Günter Dönges
PARKER hebt die Schonzeit auf Die Hauptpersonen: Jane Ashland - Eine Badenixe, die ermordet werden soll...
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Günter Dönges
PARKER hebt die Schonzeit auf Die Hauptpersonen: Jane Ashland - Eine Badenixe, die ermordet werden soll. Hale Surton - FBI-Agent, der sucht und nicht findet. Bennie Stringale - Ein Leibwächter und »Kaffeeholer«. »Ein Anblick, Sir, den ich untertreibend noch als einmalig bezeichnen möchte«, sagte Josuah Parker und ließ seine Augen im übertragenen Sinn mehr als wohlgefällig auf den kleinen Bergsee ruhen, in dem sich die hohen Douglasfichten und schneebedeckten Berge spiegelten, »Sehr erfreulich diese Konturen«, äußerte Anwalt Mike Rander. Im Gegensatz zu Josuah Parker meinte er jedoch die junge Frau im Bikini, die ahnungslos auf dem kleinen Bootssteg lag und sich sonnte. »Auch diese Konturen, Sir, sind augenschmeichelnd«, räumte der Butler ein, der seinen Irrtum inzwischen erkannt hatte, »darf ich beiläufig meiner Verwunderung darüber Ausdruck verleihen, daß sich solch eine junge Frau in dieser Bergeinsamkeit befindet?« »Natürlich dürfen Sie, Parker«, sagte Rander und schmunzelte, »was glauben Sie, sollen wir uns vorstellen ...?« Rander und sein Butler waren zu recht überrascht. Sie befanden sich im Staate Oregon. Und zwar nördlich Kiamath Falls, von wo aus, sie zu ihrem Trip gestartet waren. Nur knapp dreißig Kilometer von der nördlichen Grenze Kaliforniens entfernt, gab es hier ideale Jagd- und Fischgründe. Und Berge und Wälder, die in ihrer schweigenden Majestät einmalig zu sein schienen. Rander und Parker hatten im hochbeinigen Monstrum des Butlers die Zivilisation weit hinter sich gelassen und wollten sich den Crater Lake National Park ansehen, der als echtes Weltwunder gilt. Ihnen ging es um den kreisrunden Kratersee, der einen Durchmesser von zehn Kilometer aufweist und der immerhin fast zweitausendeinhundert Meter über dem Meeresspiegel liegt. Etwas absichtlich vom Weg abgekommen, beobachteten sie das kleine Weltwunder auf dem Bootssteg, das sich verständlicherweise unbeobachtet fühlte und hier in der Einsamkeit überhaupt keine Angst zu kennen schien.
1
Weder die junge Dame auf dem Bootssteg noch Rander oder Parker sahen den Gewehrlauf, der sich unten durchlas Ufergestrüpp schob und auf die Bikini-Nixe gerichtet wurde. Es war erst der peitschende Schuß mit seinem hallenden Echo, der die Idylle schlagartig veränderte. Die Badeschönheit auf dem Bootssteg zuckte wie unter einem unsichtbaren Peitschenhieb zusammen und sprang auf. Dabei war deutlich zu sehen, daß ihr Bikini-Oberteil vom Körper rutschte. Doch darauf achtete die junge Frau nicht. Irgendwie trainiert und geistesgegenwärtig hechtete sie sich sofort in das Wasser und tauchte weg. Auf dem Steg zurück blieb das Oberteil des Bikinis. Rander beobachtete seinen Butler, dessen Gesicht vereist zu sein schien. Parkers Mund bildete eine schmale, feste Linie. Er beugte sich etwas vor, suchte aber nicht nach der tauchenden Frau im Wasser, sondern beobachtete das Ufergestrüpp. »Na ...!?« fragte Rander nur. »Das Reaktionsvermögen der jungen Dame ist außerordentlich beachtenswert«, antwortete der Butler gemessen. »Finde ich auch. Keine Panik, sondern blitzschnelles Absetzen.« »Womit die junge Dame sich noch keineswegs außer Gefahr befindet, Sir.« »Mit anderen Worten, Parker, wir müßten ihrer Ansicht nach mal wieder helfend einspringen, wie?« »Ich bin beglückt, Sir, daß Sie das aussprechen, was zu denken ich mir erlaubte.« Mike Rander seufzte. Während er zusammen mit seinem Butler über den schmalen Wildpfad hinunter zum See stieg, machte er sich so seine Gedanken. Selbst hier draußen in der Bergwildnis schien Parker auf gewisse Dinge und Ereignisse magnetisch zu wirken. Man konnte es sich an den fünf Fingern abzählen, daß die gesuchte und bisher gefundene Ruhe dahin waren. Obwohl es sehr steil nach unten ging, hielt der Butler sich stocksteif auf den Beinen. Der Abstieg schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Und trotz seiner schwarzen Berufskleidung mit Melone und Regenschirm wirkte Josuah Parker routiniert wie. ein erfahrener Waldläufer. Dieser routinierte Waldläufer blieb plötzlich stehen. Mit der Spitze seines Regenschirms deutete Parker nach unten. Rander sah die junge Frau sehr deutlich. Sie war aufgetaucht, trat Wasser und schien sich orientieren zu wollen. Sie drehte sich auf der Stelle, spähte nach allen Seiten und war unentschlossen. Ans nahe Ufer zu schwimmen, traute sie sich wohl nicht. Fürchtete sie, in eine Falle zu laufen? Ein zweiter Schuß! Dicht neben dem Kopf der jungen Frau sprang das Wasser fontänenartig hoch. Die Bikinischönheit tauchte sofort wieder weg und änderte die Richtung. 2
»Meiner bescheidenen Ansicht nach, Sir, muß der Schütze sich dort zwischen den Baumwurzeln befinden«, sagte Parker. Sein Regenschirm unterstrich die Richtung. Rander sah genauer hin. Einige mächtige Fichten waren vom Sturm umgerissen worden. Ihr hochstehendes Wurzelwerk bildete ein ideales Versteck. Aber wo befand sich der Schütze? Rander sah ihn plötzlich. Der Mann, der enge Hosen und eine Lederjacke trug, erschien zwischen dem Wurzelwerk und gab sich völlig ungeniert. Er ging wohl von der Tatsache aus, daß außer ihm und seinem Opfer weit und breit kein Mensch mehr war. Der Schütze kletterte ein Stück querliegenden Stamm hoch, um von diesem erhöhten Standpunkt aus besser sehen zu können. »Er will sie um jeden Preis umbringen«, sagte Rander nervös, »zum Teufel, was können wir tun, Parker?« Rander und Parker waren ohne Waffen, wenn man vom Universal-Regenschirm des Butlers einmal absah. Doch das mit Preßluft betriebene Blasrohr, das im Schirmstock eingebaut war, konnte die Distanz bis zum Mordschützen unmöglich überbrücken. »Ich fürchte, Sir, daß Sie und meine Wenigkeit dieser Situation mehr als hilflos gegenüberstehen«, erwiderte Parker. Doch dann reagierte er auf eine Art und Weise, die den jungen Anwalt in Erstaunen versetzte. Parker entledigte sich seines schwarzen Zweireihers, knöpfte sich die gestreifte Weste auf und beschäftigte sich anschließend mit seinen recht altmodisch aussehenden Hosenträgern. »Ob ein Striptease ihn ablenken wird, wage ich allerdings zu bezweifeln«, sagte Rander nervös ironisch. »Ich hoffe, Sir, ein wenig improvisieren zu können«, entgegnete der Butler, der sich nicht weiter stören ließ. Er hatte sich inzwischen die Hosenträger abgeknöpft und befestigte die beiden langen Gummieenden schnell und geschickt an zwei knorrigen Baumwurzeln, die hoch aus dem felsigsteinigen Boden ragten. Dann griff Parker nach einem handlichen Stein, der etwa die Größe einer Männerfaust besaß. Diesen Stein legte er in die behelfsmäßige Schlaufe, die vom Zusammenschluß der beiden Längsträger gebildet wurde. Rander beobachtete den Schützen, der sich völlig unbeobachtet und sicher fühlte. Der Mann in den Jeans und in der Lederweste war noch ein Stück höher auf den Baumstamm geklettert und nahm gerade mit seinem Gewehr Zielpunkt. Nicht ohne Grund, wie Rander mit Entsetzen feststellte. Die junge Frau war wieder aufgetaucht und schnappte nach Luft. Selbst aus der Entfernung war ihr deutlich anzusehen, daß sie bereits unter gewissen Konditionsschwierigkeiten litt. Die langen Tauchwege mußten sie etwas erschöpft haben. Sie sah ihren Mörder nicht. 3
Der Schütze verschwand gegen den dunklen Hintergrund des nahen Waldes. Er konnte sein Opfer in aller Ruhe anvisieren. Die junge Frau wiegte sich in Sicherheit. Da sie den Schützen nicht mehr sah, glaubte sie sich wohl gerettet. Nachdem sie sich nach allen Seiten umgeschaut hatte, schwamm sie langsam und wesentlich ruhiger in Richtung Ufer. Zwar vom Schützen weg, aber doch ein sehr gutes Ziel bietend. »Achtung, Parker ...! Er wird gleich schießen ...!« rief Rander seinem Butler zu. *** Josuah Parker hatte die beiden Gummistränge der Hosenträger weit durchgezogen. Er verfügte jetzt über eine Art mittelalterlicher Steinschleuder. Es mußte sich zeigen, ob diese Behelfswaffe wirkungsvoll war. Parker visierte steil nach unten in Richtung Mordschütze. Er nahm sich für Randers Nerven sehr viel Zeit, korrigierte die Schleuderrichtung und strammte die beiden Gummistränge noch kräftiger. Dann katapultierte er den Stein. Rander verfolgte das Geschoß, das sich lautlos aus der improvisierten Schlaufe gelöst hatte und in einer Parabel nach unten zischte. Noch vermochte Rander den Stein zu verfolgen, doch dann löste er sich gegen den Hintergrund optisch auf. *** Der Schütze war sich seiner Sache vollkommen sicher. Auch er korrigierte den Lauf des Gewehrs, nahm Druckpunkt und wollte sanft den Schuß lösen. Doch genau in diesem Augenblick erhielt er einen äußerst harten Schlag gegen die linke Schulter. Irgend etwas schrammte und boxte gegen seine Kinnlade. Der Schütze verriß den Schuß, der sich prompt löste. Vom harten Schlag zurückgeworfen, verlor er das Gleichgewicht auf dem umgestürzten Baumstamm und warf hilfesuchend die Arme in die Luft. Dann fiel er nach hinten, stieß einen halblauten Schrei aus und verschwand anschließend in einem Verhau, der aus dichtem Unterholz, Dorngestrüpp und faulem Holz gebildet wurde. »Sagenhaft«, sagte Rander und atmete tief durch. »Ich hoffe, Sir, Sie sind mit meiner Wenigkeit zufrieden«, erwiderte Parker in seiner bescheidenen Art, »der Mordschütze dürfte vorerst und nach Lage der Dinge keine akute Gefahr mehr darstellen.« »Diese Hosenträger-Schleuder sollten Sie sich patentieren lassen«, gab Rander lächelnd zurück. Gleichzeitig hielt er Ausschau nach der Bikini-Schönheit Sie war nicht mehr zu sehen. Sie mußte inzwischen das nahe Ufer gewonnen haben. Wahrscheinlich hatte sie sich bereits im Uferdickicht versteckt. 4
»Ich denke, wir sollten uns den Schützen mal aus der Nähe ansehen«, sagte Rander unternehmungslustig. »Von der jungen Dame mal ganz abgesehen.« »Mit dem größten Vergnügen, Sir«, entgegnete Parker, »mir scheint, wenn ich es so ausdrücken darf, daß sich hier ein interessanter Fall anbahnt!« *** Der Schütze war verschwunden, aber er hatte einige deutliche Spuren hinterlassen. Einige Blätter waren blutverschmiert, an nadelspitzen Dornenranken hingen Stoffetzen, die von Jeans herrühren mußten. Rander suchte nach dem Gewehr des Schützen, konnte es aber nicht finden, Parker nach Fußspuren. Er hatte mehr Glück. Sie hielten auf den nahen und dichten Bergwald zu, lösten sich dann aber leider im weichen, federnden Moos auf. Rander und sein Butler suchten anschließend nach der Frau, die sich immerhin in einem halbnackten Zustand befand. Keine geeignete Kleidung, um sich in dieser Wildnis aufzuhalten. Rander und Parker schlugen einen leichten Halbkreis durch einen Teil des Waldes und bauten sich anschließend in der Nähe des Bootsstegs auf. Die Nixe schien ihre Kleidung hier sehr gut versteckt zu haben. Sie war trotz eifriger Suche nicht zu finden. »Entweder wohnt sie ganz in der Nähe in einer Blockhütte«, meinte Rander, »oder irgendwo im Unterholz muß ihr Wagen stehen.« »Laut Karte, wie ich sie im Gedächtnis habe, Sir, ist in der Nähe dieses Waldsees keine befahrbare Straße eingetragen.« Bevor der junge Anwalt antworten konnte, waren plötzlich Schritte zu hören, die keineswegs von einem nackten Fuß herrührten. Kleine Zweige und Äste brachen offensichtlich unter derben Schuhen. War der Schütze zurückgekehrt? Rander und Parker gingen in Deckung und warteten ab. Von ihrem Standort aus konnten sie die kleine Lichtung vor dem Bootssteg genau überblicken. Es war ein junger Mann, der eine hüftlange, karierte Holzfällerjacke trug. Er trug ein Gewehr in der rechten Hand, eine Winchester, wie Parker sofort erkannte. Der junge Mann - er mochte achtundzwanzig Jahre alt sein - sah unverletzt aus. Er konnte nicht mit dem Mordschützen identisch sein. Dieser junge Mann, der ein glattes, frisches Gesicht hatte, in dessen Stirn halblanges, aschblondes Haar fiel, baute sich hinter einem Baumstamm auf und beobachtete nun seinerseits den Bootssteg. Wartete er auf die Rückkehr der Badenixe? War er mit ihr verabredet? Oder war er der Komplize des Mordschützen, der nun seinerseits eine Trefferchance witterte? Er brauchte nicht lange zu warten. 5
Das Wasser am Ende des Stegs rauschte auf, zwei lange, nackte schlanke Arme schoben sich über die rohen Holzbohlen, dann schwang die Badenixe sich elastisch auf den Steg und sah sich vorsichtig wie ein scheues Reh nach allen Seiten um. Sie trug nach wie vor nur das knappe Unterteil des Bikinis und schien jetzt zu frieren. Der lange Aufenthalt im kalten Wasser des Bergsees mußte sie ausgekühlt haben. Sie verschränkte die Arme über der Brust und lief dann mit schnellen, kurzen Schritten zum Ufer. Rander beobachtete die junge Dame. Parker hingegen, stets pflichtbewußt und im Dienst, beobachtete den jungen, aschblonden Mann, der zu seiner Beruhigung das Gewehr gesenkt ließ. Er dachte aber nicht daran, sich bemerkbar zu machen. Auch er ließ seine Augen nicht von der halbnackten Frau, die jetzt das Ufer erreicht hatte. . Die junge Dame verschwand hinter einem dichten Strauchverhau, um schon nach wenigen Minuten angekleidet zurückzukommen. Sie trug jetzt Jeans, sehr eng und die Linien unterstreichend, ein lässig zugeknöpftes Polohemd in bunten PopFarben und derbe Wildlederstiefel, die diesem Gelände durchaus angepaßt waren. Sie legte sich eine Wildlederjacke über den Arm und ging, direkt auf den jungen Mann zu, der sich hinter dem schützenden Baumstamm plötzlich sehr schmal machte. *** Parker blieb auf der Hut. Noch war ihm nicht klar, wie der Mann reagieren würde. Wollte er die junge Frau, die übrigens auch aus der Nähe sehr pikant aussah, geräuschlos anfallen und töten? Nichts dergleichen! Der junge Mann ließ die Frau passieren und rührte sich nicht. Was ihm übrigens schlecht bekommen wäre, denn Parkers Preßluft-Blasrohr im Schirmstock war geladen und hatte genau die richtige Distanz vor sich. Ahnungslos und geschmeidig glitt die junge Frau an Parker vorbei. Sie mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, war sehr gut proportioniert und hatte dunkelbraunes Haar, das kurz geschnitten war. Das Polohemd lag hautdicht auf ihrem noch nassen Körper. Der junge Mann folgte vorsichtig der langbeinigen Eva, die plötzlich blitzschnell herumwirbelte und eine Pistole in der Hand hielt. Sie richtete sie auf den jungen Mann. »Gerald ...!« Sie lachte leise und senkte die Pistole. »Seit wann bist du denn hier?« »E . . . Eben gekommen«, wollte er hastig sagen und stotterte dabei. »Ich hatte die Schüsse gehört, Jane ...«
6
»Um ein Haar hätte es mich erwischt, Gerald«, erwiderte die Frau, deren Vorname also Jane war. »Und ich kann mir gut vorstellten, wer daran interessiert ist...« »Wir sollten nicht hierbleiben.« Gerald schien merkwürdig gehemmt. Er brachte es nicht fertig, die Frau offen und frei anzusehen. »Komm, Gerald .. .!« Sie hatte die Pistole schon längst wieder weggesteckt und ging voraus, ohne sich weiter um den jungen Mann zu kümmern. Gerald folgte ihr hastig wie ein kleiner, stets dienstbereiter und ergebener Hund. Sie verschwanden im dichter werdenden Unterholz, verfolgt von Mike Rander und Josuah Parker. Das Gelände senkte sich steil ab und wurde lichter. In der Luft waren das Brausen und Rauschen eines Wasserfalls zu hören. Rander und sein Butler befanden sich inzwischen auf einem Saumpfad, der in vielen Windungen hart an einem Wasserfall entlangführte, sich noch einmal steil senkte und dann vor einem freien Platz mündete, auf dem eine einfache Jagdhütte stand. Diese Behausung war am Rand eines Kessels errichtet worden, in den sich der Wasserfall ergoß. Wasserstaub wehte durch die Luft, traf aber nicht mehr die Hütte, die in einem toten Winkel stand. Jane und Gerald verschwanden gerade in dem Bau, neben dem ein Landrover stand. Plötzlich war das Aufrauschen von Radiomusik zu hören, die sofort wieder abgedreht wurde. »Zweisamkeit im Bergwald«, sagte Rander etwas spöttisch zu Parker. »Aber sie scheint bereits gestört zu sein, wenn ich an den Schützen denke.« Statt zu antworten, deutete der Butler mit dem Universal-Regenschirm hinunter auf die Hütte. Aus dem Wasserstaub jenseits des Wasserkessels kamen zwei mittelgroße, kompakt aussehende Männer, die schätzungsweise zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahre alt waren. Sie trugen Gewehre in der Hand und hielten genau und zielstrebig auf die Jagdhütte zu. *** Rander und Parker schoben sich ungesehen näher an die Jagdhütte heran, die von den beiden kompakten Männern noch nicht ganz erreicht war. Rander und Josuah Parker wollten einsatzbereit sein, falls es zu einem Drama kommen sollte,, Sie wußten zwar nicht, um was es ging, aber sie wollten selbstverständlich einen möglichen Mord oder sogar Doppelmord verhindern. Die beiden Männer, deren derbe Gesichter jetzt zu erkennen waren, kamen jedoch in friedlicher Absicht. Sie riefen Janes Namen und stellten ihre Gewehre draußen auf der kleinen überdeckten Veranda ab. Jane trat heraus, winkte salopp und unterhielt sich dann mit ihnen, von denen einer einen recht ausgeprägten Bauch hatte. Sie schien von ihrem Erlebnis oben am Bergsee zu berichten, denn sie deutete wiederholt hinauf zum Saumpfad. Gerald kam inzwischen ebenfalls aus der 7
Jagdhütte und bemühte sich sehr um den Mann, der seinen Bauch trug, und der ältere der beiden Männer war. Dieser Mann behandelte Gerald mit deutlicher Herablassung. Parker hatte sich inzwischen von seinem jungen Herrn getrennt und schob sich noch näher an die Jagdhütte heran. Es war erstaunlich, mit welchem Geschick er dieses Anpirschen erledigte. Er hätte mit größter Wahrscheinlichkeit selbst einen ausgebufften Indianer beschämt. »Das kann nur Stringale gewesen sein«, sagte Jane gerade, »er muß uns aufgespürt haben.« »Dann haben wir ja noch was vor uns«, erwiderte der Mann mit dem ausgeprägten Bauch, »ich denke, wir sollten ab sofort Wachen einteilen. Stringale kennt keine Hemmungen!« »Weiß Gott...!« sagte Jane und strich sich über ihr Haar, »noch einmal möchte ich das nicht erleben. Ich kann immer noch nicht verstehen, wieso er plötzlich verschwand. Irgend etwas muß ihn aufgescheucht und gestört haben.« »Was denn?« fragte Gerald. »Irgendwas«, sagte Jane, »vielleicht treibt sich außer Stringale noch einer in der Gegend herum. Stringale ist zwar ein Einzelgänger, aber er hat bestimmt Freunde, die sich nur zu gern an ihn hängen würden.« *** Es war fast dunkel, als Rander und Parker nach Crater Lake kamen, wo sich auch das Hauptquartier der Parkverwaltung befand. Sie fanden erfreulicherweise ein Motel, das noch freie Zimmer hatte. Eine halbe Stunde nach ihrer Ankunft hatten Rander und Parker sich bereits eingemietet und wohnten nun für die nächsten Tage in einem kleinen Bungalow,, der einer Jagdhütte glich und aus Bruchsteinen und Baumstämmen gebaut war. Es gab hier zwei kleine Schlafkammern, einen gemeinsamen Wohnraum und eine Duschecke. Essen konnten sie nach Belieben in einem gutgeführten Schnellimbiß. . »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich gewisse Erkundigungen einziehen«, sagte Parker, nachdem er das Reisegepäck ausgepackt hatte. »Ich denke, wir können uns das schenken«, meinte Rander, »diese Jane ist schließlich nicht allein. Wenn Sie den Mordanschlag melden will, gut... Wenn nicht, ist das schon nicht mehr unser Bier.« »Wie Sie meinen, Sir.« Parkers Gesicht blieb höflich - undurchdringlich. »Paßt Ihnen was nicht?« erkundigte sich Mike Rander. »Ich-würde mir niemals erlauben, Sir, an Ihren Maßnahmen Kritik zu üben«, erwiderte Parker steif. »Na also!« Rander lächelte in sich hinein. »Ich brauche Ihnen ja wohl nicht zu erklären, daß wir hier ein paar Tage Urlaub machen. Ich habe keine Lust, mich in eine Affäre verwickeln zu lassen.« 8
Während Mike Rander so redete, dachte er an ähnliche Erklärungen, die er seinem Butler gegenüber abgegeben hatte. Mehr als häufig sogar. Immer hatten sie ein paar Tage Urlaub machen wollen, und immer hatte solch ein geplanter Urlaub mit einer Pleite auf der ganzen Linie geendet. Josuah Parker zog Kriminalfälle auf sich, ob man sich dagegen wehrte oder nicht. Parker schien eine Laus über die Leber gekrochen zu sein. Er folgte seinem jungen Herrn schweigend in den Schnellimbiß und beantwortete zurückhaltend die Fragen des Anwalts, die sich auf den kommenden Tag bezogen. Dann allerdings, sie wollten gerade zurück in ihren Motel-Bungalow gehen, hellte seine Miene sich auf. Und dieses freundliche Aufhellen hing damit zusammen, daß eine Gruppe von neuen Gästen den Schnellimbiß betrat. Auch Mike Rander interessierte sich plötzlich nicht mehr für den morgigen Tag. Herein kamen Jane, die Bikini-Schönheit, sowie die beiden kompakt aussehenden Männer, die sich an der Jagdhütte eingefunden hatten. Jane trug lange Lederhosen, die in wadenhohen Stiefeln steckten. Darüber trug sie eine hüftlange Lederjacke, die aus einem teuren Modesalon stammen mußte. Die beiden Männer sahen im Gegensatz zu ihrer eleganten Begleiterin wie ärmliche Holzfäller aus. Dennoch ging von dem untersetzten Dicken eine starke Persönlichkeit aus. Sein bullig wirkendes Gesicht, jetzt aus der Nähe und gut zu sehen, verriet Kraft, Härte und Durchsetzungsvermögen. Er war ein Mann, der zu befehlen gewohnt war. Sein jüngerer Begleiter, ebenfalls untersetzt, kompakt und etwa fünfunddreißig Jahre alt, machte dagegen einen nervös-labilen Eindruck. Sein Gesicht wirkte gedunsen, als habe er in letzter Zeit zuviel Alkohol getrunken. Die Dreiergruppe kam dicht an Rander und Parker vorbei, nahm auf den Barhockern vor dem Tresen Platz und bestellte Steaks, Pommes frites und überraschenderweise Milch. Rander und Parker tauschten einen schnellen Blick aus. Sie verschoben ihren Aufbruch und warteten erst einmal ab. Sie fanden schnell heraus, daß der Dicke, Kraftvolle Artie hieß und der Mann von Jane war. Der Jüngere wurde Paul genannt und himmelte die Frau seines Begleiters unverhohlen an. Artie, der das sehr wohl mitbekam, schien sich darüber zu amüsieren. »Meiner bescheidenen Ansicht nach, Sir, dürften die Herrschaften sich viel zu laut über ihre Jagdpläne unterhalten«, sagte Parker leise zu seinem jungen Herrn, »mir scheint, daß sie unbedingt gehört werden wollen.« »Tatsächlich«, räumte Mike Rander nachdenklich ein. »Ich möchte ferner unterstellen, Sir, daß die Pläne der Herrschaften sich keineswegs auf eine Jagd ausrichten«, gab Parker weiter zu überlegen. »Möglich.« Rander schaltete auf Zurückhaltung. Er wußte und ahnte, worauf sein Butler hinaus wollte. »Ich möchte abschließend behaupten, Sir, daß die Herrschaften Pläne verfolgen, die sie unbedingt der Öffentlichkeit gegenüber verschleiern wollen.« 9
»Sie sind wieder mal zu neugierig«, tadelte Rander lächelnd, »ich schlage vor, daß wir jetzt gehen . . .« Parker folgte seinem jungen Herrn notgedrungen und verließ mit ihm den Schnellimbiß. Er nahm sich aber die Zeit, das Kennzeichen des Landrovers genau zu inspizieren und einzuprägen. Was nicht sonderlich schwer war, da dieser Wagen auf dem Parkplatz vor dem Schnellimbiß stand. »Sie hoffen wohl immer noch, wie?« Rander hatte bemerkt, wofür sein Butler sich interessierte. »Details, Sir, können erfahrungsgemäß von größter Wichtigkeit sein«, erwiderte Parker würdevoll, um dann doch etwas an Fassung zu verlieren, als sein junger Herr überrascht aufstöhnte und in sich zusammenrutschte. *** »Der Oberarm . . . Links . . .!« Rander hatte sich wieder aufgerichtet und biß die Zähne zusammen. Er hatte das Gefühl, als sei sein Oberarm mit einem glühendheißen Draht behandelt worden. Parker half seinem jungen Herrn endgültig auf die Beine und führte ihn schleunigst in die Dunkelheit des Parkplatzes. Erst hier konnte und wollte er sich um ihn kümmern. In der herrschenden Dunkelheit boten sie kein Ziel mehr. Parker streifte das Sportjackett Randers von den Schultern, riß das Hemd auf und atmete sichtlich erleichtert auf. »Ein Streifschuß, Sir, wie ich versichern darf.« »Zum Teufel, wer kann da auf mich geschossen haben?« fragte Rander, der den ersten Schock bereits überwunden hatte. Der Schmerz ließ bereits etwas nach. »Möglicherweise der Mordschütze, Sir, der wahrscheinlich Stringale heißt.« »Wieso kommen Sie ausgerechnet auf den?« »Er könnte Sie und meine Wenigkeit beobachtet haben, als wir Miß Jane verfolgten.« »Stimmt! Kommen Sie, gehen wir zurück ins Motel!« »Unsinn, diesen Streifschuß werde ich schon überstehen. Sie haben doch Ihre Hausapotheke bei sich, oder?« »Selbstverständlich, Sir. Ich hoffe, Sie versorgen zu können .. .« »Zufrieden?« Rander beobachtete seinen Butler lächelnd. »Nur in der Hinsicht, Sir, daß Sie wahrscheinlich jetzt ebenfalls für gewisse Erkundigungen und Nachforschungen sein werden.« »Also gut, Parker, wir sind im Geschäft.« Rander nickte, »ich habe was dagegen, daß man mich anschießt oder umbringen will. Jetzt werden wir etwas unternehmen!« »Mit dem größten Vergnügen, Sir, wie ich versichern darf.« »Kann ich mir lebhaft vorstellen ... Jetzt möchte auch ich wissen, was sich da oben in den Bergen zusammenbraut. « 10
*** Nach einer knappen Viertelstunde war die leichte Wunde von Parker behandelt und versorgt worden. Ein Arzt brauchte wirklich nicht bemüht zu werden, wie der Butler befürchtet hatte. Nach einem doppelten Whisky fühlte Mike Rander sich wieder ausgezeichnet. »Um einen Zufall kann's sich nicht gehandelt haben«, sagte Rander, »ich sollte umgebracht werden. Und Sie werden wahrscheinlich auch noch an die Reihe kommen, Parker!*« »Ich bin mir dessen durchaus bewußt, Sir.« »Der Täter benutzte einen Schalldämpfer.« ; »Im Gegensatz zu dem Schützen am Bergsee«, erklärte der Butler. »Was verteidigt der Schütze oben in den Bergen?« fragte Rander laut weiter, »warum behandelt er den Wald wie einen teuren Privatbesitz?« »Dieser Mann scheint gewisse Entdeckungen zu fürchten, Sir.« »Sieht so aus .., Und er scheint sie vor allen Dingen von der Jagdgesellschaft zu befürchten.« »Durchaus, Sir....« »Ich werde mal das Telefon bemühen«, schlug Rander zu Parkers innerer Freude vor, »vielleicht läßt sich mit dem Namen Stringale etwas anfangen.« Die Handvermittlung klappte ausgezeichnet. Nach wenigen Minuten schon war Portland in der Leitung, genauer gesagt, die Stimme eines gewissen Hale Surton, seines Zeichens Resident-Agent des FBI. »Stringale?« fragte Surton zurück. Er und Rander kannten sich seit vielen Jahren. Und da Rander und Parker für die einschlägigen Behörden mehr als einmal beiläufig gearbeitet hatten, zierte sich Surton nicht lange. »Stringale? Bennie Stringale?« »Nehmen wir an, daß es sich um diesen Bennie handelt...« »Er gehörte zur Dehlinger-Gang .. : Geplatzt vor acht Jahren ... Dehlinger entwischte und wurde dann ein paar Monate später erschossen ... Er hatte sich seine Wohnung wie eine Festung ausgebaut. Aber er wurde ausgeräuchert!« »Und die Mitglieder der Bande?« wollte Rander wissen. »Wurden weit vor ihm kassiert und zu langen Freiheitsstrafen verurteilt.« »Sitzen sie noch?« »Muß ich erst feststellen, Rander ... Um was geht es denn?« »Hier scheint ein gewisser Stringale unseren Weg gekreuzt zu haben.« »Richtig, Stringale... Er war damals ein junger Bengel. So 'ne Art Lehrjunge in der Bande ... Kaffeeholer von mir aus. Er kam mit 'ner gesalzenen Jugendstrafe davon, glaube ich, wenigstens Rander. « Wenn es unser Stringale ist, hat er sich mächtig gemausert«, stellte Mike Rander fest. »Hören Sie, Surton, besorgen Sie mir alle Unterlagen, die Sie bekommen können. Halt, noch etwas ... Zurück zur Dehlinger-Bande. Verschwand damals vielleicht irgendein Bandenvermögen?« 11
»Nee, ich glaube nicht, Rander... Wenigstens nicht offiziell. Aber ich werde nachhorchen. Und wohin soll ich Ihnen die Unterlagen schicken?« Mike Rander gab die Adresse im National Park durch. »Brauchen Sie Hilfe?« fragte Surton abschließend. »Wir werden uns melden, falls wir was brauchen«, sagte Rander und legte dann auf. Er wandte sich zu Parker um, der aber nicht zu sehen war. Er hatte sich während des Telefongesprächs still empfohlen. Vielleicht, um sich ein wenig die Füße zu vertreten, wie er oft behauptete, wenn er den Kriegspfad beschritt... Parker war durch das hochgeschobene Fenster von Mike Randers Schlafkammer hinaus ins Freie gestiegen. Sehr würdevoll und ohne übertriebene Hast. Er hatte draußen vor dem Bungalow Geräusche gehört, die ihm nicht paßten. Sehr schwache Geräusche übrigens, die mit normalen Ohren nicht zu hören gewesen wären. Dank der beiden »Sende-Wanzen«, die der Butler draußen vor dem Haus auf dem Boden zurückgelassen hatte, waren diese Geräusche jedoch verstärkt und zu ihm in den Bungalow gesendet, worden. Empfangen hatte Josuah Parker diese Geräusche mit einem Spezialempfänger, der nicht größer war als eine Streichholzschachtel. Parker arbeitete gern mit solchen Minisendern und -empfängern. Sie dienten der Sicherheit und machten es nicht nötig, unentwegt Wache zu halten. Die kleinen Minisender arbeiteten stets präzise und unauffällig. Sobald sie ihre Impulse ausstrahlten, war der Butler auf der Hut. Selbst Schritte, die auf Zehenspitzen absolviert wurden, ließen sich damit einwandfrei feststellen. Parker befand sich im Freien und suchte nach der Person, die um das kleine Holzhaus herumschlich. Er fand eine schmale Gestalt, die an die eines großen, schlaksigen Jungen erinnerte. Diese Gestalt hatte sich hinter einem Baum in der Nähe des Wohnzimmerfensters aufgebaut und pirschte sich jetzt vorsichtig an dieses Fenster heran, dessen Jalousien aber von innen geschlossen waren. Parker entdeckte ferner, daß sich in der Hand des jungen Mannes ein Paket befand, das er sicher nicht offiziell abliefern wollte. Um kein Risiko einzugehen, entschloß Parker sich, einen Blasrohrpfeil zu opfern. Unhörbar zischte der kleine Pfeil, der nicht größer war als eine normale Stricknadel, aus dem unteren Ende des Schirmstocks und bohrte sich Bruchteile von Sekunden später in die rechte Gesäßhälfte des jungen Mannes. Der Überraschte kickste auf, faßte nach seiner Kehrseite und rutschte schon in diesem Augenblick haltlos in sich zusammen. Das ungemein schnell wirkende Betäubungsgift, mit dem die Spitze des Pfeils bestrichen war, tat seine Wirkung. Parker blieb in Deckung. Man konnte ja nicht wissen, wer sich noch im Garten herumtrieb ... *** 12
Der junge Mann war Einzelgänger. Es tauchte niemand auf, um ihn zu bergen. Nach einer Minute verließ der Butler die Deckung und kümmerte sich um den nächtlichen Besucher. Vor allen Dingen um das Geschenkpäckchen, das neben ihm lag. »Eine Dynamitladung, Sir«, meldete Parker wenig später seinem jungen Herrn, »eine Dynamitladung mit einem Aufschlagzünder, der erfreulicherweise noch nicht entsichert worden war.« »Kann man wohl sagen«, erwiderte Rander und wog das Sprengstoffpaket nachdenklich in der Hand, »diese Ladung hätte ausgereicht, uns und den Bungalow zu atomisieren.« »Worüber sich der junge Mann aber wohl klar gewesen sein muß, Sir...« Parker deutete auf den schlafenden jungen Mann, der ein Pausbackengesicht hatte und kindlich-unschuldig aussah. Er mochte etwa achtzehn bis zwanzig Jahre alt sein. »Wie lange wird er noch schlafen?« »Schätzungsweise noch zehn Minuten, Sir...« Während Parker redete, untersuchte er bereits die Taschen des jungen Mannes. Er fand einen 38er, gut geölt und gepflegt, ein paar Banknoten und einen Zündschlüssel. »Ob das wohl der Schütze ist, der mich erwischt hat?« Rander zündete sich eine Zigarette an. »Dazu müßte man seinen Wagen finden, Sir.« »Fragen wir ihn, sobald er wieder zu sich gekommen ist.« »Sehr wohl, Sir. Inzwischen dürfte der Auftraggeber dieses jungen Mannes auf die Explosion warten, wie ich zu vermuten mir erlaube.« »Wieso rechnen Sie mit einem Auftraggeber?« »Aus eigenem Antrieb, Sir, dürfte der junge Mann diese Sprengladung wohl nicht transportiert haben.« »Richtig. Wollen Sie den Auftraggeber akustisch reizen?« »Ich würde es nur zu gern tun, Sir, doch dürfte eine Zündung der Ladung um diese nächtliche Zeit wenig angebracht sein.« »Sie hoffen, daß der Auftraggeber selbst kommen wird?« »In der Tat, Sir! Wenn Sie einverstanden sind, werde ich gern vor oder neben dem Bungalow Posten beziehen.« »Okay. Aber lassen Sie sich nicht erwischen, Parker. Sieht so aus, als hätten wir es mit einem verdammt abgebrühten Routinier zu tun.« Parker nahm die Warnung zur Kenntnis und begab sich auf dem Umweg über die Schlafkammer seines jungen Herrn zurück nach draußen. Es dauerte nicht lange, bis er leise Schritte hörte. Parker, der hinter einem dichten Strauch im Garten des Motels stand, duckte sich zusätzlich ab und wartete auf Ereignisse. Die Schritte näherten sich. Zögernd, vorsichtig und irgendwie berechnend. Plötzlich erkannte Parker die Person, die sich auf dem asphaltierten Verbindungsweg zwischen den einzelnen Bungalows näherte. 13
Es handelte sich um die junge Dame, die Jane genannt wurde ... *** Sie ging wie absichtslos an dem Bungalow vorbei, blieb stehen und schien sich für die Sterne zu interessieren. Sie schaute hoch zum Himmel, fand wahrscheinlich nicht das, wonach sie suchte, und ging dann leise wieder zurück. Parker folgte ihr. In Höhe des Bungalows, in dem Rander und Parker wohnten, blieb sie erneut kurz stehen, zündete sich dann überraschenderweise eine Zigarette an und wollte weitergehen. Genau in diesem Moment sprang plötzlich eine Gestalt aus dem Strauchwerk und fiel die junge Dame von hinten an. Sehr gekonnt, aber auch sehr brutal. Jane, wie sie hieß, hatte wohl im letzten Augenblick doch noch ein verdächtiges Geräusch gehört. Sie wirbelte herum, hob abwehrend die Arme, wurde aber von einem Jagdhieb zu Boden gestreckt. Die Gestalt beugte sich über Jane. »Ihr Benehmen mißfällt mir außerordentlich«, sagte Parker, der neben der jetzt knieenden Gestalt erschien. Der Getadelte reagierte augenblicklich und warf sich auf den Butler. Doch Parker hatte mit solch einer Reaktion gerechnet. Dort, wo er gerade noch gestanden hatte, befand sich jetzt nur noch der bleigefüllte Bambusgriff seines UniversalRegenschirms. Mit diesem schweren Griff kollidierte das Kinn das Angreifers. Es knackte laut und deutlich, dann folgte ein Aufseufzen und das Zusammenbrechen des Mannes. Die junge Frau, die keineswegs ohnmächtig war, sprang auf und schaute verwirrt auf den Butler, der jetzt höflich seine schwarze Melone lüftete. »Ich hoffe, Madam«, sagte Parker in unnachahmlicher Würde, »ich hoffe, Sie nicht unnötig erschreckt zu haben.« »Wie ... Wie kommen Sie denn hierher?« wollte Jane wissen. »Ein müder, alter und relativ verbrauchter Mann wie meine Wenigkeit muß sich hin und wieder die mehr als steifen Glieder vertreten«, sagte Parker. Er deutete auf den ohnmächtigen Angreifer. »Sollten Sie diesen Mann kennen, Madam?« Jane schaute auf Parkers Gegner, der auf dem Rücken lag. Sein Gesicht war deutlich zu erkennen. Für Parker war es keine Frage, daß es sich um den Schützen handelte, der es auf die junge Frau abgesehen hatte. Sie aber schüttelte überraschenderweise den Kopf. »Nie gesehen«, sagte sie, »vielleicht wollte er mir die Handtasche wegnehmen.« »Vielleicht«, sagte Parker, ohne auch nur ein Wort zu glauben. »Oder ein Betrunkener«, meinte Jane. »Vielleicht, Madam.« »Lassen wir ihn laufen«, bat Jane, »vielen Dank, daß Sie mir geholfen haben!« »Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte der Butler, »Sie sind also nicht dafür, die zuständigen Parkbehörden zu verständigen?« 14
»Ich hasse Behördenkram«, sagte Jane wegwerfend, »viele Fragen, aber keine Resultate.« »Man sollte es darauf ankommen lassen, Madam ...« »Lassen Sie ihn laufen«, wiederholte sie kategorisch, »kommen Sie morgen zu meinem Mann, er wird sich erkenntlich zeigen ... Sie heißen?« Ihr Ton war knapp geworden, irgendwie herrisch und distanziert. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker . . . Ich habe die Ehre der Butler Mister Randers zu sein.« »Schön, Parker«, sagte sie herablassend, »wir sehen uns dann morgen .. . Mein Mann und ich wohnen ebenfalls hier im Motel.« »An welchen Namen, Madam, darf ich mich morgen wenden?« erkundigte Parker sich sehr höflich. Es kam ihm darauf an, daß die junge Dame in ihm wirklich nur den Butler sah. »Mister Artie Ashland«, sagte sie, »kommen Sie! Sie können mich zurück zu meinem Bungalow begleiten.« Parker erfüllte ihren Wunsch, durchsuchte vorher aber noch schnell die Taschen des ohnmächtigen Mannes. Er fand auch hier einen 38er, ein Klappmesser und eine Wanderkarte. Für die Waffen interessierte er sich nicht, doch die Wanderkarte verschwand blitzschnell in seinem linken Rockärmel. So schnell, daß Mrs. Jane Ashland nichts davon bemerkte. Sie war völlig ruhig, als sie zusammen mit Parker durch den dunklen Garten des Motels ging. Sie sprach allerdings auch kein Wort. Irgendwelche Dinge schienen ihr durch den Kopf zu gehen. Nachdem sich Parker verabschiedet hatte, ging der Butler zurück zu der Stelle, wo er den Mordschützen vom Waldsee zurückgelassen hatte. Stringale, falls es sich um ihn handelte, war nicht mehr zu sehen. Er hatte sich inzwischen abgesetzt und seine Chance genutzt. Parker aber fragte sich, warum Jane Ashland ihren Mörder freiwillig hatte laufen lassen. Ihren Mörder, denn es war mehr als wahrscheinlich, daß dieser Mann seine Mordversuche wiederholen würde ... *** Das Pausbackengesicht kam wieder zu sich und hockte wie ein Häuflein Elend im Sessel. Der junge Mann starrte zu Boden und übersah die Waffe in Mike Randers Hand. Als Parker zurück in den Bungalow kam, hob der Bursche nur kurz den Kopf. Dann schaltete er wieder auf Desinteresse oder Fatalismus. »Er spielt den großen Schweiger«, sagte Rander und deutete auf das Pausbackengesicht. »Ich erlaube mir, Grüße auszurichten«, erwiderte Parker, »ich hatte das Glück, auf Mrs. Ashland zu treffen.« 15
Parker ließ das Pausbackengesicht nicht aus den Augen. Er registrierte, daß sich bei dem Namen Ashland der Kopf des Mannes deutlich überrascht anhob. Dieser Name schien ihm also durchaus etwas zu sagen. »Sehr schön«, sagte Rander neutral. Er wußte noch nicht, wer diese Mrs. Ashland war, doch er tat so, als wüßte er Bescheid. »Und ein gewisser Mister Stringale schließt sich diesen freundlichen Grüßen an«, redete der Butler weiter. Erneut beobachtete er das Gesicht des jungen Mannes. Diesmal war die Reaktion, noch deutlicher. Das Pausbackengesicht hob sich ruckartig an. Einen Bennie Stringale schien er also sehr gut unterbringen zu können. »Nun zu Ihnen, junger Mann«, redete Parker höflich weiter, »falls Mister' Rander einverstanden sein sollte, können Sie gehen. Ich fürchte, Sie sind ohnehin schon lange aufgehalten worden.« »Ich . . . Ich kann gehen . . .!?« »Falls Mister Rander einverstanden ist.« »Ich bin einverstanden«, schaltete der junge Anwalt sich ein, »wir wünschen Ihnen noch eine schöne Nacht.« »Die Ihnen Ihr Auftraggeber mit Sicherheit bereiten wird«, führte Parker die Unterhaltung weiter fort, »ich möchte aber annehmen, daß Sie ihn beschwichtigen können. Ich meine im Hinblick auf das total mißglückte Attentat. « »Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mich so schnell wie möglich absetzen«, sagte Mike Rander ernst, »manche Leute haben etwas gegen Versager!« »Falls sie noch zusätzlich unterstellen müssen, daß diese Versager, wie Mister Rander sich auszudrücken beliebte, aus ihrem Herzen keine Mördergrube machten.« »Wieso denn? Ich hab' doch überhaupt nichts gesagt«, erwiderte das Pausbackengesicht. »Weiß das Ihr Auftraggeber?« erkundigte sich Mike Rander. Zusammen mit seinem Butler bildete er ein wunderbares Team, wenn es um die Auflockerung und Befragung von Zeugen ging. Sie warfen sich gegenseitig die Bälle zu und wußten genau, auf welchen Tasten des Verhörklaviers sie zu spielen hatten. »Sie wollen mich ja nur bluffen«, reagierte das Pausbackengesicht, das unruhig geworden war. Der junge Mann merkte überhaupt nicht, daß er bereits seit einigen Minuten redete, obwohl er sich fest das Gegenteil vorgenommen hatte. »Sie brauchen es ja nur darauf ankommen zu lassen«, gab Mike Rander lächelnd zurück, »wie gesagt, an Ihrer Stelle würde ich mich schleunigst absetzen. Aber vielleicht sind Sie scharf darauf, mit einem zweiten Dynamitbündel in die Luft gepustet zu werden.« Das Pausbackengesicht war vorsichtig aufgestanden und sah zuerst Rander, dann Parker mißtrauisch, unsicher an. »Sie lassen mich tatsächlich gehen?« vergewisserte er sich noch einmal. »Sie brauchen nur durch die Tür zu gehen.« Rander deutete einladend auf die Eingangstür. Dann wandte er sich an Parker. »Schalten Sie aber vorher besser das 16
Licht aus, Parker, er könnte gegen das helle Zimmer eine gute Zielscheibe abgeben.« Der junge Mann gab sich einen inneren Ruck und marschierte ziemlich steifbeinig zur Tür. Er griff nach der Klinke und hatte dann doch einige Bedenken, die Tür zu öffnen. Er sah unsicher zu Rander und Parker, die ihn bereits vergessen zu haben schienen. Sie standen am Kamin und unterhielten sich leise miteinander. »Schalten ... äh . . . schalten Sie doch das Licht ab!« rief der junge Mann, dessen Nervosität sich steigerte. »Aber selbstverständlich«, sagte Parker höflich, »entschuldigen Sie, junger Mann, Mister Rander und meine Wenigkeit hatten Sie bereits vergessen.« Parker löschte das Licht im Wohnraum des Motel-Bungalows und wartete darauf, daß der junge Mann nun endlich die Tür öffnete. Doch sie blieb geschlossen. Vom Eingang her war ein schweres, schnaufendes Stöhnen zu hören. »Hallo ...!« rief das Pausbackengesicht dann von der Tür her, »haben Sie was dagegen, wenn ich noch 'nen Moment blei. . .« Er hatte nicht mehr die Chance, seinen Satz zu beenden. Das Rattern einer Maschinenpistole übertönte die letzte Silbe. Holz splitterte, Querschläger sirrten wie bösartige Insekten durch den Bungalow, irgendwo splitterte Glas. Dieses Geräusch ging unter in einem schweren, dumpfen Fall. . . *** »Ihr Service ist meiner bescheidenen Wenigkeit nach etwas übertrieben gut«, sagte Parker zu dem Manager des Motels, der sich inzwischen eingestellt hatte. Während Parker noch sprach, deutete er auf die zerfetzte Tür, in der die Einschußlöcher deutlich zu sehen war. »Ich verstehe das nicht«, stotterte der Manager, »wer könnte auf den jungen Mann geschossen haben?« Das Pausbackengesicht lag regungslos auf dem Boden. Der junge Mann lebte nicht mehr. Er mußte sofort tot gewesen sein. Er war von der Garbe aus der Maschinenpistole voll erwischt worden. Parker hatte eine Decke über ihn gebreitet. »Der Täter muß direkt vor der Tür gestanden haben«, erklärte Parker, »warum er den jungen Mann erschoß, entzieht sich meiner Kenntnis.« Bei dieser Version blieb der Butler, als er dem Sheriff berichtete. Er brauchte sich keine Vorwürfe zu machen, denn im Grund log er wirklich nicht. Gewiß, er hatte gewisse Vermutungen, doch die wollte er dem Sheriff nicht mitteilen. Vielleicht hätte das den Mann des Gesetzes auf eine falsche Spur gebracht. Es ging auf den Morgen zu, als Rander und Parker wieder allein waren. Der Sheriff und seine beiden Mitarbeiter waren gegangen. »Ich fürchte, Sir, daß ich mich einer Unterlassungssünde zeihen muß«, sagte Parker. 17
»Sie denken an das Dynamitbündel, nicht wahr?« »In der Tat, Sir. Ich vergaß, es dem Sheriff mitzugeben.« »Ich auch, Parker, ich auch. Machen wir uns gemeinsam Vorwürfe!« »Sie bestehen nicht darauf, das Paket dem Sheriff umgehend zu übergeben?« »Das heben wir uns auf für später, Parker. Eine andere Frage. Bleiben wir hier im Motel?« »Ich würde dringend davon abraten, Sir. Der Auftraggeber des jungen Mannes verfügt möglicherweise über weitere Dynamitträger.« »Worauf warten wir dann noch?« Rander war froh, als er eine halbe Stunde später im hochbeinigen Monstrum seines Butlers saß. Sie hatten im Motel ihre Zelte abgebrochen und machten sich nun Gedanken darüber, wo sie ihr nächstes Quartier aufschlagen. »Wenn ich mir einen Rat erlauben darf, Sir, möglichst in der Nähe einer Region, in der sich die Dinge entwickelten.« »Sind wir für so eine Art Trapperleben in freier Wildbahn gerüstet?« »Ich habe mir erlaubt, vor Antritt der Fahrt gewisse Vorbereitungen zu treffen, Sir. Sie werden, wie ich versichern möchte, nichts entbehren!« Während ihrer Unterhaltung rollte der. hochbeinige Wagen des Butlers in Richtung Crater Lake. Es ging bereits die Sonne auf, als sie den riesigen Kratersee erreicht hatten. Von einer hochgelegenen Uferrandstraße aus war der Blick überwältigend. Vor Urjahren schien hier die Erdrinde geborsten zu sein. Der fast kreisrunde Kratersee, der einen ehemaligen Vulkan füllte, war umgeben von sehr hohen, bizarr aussehenden und schneebedeckten Bergen, die irgendwie an die Alpen erinnerten. Das tiefblaue, ruhige Wasser war geeignet, Träume zu wecken. Kein Traum war allerdings Parkers Feststellung, daß sie seiner bescheidenen Einschätzung nach schon seit einer halben Stunde von einem Landrover verfolgt wurden. »Diese Mrs. Ashland?« fragte Rander, der inzwischen natürlich wußte, wie die Bikini-Schönheit hieß. »Sehr wahrscheinlich, Sir. Es ist auffällig, wie sehr man sich im Landrover darum bemühte, ungesehen zu bleiben. Der Wagen hält einen deutlichen Abstand.« »Zufall oder Absicht? Was meinen Sie, Parker?« »Da ich nicht zu beurteilen vermag, Sir, wer den jungen Mann mit dem pausbäckigen Gesicht zu seiner Tat angestiftet hat, möchte ich sicherheitshalber eine Absicht unterstellen.« »Legen wir irgendwo eine Rast ein, Parker. Dann werden wir ja sehen.« Parker war einverstanden und lenkte sein hochbeiniges Monstrum auf einen gut ausgebauten Rastplatz an der Straße. Dieser Rastplatz war in den Fels hineingetrieben worden und bot etwa zwanzig Autos Platz. Jenseits der Straße fiel der Kraterhang steil zum See hinunter ab. Rander war mit gewissen Plänen des Butlers einverstanden, zündete sich eine Zigarette an und wartete der Dinge, die da vielleicht kamen. 18
*** Der Landrover hielt prompt auf dem Rastplatz. Er kam mit einem zeitlichen Abstand von etwa drei, vier Minuten. Was er sich leisten konnte, da die Bergstraße keine Abzweigung enthielt. Rander stand neben der geöffneten Beifahrertür seines hochbeinigen Monstrums und beobachtete die Aussteigenden. Es handelte sich um Artie Ashland, den Mann mit dem Bauch, und um Paul, wie er von Jane im Schnellimbiß genannt worden war. Von der Bikini-Schönheit war vorerst nichts zu sehen. »Sagenhaft, was?« Der dicke Artie Ashland deutete hinunter auf den tiefblauen, riesigen Kratersee. Er lächelte gewinnend und schlenderte langsam auf Rander zu, »Sagen Sie, haben wir uns nicht schon mal gesehen?« »Möglich«, gab Rander zurück und dachte nicht daran, seine Wachsamkeit abzuschalten. Er wollte sich nicht überrumpeln lassen. »Sind Sie nicht der Mann, in dessen Bungalow geschossen wurde?« fragte Artie Ashland weiter. Er schob sich immer näher an Mike Rander heran. »Genau«, erwiderte Rander und gab sich arglos. »Allein unterwegs?« »Mit meinem Butler«, sagte Rander, »er mußte mal verschwinden, ihm scheint das Frühstück nicht bekommen zu sein.« Artie Ashland hatte jetzt den jungen Anwalt erreicht und gab sich weiterhin freundlich-neugierig. Wie eben ein Tourist, der sich gern unterhält. »Bleiben Sie hier in der Kante?« erkundigte er sich. Paul, sein jüngerer Begleiter, verhielt sich absolut schweigend. Er schien das Sprechen verlernt zu haben. »Wir sind nur auf der Durchreise«, erklärte Rander, »und wie sieht es bei Ihnen aus?« »Wir auch. Zuviel Gegend kann einem auf die Nerven gehen. Wir machen den National-Park ab, aber dann geht es zurück in die Zivilisation.« Er redete gelassen und harmlos, aber er hielt wie durch Zauberei plötzlich einen Revolver in der Hand. Er sah plötzlich nicht mehr wie ein freundlicher Tourist aus, sondern wie eine bösartige Bulldogge. »Keine Dummheiten«, sagte Artie warnend, »Paul, filz ihn durch!« »Moment, was soll denn das?« Rander protestierte, weil es wahrscheinlich zu seiner Rolle gehörte. »Schnauze!« Artie Ashland ließ den jungen Anwalt nicht aus den Augen. Paul schob sich von hinten an Rander heran und tastete ihn sehr gewissenhaft nach Waffen ab. »Nichts«, meldete er. »Wie wäre es denn jetzt mit ein paar netten Auskünften?« fragte Artie Ashland ohne jede Verbindlichkeit. »Paul passe auf diesen Butler auf, der muß gleich aus den Büschen kommen!« 19
Paul brauchte einige Sekunden, bis er endlich seinen 38er in der Hand hatte. Er war auf keinen Fall so routiniert und geschickt wie der Dicke. Er wandte Ashland den Rücken zu und beobachtete den restlichen Rastplatz. »Auskünfte? Von mir?« Rander tat ahnungslos und verwirrt. »Was wollte der Bengel bei Ihnen im Bungalow?« fragte Ashland. Als er das gespielt-verständnislose Gesicht Randers sah, fügte er gereizt hinzu »ich meinte den Bengel, der erschossen wurde.« »Keine Ahnung, was er wollte! Wirklich. Er platzte in den Bungalow herein und wenig später ratterte die Maschinenpistole!« »Den Bengel vorher noch nie gesehen, was?« »Nein...« »Und er hat Ihnen nichts gebracht?« »Nichts«, sagte Rander und verschwieg das Dynamitpaket. »Sieht so aus, als müßte ich Sie erst mal weichmachen.« Artie Ashland verabreichte Rander ohne jede Vorwarnung einen bösen Fausthieb. Rander fand sich halb auf dem Kühler, als er seine erste Benommenheit abgeschüttelt hatte. Ihm war, als sei der Unterkiefer gespalten .. . *** Josuah Parker war mit dieser Art der Gesprächsführung überhaupt nicht einverstanden. Er befand sich jenseits des Rastplatzes unterhalb der Straße im dichten Gesträuch, das bis hinunter zum Kratersee führte. Er hatte gehört, was Vorgefallen war und sah seinen jungen Herrn wenig dekorativ auf dem Kühler liegen. Parker, der sicherheitshalber bereits seine Gabelschleuder schußfertig gemacht hatte, entschloß sich zum Eingreifen. In die Lederschlaufe der Gabelschleuder gab er eine kleine Tonmurmel, strammte die beiden Gummistränge und schickte das Geschoß auf die Reise. Unhörbar übrigens, wie sich versteht. Der Schuß wurde zu einem Volltreffer. Paul, der junge Mann von Ashland, wurde am Hinterkopf erwischt, verdrehte die Augen und sackte in Korkenzieherbewegung zu Boden. Er blieb regungslos auf dem Rastplatz liegen. Damit war eine Gefahr bereits ausgeschaltet. Artie Ashland schien etwas gehört zu haben. Ohne Mike Rander aus den Augen zu lassen, wandte er sich halb um. »Paul!« rief er, »Paul, was ist? Irgendwas nicht in Ordnung?« Da war einiges nicht in Ordnung, doch Paul war nicht in der Lage, auf diese Frage zu antworten. Er befand sich im Land der Träume und spielte im Moment nicht mehr mit. 20
Artie Ashland, der seinen Begleiter nun auch optisch vermißte, riskierte eine volle Drehung nach hinten und riß erstaunt die Augen auf. Paul lag nach wie vor auf dem Boden des Rastplatzes und reagierte nicht. Mike Rander, inzwischen wieder zu sich gekommen, nutzte seine Chance. Er wußte nicht, was sein Butler noch plante, aber er hielt es für richtig, etwas für seine Bewegungsfreiheit zu tun. Ashland roch im letzten Moment den Braten und fuhr herum. Doch zu spät. Mike Rander war zwar als Anwalt mehr ein Schreibtischmensch als ein durchtrainierter Hochleistungssportler. Doch das Training mit seinem Butler hatte ihn einiges gelehrt. Und das, was Rander gelernt hatte, wendete er jetzt an. Ein Hochreißen des rechten Fußes, und schon wirbelte Ashlands Waffe weit durch die Luft. Ashland war völlig verdutzt. Mit solch einem Angriff hatte er nach dem Fausthieb nicht gerechnet. Er warf sich auf Mike Rander und riß dabei seine Arme vor. Rander ließ sich nach hinten abrollen und gab seinem Körper gleichzeitig einen Dreh nach links. Ashland griff in die leere Luft, verlor das Gleichgewicht und stürzte nach vorn. Dabei geriet er mit seinem Kinn in eine äußerst innige Berührung mit dem hochgerissenen linken Schuh des Anwalts. Damit war das Gefecht bereits gelaufen. Ashland versuchte zwar noch, zurück auf die Beine zu kommen, doch dann rutschte er durch und blieb mit seinem Bauch auf dem Rastplatz liegen. Rander erhob sich, atmete tief durch, bis seine Nerven sich etwas beruhigt hatten und sah sich dann nach seinem Butler um, der nach wie vor unsichtbar blieb. Wie richtig Parker sich verhielt, sollte der junge Anwalt Sekunden später erleben. Er hatte es plötzlich mit einem dritten Gegner zu tun. Wie er zuerst glaubte und annehmen mußte. Aus dem Landrover - bisher nicht zu sehen gewesen - hüpfte Jane Ashland, die Frau des Dicken. Rander starrte sie überrascht an. »Schnell, kommen Sie!« rief sie ihm leise und auch ein wenig ängstlich zu. Jane Ashland trug die Kleidung, die sie bereits am Vorabend im Schnellimbiß gezeigt hatte. »Ist er verletzt?« fragte sie und deutete auf ihren Mann. »Kaum«, erwiderte Rander und sorgte dafür, daß er in den Besitz von Ashlands 38er kam, der neben dem Dicken auf dem Boden lag. »Wenn auch.« Sie zog ein geringschätziges Gesicht, »bitte, helfen Sie mir!« »Ich soll Ihnen helfen?« Rander war verdutzt. »Ich glaube, er will mich umbringen«, sagte sie leise und irgendwie angewidert. ***
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»Eine Behauptung, die in der Tat verblüffend ist«, erklärte Josuah Parker eine Viertelstunde später, als er am Steuer seines hochbeinigen Monstrums saß. Er und sein junger Herr hatten den Rastplatz verlassen. Und damit auch das Ehepaar Ashland, sowie Paul Hanley, wie der junge Mann mit vollem Namen hieß. Die Bikini-Schönheit hatte ihn preisgegeben. »Sie glauben ihr nicht?« fragte Rander und massierte sich seine schmerzende Kinnpartie. »Was dies angeht, Sir, so möchte ich mich vorerst der Stimme enthalten«, gab der Butler zurück, »vermochte Mrs. Ashland zu sagen, warum sie von ihrem Mann umgebracht werden soll?« »Dazu blieb keine Zeit, Ashland kam wieder zu sich.« »Und warum, wenn ich fragen darf, verzichtete die junge Dame darauf, zu Ihnen in den Wagen zu steigen?« »Sie hat einfach eine furchtbare Angst. Sie scheint wie hypnotisiert zu sein.« »Demnach sollte man sich Ihrer Ansicht nach für Mrs. Ashland verwenden, Sir?« »Das dürfte doch wohl auf der Hand liegen«, gab Rander fast entrüstet zurück, »hier geht es schließlich um eine Frau, die panische Angst zu haben scheint. Ich weiß auch,, wo wir sie finden.« »In der Jagdhütte, wenn ich richtig unterstelle?« »Okay. Sie hat mir die Hütte genau beschrieben. Es ist die am Wasserfall.« »Sie wird leicht zu finden sein. Ich habe mir den Weg eingeprägt, Sir. Er deckt sich übrigens mit einer Eintragung, die ich auf der Karte des vermutlichen Mister Stringale gefunden habe.« »Der Kerl, der Mrs. Ashland vor unserem Bungalow überfiel?« »Sehr wohl, Sir. Auch dieser Mister Stringale, um bei diesem Namen zu bleiben, scheint sich für die Jagdhütte samt Wasserfall zu interessieren.« Parkers hochbeiniges Monstrum war zwar kein Landrover, doch vielleicht noch geländegängiger als solch ein Spezialwagen. Nachdem sie die Touristenstraße verlassen hatten und im wahrsten Sinne des Wortes durch einen schmalen Waldweg fuhren, der dazu noch steil anstieg, zeigte sich die Klasse dieses Wagens. Das Monstrum schien sich in eine Gemse verwandelt zu haben. Rander, der ordentlich durchgeschüttelt wurde, wunderte sich wieder einmal über Parkers Privatwagen, der keine Wünsche offen ließ. Josuah Parker hielt auf einer kleinen Lichtung und steuerte seinen Wagen dann in dichtes Unterholz. Er stieg aus, verwischte zu deutliche Spuren und wartete mit Rander auf das Erscheinen des Landrover. Ein plötzlich einsetzender Platzregen kam erwünscht, wie Parker sich ausdrückte. Er war derart stark, daß mit Sicherheit alle Spuren verwischt wurden. »Der Landrover!« Parker deutete schräg nach vorn, wo der Kühler des Wagens auftauchte. Er fuhr wesentlich langsamer als Parkers Monstrum, was aber auch wohl mit dem starken Regen zusammenhängen mochte, der die Sicht stark beschränkte. 22
Der Wagen der Ashlands passierte sie ahnungslos und verschwand in dichten Regenschleiern. »Bleiben wir ihnen auf der Spur?« fragte Rander unternehmungslustig. »Mit Vergnügen, Sir!« Parkers Gesicht, sonst stets verschlossen und glatt, zeigte ein gewisses Wohlwollen. »Wenn Sie erlauben, werde ich für die notwendige Bewaffnung und Regenkleidung sorgen, Sir. Es dürfte sich nicht gerade um einen Spaziergang handeln, der Sie und meine Wenigkeit erwartet.« *** Nach einem Marsch von einer guten halben Stunde konnten sie die Jagdhütte unterhalb des Wasserfalls sehen. Der Regen hatte aufgehört und gab die Sicht frei. Neben der Jagdhütte stand der Landrover. Aus dem Bruchsteinkamin der Jagdhütte kräuselte Rauch in die Höhe. Alles in allem ein durchaus friedliches Bild. Bis Jane Ashland aus der Hütte kam, um hinüber zum Wagen zu gehen. Plötzlich ein peitschender Schuß, der Jane hart zurückwirbelte. Dicht neben ihr splitterte Holz aus den Baumstämmen der Jagdhütte. Die junge Frau warf sich sofort zu Boden und kroch eilig zurück in den schützenden Bau. . »Der Täter muß rechts von uns im Steilhang sein«, sagte Rander überrascht. »Ob das wieder dieser Stringale gewesen ist? « »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich gern nachsehen und mich vergewissern.« Ohne diese Erlaubnis abzuwarten, verschwand der Butler sofort im Unterholz. Rander war ärgerlich, daß Parker sich so einfach abgesetzt hatte, mußte es aber hinnehmen. Der Anwalt beobachtete weiter die Jagdhütte, deren Tür sich hinter Jane Ashland geschlossen hatte. Und er zuckte zusammen, als ein zweiter Schuß eines der kleinen Fenster traf. Die Scheibe zerbarst splitternd und schien damit, wenigstens optisch, die Jagdhütte verwundbarer gemacht zu haben. *** Parker befand sich auf Kriegspfad. Äußerlich gesehen, trug er keine Waffe. Er hatte aber selbstverständlich seinen Universal-Regenschirm mitgenommen. Ein Blasrohr paßte zwar zum Amazonas, aber es paßte auch in diese Umgebung. Der zweite Schuß, den der Butler selbstverständlich mitgehört hatte, wies ihm die Richtung. Schnell und gewandt pirschte Parker sich hangaufwärts und sorgte dafür, daß dabei keine unnötigen Geräusche entstanden.
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Seiner Berechnung nach mußte der Schütze noch etwa einhundertfünfzig Meter von ihm entfernt sein. Wartete er darauf, einen dritten Schuß anzubringen? Fühlte der Mann sich unbeobachtet und sicher? Dem schien jedoch nicht so zu sein. Josuah Parker fand mit erstaunlicher Sicherheit jene Stelle, wo der Schütze sich aufgehalten hatte. Er fand sogar zwei Patronenhülsen auf dem felsig-moosigen Boden. Doch der Schütze hatte das Weite gesucht. War er doch durch Parkers Annäherung aufgeschreckt worden? Aber warum, so fragte sich Parker, hatte der Mann dann nicht versucht, auf ihn zu schießen? Warum hatte er sich diese einmalige Möglichkeit . entgehen lassen? Falls es sich tatsächlich um Stringale gehandelt hatte, so war diese Reaktion nicht verständlich. Stringale war schließlich ein Mann, der breite Nerven gezeigt hatte. Warum hatte er also die Flucht ergriffen? Fragen über Fragen, auf die der Butler im Augenblick keine Antwort wußte. Nur Stringale selbst konnte dafür eine Erklärung geben, Parker hoffte, diesen Schützen so schnell wie möglich zu stellen. Der Butler sicherte die nähere Umgebung und beobachtete die Jagdhütte, die von dieser Stelle aus gut einzusehen war. Der Schütze hatte sich genau den richtigen Platz dafür ausgesucht. Und sich im richtigen Moment abgesetzt. Leider. Da war nichts mehr zu machen. Parker wollte sich gerade abwenden, um zurück zu Mike Rander zu gehen, als schräg über ihm auf dem bewaldeten Steilhang kleine Steinchen kollerten. Nicht besonders laut, aber doch feststellbar. Parker war sofort wie elektrisiert. Der Schütze mußte sich also doch noch in nächster Nähe befinden. Hatte er nur seinen Standort gewechselt, um die Jagdhütte aus einem anderen Winkel heraus beschießen zu können? Parker duckte sich ab und folgte dem Geräusch. Diesmal war er noch vorsichtiger als vorher. Er durfte sich in diesem unübersichtlichen Gelände keine Blöße geben. Ein Schuß aus dem Hinterhalt mußte hier zu einem Volltreffer werden. Um ganz sicherzugehen, schlug der Butler einen weiten Bogen, um sich dem Schützen von oben zu nähern. Oder ihn abzufangen, falls er sich erneut absetzte. Ein Schuß ließ den Butler verharren. Er lag mit seiner Taktik genau richtig. Der Schütze hatte sein Punktfeuer wiederaufgenommen und befand sich jetzt auf dem Steilhang etwas unterhalb von Parker. Diesmal war der Butler in der erfreulichen Lage, sein Blasrohr verwenden zu können. Er hob den Universal-Regenschirm an, visierte in Richtung Opfer und schickte den Blasrohrpfeil dann mit einer Preßluftdosis auf die Reise. Der Schütze - er trug Jeans und eine Lederjacke, die Parker schon am Waldsee gesehen hatte dieser Schütze zuckte zusammen, als der gefiederte Pfeil sich in seinen rechten Oberschenkel bohrte, 24
Der Mann wirbelte herum, suchte nach dem Schützen, wurde aber bereits schwach in den Beinen und rutschte dann haltlos in sich zusammen. *** »Ob es sich um den besagten Bennie Stringale handelt, Sir, vermag ich immer noch nicht zu sagen«, meinte Parker eine Viertelstunde später, nachdem er seinen jungen Herrn herbeigeholt hatte, »mit Sicherheit handelt es sich aber um den Mann, der Mrs. Jane Ashland im Garten des Motels ansprang.« »Irgendwelche Papiere in den Taschen?« »Ich muß bedauern, Sir.« Rander beugte sich über den immer noch ohnmächtigen Mann und sah sich das Gesicht sorgfältig an. Dann fuhr er kopfschüttelnd hoch. »Der Schütze vom Waldsee kann das nicht sein«, sagte Rander, »denken Sie an die Blutspuren, die er im Unterholz hinterlassen hat.« »Inder Tat, Sir!« »Dieser Schütze muß von dem Stein verletzt worden sein, den Sie mit Ihren Hosenträgern verschossen haben. Der hier sieht vollkommen glatt und unversehrt aus.« »Stringale oder nicht, das ist hier die Frage, Sir.« »Zitieren Sie keine Klassiker, Parker! Wie lange wird es dauern, bis er wieder zu sich kommt.« Rander hatte noch nicht ganz beendet, als der Mann die Augen übergangslos aufschlug, sich umschaute und dann aufspringen wollte, kraftvoll und durchaus fit. Wie er glaubte, denn sofort nach diesem Kraftakt fiel er wieder zurück auf den moosig-felsigen Boden. Er sah Rander und Parker wütend an. »Sie sind entweder ein schlechter Schütze, oder aber, Sie zielen absichtlich so, daß Mrs. Ashland auf keinen Fall verletzt wird.« Rander sah seinen Butler erstaunt an. Was sollte diese Bemerkung bedeuten, die übrigens nicht unlogisch klang. Worauf spielte der Butler an? »Gehen Sie zum Teufel«, knurrte der Mann, der etwa fünfundzwanzig Jahre alt war. »Wir werden Sie mitnehmen und dort abliefern«, warf Rander ironisch ein, »haben Sie was dagegen, daß wir Sie runter zur Jagdhütte schaffen?« »Jagdhütte? Wo? Was soll das? Haben Sie mich etwa außer Gefecht gesetzt? « »Sieht so aus. Sie sind Stringale, wie?« Rander versuchte es mit einer Frage in Form eines Schrotschusses. Er hoffte, daß ein Schrotkorn traf. Und wie es traf! »Sie - Sie kennen mich?« fragte der junge Mann ehrlich überrascht. »Natürlich. Ich sage nur, Dehlinger-Bande! Etwa vor acht Jahren. Sie müssen damals noch ein halbes Kind gewesen sein.« »Na und?« Der junge Mann blitzte den Anwalt gereizt an. »Hinter wem sind Sie her?« 25
»Hinter keinem. Das heißt, ich jage hier Kaninchen.« * »Und zweibeinige Rehe, wie?« Rander grinste überlegen, »kommen Sie uns bloß nicht mit Märchen, Stringale! Sie sind doch darauf aus, Jane Ashland zu erschießen!« »Wollen Sie mir das erst einmal beweisen?« »Sehr einfach. Der Einschuß unten in der Jagdhütte müßte mit den Patronen aus Ihrem Gewehr identisch sein. Jede Jury würde das abnehmen. Oder Artie Ashland. Wie steht es, gehen wir runter zu ihm?« Stringale, falls er es war, senkte den Kopf und dachte angestrengt nach. »Mal 'ne Gegenfrage «.sagte er nach einer längeren Pause, »und wer sind Sie?« »Touristen«, erwiderte Rander lächelnd, »ich weiß, Sie werden uns das nicht abnehmen, aber es stimmt. Mein Butler und ich sind nichts als Touristen.« »Und Ihr Taschengeld verdienen Sie sich als Leibwache von Ashland, wie?« »Hat er eine Leibwache nötig?« »Das wissen Sie doch besser als ich!« »Mrs. Ashland ebenfalls?« »Reden Sie doch, was Sie wollen. Aus mir bekommen Sie nichts heraus!« »Sagte ein pausbäckig aussehender Junge, der meinem Butler und mir eine Dynamitladung in den Bungalow werfen wollte. Und dann redete er doch noch, bevor er von einer Maschinenpistole erledigt wurde!« »Wovon reden Sie denn jetzt schon wieder?« »Zum Beispiel von einem Mann, der wie Sie eine Lederjacke trug und eine gewisse Mrs. Ashland oben am Waldsee erschießen wollte.« »Ein mehrfach gezackter Stein, wenn ich es so umschreiben darf, hinderte ihn an der endgültigen Ausführung seiner Pläne«, warf der Butler ein. Die Unterhaltung, die so vielversprechend begonnen hatte, wurde leider unterbrochen und beendet. Das hing mit einigen peitschenden Schüssen zusammen, die Rander und Parker zwangen, sich schleunigst in Deckung zu begeben. *** Die Schüsse galten einwandfrei ihnen. Zweige und kleine Äste wurden von den Geschossen durch die Luft gewirbelt. Ein, zwei Querschläger sirrten gefährlich durch das Unterholz. Stringale nutzte seine Chance. Er war plötzlich auf den Beinen und setzte sich ab. Gewiß, Rander oder Parker hätten ihn mit einem gezielten Schuß daran hindern können, doch solch ein Schuß hätte hier im Unterholz tödlich sein können. Darauf ließen Rander und Parker es lieber erst gar nicht ankommen. Stringale setzte sich also ab, doch er hatte Schwierigkeiten, wie deutlich zu sehen war. Weitere Schüsse, die offensichtlich ihm galten, hetzten ihn den Steilhang hinauf. Dann war plötzlich Stille. 26
Rander und Parker tauschten einen fragenden Blick aus. War Stringale erwischt worden? Und falls ja, von wem? »Los, Flossen hoch und aufstehen!« Das Kommando kam von einer bekannten Stimme. Rander zumindest wußte sofort Bescheid. Er erhob sich vorsichtig und streckte beide Arme hoch in die Luft, als käme es ihm in diesem Augenblick auf Freiübungen an. Parker bewegte sich wesentlich gemessener. Selbst in solch einer Situation verzichtete er niemals auf die gebotene Würde, die er sich als Butler schuldig war. Artie Ashland, gereizt und wütend aussehend, stand hinter ihnen und hielt eine Winchester in Anschlag. Neben ihm tauchte sein jüngerer Begleiter Paul Hanley auf. Auch er hatte sich mit einer Winchester ausgestattet. »So was habe ich doch geahnt«, sagte Artie Ashland, »gut, daß wir 'raus ins Gelände gegangen sind, was Paul?« »Aber Stringale ist uns durch die Lappen gegangen«, sagte Paul Hanley, der einen nervösen und etwas ängstlichen Eindruck machte. »Den erwischen wir auch noch«, meinte Ashland wegwerfend, »der kommt wieder, wetten?« Parker war durchaus zufrieden, daß damit nun endgültig die Identität des Schützen feststand. Jetzt wußte man wenigstens, woran man war. Offen blieb nur noch die Frage, wer oben am Waldsee geschossen hatte, als Jane Ashland auf dem Bootssteg ein Sonnenbad genommen hatte. »Sie sind vermutlich der irrigen Ansicht, daß Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit auf Mrs. Ashland geschossen haben?« fragte Parker in seiner höflichen, aber immer sehr barocken Sprechweise. »Wer denn sonst? Sie und Stringale sind hinter uns her. Schon seit Tagen. Aber ihr werdet es nicht schaffen, uns aus dem Anzug zu stoßen.« »Und warum, wenn man fragen darf, sollten Mister Rander und ich dies beabsichtigen?« »Hat Stringale euch kein Licht aufgesetzt?« Ashland grinste abfällig, »versucht bloß nicht, mir einen Bären aufzubinden! Ihr wißt verdammt genau, was anliegt!« »Schön wäre es«, schaltete Rander sich ein. Dann hatte er eine Eingebung und fragte kaltschnäuzig. »Es geht wohl um die Hinterlassenschaft eines gewissen Dehlinger, wie?« Artie Ashland antwortete nicht. Doch sein kalter Blick sprach Bände, wie es der Volksmund laut Parker mit Sicherheit ausgedrückt hätte. *** Rander und Parker befanden sich in einer keineswegs angenehmen Lage. An Händen und Füßen sehr fachmännisch gefesselt, saßen sie in der Jagdhütte neben dem mächtigen Kamin und hatten vorerst keine Chance, irgend etwas zu unternehmen. 27
Artie, Paul Hanley und Gerald, der Junge mit dem frischen Gesicht, hielten leise Kriegsrat miteinander. Gerald, das war deutlich zu sehen, hatte in diesem Rat keine Stimme. Er nickte aber wiederholt, um wenigstens dadurch anzuzeigen, daß er noch vorhanden war. Jane Ashland hatte sich in den kleinen Waschraum rechts vom Kamin zurückgezogen und blieb vorerst außer Sicht. Parker hatte sich das Hütteninventar bereits genau angesehen. Er wunderte sich kaum über die brandneuen Schaufeln, die in einer Ecke standen, oder über die Brechstangen und Spitzhacken. Und er übersah keineswegs die beiden Pappkartons, die laut Anschrift Dynamit enthielten. Zum Zeitvertreib waren Ashland, seine Frau und die beiden Begleiter sicher nicht in die Bergeinsamkeit gekommen. Wahrscheinlich sollten sie nach Dingen suchen, die irgendwann vergraben wurden. Artie Ashland schien zu einem Resultat gekommen zu sein. Er trat schnellbeinig, wie dicke Menschen es zu tun pflegen, zu Rander und Parker und baute sich breitbeinig vor ihnen auf. »Keine Sorge«, sagte er lächelnd, »ich werde die Fragen nicht noch mal wiederholen. Meine Frau und ich werden in der Dunkelheit verschwinden. Und hier in der Jagdhütte wird bedauerlicherweise ein kleiner Brand ausbrechen.« »Bedauerlicherweise«, kommentierte Rander ironisch. »Richtig«, sagte Artie Ashland fast gemütlich. »Ihr Pech, daß Sie bei diesem kleinen Brand dann umkommen!« »Was Sie später natürlich mächtig bedauern werden, oder?« »Natürlich ...« Ashland lächelte. »Und Stringale wird's wahrscheinlich ebenfalls bedauern.« »Sie liefern mir da ein Stichwort, über das man sich unterhalten sollte«, meinte Anwalt Mike Rander, »glauben Sie nicht, daß Stringale Ihnen das heimzahlen wird?« Rander bluffte. Er jonglierte mit dem Namen Stringale, ohne .aber überhaupt zu wissen, worum es ging. »Stringale wird sich damit abfinden müssen. Und auch damit, daß er schon jetzt verspielt hat.« »Sind Sie dem Schatz endlich auf der Spur?« Während Rander sprach, deutete er mit dem Kinn in Richtung Schaufeln, Brecheisen und Spitzhacken. Er hoffte, daß er mit seiner Vermutung und Anspielung richtig lag. »Ich denke doch«, räumte Ashland ohne weiteres ein, »und wenn Stringale sich nicht absetzt, wird er ebenfalls hier in der Wildnis enden.« Damit erschöpfte sich Ashlands Interesse an einer weiteren Unterhaltung. Er ging zurück zu Paul Hanley und dem jungen Mann, den er Gerald nannte. Er erteilte ihnen leise Befehle, worauf sie sehr vorsichtig die Jagdhütte verließen. Stringale schien ihnen noch im Nacken zu sitzen. Wahrscheinlich hatten sie nicht die geringste Lust, unter Feuer genommen zu werden. 28
Artie Ashland ging an Rander und Parker vorbei und verschwand in dem kleinen Waschraum rechts vom Kamin. »Schöne Bescherung, Parker«, sagte Rander leise zu seinem Butler. »In der Tat, Sir«, erwiderte der Butler zurückhaltend. »Wo bleibt Ihr berühmter Einfallsreichtum?« wollte Rander ungeduldig wissen. »Ich habe keine Lust, hier in der Hütte zu schmoren.« Bevor Parker antworten konnte, kam Ashland zurück aus dem Waschraum. Diesmal folgte ihm seine Frau Jane, die so tat, als wären Rander und Parker in der Jagdhütte überhaupt nicht vorhanden. Gerald und Paul Hanley kamen zurück in die Hütte. Sie trugen je einen kleinen Benzinkanister und sahen ihren Boß Ashland unsicher-fragend an. »Geniert euch bloß nicht«, sagte Ashland und ging auf sie zu. Er nahm mit seinem breiten Körper Gerald und Paul die Sicht. Diese Chance nutzte Jane Ashland, um sich vorsichtig an Rander heranzuschieben. Rander war mehr als überrascht, als er plötzlich ein Jagdmesser in ihrer Hand sah. »Vorsicht! Da draußen ist wer«, rief Jane und deutete durch das Fenster. Da Ashland, Gerald und Paul prompt nach draußen spähten, hatte sie keine Schwierigkeiten, Rander das Messer in die Hand zu schieben. Und da sich seine Hände auf dem Rücken befanden, konnte Ashland später davon nichts sehen ... *** Der Zeitzünder, den Ashland konstruiert hatte, bestand aus einer Kerze, die im hochgezupften, trockenen Gras stand, das auf dem Boden der Jagdhütte lag. Von dieser Kerze aus führte eine Art Graslunte hinüber zu einem Unterteller, der mit Benzin gefüllt war. Die beiden geöffneten Kanister daneben warteten nur darauf, explodieren zu dürfen. »Ich schätze, in spätestens 'ner halben Stunde haben Sie's überstanden«, sagte Ashland lächelnd und betrachtete sein Werk, »grüßen Sie Dehlinger, falls Sie ihn in der Hölle treffen. Ich bin sicher, er wird dort sein.« »Wir werden Ihnen einen Platz reservieren«, sagte Rander mit Galgenhumor. Dann schaute er zu, wie Ashland die kleine Kerze anzündete. Wenig später waren sie allein. Das Ehepaar Ashland, Paul Hanley und Gerald hatten die Jagdhütte vorsichtig verlassen. Der Motor des Landrover röhrte auf, dann war das Wegfahren des Wagens zu hören. In der Luft lag jetzt nur noch das dumpfe Brausen des Wasserfalls. »Nur nicht die Nerven verlieren, Parker«, sagte Rander, der bereits an seiner und damit auch Parkers Befreiung arbeitete, »in ein paar Minuten hab' ich den Handstrick los.« 29
»Sie sollten sich nicht unnötig bemühen, Sir«, erwiderte Parker und brachte seine freien Hände nach vorn. »Sie... Sie haben die Hände bereits frei?« Rander riß Mund und Nase auf. »Schon seit geraumer Zeit, Sir!« Parker entledigte sich der Fußfessel und erhob sich. Dann zerschnitt er die Hand- und Fußfesseln seines jungen Herrn und steckte das kleine Federmesser zurück in eine seiner Westentaschen. »Wie haben Sie denn das wieder geschafft?« wollte Mike Rander wissen und rieb sich die Handgelenke. »Ich darf auf meine Patentmanschetten verweisen, Sir«, sagte Parker in seiner ruhigen, würdevollen Art, »sie bestehen, wie ich erklären darf, aus Stahlblech, das mit Hemdenstoff bezogen ist. Stricke normaler Art sind nicht in der Lage, die Handgelenke zu verschnüren. Sie müssen sich zwangsläufig immer dem Umfang des Stahlblechs anpassen!« »Haben Sie sich diese Manschetten schon patentieren lassen?« »Sie sollten nicht unbedingt Allgemeingut werden«, erwiderte der Butler und griff nach Regenschirm und Melone, die auf dem kleinen Tisch der Hütte lagen. »Sie haben natürlich darauf gewartet, bis Ashland gegangen ist, wie?« »Sehr wohl, Sir. Nach dem Brand der Jagdhütte, der beobachtet werden wird, müßte Mister Ashland sich sehr sicher fühlen.« »Schön, lassen wir's also brennen! Mit einem Waldbrand ist ohnehin nicht zu rechnen ... Alles zu feucht hier in der Gegend.« Rander und Parker warteten in der Hütte, bis die niedergebrannte Kerze das trockene Gras erreicht hatte, und die Flamme nach der Zündung über die lange Lunte hinüber zu dem Unterteller kroch. »Jetzt wird's aber Zeit«, meinte Rander etwas nervös, »hier kann jetzt jeden Moment die Hölle los sein.« Rander und Parker empfahlen sich durch eines der rückwärtigen Fenster und hatten das an sich nahe Unterholz noch nicht ganz erreicht, als in der Hütte der erste Benzinkanister explosionsartig hochging. Flammen und Rauch schossen aus den zertrümmerten Fenstern. Es roch nach Benzin und nach Brand. Vom Unterholz aus sahen Rander und Parker dem Spiel der Flammen zu. Nach der Explosion des zweiten Kanisters glich die Jagdhütte einem Höllenfeuer. Ashland hatte wirklich nicht übertrieben. »Vielleicht sollte man noch etwas warten«, schlug Parker vor, als Rander gehen wollte, um die Verfolgung von Artie Ashland aufzunehmen. »Sie glauben doch wohl nicht, daß er zurückkommt, oder?« »Mister Ashland wahrscheinlich nicht, Sir, aber vielleicht Mister Stringale!« *** Rander und Parker wollten gerade aufbrechen, als sie doch noch Besuch erhielten. 30
Es handelte sich weder um Artie Ashland noch um Stringale. Es war der Mordschütze vom Waldsee, wie man deutlich sah. Der Mann in Jeans und Lederjacke hatte ein leicht lädiertes Gesicht. Diese Verletzungen, die mit Heftpflaster notdürftig verarztet worden waren, mußten von dem Stein herrühren, den der; Butler mittels seiner Patent-Hosenträger verschossen hatte. Der Besucher - er war etwa 30 Jahre alt - trug schußbereit ein Gewehr in der Armbeuge und hatte sich sehr vorsichtig an die Jagdhütte herangepirscht. Erst als er sicher war, unbeobachtet zu sein, benahm er sich etwas lässiger, ging um die brennende Hütte herum und versuchte einen Blick ins Innere zu werfen: Feuer, Rauch und Hitze trieben ihn immer wieder zurück. Er wirkte ein wenig ratlos und baute sich dann so auf, daß er von dem Rauch nicht belästigt wurde. »Wenn Sie erlauben, Sir, würde ich diesem Herrn ungemein gern folgen«, flüsterte Parker seinem jungen Herrn zu, »ich verspreche mir von dieser Observation sehr viel.« »Soll ich hier inzwischen Brötchen backen?« Rander war mit diesem Vorschlag überhaupt nicht einverstanden. »Sie könnten vielleicht der Spur der Ashlands folgen, Sir, und für meine Wenigkeit einige Hinweise zurücklassen.« »Hört sich schon besser an.« Rander zögerte noch etwas. Dann hatte er plötzlich keine Zeit mehr, seinen Butler an die Kette zu legen. Der Schütze vom Waldsee hatte inzwischen wohl eingesehen, daß hier an der Jagdhütte für ihn nichts zu holen war. Er tauchte im nahen Unterholz unter. Parker folgte ihm auf dem Fuße, um bei diesem volkstümlichen Ausdruck zu bleiben. Er ließ einen ziemlich sauren Anwalt zurück, der sich von seinem Butler überfahren fühlte ... *** Der Mann interessierte sich überhaupt nicht für die Wagenspur, die der Landrover auf dem schmalen, steinigen Pfad hinterlassen hatte. Von den Ashlands schien er also nichts wissen zu wollen. Der Mann pirschte sich hinauf zum Steilhang, benutzte einen Wildwechsel und erreichte nach einer halben Stunde den Waldsee, auf dessen Bootssteg Jane Ashland sich gesonnt hatte. Der Schütze umging den See, arbeitete sich noch weiter hoch und erreichte ein Plateau, das Parker bisher noch nicht gesehen hatte. Riesige Felstrümmer und Brocken, die von der Hand eines Giganten durcheinandergewürfelt worden, zu sein schienen, machten dieses Hochplateau zu einem Labyrinth, in dem der Mann sehr schnell verschwand. Parker mußte vorsichtig sein, wenn er nicht überrumpelt werden wollte. Um so erstaunter war er, als er plötzlich den Duft frischen Kaffees in der Nase verspürte. Parker nahm sich vor, sich zu einer Tasse einzuladen. Er hoffte, daß man seine Haltung nicht gerade mißverstand ... 31
*** Mike Rander folgte indessen der Spur des Landrover, die einfach nicht zu übersehen war. Sein Ärger über Parker hatte sich inzwischen gelegt und einer gesunden Neugier Platz gemacht. Er war gespannt, welches Ziel die Ashlands wohl ansteuern würden. Befanden sie sich wirklich auf der Schatzsuche, wie er Artie Ashland gegenüber angetippt hatte? Rander war derart eifrig bei der Sache, daß er eine knappe Stunde später um ein Haar in die Arme von Gerald gelaufen wäre. Im letzten Moment konnte der Anwalt sich noch bremsen und schleunigst zu Boden gehen. Gerald, der ein Gewehr trug, blieb auf einem kleinen freien Platz inmitten des Unterholzes stehen und zündete sich eine Zigarette an. Dann untersuchte er seinen Winchester, den er bereits oben am Waldsee getragen hatte. »Gerald ... Gerald!?« Das war eindeutig die Stimme von Jane, der Frau des Dicken. Die Stimme kam ganz aus der Nähe. »Hallo, Jane ... hier!« Gerald trat die Zigarette aus und sah sich suchend um. Wenig später erschien Jane. Sie trug die langen jeansähnlichen Lederhosen, die in wadenhohen Stiefeln steckten. Sie trug darüber ein kariertes Wollhemd, das am Hals neckisch weit geöffnet war. Nicht ohne Grund, wie sich bald zeigen sollte. Wie zwei Hungrige, die durstig nach Liebe sind, warfen sie sich in die Arme und küßten sich ausgiebig. Rander sah diskret zur Seite. »Er läßt mich einfach nicht aus den Augen«, sagte Jane, nachdem sich ihre Lippen endlich gelöst hatten. Sie fuhr sich durch das Haar und sah Gerald verliebt an. Rander sah, notgedrungen zu, vielleicht war jede Nuance wichtig. Diskretion war jetzt nicht mehr angebracht. »Ich könnt' ihn umbringen, dieses Schwein!« sagte Gerald haßerfüllt. »Er wäre schneller, Gerald, viel schneller«, erwiderte Jane mit einer müden Geste, »er zwingt uns allen seinen Willen auf!« »Lange mache ich das nicht mehr mit«, erklärte Gerald,, »er behandelt uns wie Leibeigene!« »Mein Pech, daß ich auf ihn reinfiel«, bekannte Jane, »eben hat er mich wieder geschlagen. Hier... Sieh'!« Gerald litt Höllenqualen. Jane knöpfte sich das Hemd auf und streifte es über ihre Schultern. Sie war eine sehr moderne, modebewußte Frau, wie Rander bei dieser Gelegenheit feststellte. Sie trug keinen BH, sondern präsentierte Gerald ihren nackten Oberkörper. Übrigens wie selbstverständlich, doch mit einer Koketterie, die Gerald in Wallung brachte. 32
Er war noch zu jung und zu unerfahren, um innerlich auf Distanz gehen zu können. Er starrte sie entgeistert an, schluckte und sah dann zur Seite. Was er übrigens nach Randers Ansicht nicht hätte tun brauchen. Jane Ashland war sehr gut gewachsen und proportioniert. »Sieh dir die Striemen an!« sagte sie und schob sich näher an Gerald heran. Sie drehte ihm halb ihren Rücken zu, auf dem selbst Rander ein paar rote und längliche Spuren entdeckte, die von einem Hieb mit der Gerte herrühren konnten, aber nicht mußten. Gerald zwang sich dazu, sich die Striemen anzusehen und nahm Jane hilflostäppisch in die Arme, als sie plötzlich schluchzte. »Dafür bring' ich ihn um«, sagte er dann heiser und merkte überhaupt nicht, wie sie mit ihm spielte. Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und küßte ihn ausgiebig. »Bitte, Gerald, mach keine Dummheiten«, sagte sie zwischendurch, wenn er verständlicherweise nach Luft schnappen mußte, »sei vorsichtig! Er darf nichts merken. Und wenn er dich umbringt, weiß ich nicht, was ich tun werde.« »Er wird dich nicht mehr quälen«, versprach er ihr und verlor etwas von seiner Zurückhaltung. Seine Hände gingen auf eine Art Entdeckungsreise, zu der er sich ja immerhin ermuntert fühlte. Sie stieß ihn vorsichtig zurück und schlüpfte in das grobkarierte Hemd. Langsam übrigens, quälend langsam. Sie wollte den ahnungslosen jungen Mann nicht zu schnell ernüchtern und auf die Schönheiten des Waldes ablenken. »Wir müssen sehr vorsichtig sein«, sagte Jane. »Ich werd' schon aufpassen.« »Zuerst muß Artie das Versteck finden«, redete sie weiter, »es kann nicht mehr lange dauern.« »Jane .. . Du weißt nicht, wie sehr ich dich liebe!« Gerald riß sie erneut an sich, was sie sich durchaus gefallen ließ. Sie gewährte ihm auch einige kleinere Liebkosungen und Frechheiten, aber sie knöpfte sich im wahrsten Sinne des Wortes zu, als er die Entdeckungsreise seiner Hände ausdehnen wollte. »Er darf uns nicht überraschen«, schützte sie vor, »bitte, Gerald, sei du wenigstens vernünftig! Ich verliere den Kopf, wenn ich hier bleibe.« Nun, damit war nach Randers Ansicht überhaupt nicht zu rechnen. Sie beherrschte vollkommen die Situation und spielte nach wie vor mit dem Jungen. »Ich halte das Versteckspiel nicht mehr aus«, sagte Gerald durchaus glaubwürdig, »wenn er dich schon ansieht, könnte ich verrückt werden.« » Wie gut ich dich verstehe!« Sie gönnte ihm noch ein paar abschließende Zärtlichkeiten und verschwand dann ohne jeden Übergang im Buschwerk. Gerald, der arme und große Junge, der überhaupt nicht merkte, wie man ihm mitspielte, brauchte einige Zeit, bis er sich endlich eine Zigarette angezündet hatte. Dann widmete er sich der Winchester. Und er sah sich die Waffe mit einem Gesichtsausdruck an, der bereits Bände sprach ... 33
*** Der Schütze vom Waldsee, dessen Gesicht durch Parkers Geschoß leicht lädiert war, hatte sich tatsächlich frischen Kaffee aufgebrüht. Er saß unter einem überhängenden Felsklotz und hatte keine Ahnung, wie nahe ein kaffeedurstiger Gast war. Er beschäftigte sich mit einer Fleischkonserve, deren Inhalt er mit der Spitze eines Jagdmessers hervorholte. Ein Irrtum war für den Butler ausgeschlossen. Das hier war der Mann, der die sonnenbadende Jane Ashland auf dem Bootssteg und später im Wasser unter Feuer genommen hatte. Warum wohl? Nur um sie zu erschrecken? Oder um rein optisch und akustisch gesehen, den Eindruck zu erwecken, daß Jane gefährlich lebte? Parker, ganz in der Nähe, sah sich das lädierte Gesicht genau an. Es gab da einige Schwellungen und blaue Stellen, die vom Heftpflaster nicht bedeckt waren. Parker gratulierte sich nachträglich zu seiner Hosenträgerschleuder und nahm sich vor, sie in sein Repertoire aufzunehmen. Der Schütze hatte sich auf einen längeren Aufenthalt in der Wildnis vorbereitet. Neben ihm lag ein aufgerollter Schlafsack, dann gab es einen Rucksack, der in einem Tragegestell hing, ein kleines Einmannzelt und schließlich einen Spirituskocher, auf dem der Kaffee kochte. Parker sah sich den Mann intensiv an. Er war mittelgroß, wirkte sportlich durchtrainiert und hatte das eckig, kantige Gesicht eines männlichen Mannequins, das für Whisky Reklame macht. Unter dem Motto: Harte Männer trinken Whisky! Er sah gut, fast zu gut aus, selbst mit dem Heftpflaster im Gesicht. Er hatte graue, kühle Augen und dunkles, nicht zu kurzes Haar. Gegen den Fels gelehnt stand ein Gewehr, jene Waffe also, die er auf Jane Ashland gerichtet hatte. »Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen«, sagte Parker in die Stille des Kaffeefriedens hinein, »aber läßt es sich womöglich einrichten, daß ich mich an dem Kaffee beteilige?« Der 30jährige Schütze starrte den Butler wie eine Erscheinung an, und war nicht in der Lage, auf seinen Gast zu reagieren. Mit diesem Auftritt hatte er sicher nicht gerechnet. Rein äußerlich gesehen paßte Parker wirklich nicht in diese Bergwildnis. Seine gestreifte Hose, der schwarze Zweireiher, der Eckkragen mit der schwarzen Krawatte und schließlich die dünnen Lederhandschuhe an den Händen, das alles gehörte in einen hochherrschaftlichen Salon. »Mein Name ist Parker... Josuah .Parker«, stellte der Butler sich vor, als sei das völlig selbstverständlich, »und mit wem, wenn man fragen darf, habe ich die Ehre?« Endlich hatte der Mahn seine Überraschung verdaut. Er sprang blitzschnell aus der Hocke und warf sich auf sein Gewehr.
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Doch Parkers bleigefütterter Bambusgriff des Universal-Regenschirms war schneller. Mit einer blitzschnellen Bewegung riß Parker die Waffe aus der Reichweite seines Gegners. Der Mann lief langsam zur Form auf. Da er im Moment nicht an seine Waffe herankam, wollte er sich mit dem Butler befassen. Er schnellte sich auf Parker und wollte ihn mit einem kräftigen Fausthieb von den Beinen fällen. Sein Unterarm wurde leblos, nachdem Parker ihn mit dem bleigefütterten Bambusgriff leicht behandelt hatte. Als der Mann sein linkes Bein zu einem bösartigen Fußtritt hochriß, hakte der Bambusgriff hinter die Ferse. Ein kurzer Ruck, und der Mann saß auf seinem Hosenboden. »Sie echauffieren sich völlig unnötig, wie ich versichern darf«, sagte Parker mit einigem Tadel in der Stimme, »ich werde Ihnen den getrunkenen' Kaffee selbstverständlich ersetzen, wenn Sie darauf bestehen.« Nun wußte der Schütze vom Waldsee überhaupt nicht mehr, was er von Josuah Parker halten sollte. Er starrte den Butler noch intensiver an, um dann ein paarmal versuchsweise die Augen zu schließen und zu öffnen. »Wer... Wer sind Sie?« fragte er dann mit heiserer Stimme. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich erneut vor, »wir kennen uns, wie ich bemerken möchte. Das heißt, genauer gesagt kenne ich Sie! Schossen Sie nicht am Waldsee auf eine gewisse Mrs. Jane Ashland?« »Sind ... Sind Sie von der Polizei?« »Ich habe die Ehre und das Vergnügen, der Butler Mister Randers zu sein. Darf ich fragen, ob Sie die Verletzungen im Gesicht inzwischen einigermaßen überstanden haben?« »Sie haben den Stein geworfen!?« »Sie zwangen mich durch Ihre Handlungsweise dazu«, erklärte der Butler, »oder muß ich annehmen, daß ich mich unnötig sorgte, als Sie auf Mrs. Ashland schossen?« »Sind Sie von Ashland engagiert worden?« Der Mann richtete sich vorsichtig und langsam auf. Er rieb sich die Kehrseite. Wahrscheinlich hatte er sich beim etwas zu schnellen Niedersetzen das Steißbein verstaucht. »Selbstverständlich nicht«, erwiderte Parker abwehrend, »ich kenne Mister Ashland nur flüchtig ...« »Dann verstehe ich nicht...« »Hingegen ist mir Mister Stringale schon wesentlich vertrauter«, sagte Parker. »Wie ich sehe, ist Ihnen dieser Name bekannt.« »Ich kenne Stringale«, antwortete der Schütze zurückhaltend, »sind Sie mit ihm befreundet?« »Auf keinen Fall!« Parkers Stimme ließ etwas Entrüstung erkennen, »ich schätze keine Menschen, die Mitarbeiter mit Dynamitpaketen herumschicken und es sich in den Kopf gesetzt haben, Mitmenschen zu ermorden!« 35
»Sie sind 'ne komische Type«, sagte der junge Mann mit dem Aussehen eines männlichen Mannequins. Er war inzwischen aufgestanden und grinste fast gewinnend. Dann, seine Chance nutzend, wollte er den Butler erneut anspringen und ihn überrumpeln. Parker handelte mit sparsamen Bewegungen, die sich allerdings als ungemein erfolgreich erwiesen. Mit dem Bambusgriff, den er als Golfschläger verwendete, klopfte er leicht gegen den kochenden Kaffee auf dem Spirituskocher. Der Kaffeekessel - ein schmaler Topf - fiel um und ergoß seinen würzigen Inhalt über die Füße des männlichen Mannequins, die darauf sauer reagierten. Wie ebenfalls der junge Mann, der aufschrie, um dann anschließend einen durchaus gekonnten Steptanz auf dem steinigen Boden vorzuführen. »Nicht gerade bühnenreif, falls Sie an meiner Meinung interessiert sind«, sagte Parker gemessen, »bei einiger Übung werden Sie es aber bestimmt zu einer annehmbaren Meisterschaft bringen!« Der junge Mann pfiff auf Parkers Meinung und hopste herum, so gut er konnte.
*** Mike Rander stand am Rande eines großen Talkessels, der mit dichtem Buschwerk bestanden war. Wahrscheinlich handelte es sich auch hier um einen ehemaligen Krater, der vor Urzeiten erloschen war. Der relativ flache Boden des Kraterkessels - er mochte einen Durchmesser von vielleicht dreihundert Metern haben - hatte sich in einen Dschungel verwandelt, aus dem riesige Fichten hervorragten. Was sich unter den Kronen dieser Bäume abspielte, konnte Rander von seinem Standort aus nicht erkennen. Wohl oder übel mußte er noch näher und tiefer nach unten. Er machte sich an den Abstieg und ließ sich dabei sehr viel Zeit. Noch einmal wollte er nicht in die Hände von Artie Ashland fallen, der sich ja immerhin als raffinierter und brutaler Mörder erwiesen hatte. Während des Abstiegs dachte Rander an die Szene, die sich zwischen Jane Ashland und diesem Gerald abgespielt hatte. Rander tat der dumme, große Junge leid. Er merkte überhaupt nicht, daß sie mit ihm spielte. Sie führte ihn nach allen Regeln der Kunst an der Nase herum. Sie brauchte wahrscheinlich einen Helfer, um sich von ihrem Mann Artie befreien zu können. Eine Art Marionette, die sie nach ihren Wünschen bewegen konnte. Das, was zwischen Jane und Gerald gesagt worden war, roch sehr deutlich nach einem Mord an Artie Ashland. Warum mochte Jane ihren Mann derart hassen? Dieser Haß hing auf keinen Fall mit den angeblichen Striemen auf ihrer Haut zusammen, die sie dem armen Gerald gezeigt hatte. Rander wurde den Verdacht 36
nicht los, daß Jane sich diese Striemen selbst beigebracht hatte. Zumindest war ihr solch ein Trick zuzutrauen. Es ging also doch um einen Schatz, grob ausgedrückt. Warum sonst wollte Jane Ashland warten, bis ihr Mann ein gewisses Versteck gefunden hatte. Hier ging es wahrscheinlich sehr handfest um Geld. Rander hatte die Hälfte jener Strecke zurückgelegt, die er sich als Limit gesetzt hatte. Er sah wieder hinunter in den kleinen Kraterdschungel und entdeckte jetzt zu seiner Überraschung Artie Ashland und Paul Hanley. Die beiden Männer trugen Schaufel und Spitzhacke, und kamen ihm schräg entgegen. Natürlich hatten sie Mike Rander nicht gesehen, sonst hätten sie sich anders verhalten. Wahrscheinlich befanden sie sich auf der Suche nach dem Versteck, von dem Jane Ashland gesprochen hatte. Rander verfolgte den Weg der beiden Männer, die auf eine Geröllhalde zuhielten. Paul Hanley hatte die Führung übernommen und verschwand hinter einem viele Tonnen schweren Felsklotz. Artie Ashland folgte ihm dichtauf und ... kam allein hinter diesem Felsklotz wieder hervor. Rander schluckte und hielt dann unwillkürlich den Atem an. Wo blieb Paul Hanley? War ihm etwas passiert? Nun, in solch einem Falle wäre Artie Ashland ja sicher nicht weitergegangen. Rander stieg schneller ab, als er es sich vorgenommen hatte. Er brauchte aber immerhin fünf bis sechs Minuten, bis er den schweren Felsklotz erreicht hatte. Er blieb betroffen stehen. Vor ihm lag Paul Hanley und rührte sich nicht mehr. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf kleinerem Geröll. Auf seinem Hinterkopf war eine breitflächige, blutende Wunde zu sehen, die bereits verharschte, beziehungsweise deren Blut sich verdickte. Rander vergewisserte sich, daß Artie Ashland nicht in der Nähe war. Dann kniete er neben Hanley nieder und untersuchte ihn vorsichtig. Zu seiner Überraschung lebte der Mann noch. Sein Atem war allerdings sehr flach, der Puls kaum noch zu spüren. »Hanley, Hanley!« sagte Rander scharf und eindringlich, um bis an das schwindende Bewußtsein des sterbenden Mannes vorzudringen, »Hanley .Hören Sie mich?« Hanley stöhnte schwach. Dann wollte er sich aufrichten, schaffte aber nur einen knappen Zentimeter und fiel wieder zurück auf das Kleingeröll. »Warum hat Ashland Sie niedergeschlagen?« fragte Rander, »antworten Sie, Mann! Hinter welcher Sache ist er her?« »Dehlinger ... Dehlinger«, murmelte Hanley mit leiser Stimme, »die Kassette ... Schnell!« »Welche Kassette? Wo ist sie?« Paul Hanley antwortete nicht mehr. Er war tot und ließ den Kopf zur Seite fallen. 37
Rander richtete sich auf und zündete sich eine Zigarette an, obwohl ihm überhaupt nicht danach war. Aber er mußte irgend etwas tun und sich beschäftigen. Die Vorgänge innerhalb der letzten Viertelstunde hatten ihn sehr mitgenommen. Welch eine tödliche Gier trieb diese Menschen an! Sie schienen sich gegenseitig vernichten zu wollen, nur um in den Besitz irgendeiner ominösen Kassette zu gelangen ... *** »Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen, ich arbeite weder für Ashland noch für Stringale«, sagte der Mann mit den leicht angebrühten Zehen. »Aber Sie kennen sowohl Artie Ashland wie auch Bennie Stringale, falls ich eben richtig verstanden habe?« Parkers Stimme blieb höflich und gemessen. »Streite ich ja gar nicht ab! Aber was interessiert Sie das? Mischen Sie in diesem Spiel etwa auch mit?« »Sozusagen«, gab der Butler zurück, »sozusagen und notgedrungen. Aber vergessen wir darüber Ihre Rolle nicht. Wie darf ich Sie übrigens nennen?« »Ich heiße Les Glendorf... Und das ist mein richtiger Name.« »Woran ich zur Zeit noch nicht zweifele«, sagte Parker, »bleiben wir also bei Ihrer Rolle in diesem Spiel, Mister Glenford ... Hatten Sie tatsächlich die Absicht, Mrs. Ashland zu erschießen?« »Sind Sie verrückt? Ich und Jane erschießen!« »Einem Außenstehenden mußte dieser Eindruck sich aber aufdrängen, wenn ich es so umschreiben darf.« »Na, eben ...« »Würden Sie die Güte haben, mir dies näher zu erläutern?« »Das geht Sie einen Dreck an!« »Im Moment nicht, Mister Glenford. Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit waren mehr als betroffen, als Sie uns einen pausbäckigen, jungen Mann in den Motel-Bungalow schickten, der ein Bündel Dynamit überreichen sollte.« »Aber nicht von mir.« Les Glenfords Stimme klang überzeugend. »Verbleiben als Lieferanten dann noch die Herren Ashland und Stringale ...« »Stringale, wenn Sie mich fragen...« »So gut kennen Sie ihn?« »Ich antworte nicht mehr. Machen Sie doch, was Sie wollen! Hauen Sie endlich ab und lassen Sie mich in Ruhe!« »Obwohl Sie Mrs. Ashland erschießen wollten? Ich bin der wohl richtigen Ansicht, daß ich Sie zu Mister Ashland bringen sollte ...« »Sind Sie wahnsinnig? Er würde mich glatt umbringen. Sie ahnen ja nicht, was mit ihm los ist!« »Würden Sie mir freundlicherweise das aufstecken, was man gemeinhin und im Volksmund ein Licht nennt?« »Ashland ist ein Mörder!« 38
»Wie Sie, falls Sie Mrs. Ashland getroffen hätten!« »Aber ich wollte sie doch überhaupt nicht treffen ... Wenn Sie die Sache da oben am Waldsee beobachtet haben, müssen Sie's doch klar mitbekommen haben!« »Wieso, wenn man fragen darf!« »Selbst ein Laie hätte Jane ... Mrs. Ashland doch auf dem Bootssteg treffen müssen. Und später im Wasser auch.« »Warum schossen Sie dann auf Sie? Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich alle weiteren Fragen Mister Ashland überlassen werde, falls Sie nicht endlich antworten. Meine Zeit ist knapp bemessen, wie ich bemerken möchte.« »Ich, ich. Also, das ist so.« Glenford stotterte ein wenig herum und suchte nach den passenden Worten und dem richtigen Anfang seiner Geschichte. Er räusperte sich und schien sich dann gefunden zu haben. »Ich wollte Ashland dazu bringen, daß er Jane zurück nach Portland fahren läßt. Hier oben in den Bergen ist es für sie einfach zu gefährlich.« »Gefährlich?« »Haben Sie denn noch nicht begriffen, daß sich Ashland und Stringale bis aufs Messer bekämpfen?« »Und warum?« »Wegen der Kassette. Fragen Sie mich bloß nicht, was in dem verdammten Ding steckt, aber es muß sich um ein Vermögen handeln!« »Das Dehlinger-Vermögen?« »Sie wissen von der Dehlinger-Gang?« Les Glenford sah den Butler erstaunt und wachsam zugleich an. »Ein wenig«, sagte Parker ungewöhnlich sparsam, was seinen Wortschatz anbetraf, den er sonst einzusetzen pflegte. »Ashland und Stringale wollen sich diese Kassette unter den Nagel reißen. Und Sie werden sich dabei gegenseitig umbringen.« »Davor wollen Sie Mrs. Ashland bewahren?« »Richtig. Jetzt haben Sie es endlich kapiert. Ich habe ein paarmal auf sie geschossen. Und ich hatte gehofft, Ashland hätte seine Frau weggeschickt.« »Sind Sie nur wegen Mrs. Ashland hier in den Bergen?« »Natürlich.« »Dafür müßte es meiner bescheidenen Wenigkeit nach einen sehr stichhaltigen Grund gegen.« »Den habe ich.« »Sie verehren Mrs. Ashland?« »Ja...« »Sie kennen die Dame - woher?« »Ich ... ich habe früher für Ashland gearbeitet und dabei seine Frau kennengelernt. « »Als was waren Sie bei Mister Ashland beschäftigt? Könnten Sie dies etwas genauer umreißen?« »Als Sekretär. Bis er mich rausgeschmissen hat. Ja, wegen Jane, wenn Sie es mal wieder genau wissen wollen.« 39
»Welchem Beruf geht Mister Ashland nach?« »Er ist Grundstücksmakler und Finanzier.« »Betätigte er sich in diesen Berufssparten schon zu Zeiten des Mister Dehlinger?« »Jetzt begreifen Sie endlich die Zusammenhänge.« »Warum wartete Ihr früherer Arbeitgeber acht Jahre, bis er nach der DehlingerKassette fahndete? Sie müssen zugeben, daß diese Frage durchaus berechtigt ist.« »Weil Stringale erst vor ein paar Monaten bei Ashland auftauchte. Damals waren sie noch ein Herz und eine Seele.« »Wie Sie mit Mistreß Ashland, wie ich vermuten darf?« »Stringale verpfiff mich. Er überraschte mich, als ich mit Jane zusammen ... Zum Teufel, ich denke nicht daran, Ihnen auch noch diese Einzelheiten zu erzählen.« »Eine letzte Frage. Ist Mistreß Ashland bekannt, daß Sie diese Scheinschüsse auf sie abgeben?« »Okay. Das hatten wir ja telefonisch verabredet. Wie hätte ich sonst wissen können, wo Ashland und Stringale nach der Kassette suchen?« »Ich denke, ich werde mich verabschieden«, sagte Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Sie wollen mich nicht? Ich meine, äh, Sie lassen mich hier zurück?« »Mit guten Ratschlägen dürfte Ihnen wahrscheinlich nicht gedient sein«, sagte Parker gemessen, »ich nehme an, Sie werden Mrs. Ashland weiterhin beschießen.« »Ich weiß nicht recht.« Les Glenford wirkte tatsächlich etwas ratlos. -»Sie gehen wirklich?« »Ich bin bereits unterwegs.« Parker wandte sich ab und verschwand steif und gemessen hinter dem nächsten Felsblock. So schnell übrigens, daß Glenford keine Zeit gehabt hätte, nach seinem Gewehr zu greifen. Parker konnte sich seine Großzügigkeit leisten. Er hatte einen seiner Minisender unter den Kragen der Lederjacke gesteckt. Diese Jacke würde Les Glenford mit größter Wahrscheinlichkeit immer dann tragen, wenn er sich auf Pirsch begab. Und der Minisender verriet durch seine Sendeimpulse genau, wo der Träger der Lederjacke sich aufhielt. Parker glaubte übrigens dem Mann. Seine Erklärungen wirkten logisch und hellten bisher dunkle Zusammenhänge auf. Und was das Schießen auf Jane Ashland betraf, so hatte Parker gleich vermutet, daß der Schütze sie nicht um jeden Preis treffen wollte. Nun hing viel davon ab, wie Glenford sich verhielt. Er wußte hoffentlich, daß er mit seinem Leben spielte. *** Mike Rander hörte Schritte, dann ein leichtes Hüsteln. Schleunigst brachte er sich zurück in Deckung. Es dauerte etwa zwei, drei Minuten, bis Artie Ashland wieder am Tatort erschien. Er machte sich überhaupt nicht die Mühe, Paul Hanley noch einmal zu 40
untersuchen. Er schleifte und zerrte den Toten an den Beinen zurück in das Labyrinth der Fels- und Geröllbrocken. Wahrscheinlich wollte er die Leiche beseitigen. Mike Rander blieb Ashland auf den Fersen. Was nicht schwer war, denn Ashland hatte vollauf mit dem Toten zu tun, der es ihm nicht leichtmachte. Vor einer Felsspalte blieb Ashland stehen. Er sah sich kurz nach allen Seiten um und stieß Hanley dann fast gleichgültig in den schmalen Erdspalt hinunter. Er wandte sich ab, ließ die Mordwaffe - die Schaufel - folgen, nahm seine eigene Schaufel und eine Spitzhacke und folgte dem Felsspalt, bis er sich vor einem überhängenden Felsen schloß. Hier wechselte Ashland auf die andere Seite und verschwand bald darauf wieder im dichten, dschungelartigen Buschwerk. Rander hatte sich entschlossen, zurück zu seinem Butler zu gehen, als er lautes Pickeln hörte; Hatte Ashland das Versteck gefunden? Hatte er deshalb Paul Hanley umgebracht, weil dieser Mitarbeiter jetzt nur noch gestört hätte? Es war ein Zufall, daß Rander Jane Ashland sah. Sie tauchte plötzlich aus dem dichten Strauchwerk auf und folgte den Geräuschen, die die Spitzhacke auf dem felsigen Untergrund verursachte. Jane sah abenteuerlich aus. Irgend etwas mußte ihr passiert sein. Ihr Hemd war an der rechten Schulter tief eingerissen. Das Haar war zerzaust und unordentlich. Jane passierte Rander in einer Entfernung von höchstens vier Meter, aber sie sah nur hinauf zum Steilhang, von wo die Pickelgeräusche kamen. Rander wußte, daß er sich die kommende Unterhaltung zwischen dem Ehepaar auf keinen Fall entgehen lassen durfte. *** Parker wartete darauf, daß Les Glenford ihm folgte. Vielleicht war der ehemalige Sekretär Ashlands versessen darauf, ihm einen Schuß zu verabreichen. Doch es waren wohl die leicht angebrühten Zehen, die Glenford daran hinderten. Parker suchte sich ein passendes Versteck und schaltete den Miniaturempfänger ein, der nicht größer war als ein Hörclip, wie ihn Schwerhörige tragen. Er schob sich den Clip ins Ohr und schaltete auf Empfang. Les Glenford war bereits unterwegs. Aber er saß nicht auf Parkers Spuren, sondern schien sich zu entfernen. Die Sendeimpulse wurden um Nuancen schwächer. Glenford zog es nach der mehr als ausgiebigen Unterhaltung mit dem Butler vor, andere Gefilde aufzusuchen. Vielleicht war er inzwischen auch so wach geworden, daß er auf sein mörderisches Schützenspiel verzichten wollte. Ihm waren wohl die Augen aufgegangen. 41
Parker wollte sich gerade abwenden, als er hinter sich ein scharrendes Geräusch vernahm. »Stehenbleiben und Flossen hoch, Parker!« Das war die Stimme von Stringale. Ein Zweifel war ausgeschlossen. »Darf ich mich umwenden!« erkundigte sich Parker. »Aber sehr vorsichtig, Parker!« Der Butler kam diesem Wunsch übertrieben gehorsam nach, verzichtete aber darauf, die Arme in die Luft zu strecken. Er tat so, als habe er die Aufforderung dazu inzwischen vergessen. Er hatte sich nicht getäuscht. Vor ihm stand Stringale und hielt eine Winchester schußbereit in Hüfthöhe. Der Mann, der Jane im Park des Motels überfallen und die Ashland-Gesellschaft in der Jagdhütte unter Feuer genommen hatte. Es war Stringale, der Rander und Parker leider entwischt war. »Noch immer nicht die Nase voll?« fragte der Mann mit neutralem Ton in der Stimme. »Mir scheint, daß auch Sie nicht gern aufgeben, Mister Stringale.« »Nie! Nach wem suchen Sie hier? Warum treiben Sie sich hier herum?« »Ich hatte eine interessante Unterhaltung mit einem gewissen Les Glenford.« »Les ist hier?« Sofort sah er sich mißtrauisch um, vergaß dabei aber nicht, den Butler in Schach zu halten. »Er war hier«, korrigierte Josuah Parker, »der ehemalige Sekretär Mister Ashlands dürfte inzwischen verschwunden sein.« »Schade, ich hätte ihm gern eine Ladung verpaßt.« »Eine Dynamitladung?« tippte der Butler würdevoll an. »Sie sind nachtragend«, meinte Stringale grinsend, »man muß sich eben was einfallen lassen, wenn man gewinnen will.« »Die Dehlinger-Kassette, wie ich vermuten darf?« Stringale sah den Butler nachdenklich an. Dann schüttelte er fast vorwurfsvoll den Kopf. »Sie können das Herumschnüffeln wohl nicht lassen, wie?« »Recherchen dieser Art sind eine Art Hobby von mir, Mister Stringale.« »Ein tödliches Hobby!« »Ich ahne und weiß es inzwischen, wenn ich an den jungen Mann denke, den Sie mit der Dynamitladung zu Mister Rander in den Bungalow schicken wollten.« »Er hat nicht aufgepaßt und mußte dafür zahlen.« »In Form einer speziellen Bleiwährung! Dieser junge Mann geht wohl mit Sicherheit auf Ihr Konto, nicht wahr?« »Ich mußte ihn ausschalten, er hätte sonst gequasselt.« »Waren Sie es auch, der vor dem Schnellimbiß auf Mister Rander schoß?« »Das war der junge Mann, von dem Sie dauernd reden. Er war nicht besonders gut, aber das ahnte ich gleich, als ich ihn mitnahm. Keine Nerven, verstehen Sie. 42
Überhaupt nicht kaltblütig. Und in dieser Branche muß man verdammt kaltschnäuzig sein!« »Was Sie zu sein scheinen, nicht wahr?« »Ich kann mich wehren!« »Und töten!« »Werden Sie ja gleich mitbekommen, Parker. Ich verschaffe mir gern einen freien Rücken. Man lebt dann länger.« »Und das alles wegen einer ominösen Kassette, die Mister Dehlinger vor seinem Tod hier in der Wildnis versteckte?« »Glenford hat geredet, wie?« »Ich brauche Informationen, wenn ich einen Fall klären möchte.« »Langsam glaube ich, daß Sie wirklich nicht für Ashland arbeiten.« »Solch ein Ansinnen hätte ich mit Entrüstung abgelehnt«, antwortete Parker steif, »ich glaube, ich sagte Ihnen bereits an anderer Stelle, daß Mister Rander und meine Wenigkeit reine Touristen sind, die gegen ihren Willen in diese Geschichte hineingerieten.« »Und diese Touristen sind scharf auf eine Kassette, stimmt's?« »Man müßte wissen, was sich in dieser Kassette befindet.« »Was wohl schon, Parker? Aktienpapiere, Schmuck, Bargeld. Rund eine Million, wenn Sie es noch genauer wissen wollen!« »Und Mister Ashland erfuhr von Ihnen von der Existenz der Kassette?« »Genau. Aber bevor Sie Ihre nächste Frage stellen, will ich lieber antworten. Zuerst versuchte ich, allein an dieses verdammte Ding ranzukommen, aber ich war restlos pleite und hatte kaum noch einen Cent. Ich habe es nicht riskiert, mir das Geld auf eine normale Art und Weise zu beschaffen, das wäre zu gefährlich gewesen.« »Auf normale Art und Weise?« »Einbruch oder Überfall. Sie wissen schon sehr gut, was ich meine. Ich konnte das Risiko wegen der Bullen nicht eingehen.« »Weil Sie gerade Ihre Strafe abgesessen hatten, nicht wahr?« »Genau. Damals, im Dehlinger-Prozeß, hatten sie mir viele Jahre Jugendstrafe aufgebrummt. Als ich raus war, habe ich sofort ein neues Ding gedreht. Eben wegen der Kassette. Ich brauchte Kohlen, verstehen Sie ...?« »Sie meinen jetzt Geld, wenn ich richtig interpretiere?« »Klar, aber- ich wurde erwischt und mußte in den Bau. Als ich dann vor ein paar Monaten wieder raus war, da habe ich auf Ashland gesetzt.« »Woher wußten Sie von der Kassette.« »Ich hatte Dehlinger begleitet, als er gehetzt wurde. Er hatte immer diese Kassette bei sich. Aber nach einem Besuch hier im National-Park war sie plötzlich verschwunden. Klarer Fall, daß er sie hier irgendwo versteckt haben mußte.« »Der National-Park ist sehr groß, wenn ich darauf aufmerksam machen darf. Es ist so gut wie unmöglich, hier ein bestimmtes Versteck zu entdecken.« 43
»Natürlich hatte ich mich an Dehlinger angehängt. Heimlich, wie Sie sich denken können. So ungefähr weiß ich Bescheid.« »Mister Ashland inzwischen aber auch.« »Den bringe ich von den Beinen, bevor er richtig schaltet, verlassen Sie sich darauf. Wie ich Sie von den Beinen bringen werde, Parker! Konkurrenz kann ich nicht brauchen!« Der Gewehrlauf hob sich etwas, Stringales Gesicht sah nicht gut aus. »Wenn Sie von Konkurrenz sprechen, Mister Stringale, muß ich an Ihren früheren Arbeitgeber Dehlinger denken. Er wurde wohl, wenn ich richtig schlußfolgere, kurz nach dem Verstecken der Kassette von der Polizei aufgespürt, nicht wahr?« Stringale grinste, tückisch, was auch eine Antwort war. Es lag für den Butler auf der Hand, daß Stringale seinen Boß Dehlinger an die Polizei verraten hatte, um freie Bahn zu bekommen. »Drehen Sie sich um«, sagte Stringale plötzlich, »ich habe noch zu tun....« Parker wußte, daß Stringale ihn jetzt ermorden wollte. *** »Artie, o Artie!« Sie schluchzte dramatisch und fiel ihm in die-Arme. »Was . . . was ist?« fragte Artie Ashland und schaute sich nervös um, »bist du allein?« »Dieses Schwein!« schluchzte und stammelte Jane, »er hat mich. Er hat mich überfallen und mich ...« Sie schlug äußerst gekonnt die Hände vor ihr Gesicht und wurde von einem noch überzeugenderen Weinkrampf gepackt. Rander konnte sie jetzt ganz genau betrachten. Janes Hemd war mehr als nur leicht eingerissen. Es war geradezu zerfetzt worden. Auf der nackten Haut und besonders auf den Ansätzen ihrer vollen Brust waren Kratzspuren zu sehen. Ihre lange Lederhose in den wadenhohen, sehr modischen Wildlederstiefeln war an der Hüfte tief eingerissen. Rein optisch gesehen mußte sie einen verzweifelten Kampf hinter sich haben. Rander ahnte bereits, mit wem sie diesen Kampf angeblich gehabt hatte. Er brauchte tatsächlich nur noch wenige Sekunden zu warten, bis er diese Bestätigung erhielt. »Wer war es?« fragte Ashland, obwohl doch gerade die Auswahl für ihn nicht mehr groß war. Immerhin hatte er Paul Hanley niedergeschlagen, ermordet und verschwinden lassen. »Gerald!« schluchzte sie, »Gerald. Er war wie ein - ein Tier, ich hatte keine Chance gegen ihn!« Sie sank zu Artie Ashlands Füßen dekorativ zusammen und schluchzte wieder. Beim Niedergehen hatte sie darauf geachtet, daß sie einen sehr pikanten-hilflosen Anblick darbot. 44
»Dafür bringe ich ihn um!« äußerte Ashland in einem Ton, der keinen Zweifel aufkommen ließ, »dafür mache ich ihn fertig!« »Hast du schon was gefunden? Das ist jetzt wichtiger.« Diesmal sagte sie mit Sicherheit die Wahrheit, daran bestand für Mike Rander kein Zweifel. Geld schien ihr über alles zu gehen. »Ich glaube, daß ich jetzt auf der richtigen Spur bin«, erwiderte Ashland beiläufig, »wichtiger ist jetzt Gerald.« Weil Rander das auch fand, machte er sich schnellstens auf den Rückweg. Es galt zu retten, was noch zu retten war. *** »Sind Sie niemals auf den Gedanken gekommen, daß nach einer Spruchweisheit gerade ein sogenanntes blindes Huhn auch mal ein Korn findet?« fragte Parker, während er sich gehorsam umdrehte. Er war sehr gespannt, wie Stringale auf diese Spruchweisheit reagieren würde. Sein Leben hing von diesem an sich sehr einfachen und durchschaubaren Bluff ab. Parker setzte aber auf die Gier dieses Mannes. Und sein Einsatz war richtig! »Wie war das?« fragte Stringale hastig. Parker hatte keine Bedenken, Stringale wieder sein Gesicht zu zeigen. Mit einem Überraschungsschuß war jetzt nicht mehr zu rechnen. »Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn«, wiederholte der Butler gemessen, »ich habe mich vielleicht etwas vage und undeutlich ausgedrückt, Mister Stringale, aber ich könnte Ihnen ein interessantes Angebot machen.« »Sie wollen sagen, daß Sie das Versteck kennen? Das ist doch nur ein Bluff!« »Dieses Risiko müssen Sie eingehen.« Stringale sah den Butler nachdenklich an. Er ließ sich die Worte Parkers sehr sorgfältig durch den Kopf gehen. Seine Gier kämpfte mit seiner Vorsicht. »Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit haben das bewußte Versteck selbstverständlich nicht entdeckt. Dieser Zufall wäre gerade hier in der Bergwildnis zu unglaublich.« »Wie sonst?« »Mister Ashland führte Mister Rander und meine Wenigkeit an das Versteck heran. Und es liegt...« Da Parker nun wirklich nicht wußte, wo sich dieses Versteck befand und da er nicht noch weiter schwindeln wollte, brach er seinen Satz ab und handelte. »Mein, mein Herz!« stammelte er plötzlich und rutschte mit dem Rücken gegen einen Felsklotz, »schnell, die Pillendose, rechte Westentasche, unten.« Parker hätte sich auf jeder Bühne mit Sicherheit erfolgreich durchgesetzt. Sein Spiel war vollkommen. Die Herzattacke, die er angeblich erlitt, machte ihn innerhalb von Sekunden zu einem alten, verfallenen Mann. 45
Stringale, obwohl ein gerissener Fuchs und eiskalter Mörder, fiel auf dieses Schauspiel prompt herein. Er baute sich schnell vor dem Butler auf und fingerte in der angegebenen Westentasche nach der Pillendose. Immerhin war er noch so vorsichtig, daß er das Gewehr nicht aus der Hand legte. Dann, als er die Dose öffnen wollte, hinderte es ihn. Stringale stellte das Gewehr gegen den Felsen und sah prüfend auf den Butler, dessen Augen sich bereits geschlossen hatten. Nein, dieser alte Mann stellte für ihn keine Gefahr mehr dar. Er konnte die Pillendose in aller Ruhe öffnen, dachte er. Was er dann auch leichtsinnigerweise tat. Stringale drückte auf den winzig kleinen Knopf, um den Deckel hochspringen zu lassen. Alles klappte vorzüglich. Der Deckel sprang gehorsam auf, gleichzeitig aber schoß aus der flachen Pillendose ein mehlartiger, weißgrauer Staub, der sich auf das Gesicht Stringales legte. Der Bursche war schon ohnmächtig, bevor er überhaupt den Boden erreichte. *** »Sie...!?« Gerald, der ahnungslose Jüngling, der sich als schützender Ritter einer gewissen Jane Ashland fühlte, wirbelte überrascht herum und starrte den Anwalt an. »Ashland ist auf dem Weg, Sie umzubringen«, sagte Rander hastig, »kommen Sie! Schnell!« »Er will mich umbringen?« »Weil Sie seine Frau vergewaltigt haben!« »Ich?« »Mann, begreifen Sie nicht, daß Jane ein Doppelspiel treibt? Beeilen Sie sich! Sie haben nicht mehr viel Zeit!« Gerald, der ahnungslose Engel, wollte verständlicherweise nicht glauben. Immerhin hatte er sich in den Kopf gesetzt, den brutalen Ehemann Artie umzubringen. So, wie er es Jane versprochen hatte. Da wirklich nicht viel Zeit war, richtete Rander seinen 38er auf den jungen Mann und trieb ihn seitlich in die Büsche. Sie mußten so schnell wie möglich das Lager räumen. Da mit Schwierigkeiten zu rechnen war, wollte Rander die Hände des jungen Mannes fesseln, doch Gerald entpuppte sich als ein cleverer Bursche. Sein Knie schnellte plötzlich hoch und bohrte sich in Randers Unterleib. Der Anwalt schnappte nach Luft, sah eine Vielzahl bunter Kreise und verspürte eine schreckliche Übelkeit in sich. Die Schmerzwellen zwangen ihn in die Knie. Fast dankbar nahm er den Schlag hin, der seinem Nacken galt. Er fiel haltlos in das spärliche Gras und trat geistig erst einmal zur Seite. 46
Gerald, der sich nach Randers Waffe gebückt hatte, vergaß plötzlich den Anwalt. Er hatte seinen Namen gehört. Und es war Jane gewesen, die ihn rief. Gerald beging den Fehler seines Lebens und rannte zurück zum Lager. »Hier, Jane. Hier!« rief er. Die Stimme der Frau hatte ihn elektrisiert. Sie stand neben einem kleinen Vorratszelt und taumelte sichtlich. Sie schien erschöpft zu sein. »Jane, was ist?« rief Gerald. »Du Bestie!« schrie sie ihm ins Gesicht und warf sich auf ihn, »du Bestie! Du Schwein! Warum hast du das getan?« Jetzt ging Gerald ein Licht auf. Sollte Rander doch die Wahrheit gesagt haben? »Hände hoch!« Das war die kalte, haßerfüllte Stimme von Artie Ashland. Er trat hinter einem Baum hervor, das Gewehr in Hüfthöhe. Gerald kapierte und nutzte seine letzte Chance. Er riß Jane an sich und versteckte sich hinter ihr. »Was wird hier gespielt?« rief er Artie zu, »was soll ich getan haben?« »Du dreckiger Feigling. An einer wehrlosen Frau kannst du dich vergreifen. Aber wenn es Mann um Mann geht, versteckst du dich.« »Jane, sage doch, daß das alles nicht wahr ist«, rief Gerald verzweifelt. Sie antwortete nicht, sondern trat ihm auskeilend gegen, das Schienbein. Der Schmerz war derart stark, daß er sie unwillkürlich losließ. Artie nutzte seine Chance. Er schoß gnadenlos auf Gerald, der am linken Oberarm erwischt wurde und halb zu Boden ging. Was ihm das Leben rettete, denn der zweite Schuß pfiff dicht über ihn hinweg. Gerald raffte sich auf und rannte hinüber ins schützende Unterholz. Ashland schickte ihm zwei weitere Schüsse nach, die aber ihr Ziel verfehlten. Dann war Gerald in Deckung und erst einmal in Sicherheit. »Laß ihn nicht weg!« Jane war wütend. »Los, ihm nach, Artie, schnell!« »Ich weiß nicht«, erwiderte Artie mit einer überraschenden Ruhe und Nachdenklichkeit in der Stimme, »bist du sicher, daß du dich nicht geirrt hast?« Jane breitete sich wieder einmal auf dein Boden aus und schluchzte, ein Verhalten, das sie unbedingt beherrschte. *** Gerald suchte nach Rander, aber er fand dessen Spur nicht mehr. Er hätte sich jetzt nur zu gern unter den Schutz des Anwalts gestellt, doch Mike Rander kam leider erst zu sich, als Gerald sich bereits abgesetzt hatte. Der Anwalt kam jedoch auf seine Kosten. Immerhin befand er sich in der Nähe von Artie und Jane Ashland. Und das Ehepaar war gerade dabei, so etwas wie Bilanz zu ziehen. »Ich will jetzt wissen, ob er dir wirklich was getan hat«, sagte Artie und baute sich breitbeinig vor ihr auf, »ich will die Wahrheit wissen!« »Du glaubst mir ja doch nicht. Sieh' dir das doch an!« 47
Jane spielte wieder mit ihrer nackten Haut und zeigte die Nagelspuren. Ein überzeugender und überwältigender Anblick zugleich! »Aber ausgerechnet Gerald?« zweifelte Artie kopfschüttelnd. »Er war von dem Moment an hinter mir her, als du ihn eingestellt hast.« »Warum hast du mir davon nie etwas gesagt?« »Ich habe es nicht ernst genommen. Und vielleicht habe ich mich auch etwas geschämt.« »Du und geschämt? Daß ich nicht lache!« »Ja, ich weiß, ich weiß. Du hast mich aus der Gosse gezogen, ohne dich wäre ich ein dreckiges Nichts. Nur durch dich habe ich es zu was gebracht.« Jane leierte diese Satzphrasen gelangweilt herunter. Wahrscheinlich hatte sie sie schon mehr als hundertmal gehört. » Stimmt es etwa nicht ? « fragte Artie dennoch. »Du bist ungerecht!« Jane erhob sich. »Ich gebe ja zu, daß ich ohne dich noch in dieser verdammten Bar wäre, aber ich habe mich an unsere Vereinbarung gehalten.« »Um dann anschließend mit Glenford zu flirten.« »Flirten! Das ist das richtige Wort. Zwischen uns war nie etwas! Auch wenn Stringale es dir anders erzählt hat. Begreifst du denn nicht, Artie, daß er zwischen uns einen Keil treiben wollte. - Stringale war von Anfang an darauf aus, die Kassette für sich allein zu holen.« »Und Gerald?« »Gut, ich habe den Jungen manchmal in Verlegenheit gebracht. Aus Langweile. Du bist eben zu oft weg, Artie. Warum eigentlich? Warum bleibst du nicht öfters zu Hause. Du ahnst ja nicht, wie sehr ich mich nach dir sehne!« Schlechtes Schmierentheater, dachte Mike Rander, aber Artie schien anderer Meinung zu sein. Das, was Jane ihm sagte, schmeichelte ihm. Er hatte plötzlich nichts mehr dagegen, daß sie ihre nackten Arme um seinen Hals schlang. »Okay, Jane«, sagte er und machte sich frei, »okay, ich werde mir Gerald kaufen. Weit kann dieser Trottel ja nicht sein.« Sie lächelte triumphierend, als Artie nach seinem Gewehr griff. Er ging' hinüber zum nahen Unterholz, um dann aber kurz stehen zu bleiben. »Hast du Paul gesehen?« fragte er harmlos. »Paul? Er ist doch zusammen mit dir weggegangen.« »Wir haben uns am Steilhang getrennt. Er wollte sich in einer Höhle mal umsehen. »Ihm wird doch nichts passiert sein?« fragte sie ohne jeden Nachdruck. »Keine Ahnung«, erwiderte Artie, der es besser wußte, »wenn er kommt, soll er auf dich warten. Du weißt, Stringale treibt sich immer noch in der Gegend herum.« »Soll ich hier allein zurückbleiben?« Sie hatte Angst, wie man ihrer Stimme anhörte. »Und wenn Gerald plötzlich auftaucht?« »Hier, nimm ...!« Er drückte ihr seinen Revolver in die Hand, nickte Jane zu und verschwand dann überraschend geschmeidig und geräuschlos im Unterholz. 48
Jane zündete sich eine Zigarette an und ging unruhig vor dem kleinen Zelt auf und ab. Sie überlegte wohl, wie sie sich in Zukunft zu verhalten hatte. Merkte sie, daß ihr Doppelspiel langsam durchschaut wurde? Sie zuckte zusammen, als leise ihr Name gerufen wurde. Sie nahm die Schußwaffe hoch und ging in Deckung. »Jane ... Jane!« Mike Rander war gespannt, wer sich jetzt um die Dame bemühte. Er staunte nicht schlecht, als ein junger Mann auf der Bildfläche erschien, der ein mehr als nur lädiertes Gesicht hatte. »Les ... Oh, Les!« Jane Ashland war in Hochform, wie sich zeigte. Sie sprang auf und warf sich in die Arme eines unglücklichen Narren. *** Parker hatte Stringale zurückgelassen, ihn vorher aber selbstverständlich außer Gefecht gesetzt. Seine Krawattennadel hatte dies besorgt. Die Spitze dieser Nadel war mit einem starken Betäubungsgift bestrichen. Eine »Stichdosis« reichte erfahrungsgemäß für einen einstündigen Tiefschlaf. Diese Zeit mußte nach Parkers Schätzung reichen. Parker machte sich auf den Weg, seinen jungen Herrn zu suchen. Sie hatten sich an einem Platz in der Nähe der abgebrannten Jagdhütte verabredet. Parker hoffte, dort seinen jungen Herrn zu treffen. Dem war leider nicht so. In Parker stieg leise Besorgnis auf. Schließlich kannte er ja Mike Rander. Der junge Anwalt neigte immer wieder dazu, etwas zu schnell aus dem Moment heraus zu handeln, eine Eigenschaft, die Parker nicht kannte. Bei ihm ging alles streng nach der kalten Logik. Womit er in der Regel richtig lag. Da er wußte, daß Rander dem Landrover gefolgt war, konnte er die Spur seines jungen Herrn leicht verfolgen. Nach einem Fußmarsch erreichte der Butler den Rand des Kraterkessels und orientierte sich. Er entdeckte den Landrover im dichten Strauchwerk. Der geländegängige Wagen war zurückgelassen worden, da er hier keine Fahrchancen mehr hatte. Parker wollte sich gerade das Innere des Landrover ansehen, als er das Knacken und Brechen von Zweigen und Ästen hörte. Hier rannte ein von panischer Furcht gehetzter Mensch durch das dichte Unterholz, ein Mensch, der vom Teufel verfolgt zu werden schien. Parker begab sich erst einmal gemessen in Deckung und wartete ab. Er konnte sich vorstellen, daß dieser flüchtende Mensch den Landrover ansteuern würde. Es war Gerald, der plötzlich neben dem Wagen erschien. Er klinkte die Tür auf der Fahrerseite auf, setzte sich ans Steuer und merkte erst jetzt, daß er keinen Zündschlüssel hatte. Er kletterte zurück ins Freie, horchte offensichtlich auf Verfolger und wollte dann weiterlaufen. 49
»Kann und darf ich Ihnen behilflich sein?« erkundigte sich Josuah Parker und lüftete beim Verlassen der Deckung höflich seine Melone. Gerald starrte den Butler entsetzt an, wollte flüchten und registrierte dann überrascht einen kleinen buntgefiederten Pfeil, der plötzlich in seinem linken Oberschenkel stak. Als er nach ihm greifen wollte - der Pfeil war nicht größer als eine halbe Stricknadel oder eine große Stopfnadel - wirkte bereits das Betäubungsgift. Gerald seufzte fast wohlig auf und ließ sich auf dem Boden nieder. Parker sicherte sein Preßluftblasrohr, das sich im hohlen Stock seines UniversalRegenschirms befand und kümmerte sich dann um den jungen Mann, zumal der Verfolger nicht mehr lange auf sich warten lassen konnte. *** Artie Ashland hatte den Rover erreicht und sah sich hastig-prüfend nach allen Seiten um. Da die Wagentür noch auf war, konnte er sich leicht ausrechnen, daß Gerald hier gewesen sein mußte. »Gerald, Gerald!« rief er halblaut. »Gerald, Junge, ich muß mit dir sprechen. Melde dich!« Gerald konnte sich nicht melden. Er lag zu Parkers Füßen und schlief, und Parker, der sich nicht angesprochen fühlte, verhielt sich ruhig. Artie Ashland wollte sich daranmachen, die nähere Umgebung des Landrover abzusuchen, als er plötzlich Besuch erhielt. Mike Rander erschien und baute sich hinter ihm auf. »Lassen Sie die Waffe fallen, Ashland«, sagte er ruhig, aber sehr überzeugend. Parker blieb in seinem Versteck und überprüfte die Vorstellung seines jungen Herrn. Ashland ließ das Gewehr fallen und gehorchte vorerst mal. Rander ging um ihn herum und ließ seinen Gegner nicht aus den Augen. »Wollen Sie jetzt diesen Gerald umbringen?« fragte er, »Paul Hanley genügt Ihnen wohl nicht?« »Hanley?« »Ich habe gesehen, wo Sie ihn versteckt haben. Sie erinnern sich doch an die Felsspalte, nicht wahr?« »Aber haben Sie auch gesehen, daß er mich angegriffen hat?« »Erzählen Sie das dem Richter, Ashland«, gab Mike Rander zurück, »die Dehlinger-Kassette wird Ihnen kein Glück bringen!« »Lassen Sie das meine Sorge sein, Rander.« Ashland stutzte und zog die Stirn kraus. »Hören Sie«, meinte er dann, »warum vergleichen wir uns nicht? In dieser Kassette ist Kies genug für uns alle-« »Sind Sie sicher?« Rander mimte Interesse. 50
»Vollkommen! Aktienpapiere, Bargeld und Schmuck. Ich weiß es genau, ich war damals der Finanzberater von Dehlinger. Ich hatte ihm geraten, seine Anteile anzulegen.« »Haben Sie nicht Angst, daß Stringale schneller sein könnte als Sie?« »Stringale? Der Junge ist doch blind vor Haß!« »Während Sie eiskalt Ihre Chancen nutzen, wie?« »Sie haben doch gehört, daß ich mit Ihnen ins Geschäft kommen will.« »Aber vorher müßte noch dieser Gerald umgebracht werden, wie?« »Der Junge weiß inzwischen zuviel. Ich bekomme jederzeit einen neuen Sekretär.« »Solch einen wie Les Glenford?« »Woher kennen Sie Les Glenford?« »Ich habe mich eben orientiert, Ashland.« »Schwirrt der hier etwa auch in der Gegend herum?« »Wäre das peinlich für Sie?« »Les ist nicht zu unterschätzen! Ah, jetzt begreife ich, Les Glenford hat Sie aufgehetzt, wie? Les will auch an die Kassette heran, nicht wahr?« »Hätte er eine Chance, sie ohne Sie zu finden?« »Keine Chance, Rander! Wenn Sie verdienen wollen, müssen Sie mir ein Angebot machen.« »Und was würde Ihre Frau dazu sagen?« »Jane? Was soll sie schon sagen? Sie wird mitmachen müssen! Wieso erkundigen Sie sich nach Jane?« »Sie hat ziemlich viel mitgemacht in den letzten Stunden, oder?« »Worauf spielen Sie an, Rander?« »Überlegen Sie selbst! Sie sind ja ein eiskalter Denker. Aber zurück zur Kassette, Ashland. Werden Sie sie finden?« »Ich glaube, daß ich sie schon habe!« »Bluff, Ashland, nichts als Bluff! Sie suchen verzweifelt nach dem Ding. Und vielleicht auch nach Stringale. Der hat Ihnen bestimmt nicht gesagt, wo die Kassette zu finden ist.« »Hören Sie, liefern Sie mir Stringale und die Hälfte der Beute gehört Ihnen!« »Sie haben die Kassette also noch nicht in Sicht?« »Nein, zum Teufel! Hören Sie mit dieser blöden Fragerei auf! Machen Sie nun mit, oder nicht?« »Falls nicht?« »Werde ich Sie aus dem Weg räumen, Rander!« »Mit bloßen Händen, wie?« Randers Stimme klang spöttisch. »Sie werden nicht schießen, wetten?« Artie Ashland war ein ausgebuffter Routinier, der seine Chance schnell berechnet hatte. Er glaubte, den jungen Anwalt richtig eingeschätzt zu haben. Für ihn war Rander ein Mensch, der kaltblütig niemals auf einen Menschen schießen würde. Ashlands Instinkt besaß für solche Dinge eine ungemein feine Antenne. 51
Ashland ging langsam auf Rander zu, ohne Waffen, ohne jede erkennbare Angst. Er grinste kühl und war sich seiner Sache vollkommen sicher. »Tun Sie es lieber nicht«, warnte Rander. Seine Stimme war ebenfalls kühl wie das Lächeln des Mannes vor ihm. »Sie werden nicht schießen, habe ich Ihnen das nicht gesagt?« meinte Ashland und ging ruhig weiter, ohne Hast und mit einem Selbstvertrauen, das erschüttern konnte. Mike Rander schoß. *** Ashland blieb überrascht stehen, als das Geschoß dicht vor ihm aufschlug, um dann vom felsigen Untergrund aus als Querschläger wegzuzwitschern. »Sie bluffen doch nur, Rander«, sagte Ashland und ging weiter. Er grinste allerdings nicht mehr. Sein Gesicht war zu einer starren Maske geworden. Ein zweiter Schuß! Seine rechte Schuhspitze wurde angesengt. Ashland blieb jetzt stehen und holte tief Luft. Dabei gab es ein zischendes Geräusch. »Worauf warten Sie noch?« erkundigte sich Mike Rander trocken, »der nächste Schuß ist für Ihr Knie bestimmt. Lassen Sie sich überraschen, welches es sein wird.« Ashland versuchte es mit einem Grinsen, das jedoch verunglückte. Er riß sich deutlich zusammen und wollte um jeden Preis weitergehen, schaffte es aber nicht. »Sie werden es nicht riskieren«, sagte er, sich Mut zusprechend, aber er blieb stehen und starrte den jungen Anwalt an. Mike Rander antwortete nicht. Er sah Artie Ashland gelassen an. »Das wär's wohl«, meinte Rander und senkte die Waffe. »Sie sind noch feiger, als ich dachte!« »Dafür bring' ich Sie eines Tages um«, entgegnete Ashland mit heiserer Stimme. »Okay, sehen wir uns nach Ihrer Verurteilung wieder, Ashland! Kommen Sie jetzt!« Es war deutlich zu sehen, daß Artie Ashland aufgesteckt hatte. Innerlich wie äußerlich. Das Duell mit Rander hatte ihn restlos erschöpft. Er ließ den Kopf hängen und zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen, als plötzlich aus nächster Nähe ein Schuß fiel. Ashland faßte sich stöhnend an die linke Hüfte und taumelte zu Boden. Rander ging sofort hinter dem Landrover in Deckung, um von dem Schützen, der irgendwo im Hinterhalt lag, nicht erwischt zu werden. Womit Artie seine Chance erhielt, denn der nächste Schuß traf den Tank des Wagens, der sich daraufhin selbständig machte. Rander erhielt eine mächtige Ohrfeige in der Form einer Druckwelle und wurde tief ins Gebüsch geschleudert. 52
Auch Artie Ashland wurde von der Druckwelle erfaßt, doch er landete wesentlich günstiger. Den dichten Rauchschleier des brennenden Wagens ausnutzend, empfahl er sich auf seine Art und setzte sich schleunigst ab. Vielleicht glaubte er immer noch daran, eine echte Chance zu haben. *** »Der Schütze ist leider entkommen«, sagte Josuah Parker zu seinem jungen Herrn. Nach der Luftdruckohrfeige waren etwa fünfzehn Minuten verstrichen. Der Landrover brannte bis auf sein Skelett aus und hatte es schon fast soweit geschafft. »Wer mag das gewesen sein?« fragte Rander und tastete nach der Beule, die er sich von einer Baumwurzel geholt hatte. »Ich fürchte, Sir, daß Mister Stringale früher zu sich gekommen ist, als ich berechnet habe.« »Oder vielleicht Les Glenford?« gab Rander zu überlegen. Er sah zu Gerald hinüber, der immer noch schlafend auf dem Waldboden lag, froh darüber, daß er sich an diesem Ratespiel nicht beteiligen mußte. Rander und Parker hatten Zeit und Gelegenheit, sich gründlich auszutauschen. Jeder von ihnen hatte schließlich eine Menge erlebt und gehört. »Wenn Sie mich fragen, Parker, dann ist diese Jane Ashland gefährlicher als ein Puma.« »Diesem Vergleich stimme ich voll und ganz zu, Sir. Wobei ich nicht zu sagen wage, mit wem sie nun wirklich und letztlich zusammenarbeitet.« »Per Saldo arbeitet sie nur in ihre eigene Tasche«, erwiderte Rander nachdenklich, »aber ausgerechnet ihr kann man überhaupt nichts nachweisen. Für die Dreckarbeit hat sie ihre Freunde, die sie reihum einsetzt.« Gerald kam langsam zu sich und war nach einigen Minuten in der Lage, Fragen zu beantworten. »Ja, ja, ich weiß jetzt, daß Jane nur mit mir gespielt hat«, sagte er niedergeschlagen, »ich glaube, ich bin ein Kamel gewesen, Mister Rander!« »Immerhin sind Sie von allein draufgekommen«, erwiderte Rander lächelnd. »Und zwar, bevor Sie eine Dummheit begangen haben, die Sie nicht mehr hätten rückgängig machen können.« Gerald sah Rander und Parker abwartend an. »Wollten Sie nicht für Jane Artie Ashland umbringen? Irgendwann?« fragte Rander. »Ich glaube, ich hätte es getan.« Geralds Stimme klang sehr leise und beschämt. »Welche Rolle spielte Paul Hanley?« wollte Rander wissen. »Er war so etwas wie die Leibwache von Artie Ashland.« »Daß er von Ashland ermordet wurde, wird Sie kaum noch überraschen, wie?« »Ich denke, er hätte auch mich umgebracht. « »Mit Sicherheit, Gerald. Sagt Ihnen der Name Les Glenford etwas?« 53
»Das war mein Vorgänger. Als Sekretär und wohl auch als Freund von Jane!« Die Antwort hörte sich bitter und wegwerfend an. »Wissen Sie, daß er sich ebenfalls hier in der Bergwildnis herumtreibt? « »Wirklich?« »Und zwar von Jane Ashland eingeladen. Wohl als 'ne Art Eingreifreserve, denke ich.« »Könnte es sein, daß Mrs. Jane und Mister Glenford sich besonders nahestehen?« Parker stellte diese Frage. »Ich wüßte nicht«, entgegnete Gerald ratlos, »ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich von dieser Frau denken soll.« »Fragen wir anders«, meinte Rander, »verstand sie sich mit Stringale, als er bei Ashland auftauchte? Wie war das damals. Haben Sie davon noch etwas mitbekommen?« »Als ich zu den Ashlands kam, war Les Glenford bereits gefeuert worden«, berichtete Gerald, der sichtlich auftaute und Zutrauen faßte, »es hieß, er habe versucht, sich Jane zu nähern. Sie wissen schon, was ich meine. Stringale war zu dieser Zeit bereits im Haus der Ashlands ...« »Und schon der Freund von Mrs. Ashland?« fragte Rander. »So genau weiß ich das nicht, aber Stringale und Jane verstanden sich gut, was ich so bemerkte. Per Distanz, aber sie war oft mit ihm im Swimming-pool und ritt auch oft mit ihm aus.« »Wo war das?« »Ashlands Landhaus liegt bei Bend ..., Sie kennen den Ort...?« »Etwa zwölftausend Einwohner, an den Ufern des Deschutes River gelegen«, dozierte der Butler prompt, der wieder einmal wie ein Computer reagierte, »ein Fluß, der für seine Forellen berühmt ist. Von Bend aus, etwa einhundertdreißig Meilen von diesem Naturpark entfernt, sind landschaftlich äußerst reizvolle Besucherfahrten zu unternehmen.« »Aber Ashlands Büro befindet sich doch in Portland, oder?« »Dort ist er häufig, aber übers Wochenende fliegt er nach Bend. Das Landhaus gehörte früher mal Dehlinger, wie Stringale mir erzählte.« »Wie interessant! Und wann wechselte es den Besitzer? Nach Dehlingers Erschießung?« »Einige Monate davor. Ashland kaufte es völlig regulär.« »Wissen Sie zufällig, wo Dehlinger von der Polizei gestellt wurde? « »Davon hat Stringale mal erzählt, als er angetrunken war. Es war in Salem.« »Na, Parker, wo bleiben die näheren Auskünfte?« fragte Rander und sah seinen Butler amüsiert an. »Fünfzig Meilen südlich von Portland«, gab Parker prompt Antwort, »am Willamett River gelegen, Hauptstadt des Staates Oregon und Zentrum der modernsten Farmen dieses Staates.« 54
»Richtig«, sagte Gerald, »und dort stellte ihn die Polizei. Dehlinger muß sich in einer Etage verschanzt haben. Es dauerte Stunden, bis man ihn ausräuchern konnte. Als er dann flüchten wollte, wurde er erschossen.« »Dehlinger muß nach dem Platzen seiner Bande viel unterwegs gewesen sein!« »Darüber weiß ich zu wenig. Was ich mitbekam, hörte ich von Stringale.« »Der jetzt wie Ashland hinter Dehlingers Kassette her ist.« »Stimmt, Mister Rander. Wie Jane sagte, muß es sich um ein Vermögen handeln.« »Beschäftigen wir uns mal mit dieser Schatzsuche, Gerald. Suchte Ashland eigentlich systematisch nach dieser Kassette, oder hatten Sie den Eindruck, daß er eigentlich nur auf einen glücklichen Zufall hoffte?« »Bestimmt nicht. Er scheint ungefähr zu wissen, wo die Kassette ist.« »Im Kraterkessel?« »Dort muß es sein!« »Und wie sieht's mit Stringale aus? Warum setzte er sich von Ashland ab? Waren sie nicht erst zusammen?« »Sie bekamen Streit. Jane behauptete, Stringale wäre zudringlich geworden. Was ich übrigens wirklich glaube. Ashland schmiß ihn raus.« »Wann ging diese Geschichte über die Bühne?« »Vor diesem Ausflug in die Berge.« »Auch Stringale scheint nicht genau zu wissen, wo die Kassette sich befindet«, sagte Rander, sich an seinen Butler wendend, »wäre es anders, hätte er sich mit seiner Beute doch längst abgesetzt.« »In der Tat, Sir! Es scheint demnach nicht so einfach zu sein, an das Vermögen heranzukommen. Mister Gerald, beschäftigen wir uns noch einmal mit dem Kraterkessel. War er das Ziel, von dem Stringale und Ashland sprachen?« »Bestimmt. Um diesen Kraterkessel ging es von Anfang an!« »Man müßte sich wirklich noch einmal mit Mister Stringale unterhalten«, schlug Josuah Parker vor. »wenn mich nicht alles täuscht, muß er Mister Dehlinger seinerzeit restlos mißverstanden haben. Vielleicht ging es um einen ganz anderen Kraterkessel.« *** Es war dunkel geworden. Rander, Parker und Gerald Manster, wie er mit vollem Namen hieß, hatten sich zurück an den Rand des Kraterkessels gepirscht und hier Posten bezogen. Tief unter ihnen brannte ein kleines Lagerfeuer. Dort hielten sich wahrscheinlich Jane und Artie Ashland auf. Es war nicht anzunehmen, daß sich Les Glenford ihnen zugesellt hatte. »Ziemlich leichtsinnig, ein Feuer zu machen«, sagte Rander leise zu seinem Butler. Gerald Manster war eingeschlafen und beteiligte sich nicht an dieser Unterhaltung. 55
»Dieses Feuer, Sir, dürfte ein Trick Mister Ashlands sein. Er will damit Gäste anlocken.« »Stringale?« »Gewiß, Sir, und vielleicht auch unseren Gast Gerald Manster!« »Der einen prächtigen Schlaf hat.« »Den zu spenden ich mir erlaubte, Sir. Um etwas mehr Bewegungsfreiheit zu erlangen, gestattete ich mir, seinem Tee ein gutes und entspannendes Schlafmittel beizumischen.« »Sie denken aber auch wirklich an alles, Parker!« Rander lächelte, »fassen wir zusammen, mit welchen Personen wir's zu tun haben. Da sind einmal die Ashlands, dann Stringale und schließlich Les Glenford.« »Und ich möchte annehmen, Sir, daß sich alle diese Personen bereits im Kraterkessel befinden.« »In der freundlichen Absicht, sich gegenseitig umzubringen.« »Wobei ich Mister Les Glenford etwas in Schutz nehmen möchte. Er ist das, Sir, was man vielleicht einen ahnungslosen Engel nennen könnte.« »Warten wir's ab.« Parker nickte und sah wieder hinunter zum Lagerfeuer, das wie ein etwas zu groß geratenes Glühwürmchen durch die Nacht glomm. Es war frisch geworden und Wind kam auf. »Was halten Sie davon, Parker, wenn wir uns langsam nach unten bemühen?« meinte Rander, den es nicht länger hielt, auf Dinge zu warten, die doch kommen mußten. »Ich erlaube mir, Sir, Ihren Vorschlag als erlösend zu bezeichnen«, antwortete der Butler, »vielleicht ist man in der glücklichen Lage, dort unten beschwichtigend wirken zu können.« *** Stringale streunte wie ein hungriger Wolf vorsichtig um das kleine Lagerfeuer herum und richtete seine Aufmerksamkeit immer wieder auf das Vorratszelt. Nicht etwa, weil er hungrig war. Aber seiner Ansicht nach befand sich in diesem kleinen Spitzzelt das Ehepaar Ashland. Stringale war bewaffnet und hätte durchaus einen Angriff riskieren können. Aber irgend etwas hielt ihn davon ab. Er traute dem Frieden nicht. Er rechnete mit einer Falle. Immerhin wußte er nur zu gut, aus welchem Holz Ashland geschnitzt war. Es paßte eigentlich nicht zu ihm, sich wie auf einem Präsentierteller anzubieten. *** Les Glenford befand sich in einer ähnlichen Situation. Nachdem er sich mit Jane Ashland getroffen und sie ihn nach allen Regeln der Kunst eingewickelt hatte, war er außer Rufweite des Lagers getürmt. 56
Nicht, um für immer zu gehen. Keineswegs. Er war von Jane vorprogrammiert worden. Er hatte von ihr einen ganz bestimmten Auftrag erhalten. Und diesen Auftrag wollte er um jeden Preis ausführen. Les war bewaffnet und wartete auf seine Chance, um Jane endlich aus den Klauen dieses tyrannischen Mannes zu befreien. *** Jane lag tatsächlich im Vorratszelt, aber sie war allein. Nach der Rückkehr ihres Mannes war zuerst alles normal verlaufen. Aber nach Einbruch der Dunkelheit hatte Artie seine Frau ohne jede Vorankündigung mit einem bösen Jagdhieb ohnmächtig geschlagen. Als Jane wieder zu sich kam, lag sie, an Händen und Füßen sehr sorgfältig verschnürt, im Vorratszelt und hatte keine Möglichkeit, den dicken, quälenden Knebel auszustoßen, den Artie ihr in den Mund gebohrt hatte. Noch nie in ihrem Leben war sie sich so wehr- und hilflos vorgekommen wie jetzt. Jane hatte Zeit, sich gewisse Pläne noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Pläne, die nur ihrem eigenen Vorteil dienen sollten. Es sah so aus, als hätte Artie endlich Verdacht geschöpft. Alles deutete darauf hin, daß er auch mit ihr kurzen Prozeß machen würde. Einen Mord an ihr konnte er später leicht auf andere Mitverschwörer lenken. Jane hatte es längst aufgegeben, sich befreien zu wollen. Artie war mit größter Sorgfalt zu Werke gegangen und jedem Risiko ausgewichen. Jane fror erbärmlich unter dem dünnen Zeltstoff, und sie hatte eigentlich nur noch Angst. *** Artie Ashland befand sich auf einem improvisierten Hochsitz, den er sich auf dem mächtigen Querast einer Fichte angelegt hatte. Mit dem Rücken zum Stamm sitzend, beobachtete er das Zelt und das kleine Lagerfeuer, das immer tiefer brannte. Artie wartete auf günstige Fangschüsse. Er hatte längst herausgefunden, daß die Gegner um das Lager herumstrichen. Zu sehen war natürlich nichts. Und es wäre sinnlos gewesen, sich durch einen ungezielten Schuß zu verraten. Ashland wußte, daß es jetzt erst mal um sein Leben ging. War das gerettet, kam die Dehlinger-Kassette an die Reihe. Der Verbrecher dachte an einen gewissen Anwalt Mike Rander und an einen Butler Parker. Er ärgerte sich, daß er dieses Duo von Anfang an völlig unterschätzt hatte. Diese beiden äußerlich so ungleichen Männer hatten ihm und seinen Plänen einen Streich nach dem anderen gespielt. Ob sie sich auch in der Nähe befanden? Auch sie mußten doch eigentlich vom Lagerfeuer angelockt worden sein. 57
Artie Ashland rückte sich ein wenig auf seinem Hochsitz zurecht und wartete. Noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben. Sobald hier reiner Tisch gemacht worden war, wollte er sich um die Kassette kümmern und den Inhalt allein genießen. Vor allen Dingen ohne Jane, die ihn inzwischen anwiderte. Sie hatte auf jeder sich nur bietenden Hochzeit getanzt. Und sie würde ihn umbringen, falls er nicht schneller war. *** »Für Sie hat die Nacht wohl private Lichter aufgesteckt«, sagte Rander leise zu seinem Butler. Parker deutete auf seinen Ohrclip, in dem jetzt die Sendeimpulse eines gewissen Miniatursenders zu hören waren. Sie kamen bereits laut und deutlich, ein sicheres Zeichen dafür, daß Les Glenford sich in der Nähe befand. »Würden Sie mich freundlicherweise einige Minuten entbehren können, Sir? Ich möchte Mister Les Glenford erst einmal aus dem Verkehr ziehen.« Rander nickte, und Parker verschwand in der Dunkelheit. Der Butler hatte es wirklich leicht, an Glenford heranzukommen. Der Minisender unter der Lederjacke des Mannes zirpte die genaue Richtung. Les Glenford wurde völlig überrascht. Er lag hinter einem umgestürzten Baumstamm, die Winchester im Anschlag. Er belauerte das Lagerfeuer und merkte überhaupt nicht, daß über seinem Kopf der bleigefütterte Bambusgriff eines gewissen Regenschirms schwebte. Erst als dieser Bambusgriff sich auf seinen Hinterkopf legte, zuckte der Mann zusammen, um sich dann wohlig auszustrecken. Für Les Glenford war die Treibjagd vorüber. Das Zelt war der Köder in der mörderischen Falle, das stand auch für den Butler fest. Parker entschloß sich, diesen Köder etwas zu beleben. Er holte sein Zigarrenetui hervor, schraubte eine der Zigarren auf und schüttete sich einige Knallerbsen in die hohle Hand. Knallerbsen einer Eigenproduktion, wie zusätzlich gesagt werden muß. Von den handelsüblichen Sprengkörpern unterscheiden sich diese Wurfkörper durch eine kräftige Spezialladung. Parker warf insgesamt drei Spezial Knallerbsen hinüber zum Zelt. Ein Außenstehender mußte den Eindruck gewinnen, daß hier freigebig mit Handgranaten gespielt wurde. Nacheinander detonierten die Geschosse mit scharfem Knall. Worauf sich einiges tat. Vor lauter Angst rollte sich Jane nach draußen, um damit Stringale ein Ziel zu bieten. Auf diesen Moment hatte er in seinem Versteck nur gewartet. Jane bäumte sich stumm auf, als das Geschoß in ihren Oberschenkel schlug. Einen zweiten Schuß konnte Stringale nicht mehr anbringen, denn nun war Artie Ashland an der Reihe. Am Aufblitzen des Mündungsfeuers hatte er den Standort des Schützen entdeckt. 58
Hemmungslos und absichtlich ein wenig streuend, feuerte er Schuß auf Schuß in Richtung des Schützen ab. Stringale, in der rechten Brust getroffen, torkelte wie ein Betrunkener aus dem Unterholz, schleppte sich zum Lagerfeuer und fiel neben Jane zu Boden. Artie Ashland beugte sich vor, um besser sehen zu können. Er wollte seinem Todfeind Stringale den Fangschuß verpassen und gleichzeitig auch Jane erledigen. Doch dazu kam es nicht mehr. Ein buntgefiederter Pfeil landete in seinem linken Handgelenk. Zuerst spürte Artie Ashland nichts davon, dann aber, als der Einstich zu brennen begann, entdeckte er den Pfeil, riß ihn entsetzt aus der kleinen Stichwunde und rutschte bereits haltlos von seinem Hochsitz herunter. »Vorsichtig, Sir!« sagte Parker zu seinem jungen Herrn, der aus der Deckung gekommen war, um seinem Butler beizustehen. Parker stand unter den Ästen der Fichte und zog Mike Rander etwas zur Seite. Dicht vor dem Anwalt landete Artie Ashland auf dem Boden, der hier, erfreulicherweise für ihn, durch reichlich Humus relativ weich war. »Fallobst, Sir, im wahrsten Sinn des Wortes«, sagte Parker und deutete auf Artie Ashland, »ich denke, man kann diesen Fall jetzt langsam beenden. Besondere Überraschungen sind nicht mehr zu erwarten.« »Von der Kassette mal abgesehen, Parker, haben Sie vollkommen recht«, gab Rander lächelnd zurück, »diese Raubtiere haben sich gegenseitig außer Gefecht gesetzt.« *** Hale Surton, der hagere, mittelgroße G-man aus Portland kam ihnen aufgeregt entgegen. »Ich habe alle Unterlagen mitgebracht«, sagte er zu Rander und Parker, »Sie ahnen ja nicht, mit wem Sie es zu tun haben. Ich werde gleich ein paar SpecialAgenten anfordern.« Rander und Parker hatten ihr hochbeiniges Monstrum vor dem Motel verlassen und kamen auf Surton zu. »Hallo, Surton«, sagte Rander nach der Begrüßung durch Handschlag, »nett, Sie wieder zu sehen.« »Ich möchte mich den Worten meines Herrn anschließen«, sagte Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Was Ihr Hilfsangebot betrifft, Sir, so würde ich dringend davon abraten.« »Hier geht es um einen Millionenbetrag, wenn mich nicht alles täuscht«, sagte Surton, »Dehlinger muß vor seinem Tod noch sein Privatvermögen weggeschafft haben.« »In der Tat, Sir!« »Stringale ist ein brutaler Mörder!« 59
»Dies, Sir, ist Mister Rander und meiner Wenigkeit bekannt.« »Diese Jane Ashland. Eine Gangstermolly reinsten Wassers. Sie war früher die Freundin von ...« »Auch diese Qualitäten,; Sir, sind Mister Rander und mir bekannt.« »Von Ashland selbst gar nicht zu reden. Er geht über Leichen.« »Er wird Ihnen das bestätigen, Sir.« »Ich, ich verstehe Sie nicht. Was soll das heißen?« »Parker, zeigen Sie mal unsere Jagdbeute!« Rander nickte dem Butler zu, der den hinteren linken Wagenschlag seines hochbeinigen Monstrums öffnete. Surton staunte das, was man laut Volksmund Bauklötze genannt hätte. Jane und Artie Ashland, Stringale, Les Glenford und Gerald Manster hatten es sich im Fond notdürftig bequem gemacht. Bis auf Gerald trugen sie alle Handschellen und sahen recht unglücklich aus. Was einmal mit ihren leichten Verletzungen zusammenhing, zum anderen mit dem Gefühl, restlos verspielt zu haben. »Einen gewissen Paul Hanley ...« »Auch ein Gangster, der ohne Gnade schießt. Sie müssen höllisch auf ihn aufpassen.« »Diesen besagten Mister Hanley werden Sie tot in einer Felsspalte finden«, sagte Parker gemessen, »er geht auf das Konto von Mister Ashland, wie ich hinzufügen möchte.« »Sie haben sie alle bereits kassiert?« »Es gab sich so, Sir.« »Allein?« »Selbstverständlich zusammen mit meinem Herrn, Sir. Mister Rander und meine Wenigkeit hoben die Schonzeit auf, wenn ich' mich so ausdrücken darf.« »Sagenhaft.« »Sie sollten nicht zu früh Lob spenden, Sir«, meinte Parker. »Richtig«, warf Rander ein, »da wäre noch die Dehlinger-Kassette.« »Diese letzte Kleinigkeit des Falles werden Ihre Mitarbeiter mit Sicherheit und Schnelligkeit erledigen, Sir.« »Wir haben nämlich keine Zeit mehr«, schloß Mike Rander lächelnd, »ob Sie es glauben oder nicht, eigentlich kamen wir hierher, um Forellen und Lachse zu angeln. Wenn Sie nichts dagegen haben, werden wir damit endlich anfangen.« »Sollten Sie mich allerdings zu einer Mitarbeit einladen, Sir«, sagte Parker schnell, »würde ich mich von Mister Rander gern für einige Tage beurlauben lassen. Ich stelle mir die Suche nach einer Kassette äußerst anregend vor, zumal ich ja wohl einen gewissen Finderlohn beanspruchen kann, falls ich sie finde.« »Einverstanden«, Surton lächelte breit. »Womit ich meine Absicht sofort und gleich in die Tat umsetzen werde, Sir!« Parker nickte Surton zu und wandte sich an Mike Rander. »Darf ich Sie höflichst um einige Tage Urlaub bitten, Sir? Wie Ihnen bekannt sein dürfte, konnte ich mich bisher noch nie für den Fang von Fischen begeistern. Ich bin, um ehrlich zu sein, mehr für die Jagd auf Großwild.« 60
*** »Wenn er die Kassette hier tatsächlich versteckt hat, werden wir sie niemals finden«, sagte Hale Surton. Der G-man stand am Rand des Kraters und sah nach unten. Im Miniaturdschungel auf dem Boden des Kessels waberte Morgennebel. »Haben Stringale oder Artie Ashland irgend etwas gesagt?« fragte Mike Rander. Obwohl er Forellen angeln wollte, war er mit dabei. Nicht aus Neugier, wie er Surton lächelnd versichert hatte, sondern wegen Parker, um ihn nicht aus dem Auge zu verlieren. Parker stand schräg hinter seinem jungen Herrn und schien sich für die Kassettensuche schon gar nicht mehr zu interessieren. Aber vielleicht überlegte er auch, wie Dellinger sich damals wohl verhalten haben mochte, als er das Corpus delicti versteckte. »Stringale und Ashland schweigen sich natürlich aus«, gab Surton zurück, »verständlich übrigens. Sie werden das Versteck oder die ungefähre Lage der Kassette niemals preisgeben. Jeder von ihnen rechnet doch damit, sich irgendwie durch die Gerichtsverhandlung winden zu können. Und dann werden sie sich mit Gier auf dieses Dehlinger-Vermögen stürzen.« »Ich schlage vor, wir sehen uns unten im Kraterkessel mal etwas näher um.« Die drei Männer, die am frühen Morgen aufgebrochen waren, stiegen langsam in die Tiefe. Surton sah sich das provisorische Lager an und folgte dann Rander und Parker hinüber in das Trümmergewirr, in dem Paul Hanley von Ashland erschlagen worden war. »Und das hier ist die Felsspalte, in die Hanley geworfen wurde«, erläuterte Rander, »ich fürchte, Ihre Leute werden viel Arbeit haben, den Toten zu bergen.« Über Sprechfunk, mit dem Surton sich ausgerüstet hatte, beorderte der FBIAgent seine Mitarbeiter zum Kraterkessel. Dann schloß er sich wieder Rander und Parker an. Nach zehn Minuten hatten sie jene Stelle erreicht, an der Ashland nach der Kassette gesucht hatte. »Sieht aus wie ein verlassener Stollen«, meinte Surton und deutete auf einen höhlenartigen Einschnitt im Fels. . »Wie ich von der Parkverwaltung erfuhr, Sir, wurden hier niemals Mineurarbeiten durchgeführt«, schaltete der Butler sich ein, »es muß sich um eine natürliche Höhle handeln.« »Sehen wir sie uns doch an!« Surton war nicht mehr zu halten und schob sich ins Dunkel. Schon nach wenigen Metern fanden sie heraus, warum Ashland so verzweifelt herumgepickelt hatte. Der waagerechte Felsspalt war von Geröll, Erde und Lehm völlig verkeilt. Die Spuren von Spitzhacke und Schaufel waren deutlich zu erkennen. 61
»Was sagen Sie dazu, Parker? « Rander wandte sich an seinen Butler, der nachdenklich auf diesen Riesenverschluß der Felsspalte blickte. »Ich möchte annehmen, Sir, daß Mister Artie Ashland nach allen Regeln der Kunst getäuscht wurde.« »Wieso?« fragte Surton. »Dieser Verschluß dürfte meiner bescheidenen Ansicht nach älter als acht Jahre sein.« »Sie glauben, daß Stringale seinen früheren Teilhaber Ashland auf die falsche Fährte gesetzt hat?« »Ich möchte dies unterstellen, Sir.« »Okay, angenommen, Sie haben recht, Parker. Warum hat Stringale sich dann nicht abgesetzt und die Kassette dort geholt, wo sie ist. Stringale allein konnte und kann doch nur wissen, wo dieses verdammte Ding steckt.« »Stringale dürfte es darum gegangen sein, Sir, Mister Ashland nachdrücklich zu beseitigen. Und dies bot sich in dieser grandiosen Bergwildnis geradezu einmalig an.« »Da ist was dran«, sagte Rander, der aufmerksam zugehört hatte. »Stringale lockt seinen früheren Teilhaber Ashland hierher in den National-Park, hetzt ihn auf das vermeintliche Versteck und macht gleichzeitig Treibjagd auf ihn. Und je mehr er auf Ashland schießt, desto fester mußte Ashland daran glauben, daß er an der richtigen Stelle gräbt.« »Eine nette Theorie«, sagte Surton, »demnach hätte Stringale seinen Teilhaber Ashland von der richtigen Stelle weggelockt!« »Sehr wahrscheinlich«, meinte Anwalt Rander, »aber wo ist die richtige Stelle?« »Ich glaube, Sir, mit einer weiteren Theorie dienen zu können«, sagte Parker, um dann Surton anzusprechen, »ich glaube ferner, Sir, daß Sie gerade die richtige Lösung geliefert haben.« »Ich!?« Surton war natürlich mehr als erstaunt. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er da angestellt ha: ben sollte. »Sie, Sir!« Parker nickte noch einmal, »ich darf darauf verweisen, daß Mister Ashland seinerzeit den Landsitz Mister Dehlingers kaufte.« »In Bend, nicht wahr? « Rander sah seinen Butler interessiert an: Er war hellhörig geworden. »In der Tat, Sir! Dehlinger befand sich später auf der Flucht, nachdem seine Bande von der Polizei zerschlagen worden war. Wir dürfen und müssen unterstellen, daß er die bewußte Kassette mit sich führte ...« »Sie glauben, Dehlinger habe die Kassette damals auf dem Gelände seines früheren Landsitzes versteckt?« »Ein Gelände, Sir, das er mit Sicherheit mehr als gründlich kannte. Wenn ich mir einen Rat erlauben darf, Sir, so sollte man sich diesen Landsitz einmal aus der Nähe ansehen. Vielleicht ist es ratsam, Mister Stringale mitzunehmen.« *** 62
Es war weit über Mittag, als sie Dehlingers Landsitz erreicht hatten. Das breit gelagerte Haus im Rancher-Stil stand außerhalb der kleinen Stadt in einer wahrhaft idyllischen Umgebung. Da war die große Talsenke, die zu beiden Seiten von hohen Felsflanken anstieg, stand das Landhaus, das aus einem Haupthaus, einigen Stallungen und Scheunen bestand. Den Zugang zu dieser grünen Talsenke bildete eine gut ausgebaute Straße mit Schotterbelag. Auf diesem Zufahrtsweg stand das hochbeinige Monstrum des Butlers, in dem sich außer Rander und Surton auch noch Stringale befand. Stringale war während der Fahrt nach Bend immer ruhiger und nachdenklicher geworden. Jetzt starrte er fast finster auf den Landsitz seines ehemaligen Bandenchefs. »Hier muß die Kassette sich meiner bescheidenen Ansicht nach befinden«, sagte Parker, »wie denken Sie darüber, Mister Stringale?« »Quatsch!« Stringale war gereizt. Zu gereizt, wie Parker bemerkte. »Sind meine Schlußfolgerungen wirklich derart abwegig?« »Warum hab' ich mir das Ding dann nicht längst unter den Nagel gerissen?« wollte Stringale wissen. »Sie hatten Zeit, wenn ich es so ausdrücken darf... Und Sie mußten vorsichtig sein! Der Landsitz wurde von Mister Ashlands Angestellten immer sehr gut überwacht. Sie konnten also nicht ungestört Ihren Schatz bergen ... Zuerst mußten Sie Mister Ashland beseitigen. Dann hätten Sie das gehabt, was man freie Hand nennt!« »Sie spinnen ja!« Stringales Stimme war nicht besonders fest. Parkers Schlußfolgerungen schienen ihm auf die Nerven zu gehen. »Betrachten wir uns das Panorama ...« redete der Butler weiter, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen. Rander und FBI-Agent Surton verhielten sich schweigend. Sie hatten beide das Gefühl, daß der Butler sich auf der richtigen Fährte befand. Parker deutete mit seiner schwarzbehandschuhten rechten Hand nach unten, »betrachten wir uns das Panorama. Darf ich fragen, was Ihnen besonders auffällt?« »Das Haus natürlich«, sagte Surton. »Der Wasserfall«, meinte der junge Anwalt, »sieht toll aus, wie er da über die Felswand kommt.« Rander hatte nicht übertrieben. Ein Wasserfall schoß auf der rechten Talseite über eine Felswand nach unten und produzierte am laufenden Band Gischt und eine Art Wassernebel. Der Wasserfall ergoß sich in einen künstlich angelegten Teich, der den sonst obligaten Swimmingpool ersetzte. »In der Tat, Sir, der Wasserfall!« bestätigte Parker und schaute verstohlen in den Rückspiegel. 63
Stringales Gesicht war plötzlich blaß. Seine Kiefernmuskeln mahlten. Er nagte an der Unterlippe. »Hoffentlich ist die Kassette wasserdicht«, redete der Butler gemessen weiter und ließ Stringale diesmal nicht aus den Augen. »Ich denke da an die Aktienpapiere, die sich in .ihr befinden sollen...« »Fahren Sie endlich weiter!« forderte Stringale plötzlich mit rauher Stimme. »Warum schreiben Sie keine Krimis? Ihre Phantasie müßte ausreichen!« »Gönnen Sie mir das Vergnügen, meine Phantasie noch etwas zu pflegen«, entgegnete der Butler. Rander und Surton hatten sich zu Stringale umgewandt, der lauernd-gespannt auf dem Rücksitz des hochbeinigen Monstrums saß. »Sie können suchen, solange Sie wollen, das Versteck werden Sie niemals finden!« Stringale gab sich überlegen, doch er wirkte damit nicht sehr überzeugend. Man sah ihm deutlich an, daß Parkers Schlußfolgerungen ihn bereits in die Enge getrieben hatten. »Versetzen wir uns in die Lage Mister Dehlingers, der sich seinerzeit auf der Flucht vor der Polizei befand«, meinte der Butler gelassen und überlegend zugleich. »Mister Dehlinger mußte stündlich damit rechnen, gefaßt zu werden. Er hatte die bewußte Kassette bei sich und mußte sie so schnell wie möglich loswerden. Er suchte nach vertrautem Boden, um sie dort zu verstecken. Und er war erwiesenermaßen hier auf dem Landsitz, bevor er gestellt wurde.« Stringale sagte überhaupt nichts. »Mister Dehlinger kommt also hierher, wo inzwischen Ashland wohnt. Ihm selbst will und kann er nicht trauen ... Aber Dehlinger weiß wahrscheinlich von früher her, wo er die Kassette sicher unterbringen kann. Er beschließt, dieses Versteck zu benutzen.« Stringale senkte den Kopf und nagte weiter an seiner Unterlippe. »Dehlinger läßt die Kassette zurück, kehrt dieser Gegend den Rücken und wird wenig später von der Polizei gestellt... Sie, Mister Stringale, wissen sehr wohl, daß die Kassette sich hier auf dem Landsitz befinden muß.« »Selbst wenn ... Aber wo?« Stringales Stimme klang plötzlich höhnisch. »Unter dem Wasserfall«, sagte Parker, der einen Schuß ins Blaue riskierte. Es war ein Volltreffer! Stringale lachte zwar gequält, höhnisch auf, aber Rander und FBI-Agent Surton wußten, daß Parker mit seiner Behauptung richtig lag. *** Sie standen am Teich, in den sich der Wasserfall ergoß. Ein dumpfes Brausen erfüllte die Luft, Wasserschleier, von der Sonne vergoldet, wehten durch den Äther. »Und jetzt?« fragte Stringale, ohne daß man ihn zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte. »Und jetzt? Mit Zitronen gehandelt, wie?« 64
Es sah danach aus. Das Wasser schoß etwa zehn Meter höher über den Felsrand und donnerte nach unten. Der Abstand zwischen dem Wasser und der Felswand betrug etwa zwei bis drei Meter unten am Teich. Gischt schäumte hoch, wühlte das Wasser auf, bildete eine Art Wasserwalze, die etwa zwei Meter im Durchmesser betrug. Hinter dieser Walze war von der Felswand kaum etwas zu sehen. »Vielleicht läßt es sich ermöglichen, Sir, einen erstklassigen Schwimmer hierher zu beordern. Er müßte unter der Wasserwalze hinwegtauchen und dann am Fuß des Felsens nach der Kassette suchen.« Stringale verlor die Nerven. Er wußte, daß er verspielt hatte, wollte aber in seine Niederlage den Butler mit hineinziehen. Obwohl der Gangster Handschellen trug, warf er sich auf den Butler, um zusammen mit ihm ins Wasser zu stürzen. Parker, der im Moment nicht für ein Bad zu haben war, trat geschickt zur Seite. Stringale schrie auf und flog an Parker vorbei in das aufschäumende Wasser. Er verschwand sofort unter der Wasseroberfläche. »Gratuliere«, sagte Surton, ohne sich um Stringale zu kümmern, der jetzt auftauchte und verzweifelt mit den gefesselten Armen das Wasser schlug, »wann fangen Sie bei uns an?« »Nie!« sagte Rander lächelnd, »Parker wird von mir noch dringend gebraucht.« »Vielleicht sollte man etwas für Mister Stringale tun?« schlug der Butler vor. Gleichzeitig fischte er mit dem Bambusgriff seines Regenschirms nach Stringales Hände, hakte hinter die Handschelle und zog den Mann an Land. »Ich könnt' Sie umbringen ...«, schluchzte Stringale, der völlig entnervt war, »ich könnt' Sie umbringen!« »Im Laufe der Jahre, die Sie in einem einschlägigen Zuchthaus mit Sicherheit verbringen werden, Mister Stringale, werden Sie sich möglicherweise eines anderen besinnen«, erwiderte Parker würdevoll, »aber ich freue mich, daß Ihre Drohungen die Richtigkeit meiner Theorie bestätigen!« »Bringen Sie mich weg«, sagte Stringale leise und starrte hinüber auf die tanzende Wasserwalze, »ich begreif einfach nicht, wie Sie das Versteck finden konnten. Ich begreif’s einfach nicht!« »Ich ziehe meinen Hut«, sagte Surton leise zu Rander, »Ihr Butler hat eine tolle Nase.« »Wem sagen Sie das?« reagierte Rander seufzend, »wieso könnte ich sonst von einem Fall in den anderen stolpern. Ich wünsch' mir manchmal, Parker hätte einen kräftigen Schnupfen, damit ich endlich meine Ruhe habe!« ENDE
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Nächste Woche erscheint Butler-Parker-Auslese Band 85
Günter Dönges
PARKER klopft im Jenseits an
Scan: crazy2001 @01/2011 Corrected: santos22
Butler .Parker Auslese erscheint wöchentlich im Zauberkreis Verlag, Abteilung der Erich Pabel Verlag GmbH, 7550 Rastatt, Telefon (07222) 13-1. Redaktion, Druck und Vertrieb: Erich Pabel Verlag GmbH. Anzeigenleitung: Verlagsgruppe Pabel-Moewig Pabelhaus, 7550 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rolf Meibeicker. Zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 23. Verkaufspreis inkl. gesetzl. MwSt. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: Morawa + Co., Saarlachstr. 7, A-5020 Salzburg. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Genehmigung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Einzelheft-Nachbestellungen sind zu richten an: PV Buchversand, Postfach 51 0331, 7500 Karlsruhe 51. Lieferung erfolgt bei Vorauskasse zzgl. DM 3,50 Porto- und Verpackungskostenanteil auf Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 85 234-751 oder per Nachnahme zum Verkaufspreis zzgl. Porto- und Verpackungskostenanteil. Ab DM 40,- Bestellwert erfolgt Lieferung porto- und verpackungskostenfrei. Abonnement-Bestellungen sind zu richten an: Pabel Verlag GmbH, Postfach 1780. 7550 Rastatt. Lieferung erfolgt zum Verkaufspreis plus ortsüblicher Zustellgebühr. Printed in Germany. Dezember 1985
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