auch im Funktionsbereich 3 gegeben. Humankapitalwert des Unternehmens
Humankapitalwert je FB 45 M
20 M 2 2
2
Euro
1 1
10 M
2
2
2
2
2
2
2
2
40 M
2
1 1
3
2
2
Euro
15 M
3
1
3
3
1 3
3
1
1 3
3
1
1 3
3
1
1 3
3
3 1
5M
1
3 1
3
2 1 1
2
2 1
3
1
2
2 1
3
3
3
3
30 M
2 1
1 3
2
2 1
3
1 3
2 3
2 1
2 1 3
1 3
2
2
3
1
1 3
25 M
0 2005
2 1
35 M
2007
2009
HCtotalFB[FB1] : szen3 HCtotalFB[FB2] : szen3
2011 1
2
2013
2017
2019
2021
HCtotalFB[FB3] : szen3
1 2
2015 Jahr
2023 3
2025 3
2
2005
2007
HCtotal : szen1 HCtotal : szen2
2009
1
1 2
2011 1
2
2013
2017
2019
HCtotal : szen3
1 2
2015 Jahr
2021 3
3
2023 3
2025 3
2
Abbildung 6-24: „Jugend zählt“: Humankapitalwert Quelle: Eigene Darstellung.
Insgesamt ist das Einstellen von besonders jungen Vollzeitäquivalenten dann positiv, wenn die Verbleibedauer im Unternehmen lang genug ist, um Erfahrungswissen zu akkumulieren. Der Abbau von Fachwissen ist unabhängig vom Alter der Neueinstellungen, so dass aus diesem Gesichtspunkt kein besonderer Wert auf junge Mitarbeiter gelegt werden muss. Eine 100%-ige Übernahmequote ist als nicht sinnvoll zu erachten, da unter dieser Annahme das Unternehmen immer wieder auf den neu entstehenden Bedarf reagieren muss. Zusätzliches Übernahmepotenzial ist nicht vorhanden. Darüber hinaus erfordert eine Übernahmequote von 100% ein intensiveres Auswahlverfahren der Auszubildenden. Besser wäre es, den Bestand an Auszubildenden auszubauen und über dem Bedarf auszubilden. Die Übernahmequote wird dann abhängig vom aktuellen Bedarf und der Qualifikation vorgenommen. Damit kann die Zeitverzögerung ausgeglichen werden. Im Vergleich zu den Szenarien 1 und 2 verläuft der Humankapitalwert des Unternehmens im Szenario 3 unterhalb dieser beiden. Dies liegt im Vergleich zum Szenario 2 zum einen an den hohen Ausstiegen über die Zeit und zum anderen an der permanenten Bedarfslücke. Die Wirkung der Zeitverzögerung wird in diesem Vergleich der Humankapitalwerte besonders deutlich.
222
6.4 Kapitelfazit Dieses Kapitel widmete sich der Anwendung des Simulationsmodells. Damit wurde die praktische Einsatzmöglichkeit gezeigt. Das Simulationsmodell besteht aus der Alterskette und den parallelen Strukturen des Erfahrungswissens und des Fachwissens, die sich aus der Cottbuser Formel ergeben. Zusätzlich zu der Unterteilung in Funktionsbereiche wurde die Cottbuser Formel auf die einzelnen Altersklassen angewendet. Auch wenn diese Auswertungen zu den Altersklassen hier nicht vorgenommen wurden, besteht die Möglichkeit, funktionsbereichs- und altersklassenspezifische Humankapitalwertbeiträge zu simulieren. Die Szenarien in diesem Kapitel sind als aussagekräftige Beispiele zu verstehen. Die Variablenwerte wurden beabsichtigt so definiert, dass die Entwicklung der einzelnen Bestands- und Flussgrößen der Cottbuser Formel besonders deutlich werden. Im Szenario 2 sind vor allem der Erfahrungswissenszufluss durch Lernen sowie der Verlust an Fachwissen durch fehlende Neueinstellungen hervorgetreten. Im Szenario 3 ist dagegen die Zeitverzögerung bei der Ersatzeinstellung aufgefallen. Auf ein gesondertes Szenario zur Bedeutung von Personalentwicklungsmaßnahmen zur Stabilisierung von Fachwissen wurde verzichtet, da diese jährlich dem System exogen zufließen und sofort ihre Wirkung entfalten. Insofern kann die Stabilität des Fachwissenswertes und damit des Humankapitalwertes direkt durch entsprechende Personalentwicklungsinvestitionen gesteuert werden. Das Szenario 1 „Business as usual“ zeigte die Auswirkungen der Fortsetzung der bisherigen Einstellpolitik. Alle exogenen Variablen wurden mit den Durchschnittswerten der Jahre 2005 bis 2007 des Projektunternehmens belegt. Konsequenzen dieser Politik sind ein leicht ansteigendes Durchschnittsalter im Funktionsbereich 1, eine Reduktion des Personalbestandes aufgrund der ungenügenden Einstellungen im Funktionsbereich 1, die Halbierung des Fachwissenswertes, die die anfängliche Erhöhung des Erfahrungswissenswertes dominiert sowie ein daraus resultierendes Sinken des Humankapitalwertes des Unternehmens zum Ende des Simulationszeitraumes. Das Szenario 2 „Jeder wird gebraucht“ spiegelte die Effekte der Intensivierung der Personalbindungsmaßnahmen und des vollständigen Personalersatzes der rentenbedingten Ausstiege wider. Effekte dieser Politik sind ein steigendes Durchschnittsalter in allen Funktionsbereichen, eine Personalbestandserhöhung in allen Funktionsbereichen durch zusätzliche Übernahmen der Ausbildungsabsolventen, ein noch stärkeres Absinken des Fachwissenswertes im Unternehmen aufgrund der fehlenden Fluktuation und der zu geringen Personalentwicklungsinvestitionen, ein Anstieg des Erfahrungswissenswertes um ca. 20% aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit so-
223
wie eine daraus folgende Stabilisierung des Humankapitalwertes zum Ende des Simulationszeitraumes. Das dritte Szenario „Jungend zählt“ offenbarte schließlich die Wirkung einer jugendzentrierten Einstellpolitik und einer vollständigen Ersatzbeschaffung aller aussteigenden Vollzeitäquivalente über unternehmensintern ausgebildete Fachkräfte bei einer Übernahmequote von 100%. Hier kam besonders deutlich der Effekt von Verzögerungen zum Ausdruck. Insgesamt bewirkte diese Politik eine Reduktion des gesamten Durchschnittsalters im Unternehmen, aber auch eine enorme Personalbestandssenkung aufgrund der Wartezeiten, ein Sinken des Fachwissenswertes aufgrund der Personalunterdeckung, ein insgesamt vergleichbarer Wert des Erfahrungswissens zum Startjahr 2005 sowie ein sich daraus ergebender um ca. 30% sinkender Humankapitalwert zum Ende des Simulationszeitraumes. In den vorgestellten drei Szenarien sind die zusammenhängenden Effekte der Variablen sehr deutlich geworden. Eine Stabilität des Personalbestandes erzeugt beispielsweise nicht gleichzeitig einen stabilen Humankapitalwert. Die Effekte der durchgeführten Maßnahmen auf die Humankapitalwertentwicklung können mit diesem Simulationsmodell bewertet und die Interdependenzen bewusst gemacht werden. Alle Parameter ändern sich periodisch und sind ohne computerbasierte Unterstützung in ihrer Gesamtwirkung nicht abschätzbar. Insofern ist das Modell als strategisches Planungswerkzeug nutzbar, mit dem sich Unternehmen einen Zeit-, Kosten- und Qualitätsvorsprung durch wirksame Maßnahmen erarbeiten können. Anzumerken ist, dass einzelne hier getroffene Annahmen zum Erfahrungswissen weiterer Forschung bedürfen. Während die Aussagen zum Fachwissen als größtenteils durch die wissenschaftliche Literatur belegt sind, gibt es im Bereich des Erfahrungswissens hauptsächlich qualitative Ausführungen. Insofern ist Modellierung des Erfahrungswissenswertes vorsichtig zu beurteilen. Dennoch leistet der Teil des Erfahrungswissens in der Cottbuser Formel durch die erstmalige formale Niederschrift, besonders in Kombination mit Fachwissen, einen wichtigen ersten konkreten Schritt für eine weitere wissenschaftliche Diskussion.
224
“Effective management is difficult in a world of high dynamic complexity. Our decisions may create unanticipated side effects and delayed consequences. Our attempts to stabilize the system may destabilize it. Our decisions may provoke reactions by other agents seeking to restore the balance we upset. Our decisions may move the system into a new regime of behavior where unexpected and unfamiliar dynamics arise because the dominant feedback loops have changed.” (Sterman, 1994, S. 303)
7 Erkenntnisse der Arbeit 7.1 Zusammenfassung Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. Beginnend wurde im ersten Kapitel das Ziel der vorliegenden Arbeit geklärt. Dieses bestand darin, strategische Personalplanung mittels eines systemdynamischen Alters- und Personalstrukturmodells umzusetzen und die Ergebnisse der Personalplanung mittels der Humankapitalwertberechnung zu evaluieren. Der Anlass für das Alters- und Personalstrukturmodell ergab sich aus dem Einsetzen der demografischen Effekte, die das externe Arbeitskräftepotenzial und schließlich die unternehmensinterne Belegschaft in Deutschland stark verändert. Die Motivation, in dieser Arbeit gleichzeitig das Themenfeld des Humankapitalmanagements aufzugreifen, resultierte aus der Forschungslücke, das Wirken der Entscheidungsträger in der strategischen Personalplanung evaluieren zu können. Dafür bedarf es eines einheitlichen und konsistenten Bewertungskonzeptes. Die Saarbrücker Formel (2006) wurde als ein Ansatz vorgestellt, der dieses Wirken anhand des resultierenden Humankapitalwertes zu bewerten versucht. Die strukturellen Fehler dieser Formel erfordern jedoch fundamentale Korrekturen, die schließlich zu der in dieser Arbeit hergeleiteten Cottbuser Formel führte. Die Kombination der quantitativen Personalplanung mit der Cottbuser Formel in einem dynamischen Simulationsmodell war das Hauptziel dieser Arbeit. Entsprechend diesem Vorhaben wurden im zweiten Kapitel die Wurzeln, die Aufgaben und die Einflussfaktoren des strategischen Personalmanagements beschrieben. Ein wesentlicher Teil des strategischen Personalmanagements ist die strategische Personalplanung, die hinsichtlich des Aufgabengebietes und ihrer Einbettung ins Unternehmen erläutert wurde. Erkenntnis dieses Kapitels war es, dass Personalplanung 225
D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
innerhalb eines komplexen Systems stattfindet, d. h. von vielen und vielfältigen Wechselwirkungen sowie der Dynamik des In- und Umsystems beeinflusst wird. Insofern sind computergestützte Planungsprogramme von Nöten, die diese Komplexität verarbeiten können. Das dritte Kapitel beschäftigte sich mit der theoretischen Fundierung für dieses zu erstellende Planungsprogramm. Zunächst wurde erörtert, dass strategische Personalplanung in Zeiten des Wandels und der Schrumpfung des Arbeitspotenzials wichtig ist, weil die Beschäftigten als strategische Humanressourcen zu verstehen sind. Charakterisiert durch ihre Heterogenität, relative Immobilität, relative Einzigartigkeit und Knappheit, Innovations- und Wertschöpfungsfähigkeit, Nichtsubstituierbarkeit sowie Nichtimitierbarkeit gelten Humanressourcen als der Erfolgsschlüssel für Unternehmen. Erschwert wurde die Verankerung dieser Aussage in der Praxis durch die fehlende Quantifizierbarkeit dieses Erfolgsfaktors. Da mehr und mehr von Dienstleistungs- und Wissensgesellschaften in hochentwickelten Ländern gesprochen wird, ist nachvollziehbar, dass bei reiner Bilanzierung von Sachgütern ein Unternehmen unterbewertet ist. Der Firmenwert (Goodwill) ergibt sich zu einem großen Anteil durch das Humankapital, so dass es für alle Interessensgruppen eines Unternehmens immer wichtiger wird, diesen Wert zu bemessen. Damit beschäftigt sich das Forschungsfeld des Humankapitalmanagements, welches in jüngster Zeit Indikatoren und Berechnungsmöglichkeiten hervorbrachte, um das Humankapital, also den Wert der Humanressourcen zu messen. Ein Ansatz, der die Stärken verschiedener Modelle zu aggregieren und die Schwächen zu reduzieren versuchte, ist als Saarbrücker Formel bekannt geworden. Sie greift unter anderem auf Personaldaten des zu untersuchenden Unternehmens zurück und beruht auf der Idee, den aus der Berechnung resultierenden Humankapitalwert in die Bilanz bzw. freiwilligen Geschäftsberichte aufzunehmen, um den Informationsbedarf externer Interessengruppen zu decken. Die Saarbrücker Formel wurde allerdings in der Literatur sehr stark aufgrund ihrer strukturellen Schwachstellen kritisiert. Diese Kritikpunkte wurden in dieser Arbeit ausführlich beschrieben. Zum Zwecke der Verbesserung der Saarbrücker Formel wurden die einzelnen Formelbestandteile sukzessive diskutiert und auf Basis der theoretischen Literatur ein vollständig überarbeitetes und erweitertes Modell hergeleitet. Die Cottbuser Formel ist das Ergebnis dieser intensiven Argumentation. Die Unterschiede zwischen der Saarbrücker Formel (Abbildung 7-1) und der Cottbuser Formel (Abbildung 7-2) sind nachfolgend noch einmal zusammenfassend grafisch dargestellt. Zur Vereinfachung wurde im Schema der Cottbuser Formel darauf verzichtet, eine vierte Gliederungsebene zu integrieren, die die Berechnung der Flussgrößen auf der dritten Ebene erklärt. Die Abhängigkeiten sowie die Dimensionen der
226
sechs verschiedenen Flussgrößen sind in jeder Box dokumentiert. Die einzelnen Variablen wurden im Kapitel 3 umfassend erläutert. Motivationsindexi
FTEi
+
li
+
wi
+
bi
-
+
Personalentwicklungskosteni
+
jährliche Abschreibungi
HumankapitalwertSF
+
Legende:
+
-
positiver Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in die gleiche Richtung negativer Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in entgegengesetzte Richtung
Abbildung 7-1:
Schematische Darstellung der Saarbrücker Formel (SF) Quelle: Eigene Darstellung.
FW-Verlusti in €/Jahr, abhängig von FWi [+], FTEi [-], FTEiout [+]
-
FW-Zerfalli
-
FW-Zuwachsi
+
in €/Jahr, abhängig von w~i [-], FWi [+]
Wert Fachwisseni
+
in €/Jahr, abhängig von FTEiin [+], Li [+]
Personalentwicklungskosteni
+
HumankapitalwertCF
in €/Jahr
EW-Verlusti in €/Jahr, abhängig von EWi [+], FTEi [-], FTEiout [+], İi [-]
-
EW-Zuwachsi
+
+ Wert Erfahrungswisseni
in €/Jahr, abhängig von Ai [-], λi [+], FW [+], β [+] Legende:
+
-
positiver Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in die gleiche Richtung negativer Zusammenhang: unabhängige und abhängige Variable verändern sich in entgegengesetzte Richtung
Abbildung 7-2:
Schematische Darstellung der Cottbuser Formel (CF) Quelle: Eigene Darstellung.
Ergebnis des dritten Kapitels war es, dass personalbezogene Maßnahmen verbindlich und anhand des Humankapitalwertes messbar sind. Mit der Cottbuser Formel ist es möglich, sowohl den externen Adressaten des Unternehmens einen aussagekräftigen und über die Jahre vergleichbaren Wert zu präsentieren, als auch – und dies stand im Fokus – firmenintern die Auswirkungen verschiedener Personalmaßnahmen zu quantifizieren und die Bedeutung des strategischen Personalmanagements zu belegen. Schließlich sollte entsprechend der Zielformulierung für die Arbeit ein dynamisches Simulationsmodell erstellt werden, welche die dynamische Personalplanung und die Humankapitalwertbestimmung miteinander verknüpft. Um dieses Modell mit realis227
tischen Daten zu hinterlegen und das Anwendungsspektrum aufzuzeigen, befasste sich das vierte Kapitel mit der deskriptiven Auswertung der Personaldaten des Projektunternehmens. Dabei lag die Priorität darauf, sowohl die Bestandsdaten, zur Initialisierung der Modellvariablen, als auch die Bewegungsdaten getrennt voneinander zu erfassen. Die Daten lagen in einer so detaillierten Weise vor, dass eine Einteilung der Vollzeitäquivalente nach Alter und zugehöriger Funktionsgruppe erfolgen konnte. Im fünften Kapitel wurden zunächst die Wurzeln und Grundlagen des systemdynamischen Ansatzes soweit erläutert, wie es im Rahmen dieser Arbeit erforderlich war. Insbesondere fand die Beschreibung der wesentlichen Modellbausteine der Bestände, Flüsse, Rückkopplungen und Verzögerungsstrukturen statt. Anschließend wurden die zwei Modellteile – 1. Modell der Alters- und Personalstrukturplanung (auch Alterskettenmodell) und 2. Cottbuser Formel (als Coflow-Struktur) formal definiert. Mit der Coflow-Struktur können in systemdynamischen Modellen die Eigenschaften von Personen, die sich entlang der Alterskette bewegen, berücksichtigt werden. Insofern ist es möglich, die Veränderungen, die sich in der Alters- und Personalstruktur über die Zeit ergeben (z. B. durch Fluktuation), direkt in den Werten des Fachwissens und des Erfahrungswissens des Personals abzubilden. Die quantitativen Veränderungen wirken sich damit endogen auf den aus Fach- und Erfahrungswissen resultierenden Humankapitalwert aus. Das in dieser Arbeit erstellte systemdynamische Simulationsmodell zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Verknüpfung von dynamischer Alters- und Personalstrukturplanung und Humankapitalwertbestimmung, modellendogene Verarbeitung der Interdependenzen zwischen personalbezogenen Parametern, Berücksichtigung der dynamischen Effekte, Betrachtung unterschiedlicher Mitarbeitergruppen, in unterschiedlichen Altersklassen, Unterteilung des Humankapitalwertes in Fach- und Erfahrungswissen, Berücksichtigung monetärer und nicht-monetärer Bestandteile, Einbindung unternehmensspezifischer Daten, Zukunftsausrichtung durch langfristige Simulation (Prognose) sowie ex ante Abbildung der Konsequenzen strategischer Maßnahmen auf die Altes- und Personalstruktur und den Humankapitalwert in Form von Szenarien. Im sechsten Kapitel schließlich wurde die Anwendbarkeit des Simulationsmodells demonstriert. Drei verschiedene, exemplarische Szenarien wurden simuliert und ausgewertet. Dabei sind weniger die konkreten Zahlen ausschlaggebend, als vielmehr die Entwicklungslinie über die Zeit. Sehr deutlich wurde in diesen Beispielen, dass sich aufgrund der Merkmale komplexer Systeme keine linearen Trends ergeben. Diese 228
Erkenntnis belegt die Notwendigkeit der ganzheitlichen Betrachtung eines Systems und der Erfordernis computergestützer Programme, die die Komplexität und Dynamik verarbeiten können. Insgesamt besteht das Neue dieser Arbeit darin, ein System (hier das Personalplanungssystem) mit einer ganzheitlichen, nichtlinearen und zyklischen Denkweise zu analysieren, dessen Entwicklung zu prognostizieren, relevante Handlungsalternativen am Modell zu testen und die Effekte auf den zukünftigen Personalbestand und den Humankapitalwert zu evaluieren. Mit diesem Modell ist es möglich, proaktiv zu handeln und Wettbewerbsvorteile zu sichern. 7.2 Handlungsempfehlungen für Unternehmen Aus ökonomischer Sicht ist zu sagen, dass dieses Vorgehen der dynamischen Simulation einen vergleichsweise hohen Aufwand erfordert sowie Verständnis des Systemgedankens und spezielle Kenntnisse in der dynamischen Modellierung erfordert. Andererseits sind die Erkenntnisse der Simulation für eine strategische Personalplanung wesentlich nützlicher, als die in jüngster Zeit von Institutionen und Beratern angebotenen einfachen, statischen Altersstrukturanalysen. Es genügt heute nicht mehr, Entwicklungen der Vergangenheit einfach, selektiv und linear im Sinne einer Trendextrapolation in die Zukunft fortzuschreiben. Es werden stattdessen Methoden benötigt, die die zunehmende Komplexität der Wirkungsbeziehungen zwischen Umfeld und Personal transparent machen, um belastbare Zukunftsszenarien als Basis für Managemententscheidungen zu entwickeln (Günther & Berendes, 2007, S. 15). Die Aussagekraft solcher Szenarien dürfte insbesondere im sechsten Kapitel zum Ausdruck gekommen sein. Weitere Vorteile systemdynamischer Simulationen wurden im fünften Kapitel besprochen. Dazu gehörten Unterstützung einer mittel- und langfristigen, quantitativen´und qualitativen Personalprognose, Zeitvorsprung, Qualitätsverbesserung von Maßnahmen gerade in sensiblen Unternehmensbereichen, Quantifizierbarkeit von Ergebnissen durch ressourcenschonende Simulation von Szenarien, präzise Abbildung der Interdependenzen aufgrund der Formelsprache, Einbeziehung individueller Besonderheiten und Schaffung einer höheren Planungssicherheit.
229
Insofern können Unternehmen mit dynamischen Simulationsmodellen der Forderung von Prezewowsky (2007a, S. 231) nachkommen, nicht nur auf Veränderungen des demografischen Wandels zu reagieren, sondern durch proaktives Handeln humanressourcenbasierte Wettbewerbsvorteile zu erschließen. Gerade für mittlere und große Unternehmen ist ein solches strategisches Planungswerkszeug notwendig, da die Veränderungen für einen längeren Zeitraum nicht mehr überschaubar sind (Edwards, 1983, S. 1037 f.). Unabhängig von der Unternehmensgröße ist es jedoch wichtig, dass sich Unternehmen nicht an Rezepten und Lösungen anderer orientieren. Das könnte mit fatalen Folgen verbunden sein. Aufgrund der unterschiedlichen internen und externen Einflussfaktoren braucht jedes Unternehmen seine eigene spezifische Lösung. Entscheidend für die Nutzung systemdynamischer Simulationen ist eine detaillierte Datenbasis. Das bedeutet, dass für mindestens drei Jahre die personalbezogenen Daten vorliegen müssen, denn diese Vergangenheitsdaten bilden die Modellgrundlage. Darüber hinaus ist die akribische und möglichst ausführliche Unterscheidung von Bestands- und Flussgrößen notwendig. Flussgrößen sind dabei diejenigen Variablen, die die endogene Veränderung eines Bestandes (z. B. des Personalbestands oder des Bestandes an Wissen) zum Ende einer Periode bedingen. Die Notwendigkeit von Flussgrößen beschrieb Edwards wie folgt (Edwards, 1983, S. 1036): Wenn keine Bewegungsdaten im Unternehmen vorhanden sind, gibt es keine andere Alternative, als solange zu warten bis diese Daten gesammelt wurden. Ansonsten haben die Personalplanungsmodelle keinen Wert. Beispielhaft seien im Folgenden besonders relevante Bestands- und Flussgrößen genannt, die Bestandteil der Datenbasis sein sollten. Je detaillierter die einzelnen Variablen aufgeschlüsselt werden, desto realitätsnaher kann das Modell erstellt werden. Allerdings sind die Unterteilungsmöglichkeiten insofern begrenzt, als dass die entstehenden Einheiten eine sinnvolle Personenzahl für signifikante Aussagen enthalten sollten.
230
Flussgröße Anzahl der Neueinstellungen Anzahl arbeitgebergetriebener Ausstiege Anzahl arbeitnehmergetriebener Ausstiege Anzahl Frühverrentungen Anzahl der übernommenen Ausbildungsabsolventen …
Jahr 1 2000 2000 2000 2000 2000
Jahr n 2008 2008 2008 2008 2008
Unterteilungsmöglichkeiten optional Alter Qualifikation Abteilung Alter Qualifikation Abteilung Alter Qualifikation Abteilung Alter Qualifikation Abteilung Alter Qualifikation Abteilung
… … … … …
Bestandsgrößen Anzahl der Vollzeitäquivalente Anzahl der Auszubildenden …
Jahr 1 2000 2000
Jahr n 2008 2008
Unterteilungsmöglichkeiten optional Alter Qualifikation Abteilung Alter Qualifikation Abteilung
… … …
Abbildung 7-3:
Exemplarische Auflistung von Bestands- und Flussgrößen Quelle: Eigene Darstellung.
Es wurde in dieser Arbeit ebenso herausgestellt, dass Organisationen Systeme benötigen, die kontinuierlich die beschäftigten Humanressourcen hinsichtlich ihres Beitrags zum Unternehmensergebnis bewerten (Flamholtz, 1999, S. 4) und gleichzeitig die Arbeit der Personalplaner evaluieren. Eine mit Personalplanungsmodellen verknüpfte Humankapitalbewertung ermöglicht dies. Letztlich sollten sich Kritiker davon lösen, in einem Humankapitalmanagement nur das Schlechte und die monetäre Bewertung der Humanressourcen zu sehen. Für die externe Rechnungslegung geht es nicht darum, die einzelne Person zu bewerten, sondern einen aggregierten Wert für das gesamte Personal abzubilden. Wenn dieser Wert quantifiziert und vergleichbar gemacht werden kann, weist die strategische Personalplanung den Erfolg ihrer Aktivitäten nach und kann ihre Daseinsberechtigung stärken. 7.3 Handlungsempfehlungen für die Forschung Das Ziel dieser Arbeit führte dazu, dass nur ein kleiner Ausschnitt des gesamten Personalsystems betrachtet wurde. Insofern ist es empfehlenswert, dieses Personalplanungsmodell auszubauen. Die nicht in das Modell integrierten Variablen (vgl. Abbildung 5-15) deuten die Erweiterungsmöglichkeiten an. Beispielsweise kann mit der integrierten Produktnachfrage der Personalbedarf endogen bestimmt werden. Wietere Möglichkeiten, das Modell zu präzisieren, werden in der Integration folgender Punkte gesehen: Implementierung krankheitsbedingter Fehlzeiten (Dauer, Häufigkeit), um z. B. das innerbetriebliche Gesundheitsmanagement entsprechend auszurichten, Berücksichtigung der Personalkosten z. B. für Bindung, Rekrutierung, etc., die zur Bewertung von Strategien erforderlich sind,
231
Beachtung der durchschnittlichen Verzögerungszeit bis zur Einstellung im Unternehmen, z. B. aufgrund einer erschwerten Personalsuche und Vertragsverhandlungen, Einbindung von Produktivitätskennziffern, die von der Veränderung des Wissensbestandes beeinflusst werden und den Personalbedarf beeinflussen könnten, Berücksichtigung interner personeller Funktionsbereichswechsel, Berücksichtigung weiterer qualitativer Variablen, wie z. B. die Wirkung von Personalentwicklungsmaßnahmen auf die Arbeitszufriedenheit und damit auf die Fluktuationsneigung und Einbindung der sukzessiven Lebensarbeitszeiterhöhung bis 67. Darüber hinaus gibt es Forschungsbedarf grundsätzlicher Natur. Während der Literaturrecherche und Theoriebearbeitung fiel auf, dass einige Aspekte, die die Personalplanung tangieren, bisher gar nicht oder kaum untersucht wurden. Beispielsweise mangelt oder fehlt es gänzlich an: empirischen Studien für Deutschland, die die Auswirkungen verschiedener Altersstrukturen untersuchen (Grund, 2006, S. 462), Untersuchungen, die die Bedeutung des Erfahrungswissens gegenüber dem Fachwissen quantifizieren, den Grad der Externalisierung impliziten Wissens in Unternehmen (Wissenstransfer) messen bzw. die Wirkung von Bildungsmaßnahmen auf beide Wissensarten in Zahlen explizieren, einer einheitlichen Terminologie, insbesondere was die Begriffe Humankapital und Humanvermögen betrifft, einer Standardisierungsabsicht (auch seitens des Gesetzgebers) zur Bewertung von Humankapital, damit Unternehmen und externe Anspruchsgruppen Leistungsvergleiche durchführen können, wissenschaftlichen Diskussionen über neue Ansätze, was auch die Offenlegung der Operationalisierung einzelner Faktoren verlangt, beispielsweise hinsichtlich der Bildung des Motivationindexes in der Saarbrücker Formel und der Berücksichtigung der Komplexität bei der wissenschaftlichen Ableitung von Gestaltungsempfehlungen (Martin, 2003, S. 18). Das hier erarbeitete Simulationsmodell wurde theoriebasiert hergeleitet und soll in erster Linie die wissenschaftliche Diskussion über ganzheitliches, strategisches (Personal-)Management sowie das Humankapitalmanagement zur weiteren Forschung anregen. Darüber hinaus soll mit dieser Arbeit auch das Management von Unternehmen ermutigt werden, ihren Fokus zu ändern und die Gefahren statischer Berechnungen zu erkennen. Gerade in den Zeiten, in denen sich die Strukturen des Personals stärker als bisher ändern werden und die Beschaffung gut qualifizierter Fachkräfte 232
erschwert ist, scheinen neue Methoden der Planung, die auch die Nebeneffekte der Gestaltungshandlungen erfassen (Martin, 2003, S. 18), angebracht. Letztendlich allerdings stellte schon Edwards 1983 fest, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen der akademischen Literatur über Personalplanung und dem, wie Personalplaner und Personalmanager tatsächlich Personalplanung betreiben (Edwards, 1983, S. 1031). Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. So stellte auch Dipboye kürzlich fest, dass sich die Arbeitsgebiete von Personal-Wissenschaftlern und Personal-Praktikern fundamental voneinander unterscheiden: Während Wissenschaftler notwendigerweise in einer vereinfachten, kontrollierten Umwelt agieren, klar definierte Methodologien nutzen, Erklärungen unter ceteris paribus-Bedingungen finden und den Luxus von Zeit und ruhiger Betrachtung genießen, agieren Praktiker unter Zeitdruck und ohne sorgfältiges Abwägen in einer komplexen Umwelt, in der ceteris paribus-Bedingungen ein Desaster verursachen würden (Dipboye, 2007, S. 103). Daraus folgt die Erkenntnis, dass „[a] creative tension between both modes of thought are needed recognizing that the field needs to constantly move back and forth between the oversimplification of the scientific world and the confusion and messiness of the practical world” (Dipboye, 2007, S. 103). Mit der vorliegenden Arbeit wurde genau das angestrebt: wissenschaftliche Ansätze in der dynamischen Personalplanung und der Humankapitalwertberechung voranzubringen und gleichzeitig ein strategisches Planungswerkzeug für Entscheidungsträger zu entwickeln. Mit Hilfe der ganzheitlichen Betrachtung, der Nachbildung der realen Komplexität und Dynamik in einem Simulationsmodell sowie der Herleitung einer – wenn auch optisch anspruchsvollen – aber konsistenten, theoriebasierten und umfassenden Cottbuser Formel zur dynamischen Bestimmung des Humankapitalwertes, wurde die Übersimplifizierung wesentlich reduziert.
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265
Anhang Ausgewählte Ansätze der Humankapitalrechnung Bewertung mit historischen Kosten (Brummet/Flamholtz/Pyle) Bewertung mit Wiederbeschaffungskosten (Flamholtz) Bewertung mit Opportunitätskosten (Hekimian/ Jones) Bewertung mit ranggewichteten Personalkosten (Giles/Robinson)
inputorientierte Modelle Fischer-Winkelmann & Hohl (1982)
Effizienzgewichtete Personalkostenmethode (Hermanson) Bewertung mit zukünftigen Kosten
Bewertung auf Basis zukünftiger Einkünfte (Lev/ Schwartz)
Bewertung auf Basis der bisherigen Leistung outputorientierte Modelle
Bewertung auf Basis der zukünftigen Leistung
Firmenwertmethode Methode der zukünftigen Leistungsbeiträge (Flamholtz) Methode der Verhaltensvariablen (Likert)
Marktwert-Buchwert-Relationen Marktwertorientierte Verfahren
Tobin's q Calculated Intangible Value
Economic Value Added (EVA) Kennzahlensysteme
Workonomics Human-Resource-Scorebord Firmenwertmethode Effizienzgewichtete Personalkostenmethode
Schäfer & Lindenmayer (2004)
Methode der zukünftigen Entgeltzahlungen
Kosten- und ertragswertorientierte Verfahren
Klassisches Modell der Humanvermögensrechnung (Flamholtz)
Hybridformen
Humankapital-Bewertungsansätze
Möglichkeiten entsprechend externen Rechnungslegungsstandards
Personalbericht Personalwertbericht Personalbilanz Hauptzweig
Sozialbilanz rechnungswesenorientiert
Unternehmerische Berichterstattung Ansätze bzgl. Bilanzierungsfähigkeit
Wertorientiertes Controlling Kennzahlen /-systeme Balanced Scorecard Instrumente controllingorientiert
Personalcontrolling
Personalportfolios Personalwirtschaftliches Benchmarking Wirtschaftlichkeitsanalysen
Rensch (2005)
IK-Navigator von Skandia Ansätze
Workonomics-Konzept Human Capital Appraisal-Konzept von A. Anderson
Leistungsbeurteilung personalwirtschaftlich-orientiert
Mitarbeiterbefragung
Personalvermögens-Quantifizierungs-System (PVQS)
Abbildung A- 1: Ansätze der Humankapitalrechnung (Teil 1) Quelle: Eigene Darstellung.
267
D. Schwarz, Strategische Personalplanung und Humankapitalbewertung, DOI 10.1007/978-3-8349-6023-8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
z.B. Werttreibermodell von Wucknitz
Indikatorenorientierte Verfahren
nicht-monetäre Verfahren
Marktwertorientierte Verfahren Accounting-orientierte Verfahren
quantitative Verfahren
Value Added-Verfahren
monetäre Verfahren
Scherm & Fleischmann (2006)
Ertragsorientierte Verfahren Saarbrücker Formel z.B. Management-Audit z.B. Einzel-Assessment
qualitative Verfahren
z.B. Human Resource Portfolio Bewertung mit historischen Kosten (Brummet, Flamholtz, Pyle) Bewertung mit Wiederbeschaffungskosten (Flamholtz) inputorientierte Verfahren = Kostenwertansätze
Bewertung mit Opportunitätskosten (Hekimian, Jones) Bewertung mit ranggewichteten Personalkosten (Giles, Robinson) Effizienzgewichtete Personalkostenmethode (Hermanson)
Riese (2007) Bewertung mit zukünftigen Kosten
outputorientierte Verfahren = Ertragswertansätze
Bewertung auf Basis zukünftiger Einkünfte (Lev, Schwartz)
Bewertung auf Basis bisheriger Leistungen - Firmenwertmethode (Hermanson) Methode der zukünftigen Leistungsbeiträge (Flamholtz)
Bewertung auf Basis der zukünftigen Leistungen
Methode der Verhaltensvariablen (Likert)
Kennzahlen der Personalstruktur Kennzahlen der Personalbewegung Kennzahlen der Personalleistung Kennzahlen der Arbeitszeit
Kennzahlen der Personalstatistik, z.B.
Kennzahlen der Personalentwicklung Kennzahlen der Arbeitszufriedenheit Kennzahlen der Personalkosten Kennzahlen der Sozialleistung Personale Kostenartenrechnung
Humankapital-Bewertungsansätze Personale Kostenrechnung
Personale Kostenträgerrechnung Personale Kostenstellenrechnung Nutzwertanalyse
Personale Investitionsrechnung
Kostenvergleichsrechnung Rentabilitätsrechnung Kapitalwertmethode Bewertung auf Basis der Anschaffungskosten Bewertung auf Basis der Wiederbeschaffungskosten Ansätze des HR Cost Accounting
Bewertung auf Basis von Opportunitätskosten
Klassische Ansätze Becker (2008)
Bewertung auf Basis zukünftiger Kosten Firmenwertmethode Ansätze des HR Value Accounting
Bewertung mit zukünftigen Leistungsbeiträgen Methode der Verhaltensvariablen
Humanressourcen in Buchführung und Jahresabschluss
Darstellung auf Humanvermögenskonten Sozialbilanz und Sozialberichterstattung Erfassung im Lagebericht
Darstellung in der erweiterten freiwilligen Berichterstattung
Personalberichte Personalwertberichte Personalbilanz Intangible Assets Monitor Skandia Navigator Balanced Scorecard
Neuere Ansätze
HR-Scorecard Wissensbilanzen Werttreibermodell des Humankapitals Integratives Konzept aus Balanced Scorecard und Strategiekarte
verhaltenswissenschaftlich-betriebswirtschaftlicher
Abbildung A- 2: Ansätze der Humankapitalrechnung (Teil 2) Quelle: Eigene Darstellung.
268
Effizienzgewichtete Personalkostenmethode Methode zukünftiger Einkünfte
Bewertung mit historischen Kosten (Brummet/Flamholtz/Pyle) Bewertung mit Wiederbeschaffungskosten (Flamholtz) Bewertung mit Opportunitätskosten (Hekimian/ Jones) Bewertung mit ranggewichteten Personalkosten (Giles/Robinson)
inputorientierte Modelle Fischer-Winkelmann & Hohl (1982)
Effizienzgewichtete Personalkostenmethode (Hermanson) Bewertung mit zukünftigen Kosten
Bewertung auf Basis zukünftiger Einkünfte (Lev/ Schwartz)
Bewertung auf Basis der bisherigen Leistung outputorientierte Modelle
Bewertung auf Basis der zukünftigen Leistung
Firmenwertmethode Methode der zukünftigen Leistungsbeiträge (Flamholtz) Methode der Verhaltensvariablen (Likert)
Marktwert-Buchwert-Relationen Marktwertorientierte Verfahren
Tobin's q Calculated Intangible Value
Economic Value Added (EVA) Kennzahlensysteme
Workonomics Human-Resource-Scorebord Firmenwertmethode Effizienzgewichtete Personalkostenmethode
Schäfer & Lindenmayer (2004)
Humankapital-Bewertungsansätze
Methode der zukünftigen Entgeltzahlungen
Kosten- und ertragswertorientierte Verfahren
Klassisches Modell der Humanvermögensrechnung (Flamholtz) Hybridformen Möglichkeiten entsprechend externen Rechnungslegungsstandards
Personalbericht Personalwertbericht Personalbilanz
Sozialbilanz rechnungswesenorientiert
Unternehmerische Berichterstattung Ansätze bzgl. Bilanzierungsfähigkeit
Wertorientiertes Controlling Kennzahlen /-systeme Balanced Scorecard Instrumente controllingorientiert
Personalcontrolling
Personalportfolios Personalwirtschaftliches Benchmarking Wirtschaftlichkeitsanalysen
Rensch (2005)
IK-Navigator von Skandia Ansätze
Workonomics-Konzept Human Capital Appraisal-Konzept von A. Anderson
Leistungsbeurteilung personalwirtschaftlich-orientiert
Mitarbeiterbefragung
Personalvermögens-Quantifizierungs-System (PVQS)
Abbildung A- 3: Ansätze der Humankapitalrechnung (Teil 3) Quelle: Eigene Darstellung.
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Formelübersicht zum Simulationsmodell avgEW1824[FB]=EW1824[FB]/FTE1824[FB] ........................................... Einheit: Euro/Personen avgEW2534[FB]=EW2534[FB]/FTE2534[FB] ........................................... Einheit: Euro/Personen avgEW3544[FB]=EW3544[FB]/FTE3544[FB] ........................................... Einheit: Euro/Personen avgEW4554[FB]=EW4554[FB]/FTE4554[FB] ........................................... Einheit: Euro/Personen avgEW5564[FB]=EW5564[FB]/FTE5564[FB] ........................................... Einheit: Euro/Personen avgFW1824[FB]=FW1824[FB]/FTE1824[FB] ............................................ Einheit: Euro/Personen avgFW2534[FB]=FW2534[FB]/FTE2534[FB] ............................................ Einheit: Euro/Personen avgFW3544[FB]=FW3544[FB]/FTE3544[FB] ............................................ Einheit: Euro/Personen avgFW4554[FB]=FW4554[FB]/FTE4554[FB] ............................................ Einheit: Euro/Personen avgFW5564[FB]=FW5564[FB]/FTE5564[FB] ............................................ Einheit: Euro/Personen AzubiEinstellungen=GET XLS CONSTANTS ............................................. Einheit: Personen/Jahr Azubis=INTEG(inAzubis-outAzubis,initAzubis)................................................. Einheit: Personen beta=GET XLS CONSTANTS ..................................................................... Einheit: Dimensionslos epsilon=GET XLS CONSTANTS ................................................................ Einheit: Dimensionslos EW1824[FB]=INTEG(inEW1824LR[FB]-outEW1824AG[FB]-outEW1824AN[FB]toEW2534[FB],initEW1824[FB]).............................................................................. Einheit: Euro EW2534[FB]=INTEG(inEW2534LR[FB]+toEW2534[FB]-outEW2534AG[FB]outEW2534AN[FB]-toEW3544[FB],initEW2534[FB])............................................ Einheit: Euro EW3544[FB]=INTEG(inEW3544LR[FB]+toEW3544[FB]-outEW3544AG[FB]outEW3544AN[FB]-toEW4554[FB],initEW3544[FB])............................................ Einheit: Euro EW4554[FB]=INTEG(inEW4554LR[FB]+toEW4554[FB]-outEW4554AG[FB]outEW4554AN[FB]-toEW5564[FB],initEW4554[FB])............................................ Einheit: Euro EW5564[FB]=INTEG(inEW5564LR[FB]+toEW5564[FB]-outEW5564AG[FB]outEW5564AN[FB]-outEW5564R[FB],initEW5564[FB])....................................... Einheit: Euro FBEinstellungen[FB]=GesamtEinstellungen*fracinFB[FB] ......................... Einheit: Personen/Jahr fracAzubisUe[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................................. Einheit: Dimensionslos fracinFB[FB]=GET XLS CONSTANTS ...................................................... Einheit: Dimensionslos fracinFTE1824[FB]=GET XLS CONSTANTS............................................ Einheit: Dimensionslos fracinFTE2534[FB]=GET XLS CONSTANTS............................................ Einheit: Dimensionslos fracinFTE3544[FB]=GET XLS CONSTANTS............................................ Einheit: Dimensionslos fracinFTE4554[FB]=GET XLS CONSTANTS............................................ Einheit: Dimensionslos 270
fracinFTE5564[FB]=GET XLS CONSTANTS............................................ Einheit: Dimensionslos fracoutFTE1824AG[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE1824AN[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE2534AG[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE2534AN[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE3544AG[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE3544AN[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE4554AG[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE4554AN[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE5564AG[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracoutFTE5564AN[FB]=GET XLS CONSTANTS .............................. Einheit: Dimensionslos/Jahr fracPEFB[FB] = 0.1, 0.5, 0.4 ........................................................................ Einheit: Dimensionslos FTE1824[FB]=INTEG(inFTE1824Ue[FB]+inFTE1824[FB]-outFTE1824AG[FB]outFTE1824AN[FB]-toFTE2534[FB],initFTE1824[FB]).................................... Einheit: Personen FTE2534[FB]=INTEG(inFTE2534[FB]+toFTE2534[FB]-outFTE2534AG[FB]outFTE2534AN[FB]-toFTE3544[FB],initFTE2534[FB]).................................... Einheit: Personen FTE3544[FB]=INTEG(inFTE3544[FB]+toFTE3544[FB]-outFTE3544AG[FB]outFTE3544AN[FB]-toFTE4554[FB],initFTE3544[FB]).................................... Einheit: Personen FTE4554[FB]=INTEG(inFTE4554[FB]+toFTE4554[FB]-outFTE4554AG[FB]outFTE4554AN[FB]-toFTE5564[FB],initFTE4554[FB]).................................... Einheit: Personen FTE5564[FB]=INTEG(inFTE5564[FB]+toFTE5564[FB]-outFTE5564AG[FB]outFTE5564AN[FB]-outFTE5564R[FB],initFTE5564[FB]) ............................... Einheit: Personen FTEtotalFB[FB]=FTE1824[FB]+FTE2534[FB]+FTE3544[FB]+FTE4554[FB]+ FTE5564[FB] ........................................................................................................ Einheit: Personen FW1824[FB]=INTEG(inFW1824[FB]+inFW1824Ue[FB]+PE1824[FB]-outFW1824AG[FB]outFW1824AN[FB]-outFWA1824[FB]-toFW2534[FB],initFW1824[FB]) ............. Einheit: Euro FW2534[FB]=INTEG(inFW2534[FB]+toFW2534[FB]+PE2534[FB]-outFW2534AN[FB]outFW2534AG[FB]-outFWA2534[FB]-toFW3544[FB],initFW2534[FB]) ............. Einheit: Euro FW3544[FB]=INTEG(inFW3544[FB]+toFW3544[FB]+PE3544[FB]-outFW3544AG[FB]outFW3544AN[FB]-outFWA3544[FB]-toFW4554[FB],initFW3544[FB]) ............. Einheit: Euro FW4554[FB]=INTEG(inFW4554[FB]+toFW4554[FB]+PE4554[FB]-outFW4554AG[FB]outFW4554AN[FB]-outFWA4554[FB]-toFW5564[FB],initFW4554[FB]) ............. Einheit: Euro FW5564[FB]=INTEG(inFW5564[FB]+toFW5564[FB]+PE5564[FB]-outFW5564AG[FB]outFW5564AN[FB]-outFW5564R[FB]-outFWA5564[FB],initFW5564[FB])......... Einheit: Euro GesamtEinstellungen=GET XLS CONSTANTS........................................... Einheit: Personen/Jahr 271
GesamtPE=GET XLS CONSTANTS.................................................................. Einheit: Euro/Jahr HCtotal=EWtotal+FWtotal ........................................................................................ Einheit: Euro HCtotalFB[FB]=EWtotalFB[FB]+FWtotalFB[FB] ................................................... Einheit: Euro inAzubis=AzubiEinstellungen ....................................................................... Einheit: Personen/Jahr inEW1824LR[FB]=beta*FW1824[FB]*lambda[FB]*(21)^(lambda[FB]-1) ...... Einheit: Euro/Jahr inEW2534LR[FB]=beta*FW2534[FB]*lambda[FB]*(29.5)^(lambda[FB]-1) ... Einheit: Euro/Jahr inEW3544LR[FB]=beta*FW3544[FB]*lambda[FB]*(39.5)^(lambda[FB]-1) ... Einheit: Euro/Jahr inEW4554LR[FB]=beta*FW4554[FB]*lambda[FB]*(49.5)^(lambda[FB]-1) ... Einheit: Euro/Jahr inEW5564LR[FB]=beta*FW5564[FB]*lambda[FB]*(59.5)^(labda[FB]-1) ...... Einheit: Euro/Jahr inFTE1824[FB]=FBEinstellungen[FB]*fracinFTE1824[FB] ....................... Einheit: Personen/Jahr inFTE1824Ue[FB]=fracAzubisUe[FB]*outAzubis ....................................... Einheit: Personen/Jahr inFTE2534[FB]=FBEinstellungen[FB]*fracinFTE2534[FB] ....................... Einheit: Personen/Jahr inFTE3544[FB]=FBEinstellungen[FB]*fracinFTE3544[FB] ....................... Einheit: Personen/Jahr inFTE4554[FB]=FBEinstellungen[FB]*fracinFTE4554[FB] ....................... Einheit: Personen/Jahr inFTE5564[FB]=FBEinstellungen[FB]*fracinFTE5564[FB] ....................... Einheit: Personen/Jahr inFW1824[FB]=L[FB]*inFTE1824[FB] ............................................................. Einheit: Euro/Jahr inFW1824Ue[FB]=inFTE1824Ue[FB]*L[FB] ................................................... Einheit: Euro/Jahr inFW2534[FB]=inFTE2534[FB]*L[FB] ............................................................. Einheit: Euro/Jahr inFW3544[FB]=L[FB]*inFTE3544[FB] ............................................................. Einheit: Euro/Jahr inFW4554[FB]=L[FB]*inFTE4554[FB] ............................................................. Einheit: Euro/Jahr inFW5564[FB]=L[FB]*inFTE5564[FB] ............................................................. Einheit: Euro/Jahr initAzubis=GET XLS CONSTANTS ................................................................... Einheit: Personen initEW1824[FB]=beta*initFW1824[FB] ................................................................... Einheit: Euro initEW2534[FB]=beta*initFW2534[FB] ................................................................... Einheit: Euro initEW3544[FB]=beta*initFW3544[FB] ................................................................... Einheit: Euro initEW4554[FB]=beta*initFW4554[FB] ................................................................... Einheit: Euro initEW5564[FB]=beta*initFW5564[FB] ................................................................... Einheit: Euro initFTE1824[FB]=GET XLS CONSTANTS........................................................ Einheit: Personen initFTE2534[FB]=GET XLS CONSTANTS........................................................ Einheit: Personen initFTE3544[FB]=GET XLS CONSTANTS........................................................ Einheit: Personen initFTE4554[FB]=GET XLS CONSTANTS........................................................ Einheit: Personen 272
initFTE5564[FB]=GET XLS CONSTANTS........................................................ Einheit: Personen initFW1824[FB]=initFTE1824[FB]*L[FB]............................................................... Einheit: Euro initFW2534[FB]=initFTE2534[FB]*L[FB]............................................................... Einheit: Euro initFW3544[FB]=initFTE3544[FB]*L[FB]............................................................... Einheit: Euro initFW4554[FB]=initFTE4554[FB]*L[FB]............................................................... Einheit: Euro initFW5564[FB]=initFTE5564[FB]*L[FB]............................................................... Einheit: Euro L[FB]=GET XLS CONSTANTS.................................................................. Einheit: Euro/Personen lambda[FB]=GET XLS CONSTANTS ........................................................ Einheit: Dimensionslos outAzubis=Azubis/VzAzubis......................................................................... Einheit: Personen/Jahr outEW1824AG[FB]=avgEW1824[FB]*outFTE1824AG[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW1824AN[FB]=avgEW1824[FB]*outFTE1824AN[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW2534AG[FB]=avgEW2534[FB]*outFTE2534AG[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW2534AN[FB]=avgEW2534[FB]*outFTE2534AN[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW3544AG[FB]=avgEW3544[FB]*outFTE3544AG[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW3544AN[FB]=avgEW3544[FB]*outFTE3544AN[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW4554AG[FB]=avgEW4554[FB]*outFTE4554AG[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW4554AN[FB]=avgEW4554[FB]*outFTE4554AN[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW5564AG[FB]=avgEW5564[FB]*outFTE5564AG[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW5564AN[FB]=avgEW5564[FB]*outFTE5564AN[FB]*(1–epsilon)........ Einheit: Euro/Jahr outEW5564R[FB]=avgEW5564[FB]*outFTE5564R[FB]*(1–epsilon).............. Einheit: Euro/Jahr outFTE1824[FB]=outFTE1824AG[FB]+outFTE1824AN[FB] .................... Einheit: Personen/Jahr outFTE1824AG[FB]=fracoutFTE1824AG[FB]*FTE1824[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE1824AN[FB]=fracoutFTE1824AN[FB]*FTE1824[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE2534[FB]=outFTE2534AG[FB]+outFTE2534AN[FB] .................... Einheit: Personen/Jahr outFTE2534AG[FB]=fracoutFTE2534AG[FB]*FTE2534[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE2534AN[FB]=fracoutFTE2534AN[FB]*FTE2534[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE3544[FB]=outFTE3544AG[FB]+outFTE3544AN[FB] .................... Einheit: Personen/Jahr outFTE3544AG[FB]=fracoutFTE3544AG[FB]*FTE3544[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE3544AN[FB]=fracoutFTE3544AN[FB]*FTE3544[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE4554[FB]=outFTE4554AG[FB]+outFTE4554AN[FB] .................... Einheit: Personen/Jahr outFTE4554AG[FB]=fracoutFTE4554AG[FB]*FTE4554[FB].................... Einheit: Personen/Jahr 273
outFTE4554AN[FB]=fracoutFTE4554AN[FB]*FTE4554[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE5564[FB]=outFTE5564AG[FB]+outFTE5564AN[FB] .................... Einheit: Personen/Jahr outFTE5564AG[FB]=fracoutFTE5564AG[FB]*FTE5564[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE5564AN[FB]=fracoutFTE5564AN[FB]*FTE5564[FB].................... Einheit: Personen/Jahr outFTE5564R[FB]=FTE5564[FB]/Vz5564................................................... Einheit: Personen/Jahr outFW1824AG[FB]=avgFW1824[FB]*outFTE1824AG[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW1824AN[FB]=avgFW1824[FB]*outFTE1824AN[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW2534AG[FB]=avgFW2534[FB]*outFTE2534AG[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW2534AN[FB]=avgFW2534[FB]*outFTE2534AN[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW3544AG[FB]=avgFW3544[FB]*outFTE3544AG[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW3544AN[FB]=avgFW3544[FB]*outFTE3544AN[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW4554AG[FB]=avgFW4554[FB]*outFTE4554AG[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW4554AN[FB]=avgFW4554[FB]*outFTE4554AN[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW5564AG[FB]=avgFW5564[FB]*outFTE5564AG[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW5564AN[FB]=avgFW5564[FB]*outFTE5564AN[FB] ............................ Einheit: Euro/Jahr outFW5564R[FB]=avgFW5564[FB]*outFTE5564R[FB] .................................. Einheit: Euro/Jahr outFWA1824[FB]=FW1824[FB]*(1/w[FB]) ...................................................... Einheit: Euro/Jahr outFWA2534[FB]=FW2534[FB]*(1/w[FB]) ...................................................... Einheit: Euro/Jahr outFWA3544[FB]=FW3544[FB]*(1/w[FB]) ...................................................... Einheit: Euro/Jahr outFWA4554[FB]=FW4554[FB]*(1/w[FB]) ...................................................... Einheit: Euro/Jahr outFWA5564[FB]=FW5564[FB]*(1/w[FB]) ...................................................... Einheit: Euro/Jahr PE[FB]=fracPEFB[FB]*GesamtPE ..................................................................... Einheit: Euro/Jahr PE1824[FB]=PE[FB]*(FTE1824[FB]/FTEtotalFB[FB]) .................................... Einheit: Euro/Jahr PE2534[FB]=PE[FB]*(FTE2534[FB]/FTEtotalFB[FB]) .................................... Einheit: Euro/Jahr PE3544[FB]=PE[FB]*(FTE3544[FB]/FTEtotalFB[FB]) .................................... Einheit: Euro/Jahr PE4554[FB]=PE[FB]*(FTE4554[FB]/FTEtotalFB[FB]) .................................... Einheit: Euro/Jahr PE5564[FB]=PE[FB]*(FTE5564[FB]/FTEtotalFB[FB]) .................................... Einheit: Euro/Jahr toEW2534[FB]=avgEW1824[FB]*toFTE2534[FB] ........................................... Einheit: Euro/Jahr toEW3544[FB]=avgEW2534[FB]*toFTE3544[FB] ........................................... Einheit: Euro/Jahr toEW4554[FB]=avgEW3544[FB]*toFTE4554[FB] ........................................... Einheit: Euro/Jahr toEW5564[FB]=avgEW4554[FB]*toFTE5564[FB] ........................................... Einheit: Euro/Jahr 274
toFTE2534[FB]=FTE1824[FB]/Vz1824 ....................................................... Einheit: Personen/Jahr toFTE3544[FB]=FTE2534[FB]/Vz2534 ....................................................... Einheit: Personen/Jahr toFTE4554[FB]=FTE3544[FB]/Vz3544 ....................................................... Einheit: Personen/Jahr toFTE5564[FB]=FTE4554[FB]/Vz4554 ....................................................... Einheit: Personen/Jahr toFW2534[FB]=avgFW1824[FB]*toFTE2534[FB]............................................ Einheit: Euro/Jahr toFW3544[FB]=avgFW2534[FB]*toFTE3544[FB]............................................ Einheit: Euro/Jahr toFW4554[FB]=avgFW3544[FB]*toFTE4554[FB]............................................ Einheit: Euro/Jahr toFW5564[FB]=avgFW4554[FB]*toFTE5564[FB]............................................ Einheit: Euro/Jahr Vz1824 = 7 .................................................................................................................. Einheit: Jahr Vz2534 = 10 ................................................................................................................ Einheit: Jahr Vz3544 = 10 ................................................................................................................ Einheit: Jahr Vz4554 = 10 ................................................................................................................ Einheit: Jahr Vz5564 = 10 ................................................................................................................ Einheit: Jahr VzAzubis = 2.6............................................................................................................ Einheit: Jahr w[FB]=GET XLS CONSTANTS ............................................................................... Einheit: Jahr
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