Melanie Diermann Regierungskommunikation in modernen Demokratien
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Melanie Diermann Regierungskommunikation in modernen Demokratien
Studien der NRW School of Governance Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Karl-Rudolf Korte, Universität Duisburg-Essen
Melanie Diermann
Regierungskommunikation in modernen Demokratien Eine modellbasierte Analyse sozialpolitischer Diskurse im internationalen Vergleich
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Der Fakultät Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen zur Erlangung des akademischen Grades Dr. rer. pol. von Melanie Diermann, geboren in Gelsenkirchen, vorgelegte Dissertation mit dem Titel "Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien" Tag der Einreichung: 18.06.2010 Erstgutachter: Univ.-Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte Zweitgutachterin: Univ.-Prof. Dr. Ulrike Berendt
. . 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Frank Schindler / Verena Metzger VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17980-3
„Institutionen, nicht Annahmen verringern die empirische Vielfalt.“ Fritz W. Scharpf
Inhalt
I. Untersuchungsrahmen und Modellentwicklung
11
1
Fragestellung und Untersuchungsgegenstand 1.1 Regierungskommunikation als Akteurshandeln 1.2 Die Bedeutung des institutionellen Kontextes 1.3 Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen
13 15 16 17
2
Stand der Forschung und Verortung der eigenen Fragestellung 2.1 Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen 2.2 Der institutionelle Kontext von Regierungskommunikation 2.3 Forschungslücke und Verortung der eigenen Fragestellung
20 22 23 26
3
Theoretischer Zugang 3.1 Die Spannweite „klassischer“ neo-institutionalistischer Theorien 3.2 Der historische Neo-Institutionalismus als Ausgangspunkt 3.3 Der akteurszentrierte (Neo-)Institutionalismus von Scharpf und Mayntz 3.4 Die Erweiterung des neo-institutionalistischen Spektrums von Schmidt 3.5 Die Vorzüge spieltheoretischer Modellierungen
28
4
5
Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation 4.1 Konzeptspezifikation und Operationalisierung 4.2 Orientierungshypothesen zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation 4.3 Möglichkeiten und Grenzen der Anwendbarkeit des Modells Länderauswahl und methodische Vorgehensweise 5.1 Länderauswahl 5.2 Methodische Vorgehensweise in den Länderanalysen 5.3 Auswahl der Fallbeispiele
29 32 33 37 39 42 45 54 56 57 58 59 60
8 6
Inhalt
Zwischenfazit
64
II. Anwendung des Modells in Fünf Länderanalysen
73
7
Regierungskommunikation in Deutschland 7.1 Institutioneller Kontext 7.2 Fallbeispiele 7.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
75 75 76
Regierungskommunikation in Großbritannien 8.1 Institutioneller Kontext 8.2 Fallbeispiele 8.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
90 90 92
8
9
85
100
Regierungskommunikation in Frankreich 9.1 Institutioneller Kontext 9.2 Fallbeispiele 9.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
105 105 107
10 Regierungskommunikation in Schweden 10.1 Institutioneller Kontext 10.2 Fallbeispiele 10.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
119 119 120
11 Regierungskommunikation in den USA 11.1 Institutioneller Kontext 11.2 Fallbeispiele 11.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
132 132 134
III. Fazit
155
12 Abschließende Reflexion der Orientierungshypothesen
157
13 Abschließende Betrachtung der kommunikativen Korridore der Beispielländer
166
14 Abschließende Beantwortung der Fragestellung
169
114
127
147
Inhalt
9
Anhang
173
Literaturverzeichnis Abbildungsverzeichnis Danksagung
175 197 200
I. Untersuchungsrahmen und Modellentwicklung
1 Fragestellung und Untersuchungsgegenstand
Barack Obama ist erfolgreich. Er konnte in den USA wegweisende Reformen implementieren, an denen seine Vorgänger und Mitbewerber zuvor gescheitert waren, nachdem ihm als wenig aussichtsreicher Kandidat ein triumphaler Einzug in das Weiße Haus gelungen war. „Was genau macht Obama erfolgreich?“ lautet insofern die viel gestellte Frage, die seither in zahllosen Publikationen erörtert und mit zahllosen Erkenntnissen bedacht worden ist. Aus der Sicht der politischen Praxis ist dabei vor allem die Frage nach der Möglichkeit des „Lernens von Obama“ von Interesse, weil die Vorstellung, mit seinen Kommunikationsstrategien auch ihr Erfolgspotential zu übernehmen, einen gewissen Reiz ausübt. Aber: Wäre Barack Obama damit in Schweden überhaupt erfolgreich? Oder: Hätte Tony Blair auch als Regierungschef in Deutschland New Deals mit Arbeitssuchenden durchsetzen können, während Gerhard Schröder als Bundeskanzler daran scheiterte? Abbildung 1:
Aufbau der Arbeit
Quelle: Eigene Darstellung. Bereits ein kurzer Blick auf den Stand der Forschung über Regierungskommunikation in modernen Demokratien lässt erkennen, dass sich die Kommunikationsstrategien von Regierungen und – noch wichtiger – auch ihr Erfolgspotential von
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
14
1 Fragestellung und Untersuchungsgegenstand
Land zu Land und von Fall zu Fall erheblich unterscheiden können. So hatten beispielsweise nacheinander der amerikanische Regierungschef Clinton, sein britischer Amtskollege Blair und der deutsche Bundeskanzler Schröder in sozialpolitischen Diskursen vergleichbarer Tragweite mit ähnlichen Kommunikationsstrategien gearbeitet.1 Während Clinton und Blair allerdings hinsichtlich der Legitimationserzeugung erfolgreich waren, erfuhr Schröders SPD infolge der Implementierung der deutschen Variante – der Agenda 2010 – einen historischen Niedergang, in dessen Kontext sich Schröder weder als Parteivorsitzender, noch als Regierungschef hatte behaupten können. Wie sind diese Unterschiede in der Wirkung von im Grunde vergleichbaren Strategien der Regierungskommunikation zu erklären? Die Beantwortung dieser Frage ist von Bedeutung, wenn „von Obama lernen“ nicht auf dem Weg des „Obama-blind-kopieren-und-das-Bestehoffen“ erfolgen soll. Die vorliegende Untersuchung verfolgt das Erkenntnisinteresse zu klären, inwieweit in modernen Demokratien Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Regierungskommunikation auf systematische Ursachen zurückgeführt werden können. Dazu wird der institutionelle Kontext moderner Demokratien als unabhängige Variable der Regierungskommunikation (verstanden als abhängige Variable) vorangestellt: „Wenn sich der institutionelle Kontext moderner Demokratien unterscheidet, dann unterscheidet sich auch der kommunikative Korridor, den Regierungen für ihre Regierungskommunikation nutzen können“ lautet dabei die forschungsleitende Hypothese. Sie führt zu der Fragestellung: „In welcher Weise prägt der institutionelle Kontext moderner Demokratien Regierungskommunikation?“. Ihre Beantwortung soll auf der Basis eines eigenen Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation erfolgen, das geeignet ist, Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen als Untersuchungsgegenstand kontextsensitiv analysier- und vergleichbar zu machen.2 Auf der Basis des Modells sollen in Teil II Fallbeispiele sozialpolitischer Diskurse aus fünf Ländern – Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden und den USA – analysiert und hinsichtlich der empirischen Relevanz der im Zuge der Modellierung formulierten Orientierungshypothesen überprüft werden. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sollen schließlich die Grundlage für die Beantwortung der Forschungsfrage bilden. Abbildung 1 visualisiert diese Vorgehensweise. Die folgenden Unterkapitel führen die für diese Arbeit relevanten Definitionen und grundlegenden Annahmen ein. 1 Die Kommunikationsstrategien waren in den Fällen der Welfare Reform der Regierung Clinton, der Welfare-to-work-Reform der Regierung Blair und der Agenda 2010 der Regierung Schröder hinsichtlich des Modus auf der Ebene der Entscheidungskommunikation, des Zeitpunktes der öffentlichen Darstellungskommunikation und in der Argumentation vergleichbar. 2 Die Entwicklung des Modells erfolgt in Kapitel 4.
1.1 Regierungskommunikation als Akteurshandeln
15
1.1 Regierungskommunikation als Akteurshandeln Der Begriff Regierungskommunikation setzt sich aus den Bestandteilen „Regierung“ und „Kommunikation“ zusammen und bietet insofern zwei grundlegende Interpretationsmöglichkeiten (Kamps/Nieland 2006 7ff): Regierungshandeln kann zum einen Gegenstand (politischer) Kommunikation sein („Kommunikation über Regieren“). Regierungshandeln kann aber auch durch Kommunikation erfolgen („Regieren durch Kommunikation“).3 Hier sollen beide Ebenen in Betracht genommen werden. Regierungkommunikation wird dazu als kommunikative Handlung (Akteurshandeln) des Akteurs Regierung definiert, die in modernen Demokratien vor dem Hintergrund institutioneller Rahmenbedingungen stattfindet.4 Sie ist an politische Akteure, die Öffentlichkeit oder bestimmte Teilöffentlichkeiten (als Empfänger) adressiert und zielt auf die Legitimation von Entscheidungen nach innen („Regieren durch Kommunikation“) und außen („Kommunikation über Regieren“) ab (Gebauer 2002: 464). Regierungskommunikation wird hier insofern als Teilbereich des Regierungshandelns verstanden. Es sollen grundlegend zwei analytische Ebenen unterschieden werden, um beiden Begriffsdefinitionen von Regierungskommunikation („Regieren durch Kommunikation“ und „Kommunikation über Regieren“) gerecht werden zu können. Regierungskommunikation im Sinne von „Regieren durch Kommunikation“ wird hier als Entscheidungskommunikation bezeichnet. Sie ist idealtypisch an andere politische Akteure adressiert und verfolgt das Ziel, eine Entscheidungsmehrheit zur Verabschiedung von Gesetzen herzustellen. Diese Organisation von Entscheidungsmehrheiten wird im Folgenden als Herstellung von Entscheidungslegitimation bezeichnet. Regierungskommunikation im Sinne von „Kommunikation über Regieren“ wird ferner als Darstellungskommunikation bezeichnet. Sie ist idealtypisch an öffentliche Adressatengruppen wie Wähler gerichtet und verfolgt das Ziel, Zustimmung zu politischen Schlüsselentscheidungen zu generieren. Diese Zustimmung wird hier im Weiteren als Darstellungslegitimation benannt. Die Unterscheidung dieser Ebenen ist an der grundlegenden Unterscheidung von Entscheidungs- und Darstellungspolitik orientiert (Sarcinelli 2008, Tenscher 2002: 247, Korte/Hirscher 2000), bei der das Lösen von Sachproblemen (Entscheidungspolitik) und das adressatengerechte Vermitteln von Entscheidungen (Darstellungspolitik) unterschieden werden.5 3 Kamps und Nieland (2006: 7ff) nennen darüber hinaus die Begriffsdeutung „Kommunikation mit der Regierung“ und „Kommunikation über Regieren und Kommunikation.“ 4 Der theoretische Zugang, der hier zugrunde liegt, wird in Kapitel 3 ausgeführt. 5 Entscheidungspolitik und Darstellungspolitik sind in ihrer Ausrichtung in der Realität nicht unabhängig von einander zu sehen. Vielmehr kommt es zunehmend zu einer Verschmelzung von Herstel-
16
1 Fragestellung und Untersuchungsgegenstand
1.2 Die Bedeutung des institutionellen Kontextes Die Frage nach der Beziehung von Institutionen und Akteuren gehört zum Kernbestand sozialwissenschaftlicher Debatten (Schulze 1997: 5f). Bereits in den Arbeiten von Rousseau finden sich entsprechende Hinweise, die institutionalistische und akteurszentrierte Elemente enthalten und auf den Zusammenhang beider verweisen (Schulze 1997: 6). Hier soll Regierungskommunikation vor dem institutionellen Hintergrund moderner Demokratien in Betracht genommen werden. Der Begriff des institutionellen Kontextes moderner Demokratien bezeichnet dabei den institutionellen Kontext von Regierungskommunikation, der sich aus dem politischen und gesellschaftlichen System moderner Demokratien ergibt. Er wird hier definiert als Summe der Institutionen, die Regierungskommunikation als Akteurshandeln prägen. Institutionen bilden dabei Regelsysteme, die in Entscheidungsprozessen mögliche Verhaltens- und Verfahrensnormen eingrenzen, indem sie Dominanzbeziehungen und Abhängigkeitsstrukturen formulieren, aus denen aus der Sicht der Regierung Machtressourcen oder Machtrestriktionen hervorgehen (dazu auch Grunden 2008: 51). Sie strukturieren insofern Handlungsoptionen, wenngleich sie keinen Aufschluss darüber geben, für welche der möglichen Optionen sich ein Akteur letztlich entscheidet. Regierungskommunikation wird hier einer Unterscheidung von Schimank (2007: 241) folgend im Weiteren über drei zentrale Zugänge erschlossen: Erstens über den Zugang der Zielsetzung von Regierungskommunikation, die Regierungen in ihrer Rolle als Kommunikator verfolgen. Dieser Zugang kann als Ebene des „Wollens“ definiert werden („Was will die Regierung erreichen?“). Zweitens sind die Erwartungshaltungen verschiedener Adressatengruppen (andere politische Akteure, öffentliche Adressatengruppen wie etwa Betroffene) als Bezugspunkt für die Analyse von Regierungskommunikation von Bedeutung. Dieser Zugang zum Untersuchungsgegenstand kann als Ebene des „Sollens“ definiert werden („Was soll die Regierung umsetzen/unterlassen?“). Drittens wird der jeweilige nationale institutionelle Kontext relevant. Hier ist von Interesse, welche Möglichkeiten aus der Sicht der Regierung institutionell bedingt zur Regierungskommunikation bestehen. Dieser kommunikative Korridor kann als Ebene des „Könnens“ definiert werden („Was kann die Regierung erreichen?“). Regierungskommunikation erfolgt insofern – so soll es hier vorausgesetzt werden – mit der übergeordneten Zielsetzung, das „Wollen“ und das „Sollen“ im kommunikativen Korridor des „Könnens“ miteinander in Einklang zu bringen.
lung und Darstellung von Politik im Kontext einer übergeordneten strategischen Orientierung (von Beyme/Weßler 1998: 314, Jarren/Donges/Weßler 1996: 12, Sarcinelli 1994, Schmitt-Beck/Pfetsch B. 1994). Die hier vorgenommene Unterscheidung ist insofern als modellhafte Vereinfachung zu sehen.
1.3 Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen
17
1.3 Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen Regierungskommunikation soll im Folgenden exemplarisch auf sozialpolitische Diskurse bezogen werden, die wie im Fall der New Deals in Großbritannien oder der Agenda 2010 in Deutschland mit dem Ziel der Legitimationsherstellung für eine politische Schlüsselentscheidung erfolgt sind.6 Dieser Fokussierung liegt die Annahme zugrunde, dass in Zeiten internationaler Finanz- und Wirtschaftskrisen der Erhalt und die zukunftsfähige Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme als die zentrale innenpolitische Herausforderung für Regierungen moderner Demokratien zu sehen ist.7 Aus Regierungssicht besteht ein grundlegendes Dilemma darin, dass – so soll es hier vorausgesetzt werden – bestehende Niveaus der sozialen Sicherung nicht ohne weiteres aufrechterhalten werden können. Zum mittel- und langfristigen Erhalt der Funktionsfähigkeit sozialer Sicherungssysteme werden vielmehr aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen Reformen erforderlich, die eine Umverteilung bestehender Leistungsansprüche, ihre Kürzung oder Verteuerung (oder eine Kombination aus allem) zur Folge haben. Hier wird idealtypisch davon ausgegangen, dass in diesen Fällen die Positionen der Regierungen (die entsprechende Maßnahmen forcieren wollen) und verschiedenen Adressatengruppen der Regierungskommunikation (die eine Kürzung, Verteuerung oder/und Umverteilung von Leistungen der sozialen Sicherheit nicht unterstützen oder ablehnen) einander diametral gegenüberstehen, so dass ein hohes Konfliktniveau entsteht. Regierungen moderner Demokratien stehen insofern in sozialpolitischen Diskursen vor der Herausforderung, Entscheidungsmehrheiten und öffentliche Zustimmung für Vorhaben organisieren zu müssen, von denen sie im Grunde 6 Der Begriff der Schlüsselentscheidung wird mit von Beyme (1997: 63ff) definiert als „zentrale Entscheidung mit großer Reichweite.“ Sozialpolitische Schlüsselentscheidungen sind demnach idealtypisch an große Teile der Bevölkerung adressiert und weisen ein hohes Diskurs- und Konfliktniveau auf, so dass sie von einer großen medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit begleitet werden. In diesen Eigenschaften unterscheiden sich Schlüsselentscheidungen von „normalen“ Entscheidungen, mit denen idealtypisch nicht eine gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit einhergeht und die auch kein hohes Konfliktniveau aufweisen. Als Untersuchungsgegenstand soll hier insofern Regierungskommunikation betrachtet werden, die neben allgemeinen Politics-Zielen auch einen klaren Policy-Bezug aufweist. Der Diskursbegriff wird hier als „thematisch gerichtete Auseinandersetzung“ (Krotz 2002: 646f) definiert, der Geltungsansprüche von Argumenten einer Bewährung aussetzt. Sozialpolitik wird hier (mit Schubert/Klein 2006: 280f) definiert als gesetzgeberische Maßnahmen, die sich auf die Absicherung existenzieller Risiken, die Verbesserung der Situation sozial Schwacher, Gefährdeter oder Schutzbedürftiger beziehen. Sozialpolitische Diskurse sind insofern Diskurse, die thematisch auf einzelne Bestandteile von Sozialpolitik referieren. 7 Lowi (1972) hat in diesem Kontext vier Typen politischer Reformen unterschieden, die distributive, die re-distributive, die regulative und die selbstregulative Reform. Hier werden Reformprozesse betrachtet, die vor allem re-distributiven Charakter haben und mit Lowi (1972) das höchste Konfliktniveau aufweisen.
18
1 Fragestellung und Untersuchungsgegenstand
wissen, dass sie bei den Adressaten nicht auf Zustimmung stoßen und insofern auch das Ziel des eigenen Machterhalts gefährden können. Sie wählen dennoch, so wird es hier vorausgesetzt, den Weg der aktiven Gestaltung, weil zum einen ein passives Verharren als Alternative ebenfalls die Möglichkeit des Scheiterns birgt, da die Regierung bei Wahlen dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn sie der Erwartungshaltung nach dem Erhalt sozialer Sicherungssysteme nicht nachgekommen ist. Zum anderen kann auch endogen der Wunsch nach Gestaltung bestehen, so dass Regierungen sich auch dann für die Entwicklung einer Reformagenda entscheiden, wenn die diesbezügliche Legitimationserzeugung unsicher ist. Regierungen können also sowohl exogen als auch endogen unter Reformdruck geraten. Wegen des grundlegenden Dilemmas der sich ausschließenden Positionen von Regierungen und den Adressatengruppen der Regierungskommunikation (und der gleichzeitig nicht vorhandenen Machfülle aufseiten der Regierungen moderner Demokratien, Entscheidungen von großer Tragweite unilateral umzusetzen) entsteht die Notwendigkeit zur Kommunikation. Regierungskommunikation erfolgt in sozialpolitischen Diskursen insofern – so wird ebenfalls angenommen – mit dem Ziel, eine mehrheitsfähige Einvernehmlichkeit zwischen der eigenen Position und den Anliegen öffentlicher Adressatengruppen und anderer politischer Akteure herzustellen. Einvernehmlichkeit kann dabei – so wird es hier zugrunde gelegt – auf zwei Wegen erreicht werden: Zum einen besteht aus Sicht der Regierung die Möglichkeit, auf dem Weg der Argumentation eine Einsicht bei den Adressatengruppen ihrer Kommunikation zu erzielen. Zum anderen kann auf dem Weg der Verhandlung, beispielsweise indem Betroffenen Ausgleich in anderen Bereichen in Aussicht gestellt wird, Einvernehmlichkeit hergestellt werden (dazu auch grundlegend: Elster 1989: 99ff sowie Kapitel 4.1.3).8 Regierungskommunikation verfolgt insofern in sozialpolitischen Diskursen die Zielsetzung, einen Bogen zu schlagen zwischen unterschiedlichen inhaltlichen Positionen, um auf diese Weise Legitimation herzustellen. Sie hebt dabei die faktische Gegensätzlichkeit der ursprünglich unterschiedlichen Positionen 8 Das Anliegen größtmögliche Einvernehmlichkeit herzustellen wird hier als Legitimationsherstellung bezeichnet. Zwei Ebenen der Legitimation werden dabei grundlegend unterschieden: Zum einen geht es im Rahmen der Entscheidungslegitimation darum, eine faktische Entscheidungsmehrheit herzustellen, um entsprechende Gesetze zu verabschieden. Zum anderen geht es im Rahmen der Darstellungslegitimation darum, auch bei öffentlichen Adressatengruppen (wie Betroffenen oder Wählern) möglichst weitgehende Zustimmung zu der getroffenen Entscheidung herzustellen. Der Versuch, Einvernehmlichkeit über den einen oder anderen Modus herzustellen, birgt die Gefahr des Scheiterns. Aber gleichzeitig birgt ein Verharren im Status Quo ebenfalls diese Gefahr, wenn soziale Sicherungssysteme nicht mehr funktionieren. Hier wird insofern davon ausgegangen, dass Regierungen den Weg der aktiven Gestaltung über eigene Schlüsselentscheidungen vor allem auch deshalb wählen, um einem passiven Getriebenwerden zu entgehen.
1.3 Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen
19
nicht auf, sie überbrückt vielmehr durch Argumentations- und/oder Verhandlungsleistungen (teilweise nur temporär) etwaige Differenzen (dazu auch grundlegend Delhees u. a. 2008). Regierungskommunikation ist insofern dann erfolgreich, wenn zum einen eine Entscheidungsmehrheit für eine Reformagenda hergestellt werden kann (Entscheidungslegitimation) und ferner auch öffentliche Adressatengruppen (Betroffene, Wähler) Zustimmung signalisieren (Darstellungslegitimation), die beispielsweise in der Wiederwahl der Regierung Ausdruck finden können.
2 Stand der Forschung und Verortung der eigenen Fragestellung
Die Erforschung von Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien ist sowohl ein politikwissenschaftliches als auch ein kommunikationswissenschaftliches Forschungsanliegen. Sie ist insofern dem Bereich der (vergleichenden) politikwissenschaftlichen Kommunikationsforschung zuzuordnen, die politische Kommunikation als übergeordneten Untersuchungsgegenstand vergleichend aus politikwissenschaftlicher oder/und kommunikationswissenschaftlicher Sicht fokussiert. Der diesbezügliche Forschungsstand ist von Gurevitch und Blumler bisher dreimal (1975, 1990, 2003) systematisch aufgearbeitet worden. Gurevitch und Blumler bezeichnen dabei das Offenlegen „wirkungsmächtiger Merkmale der Strukturen und Kulturen, die in den zu untersuchenden Gesellschaften Kommunikation prägen“ (Gurevitch/Blumler 2003: 371ff)9 als Kernaufgabe politikwissenschaftlicher Kommunikationsforschung und begrüßen entsprechend die deutliche Zunahme vergleichender Studien in diesem Bereich seit den 1990er Jahren. Gleichwohl beklagen sie einen Mangel an Arbeiten, die über die Erörterung von Professionalisierung, Wahlkampfkommunikation und dem Verhältnis von Politik und Medien hinausgehen. Dieser Forderung schließt sich auch Schudson (2001: 421) an, der in diesem Zusammenhang formuliert: „Welches Phänomen ich auch immer betrachte, ich versuche stets es als Phänomen zu begreifen, das im Raum und in der Zeit verankert ist. Wie aber steht es mit gleichen oder ähnlichen Dingen in anderen Ländern oder zu früheren oder späteren Zeitpunkten?“ Für die weitere Entwicklung des Forschungsstandes werden hier insbesondere zwei Teilaspekte, die Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen (Kapitel 2.1) und die institutionelle Kontextualisierung von Regierungskommunikation (Kapitel 2.2) als zentral erachtet.10 Darüber hinaus liegt eine
9 Die Gründe für das steigende Interesse an politikwissenschaftlicher Kommunikationsforschung mit vergleichenden Designs sehen Gurevitch und Blumler (2003) vor allem in Vorgängen der Globalisierung verortet, die von modernen Kommunikationstechniken angetrieben werden und insofern zu einer grundlegenden Homogenisierung der politischen Kommunikation über Gesellschaften, Staaten und Kulturen hervorbringen. 10 In der Aufarbeitung des Forschungsstandes werden im Folgenden Studien in deutscher Sprache von Publikationen unterschieden, die in englischer Sprache verfasst worden sind. Dieser Unterscheidung liegt die Annahme zugrunde, dass die in deutscher Sprache verfassten Quellen vor allem den
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
1.3 Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen
21
Reihe von Arbeiten vor, die weitere Facetten des Untersuchungsgegenstandes von Regierungskommunikation thematisiert haben. Sie sind für die Entwicklung eines Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation nicht unmittelbar von Bedeutung und sollen hier im Folgenden aus Gründen der Vollständigkeit nur kurz benannt werden: Zahlreiche Studien haben vor allem die Rolle der Regierungszentralen und Regierungssprecher untersucht und nach der internen Organisation und Steuerung von Regierungskommunikation gefragt, die hier nicht im engeren Sinne als Untersuchungsgegenstand befasst werden.11 Ferner liegen Arbeiten vor, die Regierungskommunikation deskriptiv in einem (oder mehreren) Fallbeispiel(en) moderner Demokratien als Untersuchungsgegenstand (mit-)angeführt haben (etwa Jäger 2008, Young 2007, Kamps 2006, Hill 2004, Pfetsch, B. 2001, Schmidt 1996, Bergsdorf 1991, Tulis 1988).12 Sofern sie eines der hier betrachteten Länder fokussiert, sind sie insbesondere für die Länderanalysen in Teil II von Interesse und werden dort für die weitere Erörterung zugrunde gelegt. Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, die Regierungskommunikation im Kontext des Vermittlungsdreiecks von politischen Akteuren, Medien und Öffentlichkeit thematisiert haben (in deutscher Sprache etwa Kaspar u.a. 2009, Sarcinelli 2008, Schulz 2008, Käfer 2008, Lemmereich 2007, Filzmaier u. a. 2006, Kriesi 2003, Pfetsch, B. 2003a sowie in englischer Sprache etwa Norris 2003). Des Weiteren fand auch eine partielle Erforschung der Wirkungsweise von Regierungskommunikation statt, die sich zunächst vor allem an dem Begriff der öffentlichen Meinung (in deutscher Sprache etwa Bergsdorf 1986) und später vor allem an dem Begriff der Politikvermittlung manifestiert hat (in deutscher Sprache etwa Baumgartner u. a. 2008, Sarcinelli 2008 oder Marx 2008). deutschen Forschungsstand bilden, während die in englischer Sprache verfassten Titel vor allem den internationalen Forschungsstand betreffen. 11 In deutscher Sprache etwa Grunden 2009, Schilling u. a. 2009: 54ff, Kamps/Nieland 2006, Korte 2006: 175ff, Pfetsch, B. 2003b, König/Häußler 1996: 51ff, Häußler 1995, Weth 1991, sowie in englischer Sprache etwa Stanyer 2004 oder Martinelli/Mucciarone 2007: 49ff. 12 Hinsichtlich der Frage nach der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Regierungskommunikation in Länderbeispielen moderner Demokratien ist zunächst zu verzeichnen, dass insbesondere die Regierungskommunikation in den USA häufig thematisiert und facettenreich aufgearbeitet worden ist (Jäger 2008, Kamps 2006, Pfetsch B. 2001, Tulis 1988). Auch für Deutschland, Frankreich und Großbritannien liegen zahlreiche Arbeiten über Regierungskommunikation vor, beispielsweise Bergsdorf 1991, Schmidt 1996, Young 2007, Hill 2004). Gute Überblicke über den diesbezüglichen Forschungsstand liefern für Deutschland Gumny 2006, für Frankreich Burgert 2006 und für Großbritannien Jun 2008). Darüber hinaus war die Regierungskommunikation in Australien, Belgien und Kanada bereits Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen (Murphy 2008, Gelders u. a. 2006, Roberts/Rose 1995). Ferner gibt es einige vergleichende Fallstudien, (etwa Marx 2008, Delhees u.a. 2008, Weidenfeld 2007, Pfetsch, B. 2003b, Lepperhoff 2004, Asard 1997, Zittel 2004), die Regierungskommunikation als Untersuchungsgegenstand (mit-)anführen und die Bedeutung institutioneller Einflüsse betonen.
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2 Stand der Forschung und Verortung der eigenen Fragestellung
2.1 Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen Sozialpolitische Diskurse sind hier als thematisch auf den Bereich der Sozialpolitik gerichtete Auseinandersetzungen definiert worden, die mit dem Ziel der Gesetzgebung zu entsprechenden Reformen befasst sind. Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen ist dabei grundlegend als zwischenmenschliche Kommunikation zu sehen, so dass für die Erforschung von Regierungskommunikation auch die Regeln der zwischenmenschlichen Kommunikation Gültigkeit besitzen.13 Kommunikationswissenschaftliche Arbeiten gingen zunächst davon aus, dass Kommunikation zwischen Menschen mit der Kommunikation zwischen Maschinen vergleichbar sei (Shannon/Weaver 1949). Maschinen wie Menschen würden auf der Basis eines einvernehmlichen Kodes kommunizieren, den sowohl Sender als auch Empfänger kennen und entschlüsseln. Kommunikation käme in dieser Lesart nur in zwei Fällen nicht erfolgreich zustande: Entweder wäre die Verbindung zwischen Sender und Empfänger gestört oder der Empfänger wäre kaputt. Dass zwischenmenschliche Kommunikation so einfach nicht erklärt werden kann, zeigten unter anderem grundlegend die Arbeiten von Westley und McLean (1957). Insbesondere die Interpretationshoheit des Empfängers rückte dabei in den Fokus der Forschung: Gesagt heißt eben noch lange nicht verstanden und verstanden nicht zwangsläufig einverstanden. Dieses grundsätzliche Paradigma der zwischenmenschlichen Kommunikation gilt auch für Regierungskommunikation, die an andere politische Akteure oder/und an öffentliche Adressatengruppen gerichtet ist und das Ziel der Legitimationserzeugung verfolgt. In der politischen Praxis ist es vor allem die Aufgabe der Regierungszentralen, Strategien zu finden, die geeignet sind den Reibungsverlust zwischen „gesagt“ und „einverstanden“ so gering wie möglich zu halten. Zahlreiche Untersuchungen setzen an dieser Stelle an und fragen nach Handlungsrationalitäten und Vorgehensmustern, mit denen Regierungszentralen in Hochkonfliktfeldern wie in sozialpolitischen Diskursen arbeiten und reagieren (in deutscher Sprache etwa Grunden 2009, Schilling u. a. 2009: 54ff, Kamps/Nieland 2006, Korte 2006: 175ff, Pfetsch, B. 2003b, König/Häußler 1996: 51ff, Häußler 1995, Weth 1991 sowie über Großbritannien etwa Stanyer 2004 oder in Bezug auf die USA Martinelli/Mucciarone 2007: 49ff). Des Weiteren liegen Untersuchungen vor, die Regierungskommunikation policy-bezogen in vergleichenden Designs beispielsweise als Reformkommunikation in Betracht nehmen (in deutscher Sprache etwa Grasselt 2011, Bertelsmann Stiftung 2008, Delhees u. a. 2008, Sarcinelli 2008, Kronacher 2008, Wei13 Grundlegend zur Kommunikation zwischen Menschen siehe Watzlawick 1969, sowie Rothe 2006. Grundlegend zur Kommunikation aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Beck 2006: 131ff, Beck 2007, Bentele/Beck 1994: 15ff, Burkart/Hömberg 1992, Burkart 1998 oder Maletzke 1998.
2.2 Der institutionelle Kontext von Regierungskommunikation
23
denfeld 2007, Riegger 2006: 385ff und Lepperhoff 2004 sowie in englischer Sprache etwa Wardman 2008 oder Hennecke 2006). Sie lassen sich grob zwei Kategorien zuordnen: zum einen wird hier in klassischen Policyanalysen nach dem Inhalt und dem Grad der Veränderung oder Veränderungsfähigkeit gefragt (etwa Lepperhoff 2004). Zum anderen wird die Art der Argumentation der Regierung in Betracht genommen (etwa Delhees u. a. 2008, Weidenfeld 2007 oder Hennecke 2006). Weitere Ansätze, die Regierungskommunikation als Untersuchungsgegenstand mit anführen, nehmen insbesondere Bezug auf die Eigendynamik sozialpolitischer Diskurse und sehen die Regierung (und ihre Kommunikation) in einem dynamischen Prozess mit anderen politischen Akteuren (etwa Grasselt 2011, Kronacher 2008, Riegger 2006: 385ff). Die Bedeutung der diskursiven Dynamik und neuer politischer Ideen wird dabei besonders in den Fokus gestellt (dazu grundlegend auch Schmidt 2002 und 2000).
2.2 Der institutionelle Kontext von Regierungskommunikation Die überwiegende Mehrzahl vergleichender Studien im Bereich der politikwissenschaftlichen Kommunikationsforschung führt Regierungskommunikation nicht explizit als Untersuchungsgegenstand an, sondern referiert eher allgemeiner auf politische Kommunikation, auf Politikvermittung oder Wahlkampfkommunikation. Gleichwohl zeichnet sich insgesamt in der Literatur ein Trend ab, der den Stellenwert der Medien als einzige Taktgeber der politischen Kommunikation problematisiert und für eine differenziertere Kontextualisierung eintritt (Sarcinelli 2005 und 2007, Esser/Pfetsch, B. 2003, Marcinkowski 2002, Gurevitch/Blumler 2003, Swanson/Mancini 1996). Novy und Schmitz (2007) betonen in diesem Zusammenhang insbesondere die institutionelle Verankerung von Regierungskommunikation und führen sie als „wichtige Stellgröße für den Erfolg von Reformvorhaben“ an.14 Für die hier zugrunde liegende Fragestellung, die Regierungskommunikation als Akteurshandeln im institutionellen Kontext moderner Demokratien thematisiert, folgt daraus, dass der wissenschaftliche Fundus, der primär Regierungskommunikation fokussiert und auch institutionelle Kontextfaktoren anführt, als äußerst gering einzuschätzen ist. Was die Literatur hingegen vielfach bietet, ist 14
Weitere Arbeiten befassen hinsichtlich der Mechanismen und Einflussgrößen Regierungskommunikation als komplexes Phänomen (etwa Baumgartner/Donges/Vogel 2008, Nieland/Kamps 2006, Köhler/Schuster 2006 oder Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998). Andere Untersuchungen thematisieren Regierungskommunikation unter strategischen Gesichtspunkten (etwa Meckel/Kamps 2006, Pfetsch, B. 2003b, Marx 2008) oder befassen sich mit den internen Abläufen von Regierungskommunikation (Tenscher 2002, Heye 2002, Kamps/Nieland 2006).
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2 Stand der Forschung und Verortung der eigenen Fragestellung
die Aufforderung, vergleichende Arbeiten in diesem Bereich vorzulegen. Da die politikwissenschaftliche Kommunikationsforschung nur wenig Basiswissen anbietet, sind hier zunächst auch Arbeiten von Interesse, die grundlegend helfen, die Beziehung von Kommunikation und Institutionen zu verstehen und so die Basis für eine kontextsensitive Analyse bilden können. Pionierarbeit leisteten dazu insbesondere die Arbeiten von Lehmbruch (1967, 1976) und Lijphart (1977, 1999), die erstmals systematisch den Unterschied zwischen Verhandlungs- und Wettbewerbsdemokratien herausgestellt haben. Offensichtlich – so eine zentrale Erkenntnis über politische Kommunikation in diesem Zusammenhang – beruhen Erfolg und Effektivität politischer Kommunikation in Verhandlungsdemokratien auf nicht-öffentlicher Kommunikation, die die Möglichkeit von Kompromissfindungen „hinter verschlossenen Türen“ beinhaltet, ohne dass ein Verhandlungspartner sein Gesicht verliert (Benz u.a. 1998: 206, Elster 1998). Die Eigenlogik der Medien steht insofern in direktem Widerspruch dazu, weil sie explizit darauf abzielt, Sieger und Besiegte zu unterscheiden (Marcinkowski 2002: 361). In Verhandlungsdemokratien ergibt sich somit offensichtlich eine systemisch bedingte Restriktion für die Kommunikation von Regierungen: Öffentlichkeit und Medienaufmerksamkeit komplizieren dabei aus Sicht der Regierung die Entscheidungskommunikation, weil sie der Logik von Konsens, Kooperation und Verhandlung entgegenstehen, deren Voraussetzungen vor allem vertrauliche und diskrete Diskursformen sind. Des Weiteren werden hier insbesondere die Arbeiten von Esping-Andersen (1999) und Hartmann (2006) als zentral relevant erachtet.15 Hartmann (2006) weist (unter Bezugnahme auf Duverger 1980) bei der Unterscheidung von Regierungssystemtypen explizit auf die Notwendigkeit der Unterscheidung eines dritten (semi-präsidentiellen) Typus (neben der klassischen Unterscheidung in parlamentarische und präsidentielle Regierungssysteme) hingewiesen, die hier ebenfalls als bedeutsam erachtet wird.16 Esping-Andersen legt darüber hinaus (1999) eine wegweisende Kategorisierung von Wohlfahrtstaaten vor, die hier insbesondere aufgrund der speziellen Fokussierung auf sozialpolitische Diskurse als grundlegend erachtet wird.17 Gurevitch und Blumler (2003: 374ff) identifizieren in ihrer Aufarbeitung des Forschungsstandes politikwissenschaftlicher Kommunikationsforschung darüber hinaus sechs zentral relevante Studien. Sie zeichnen sich vor allem durch eine soziologisch geprägte Herangehensweise aus, weisen aber unmittelbar auf den Zusammenhang von Kommunikation und Institutionen hin und werden da15
Auch folgende Arbeiten thematisieren den institutionellen Kontext von Regierungskommunikation in modernen Demokratien: Colomer 1996, Gabriel/Brettschneider 1994, Ismayr 2009, Lijphart 1999. 16 Dieser Aspekt wird in Kapitel 4.1.1 erneut aufgegriffen und erörtert. 17 Dieser Aspekt wird in Kapitel 4.1.1 erneut aufgegriffen und erörtert.
2.2 Der institutionelle Kontext von Regierungskommunikation
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her hier ebenfalls als zentral relevant erachtet. Swanson und Mancini (1996) untersuchten die Einflüsse institutioneller Faktoren auf die Kommunikation in Wahlkämpfen untersucht und leiten daraus insbesondere Hypothesen über die Antriebskräfte des Wandels und der Taktiken in der Wahlkampfkommunikation ab. Sie erklären einen Wandel in den Taktiken und Strategien in der Wahlkampfkommunikation mit institutionellen Wandlungsprozessen in den untersuchten Demokratien. Gunther und Mughan (2000) hatten mit einem normativ angelegten Untersuchungsdesign den Zusammenhang zwischen der politischen Kommunikation und der Qualität von Demokratien erforscht. Sie fanden heraus, dass insbesondere in Transformationsdemokratien der Beitrag der Medien zur Verbesserung der Demokratie groß war, während in etablierten Demokratien der Beitrag der Medien zur Demokratie eher gering ausfiel. Pfetsch (B., 2001) hatte darüber hinaus eine Analyse vorgelegt, die als Untersuchungsgegenstand ebenfalls Regierungskommunikation thematisierte und die Interaktionen zwischen Politikern und Journalisten in den Kontext politischer (Kommunikations-) Kultur gestellt hat. Eine wesentliche Erkenntnis in diesem Zusammenhang lautete, dass die politische Kommunikationskultur bestimmte kulturelle Codes hervorbringe, die eine eher medienorientierte oder eine eher (partei-) politische Orientierung aufweisen. Semetko und andere haben (1991) ferner einen konzeptionellen Rahmen für die Untersuchung von medialen Einflüssen auf das Entstehen von Wahlkampf-Agenden entwickelt. Faktoren wie das Ausmaß von Professionalisierung, der Grad von Kommerzialisierung im Rundfunk sowie der Härtegrad des medialen Wettbewerbs wurden dabei zur Erklärung herangezogen. Esser, Reinemann und Fan legten (2000) eine vergleichende Studie über die Berichterstattung über Spin-Doctoring in amerikanischen, britischen und deutschen Zeitungen vor, in der sie zu dem Ergebnis kamen, dass insbesondere drei Einflussgrößen Unterschiede hinsichtlich der Darstellungsmuster zu erklären vermögen: Erstens das Ausmaß von politischem Marketing, zweitens das Ausmaß der strategischen Öffentlichkeitsarbeit der Parteien und drittens die Art der politischen Kommunikationskultur, die die Kommunikation als institutionelle Komponente prägt. Wilke und Reinemann erkannten schließlich (2001), dass es in deutschen Zeitungen zwischen 1949 und 1998 zu einer deutlichen Verkürzung von Politikerzitaten gekommen war, während die Verwendung interpretativer Stilformen zugenommen hatte. Die Erkenntnis an sich ist für den hier zugrunde liegenden Untersuchungsgegenstand zwar nicht unmittelbar relevant, interessant ist jedoch, dass die Autoren die Tatsache, dass sie nicht mehr Übereinstimmungen mit Ergebnissen amerikanischer Studien hatten feststellen können, mit den unterschiedlichen institutionellen Kontexten begründeten (Gurevitch/Blumler 2003: 379). Diese wegweisenden Untersuchungen wurden in neuster Zeit vor allem ergänzt durch diskursiv angelegte Analysen, die Ideen und Diskursen einen eigen-
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2 Stand der Forschung und Verortung der eigenen Fragestellung
ständigen Wert beimessen und Kommunikation (und insofern auch Regierungskommunikation) weniger statisch, sondern dynamisch als Dialog zwischen Sendern und Empfängern in Betracht nehmen.18 Darüber hinaus sind hier auch Arbeiten von Interesse, die die Legitimation politischer Entscheidungen durch Kommunikation in den Blickpunkt gestellt haben (Sarcinelli 2008, RuhenstrothBauer 2008, Bertelsmann Stiftung 2008, Stüwe 2004, Hirscher/Sturm 2001). Sie stellen insbesondere die Bedeutung öffentlicher Legitimation politischer Entscheidungen heraus, die hier als Darstellungslegitimation bezeichnet wird. Besonders in der englischsprachigen Literatur werden Diskurse im Kontext von Legitimation erörtert (in deutscher Sprache etwa Feindt 2001, sowie in englischer Sprache etwa Simon/Jerit 2007: 254ff sowie Filardo 2008: 21ff).
2.3 Forschungslücke und Verortung der eigenen Fragestellung Gurevitch und Blumler (2003: 374) beklagen in ihrer Aufarbeitung des Status quo der vergleichenden politikwissenschaftlichen Kommunikationsforschung die Reduktion zentral relevanter Forschungsfragen auf eine bloße „Machbarkeitskomparatistik.“ Anstatt über die Forschungsanlage zu prüfen, in welcher Weise Schlüsseleigenschaften politischer Systeme die Prozesse politischer Kommunikation prägten, würden andere Länder bloß als Orte zur Durchführung für Untersuchungen benutzt, die auch „von zuhause aus“ hätten erfolgen können. Die vorliegende Untersuchung ist überwiegend „von zuhause aus“ durchgeführt worden. Sie verfolgt allerdings umso mehr den Anspruch einer reflektierten Forschungsanlage, in der von Gurevitch und Blumler (2003: 374) geforderten Weise. Indem hier Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien fokussiert werden sollen, wird hier eine Zusammenführung bestehender Erkenntnisse (vor allem über Regierungskommunikation in modernen Demokratien) mit Erkenntnissen der vergleichenden politikwissenschaftlichen Kommunikationsforschung (vor allem über die Art der Einflussnahme, die sich aus dem institutionellen Kontext auf Kommunikation ergibt) verfolgt. Die in der politikwissenschaftlichen Kommunikationsforschung bisher dominante Perspektive soll dabei um eine stärker rational-ökonomische (akteurszentrierte) Sichtweise ergänzt werden, die vor allem auch die Faktoren „Zeit“ und „Pfadabhängigkeit“ einbezieht.19
18 Weitere Untersuchungen in diesem Kontext sind etwa die Arbeiten von Grasselt 2011, Futter/Hönke 2004, Fairclough 1999, Daele/Neidthardt 1996. Grundlegend zur diskursiven Interpretation von Kommunikation: Schmidt 2002 und 2000. 19 Dazu auch Kapitel 3.2 und 3.4.
2.3 Forschungslücke und Verortung der eigenen Fragestellung
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Regierungskommunikation ist im institutionellen Kontext moderner Demokratien insofern bisher nicht systematisch vergleichend aufgearbeitet worden, wenngleich zahlreiche Arbeiten Teilkomponenten dazu liefern. Auch sind institutionelle Kontexte als langfristig konstante Prägekräfte in vergleichenden Studien zur Regierungskommunikation bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden. Zwar liegen zahlreiche Untersuchungen vor, die entweder Regierungskommunikation thematisieren oder den institutionellen Kontext moderner Demokratien erörtern oder auf die Bedeutung institutioneller Kontextfaktoren für Kommunikation verweisen, die systematische Verbindung aus den drei Forschungssträngen fehlt aber bisher. Die vorliegende Analyse verfolgt insofern das Ziel, einen Beitrag zu leisten, diese Forschungslücke zu schließen. Dazu sollen Erkenntnisse über Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien in einem eigenen Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation gebündelt und verdichtet werden, um auf dieser Basis systematisch vergleichende Aussagen über die unterschiedlichen Prägekräfte und Muster von Regierungskommunikation in modernen Demokratien treffen zu können.
3 Theoretischer Zugang
Jede Beschreibung der Wirklichkeit enthält Vereinfachungen, weil das Erfassen aller Details die Länge der Beschreibung erheblich vergrößern würde falls stattdessen Ereignisse in Echtzeit berichtet werden würden. Der Beschreibende urteilt insofern über die Relevanz aller Details und unterscheidet sie in „wichtig“ und „unwichtig“. Bei der Bildung von Theorien findet diese Unterscheidung nicht unwillkürlich oder unbewusst, sondern systematisch und geordnet nach bestimmten Prinzipien statt. Indem man im Rahmen wissenschaftlicher Forschung bestehende Theorien anwendet, erspart man sich das sprichwörtliche ständige Neuerfinden des Rades. Theorien sind umso leistungsfähiger, je mehr sie in der Lage sind, Daten, die aufwendig empirisch erhoben werden müssten, durch theoretisch begründete Annahmen zu ersetzen (Scharpf 2006: 75). Das Erklären von Wirklichkeit erfolgt insofern, indem das, was rätselhaft erscheint, mit dem, was bereits über die Realität bekannt ist, in Verbindung gebracht wird. Wenn also kein relevantes Vorwissen vorhanden wäre, könnte Wissenschaft nur beschreiben, nicht aber erklären oder prognostizieren (Scharpf 2006: 75). Ein altes Gleichnis von „Zwergen, die auf den Schultern von Riesen stehen“20 beschreibt bezüglich der Anwendung bestehender Theorien auf neue Gegenstände den Vorteil wie folgt: Indem aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen (Zwerge) auf Theorien und Erkenntnisse basieren (stehend auf den Schultern von Riesen), die von Wissenschaftlern früherer Generationen entwickelt und rezipiert worden sind, haben die Zwerge per se die Möglichkeit weiter sehen zu können als es die Riesen (vor ihnen) können, unabhängig davon, wie groß sie selber sind. Hier wird im Folgenden ein theoretischer Zugang entwickelt, der sich grundlegend an den Prämissen des Neo-Institutionalismus (Kapitel 3.1) und dort im Besonderen am historischen Neo-Institutionalismus (Kapitel 3.2) orientiert. Die Schultern von Fritz W. Scharpf, der (zusammen mit Renate Mayntz) den Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus begründet hat (Kapitel 3.3) und die Schultern von Vivien A. Schmidt, die den historischen Neo-Institutionalismus in seiner akteurszentrierten Lesart zum Ausgang genommen und mit dem besonderen Fokus auf Kommunikation weiterentwickelt hat (Kapitel 3.4), werden dabei hier als Basis verwendet. 20 Das Gleichnis ist in der Literatur vor allem Isaac Newton zugeschrieben worden, andere Quellen verzeichnen aber, dass es bereits im 13. Jahrhundert Verwendung fand. Dazu grundlegend: Haug 1989:89ff
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
3.1 Die Spannweite „klassischer“ neo-institutionalistischer Theorien
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3.1 Die Spannweite „klassischer“ neo-institutionalistischer Theorien Zu den politikwissenschaftlichen Theorien zählen im engeren Sinne vor allem Staatstheorien, Systemtheorien, Handlungs- und Steuerungstheorien, Konflikttheorien, Tauschtheorien und Transformationstheorien (Schubert/Klein 2006: 236). Die hier zugrunde liegende Fragestellung nach dem Zusammenhang von Regierungskommunikation und dem institutionellen Kontext moderner Demokratien ist dabei zunächst grundlegend dem Spektrum der Handlungstheorien zuzuordnen. Die Fokussierung auf Regierungskommunikation als Akteurshandeln im institutionellen Kontext moderner Demokratien schließt insofern zunächst alle theoretischen Zugänge, die nur institutionelle Einflüsse sehen (so etwa klassische institutionalistische Herangehensweisen) aus. Gegen diese einseitige Betrachtung institutioneller Faktoren richtete sich in den 1950er Jahren die so genannte behavioristische Wende, die insbesondere die amerikanischen Sozialwissenschaften nachhaltig geprägt hat (Thelen/Steinmo 1992: 4). Sie führte dazu, dass vor allem das individuelle Verhalten von Akteuren in den wissenschaftlichen Fokus rückte. Aus heutiger Sicht ist jedoch auch der Versuch, das Handeln politischer Akteure rein verhaltenswissenschaftlich zu erklären, als unzureichend einzuschätzen, weil auf diese Weise die Bedeutung von Institutionen für das individuelle Verhalten unterschätzt wird (Schulze 1997: 6ff). Von dem Bild ausgehend, dass Theorien immer zugunsten bestimmter Regeln und zulasten gewisser Ausnahmen vereinfachen, resultiert aus rein behavioristischen Ansätzen insofern das Problem, dass Einflüsse des institutionellen Kontextes in die Kategorie „Ausnahme“ fallen und (zu unrecht) nicht weiter beachtet werden. Beobachtbare Wirkungszusammenhänge werden dann über das individuelle Verhalten erklärt, während langfristig konstante institutionelle Einflüsse außer acht bleiben. Es waren die Arbeiten von March und Olsen, die (1984) erstmals von einem neuen Institutionalismus sprachen, der Institutionen und Verhalten gleichermaßen in Betracht nehmen sollte. Der Zusatz „Neo“ verweist dabei auf die Renaissance einer älteren Debatte, in deren Rahmen insbesondere die Vernachlässigung individueller Handlungsanreize problematisiert wurde, die im allgemeinen Erforschen administrativer Prozesse und Strukturen unterzugehen schienen (Schulz 1997: 6, Gretschmann 1990: 339 sowie Hutchison 1991: 20ff). Der Neo-Institutionalismus unterscheidet sich insofern vom klassischen Institutionalismus, indem er ökonomisch-rationale und soziologische Konzepte zum Verhalten von Akteuren verbindet und sie um eine institutionalistische Perspektive erweitert. Der im Neo-Institutionalismus verwendete Institutionenbegriff ist im Vergleich zum klassischen Institutionalismus breiter, so zählen neben Verfassungsinstitutionen auch formale und informelle Regeln, die an der politischen Entschei-
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3 Theoretischer Zugang
dungsfindung beteiligt sind, zu den Institutionen. Politisches Handeln findet in außerordentlich vielfältigen institutionellen Kombinationen statt. Kommunikation (und insofern auch Regierungskommunikation) wird hier als Teilmenge dieses Handelns begriffen.21 Eine einheitliche neo-institutionalistische Theorie gibt es gleichwohl nicht. March und Olsen (1984: 305ff) unterschieden initial sechs verschiedene Zugänge, über die eine theoretische Erörterung von Akteuren und Institutionen erfolgen könne. Erstens über den historischen Zugang, zweitens über den Zugang über Zeitfenster, drittens über den endogenen Zugang, viertens über den normativen Zugang, fünftens über den demografischen Zugang und sechstens über den symbolischen Zugang. In der Literatur (etwa bei Hall/Taylor 1996) wird heute insgesamt vor allem von einer Unterscheidung in drei Leitansätze ausgegangen, die hier unter dem Begriff des „klassischen“ Neo-Institutionalismus subsumiert werden. Dazu zählen der rationale Neo-Institutionalismus (dazu grundlegend: Schimank 2006: 161ff sowie Hall/Taylor 1996: 10ff), der soziologische Neo-Institutionalismus (dazu grundlegend: Schimank 2006: 161ff, Schulze 1997 sowie March/Olsen 1984: 303ff) und der historische Neo-Institutionalismus (dazu grundlegend: Hall/Taylor 1996: 5ff, Steinmo/Thelen 1992 sowie North 1984). Die drei Lesarten gelten als auf einem Kontinuum angeordnet, wobei der ökonomisch orientierte rationale Neo-Institutionalismus und der soziologische Neo-Institutionalismus die idealtypischen Gegenpole bilden (Schulze 1997: 14ff). Sie unterscheiden sich vor allem durch ihre Definition des Institutionenbegriffs, durch die Definition der Ursachen für Wandel (und Kontinuität) und die Motivationsdefinition, die dem Handeln von Akteuren zugrunde liegt. Der homo oeconomicus und der homo sociologicus bilden dabei die idealtypischen Gegenpole (Schulze 1997: 8f). Im Folgenden soll eine Verortung des Kommunikationsbegriffs in den Leitansätzen des „klassischen Neo-Institutionalismus“ erfolgen: In der Sichtweise des rationalen Neo-Institutionalismus ist Kommunikation ein rationaler Prozess, der von einer instrumentellen (rationalen) Logik gekennzeichnet ist, wobei eine starke Beziehung zwischen dem individuellen Verhalten und den Institutionen besteht, die das Individuum umgeben. Der rationale Neo-Institutionalismus definiert Institutionen als formale und informale Regelwerke, die die Handlungsspielräume von Individuen beschränken. Institutionen sind insofern als zentrale Parameter für Wahlhandlungen politischer Akteure zu sehen (Kaiser 1999:196f). In der Lesart des soziologischen Institutionalismus ist Kommunikation ein Prozess, der vor allem durch die Logik der sozialen Angemessenheit gekenn21 Hier wird im Folgenden der Institutionenbegriff von Scharpf (2006: 76f) zugrunde gelegt, der den Institutionenbegriff von North (1990), Ostrom, Gardner und Walker (1994) diskutiert sowie von Bates (1998) und March und Olsen (1989) diskutiert und resümiert, dass Institutionen als formale rechtliche Regeln sowie soziale Normen definiert, die von Akteuren beachtet werden.
3.1 Die Spannweite „klassischer“ neo-institutionalistischer Theorien
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zeichnet ist, wobei das, was angemessen ist, seitens des institutionellen Kontextes bestimmt wird (Kaiser 1999:196f). Der soziologische Neo-Institutionalismus stellt den Institutionenbegriff dabei in den Kontext kultureller Phänomene, die Handlungsmuster bereitstellen und Handlungen insofern vorstrukturieren. Institutionen sind hier definiert als formale und informale Regeln, soziale Normen, Symbole, kognitive Muster und Moralvorstellungen. Auch Kultur wird als Institution begriffen. Akteure handeln in der Lesart des soziologischen Institutionalismus insofern nur beschränkt rational, da Institutionen Routinen herausgebildet haben, die bestimmte Handlungsoptionen für sie greifbarer als andere erscheinen lassen. Der Akteur (beispielsweise eine Regierung, die sich damit befasst, die Kommunikation einer sozialpolitischen Schlüsselentscheidung zu planen) sucht insofern nicht unbedingt die bestmögliche, sondern nach der „am ehesten angemessenen“ Lösung (March Und Olsen 1984: 300ff sowie Esser 2003: 47ff). Der historische Neo-Institutionalismus (dazu auch Kapitel 3.2) speist sich aus den beiden idealtypischen Gegenpolen des rationalen und des soziologischen Neo-Institutionalismus und ergänzt sie um die Faktoren der Zeit und der Pfadabhängigkeit. Kommunikation ist in der Lesart des historischen Neo-Institutionalismus am ehesten als Austausch von Ideen zu sehen, die sich im Laufe der Zeit durch ihn verändern. Institutionen werden als längerfristig wirksame Weichenstellungen für politische Entwicklungen definiert (Kaiser 1999: 90ff, Schulze 1997: 16ff). Wie im rationalen Neo-Institutionalismus handeln Akteure auch im historischen Institutionalismus rational, allerdings ist ihr Verhalten stets in Abhängigkeit von den Erwartungen über das Verhalten anderer Akteure zu sehen (Pierson 1996: 123ff, Hall/Taylor 1996: 936ff).22 Im historischen NeoInstitutionalismus sind Entscheidungen insofern durch ihre eigenen autonomen Zeitlinien gekennzeichnet und in dem jeweiligen institutionellen Kontext, der sie umgibt beeinflusst, zu sehen (Hall/Taylor 1996: 936ff). Allen drei neo-institutionalistischen Herangehensweisen ist das Streben nach einer möglichst detaillierten Analyse von Handlungskontexten gemein, aus der sich eine Präferenz für Untersuchungsdesigns mit kleinen Fallzahlen ergibt, wie sie auch hier zugrunde liegen (dazu auch Kapitel 5). Indem die Ansätze des „klassischen“ Neo-Institutionalismus als Komponenten vor allem den institutionellen Kontext, das Verhalten der Akteure und die Ursachen für (institutionellen) Wandel (beziehungsweise für eine entsprechende Kontinuität) fokussieren, liefern sie allerdings nur unzureichend theoretische Annahmen zur Erörterung diskursiver Prozesse wie Kommunikation. Am ehesten ist der historische Neo22 Das Ergebnis ihrer Handlungen ist insofern in der Regel suboptimal für die Gesellschaft. Klassische Beispiele hierfür sind etwa das Gefangenendilemma oder die Tragödie der Allmende. Grundlegend dazu siehe Hall/Taylor 1996: 936ff.
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3 Theoretischer Zugang
Institutionalismus, der als Alleinstellungsmerkmal auch die Faktoren der „Pfadabhängigkeit“ und der „Zeit“ in die Analyse einbezieht, in der Lage, diskursive (sich wechselseitig aufeinander beziehende) Prozesse angemessen abzubilden.
3.2 Der historische Neo-Institutionalismus als Ausgangspunkt Hier wird im Weiteren der historische Neo-Institutionalismus als theoretischer Zugang zugrunde gelegt, der zentral von North (1984: 7ff) begründet und geprägt worden ist. Dieser Fokussierung liegt die Annahme zugrunde, dass von den drei (in Kapitel 3.1) diskutieren Lesarten des „klassischen“ Neo-Institutionalismus der historische Neo-Institutionalismus am ehesten geeignet ist, diskursive (sich wechselseitig aufeinander beziehende) Prozesse (wie Kommunikation) abzubilden, weil er als zentrale Erklärungskomponente auch die Faktoren der „Zeit“ und der „Pfadabhängigkeit“ einbezieht und insofern in der Lage ist, die Entwicklung von Ideen im wechselseitigen Aufeinanderbeziehen des Akteurshandelns zu erfassen (Schulze 1997: 16ff). Über die Einbeziehung des Faktors Zeit wird insofern ersichtlich, dass sich Kommunikation (und insofern auch Kommunikationsziele und -strategien in der Regierungskommunikation) mit der Zeit entwickeln und verändern. Eine weitere Prämisse des historischen Institutionalismus, die hier als zielführend erachtet wird, ist in der pfadabhängigen Verknüpfung akteursspezifischer und institutioneller Einflussfaktoren zu sehen (Schulze 1997: 19). Insbesondere das Wechselspiel zwischen Institutionen (Polity) und politischen Prozessen (Politics) im Kontext der Formulierung von Politikinhalten (Policy) steht dabei im Zentrum der Betrachtung. Der historische Neo-Institutionalismus geht davon aus, dass nicht nur (Kommunikations-) Strategien, sondern auch die Art der verfolgten Zielsetzung, als vorgeprägt durch den institutionellen Kontext zu sehen ist. Für die Zielsetzung von Regierungskommunikation in modernen Demokratien kann daraus gefolgert werden, dass die Zielsetzung differiert, wenn auch der Kontext differiert (dazu auch Kapitel 4.2). Folglich ist die Mitbetrachtung des institutionellen Kontextes erforderlich, um eine Bewertung der Regierungskommunikation und ihrer Zielsetzungen vornehmen zu können. Im historischen Neo-Institutionalismus führen institutionelle Arrangements so zu einer langfristig stabilen Pfadabhängigkeit von Handlungsoptionen, die nur episodisch Änderungen aufgrund exogener Schocks unterliegen und ansonsten als stabil betrachtet werden können (Schulze 1997: 20). Folgt man dieser Sichtweise, resultiert daraus, dass hinsichtlich der Pfadabhängigkeit, die sich für Regierungskommunikation und institutionellen Kontext ergibt, von einer grundlegend stabilen Kontextualisierung ausgegangen werden kann, die sich vor allem in
3.3 Der akteurszentrierte (Neo-)Institutionalismus von Scharpf und Mayntz
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Phasen exogener Schocks (etwa die Terroranschläge im September 2001in den USA) ändert. Schulz (1997: 20) führt als Ursache für diese „beharrliche Beständigkeit“ institutioneller Kontexte drei Gründe an: Erstens ergeben sich aus dem institutionellen Kontext Privilegien für bestimmte Akteure, die ihrerseits daran arbeiten, ihren Machtvorsprung zu sichern. Zweitens verursacht eine Veränderung des institutionellen Kontextes Kosten, während die Neuverteilung zukünftiger Gewinne ungewiss bleibt. Drittens gehen mit einer Veränderung des institutionellen Kontextes möglicherweise Konsensvereinbarungen über geteilte Erwartungshaltungen verloren. Darüber hinaus wird hier insbesondere auch die dem historischen Institutionalismus eigene klare Trennung von Spielern (Akteuren) und Spielregeln (Institutionen) als bedeutsam erachtet (dazu auch Schulze 1997: 17 und North 1992: 5). Symbole und kognitive Normen gehen demnach als Spielregeln aus dem institutionellen Kontext hervor, während die Organisationen selbst in erster Linie als Akteure zu sehen sind. Aufseiten der Spieler wird hier die Regierung fokussiert und aufseiten der Spielregeln der institutionelle Kontext. „Legitimation erreichen für eine sozialpolitische Schlüsselentscheidung“ wäre in diesem Sinne der Name des Spiels und Regierungskommunikation das Mittel zum Zweck.
3.3 Der akteurszentrierte (Neo-)Institutionalismus von Scharpf und Mayntz Der akteurszentrierte Institutionalismus wurde von Renate Mayntz und Fritz Scharpf (1995) ursprünglich für die Analyse von Strukturdynamiken „staatsnaher Sektoren“ entwickelt. Er ist als theoretischer Ansatz im Kontext des historischen Neo-Institutionalismus zu verorten,23 weißt aber auch Anknüpfungspunkte zum rationalen Neo-Institutionalismus auf, die etwa in den spieltheoretisch geprägten Herangehensweisen von Scharpf (2006) ihren Ausdruck finden. Der akteurszentrierte Institutionalismus bietet als Konkretisierung der historischen Lesart des Neo-Institutionalismus insofern einen „generellen analytischen Bezugsrahmen“ an, der darauf verweist, welche Aspekte sozialer Ereignisse zur Erklärung von Entscheidungen und Wandel (oder Kontinuität) betrachtet werden müssen und wie diese zueinander in Verbindung stehen. Als Forschungsheuristik fokussiert er insbesondere formale Organisationen und fragt nach den Ursachen von Wandel und Kontinuität (Schimank 2006: 171). Der verwendete 23 Dazu auch Scharpf im Interview am 24.01.2010. Das Interview fand im Kölner Max-Plank-Institut für Gesellschaftsforschung statt und bezog sich auf das hier zugrunde liegende Vorhaben, ein Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation zu entwickeln.
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3 Theoretischer Zugang
Institutionenbegriff ist im Vergleich zum soziologischen Institutionalismus enger formuliert. Mayntz und Scharpf (1995: 45) grenzen sich dahingehend aber gleichwohl auch gegen den rationalen Neo-Institutionalismus ab, indem sie Nutzungsverfolgung als einzig mögliche Rationalität für soziales Handeln hinterfragen. Bei den Handlungsantrieben der Akteure betrachten sie vielmehr Institutionen als „normative Vorgaben“ und insofern Interessen als „Nutzungsgrößen“ (Schimank 2006: 172). Der akteurszentrierte Institutionalismus geht mithin von der zentralen Annahme aus, dass nicht akteursbezogen erklärt werden muss, was bereits institutionell erklärt werden kann (Schimank 2006: 172). Abbildung 2:
Das Modell des akteurszentrierten Institutionalismus von Scharpf und Mayntz
Quelle: Scharpf 2006: 85. Scharpf (2006: 74) definiert Politik vor diesem Hintergrund als intentionales Handeln von Akteuren. Weil diese auch endogen ein großes Interesse haben, bestimmte Ergebnisse zu erzielen sei, anders als in soziologischen Theorien, nicht davon auszugehen, dass Akteure lediglich kulturellen Normen folgten, um ihre Ziele zu erreichen. Gleichwohl sei aber auch nicht anzunehmen, dass die verfolgten Ziele und Interessen der Akteure dauerhaft gleich bleiben. Vielmehr reagierten Akteure, so Scharpf (2006: 74), unterschiedlich auf Drohungen, Beschränkungen und Möglichkeiten von außen, weil sie sich in ihren Wahrnehmungen und Präferenzen unterscheiden und weil ihre Wahrnehmungen und Prä-
3.3 Der akteurszentrierte (Neo-)Institutionalismus von Scharpf und Mayntz
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ferenzen unterschiedlich durch den jeweiligen institutionellen Kontext beeinflusst werden. Der akteurszentrierte Institutionalismus wurde vor diesem Hintergrund mit dem Ziel entwickelt, als Ansatz politische Prozesse erfassen zu können, die von den Interaktionen individueller und korporativer Akteure mit spezifischen Fähigkeiten und spezifischen normativen Orientierungen bestimmt werden und in einem gegebenen institutionellen Kontext und unter gegebenen Bedingungen der Politik-Umwelt stattfinden. Als zentral nennen Mayntz und Scharpf drei Punkte und setzen diese zueinander in Relation (Abbildung 2): Akteure, Akteurskonstellationen und Interaktionsformen. Als Akteure definiert Scharpf (2006: 86f) die an einem Entscheidungsprozess beteiligten Individuen und Kollektive, die sein Ergebnis beeinflussen können. „Welche Akteure sind an einem Entscheidungsprozess beteiligt?“ lautet insofern die einleitende Fragestellung bei der Modellierung nach Scharpf und Mayntz.24 Die Öffentlichkeit ist in diesem Sinne nicht als eigenständiger Akteur zu sehen, weil sie keine eigenständige Fähigkeit zu rationalem Handeln besitzt, wohl aber von anderen Akteuren instrumentalisiert werden kann.25 Ferner beschreibt Scharpf (2006: 87f) das reine Betrachten der Anzahl beteiligter Akteure als nicht ausreichend, um eine hinreichende Erklärung für gesellschaftlichen Wandel vornehmen zu können. Vielmehr sei es notwendig auch Konstellationen in Betracht zu nehmen, in denen sich die verschiedenen Akteure begegnen (Akteurskonstellationen). „In welchem Verhältnis stehen die Akteure zueinander?“ lautet daher die grundlegende Fragestellung zu diesem Modellaspekt. Die Modellierung des dritten Teilaspektes (Interaktionsformen) könnte entsprechend an der Leitfrage „Welche Möglichkeiten haben die Akteure sich zueinander zu verhalten?“ entwickelt werden. Folgende Interaktionsformen werden dabei grundlegend von Mayntz und Scharpf unterschieden: Einseitiges Handeln, Verhandlung, Mehrheitsentscheidung und hierarchische Steuerung. 26 „Wie verhalten sich die Akteure in konkreten Konstellationen tatsächlich zueinander?“ bildet schließlich die Ausgangsfrage des letzten zentralen Modellbestandteils (Akteurskonstellation und Interaktionsformen). Auf dieser Basis können beispielsweise unterschiedliche Szenarien durchgespielt und hinsichtlich des Konfliktniveaus miteinander verglichen werden. 24
Folgende Handlungsorientierungen werden hierbei grundlegend Unterschieden: Eine kooperative Handlungsorientierung zielt vor allem auf einen gemeinsamen Nutzen ab. Bei einer egoistischrationalen Handlungsorientierung zählt hingegen vor allem der eigene Gewinn. Bei einer kompetitiven Handlungsorientierung ist die Differenz der Gewinnsumme der Akteure entscheidend, während die feindliche Handlungsorientierung ein Nullsummenspiel in Kauf nimmt. 25 Dazu auch Scharpf im Interview am 24.01.2010. Das Interview fand im Kölner Max-Plank-Institut für Gesellschaftsforschung statt und bezog sich auf das hier zugrunde liegende Vorhaben, ein Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation zu entwickeln. 26 Scharpf (2006) erörtert die Begriffe detaillierter in den Kapiteln 2,5,6,7 und 8.
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3 Theoretischer Zugang
Von Scharpf und Mayntz (1995) wird die Modellierung des akteurszentrierten Institutionalismus vor allem mit dem Ziel erwogen, Schlussfolgerungen über die Fähigkeit unterschiedlicher institutioneller Kontexte zur effektiven Lösung verschiedener Arten von Problemen treffen zu können (dazu auch Scharpf 2006: 94). Hier sollen Teile des von Scharpf und Mayntz entwickelten Ansatzes auf Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien bezogen werden, mit dem Ziel, Schlussfolgerungen über die Fähigkeit unterschiedlicher institutioneller Kontexte, die Regierungskommunikation als Akteurshandeln prägen, treffen zu können. Die Teilmenge möglicher Strategien in der Regierungskommunikation wird insofern als durch den institutionellen Kontext reduziert angesehen.27 Institutionalisierte Regeln schreiben dabei keinen genauen Handlungsablauf vor, sie definieren vielmehr das Repertoire möglicher Handlungsabläufe (Scharpf 2006: 83). Aus der Variation der Zielsetzung folgt, dass nicht alle Modellelemente des akteurszentrierten Institutionalismus bei der Modellierung in Kapitel 4 mit gleicher Intensität übernommen werden können. Hinsichtlich der hier zugrunde liegenden Fragestellung müsste die Modellierung von Scharpf und Mayntz insbesondere an vier Stellen modifiziert werden: Erstens müsste das Konzept des institutionellen Kontextes, das in dem von Mayntz und Scharpf entwickelten Modell nicht den Status einer ausdefinierten Anzahl von Variablen hat (dazu auch Scharpf 2006: 78), entsprechend konkretisiert und ausdifferenziert werden. Zweitens müsste das Modell in Bezug auf Regierungskommunikation und den Regierungsakteur zugespitzt werden. Drittens ist zu konstatieren, dass Scharpf und Mayntz (2006, 1995) den Kommunikationsbegriff insgesamt eher am Rande verwenden, sie beziehen ihn nicht systematisch in ihre Forschungsheuristik des akteurszentrierten Institutionalismus ein und definieren ihn auch nicht explizit. Kommunikation geht in der Lesart des akteurszentrierten Institutionalismus – so scheint es – vor allem in der Begrifflichkeit des Akteurshandelns auf. Diese Gleichschaltung wird hier für die Analyse von Kommunikation als unzureichend erachtet, weil das faktische Handeln und das kommunikative Begründen hier nicht als gleichwertig angesehen werden (dazu auch Kapitel 3.4). Viertens müsste auf der Ebene der Adressaten eine Unterscheidung erwogen werden, die das Ursprungsmodell von Mayntz und Scharpf nicht anbietet, die aber bei einem Untersuchungsgegenstand im Bereich der Kommunikation unabdingbar ist.28 Fünftens müsste die von Scharpf und Mayntz definierte Ergebnisebene (Ent27 „Was will die Regierung, was soll die Regierung, was kann die Regierung?“, dazu auch Kapitel 1.2. 28 Dazu auch Scharpf im Interview am 24.01.2010. Das Interview fand im Kölner Max-Plank-Institut für Gesellschaftsforschung statt und bezog sich auf das hier zugrunde liegende Vorhaben, ein Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation zu entwickeln.
3.4 Die Erweiterung des neo-institutionalistischen Spektrums von Schmidt
37
scheidung) ergänzt werden um die Ebene der Legitimation, verstanden als Zielsetzung der (Regierungs-) Kommunikation (dazu auch Kapitel 3.4).
3.4 Die Erweiterung des neo-institutionalistischen Spektrums von Schmidt Davon ausgehend, dass sich Kommunikation als dynamischer Prozess zwischen Sender und Empfänger vollzieht, die wechselseitig aufeinander Bezug nehmen (Beck 2006: 133), werden hier die Regierungen moderner Demokratien insbesondere in der Rolle des Senders gesehen, die (in sozialpolitischen Diskursen) Anliegen an andere politischen Akteure und/oder öffentliche Adressatengruppen richten. Die Adressaten reagieren ihrerseits als Empfänger mit Legitimation (oder Nicht-Legitmation) darauf. Die bisher (in Kapitel 3.1 bis 3.3) unter der Bezeichnung des „klassischen Neo-Institutionalismus“ diskutieren Ansätze zeichnen sich allerdings durch eine eher statische (und insofern wenig dynamische) Sichtweise von Kommunikation als Akteurshandeln im institutionellen Kontext aus. Daraus ergibt sich in Bezug auf die Analyse von (Regierungs)Kommunikation das Problem der Unterminierung diskursiver Faktoren. Betrachtet man Kommunikation als Prozess des wechselseitigen Aufeinanderbeziehens von Sender und Empfänger zu einem bestimmten Thema, ist die Reduktion auf „am Anfang sendet der Sender, am Ende empfängt der Empfänger“ problematisch, weil das wechselseitige Aufeinanderbeziehen an sich und der sich auf dieser Basis im Zeitverlauf verändernde Ideenzuschnitt nicht modelliert werden. An dieser Stelle setzt auch die Entwicklung zum so genannten diskursiven Institutionalismus an, die maßgeblich von Vivien A. Schmidt geprägt worden ist (dazu grundlegend: Schmidt, V. 2010 a und b, 2008, 2006).29 Der diskursive Neo-Institutionalismus hebt vorrangig die Wirkung von Ideen und Diskursen in Diskursprozessen und -koalitionen hervor. Er konzentriert sich insofern sowohl auf die inhaltliche Qualität der Ideen als auch auf die interaktiven Prozesse, die dazu dienen, diese Ideen zu generieren, zu entwickeln und sie in und mit der Öffentlichkeit zu diskutieren (Schmidt, V. 2010 a und b, 2008, 2006, Schmidt, V./Radaelli 2004). Insbesondere der letztgenannte Zugang wird für das vorliegende Vorhaben als zentral relevant erachtet. Im diskursiven Neo-Institutiona29 Gegenwärtig besteht Uneinigkeit darüber, ob es sich bei dem diskursiven Neo-Institutionalismus um einen neuen, vierten, neo-institutionalistischen Ansatz handelt (dafür spricht, dass er sich durch die starke Orientierung an diskursiven Elementen deutlich von den statischen bestehenden Ansätzen unterscheidet) oder ob es sich eher um eine konsequente Fortsetzung des historischen NeoInstitutionalismus handelt (dafür spricht wiederum, dass die Überlegungen von Schmidt auf den Faktoren der Zeit und der Pfadabhängigkeit beruhen und diese betonen, wie es auch historischen Herangehensweisen zueigen ist).
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3 Theoretischer Zugang
lismus werden Ideen als Ursache für Veränderung gesehen (Schmidt, V. 2010 a und b, 2008, 2006: 10ff). Aus Ideen resultieren Veränderungswünsche, die in Diskursen transportiert und der Frage nach Legitimation unterzogen werden. Die dynamische Logik des diskursiven Neo-Institutionalismus geht insofern nicht in dem Begriff der Idee auf, sondern vor allem in dem Diskursbegriff, in dem Ideen in Abhängigkeit der Zeit reflektiert und weiterentwickelt werden. Legitimation wird dabei als Zielebene für die Äußerung von Ideen formuliert. Die Art und Weise der Formulierung von Ideen und die Art und Weise ihrer Verbreitung im Rahmen des Diskurses werden insofern im diskursiven Neo-Institutionalismus als Schlüsselvariable angeführt, um Wandel (oder Kontinuität) erklären zu können. Diskurs ist in diesem Zusammenhang nicht nur als Aneinanderreihung unterschiedlicher Ideen, sondern vielmehr auch als Ressource zur Herstellung von Legitimation zu verstehen (Schmidt, V. 2006: 17). Schmidt (V. 2010 a und b, 2008, 2006) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwei zentrale Ebenen des Diskurses, den koordinativen und den kommunikativen Diskurs: Der koordinative Diskurs findet dabei unter politischen Akteuren statt, während der kommunikative Diskurs an öffentliche Adressatengruppen gerichtet ist (Koß 2008: 80ff, Schmidt, V. 2002: 211f). Schmidt geht davon aus, dass zentralisierte politische Systeme den kommunikativen Diskurs mit der Bevölkerung präferieren, während Systeme mit institutioneller Machtverschränkung dem koordinativen Diskurs der Akteure, also der Eliten, mehr Platz einräumen (Schmidt, V. 2002: 211f, dazu auch Kapitel 4.2). Während der koordinative Diskurs insofern dazu dient, dass die politischen Akteure eine gemeinsame Sprache finden, fokussiert der kommunikative Diskurs stärker den Austausch der Eliten mit der Öffentlichkeit (Koß 2008: 80ff). Der diskursive Neo-Institutionalismus unterscheidet sich insofern insgesamt sowohl im Subjekt (Diskurs), als auch im Objekt (Ideen) und in der (dynamischen statt statischen) Logik von den klassischen neo-institutionalistischen Ansätzen (Schmidt 2006: 10ff). Für die weitere Analyse von Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien werden hier vor allem die Ebenenunterscheidung in einen koordinativen und einen kommunikativen Diskurs und die Einbeziehung der Faktoren „Zeit“ und „Pfadabhängigkeit“ als zentral relevant erachtet. Darüber hinaus wird hier auch insbesondere die von Schmidt (V. 2006: 10ff) vorgenommene Definition von Diskursen als Ressource zur Erzeugung von Legitimation als wegweisend angesehen.
3.5 Die Vorzüge spieltheoretischer Modellierungen
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3.5 Die Vorzüge spieltheoretischer Modellierungen Neben den zentralen Paradigmen, die sich aus der hier zugrunde liegenden neoinstitutionalistischen Modellierung ergeben, wird vor allem auch den Paradigmen einer spieltheoretischen Herangehensweise gefolgt, weil maßgeblich das Ziel verfolgt wird, kommunikative Handlungsoptionen in wahrscheinlichen Konstellationen aufzuzeigen und sie modellhaft im institutionellen Kontext zu verorten. Spieltheoretische Herangehensweisen entstammen ursprünglich der Mathematik und dienen dort der Untersuchung des Verhaltens von Spielern bei Gesellschaftsspielen wie Schach oder Dame (Blum/Schubert 2009: 43). Auf politikwissenschaftliche Kontexte übertragen verweist sie heute aber auch allgemeiner auf die Analyse des Verhaltens mehrerer Akteure in Entscheidungssituationen (Blum/Schubert 2009: 43).30 Der Nutzen einer Entscheidung für einen Akteur wird dabei von den Entscheidungen der jeweils anderen Akteure beeinflusst. Entscheidungsträger treffen ihre Entscheidungen insofern nicht allein, sondern sie machen sie abhängig von dem erwarteten Verhalten anderer Akteure (Blum/Schubert 2009: 43). Mit Scharpf (2006: 29ff) sind auch politische Entscheidungsprozesse mit Spielen insofern vergleichbar, als das sie aus Spielern, Regeln, Strategien und Auszahlungen bestehen. Spieler (hier: Regierungen und andere politische Akteure) beeinflussen sich dabei in Entscheidungssituationen gegenseitig durch die von ihnen getroffenen Entscheidungen. Diese unterliegen Strategien (hier Kommunikationsstrategien), die aus dem Spektrum der verfügbaren Handlungsoptionen (hier der kommunikativer Korridor für Regierungskommunikation) von den Spielern gewählt werden. Diese Wahl kann einseitig oder in Abstimmung mit anderen Spielern erfolgen. Im Bereich der Auszahlungen (hier: Legitimation für politische Entscheidungen) kommt es schließlich zur Bewertung möglicher und tatsächlicher Ergebnisse auf der Grundlage der Präferenzen der Spieler. Spieltheoretische Modellierungen von Interaktionen sind mit Scharpf (2006: 29ff) besonders gut geeignet, Konstellationen zu modellieren, die Wissenschaftler typischerweise in empirischen Untersuchungen politischer Prozesse vorfinden, weil sie die dynamische und diskursive Logik politischer Prozesse gut erfassen können. Spiele folgen, wie auch politische Prozesse, bestimmten Regeln und finden mit einer begrenzten Anzahl individueller und korporativer Akteure statt, die zweckgerichtet unter bestimmten Bedingungen (strategisch) handeln. Das Resultat des Spiels ist das Produkt ihrer einzelnen Entscheidungen und auf dieser Basis werden schließlich die Auszahlungen (Legitimation) berechnet. Die Akteure sind sich ferner ihrer wechselseitigen Abhängigkeit von einander bewusst, sie 30
Grundlegend zur Bedeutung der Spieltheorie in der Politikwissenschaft: Morrow 1994.
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3 Theoretischer Zugang
reagieren wechselseitig aufeinander und versuchen die Schritte der Anderen wechselseitig zu antizipieren (Scharpf 2006: 24).31 Spieltheoretische Zugänge zeichnen sich insofern nicht durch eine präzise Prognose der Wirklichkeit, sondern vielmehr durch ein präzises Aufzeigen realistischer Szenarien aus (Wenn Spieler A Strategie X wählt, folgt daraus für Spieler B Situation Y, was ihm folgende Möglichkeiten (I, J, K) zu handeln weiter offen hält, während andere Handlungsoptionen (M, N, O) nun nicht mehr zur Verfügung stehen). Die Überlegenheit einer spieltheoretischen Zugangsweise bei der Analyse von diskursiven Prozessen – wie Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien – manifestiert sich mithin an drei zentralen Punkten: Spieltheoretische Zugangsweisen ermöglichen (erstens) die Fokussierung eines oder mehrerer Akteure in Entscheidungsprozessen und kommunikativen Diskursen und ermöglichen seine Verortung (und die Bewertung seiner „Auszahlungen“) zu verschiedenen Zeitpunkten. Spieltheoretische Modellierungen sind (zweitens) auf diese Weise in der Lage, pfadabhängige und zeitsensitive Prozesse zu erfassen und können so die Veränderungen von „Ideen“ im Laufe der „Zeit“ angemessen erfassen und abbilden. Die zentrale Stärke spieltheoretischer Herangehensweisen liegt insofern (drittens) nicht in der Möglichkeit zur Eins-zu-eins-Prognose von Entscheidungsverläufen und Kommunikationsverhalten, sondern in der Prognose wahrscheinlicher Konstellationen und Verläufe, die auch ein Unterscheiden von „typischen“ und „untypischen/ besonderen“ Mustern erlaubt. Zur Ex-Ante-Vorhersage künftiger Prozesse der Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien kann das hier entwickelte Modell insofern zwar nicht eingesetzt werden (was sich allerdings generell ohne das Einbeziehen übersinnlicher Kräfte als eher schwierig erweist). Jedoch können auf der Basis des hier entwickelten Modells künftig realistische Konstellationen und darin bestehende Handlungsoptionen zielsicher prognostiziert werden. Diese Prognose stellt eine entscheidende Vereinfachung der empirischen Vielfalt da („Institutionen, nicht Annahmen verringern die empirische Vielfalt“32), weil Fallbeispiele von Verfahrensweisen in der Regierungskommunikation dann nicht mehr per se als unglaublich innovatives Einzelphänomen eines erfindungsreichen Regierungsberaters oder Spin-Doctors gesehen werden müssen, sondern auf der Basis des institutionellen Kontextes als „erwartbar“ oder „überraschend“ 31
Um von einer spieltheoretischen Perspektive zu profitieren, muss nicht unbedingt von allwissenden Akteuren, die über unbegrenzte Informationsverarbeitungskapazitäten verfügen, ausgegangen werden. Scharpf (2006: 24) siehst es vielmehr als ausreichend an, wenn die grundlegenden Konzepte interdependenten strategischen Handelns angemessen berücksichtigt werden. 32 Dazu auch Scharpf im Interview am 24.01.2010. Das Interview fand im Kölner Max-Plank-Institut für Gesellschaftsforschung statt und bezog sich auf das hier zugrunde liegende Vorhaben, ein Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation zu entwickeln.
3.5 Die Vorzüge spieltheoretischer Modellierungen
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identifiziert werden können. Es sind die überraschenden Fälle, denen auf diese Weise künftig mehr empirische Aufmerksamkeit zuteil werden kann.
4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
Auf der Basis der theoretischen Vorannahmen (Kapitel 3) ergeben sich für die Modellierung folgende Grundannahmen: Erstens soll (als unabhängige Variable) der institutionelle Kontext von Regierungskommunikation in Betracht genommen werden. Er bildet – so soll es vorausgesetzt werden – einen kommunikativen Korridor für den Regierungsakteur, den dieser zur Regierungskommunikation nutzen kann (dazu auch Kapitel 4.1.1). Zweitens soll der Regierungsakteur fokussiert werden, der als Sender der Regierungskommunikation kommunikative Anliegen an unterschiedliche Adressatengruppen richtet (dazu auch Kapitel 4.1.5). Seine Position im politischen System und seine innere Kohärenz werden – so wird es hier vorausgesetzt – maßgeblich durch den institutionellen Kontext geprägt (dazu auch Kapitel 4.1.2). Drittens soll (als abhängige Variable) der Prozess der Regierungskommunikation im koordinativen Diskurs als Entscheidungskommunikation und im kommunikativen Diskurs als Darstellungskommunikation modelliert werden (dazu auch Kapitel 4.1.3). Viertens soll (als Ziel der Regierungskommunikation) die Frage nach der erreichten Legitimation, die hier unterschieden wird in Entscheidungslegitimation und Darstellungslegitimation, abgebildet werden (dazu auch Kapitel 4.1.4).
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
3.5 Die Vorzüge spieltheoretischer Modellierungen
Abbildung 3:
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Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
Quelle: Eigene Darstellung. Der institutionelle Kontext bildet als unabhängige Variable den Ausgangspunkt der hier vorgenommenen Modellierung. „Welche Merkmale kennzeichnen den institutionellen Kontext?“ lautet insofern die Leitfrage, die in Kapitel 4.2.1 beantwortet werden soll. Seine spezifische Ausgestaltung bildet für Regierungen moderner Demokratien einen kommunikativen Korridor heraus, innerhalb dessen die Regierungskommunikation erfolgen kann. Strategien, die (institutionell bedingt) außerhalb dieses Korridors liegen, stehen einer Regierung insofern nicht zur Verfügung. Die Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen beginnt – so soll es hier in Anlehnung an die Modellierung von Scharpf und Mayntz (1995) vorausgesetzt werden – mit einem „Problem“ aufgrund dessen die Regierungen „Ideen“ zur Lösung entwickeln. Diese Ideen werden auf der Ebene des koordinativen Diskurses mit anderen politischen Akteuren diskutiert und so lange modifiziert, bis für eine Idee eine Entscheidungsmehrheit hergestellt werden kann (Entscheidungslegitimation).
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4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
Abbildung 4:
Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation [mit Operationalisierungsindikatoren]
Quelle: Eigene Darstellung. Ferner erfolgt die Diskussion der Ideen mit öffentlichen Adressatengruppen, mit dem Ziel, auch dort Zustimmung zu generieren (Darstellungslegitimation). In diesem Kontext kommt es ebenfalls zu Modifikationen der Ursprungsidee. Regierungskommunikation ist daher auf den Ebenen der Darstellungskommunikation und Entscheidungskommunikation nicht als isoliert voneinander zu sehen, vielmehr haben Modifikationen der Ideen auf der Darstellungsebene auch Rückwirkungen auf den koordinativen Diskurs auf der Entscheidungsebene und umgekehrt. Am Ende des Prozesses der Regierungskommunikation steht die Frage nach der Legitimation, die in die Bestandteile der Entscheidungslegitimation und der Darstellungslegitimation gegliedert ist. Regierungskommunikation ist insofern dann erfolgreich, wenn sowohl Entscheidungs- als auch Darstellungslegitimation erreicht werden kann (dazu auch Kapitel 1.3 und 4.1.3). Während ohne Entscheidungslegitimation eine Entscheidung nicht zustande kommt, ist eine Entscheidung ohne Darstellungslegitimation durchaus denkbar, hier wird aber
4.1 Konzeptspezifikation und Operationalisierung
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davon ausgegangen, dass daraus jedoch substanzielle Probleme aus Sicht der Regierung resultieren, die beispielsweise ihre Wiederwahl gefährden können. Abbildung 3 visualisiert diese Modellierung. Im Folgenden sollen die zentralen Teilkomponenten des Modells, das hier zur Erklärung von Regierungskommunikation im institutionellen Kontext moderner Demokratien angeführt wird, operationalisiert werden.33 Der Begriff der Operationalisierung wird hier definiert als Messbarmachung. Ziel der Operationalisierung des Modells in den folgenden Kapiteln ist insofern die Messbarmachung des institutionellen Kontextes (von Regierungskommunikation), der Kohärenz des Regierungsakteurs, des Prozesses der Regierungskommunikation selbst und der Frage nach der Legitimation sowie die Unterscheidung der Adressatengruppen der Regierungskommunikation. Abbildung 4 fasst die Operationalisierungsindikatoren, die im Folgenden im einzeln entwickelt werden zur Übersicht vorab zusammen.
4.1 Konzeptspezifikation und Operationalisierung 4.1.1 Operationalisierung des institutionellen Kontextes Im Folgenden soll der institutionelle Kontext operationalisiert werden, der Regierungskommunikation (als Akteurshandeln) durch das Setzen von Anreizen und Restriktionen prägt und insofern hier als unabhängige Variable definiert worden ist. Ziel der Operationalisierung ist die Benennung von Indikatoren, mit denen der institutionelle Hintergrund von Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen erfassbar und unterscheidbar gemacht werden kann. Grundlegend sind hier alle Unterscheidungsindikatoren denkbar, die helfen institutionelle Kontexte moderner Demokratien in Bezug auf den Regierungsakteur, seine Stellung im politischen System und die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit (in sozialpolitischen Diskursen) abzubilden. Für die Auswahl der Indikatoren, die bestmöglich geeignet sind, den institutionellen Kontext hinsichtlich der hier zugrunde liegenden Fragestellung angemessen abzubilden, werden folgende Kriterien zugrunde gelegt: Die auszuwählenden Indikatoren müssten erstens für jedes Land einwandfrei auf der Basis wissenschaftlicher Literatur feststellbar sein. Darüber hinaus müssen sie zwei33 In Kapitel 4.1.1 wird (als unabhängige Variable) zunächst der institutionelle Kontext operationalisiert. In Kapitel 4.1.3 wird als abhängige Variable „Regierungskommunikation“ auf den Ebenen der Entscheidungskommunikation und der Darstellungskommunikation operationalisiert. In Kapitel 4.1.4 wird Legitimation als Zielebene von Regierungskommunikation entwickelt und in Kapitel 4.1.5 wird schließlich der Begriff der „Politik-Umwelt“ operationalisiert.
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4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
tens in der Lage sein, die institutionellen Unterschiede systematisch abbilden zu können, die für Regierungskommunikation in Phasen sozialpolitischer Schlüsselentscheidungen von besonderer Bedeutung sind (dazu auch Kapitel 4.2). Folgende drei Indikatoren erfüllen diese Prämissen:
Der Regierungssystemtyp, der Demokratietyp, und der Wohlfahrtsstaatstyp.
Mit dieser Auswahl korrespondiert auch eine Definition der Spannweite institutioneller Kontexte von Ikenberry (1988: 223ff) der erklärt: „These levels range from specific characteristics of government institutions, to the more overaching structures of state, to the nations´s normative social order” (dazu auch Schulze 1997: 20). Entsprechend seiner Unterscheidung ergibt sich für die hier vorgenommene Indikatorauswahl folgendes Bild: Die „characteristics of government institutions“ werden hier abgebildet über den Indikator „Regierungssystemtyp“. Die „structures of state” werden über den Indikator „Demokratietyp“ aufgenommen. Die „nations´s normative social order” werden ferner über den „Wohlfahrtsstaatstyp“ thematisiert. Der Festlegung der Operationalisierungsindikatoren liegt die Annahme zugrunde, dass sie besonders und besser als andere mögliche Operationalisierungen im Stande sind, die bedeutsamen Faktoren des institutionellen Kontextes erfassbar und unterscheidbar zu machen. Die vorgenommene Auswahl liefert dabei keine vollständige Abbildung des institutionellen Kontextes (zentrale Elemente wie etwa das Mediensystem, Bestandteile der politischen Kultur der modernen Demokratie usw.) werden hier nicht modelliert. Ihre Ausklammerung resultiert aus zwei Gründen: Zum einen ist eine Erweiterung der Operationalisierung um weitere Indikatoren hinsichtlich der Abgrenzbarkeit der Indikatoren untereinander problematisch. Denn während die hier gewählten Indikatoren klar voneinander unterschieden werden können, gäbe es im Bereich der politischen Kultur und der Mediensysteme bereits untereinander Überschneidungen. Ferner wäre auch ein Indikator, der die politische Kultur abbildet, immer auch in Konkurrenz zum Indikator „Wohlfahrtstaatstyp“ zu sehen, der im Folgenden auch in der Lesart der „Wohlfahrtskultur“ verwendet wird („Was erwarten die Bürger in Fragen der sozialen Sicherheit von der Regierung?“). Zum anderen sind die Operationalisierungen der hier gewählten Indikatoren einschlägig und häufig rezipiert worden, während bei weiteren Indikatoren das Problem einer eindeutigen Zuweisung einer Operationalisierungsoption besteht. Entscheidet man sich beispielsweise im Rahmen der „politischen Kultur“ für die Operationalisierung von Pfetsch, B. (2001), weil sie am ehesten einschlägig ist, entsteht das Problem,
4.1 Konzeptspezifikation und Operationalisierung
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dass sie ihre Typisierung nur auf Deutschland und die USA bezieht, während für andere Länder keine Operationalisierungen vorliegen.34 Im Folgenden werden auf dieser Basis die drei hier zugrunde gelegten Indikatoren zur Operationalisierung der unabhängigen Variable „institutioneller Kontext von Regierungskommunikation in modernen Demokratien“ konkretisiert und hinsichtlich ihrer möglichen Ausprägungen definiert. Der Indikator „Regierungssystemtyp“ thematisiert die Frage der Position der Regierung im politischen System. Hier werden mit Hartmann (2006) die Ausprägungen parlamentarisch, präsidentiell und semi-präsidentiell unterschieden.35 Das zentrale Unterscheidungskriterium liegt dabei in der Frage nach der Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament begründet. Kann das Parlament die Regierung abberufen, spricht man von einem parlamentarischen Regierungstyp. In präsidentiellen Regierungssystemen wird der Regierungschef hingegen direkt vom Volk gewählt und ist damit nicht unmittelbar vom Parlament abhängig. Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist mit Kaltefleiter (1970) in der Geschlossenheit der Exekutive zu sehen: Als dritter Typus kann damit das semi-präsidentielle Regierungssystem unterschieden werden, das mit dem Staatsoberhaupt (Präsident oder Monarch) einerseits sowie dem Regierungschef andererseits über eine doppelköpfige Exekutive verfügt (Hartmann 2005: 163ff).36 Wie in parlamentarischen Regierungssystemen existiert dabei eine doppelköpfige Exekutive, allerdings hat der direkt gewählte und nicht vom Parlament abrufbare Präsident wesentlich größere machtpolitische Befugnisse als das Staatsoberhaupt in parlamentarischen Regierungssystemen.37 Der Indikator „Demokratietyp“ thematisiert die Frage nach der (De-) Zentralisierung politischer Macht in modernen Demokratien. Gemäß dem von Lijphart (1977, 1999)38 entwickelten Modell sollen dazu zunächst die idealtypi34 Für Frankreich gibt es eine Operationalisierung (Burgert 2006), nicht aber für viele andere Fallbeispiele moderner Demokratien, die im Rahmen der hier gewählten Indikatoren mit abgedeckt sind. 35 Ein Regierungssystem umfasst (Verfassungs-)Institutionen und politische Einrichtungen, die an der Herstellung gesellschaftlich verbindlicher Entscheidungen beteiligt sind, weist ihnen Handlungs- und Gesetzgebungskompetenzen zu und strukturiert durch Abhängigkeitsbeziehungen, Kontrollrechte und Vetopotentiale ihr Verhältnis und ihre Interaktionsmuster (Croissant 2006: 133, Schubert/Klein 2006). Das Regierungssystem moderner Demokratien ordnet somit das Verhältnis der drei Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative zueinander (Croissant 2006: 133). Eine zentrale Grundlage für die Unterscheidung von Regierungssystemen lieferte Steffani (1979), indem er parlamentarische und präsidentielle Systeme unterschieden hat. 36 Die Notwendigkeit, neben parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystemen auch semipräsidentielle Systeme zu unterscheiden, wird in Kapitel 8.3 aufgegriffen und weiter ausgeführt. 37 Er beruft und entlässt den Regierungschef, der aber gleichzeitig auch von dem Vertrauen und der Unterstützung der Parlamentsmehrheit abhängig ist (Duverger 1980). 38 Lijphart (1977, 1999) ordnet 36 Demokratien entlang zweier Dimensionen, der ExekutiveParteien-Dimension und der Föderalismus-Unitarismus-Dimension idealtypisch zu. Folgende Indikatoren werden dabei betrachtet: Exekutivmacht, Legislative vs. Exekutive, Parteiensystem, Wahlsys-
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4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
schen Ausprägungen der Verhandlungs- und der Wettbewerbsdemokratie unterschieden werden. Als Leitkriterium für die Unterscheidung führt Lijphart dabei insbesondere die Breite des Spektrums der Teilhaber an politischen Entscheidungen an (Croissant 2006: 131ff). In Wettbewerbsdemokratien prägen Parteienkonkurrenz und parlamentarische Mehrheitsentscheidungen den Regierungsprozess. Politische Macht ist dort auf den Regierungsakteur konzentriert und die dominierende Entscheidungsregel ist das Mehrheitsprinzip.39 Im Gegensatz dazu ist politische Macht in Verhandlungsdemokratien auf verschiedene Akteure verteilt, so dass politisch organisierten Minderheiten Gestaltungs- und Vetorechte eingeräumt werden. Verhandlungsdemokratien zeichnen sich daher typischerweise durch Viel-Parteien-Parlamente und Koalitionsregierungen aus. Aufgrund einflussreicher zweiter Kammern und idealtypisch föderaler Strukturen muss aus Sicht der Regierung eine Vielzahl von Akteuren an Entscheidungsprozessen beteiligt werden, was den kommunikativen Korridor für Regierungskommunikation schmälert. 40 Neben den Ausprägungen der Verhandlungs- und der Wettbetem, Interessensystem, Staatstruktur, Legislativstruktur, Verfassungsänderung, Gesetzeskontrolle. Entlang dieser Indikatoren entspricht eine Wettbewerbsdemokratie idealtypisch folgendem Bild: Einparteienregierung, Dominanz der Exekutive, bipolares Parteiensystem, Mehrheitswahl, pluralistisches Interessensystem, unitarische Staatstruktur, Einkammersystem, Verfassungsänderungen mit einfacher Mehrheit, Gesetzeskontrolle allein durch die Legislative. Eine Verhandlungsdemokratie ist idealtypisch durch folgende Merkmalsausprägungen gekennzeichnet: Mehrparteien/Koalitionsregierungen, Gleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative, multipolares Parteiensystem, Verhältniswahl, korporatistisches Interessensystem, föderalistische Staatsstruktur, Zweikammersystem, Verfassungsänderungen nur durch qualifizierte Mehrheiten, Gesetzeskontrolle durch zusätzliche richterliche Überprüfung. 39 Der Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie wird daher in der Literatur zum Teil auch als Mehrheitsdemokratie bezeichnet. Idealtypisch handelt es sich dabei um Zentralstaaten mit Einkammernparlamenten, in denen aufgrund des Mehrheitswahlrechtes, wie beispielsweise in Großbritannien, Parteien mit eindeutigen Mehrheiten regieren. Der mächtigste politische Akteur ist dabei die von der Parlamentsmehrheit getragene Exekutive mit dem Regierungschef an ihrer Spitze. Die regierende Partei muss keine Rücksicht auf weitere Vetospieler nehmen. Der Typus der Wettbewerbsdemokratie mit seiner harten Parteienkonkurrenz eignet sich insofern für homogene Gesellschaften, die nicht durch religiöse, regionale oder sonstige ökonomisch-kulturelle Konflikte in stark polarisierende Lager zerfallen (Schmidt, M. 2000: 338ff). 40 Das hat den Vorteil, dass möglichst viele gesellschaftliche Interessen berücksichtigt werden und politische einmal getroffene Entscheidungen einen hohen Legitimationsgrad aufweisen. Allerdings sind Aushandlungsprozesse mit vielen Beteiligten mühsam, langwierig und wenig transparent (Czada 2000). Entscheidungsprozesse in Verhandlungsdemokratien sind relativ offen. Die Regierung hat bei ihrer Politikformulierung viele verschiedene Interessen zu berücksichtigen, muss Verhandlungsspielräume ausloten und sich offen für Kompromisse zeigen. Schließlich ist ihre Handlungsfähigkeit in erster Linie von der Kooperationsbereitschaft der potentiellen Vetospieler abhängig. Daher findet sich der Typus der Verhandlungsdemokratie eher in Staaten mit stark ausgeprägten gesellschaftlichen Konflikten, unterschiedlichen politisierten Lagern und regionalen Unterschieden. Zentrale politische Entscheidungen werden dabei nicht durch die Mehrheitsentscheidungen, sondern auf dem Verhandlungsweg erzielt. Verhandlungspartner sind politische Parteien, die Regierungen verschiedener
4.1 Konzeptspezifikation und Operationalisierung
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werbsdemokratie soll im Folgenden als weitere Indikatorausprägung der Mischtyp der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie betrachtet werden, der sowohl Elemente der Machtteilung als auch Elemente der Machtkonzentration vereint. Der Indikator „Wohlfahrtsstaatstyp“ soll hier definiert werden als Differenzierungsmöglichkeit hinsichtlich der Art des gesellschaftlichen Wertekonsenses, der den Grad der Verantwortung des Staates für die soziale Sicherheit seiner Bürger sowie die Umverteilung von Einkommen zugunsten sozial Schwacher und zu Lasten sozial Starker grundlegend regelt. 41 Zur Operationalisierung soll hier der Vorschlag von Esping-Andersen (1990, 2000) zugrunde gelegt werden, der drei unterschiedliche Wohlfahrtsstaatstypen – den sozialdemokratischen, den konservativen und den liberalen – unterscheidet.42 Der Idealtyp des liberalen Wohlfahrtsstaatstyps beschreibt dabei eine Erwartungshaltung aufseiten des Elektorats, die insbesondere niedrige und eher steuerfinanzierte Sozialleistungen als erstrebenswert erachtet, die nur im Falle der Bedürftigkeit gewährt werden. Die Verantwortlichkeit des Einzelnen für seine soziale Sicherheit ist somit groß. Das idealtypische Gegenteil dazu ist der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaatstyp. Hier werden ein hohes Maß an sozialer Sicherung und eine gut ausgebaute soziale Dienstleistungsstruktur erwartet. Alle Bürger sollen dabei unabhängig von ihrem Einkommen ein Recht auf die annähernd gleichen und hohen sozialen Leistungen und Standards genießen. Der konservative Wohlfahrtsstaatstyp kann in diesem Zusammenhang als Mischform interpretiert werden: Er zielt weniger auf die Nivellierung sozialer Ungleichheit als auf Statussicherheit ab, die durch das Sozialversicherungsprinzip gewährleistet werden soll.
4.1.2 Operationalisierung des Akteurs „Regierung“ Im Folgenden soll der Regierungsakteur operationalisiert werden, der primär in der Rolle des Senders (im Prozess der Regierungskommunikation) gesehen wird. Hier wird davon ausgegangen, dass die Position der Regierung im politischen System (geprägt durch den Regierungssystemtyp) und ihr Machtspektrum (geprägt durch den Demokratietyp) als vordefiniert durch den institutionellen Kontext zu sehen sind. Regierungen moderner Demokratien sollen hier insbesondere Ebenen im föderalen Gefüge oder organisierte Interessen und Verbände, die in unterschiedlichen Verhandlungsarenen aufeinander treffen. 41 Esping-Andersen (1990) legt seiner Unterscheidung folgende Dimensionen zugrunde: entitlements to benefits, level of support, degree of re-distribution and success in reducing or reinforcing inequalities. 42 Zur Wohlfahrtskultur in modernen Demokratien siehe auch Merkel u.a. 2006.
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4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
entlang ihrer internen „Kohärenz“ unterschieden werden. Dieser Unterscheidung liegt die Annahme zugrunde, dass sich in Mehrparteienregierungen der koordinative Diskurs aufwendiger gestaltet, weil mehr Vetospieler in den regierungsinternen Entscheidungsprozess einbezogen werden müssen (dazu auch Kapitel 4.2). Die Unterscheidung nach dem inneren Zusammenhalt von Regierungen beruht auf den Überlegungen von Tsebelis (2002) der die Kohärenz als einen zentralen Aspekt zur Bewertung der Schlagkräftigkeit eines Vetospielers anführt. Hinsichtlich des Regierungsakteurs sollen im Folgenden drei mögliche Ausprägungen unterschieden werden: die Einparteienregierung, die Koalitionsregierung und die Minderheitsregierung (verstanden als spezielle Lesart einer Mehrparteienregierung). Die Art der Ausprägung auf diesem Indikator in modernen Demokratien wird dabei als vorgeprägt durch den institutionellen Kontext verstanden. Regierungen wählen mithin nicht zwischen einer der Ausprägungen, sie sind vielmehr institutionell bedingt auf einer der Ausprägungen verortet.
4.1.3 Operationalisierung des Prozesses der Regierungskommunikation Im Folgenden soll der Prozess der Regierungskommunikation operationalisiert werden, der in Abhängigkeit des institutionellen Kontextes modelliert werden soll. Für die Auswahl der Indikatoren, die bestmöglich geeignet sind, den Prozess der Regierungskommunikation angemessen abzubilden, werden hier folgende Kriterien zugrunde gelegt: Die Indikatoren müssen erstens geeignet sein, Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen erfassbar und unterscheidbar zu machen. Sie müssen zweitens für die zu betrachtenden Fallbeispiele in den Länderanalysen auf der Basis vorhandener wissenschaftlicher Literatur einwandfrei extrahierbar sein. Sie müssen drittens darüber hinaus mit den formulierten Indikatoren des institutionellen Kontextes in der Weise korrespondieren, dass sie geeignet sind, bei Unterschieden im institutionellen Kontext auch Unterschiede im Prozess der Regierungskommunikation anzeigen zu können. Der vorgenommenen Indikatorauswahl liegt insofern die implizite Annahme zugrunde, dass diese Kriterien optimal erfüllt werden. Weil die vergleichende Regierungsforschung keine erprobten Indikatorkonstrukte für Regierungskommunikation anbietet, muss die Benennung der Indikatoren auf Basis vorhandener Vorschläge aus der Literatur erfolgen, die bisher nicht Gegenstand systematisch vergleichender Arbeiten gewesen sind. Die hier verwendeten Indikatoren stellen insofern eine qualitative Auswahl dar, die auf der Basis vorliegender wissenschaftlicher Literatur und der eigenen wissenschaftlichen Expertise getroffen worden ist. Weitere Arbeiten müssten klären, inwiefern andere Indikatoren bessere Alternativen darstellen oder inwieweit besser geeignete Operationalisie-
4.1 Konzeptspezifikation und Operationalisierung
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rungen vorliegen. Der Prozess der Regierungskommunikation soll hier über folgende Indikatoren abgebildet werden:
Gewichtung (von Darstellungs- und Entscheidungskommunikation) Modus (der Entscheidungskommunikation), Zeitpunkt (des Beginns der Darstellungskommunikation) und Argumentation (in der Darstellungskommunikation).
Regierungskommunikation soll hier zunächst grundlegend auf den zwei Ebenen, der Entscheidungskommunikation und der Darstellungskommunikation, betrachtet werden. Der Indikator „Gewichtung (von Darstellungs- und Entscheidungskommunikation)“ soll in diesem Zusammengang beide Ebenen hinsichtlich ihrer Bedeutung zueinander in Relation setzen. Als mögliche Ausprägungen soll der Indikator „Entscheidungskommunikation bedeutsamer“ und „Darstellungskommunikation bedeutsamer“ führen. Die weiteren Indikatoren zur Analyse und zum Vergleich von Regierungskommunikation sollen entlang der unterschiedenen Ebenen erfolgen. Auf der Ebene der Entscheidungskommunikation soll als Indikator zunächst der „Modus“ der Entscheidungskommunikation fokussiert werden. „In welchem Modus kommuniziert die Regierung auf der Ebene der Entscheidungskommunikation mit anderen politischen Akteuren?“ soll in diesem Zusammenhang als Leitfrage beantwortet werden. Als Ausprägungen sollen dabei das Verhandeln und das Argumentieren unterschieden werden (Elster 1991, Saretzki 1996: 23). Der Indikator „Modus“ gibt insofern Aufschluss darüber, inwieweit Regierungen im Rahmen der Entscheidungskommunikation die inhaltliche Position anderer politischer Akteure akzeptieren. Im Fall des argumentierenden Modus versucht die Regierung, politische Mehrheiten durch Überzeugung herzustellen. Positionen, die der eigenen Sichtweise nicht entsprechen werden dabei nicht akzeptiert. Das Ziel der Kommunikation ist die Akzeptanz der normativen Gültigkeit der eigenen Position herzustellen. Im Fall des verhandelnden Modus werden politische Mehrheiten hingegen ausgehandelt. Verhandlungsmacht entsteht dabei zum Beispiel in Form von Forderungen, Drohungen oder positiven Anreizen. Im verhandelnden Modus akzeptiert die Regierung die Position anderer Akteure insofern zunächst grundsätzlich und sucht nach Kompromisslösungen. Im Rahmen der Aushandlungsprozesse steht demnach nicht die normative Gültigkeit der eigenen Zielsetzung, sondern der „Preis“ für die Zustimmung der Verhandlungspartner im Mittelpunkt. Auf der Ebene der Darstellungskommunikation sollen ferner die Indikatoren „Zeitpunkt“ (des Beginns der Darstellungskommunikation) sowie die zugrunde liegende „Argumentation“ in Betracht genommen werden, mit der die Regierung
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4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
ihr Vorhaben in der Öffentlichkeit rechtfertigt. Der Indikator „Zeitpunkt“ soll Regierungskommunikation moderner Demokratien hinsichtlich des Zeitpunktes vergleichbar machen, zu dem sie erstmals öffentlich (auf der Ebene der Darstellungskommunikation) erfolgt. Der Auswahl dieses Indikators liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Zeitpunkt der Darstellungskommunikation unterscheidet, wenn sich der institutionelle Kontext unterscheidet (dazu auch Kapitel 4.2). Insgesamt sollen hier idealtypisch drei Ausprägungen unterschieden werden. Die idealtypische Bestimmung der Zeitpunkte ist dabei am Modell des Policy-Zyklus orientiert.43 Regierungskommunikation kann als Darstellungskommunikation erstens in der Input-Phase des Entscheidungsprozesses erfolgen. Dieser Ausprägung sollen die Phasen der Problemwahrnehmung und Problemdefinition sowie die Phase der Formulierung von Lösungsalternativen aus dem Policy-Zyklus zugeordnet werden. Darstellungskommunikation kann darüber hinaus (zweitens) in der Throughput-Phase des Entscheidungsprozesses erfolgen. Dieser Kategorie sollen die Phasen der Politikformulierung und -implementierung des PolicyZyklus zugeordnet werden. Ferner kann Darstellungskommunikation auch in der Output-Phase des Entscheidungsprozesses erfolgen, wenn die parlamentarische Legitimation bereits erfolgt ist. Dieser Kategorie sollen die Phasen der Outcomes, Evaluierung und Kontrolle zugeordnet werden. Als weiterer Indikator der Regierungskommunikation soll auf der Ebene der Darstellungskommunikation die Argumentation der Regierung in Betracht genommen werden, mit der die Regierungen ihre Reformvorhaben in der Öffentlichkeit begründen. Zur Operationalisierung des Indikators „Argumentation“ soll eine Typisierung zugrunde gelegt werden, die Delhees u.a. (2008) für die Analyse sozialpolitischer Reformprozesse entwickelt haben. Folgende Argumentationstypen, die sich jeweils gegenseitig ergänzen können, werden dabei unterschieden (Delhees u. a. 2008: 80ff): Die Argumentation soll als vertröstend kategorisiert werden, wenn die Regierung die Notwendigkeit der Reform insbesondere mit dem Erhalt bestimmter Funktionen des sozialen Sicherungssystems begründet und „Reformverlierer“ unter Verweis auf erfolgte oder kommende Ausgleichsmaßnahmen zu beruhigen versucht. Von einer kümmernden Argumentation soll gesprochen werden, wenn die Regierung im Rahmen ihrer Argumentation insbesondere die Rolle des Staates als Versorger herausstellt.44 Die Argumentation soll als patriotisch bezeichnet werden, wenn die Regierung im Rahmen der Darstellungskommunikation insbesondere Bezug auf nationale Wer43
Grundlegend zum Modell des Policy-Zyklus: Korte/Fröhlich 2009: 29ff. Die kümmernde Argumentation unterscheidet sich insofern von der vertröstenden Argumentation, indem nicht über unpopuläre Aspekte hinweg getröstet wird, sondern negative Auswirkungen der Reform offen gelegt werden und beispielsweise mit dem Versprechen ausgleichender Maßnahmen die Gruppe der Reformverlierer angesprochen wird.
44
4.1 Konzeptspezifikation und Operationalisierung
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te nimmt. Als wettbewerbsorientiert soll eine Argumentation gekennzeichnet werden, wenn die Regierung die Notwendigkeit einer Reform insbesondere mit dem (internationalen) Wettbewerbskontext begründet. Von einer leisen Argumentation soll gesprochen werden, wenn die Regierung eine aktive Adressierung der Öffentlichkeit vermeidet. Darüber hinaus soll im Fall der Übernahme einer Argumentation der Vorgängerregierung von einer nachahmenden Argumentation gesprochen werden. Diese Argumentationstypen (von Delhees u. a. 2008) sollen hier als mögliche Ausprägungen des Indikators „Argumentation“ zugrunde gelegt werden. 4.1.4 Operationalisierung von Legitimation Im Folgenden soll die Frage operationalisiert werden, inwieweit im Anschluss an den Prozess der Regierungskommunikation eine Legitimation des Reformvorhabens nach innen und außen erreicht werden konnte. Der Operationalisierung liegen folgende Kriterien zugrunde: Zum einen müsste der Erfolg von Regierungskommunikation auf der Darstellungs- und der Entscheidungsebene messbar und unterscheidbar gemacht werden und zum anderen müsste die Messung auf der Basis wissenschaftlicher Literatur erfolgen können. Folgende Indikatoren werden auf der Basis dieser Kriterien hier zugrunde gelegt:
Entscheidungslegitimation: Gesetz (verabschiedet?) und Darstellungslegitimation: Wiederwahl (der Regierung erfolgt?).
Im Rahmen des Indikators „Gesetz (verabschiedet?!)“ soll der Frage nachgegangen werden, ob die Regierung im Fall der zu untersuchenden Schlüsselentscheidung eine Entscheidungslegitimation (in Form entsprechender Gesetzesverabschiedungen) erreichen konnte. Der Indikator führt die möglichen Ausprägungen „ja“, wenn die Reformagenda einer Regierung in entsprechenden Gesetzen verankert wurde oder alternativ die Ausprägung „nein“, wenn es zu keiner entsprechenden Beschlussfassung kam. Der Indikator gibt insofern Aufschluss darüber, inwieweit die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation erfolgreich verlaufen ist. Im Rahmen des Indikators „Wiederwahl (erfolgt?!)“ soll die Frage beantwortet werden, inwieweit eine Regierung für die zu betrachtende Schlüsselentscheidung öffentliche Legitimation erreichen konnte. Darstellungslegitimation soll hier primär an der Frage der Wiederwahl der Regierung festgemacht werden, jedoch sollen auch qualitativ Aspekte der Primärliteratur berücksichtigt werden (insbesondere, wenn sie die Frage der Wiederwahl in einem anderen Licht erscheinen lassen). Der Indikator hat insofern die möglichen Ausprägungen „ja“
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4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
(wenn eine Wiederwahl erfolgt ist) und „nein“ (wenn eine Wiederwahl nicht erreicht wurde) und gibt insgesamt Aufschluss darüber, inwieweit die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation erfolgreich verlaufen ist. 4.1.5 Operationalisierung von Politik-Umwelt Im Folgenden soll Politik-Umwelt (bestehend aus öffentlichen Adressatengruppen von Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation) operationalisiert werden.45 Der Operationalisierung liegen folgende Kriterien zugrunde: Erstens müssten die verschiedenen möglichen Adressatengruppen von Regierungskommunikation als Darstellungskommunikation erfassbar gemacht werden. Zum Zweiten müsste diese Erfassung auf der Basis wissenschaftlicher Literatur erfolgen können. Im Bereich der Politik-Umwelt sollen auf der Basis dieser Kriterien hinsichtlich der „Adressatengruppen“ zum einen Betroffene und zum anderen politische Eliten voneinander unterschieden werden. Die Unterscheidung in „Betroffene“ und „politische Eliten“ wird erwogen, weil hier davon ausgegangen wird, dass auf der Basis eines gegebenen institutionellen Kontextes die Wahrscheinlichkeit, dass Regierungskommunikation schwerpunktmäßig an die eine oder andere Adressatengruppe gerichtet ist, vorhergesagt werden kann (dazu auch Kapitel 4.2).
4.2 Orientierungshypothesen zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation Im Folgenden sollen Orientierungshypothesen formuliert werden, die den Zusammenhang von Regierungskommunikation und dem institutionellen Kontext moderner Demokratien beschreiben und als solche in den Länderanalysen einer Prüfung unterzogen werden sollen. Der in Kapitel 3 entwickelte theoretische Zugang zeigt vor allem an drei Stellen Ansatzpunkte zur Bildung von Orientierungshypothesen auf: Erstens an der Art und Weise, wie der institutionelle Kontext den kommunikativen Korridor von Regierungskommunikation prägt (dazu Hypothese 1 und 2), zweitens an der Frage, inwiefern der institutionelle Kontext auf den Prozess der Regierungskommunikation selbst Einfluss nimmt (dazu Hypothese 3, 4 und 5). Drittens soll überprüft werden, inwieweit sich auch der Erfolg von Regierungskommunikation unterscheidet, wenn sich der institutionelle Kontext unterscheidet (dazu Hypothese 6 und 7). Hinsichtlich der ersten Leit45
Zur Definition des Begriffs „Politik-Umwelt“ siehe Scharpf 2006: 83ff.
4.2 Orientierungshypothesen zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
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frage „In welcher Art und Weise prägt der institutionelle Kontext den Kommunikativer Korridor von Regierungskommunikation“ sollen folgende Orientierungshypothesen zugrunde gelegt werden: Orientierungshypothese 1: Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation.46 Orientierungshypothese 2: Je höher die interne Kohärenz der Regierungsmehrheit, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation. Hinsichtlich der zweiten Leitfrage „inwiefern nimmt der institutionelle Kontext auf die Regierungskommunikation selbst Einfluss?“ sollen hier folgende Orientierungshypothesen überprüft werden: Orientierungshypothese 3: Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto eher dominiert ein argumentierender Modus auf der Ebene der Entscheidungskommunikation (im Verhältnis zu einem verhandelnden Modus).47 Orientierungshypothese 4: Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp des parlamentarischen Regierungssystemtyps orientiert ist, desto später im Entscheidungsprozess liegt der Zeitpunkt für den Beginn der Darstellungskommunikation an öffentliche Adressatengruppen.48 Orientierungshypothese 5: Je eher eine moderne Demokratie dem Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie entspricht, desto bedeutsamer ist die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation (im Verhältnis zur Ebene der Entscheidungskommunikation). Bezüglich der Frage inwieweit sich der Erfolg von Regierungskommunikation in modernen Demokratien unterscheidet, sollen hier folgende Orientierungshypothesen zugrunde gelegt werden: Orientierungshypothese 6: Je eher die Wahl der Argumentation in einem Fallbeispiel von Regierungskommunikation in modernen Demokratien an dem 46
Bei einer Wettbewerbsdemokratie schränken weniger Vetospieler den kommunikativen Korridor ein, so dass im Vergleich zu einer Verhandlungsdemokratie aus der Sicht der Regierung ein größerer Freiraum besteht, politische Entscheidungen zu treffen und sie zu kommunizieren. 47 Den Ausgangspunkt für diesen Zusammenhang bilden die Annahmen über die Wirkung von Diskursen, die Vivien Schmidt bei der Formulierung ihres diskursiven Institutionalismus aufstellt (Schmidt, V. 2002: 211f, Koß 2008: 80ff): Ihr zufolge privilegieren zentralisierte politische Systeme den kommunikativen Diskurs mit der Bevölkerung, während Systeme mit institutioneller Machtverschränkung dem koordinativen Diskurs der Akteure, also der Eliten, mehr Platz einräumen. Während der koordinative Diskurs dazu dient, dass die politischen Akteure eine gemeinsame Sprache finden, fokussiert der kommunikative Diskurs stärker auf den Austausch der Eliten mit der Öffentlichkeit (Schmidt, V. 2002: 230, Koß 2008, 80ff). 48 Gemeint ist hier der von der Regierung idealtypisch wünschenswerte Zeitpunkt.
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4 Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
vorliegenden wohlfahrtstaatlichen Wertekonsens orientiert ist, desto erfolgreicher ist sie. Orientierungshypothese 7: Je eher sich Regierungen moderner Demokratien bei ihrer Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen an den Ressourcen und Restriktionen orientieren, die als kommunikativer Korridor aus dem institutionellen Kontext hervorgehen, desto erfolgreicher sind sie.
4.3 Möglichkeiten und Grenzen der Anwendbarkeit des Modells Das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation kann auf fünf Bereiche angewendet werden: Erstens zur Analyse von Regierungskommunikation, zweitens zum Vergleich von Regierungskommunikation, drittens zur Erklärung zentraler Rationalitäten von Regierungskommunikation, viertens zur Prognose von Regierungskommunikation in Länderbeispielen moderner Demokratien und in Fallbeispielen sozialpolitischer Diskurse sowie fünftens zur Exante-Abschätzung des Erfolgspotentials von Strategien in der Regierungskommunikation. Darüber hinaus ist eine Modifikation des Modells dahingehend denkbar, dass auch andere politische Diskurse (außerhalb der Sozialpolitik) fokussiert werden können.
5 Länderauswahl und methodische Vorgehensweise
Die Beantwortung der hier zugrunde liegenden Fragestellung soll auf der Basis des in Kapitel 3 entwickelten eigenen Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation erfolgen, das in Teil II auf Fallbeispiele von Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen in modernen Demokratien angewendet wird. Gurevitch und Blumler (2003: 380f) benennen sechs Qualitätskriterien für die Anlage, Durchführung und vergleichende Analyse in der politikwissenschaftlichen Kommunikationsforschung, die dazu maßgeblich zugrunde gelegt werden: Erstens soll die Zielsetzung des Vergleiches explizit benannt werden. Ziel des hier zugrunde liegenden Vergleichs ist es, Erkenntnisse über die Art der Einflussnahme des institutionellen Kontextes auf Regierungskommunikation zu gewinnen und die dazu in Kapitel 4.2 formulierten Orientierungshypothesen zu überprüfen. Zweitens soll die Forschung in einer theoretischen oder konzeptionellen Perspektive verankert sein, die nicht nur den Untersuchungsgegenstand, sondern auch die vergleichende Untersuchungsanlage prägt. Als theoretische Verankerung wird hier ein neo-institutionalistischer Zugang angeführt (Kapitel 3). Insbesondere wird der akteurszentrierte Institutionalismus als Leitansatz zugrunde gelegt und um die Annahmen von Vivien Schmidt ergänzt, die eine dynamischere Sichtweise auf den akteurszentrierten Institutionalismus durch die Berücksichtigung der Faktoren „Zeit“ und „Pfadabhängigkeit“ ermöglicht hat, so dass der diskursive Charakter von Kommunikation besser abgebildet werden kann. Drittens soll vergleichende Forschung so angelegt sein, dass sie zum einen den Untersuchungsgegenstand (hier: Regierungskommunikation) zu beleuchten, aber auch die unterschiedlichen Systeme, in dem er zu sehen ist (hier: der institutionelle Kontext verschiedener moderner Demokratien) einzubeziehen vermag. Der Aufbau der Länderanalysen in Teil II ist an diesen Maximen orientiert (dazu auch Kapitel 5.2). Viertens sollen bei der Konzeptualisierung vergleichender Studien vorab Erwartungen (Hypothesen) formuliert werden, was als Ergebnis eines empirischen Vergleichs zu erwarten ist. Die Entwicklung der Hypothesen befindet sich in Kapitel 4.2. Fünftens sollen die formulierten Erwartungshaltungen im Lichte der empirischen Erkenntnisse erneut betrachtet und kritisch reflektiert werden. Diese Betrachtung erfolgt in Teil III. Sechstens soll bei vergleichenden Studien auch die zeitliche Komponente mitbedacht werden, obschon es eher üblich ist, sich vergleichende Forschung als räumlich diversifiziert vorzustellen (dazu ebenfalls Teil III und darüber hinaus auch Kapitel 5.3).
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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5 Länderauswahl und methodische Vorgehensweise
5.1 Länderauswahl Die Auswahl der Länder, auf die in Teil II die Anwendung des in Kapitel 4.2 entwickelten eigenen Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation erfolgen soll, beruht auf den Operationalisierungsindikatoren des institutionellen Kontextes von Regierungskommunikation, der in dem Kapitel 4 entwickelten Modell als unabhängige Variable angeführt worden ist. Im Rahmen der Länderauswahl wird hier insofern das Ziel verfolgt, ein möglichst breites Spektrum der Indikatorausprägungen aufseiten der unabhängigen Variablen zu erreichen, so dass am Ende sowohl Vergleiche nach der Prämisse der most different cases als auch nach der Prämisse der most similar cases möglich sind. Die auszuwählenden Länder müssen insofern folgenden Kriterien entsprechen: Erstens müssen sie zur Gruppe der modernen Demokratien zählen. Zweitens müsste die Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen bereits Gegenstand (deutsch- oder englischsprachiger) wissenschaftlicher Aufarbeitung gewesen sein, da hier auf der Basis von Sekundärdaten die empirische Bewertung in den Fallbeispielen der Länderanalysen erfolgen soll (dazu auch Kapitel 5.3). Abbildung 5:
Länderauswahl. Quelle: Eigene Darstellung.
Drittens sollten sich die Operationalisierungsindikatoren der unabhängigen Variablen (Regierungssystemtyp, Demokratietyp und Wohlfahrtsstaatstyp) nach Möglichkeit doppelt in der Länderauswahl abbilden, um einen Vergleich auf beiden Ebenen – most different cases und most similar cases – zu ermöglichen. Mit folgendem Ländersample kann diesen Anforderungen weitgehend entsprochen werden: Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden und USA. 49 49 Die einzige Merkmalsausprägung, die im Fall dieser Auswahl nicht für einen Vergleich im Sinne der Prämisse der most similar cases verwendet werden kann, ist der präsidentielle Regierungssystemtyp, der in der amerikanischen Variante für moderne konsolidierten Demokratien einzigartig ist. Lateinamerikanische Staaten wie etwa Argentinien weisen diesen Typus zwar ebenfalls auf, eine
5.2 Methodische Vorgehensweise in den Länderanalysen
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Abbildung 5 führt die hier getroffene Fallauswahl zusammen und ordnet sie den jeweiligen Ausprägungen zu.
5.2 Methodische Vorgehensweise in den Länderanalysen Der Aufbau der Länderanalysen in Teil II wird je Land einer dreistufigen Gliederung folgen. Zunächst wird der institutionelle Kontext erörtert, der die Regierungskommunikation gemäß der hier zugrunde gelegten Leitthese prägt (Stufe 1). Dann werden auf der Basis des in Kapitel 4 entwickelten Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation jeweils zwei Fallbeispiele skizziert (Stufe 2). Die Ergebnisse beider Stufen werden daran anschließend zusammengeführt und zu einem Länderergebnis verdichtet (Stufe 3). Die methodische Vorgehensweise innerhalb der Länderanalysen ist an dem dreistufigen Aufbau der Länderanalysen orientiert. Der institutionelle Kontext (Stufe 1) wird auf der Basis wissenschaftlicher Literatur zu den jeweiligen Indikatoren landesspezifisch ausgearbeitet. Die Fallbeispiele (Stufe 2) werden auf der Basis (politik)wissenschaftlicher Literatur skizziert. Die Zusammenführung der Ergebnisse aus Stufe 1 und Stufe 2 erfolgt dann (in Stufe 3) interpretativ auf der Basis des hier zugrunde liegenden Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation.50 Abbildung 6 fasst die wesentlichen Merkmale der methodischen Vorgehensweise im Rahmen der Länderanalysen, die insgesamt qualitativen Standards entsprechen, zusammen.
Analyse wird hier jedoch aufgrund der Definition der Reichweite, die als begrenzt auf moderne konsolidierte Demokratien festgelegt worden ist, nicht erwogen. Merkel u. a. 2008 bezeichnen Argentinien in diesem Kontext als defekte Demokratie. 50 Grundlegend zur Verwendung interpretativer Methoden siehe Nohl 2005 und Strauss 1998.
60 Abbildung 6:
5 Länderauswahl und methodische Vorgehensweise
Methodische Vorgehensweise in den Länderanalysen. Quelle: Eigene Darstellung.
5.3 Auswahl der Fallbeispiele Die Fallbeispiele im Rahmen der Länderanalysen sollen Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen illustrieren. Die Darstellung der Fallbeispiele ist am Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation orientiert, das in Kapitel 4 entwickelt wird. Ziel der Fallbeispiel-Skizzen ist es, für die Bewertung der Regierungskommunikation in der jeweiligen Länderanalyse einen Praxisbezug zu liefern, der vor dem Hintergrund des institutionellen Kontextes interpretiert werden kann (dazu auch Kapitel 5.2). Die Auswahl der Fallbeispiele erfolgt qualitativ auf der Basis dreier Leitkriterien: Bei den Fallbeispielen handelt es sich erstens idealtypisch um wegweisende, sozialpolitische Schlüsselentscheidungen51, die von einer großen öffentlichen Aufmerksamkeit begleitet wor51 Der Begriff der Schlüsselentscheidung wird dazu mit von Beyme (1997: 63ff) definiert als „zentrale Entscheidung mit großer Reichweite“ (dazu auch Helms 1997: 120f, sowie Zohlnhöfer 2001: 15). Sozialpolitische Schlüsselentscheidungen sind demnach idealtypisch an große Teile der Bevölkerung
5.3 Auswahl der Fallbeispiele
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den sind. Zweitens ist die Regierungskommunikation im Rahmen der Schlüsselentscheidung bereits Gegenstand wissenschaftlicher Aufarbeitung gewesen. Die New Deals der Regierung Blair, die Welfare-Reform der Regierung Clinton oder die Agenda 2010 der Regierung Schröder sind diesbezüglich als idealtypische Beispiele angeführt worden. Abbildung 7:
Fallbeispiele in den Länderanalysen. Quelle: Eigene Darstellung.
Sie bildeten jeweils einen zentralen Identifikationsanker der Regierungen und wurden als wegweisende Schlüsselentscheidungen vielfach wissenschaftlich aufgearbeitet, so dass in ausreichendem Umfang qualitative Daten für die Bewertung der Regierungskommunikation vorliegen. Drittens ist die zeitliche Verortung der Fallbeispiele von Bedeutung. Hier ist zunächst zu konstatieren, dass die Auswahl von Fallbeispielen nach der Prämisse ihrer Bedeutsamkeit (siehe „Erstens“) grundlegend mit der Vorstellung konkurriert, Fallbeispiele zu wählen, die alle etwa zeitgleich stattgefunden haben. Hier wird die Prämisse, zentrale sozialadressiert und weisen ein hohes Diskurs- und Konfliktniveau auf, so dass sie von einer großen medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit begleitet werden. In diesen Eigenschaften unterscheiden sich Schlüsselentscheidungen von „normalen“ Entscheidungen, mit denen idealtypisch nicht eine gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit einhergeht und die auch kein besonderes Diskurs- und Konfliktniveau aufweisen. Hier soll insofern Regierungskommunikation betrachtet werden, die neben allgemeinen Politics-Zielen auch einen klaren Policy-Bezug aufweist.
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5 Länderauswahl und methodische Vorgehensweise
politische Schlüsselentscheidungen zu wählen als bedeutsamer erachtet, so dass die zeitliche Komponente hinter diese Prämisse zurücktritt, wenngleich sie nicht völlig unwichtig ist. Neben der Prämisse der Auswahl zentraler sozialpolitischer Schlüsselentscheidungen soll daher hier die Prämisse der zeitlichen Aktualität zugrunde gelegt werden. Die hier skizzierten Fallbeispiele sollten insofern nicht weiter als 15 Jahre auseinander liegen. Auf dieser Basis wurden zu einer Illustration im Rahmen der Länderanalysen die in Abbildung 7 dargestellten Fallbeispiele ausgewählt. Die erfolgreiche Implementation der Schlüsselentscheidungen wird hier explizit nicht als Auswahlkriterium mit angeführt. Es werden mithin auch Schlüsselentscheidungen betrachtet, die nicht erfolgreich implementiert werden konnten (so etwa die Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton). Die Literatur, die der Skizzierung der Fallbeispiele zugrunde liegt, unterscheidet sich dabei von Land zu Land und von Fall zu Fall. Insgesamt ist die Reichweite der Ergebnisse der Länderanalysen insofern allein aufgrund der geringen Fallzahl als begrenzt anzusehen. Die Fallbeispiele können Hinweise auf mögliche Einflüsse institutioneller Kontextfaktoren auf Regierungskommunikation geben, diese aber nicht belegen oder nachweisen. Durch die über den historischen Neo-Institutionalismus vorgenommene Betonung der Faktoren „Zeit“ und „Pfadabhängigkeit“ ergibt sich für die hier betrachteten Länderbeispiele (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden und USA) die Anforderung, die Frage nach „historischen Krisen“ zu beantworten, um die Konsistenz des institutionellen Kontextes sicherstellen zu können. Für Deutschland kann dazu gesagt werden, dass die Wiedervereinigung, als letzter großer politischer Umbruch so lange zurückliegt, dass sie für die hier betrachteten Fallbeispiele (Hartz-Gesetze als Bestandteil der Agenda 2010 der Regierung Schröder und Einführung des Gesundheitsfonds der Regierung Merkel I) nicht relevant ist. Die weltweite Wirtschaftskrise ab 2009 kommt ebenfalls als Zeitpunkt für Institutionenwandel infrage, dieser Aspekt ist allerdings nur für das Fallbeispiel der Gesundheitsreform Obamacare der Regierung Obama potentiell von Bedeutung, da alle anderen Fallbeispiele zeitlich vorher zu verorten sind. Für die USA sind hier außerdem die Terroranschläge vom 11. September 2001 zu nennen, die den institutionellen Kontext verändert haben könnten. Dieser Situation wird hier Rechnung getragen, indem mit der Gesundheitsreform Hillarycare und der Welfare Reform der Regierung Clinton zwei Fallbeispiele betrachtet werden, die deutlich vor 2001 stattgefunden haben, sowie mit der Gesundheitsreform Obamacare der Regierung Obama ein Fallbeispiel fokussiert wird, das lange nach dem 11. September 2001 stattgefunden hat. Für Frankreich könnte als nationale Krise die Proteste junger Arbeitslosen in den Vorstädten von Paris im Herbst und Winter 2005 gezählt werden, die hier jedoch unmittelbar in das Fallbeispiel einfließen, weil die dazugehörige Reform der Regierung
5.3 Auswahl der Fallbeispiele
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Villepin (Ersteinstellungsvertrag) thematisiert wird. Sollte sich der institutionelle Kontext verändert haben, hätte das auf die Vergleichbarkeit der französischen Fallbeispiele keine Einfluss, da ein Fallbeispiel vor 2005 lag und eines genau diesen Zeitpunkt fokussiert (nicht aber die Zeit danach). In Schweden ist die Zeit vor 2003 politikwissenschaftlich insoweit von Interesse, als das dort die Regierungen im Hinblick auf die Konvergenzkriterien zur Einführung des Euro eine umfassende Haushaltskonsolidierung durchführte (in deren Folge es zu einem Volksentscheid kam, der die Einführung des Euro deutlich ablehnte). Für Großbritannien wurden keine „historischen Krisen“ berücksichtigt.
6 Zwischenfazit
Die vorliegende Untersuchung verfolgt das Erkenntnisinteresse zu klären, inwieweit Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen von dem institutionellen Kontext abhängt, vor dem sie geschieht. „In welcher Weise prägt der institutionelle Kontext moderner Demokratien Regierungskommunikation?“ lautet die Fragestellung, der hier nachgegangen werden soll. Ihre Beantwortung soll hypothesengeleitet auf der Basis eines eigenen Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation erfolgen, das geeignet ist, Regierungskommunikation in modernen Demokratien als Untersuchungsgegenstand kontextsensitiv analysier- und vergleichbar zu machen. Auf der Basis des Modells werden in Teil II Fallbeispiele von Regierungskommunikation in den institutionellen Kontexten von fünf verschiedenen modernden Demokratien – Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Schweden und die USA – analysiert. Die Ergebnisse aus diesen Länderanalysen dienen schließlich in Teil III als Grundlage für die Bewertung der empirischen Relevanz der im Rahmen der Modellierung formulierten Orientierungshypothesen und der abschließenden Beantwortung der Fragestellung. Regierungskommunikation wird hier im Kontext sozialpolitischer Diskurse untersucht, die wie im Fall der New Deals in Großbritannien oder der Agenda 2010 in Deutschland mit dem Ziel der Legitimationsherstellung für eine (sozial)politische Schlüsselentscheidung erfolgt sind. Dieser Fokussierung liegt die Annahme zugrunde, dass in Zeiten internationaler Finanz- und Wirtschaftskrisen insbesondere der Erhalt und die zukunftsfähige Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme als die zentrale innenpolitische Herausforderung für Regierungen moderner Demokratien zu sehen ist. Zum mittel- und langfristigen Erhalt der Funktionsfähigkeit sozialer Sicherungssysteme werden jedoch aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen Reformen erforderlich, die eine Umverteilung bestehender Leistungsansprüche, ihre Kürzung oder Verteuerung (oder eine Kombination aus allem) zur Folge haben. Aus dieser Situation ergibt sich aus der Sicht der Regierungen moderner Demokratien ein hohes Konfliktniveau, da ihre Position und die verschiedener anderer Vetospieler (die eine Kürzung, Verteuerung und/oder Umverteilung von Leistungen der sozialen Sicherheitssysteme nicht unterstützen oder ablehnen) idealtypisch einander diametral gegenüberstehen. Aufgrund dieses Dilemmas entsteht – so wird hier angenommen – initial die Notwendigkeit zur (Regierungs-)Kommunikation. Regierungen wählen – so wird es hier weiter vorausgesetzt – trotz dieses hohen Konfliktniveaus und der damit
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_666, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
5.3 Auswahl der Fallbeispiele
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verbundenen Gefahr des Scheiterns (zum Beispiel im Kontext kommender Wahlen) dennoch den Weg der „aktiven“ Gestaltung, weil es zum einen (PolicySeeking, Vote-Seeking, Office-Seeking) parteiintern genuin den Wunsch zur Gestaltung gibt und weil zum anderen die Alternative des Verharrens im Status Quo die Gefahr eines passiven Getriebenwerdens und Vorwürfe des Nichtstuns birgt. Regierungskommunikation erfolgt in sozialpolitischen Diskursen aus Sicht der Regierungen moderner Demokratien insofern mit der übergeordneten Zielsetzung, eine größtmögliche Einvernehmlichkeit (Legitimation) zwischen der eigenen Position zur Gestaltung und den Positionen der verschiedenen öffentlichen Adressatengruppen und den weiteren involvierten Vetospielern herzustellen. Neben diesen wesentlichen Gemeinsamkeiten in der Regierungskommunikation moderner Demokratien, die insbesondere den Wunsch zur aktiven Gestaltung der Regierungen sowie die Zielsetzung ihrer Kommunikation betreffen, unterscheidet sich Regierungskommunikation dennoch ganz offensichtlich sehr substanziell von Land zu Land und von Fall zu Fall. So hatten beispielsweise nacheinander der amerikanische Regierungschef Clinton, sein britischer Amtskollege Blair und der deutsche Bundeskanzler Schröder im Rahmen vergleichbarer sozialpolitischer Schlüsselentscheidungen mit ähnlichen Kommunikationsstrategien gearbeitet.52 Während Clinton und Blair auf diesem Weg eine erfolgreiche Legitimationserzeugung gelang, erfuhr Schröders SPD infolge der Implementierung der deutschen Variante – der Agenda 2010 – jedoch einen historischen Niedergang, in dessen Kontext sich Schröder weder als Parteivorsitzender noch als Regierungschef hatte behaupten können. Auf der Basis dieser offensichtlichen Unterschiede stellt sich die Frage, inwiefern dafür regelmäßige Mechanismen als Ursache zugrunde liegen und insofern als solche identifiziert werden können. Hier wird argumentiert, dass insbesondere der institutionelle Kontext moderner Demokratien ein Portfolio an Schlüsselvariablen bietet, über deren unterschiedliche Ausprägungen auch zentrale Unterschiede in der Regierungskommunikation erklärbar gemacht werden können. Wären Obamas kommunikativen Leistungen insofern vor dem Hintergrund der institutionell verfügbaren Ressourcen erklärbar, könnte „von Obama lernen“ sich auf die Elemente konzentrieren, die als echte Innovationen institutionell unbegrenzt übertragbar einzuschätzen sind. Die Berücksichtigung des institutionellen Kontextes moderner Demokratien, der als unabhängige Variable einen kommunikativen Korridor hervorbringt, den Regierungen für ihre Regierungskommunikation nutzen können, ergibt sich aus der in Kapitel 3 formulierten neo-institutionalistischen Zu52 Die Kommunikationsstrategien waren hinsichtlich des Modus im Rahmen der Darrstellungskommunikation, sowie bezüglich des Zeitpunktes der öffentlichen Darstellungskommunikation und der Argumentation vergleichbar.
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6 Zwischenfazit
gangsweise, die Akteurshandeln immer auch im Zusammenhang mit dem institutionellen Hintergrund sieht, vor dem sie geschieht. Analysen unter neoinstitutionalistischen Prämissen sind insofern stets an der Regel orientiert, akteursbezogene und institutionelle Kontextfaktoren einzubeziehen, um auf dieser Basis zentrale Wirklichkeitszusammenhänge erklären zu können. Regierungskommunikation ist vor diesem Hintergrund hier als kommunikative Handlung des Akteurs Regierung definiert worden, die in modernen Demokratien unter institutionell geprägten Rahmenbedingungen stattfindet. Sie ist an politische Akteure oder öffentliche Adressatengruppen (wie etwa Wähler) gerichtet und zielt auf die Legitimation von Entscheidungen nach innen („Regieren durch Kommunikation“) und außen („Kommunikation über Regieren“) ab.53 Regierungskommunikation wird hier insofern mit Schimank (2007: 241) über drei zentrale Zugänge erschlossen: Erstens über den Zugang der Zielsetzung, die Regierungen in ihrer Kommunikatorrolle verfolgen („Was will die Regierung erreichen?“). Zweitens steht der institutionelle Kontext im Fokus, der determiniert, welche kommunikativen Korridore für Regierungen bestehen („Was kann die Regierung erreichen?“). Als dritte Bezugsebene werden hier die Erwartungshaltungen verschiedener Adressatengruppen (so etwa involvierte Vetospieler oder öffentliche Adressatengruppen) angeführt („Was soll die Regierung umsetzen/unterlassen?“). Regierungskommunikation erfolgt insofern – so wird es hier vorausgesetzt – mit der übergeordneten Zielsetzung, das „Wollen“ und das „Sollen“ im kommunikativen Korridor des „Könnens“ in Einklang zu bringen, um auf diese Weise Legitimation für politische Entscheidungen nach innen und außen herzustellen. In Kapitel 3 wurde auf dieser Basis ein theoretischer Zugang entwickelt, der insbesondere die Arbeiten von Fritz W. Scharpf und Renate Mayntz, die den Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus vorlegten, sowie die Arbeiten von Vivien A. Schmidt, die den diskursiven Neo-Institutionalismus formuliert hatte, anführt. Ihren Herangehensweisen ist das Streben nach einer möglichst detaillierten Analyse von Handlungen in Handlungskontexten gemein, aus der sich eine Präferenz für Untersuchungsdesigns mit kleinen Fallzahlen ergibt, wie sie auch hier zugrunde liegt. Indem die Ansätze des „klassischen“ NeoInstitutionalismus54 als Komponenten vor allem den institutionellen Kontext, das Verhalten der Akteure und die Ursachen für (institutionellen) Wandel (bezie53 Das Modell zur Kontextualisierung wurde in Kapitel 4 entwickelt, nachdem in Kapitel 1 die Fragestellung, in Kapitel 2 der Forschungsstand und in Kapitel 3 der theoretische Zugang, der der Modellierung zugrunde liegt, formuliert worden sind. In Kapitel 5 wurde die methodische Vorgehensweise erörtert. Kapitel 6 enthält eine Zusammenfassung aller zentralen Schritte des Untersuchungsrahmens (Teil I). 54 Als solche wurden hier der rationale Neo-Institutionalismus, der historische Neo-Institutionalismus und der soziologische Neo-Institutionalismus definiert.
5.3 Auswahl der Fallbeispiele
67
hungsweise für eine entsprechende Kontinuität) fokussieren, liefern sie allein zunächst – so ist hier argumentiert worden – nur unzureichend theoretische Annahmen zur Erörterung diskursiver Prozesse wie Kommunikation. Als am ehesten geeignet, dieses Problem überwinden zu können, wurde hier der historische Neo-Institutionalismus angeführt, der die Faktoren der „Pfadabhängigkeit“ und der „Zeit“ in die Analyse mit einbezieht. Auf seiner Basis erfolgt auch die Entwicklung des diskursiven Neo-Institutionalismus von Vivien A. Schmidt. Ihr Ansatz hebt insbesondere die zeitsensitive Wirkung von Ideen und Diskursen in Diskursprozessen und -koalitionen hervor. Aus Ideen resultieren dabei im Verlauf von Diskursen Veränderungswünsche, die über die Zeit transportiert und reflektiert und immer wieder der Frage nach Legitimation unterzogen werden. Die dynamische Logik des diskursiven Neo-Institutionalismus geht insofern nicht in dem Begriff der „Idee“, sondern vor allem in dem Begriff des „Diskurses“ auf, der verdeutlicht, dass Ideen immer als zeitlich begrenzte Positionen zu sehen sind. Diskurse sind in diesem Zusammenhang insofern nicht nur als Aneinanderreihung unterschiedlicher Ideen, sondern vielmehr auch als Ressourcen zur Herstellung von Legitimation zu sehen.55 Für das hier zugrunde liegende Vorhaben, Regierungskommunikation kontextsensitiv analysier- und vergleichbar zu machen folgt daraus, dass neben der Berücksichtigung von Kontextvariablen (als unabhängige, erklärende) Variablen auch die Faktoren der Zeit und der Pfadabhängigkeit angemessen mit abgebildet werden müssen, damit die zeitliche Begrenztheit, in der Ideen zur politischen Gestaltung zu sehen sind, mit abgebildet werden können. Das in Kapitel 4 auf der Basis dieser theoretischen Annahmen entwickelte Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation umfasst insofern drei zentrale Komponenten und setzt sie zueinander in Relation: (Erstens) den institutionellen Kontext von Regierungskommunikation in modernen Demokratien, (zweitens) den Prozess der Regierungskommunikation, in dem Ideen Zeitsensitiv und pfadabhängig entwickelt werden und (drittens) die Frage nach der erreichten Legitimation.
55
Schmidt (V. 2010 a und b, 2008, 2006) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwei zentrale Ebenen des Diskurses, den koordinativen und den kommunikativen Diskurs. Der koordinative Diskurs findet dabei unter politischen Akteuren statt, während der kommunikative Diskurs an öffentliche Adressatengruppen gerichtet ist. Diese Unterscheidung korrespondiert mit der hier vorgenommenen Unterscheidung der Regierungskommunikation in die Ebenen der Darstellungs- und Entscheidungskommunikation.
68 Abbildung 8:
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Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
Quelle: Eigene Darstellung. Der institutionelle Kontext bildet dabei als unabhängige Variable den Ausgangspunkt im Modell. „Welche Merkmale kennzeichnen den institutionellen Kontext?“ lautet die Leitfrage, die mit seiner Modellierung einhergeht. Als Indikatoren sind dazu der Regierungssystemtyp, der Demokratietyp und der Wohlfahrtsstaatstyp zugrunde gelegt worden, so dass sich für die hier analysierten Länderbeispiele moderner Demokratien ein individuelles institutionelles Kontextbild ergeben hat, auf dessen Basis Regierungskommunikation in Betracht genommen werden konnte. Die spezifische Ausgestaltung des institutionellen Kontextes bildet – so wird es hier angenommen – für Regierungen moderner Demokratien einen kommunikativen Korridor heraus, innerhalb dessen die Regierungskommunikation erfolgen kann. Dem Prozess der Regierungskommunikation ist – so ist es hier weiter angenommen worden – in sozialpolitischen Diskursen die Wahrnehmung eines „Problems“ vorgelagert, aufgrund dessen die Regierungen „Ideen“ zur Lösung entwickeln.
5.3 Auswahl der Fallbeispiele
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Diese „Ideen“ werden im Prozess der Regierungskommunikation zum einen auf der Ebene des koordinativen Diskurses (Entscheidungskommunikation) mit anderen politischen Akteuren diskutiert und so lange modifiziert, bis für eine Idee eine Entscheidungsmehrheit hergestellt werden kann (Entscheidungslegitimation). Zum anderen erfolgt die Diskussion der Ideen im Rahmen des kommunikativen Diskurses (Darstellungskommunikation) auch mit öffentlichen Adressatengruppen. Regierungen moderner Demokratien verfolgen auch dabei – so ist es hier angenommen worden – die Zielsetzung, öffentliche Zustimmung (Darstellungslegitimation) zu generieren.56 In diesem Kontext kommt es ebenfalls zu Modifikationen der Ursprungsidee. Regierungskommunikation ist insofern auf den Ebenen der Darstellungskommunikation (kommunikativer Diskurs) und der Entscheidungskommunikation (koordinativer Diskurs) nicht als isoliert voneinander zu sehen. Vielmehr haben Modifikationen der Ideen auf der Darstellungsebene auch Rückwirkungen auf den koordinativen Diskurs auf der Entscheidungsebene und umgekehrt. Als Ergebnis der Regierungskommunikation wird hier schließlich die erreichte Legitimation modelliert, die analog zu der Unterscheidung von Regierungskommunikation in Entscheidungs- und Darstellungskommunikation in die Bestandteile der Entscheidungs- und Darstellungslegitimation unterteilt worden ist. Regierungskommunikation wird hier insofern dann als erfolgreich angesehen, wenn in ausreichendem Maße sowohl Entscheidungs- als auch Darstellungslegitimation erreicht werden können. Abbildung Z1 führt diese Aspekte zusammen und visualisiert das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation.57 In Teil II wird das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation auf fünf Länder und elf Fallbeispiele von Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen angewendet. Die dazu in Kapitel 5 entwickelte Auswahl der Länder beruht auf den Ausprägungen der unabhängigen Variablen (institutioneller Kontext von Regierungskommunikation). Abbildung Z2 visualisiert diese Auswahl. Abbildung Z3 stellt ferner die Fallbeispiele von Regierungskommunikation, die im Rahmen der Länderanalysen skizziert werden sollen, übersichtsartig zusammen.
56 Die hier vorgenommene Unterscheidung der Regierungskommunikation in die Ebenen der Darstellungs- und Entscheidungskommunikation ist als modellhaft zu sehen. Sie referiert auf die Unterscheidung von Darstellungspolitik und Entscheidungspolitik (Sarcinelli 2006) und ist hier unter analytischen Gesichtpunkten erwogen worden, weil sich daran die unterschiedlichen Ziele von Regierungskommunikation modellhaft abbilden und unterscheiden lassen. In der Realität sind Entscheidungs- und Darstellungskommunikation immer auch in Verbindung mit einander zu sehen, es handelt sich insofern um eine modellhafte Vereinfachung. 57 Die Operationalisierung der Modellbestandteile erfolgte in Kapitel 4.1.
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Abbildung 9:
Länderauswahl. Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 10: Fallbeispiele in den Länderanalysen. Quelle: Eigene Darstellung.
Der Modellierung lagen folgende Orientierungshypothesen zugrunde, die auf der Basis der Länderanalysen in Teil II hinsichtlich ihrer empirischen Gültigkeit geprüft und in Teil III abschließend bewertet werden sollen:
Orientierungshypothese 1: Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation.
5.3 Auswahl der Fallbeispiele
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Orientierungshypothese 2: Je höher die interne Kohärenz der Regierungsmehrheit, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation. Orientierungshypothese 3: Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto eher dominiert ein argumentierender Modus auf der Ebene der Entscheidungskommunikation (im Verhältnis zu einem verhandelnden Modus). Orientierungshypothese 4: Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp des parlamentarischen Regierungssystemtyps orientiert ist, desto später im Entscheidungsprozess liegt der Zeitpunkt für den Beginn der Darstellungskommunikation an öffentliche Adressatengruppen. Orientierungshypothese 5: Je eher eine moderne Demokratie dem Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie entspricht, desto bedeutsamer ist die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation (im Verhältnis zur Ebene der Entscheidungskommunikation). Orientierungshypothese 6: Je eher die Wahl der Argumentation in einem Fallbeispiel von Regierungskommunikation in modernen Demokratien an dem vorliegenden wohlfahrtstaatlichen Wertekonsens orientiert ist, desto erfolgreicher ist sie. Orientierungshypothese 7: Je eher sich Regierungen moderner Demokratien bei ihrer Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen an den Ressourcen und Restriktionen orientieren, die als kommunikativer Korridor aus dem institutionellen Kontext hervorgehen, desto erfolgreicher sind sie.
II. Anwendung des Modells in Fünf Länderanalysen
7 Regierungskommunikation in Deutschland
7.1 Institutioneller Kontext Der institutionelle Kontext Deutschlands ist insgesamt geprägt durch ein parlamentarisches Regierungssystem, den Demokratietyp einer Verhandlungsdemokratie sowie einen konservativen Wohlfahrtsstaatstyp. 58 Das personalisierte Verhältniswahlrecht führt auf der Bundesebene zu der Notwendigkeit, Koalitionen eingehen zu müssen, um eine Regierungsmehrheit im Parlament herstellen zu können. Die beiden großen Volksparteien CDU und SPD koalieren dabei in der Regel mit einer der kleinen Parteien (zwei Mal, 1966 und 2005 kam es allerdings zur Bildung einer so genannten großen Koalition). Für den deutsche Regierungschef resultierte aus dieser Situation die Notwendigkeit zusätzlicher Kooperation, weil sie nicht nur mit der eigenen Partei, sondern auch mit dem Koalitionspartner Einvernehmlichkeit herstellen müssen, um den Erhalt der parlamentarischen Mehrheit sicherzustellen. Hinzukommt, dass die Landesregierungen der deutschen Bundesländer über den Bundesrat in allen zentralen Entscheidungen ein Mitspracherecht besitzen. Hier besteht insofern weiterer Abstimmungsbedarf. Wie im Fall der Cohabitation in Frankreich (Kapitel 9) oder des Divided Government in den USA (Kapitel 11) ist es auch in Deutschland aufgrund der unterschiedlichen Wahltermine und -populationen möglich, dass die Mehrheiten im Bundesrat nicht den Mehrheiten im Bundestag entsprechen (Rudzio 2006: 297ff). Der Bundesrat muss somit im Rahmen der Entscheidungskommunikation als möglicher Vetospieler ebenfalls berücksichtigt werden. Als weiterer potentieller Vetospieler ist aus der Sicht der deutschen Regierung das Bundesverfassungsgericht zu nennen. Es wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes und wird durch Anrufung aktiv.
58
Grundlegend zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland siehe Ismayr 2009 und Schmidt 2007 und 1996. Grundlegend zur Regierungskommunikation in Deutschland siehe Kamps/Nieland 2006: 7ff, Meckel/Kamps 2006: 54ff, Patzelt 2006: 139ff, Ruhenstroth-Bauer 2003a, sowie Ruhenstroth-Bauer 2003b. Die Einordnung des Demokratietyps erfolgt hier in allen Länderanalysen nach dem Modell von Lijphart (1999: 48ff). Grundlegend zum Wohlfahrtsstaatstyp in Deutschland siehe Schmid 2002: 105ff und Esping-Andersen 1990: 9ff.
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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7 Regierungskommunikation in Deutschland
7.2 Fallbeispiele 7.2.1 Regierungskommunikation der Regierung Schröder (Agenda 2010, Hartz Gesetze) Die Agenda 2010 wurde 2003 von der Regierung Schröder als Paradigmenwechsel im Bereich der sozialen Sicherheit verkündet. Sie umfasste Reformmaßnahmen in den Bereichen der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Rentenund Familienpolitik. Hier soll im Folgenden die Regierungskommunikation der Regierung Schröder in Betracht genommen werden, die insbesondere den Bereich der Arbeitsmarktpolitik betroffen hat. Diese Bestandteile der Agenda 2010 wurden unter dem Titel der Hartz-Gesetze bekannt. In der Regel ergeben sich in Deutschland Koalitionen zwischen einer der beiden großen Volksparteien und einer „kleinen“ Partei. Nach der Bundestagswahl 2005 kam es allerdings, wie erstmals zuvor im Jahre 1966, zur Bildung einer so genannten großen Koalition von SPD und CDU unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Vorangegangen war ein vorzeitiges Ende der letzten rot-grünen Regierungskoalition unter Gerhard Schröder, der aus deutlichen Verlusten seiner Partei bei der Landtagswahl im Mai 2005 im SPD-Stammland NRW Konsequenzen gezogen und Neuwahlen initiiert hatte (Korte/Florack/Grunden 2006, Korte 2009). Wie kam es zu diesen Ereignissen? Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte zwei Jahre zuvor, im März 2003, im Rahmen einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag angekündigt, seine Regierung werde ein umfangreiches Reformkonzept mit dem Namen Agenda 2010 umsetzen (Kanzlerprinzip, Korte/Fröhlich 2009: 295ff, Delhees u. a. 2008: 168ff).59 Abbildung 8 visualisiert den Verlauf des Entscheidungsprozesses.
59
Weder der zuständige Minister Clement (Ressortprinzip) noch der Koalitionspartner (Kabinettsund Koalitionsprinzip), waren an der konzeptionellen Erarbeitung des umfassenden Reformvorhabens beteiligt worden. Von seiner Partei (Parteiprinzip) holte sich Schröder nachträglich über einen Sonderparteitag und die politische Legitimation (Grasselt/Korte 2007). Grundlegend zur Politik von Gerhard Schröder siehe Pfetsch F. 2003 sowie Hennecke 2003. Grundlegend zur Agenda 2010 siehe auch Zimmermann 2008 sowie Stumper 2004.
7.2 Fallbeispiele
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Abbildung 11: Verlauf des Entscheidungsprozesses der Arbeitsmarktreform Hartz I bis IV der Regierung Schröder
Quelle: Eigene Darstellung. Arbeitsmarktspezifische Reformentwürfe der sozialdemokratischen Partei in Deutschland hatten sich bis zum Zeitpunkt der Agenda 2010 vor allem im Bereich der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik bewegt und waren argumentativ entsprechend begründet worden: „Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren, Vermitteln“ lautete dabei das Credo (Zimmermann 2005: 3ff). Mit der Agenda 2010 strebte die Regierung Schröder insofern eine deutliche Neuorientierung an: Im Vordergrund stand dabei nicht mehr nur der Erhalt des Lebensstandards im Fall von Arbeitslosigkeit, sondern vor allem das Ziel der Wiederaufnahme einer Beschäftigung gemäß dem Prinzip „Fördern und Fordern“ (Zimmermann 2005: 3ff).60 Im Februar 2002 setzte Schröder die Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (die so genannte Hartz Kommission) ein, die unter der Leitung des ehemaligen VW-Vorstands Peter Hartz tagte. Sie wurde beauftragt, einen umfassenden Reformkatalog unter den genannten Prämissen zu entwi60
Unter der Überschrift „Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung“ konkretisierte Bundeskanzler Schröder schließlich sein Vorhaben, das er unter dem Titel Agenda 2010 zusammenfasste. Die Agenda 2010 wurde infolge dessen als komplexes Reformpaket konzipiert, dass die Politikfelder Konjunktur, Haushalt, Arbeit, Wirtschaft, Gesundheit, Rente, Bildung und Forschung umfasste (Raschke 2004). Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen wurden im Vorfeld nicht über den Prozess der Ausarbeitung einer entsprechenden Agenda informiert (Gumny 2006, Delhees u. a. 2008: 101ff).
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7 Regierungskommunikation in Deutschland
ckeln. Nach der Wiederwahl der rot-grünen Regierung im Herbst 2002 legte die Kommission als Ergebnis ihrer Arbeit den so genannten Hartz-Bericht vor (Hennecke 2004), der vier zentrale Punkte, die Einrichtung so genannter Personal-Service-Agenturen, die Neuregelung so genannter Mini-Jobs und Ich-AGs, den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit und die Neuregelung von Transferzahlungen an Arbeitssuchende und Sozialhilfeempfänger (zu Arbeitslosengeld 1 und 2) umfasste (Abbildung 9). Die dort vorgeschlagenen Reformschritte Hartz I und Hartz II passierten infolge dessen ohne große öffentliche Resonanz noch im Winter 2002 den Bundestag, was auf der Ebene der Darstellungskommunikation zunächst einem leisen Argumentationstyp in der Input- und- Throughput-Phase entsprach (Delhees u. a. 2008: 113ff, Wagner/Schuldt 2003). Nachdem die rotgrüne Regierungskoalition im Oktober 2003 auch den Entwürfen zu Hartz III und IV zugestimmt hatte, drohten jedoch die Christdemokraten mit einer Blockade der Gesetze im Bundesrat (Feldenkirchen 2003). Im November 2003 wurde in dieser Angelegenheit der Vermittlungsausschuss des Bundesrates einberufen (Bundesrat 2003). Nach kurzer Verhandlung konnte dort Mitte Dezember 2003 eine Einigung erzielt werden, so dass nun auch Hartz III den Bundesrat passieren konnte. Der innerparteiliche Druck auf Bundeskanzler Schröder stieg in dieser Zeit massiv und gipfelte im Februar 2004 darin, dass Schröder vom Parteivorsitz zurücktrat.61 Ein Anfang 2003 von Politikern des linken Flügels innerhalb der SPD angeregte Mitgliederbegehren wuchs sich zu einem ausgeprägten Flügelkampf zwischen Reformbefürwortern und -gegnern innerhalb der Partei aus.62 Obwohl die Parteispitze die aufgebrachten parteiinternen Vetospieler im Frühjahr 2003 mit Regionalkonferenzen und einem Sonderparteitag zu beruhigen versuchte, indem kleinere Veränderungen an der Reformagenda in Aussicht gestellt wurden, schwelte der Konflikt weiter. Schröder brachte seine Partei zwar letztendlich mit wiederholten Rücktrittsforderungen hinter sich, ging aber nachhaltig geschwächt aus der Debatte hervor.63 Hartz IV, der letzte noch ausstehen61 Noch bevor der umstrittenste Teil der Reform, der die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe regeln sollte, im Januar 2005 in Kraft trat, legte Bundeskanzler Schröder das Amt des Vorsitzenden der SPD nieder. Siehe dazu auch Fischer 2007. 62 Die Programmatik der Agenda 2010 stellte für viele SPD-Mitglieder ein Tabubruch im zentralen Identitätsbereich der Partei dar, so dass ein Teil des linken Flügels im Frühjahr 2003 ein Mitgliederbegehren anregte, um den Reformprozess zu stoppen (Raschke 2004). 63 Zur Eindämmung des entbrannten Richtungsstreits und um dem erhöhten Diskussionsbedarf an der Basis nachzukommen, wurden von der SPD-Spitze vier Regionalkonferenzen abgehalten, die von April bis Mai 2003 in allen Teilen Deutschlands stattfanden, aber keine Entscheidungslegitimation besaßen. Auf einem Sonderparteitag im Juni 2003 sollte die Partei dann „abschließend“ über einen Leitantrag zur Agenda 2010 befinden (Gumny 2006). Nachdem Schröder mit seinem Rücktritt im Falle einer Nicht-Zustimmung seiner Partei gedroht hatte, konnte so schließlich eine Mehrheit von 90 Prozent der Delegierten für das Reformvorhaben gewonnen werden (Feldenkirchen 2003).
7.2 Fallbeispiele
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de Reformschritt im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, wurde schließlich im Juli 2004 vom Bundesrat gebilligt. Nach der Beschlussfassung zu Hartz IV regte sich nun auch in der Öffentlichkeit Protest.64 Unter dieser Kritik, die Bundeskanzler Schröder nun nicht mehr nur aus den eigenen Reihen, sondern auch aus den Medien und der Öffentlichkeit entgegenschlug, wurden im August 2004 bei einem Spitzentreffen der Koalition Korrekturen an den Hartz-IV-Regelungen vorgenommen. Die Regierungskommunikation war argumentativ in dieser Phase insbesondere darauf ausgerichtet, wettbewerbsorientiert die Effizienz und Effektivität der Maßnahmen herauszustellen, was die öffentlichen Proteste jedoch nicht zum Erliegen brachte und des Weiteren auch zu zahlreichen Parteiaustritten aus der SPD führte (Beck/Scherrer 2005).65 Auch das Leitmotiv des „Förderns und Forderns“ entsprach dieser Argumentation (Zimmermann 2005). Als es im Mai 2005 bei Landtagswahlen zudem zu massiven Stimmverlusten für die SPD im Stammland Nordrhein-Westfalen kam, sahen sich Bundeskanzler Schröder und der neue Parteivorsitzende Müntefering ferner gezwungen, Neuwahlen auf der Bundesebene anzusetzen. In Folge dieser Wahl kam es schließlich im September 2005 zu einer großen Koalition unter Angela Merkel (CDU). CDU und SPD beschlossen im Rahmen dieser Koalition im Juni 2006 erneut kleinere Korrekturen an den Hartz-Reformen, hielten aber an der eingeschlagenen Richtung grundsätzlich fest.66 Zur selben Zeit war gleichwohl erstmalig ein Rückgang der Arbeitslosenzahlen zu beobachten (Klein 2007).
64 Besonders im Osten Deutschlands nahmen im August 2004 zehntausende Menschen an Demonstrationen teil. 65 In der Folge der Implementierung der Arbeitsmarktreform Hartz I bis IV verlor die SPD fast ein Viertel ihrer Mitglieder (Maurer 2005). 66 Dies geschah im Rahmen des so genannten Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetzes.
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7 Regierungskommunikation in Deutschland
Abbildung 12: Regierungskommunikation der Regierung Schröder im Entscheidungsprozess der Agenda 2010 (in Bezug auf die HartzGesetze)
Quelle: Eigene Darstellung. Die Arbeitsmarktreform Hartz I bis IV wurde insofern, gemessen an ihrem Umfang und ihren Ausmaßen, in einem „fast exotischen Reformtempo“ auf den Weg gebracht und implementiert (Friedrich-Ebert-Stiftung 2002).67 Die Regierungskommunikation erfolgte auf der Ebene der Entscheidungskommunikation insgesamt im argumentierenden Modus in die SPD hinein, als Kanzler Schröder versuchte, die parlamentarische Mehrheit für sein Vorhaben herzustellen. Im 67
Die Reformagenda umfasste dabei schließlich folgende Bestandteile: Hartz I (verabschiedet 2003) sollte Zeitarbeit durch die Anbindung der Arbeitsämter an so genannte Personal-Service-Agenturen fördern. Hartz II (ebenfalls verabschiedet 2003) beinhaltetet eine Neuregelung so genannter MiniJobs und die Einführung der so genannten Ich-AG. Hartz III (verabschiedet 2004) umfasste den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in die Bundesagentur für Arbeit und Hartz IV (verabschiedet 2005) sah die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum so genannten Arbeitslosengeld II vor. Grundlegend zum Verlauf und zur strategischen Regierungskommunikation im Rahmen der Arbeitsmarktreform der Hartz-Gesetze siehe auch Grasselt/Korte 2007, Hennecke 2003, und Egle/Ostheim/Zohlnhöfer 2003.
7.2 Fallbeispiele
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Rahmen von Hartz III und IV kam es darüber hinaus auch zu Entscheidungskommunikation im verhandelnden Modus, als absehbar wurde dass die konservative Mehrheit im Bundesrat den Entwürfen nicht ohne weiteres zustimmen würde. Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation erfolgte in der Throughput-Phase vor allem innerhalb der SPD (und nach außen in dieser Phase insofern vor allem als leise Argumentation) und erst in der Output-Phase nach außen im Rahmen einer wettbewerbsorientierten Argumentation.68 Abbildung 9 fasst die zentralen Merkmale der Regierungskommunikation in diesem Fallbeispiel abschließend zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
7.2.2 Regierungskommunikation der Regierung Merkel (Gesundheitsfonds) Die Einführung des Gesundheitsfonds der Regierung Merkel zielte auf die finanzielle Konsolidierung des Gesundheitssystems ab und wurde von der großen Koalition (Regierung Merkel 1) im Jahr 2007 verabschiedet. Im Vorfeld hatte es in Deutschland bereits zahlreiche Reformen im Bereich der Gesundheitspolitik gegeben, die ebenfalls das Ziel der finanziellen Konsolidierung verfolgt hatten.69
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Durch die „Gesetzgebungshektik“ war die Öffentlichkeit kaum noch zu realer Mitwirkung in der Lage (Wagner/Schuldt 2003: 8). Den Handlungsspielraum für diesen leisen Argumentationstyp eröffnete nicht zuletzt auch die Debatte um den bevorstehenden Irak-Krieg (Korte 2006b). 69 Gesundheitspolitik in Deutschland gleiche einem „Wasserballett im Haifischbecken“, sagte einmal der ehemalige deutsche Gesundheitsminister Norbert Blüm (CDU) in Bezug auf die besonderen Umstände, die mit diesem Politikfeld verbunden sind (Bandelow 2003: 14). Weil Gesundheitspolitik jeden Bürger betrifft, ist das öffentliche und mediale Interesse an Reformen in diesem Politikfeld stets groß. Zudem stellt das Gesundheitswesen in Deutschland mit 4,2 Millionen Beschäftigten auch einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar (Sach 2006). Der „Patient Deutschland“ war dementsprechend schon seit vielen Jahren in Behandlung: Von 1977 bis 2004 waren insgesamt 19 Reformgesetze auf den Weg gebracht worden (Orlowski/Wasem 2007), Kosten und Beitragssätze zu den Krankenversicherungen stiegen aber dennoch weiter. Dabei galt lange vor allem das Wachstum der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung als wichtigste Ursache für den Beitragssatzauftrieb, weshalb sich die Regierungen Kohl und Schröder zunächst vor allem auf die Dämpfung dieser Ausgabenentwicklung konzentriert hatten (Paquet/Schroeder 2008). Reformen im Bereich der Gesundheitspolitik verfolgten somit traditionell vor allem das Ziel, die Effizienz des Systems zu steigern.
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7 Regierungskommunikation in Deutschland
Abbildung 13: Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Einführung des Gesundheitsfonds der Regierung Merkel
Quelle: Eigene Darstellung. Insbesondere war ein im Januar 2004 unter dem Titel Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft getretenes Reformpaket voraus gegangen, dessen prägnantester Bestandteil die Einführung der so genannten Praxisgebühr war.70 Drei zentrale Probleme blieben jedoch auch nach dieser Reform bestehen: Erstens hatten die gesetzlichen Krankenversicherungen nach wie vor zu geringe Einnahmen um kostendeckend arbeiten zu können, zweitens stellte der demografische Wandel auch weiterhin eine nicht bewältigte Herausforderung für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung dar und drittens wurden die immer noch hohen Sozialversicherungsbeiträge weiter als Mitverursacher hoher Arbeitslosigkeitsquoten angesehen. Zur diesbezüglichen Reformierung des Gesundheitssystems entwickelten die Regierungsparteien (CDU/CSU und SPD) zunächst eigene Reformkonzepte, die initial als sehr unterschiedliche Lösungsalternativen in den Entscheidungsfindungsprozess eingingen. Von der SPD wurde das Modell einer so genannten Bürgerversicherung vorgeschlagen.71 CDU/CSU favorisierten hingegen die 70
Die Praxisgebühr muss seitdem in Deutschland bei jedem ersten Arztbesuch eines Quartals von den Versicherten entrichtet werden. Ziel dieser Reform war es, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen zu stabilisieren und so die Lohnnebenkosten zu senken. 71 In die Bürgerversicherung sollten nicht nur abhängig Beschäftigte und deren Arbeitgeber Beiträge einzahlen, sondern fortan die gesamte Bevölkerung. Als Beitragsermessungsgrenze sollte in diesem Fall das Gesamteinkommen jedes Einzelnen herangezogen werden.
7.2 Fallbeispiele
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Einführung einer so genannten Gesundheitsprämie (auch Kopfpauschale).72 Im Januar 2006 kam es erstmals zu gemeinsamen Verhandlungen der Koalitionspartner, mit dem Ziel, sich auf ein gemeinsames Modell zu verständigen (Streitz 2006). Der Vorschlag eines Gesundheitsfonds, in dem Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur gesetzlichen Krankenversicherung, sowie ein Steuerzuschuss vom Staat gesammelt und zentral verwaltet werden sollen, wurde schließlich erstmals im April 2006 von CDU-Fraktionschef Volker Kauder geäußert (Schuler 2006).73 Im Juli 2006 einigten sich die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD erstmals grundlegend auf wesentliche Eckpunkte der Reformagenda (Hoffmann 2006). Abbildung 14: Regierungskommunikation der Regierung Merkel im Entscheidungsprozess zur Einführung des Gesundheitsfonds
Quelle: Eigene Darstellung. 72 Statt der Entrichtung prozentualer Beiträge durch die Versicherten sah das Modell der Gesundheitsprämie die Leistung einer Pauschale von etwa 200 Euro im Monat vor. Durch diesen Grundpreis sollte die medizinische Grundversorgung abgesichert werden. Die Höhe der Pauschale sollte in Abhängigkeit zur Effizienz der Versicherung variieren. 73 Der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder erörterte im April 2006 im Rahmen der Suche nach einem koalitionsweiten Konsens erstmals die Idee des Gesundheitsfonds in einem Interview mit dem Hamburger Magazin Stern (2006).
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7 Regierungskommunikation in Deutschland
Im August 2006 veröffentlichte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) einen ersten Entwurf der Reformagenda, der jedoch seitens der Union (öffentlich) kritisiert wurde (Hoffmann 2006). Aufgrund des offensichtlich fortbestehenden Diskurses innerhalb der Regierungskoalition wurde daher im September 2006 die Verschiebung der Reform auf das Jahr 2007 beschlossen.74 Im Folgenden wurde eine Expertenkommission eingerichtet, die unter der Leitung von Wirtschaftsprofessor Bert Rürup (für die CDU) und Eckart Fiedler (für die SPD) tagte und einen für beide Seiten akzeptablen Entwurf vorlegen sollte (Hildebrandt/Ulrich 2006). Dieser Entwurf wurde schließlich vom Koalitionsausschuss im Oktober 2006 angenommen.75 Er beinhaltete neben der grundsätzlichen Übereinkunft zur Einführung des Gesundheitsfonds auch ihre Verschiebung auf das Jahr 2009. Abbildung 10 fasst die zentralen Bestandteile der Schlüsselentscheidung zur Einführung des Gesundheitsfonds zusammen. Insgesamt war die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation geprägt durch einen zunächst argumentierenden Modus in der Input-Phase (als die Regierungsparteien ihre grundlegenden Entwürfe kommunizierten) und schließlich durch einen verhandelnden Modus in der Throughput- und Output-Phase (als koalitionsintern nach einem Kompromiss gesucht wurde, den beide Seiten unterstützen könnten). Die Entscheidungskommunikation verlief insofern in großen Teilen koalitionsintern (am Rande allerdings auch im Dialog mit dem Bundesrat, dessen Zustimmung aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse als relativ sicher galt). Die Darstellungskommunikation erfolgte vor allem in der Input-Phase des Entscheidungsprozesses, als beide Koalitionspartner ihre Entwürfe öffentlich kommunizierten und schließlich in der Output-Phase, als kommunizierte wurde, auf welches Modell man sich als Koalition schließlich hatte verständigen können. Der Grossteil der öffentlichen Debatte wurde mit der Einführung auf das Jahr 2009 verschoben. Die Darstellungskommunikation entsprach in dieser Phase am ehesten einer wettbewerbsorientierten76 und kümmernden Argumentation (PolkeMajewski 2006). Abbildung 11 fasst die zentralen Muster der Regierungskom74 Es werde mehr Zeit für umfassende Abstimmungen und gründliche Vorarbeiten durch Bundesministerien, Länder und Verbände benötigt, hieß es dazu in einer Presseerklärung der Regierung (Bundesregierung 2006). Im gleichen Monat gaben Bundeskanzlerin Merkel und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck eine gemeinsame Presserklärung ab und verdeutlichten: „Die Gesundheitsreform kommt“ (Bundesregierung 2006). 75 Die endgültige Abstimmung zum Gesundheitsfonds fand schließlich Anfang Februar 2007 im Bundestag statt. Der Bundesrat stimmte noch im gleichen Monat zu. 76 Im Koalitionsvertrag hieß es dazu beispielsweise: „Das Gesundheitswesen ist eine dynamische Wirtschaftsbranche mit Innovationskraft und erheblicher ökonomischer Bedeutung für den Standort Deutschland. Angesichts großer Herausforderungen, insbesondere des demografischen Wandels und des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts, muss das Gesundheitswesen jedoch ständig weiterentwickelt werden“ (Bundesregierung 2005).
7.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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munikation in diesem Fallbeispiel zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
7.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen Der institutionelle Kontext Deutschlands ist geprägt durch ein parlamentarisches Regierungssystem, einen verhandlungsdemokratischen Demokratietyp und einen konservativen Wohlfahrtsstaatstyp.77 Durch das personalisierte Verhältniswahlrecht sind Koalitionsregierungen die Regel, wobei es bisher meistens zu einer Allianz zwischen einer der beiden großen und einer weiteren kleinen Partei gekommen ist. Aus dieser Situation resultiert innerhalb der deutschen Regierung ein erhöhter interner Abstimmungsbedarf, da mindestens zwei Parteien involviert sind und eine Schlüsselentscheidung für beide tragbar sein muss (Orientierungshypothese 1 und 2). Da die Landesregierungen der deutschen Bundesländer über den Bundesrat in zahlreichen zentralen Entscheidungen ein Mitspracherecht besitzen, besteht hier aus Sicht der Regierung insofern weiterer Abstimmungsbedarf. Der Bundesrat muss somit im Rahmen der Entscheidungskommunikation als potentieller Vetospieler ebenfalls berücksichtigt werden (Orientierungshypothese 1).78 Welche Implikationen ergeben sich daraus im Hinblick auf die Regierungskommunikation in Deutschland? Zur Beantwortung dieser Frage wurden in der Länderanalyse zwei Fallbeispiele sozialpolitischer Diskurse skizziert, die Arbeitsmarktreform Hartz I bis IV im Rahmen der Agenda 2010 der Regierung Schroeder und die Einführung des Gesundheitsfonds der Regierung Merkel. Im Fallbeispiel der Agenda 2010 der Regierung Schröder dominierte ein argumentierender Modus die Entscheidungskommunikation. In Deutschland waren arbeitsmarktspezifische Reformentwürfe der sozialdemokratischen Partei bis zum Zeitpunkt der Agenda 2010 vor allem im Prinzip der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik orientiert. Mit der Agenda 2010 kündigte die Regierung Schröder insofern einen Paradigmenwechsel unter dem Credo des „Förderns und Forderns“ an. Bundeskanzler Schröder beauftragte in diesem Kontext die so genannte Hartz-Kommission mit der Entwicklung eines umfassenden Reformkataloges, 77
Grundlegend zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland siehe Ismayr 2009. Grundlegend zur Regierungskommunikation in Deutschland siehe Kamps/Nieland 2006: 7ff, Meckel/Kamps 2006: 54ff, Patzelt 2006: 139ff, Ruhenstroth-Bauer 2003a, sowie Ruhenstroth-Bauer 2003b. Die Einordnung des Demokratietyps erfolgt hier in allen Länderanalysen nach dem Modell von Lijphart (1999: 48ff). Grundlegend zum Wohlfahrtsstaatstyp in Deutschland siehe Schmid 2002: 105ff und Esping-Andersen 1990: 9ff. 78 Als weiterer potentieller Vetospieler ist aus der Sicht der deutschen Regierung das Bundesverfassungsgericht zu nennen. Es wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes und wird durch Anrufung aktiv.
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7 Regierungskommunikation in Deutschland
der bei Vorlage im Herbst 2002 vier zentrale Punkte, die Einrichtung so genannte Personal-Service-Agenturen, die Neuregelung so genannte Mini-Jobs und IchAGs, den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit und die Neuregelung von Transferzahlungen an Arbeitssuchende und Sozialhilfeempfänger (zu Arbeitslosengeld 1 und 2) umfasste. Die von der Kommission vorgeschlagenen Reformschritte Hartz I und II passierten infolge dessen ohne große öffentliche Resonanz noch im Winter 2002 den Bundestag, (leiser Argumentationstyp in der ThroughputPhase, Orientierungshypothese 4). Nachdem die rot-grüne Regierungskoalition im Oktober 2003 auch den Entwürfen zu Hartz III und IV zugestimmt hatte, drohten jedoch die Christdemokraten mit einer Blockade der Gesetze im Bundesrat, so dass zunächst im Vermittlungsausschuss des Bundesrates eine Einigung erzielt werden musste, damit auch Hartz III den Bundesrat passieren konnte. Hartz IV konnte schließlich im Juli 2004 vom Bundesrat beschlossen werden. In dieser Zeit wuchs allerdings der innerparteiliche Druck auf Bundeskanzler Schröder und führte im Februar 2004 schließlich zu seinem Rücktritt vom Vorsitz der Partei. Schröder brachte seine Partei zwar letztlich zu den zentralen Abstimmungen immer wieder hinter sich, ging persönlich aber nachhaltig geschwächt aus der Debatte hervor. Die Regierungskommunikation erfolgte auf der Ebene der Entscheidungskommunikation insgesamt im argumentierenden Modus in die SPD hinein, als Bundeskanzler Schröder versuchte, die parlamentarische Mehrheit für sein Vorhaben herzustellen. Im Rahmen von Hartz III und IV kam es darüber hinaus auch zu Entscheidungskommunikation im verhandelnden Modus, als absehbar wurde, dass die konservative Mehrheit im Bundesrat den Entwürfen nicht ohne weiteres zustimmen würde (Orientierungshypothese 3). Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation erfolgte in der Throughput-Phase vor allem innerhalb der SPD (die Darstellungskommunikation war in dieser Phase insofern von einer leisen Argumentation gekennzeichnet). Erst in der Output-Phase erfolgte sie nach außen mit einer wettbewerbsorientierten Argumentation (Orientierungshypothese 4). Sie war vor allem darauf ausgerichtet, die Effizienz und Effektivität der Maßnahmen herauszustellen, was schließlich zum einen zu öffentlichen Protesten und zum anderen zu zahlreichen Parteiaustritten führte (Orientierungshypothese 6 und 7). Als die SPD infolge dessen im Stammland NRW eine dramatische Wahlniederlage hinnehmen musste, sah sich die Regierung Schröder zur Terminierung von Neuwahlen gezwungen, aus der sie nicht erneut siegreich hervorgehen konnte (Darstellungslegitimation: nein). Während die Regierungskommunikation der Regierung Schröder insofern im Rahmen der Agenda 2010 als erfolgreich auf der Ebene der Entscheidungskommunikation bezeichnet werden kann (es wurden zahlreiche entsprechende Gesetze verabschiedet, Entscheidungslegitimation: ja) konnte auf der Ebene der Dar-
7.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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stellungskommunikation das Anliegen letztlich nicht erfolgreich vermittelt werden (Orientierungshypothese 6 und 7). Im zweiten Fallbeispiel wurde die Schlüsselentscheidung zur Einführung des Gesundheitsfonds der Regierung Merkel betrachtet. Ihr waren zunächst zwei konkurrierende Konzepte von SPD und CDU vorausgegangen (Bürgerversicherung versus Kopfpauschale), die beide das maßgebliche Ziel verfolgt hatten, die finanzielle Lage des Gesundheitssystems zu verbessern und nachhaltig zu konsolidieren. Der Kompromissvorschlag zu einem Gesundheitsfonds, der zentral verwaltet Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sowie einen Steuerzuschuss vom Staat sammeln solle, wurde erstmals im April 2006 von CDUFraktionschef Volker Kauder geäußert. Im Juli 2006 einigten sich die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD vor dem Hintergrund der gemeinsamen Regierungskoalition erstmals auf wesentliche Eckpunkte der Reformagenda (Orientierungshypothese 1 und 2). Im August 2006 veröffentlichte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) einen ersten Gesetzesentwurf, der jedoch seitens der Union (öffentlich) kritisiert wurde (Orientierungshypothese 2). Aufgrund des offensichtlich fortbestehenden Diskurses innerhalb der Regierungskoalition wurde im September 2006 die Verschiebung der Reform auf das Jahr 2007 beschlossen und eine Expertenkommission mit der Ausarbeitung einer konkreten Reformagenda beauftragt, die beide Seiten akzeptieren könnten (Orientierungshypothese 1 und 2). Dieser Entwurf wurde schließlich im Oktober 2006 vom Koalitionsausschuss angenommen (Orientierungshypothese 3 und 4).79 Insgesamt war die Regierungskommunikation der Regierung Merkel im Fall der Einführung des Gesundheitsfonds auf der Ebene der Entscheidungskommunikation insofern zunächst geprägt durch einen argumentierenden Modus in der Input-Phase, als die Regierungsparteien ihre grundlegenden Entwürfe kommunizierten, und schließlich durch einen verhandelnden Modus in der ThroughputPhase, als koalitionsintern nach einem Kompromiss gesucht wurde, den beide Seiten unterstützen könnten (Orientierungshypothese 3). Die Entscheidungskommunikation verlief insofern in großen Teilen koalitionsintern.80 Die Darstellungskommunikation nach außen erfolgte zunächst in der Input-Phase des Entscheidungsprozesses, als beide Koalitionspartner ihre Entwürfe öffentlich kommunizierten und schließlich in der Output-Phase, als öffentlich erklärt wurde, auf welches Modell man sich als Koalition schließlich hatte verständigen können (Orientierungshypothese 4). Die öffentliche Debatte wurde indes mit der Einführung des Gesundheitsfonds auf das Jahr 2009 verschoben (Orientierungshypothe79 Er beinhaltete neben der grundsätzlichen Übereinkunft zur Einführung des Gesundheitsfonds auch ihre Verschiebung auf das Jahr 2009. 80 Am Rande allerdings auch im Dialog mit dem Bundesrat, dessen Zustimmung aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse als relativ sicher galt.
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7 Regierungskommunikation in Deutschland
se 5). Die Darstellungskommunikation entsprach in dieser Phase am ehesten einer kümmernden Argumentation (Orientierungshypothese 6). Abbildung 15: Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Deutschland. Quelle:
Eigene Darstellung. Was kann auf der Basis dieser beiden Fallbeispiele hinsichtlich der Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Deutschland gefolgert werden? Auffällig ist zunächst aus Sicht der deutschen Regierung die häufige Notwendigkeit der Abstimmung mit anderen Vetospielern (Orientierungshypothese 1, 2 und 3). Deutsche Bundeskanzler müssen auf unterschiedlichen Ebenen Konsensund Kompromissmechanismen miteinander verknüpfen, um auf der parlamentarischen Ebene handlungsfähig zu bleiben. Die kommunikativen Drahtseilakte, die sie in diesem Kontext vollbringen, können auf der Darstellungsebene ein Glaubwürdigkeitsproblem erzeugen, wenn offensichtlich wird, dass von ursprünglich proklamierten Ansätzen zugunsten eines mehrheitsfähigen Kompromisses abgewichen worden ist. Eine Möglichkeit, dieser Situation aus der Sicht der deutschen Regierung zu begegnen, ist die Verschiebung der Darstellungs-
7.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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kommunikation auf einen späten Zeitpunkt im Entscheidungsprozess, wenn abzusehen ist, für welche Vorhaben die Option einer politischen Mehrheit besteht (Orientierungshypothese 4). Die in Deutschland stark ausgeprägten Elemente der Machtteilung führen insofern zu einem engen kommunikativen Korridor. Die intensiven innerparteilichen Diskurse und das nachhaltige Abfallen der SPD bei folgenden Wahlen auf allen föderalen Ebenen lassen bezüglich der Regierungskommunikation im Fall der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze durch die Regierung Schröder vermuten, dass der wohlfahrtstaatliche Wertekonsens nicht angemessen berücksichtigt worden ist (Orientierungshypothese 6), während die Darstellungskommunikation der Regierung Merkel im Fall der Einführung des Gesundheitsfonds eher an den hier erwarteten Mustern orientiert blieb. Abbildung 12 fasst diese charakteristischen Muster der Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Deutschland abschließend zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
8 Regierungskommunikation in Großbritannien
8.1 Institutioneller Kontext Wie auch in Deutschland liegt in Großbritannien ein parlamentarischer Regierungssystemtyp vor. Im britischen Regierungsbildungsprozess bestand bis 2010 allerdings nicht die Notwendigkeit in Koalitionen zu regieren, da bis dato stets eine der beiden großen Parteien eine parlamentarische Mehrheit hatte stellen können.81 In Großbritannien kann ferner vom Demokratietyp der Wettbewerbsdemokratie gesprochen werden, so dass zusätzliche politische Macht aufseiten der Regierung konzentriert ist.82 Großbritannien ist eine konstitutionelle Monarchie und die Queen kann die Regierung theoretisch absetzen, wovon in der Praxis jedoch kein Gebrauch gemacht wird. Neben der Königin ist das Parlament die einzige gesetzgebende Institution.
81 Auf Grund des Mehrheitswahlsystems ist in Großbritannien das genannte Parteienduopol die Konsequenz, womit ein institutioneller Stabilisierungseffekt einhergeht, der in Westeuropa einzigartig ist (Helms 2006). In Großbritannien stellt der Kandidat der siegreichen Partei nach der Wahl sein Kabinett zusammen und lässt sich von der Parlamentsmehrheit zum Premierminister wählen. 82 Grundlegend zum politischen System Großbritanniens siehe Becker 2002, Diehl 1999, sowie Haring 2006. Weitere institutionelle Vetospieler, wie zum Beispiel in Frankreich der Präsident oder in Deutschland der Bundesrat, spielen in Großbritannien keine den kommunikativen Korridor des Regierungschefs begrenzende Rolle.
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
8.1 Institutioneller Kontext
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Abbildung 16: Struktur der Regierungskommunikation in Großbritannien
Quelle: Brettschneider 2007: 43, modifizierte Darstellung. Der dominierende Zweig des britischen Parlaments ist das so genannte Unterhaus, das House of Commons, wo alle Gesetze eingebracht und verabschiedet werden. Im politischen System Großbritanniens ist es der einzige mit legislativer Entscheidungsmacht ausgestattete Akteur (Saalfeld 2008: 159ff). Innerhalb der Regierung nimmt wiederum der Premierminister eine dominierende Stellung ein. Aufgrund der starken Machtkonzentration auf das Amt des Premierministers wird in diesem Zusammenhang auch von einer „informellen Präsidentschaft des Premierministers“ gesprochen (Sturm 2006: 804). Auch die Bezeichnung des britischen Regierungssystems als Prime Ministerial Government (erstmals durch Mackintosh, 1962) umschreibt treffend, dass die Parlamentssouveränität im politischen System Großbritanniens insgesamt eingeschränkt ist und wo der einzige institutionelle Vetospieler de facto zu finden ist: Im Amt des Premierministers. Abbildung 13 beschreibt die Struktur der Regierungskommunikation in Großbritannien, innerhalb der der Person des Premierministers analog zu seiner starken Stellung im institutionellen Kontext Großbritanniens zentrale Agenda-SettingRessourcen obliegen.
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8 Regierungskommunikation in Großbritannien
Während die von Tony Blair umgesetzte Einrichtung separater Volksvertretungen in Schottland, Wales und Nordirland mangels einer Länderkammer mit Einspruchsrecht auf nationaler Ebene zu keinen neuen Vetospielern geführt hat, könnte allerdings als weiterer Vetospieler die Ministerialbürokratie gezählt werden. Zwar gilt ihr Einfluss auf den Premierminister und seine Regierungspolitik als eher diskret, doch haben die so genannten Permanent Secretaries, die unter anderem Politikformulierungen und Gesetze vorbereiten, gewisse AgendaSetzer-Qualitäten (Delhees u.a. 2008: 21ff).
8.2 Fallbeispiele 8.2.1 Regierungskommunikation der Regierung Blair (New Deals) Die Arbeitsmarktreform der New Deals aus dem Jahr 1998 zielte auf eine Neuregelung der Berechtigung zum Empfang von Transferleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit ab. Die Idee zu so genannten New Deals wurde erstmals im Wahlkampf 1997 von der damals oppositionellen sozialdemokratischen Partei und ihrem Spitzenkandidaten für das Amt des Premierministers Tony Blair geäußert und war eingebettet in das übergeordnete Konzept einer Welfare to Work Reform, die in ihrer Ausrichtung und Tragweite in etwa mit der Agenda 2010 der Regierung Schröder verglichen werden kann.83 Die New Deals sahen als neuer sozialdemokratischer Ansatz (New Labour) eine Art Vertrag zwischen Empfängern von Transferleistungen und dem Staat vor. Die Zahlung von Arbeitslosengeld sollte fortan nicht mehr bedingungslos erfolgen, sondern an bestimmte Bedingungen geknüpft werden (Schmid/Schroeder 2001: 210).84 Nachdem Blair und die Sozialdemokraten die Wahl von 1997 gewonnen hatten, sollte unverzüglich mit der Implementierung des Vorhabens begonnen werden. Bei Amtsantritt der Regierung Blair 1997 lag die Arbeitslosenquote in 83
Allerdings war die Welfare to Work Reform in Großbritannien der Agenda 2010 in Deutschland zeitlich vorgelagert und in sofern orientierte sich nicht Blair an Schröder, sondern die Regierung Schröder in ihrem wohlfahrtsstaatlichen Reformvorhaben eher an der Welfare to Work Reform der Regierung Blair. 84 Zunächst war nur der New Deal für junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren vorgesehen. In dieses Programm sollten Jugendliche aufgenommen werden, sobald sie sechs Monate lang Arbeitslosengeld bezogen hatten. Nach einer viermonatigen Einführungsphase, in der Arbeitslose durch einen persönlichen Berater bei der Arbeitssuche unterstützt werden sollten, sollte erst im Falle einer andauernden Arbeitslosigkeit alternativ eine Aus- und Weiterbildung, eine Beschäftigung in einer gemeinnützigen Einrichtung, eine selbstständige Tätigkeit oder ein subventionierter Arbeitsplatz angenommen werden. Würden diese Möglichkeiten abgelehnt, sollten die Transferzahlungen gekürzt oder ganz gestrichen werden (Schmid/Picot 2001).
8.2 Fallbeispiele
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Großbritannien (nur) bei etwa sieben Prozent,85 so dass das Notwendigkeitsempfinden für eine größere Arbeitsmarktreform in der öffentlichen Wahrnehmung eher gering ausgeprägt blieb. Abbildung 17: Verlauf der Arbeitsmarktreform New Deals der Regierung Blair
Quelle: Eigene Darstellung. Allerdings lag eine hohe Erwartungshaltung der Gewerkschaften vor, die im Rahmen des Wahlkampfes einen Teil der sozialdemokratischen Kampagne finanziert hatten und sich nun als Gegenleistung von der Regierung Blair eine opportune Gesetzgebung erhofften (Petring 2006, Schmid/Picot 2001). Die Vorbereitung des parlamentarischen Entscheidungsvorhabens wurde von heftigen Debatten innerhalb der sozialdemokratischen Partei begleitet, weil viele Mitglieder zum ersten Mal in der Geschichte der britischen Sozialdemokraten explizit den Pfad der ausschließlich aktivierenden Arbeitsmarktpolitik verlassen sahen. Die New Deals wurden schließlich, trotz des heftigen Diskurses im Jahr 1998, von der sozialdemokratischen Mehrheit des britischen Parlaments beschlossen (Entscheidungslegitimation: ja).86 85 Bis Ende der 1970er Jahre war das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Großbritannien vorrangig durch Selbstregulierungsmechanismen geprägt (Schmid/Picot 2001: 4). Auch das Reformverhalten der konservativen Regierungen Thatcher und Major war durch eine passive Arbeitsmarktpolitik sowie Deregulierungen gekennzeichnet, was zu großen und schnellen Schwankungen der Arbeitslosenquote führte (Glynn 1999: 192ff). Zwar folgte letztlich ein Absinken der strukturellen Arbeitslosigkeit sowie einen Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit, jedoch blieb die Beschäftigungsquote vor allem in den Gruppen gering, die nicht in die Arbeitslosenstatistiken mit einflossen. Insbesondere Behinderte und Alleinerziehende waren weiterhin von steigender Arbeitslosigkeit betroffen (Petring 2006). 86 Neben dem New Deal für Jugendliche wurden in der Folgezeit weitere New Deals verabschiedet, unter anderem der New Deal 25plus für Arbeitslose, die älter als 25 Jahre und mindestens zwei Jahre
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8 Regierungskommunikation in Großbritannien
Abbildung 14 charakterisiert den diesbezüglichen Entscheidungsprozess. Die erste Herausforderung der Regierung Blair hinsichtlich der Regierungskommunikation bestand insofern zunächst darin, in der Auseinandersetzung mit der eigenen (sozialdemokratischen) Partei die Reformagenda zu verteidigen und enttäuschten Gewerkschaftskreisen den neuen Kurs zu vermitteln. Blairs Regierungskommunikation wurde in diesem Zusammenhang insgesamt als geprägt von Personalisierung, Zentralisierung und Informalisierung (Becker 2000: 882). Der Modus der Regierungskommunikation im Rahmen der Arbeitsmarktreform New Deals (und auch im übergeordneten Reformgeschehen im Rahmen der Welfare to Work Reform) kann dementsprechend vor allem als argumentierend deklariert werden. Die Regierung Blair konnte davon ausgehen, praktisch frei von weiteren Vetospielereinflüssen ihre Agenda umsetzen zu können, sobald die Mehrheit in der eigenen Partei auf diesem Weg als gesichert einzuschätzen war. Die Darstellungskommunikation erfolgte sowohl in der Input-Phase, als die Reformagenda im Wahlkampf als Konzept der neuen Regierung Blair kommuniziert wurde und schließlich vor allem in der Output-Phase, nachdem die entsprechenden Gesetze verabschiedet worden waren.
arbeitslos waren, und der New Deal 50plus für Arbeitslose über 50 Jahre. Durch die New Deals entstehende Mehrausgaben wurden durch Kürzungen anderer Haushaltsposten ausgeglichen (King/Wickham-Jones 1999).
8.2 Fallbeispiele
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Abbildung 18: Regierungskommunikation der Regierung Blair im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Einführung der New Deals
Quelle: Eigene Darstellung. Argumentativ wurden die New Deals dabei insgesamt als notwendige Flexibilisierung des Arbeitsmarktes begründet, die zu einer Erhöhung der Beschäftigungsquote und zu einer gleichzeitigen Reduzierung der Abhängigkeit von Transferleistungen führen werde (wettbewerbsorientierte Argumentation, Petring 2006). Nicht nur die damit implizierte Annäherung an die Programmatik der konservativen Vorgängerregierungen, sondern auch die Übernahme der pragmatischen Argumentationsart der Regierung Clinton im Rahmen der amerikanischen Welfare Reform 1995 sind dabei als wesentliche Indikatoren für die Neuausrichtung der sozialdemokratischen Partei in Großbritannien beschrieben worden (Schmid/Picot 2001: 239).87 Darüber hinaus wurde die Einführung der New 87 Diese Argumentation wurde diesbezüglich auch in den Kontext der Wahlniederlagen von 1979, 1983, 1987 und 1992 gestellt, weil sich der Flügel der so genannten Modernisierer innerhalb der sozialdemokratischen Partei nach diesen Niederlagen schließlich innerparteilich hatte durchsetzen können (Sturm 2001: 34ff).
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8 Regierungskommunikation in Großbritannien
Deals vor allem in den Kontext des so genannten Dritten Weges88 und dem damit verbundenen neuen Leitmotiv des Förderns und Forderns gestellt. Die Argumentation entspricht insofern auch einer wettbewerbsorientierten Argumentation (Berg/Kaiser 2006). Die Regierung Blair wurde im Rahmen der Wahlen von 2001 (sowie erneut 2005) im Amt bestätigt (Darstellungslegitimation: ja). Abbildung 15 fasst die zentralen Merkmale, die die Regierungskommunikation der Regierung Blair in diesem Fallbeispiel gekennzeichnet haben, abschließend zusammen.
8.2.2 Regierungskommunikation der Regierung Blair (National Health Service Plan) Der National Health Service Plan aus dem Jahr 2000 zielte auf die finanzielle Konsolidierung des Gesundheitswesens und auf eine Verbesserung der Versorgung Kranker ab. Das Gesundheitssystem Großbritanniens basiert grundlegend auf dem aus Steuermitteln finanzierten und staatlich verwalteten National Health Service, der allen Bürgern unabhängig von ihrem Einkommen eine medizinische Grundversorgung bietet. Er wurde 1948 von der ersten sozialdemokratischen Nachkriegsregierung geschaffen und gilt seither als sozialdemokratische Errungenschaft (Böcken u.a. 2000: 60, Becker, B. 2002: 45). Seit Beginn der 1990er Jahre wurde das System allerdings in der Öffentlichkeit zunehmend als marode wahrgenommen.89 Medienberichte über drastische Einzelfälle stellten das Prinzip der Gleichheit auf diese Weise vor allem als ein Prinzip der gleichermaßen schlechten medizinischen Grundversorgung dar. 1997 gewannen die Sozialdemokraten die Wahl mit der Zusage wirksamer Reformen. Bereits zu Beginn der ersten Legislaturperiode (von 1997 bis 2001) der Regierung Blair war die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des National Health Service insofern absehbar und der Reformdruck hoch. Das entsprechende Reformvorhaben wurde jedoch zunächst nur mäßig vorangetrieben. Erst als sich nach dem Bekanntwerden massiver Versorgungsengpässe in Folge einer Grippewelle im Winter 1999/2000 die Problemwahrnehmung in der Öffentlichkeit und somit auch der Druck auf die Regierung Blair erneut vergrößerte, wurde eine konkrete Reformagenda formuliert. Blair reagierte mit der Einsetzung einer Ex88
Der so genannte Dritte Weg war als neu zu schaffender Ausweg zwischen zwei vormals als alternativlos eingeschätzten Möglichkeiten (der aktiven oder passiven Arbeitsmarktpolitik) definiert worden (Giddens 1999). 89 So galten etwa Krankenhäuser im europäischen Vergleich als schlecht ausgestattet, Wartezeiten auf dringende Behandlungen als deutlich länger und das Budget des nationalen Gesundheitsdienstes im europäischen Vergleich als wesentlich niedriger (Becker, B. 2002: 47).
8.2 Fallbeispiele
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pertenkommission, die schließlich den so genannten National Health Service Plan ausarbeitete, der auf zehn Jahre angelegt, die bessere Finanzierung durch den Staat sowie die Privatisierung der Managementstrukturen im staatlichen Gesundheitsdienst regeln sollte.90 Der Grundkonsens des britischen Wohlfahrtsstaats, der jedem Bürger unabhängig von Einkommen und Versicherung das Recht auf medizinische Grundversorgung zugesteht, blieb dabei unangetastet. Abbildung 16 fasst den Verlauf des Endscheidungsprozesses zusammen. Abbildung 19: Verlauf der Gesundheitsreform National Health Service Plan der Regierung Blair
Quelle: Eigene Darstellung. Die Regierungskommunikation der Regierung Blair war auf der Ebene der Entscheidungskommunikation insgesamt von einem argumentierenden Modus ge90 Er verfolgte insgesamt die Zielsetzung, eine Verbesserung der gesundheitlichen Grundversorgung durch die Schaffung marktwirtschaftlicher Anreize im Gesundheitssystem zu erreichen. Vier zentrale Aspekte lagen dieser Zielsetzung zugrunde (Böcken/Butzlaff/Esche 2000: 69f, Boscheck 2005, Lippek 2004: 3ff): Erstens die Abschaffung der Budgetierung von Hausärzten und Einführung so genannter Primary Care Trust. Mit diesem Element wurde die Übertragung von Bauprojekten oder deren Instandhaltung an private Unternehmen ermöglicht. Der Staat sollte sich auf diese Weise aus der Finanzierung und der direkten Kontrolle des Gesundheitssystems zurückziehen. Zweitens die Verdreifachung der staatlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen. Drittens die qualitative Verbesserung der gesundheitlichen Grundversorgung durch die Schaffung nationaler Qualitätsstandards und viertens die Schaffung marktwirtschaftlicher Anreize zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Verlagerung zentraler Verantwortlichkeiten von der nationalen auf die lokale Ebene.
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prägt. Bereits im Vorfeld der ersten Legislaturperiode (von 1997 bis 2001) stellte Blair dabei die Beibehaltung des nationalen Gesundheitsdienstes und die damit verbundene Beibehaltung der allgemeinen Grundversorgung (argumentierend) als übergeordnete Zielsetzung heraus (Delhees u. a. 2008: 79ff). Als infolge einer Grippeepidemie die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des als unterfinanziert geltenden Gesundheitsdienstes an die Spitze der Themenagenda rückte, ließ die Regierung Blair von einer Expertenkommission ein Reformkonzept entwickeln, das neben Mehrausgaben seitens des Staates insbesondere auf flexiblere und effizientere Managementstrukturen durch Privatisierung setzte. Der National Health Service, der als Errungenschaft der ersten sozialdemokratischen Nachkriegsregierung einen wesentlichen Identifikationsgegenstand der sozialdemokratischen Partei darstellte, blieb bestehen. Der National Health Service Plan führte allerdings über weit reichende Privatisierungen eine faktische Einschränkung des staatlichen Systems herbei, während der wohlfahrtsstaatliche Grundkonsens kommunikativ unangetastet blieb. Die Darstellungskommunikation erfolgte sowohl in der Inputphase des Entscheidungsprozesses, als die Sozialdemokraten und ihr Spitzenkandidat Blair im Wahlkampf 1997 substanzielle Verbesserungen bei der Finanzierung des Gesundheitswesens ankündigten, als auch in der Output-Phase, als die Regierung Blair ihre Reformagenda präsentierte.
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Abbildung 20: Regierungskommunikation der Regierung Blair im Rahmen des Entscheidungsprozesses zum National Health Service Plan
Quelle: Eigene Darstellung. Der Argumentationstyp, der die Darstellungskommunikation prägte, kann zunächst für die Zeit nach der Wahl 1997 bis zum Winter 1999/2000 als vertröstend bezeichnet werden. Als jedoch aufgrund einer intensiven NegativBerichterstattung über Mangelzustände in staatlichen Krankenhäusern in Folge der Grippewelle eine Reaktion der Regierung unumgänglich wurde, versprach Blair schließlich mit einer kümmernden Argumentation schnelle Hilfen in Form von zeitnahen Investitionen. Insbesondere die argumentierte Notwendigkeit der Privatisierungen im Rahmen der Reform, als auch die Zielsetzung, das britische Gesundheitssystem zum „Besten der Welt“ zu machen, wiesen in diesem Zusammenhang auch wettbewerbsorientierte und patriotische Züge auf. Die Regierungskommunikation der Regierung Blair kann im Fallbeispiel des National Health Service Plan daher sowohl auf der Ebene der Entscheidungskommunikation (entsprechende Gesetze wurden verabschiedet, Entscheidungslegitimation: ja) als auch auf der Ebene der Darstellungskommunikation als erfolgreich bezeichnet werden (die Regierung Blair wurde wiedergewählt, Darstellungslegiti-
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mation: ja). Abbildung 17 fasst die zentralen Muster der Regierungskommunikation in diesem Fallbeispiel zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
8.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen Der institutionelle Kontext Großbritanniens ist gekennzeichnet durch einen parlamentarischen Regierungssystemtyp, den Demokratietyp einer Wettbewerbsdemokratie und einem liberalen Wohlfahrtsstaatstyp. Anders als in Deutschland besteht im britischen Regierungsbildungsprozess nicht die Notwendigkeit eine Koalition einzugehen, um eine Regierungsmehrheit herstellen zu können (Orientierungshypothese 2). Der Demokratietyp der Wettbewerbsdemokratie führt vielmehr zu einer Konzentration politischer Macht aufseiten der Regierung (Orientierungshypothese 1). Aufgrund dieser Machtkonzentration wird auch von einer „informellen Präsidentschaft des Premierministers“ gesprochen (Sturm 2006: 804).91 Zur Analyse der Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Großbritannien wurden im Rahmen der Länderanalyse zwei Fallbeispiele – die Einführung der New Deals und der National Health Service Plan der Regierung Blair – skizziert. Im ersten Fallbeispiel wurde die Einführung der New Deals betrachtet die als „neuer Vertrag“ zwischen Empfängern von Transferleistungen und dem Staat die Zahlung von Arbeitslosengeld an bestimmte Bedingungen knüpften sollte. Die Idee zu dieser Reform wurde von den Sozialdemokraten erstmals im Wahlkampf 1997 geäußert (argumentierender Modus in der Input-Phase, Orientierungshypothese 3). Sie war später konzeptionell eingebettet in das übergeordnete Konzept der Welfare to Work Reform, die in ihrer Ausrichtung und Tragweite in etwa mit der Agenda 2010 der Regierung Schröder verglichen werden kann.92 Die New Deals sahen eine Neuregelung der Transferzahlungen an Arbeitssuchende unter dem Kredo des „Förderns und Forderns“ vor. Finanzielle Leistungen sollten fortan nicht weiter bedingungslos, sondern nur in Verbindung mit 91
Auch die Bezeichnung des britischen Regierungssystems als Prime Ministerial Government (erstmals durch Mackintosh, 1962) umschreibt treffend, dass die Parlamentssouveränität im politischen System Großbritanniens insgesamt eingeschränkt ist und wo der einzige institutionelle Vetospieler de facto zu finden ist: Im Amt des Premierministers. Der dominierende Zweig des britischen Parlaments ist das so genannte Unterhaus, das House of Commons, wo alle Gesetze eingebracht und verabschiedet werden. Im politischen System Großbritanniens ist es der einzige mit legislativer Entscheidungsmacht ausgestattete Akteur (Saalfeld 2008). 92 Allerdings war die Welfare to Work Reform in Großbritannien der Agenda 2010 in Deutschland zeitlich vorgelagert und in sofern orientierte sich nicht Blair an Schröder, sondern die Regierung Schröder orientierte sich eher an der Welfare to Work Reform der Regierung Blair.
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Gegenleistungen erfolgen. Nachdem die Sozialdemokraten die Wahl von 1997 gewonnen hatten, wurde unverzüglich mit der Implementierung des Vorhabens begonnen. Die Vorbereitung des parlamentarischen Entscheidungsvorhabens wurde in der Throughput-Phase von intensiven Debatten innerhalb der sozialdemokratischen Partei begleitet (Orientierungshypothese 4), weil viele Mitglieder zum ersten Mal in der Geschichte der britischen Sozialdemokraten explizit den Pfad der ausschließlich aktivierenden Arbeitsmarktpolitik verlassen sahen. Infolge dessen konnten die New Deals schließlich im Jahr 1998 von der sozialdemokratischen Mehrheit des britischen Parlaments verabschiedet werden (Entscheidungslegitimation: ja). Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation verlief insofern erfolgreich (Orientierungshypothese 7). Der Modus der Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation kann dementsprechend vor allem als argumentierend deklariert werden (Orientierungshypothese 3). Die an die Öffentlichkeit adressierte Darstellungskommunikation erfolgte zunächst in der Input-Phase, als die Reformagenda im Wahlkampf als Konzept der neuen Regierung Blair kommuniziert wurde und schließlich in der Output-Phase, nachdem die entsprechenden Gesetze verabschiedet worden waren (Orientierungshypothese 4). Die New Deals wurden dabei argumentativ vor allem in den Kontext des so genannten Dritten Weges93 und dem damit verbundenen neuen Leitmotiv des Förderns und Forderns gestellt (wettbewerbsorientierte Argumentation). Im zweiten Fallbeispiel wurde die Regierungskommunikation der Regierung Blair im Rahmen des National Health Service Plan skizziert, der auf die Reform des Nationalen Gesundheitsdienstes abzielte, der seit Beginn der 1990er Jahre öffentlich zunehmend als marode wahrgenommen wurde. Auch in dieser Hinsicht konnten die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Tony Blair die Wahlen von 1997 mit der Zusage wirksamer Reformen gewinnen. Jedoch verwirklichte die Regierung Blair nach ihrem Amtsantritt zunächst andere Vorhaben (siehe Fallbeispiel New Deals). Erst als sich infolge einer intensiven medialen Rezeption massiver Versorgungsengpässe in Folge einer Grippewelle im Winter 1999/2000 die Problemwahrnehmung in der Öffentlichkeit und somit auch der Druck auf die Regierung Blair zuspitze, setzte Blair eine Expertenkommission zur Erarbeitung einer Reformagenda ein. Sie erarbeitete schließlich den so genannten National Health Service Plan der auf zehn Jahre angelegt, die bessere Finanzierung durch den Staat sowie weit reichende Privatisierungen und Liberalisierungen im staatlichen Gesundheitsdienst beinhaltete. 93 Der so genannte Dritte Weg war als neu zu schaffender Ausweg zwischen zwei vormals als alternativlos eingeschätzten Möglichkeiten (der aktiven oder passiven Arbeitsmarktpolitik) definiert worden (Giddens 1999).
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Die Regierungskommunikation der Regierung Blair war in diesem Rahmen auf der Ebene der Entscheidungskommunikation insgesamt von einem argumentierenden Modus geprägt.94 Der Grundkonsens des britischen Wohlfahrtsstaats, der jedem Bürger unabhängig von Einkommen und Versicherung das Recht auf medizinische Grundversorgung zugesteht, blieb dabei jedoch unangetastet (Orientierungshypothese 6). Die Darstellungskommunikation erfolgte sowohl in der Input-Phase des Entscheidungsprozesses, als die Sozialdemokraten und ihr Spitzenkandidat Blair im Wahlkampf 1997 substanzielle Verbesserungen bei der Finanzierung des Gesundheitswesens ankündigten, als auch in der Output-Phase, als die Regierung Blair schließlich eine konkrete Reformagenda präsentierte. Der Argumentationstyp, der die Darstellungskommunikation prägte, kann zunächst für die Zeit nach der Wahl 1997 bis zum Winter 1999/2000 als vertröstend bezeichnet werden. Als jedoch aufgrund einer intensiven Negativ-Berichterstattung über Mangelzustände in staatlichen Krankenhäusern in Folge der Grippewelle eine Reaktion der Regierung unumgänglich wurde, versprach Blair schließlich mit einer kümmernden Argumentation schnelle Hilfen in Form von zeitnahen Investitionen (Orientierungshypothese 5). Insbesondere die argumentierte Notwendigkeit der Privatisierungen im Rahmen der Reform, als auch die Zielsetzung, das britische Gesundheitssystem zum „Besten der Welt“ zu machen, wiesen in diesem Zusammenhang auch wettbewerbsorientierte und patriotische Züge auf (Orientierungshypothese 5 und 6). Die Regierungskommunikation der Regierung Blair kann im Fallbeispiel des National Health Service Plan daher insgesamt sowohl auf der Ebene der Entscheidungskommunikation (entsprechende Gesetze wurden verabschiedet, Entscheidungslegitimation: ja) als auch auf der Ebene der Darstellungskommunikation (die Regierung Blair wurde wiedergewählt, Darstellungslegitimation: ja) als erfolgreich bezeichnet werden.
94
Bereits im Vorfeld der ersten Legislaturperiode (von 1997 bis 2001) stellte Blair die Beibehaltung des nationalen Gesundheitsdienstes und die damit verbundene Beibehaltung der allgemeinen Grundversorgung (argumentierend) als übergeordnete Zielsetzung heraus. Als infolge einer Grippeepidemie die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des als unterfinanziert geltenden Gesundheitsdienstes an die Spitze der Themenagenda rückte, ließ die Regierung Blair von einer Expertenkommission ein Reformkonzept entwickeln, das neben Mehrausgaben seitens des Staates insbesondere auf flexiblere und effizientere Managementstrukturen durch Privatisierung setzte.
8.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
103
Abbildung 21: Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Großbritannien
Quelle: Eigene Darstellung. Die britische Regierung verfügt insgesamt aufgrund der institutionellen Konstellation von parlamentarischem Regierungssystem, Wettbewerbsdemokratie und liberalem Wohlfahrtstaat im Vergleich zu den anderen hier betrachteten Länderbeispielen moderner Demokratien über einen breiten kommunikativen Korridor, der ihr hinsichtlich der Regierungskommunikation zahlreiche Handlungsoptionen offen hält, die für Regierungen in Deutschland, Schweden oder Frankreich nicht bestehen (Orientierungshypothese 1 und 2). Auf der Ebene der Entscheidungskommunikation resultiert aus der institutionellen Konstellation in Großbritannien vor allem die Notwendigkeit zur Abstimmung mit der eigenen Partei, wenn die Regierung ein Reformvorhaben in Angriff nehmen will. Ein argumentierender Modus ist hier charakteristisch (Orientierungshypothese 3). Bereits in den Wahlkampfphasen werden Reformvorhaben formuliert, die dem Wähler als Alternativen zur Wahlentscheidung vorliegen. Nach der Wahl erfolgt die Entscheidungskommunikation insbesondere innerhalb der Regierungspartei und erst im Anschluss an die Herstellung einer Entscheidungsmehrheit kommt es zur
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8 Regierungskommunikation in Großbritannien
öffentlichen Darstellungskommunikation (Orientierungshypothese 4). Aufgrund der Konstellation einer Wettbewerbsdemokratie kommt der Ebene der Darstellungskommunikation eine hohe Bedeutung zu (Orientierungshypothese 6), da im Rahmen der Folgewahlen eine unmittelbare Zuordnung von Verantwortlichkeiten erfolgen kann, die von der Regierung auch nicht über das Anführen föderalistischer Gründe relativiert werden kann. Abbildung 18 fasst diese für Großbritannien typischen Muster der Regierungskommunikation zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
9 Regierungskommunikation in Frankreich
9.1 Institutioneller Kontext In Frankreich liegt ein semi-präsidentielles Regierungssystem vor (Hartmann 2005: 163ff). Der direkt vom Volk gewählte Präsident und der von ihm aus den Reihen der Parlamentsmehrheit ernannte Premierminister teilen insofern die Regierungsmacht (Kempf 2009: 349ff).95 Ursprünglich war mit dieser Machtteilung die Verantwortung für das politische Tagesgeschäft an den Premierminister gebunden, während die Verfolgung langfristiger politischer Ziele dem Präsidenten oblag, diese Grenzen verschwinden jedoch heute zunehmend (Wiegel 2007: 71ff). Die französische Verfassung schreibt insbesondere dem Staatspräsidenten zentrale politische Machtressourcen zu (Kimmel/Uterwedde 2005: 247ff, Egle 2006: 197ff, Kempf 2007: 301ff): Er wird seit 1962 direkt vom Volk gewählt, ernennt und entlässt den Premierminister und steht an der Spitze der Regierung. Er kann die Nationalversammlung auflösen und gegen nahezu jedes vom Parlament beschlossene Gesetz einen Volksentscheid herbeiführen. Außerdem ernennt er ein Drittel der Mitglieder des so genannten Verfassungsrates, dem französischem Verfassungsgericht, sowie dessen Vorsitz. Darüber hinaus ist er Oberbefehlshaber der Streitkräfte und im Falle eines Notstands alleine entscheidungsbefugt. Somit ist der Staatspräsident ein klarer Agenda-Setzer und institutioneller Vetospieler im politischen Entscheidungssystem Frankreichs. 96 Die Rechte des Parlaments sind im Vergleich zu denen des Staatspräsidenten geringer bemessen. Sein Gesetzesinitiativrecht ist beschränkt und über seine Tagesordnung darf es nicht unabhängig bestimmen, da Regierungsvorlagen vorrangig befasst werden müssen (Delhees u. a. 2008: 24ff). Vor allem die Möglichkeit der ersten Kammer des Parlaments, der Nationalversammlung, dem Premierminister das Misstrauen auszusprechen und damit den Rücktritt der Regierung zu erzwingen – was auch gegen den Willen des Staatspräsidenten möglich ist – wertet es aber dennoch zu einem institutionellen Vetospieler auf. Die zweite Kammer des französischen Parlaments, der Senat, ist hingegen eher ein situativer Vetospieler, da der Nationalversammlung im Gesetzgebungsprozess 95
Grundlegend zum politischen System Frankreichs siehe Fisch 2007, Schild/Uterwedde 2006 und Große 2008. 96 Grundlegend zur Regierungskommunikation in Frankreich siehe Ollivier-Yaniv 2000, Cotteret 1997 und Daniel 1993.
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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9 Regierungskommunikation in Frankreich
auf Wunsch der Regierung das endgültige Beschlussfassungsrecht im Parlament zugesprochen werden kann. Die für das politische System Frankreichs charakteristische Machteilung zwischen Präsident und Premierminister wird als Cohabitation bezeichnet, wenn im Parlament nicht die Partei die Mehrheit hat, der der Staatspräsident angehört. Präsident und Premierminister entstammen in diesem Fall unterschiedlichen parteipolitischen Lagern. Weil der Präsident in dieser Phase nicht über eine eigene Mehrheit im Parlament verfügt, ist die Entscheidungsmacht im Fall der Cohabitation in erster Linie aufseiten des Premierministers konzentriert. Kommen beide aus demselben politischen Lager, liegt die Macht vor allem aufseiten des Präsidenten (Kempf 2009: 349ff). Weitere gestaltende Vetospieler, die zwar Agenda-Setzer und situative Vetospieler sein können, aber keinen eigenständigen Einfluss auf den legislativen Prozess haben, sind das Volk, das über Referenden Gesetze zu Fall bringen kann, wenn der Präsident dies zulässt, der Verfassungsrat, der in Fragen zur Gesetzgebung auf Antrag die Funktion eines Verfassungsgerichts übernimmt, sowie die Ministerialbürokratie, die noch stärker als im Fall Großbritanniens Einfluss auf ihren Minister und damit die Regierungspolitik hat (Delhees u. a. 2008: 24ff). Im Gegensatz zum Zweiparteiensystem in Großbritannien wirkt auch das Mehrparteiensystem Frankreichs einer reinen Machtkonzentration im politischen Entscheidungssystem entgegen (Schild 2005, Höhne 2005, Höhne 2006: 161ff). Erhält eine Oppositionspartei die Mehrheit in der Nationalversammlung, wird aus ihrer Mitte heraus der Premierminister ernannt und es entsteht die so genannte Cohabitation. Die Nationalversammlung wird damit zum potentiellen Gegenspieler des Staatspräsidenten und somit zum Vetospieler. Parteien in Frankreich unterliegen insofern einer zweischneidigen Logik des Parteienwettbewerbs: Um regieren zu können, müssen sie zum einen die parlamentarische Mehrheit hinter sich wissen und zum anderen auch die Besetzung des Präsidentenamtes erreichen. Bei gleichzeitigem Erfolg müssen sie den eingesetzten Premierminister stützen, aber auch die Wählerinteressen im Parlament vertreten, um weiterhin mehrheitsfähig zu bleiben (Höhne 2006: 169). In Wahlkampfzeiten sehen sich französische Parteien daher vor allem als Unterstützerorganisationen des Präsidentschaftskandidaten, während organisatorischer Zusammenhalt und Parteiprogrammatik vernachlässigt werden (Höhne 2006: 169). Die klassischen Funktionen der Interessensaggregation und der Vermittlerfunktion zwischen Staat und Bürger werden in Frankreich durch die Parteien allerdings nur rudimentär erfüllt und dementsprechend sind sie in der französischen Gesellschaft auch nur schwach verankert: Mitgliederzahlen, Parteibindung und Wahlbeteiligung sind im europäischen Vergleich gering und auch der Einfluss von Verbänden auf politische Entscheidungsprozesse ist nicht groß (Burgert 2006, Delhees u. a.
9.2 Fallbeispiele
107
2008: 24ff). Obwohl das politische System Frankreichs Elemente von Parteienstaatlichkeit enthält, kann seine Regierung somit nur eingeschränkt als Parteienregierung bezeichnet werden und aufgrund der gering ausgeprägten Gesellschaftsfähigkeit der Parteien kann auch insgesamt nicht von einer Parteiendominanz gesprochen werden (Burgert 2006, Delhees u. a. 2008: 24ff). Neben diesen institutionellen Rahmenbedingungen ist im Hinblick auf die administrativen Faktoren vor allem die Zentralstaatlichkeit Frankreichs hervorzuheben, die eine deutliche Trennung der Hauptstadt Paris vom Rest der Republik bewirkt. In Frankreich liegt darüber hinaus – wie in Deutschland auch – ein Wohlfahrtsstaat konservativer Prägung vor, der insbesondere im Fall sozialpolitischer Reformen aufseiten der Bevölkerung eine Erwartungshaltung impliziert, die den Staat in einer gewissen Versorgerrolle sieht (Schmid 2002, EspingAndersen 1990, 2000, Egle 2006: 197ff).
9.2 Fallbeispiele 9.2.1 Regierungskommunikation der Regierung Juppé (Plan Juppé) Der Plan Juppé war 1995 von der Regierung Juppé mit dem Ziel implementiert worden, die Mitbestimmungsrechte im Bereich der Gesundheitspolitik neu zu organisieren. Dem Gesundheitswesen in Frankreich liegt – ähnlich wie in Deutschland – das Sozialversicherungsprinzip zugrunde. Diese Übereinstimmung führte in den vergangenen Jahrzehnten zu maßgeblichen Ähnlichkeiten in den Leistungsdaten der deutschen und französischen Sozialstatistiken (Eurostat 2003) und auch der gesundheitspolitische Reformdruck war vergleichbar.97 Insbesondere die Dependenz der deutschen und französischen Sozialsysteme von den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt führte dabei in beiden Ländern zu Finanzierungsengpässen (Neumann/Veil 2004). In Frankreich wie auch in Deutschland entrichten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber anteilig Beiträge zur Sozialversicherung. Anders als in Deutschland lag der Beitrag der Arbeitgeber im französischen System im Vorfeld der Sozialreform Plan Juppé im Jahr 1996 allerdings deutlich über dem Arbeitnehmeranteil. Dennoch hatten die Arbeitgeber weniger Mitbestimmungsrechte, woraus sich ein Mitbestimmungsdefizit ergab, welches abzuschaffen die Arbeitgeberverbände zunehmend einforderten (Neumann 1996, Lepperhoff 2004: 121). Angesichts der steigenden Ar97
So beliefen sich etwa die Ausgaben für Rente und Gesundheit Anfang der 1990er Jahre in beiden Staaten auf etwa 70 Prozent der gesamten Sozialausgaben und die laufenden Defizite in der Krankenversicherung lagen in beiden Ländern bei zweistelligen Milliardenbeträgen (Delhees u. a. 2008: 51).
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9 Regierungskommunikation in Frankreich
beitslosigkeit und den daraus folgenden sinkenden Einnahmen kündigte sich in der Gesundheitspolitik zudem eine finanzielle Krise an (Majnoni d’Intignano 1996, Egle 2006: 227ff, Neumann/Veil 2004, Neumann 1996, Neumann 2000). Abbildung 22: Verlauf der Sozialreform Plan Juppé der Regierung Juppé.
Quelle: Eigene Darstellung. Im Rahmen der französischen Sozialreform Plan Juppé entwarf die Regierung Juppé vor diesem Hintergrund eine Neuordnung der politischen Verantwortlichkeiten im Gesundheitswesen zu Gunsten des Gesetzgebers und der Arbeitgeber und zu Lasten der Arbeitnehmer mit dem Ziel, Sparmaßnahmen besser implementieren zu können (Lepperhoff 2004: 119ff).98 Das Kernstück der Sozialreform Plan Juppé war insofern die Veränderung der politischen Verantwortlichkeit und der Kostenkontrolle der französischen Sozialversicherung durch eine entsprechende Verfassungsänderung (Lepperhoff 2004: 119ff)99. Abbildung 19 fasst den Prozess der Umsetzung dieser Schlüsselentscheidung zusammen. Der Plan Juppé wurde im Herbst 1995 als umfassendste Reform des französischen Sozialsystems seit seiner Gründung von Premierminister Juppé auf den 98 Der Plan Juppé war konzipiert als umfassende Sozialreform, der nahezu alle Bereiche des komplexen Sozialsystems betraf (Neumann 1996: 8ff). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll exemplarisch der Teil des Plan Juppé betrachtet werden, der die Neuregelung der Sozialversicherungsbeitragsrelationen regelte. 99 Künftig sollte das Parlament jährlich ein Gesetz zur Finanzierung der Sozialversicherung verabschieden und darin Zielgrößen für die Ausgabenentwicklung festlegen. Da durch diese Änderung die verfassungsrechtlich verankerte Selbstverwaltung eingegrenzt wurde, war die Reform mit einer Verfassungsänderung verbunden, zu der es schließlich 1996 kam.
9.2 Fallbeispiele
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Weg gebracht und bis Ende 1996 implementiert (Lepperhoff 2004: 119ff). Juppé gehörte der konservativen Partei an, der auch Staatspräsident Chirac entstammte. Zur Zeit der Sozialreform Plan Juppé bestand also keine Cohabitation in Frankreich und die politische Macht war insofern aufseiten des Staatspräsidenten konzentriert.100 Für die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation folgte daraus, dass sowohl eine parlamentarische Mehrheit als auch die Zustimmung durch den Präsidenten in Aussicht stand.
Abbildung 23: Regierungskommunikation der Regierung Juppé im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Sozialreform Plan Juppé.
Quelle: Eigene Darstellung. Die Entscheidungskommunikation war insofern zunächst gekennzeichnet durch einen vertraulichen Austausch auf der administrativen Ebene. Die Entwicklung des Gesetzesentwurfes wurde von der so genannten nationalen Gesundheitskonferenz unterstützt, die aus von der Regierung ernannten Vertretern der gesundheitspolitischen Akteure bestand und nicht-öffentlich tagte (Lepperhoff 2004: 100
Dieser Aspekt wurde in Kapitel 8.1 erörtert.
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9 Regierungskommunikation in Frankreich
122). Die Regierungskommunikation war durch einen argumentierenden Modus gekennzeichnet (Delhees u. a. 2008: 51ff). Einzelinteressen wurden dabei mit einem Gemeinwohldiskurs, dem Bezug auf die Nation und dem „Willen zur Solidarität“ (Juppé 1995) ausgeblendet (Delhees u. a. 2008: 51ff). Die Diskussionsprozesse verliefen innerhalb kürzester Zeit (von Mai bis Oktober 1995). Beteiligt waren dabei die Verwaltungselite sowie politische Berater des Premierministers (Delhees u. a. 2008: 51ff). Zwar wurden die Sozialpartner und Ärzteverbände konsultiert, Entscheidungsbefugnisse hatten sie jedoch nicht. Juppé nutze dann die Möglichkeit, über den Weg der Rechtsverordnung sein Reformvorhaben im parlamentarischen Prozess schnell und ohne Einfluss der gesundheitspolitisch relevanten Akteure umzusetzen. Erst nach der Abstimmung in der Nationalversammlung – in der Output-Phase – fand die Darstellungskommunikation statt (Lepperhoff 2004: 126f), was letztlich öffentliche Proteste zur Folge hatte. Hinsichtlich der Argumentation muss zunächst konstatiert werden, dass Regierungschef Juppé Darstellungskommunikation während des Entscheidungsprozesses vor allem vermieden hat (leise Argumentation). Die an die Öffentlichkeit adressierte Darstellungskommunikation war also der schnellen und durch Vertraulichkeit gekennzeichneten Entscheidungsfindung nachgelagert und wurde vor allem mit Dringlichkeit einer umfassenden, sofortigen staatlichen Initiative begründet (kümmernde Argumentation). Ferner wurde auch patriotisch an die nationale Einheit, das Gemeinwohl und die Solidarität aller appelliert (Delhees u. a. 2008: 51ff). Nach der Verabschiedung der Reform riefen die Gewerkschaften zu einem Generalstreik auf, der ganz Frankreich mehrere Wochen lähmte (Majnoni d’Intignano 1996: 114). Die öffentliche Debatte, die sich im Anschluss an Juppés Ansprache vor der Nationalversammlung entfachte, zeigte, in welchem Maße der wohlfahrtsstaatliche Grundkonsens aufseiten der Bevölkerung angegriffen worden war und erfüllte die Problemlage einer wissenschaftlich, politisch und öffentlich wahrgenommenen Krisensituation (Delhees u.a. 2008: 51ff). Die Regierung Juppé konnte sich infolge dessen bei den nächsten Wahlen nicht behaupten und es kam zu einer erneuten Phase der Cohabitation unter Regierungschef Jospin. Abbildung 20 fasst die Ausprägungen der Regierungskommunikation im Fall der Sozialreform Plan Juppé zusammen.
9.2.2 Regierungskommunikation der Regierung Villepin (Ersteinstellungsvertrag) Die Reform des Arbeitsrechts im Bereich der Ersteinstellung von Jugendlichen aus dem Jahr 2006 wurde von der konservativen Regierung Villepin mit dem
9.2 Fallbeispiele
111
Ziel der Entlastung der Arbeitgeber auf den Weg gebracht, die zu einer Erhöhung der Einstellungszahlen von jugendlichen Beschäftigten führen sollte. Ähnlich wie im Bereich der sozialen Sicherungssysteme sind Frankreich und Deutschland auch hinsichtlich zentraler Implikationen in der Arbeitsmarktentwicklung miteinander vergleichbar. In beiden Ländern stieg die Arbeitslosigkeit gleichermaßen seit den 1990er Jahren auf immer neue Rekordwerte (Neumann/Veil 2004: 11). Eine besondere Ausprägung des französischen Arbeitsmarktproblems war insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die für Frankreich typische Differenz zwischen Jugend- und Erwachsenenarbeitslosigkeit ergibt sich aus dem nach dem Lebensalter gestaffelten französischen Arbeitsrecht, das eine Steigerung der Arbeitsplatzsicherheit erst mit zunehmendem Lebensalter vorsieht (Klimm 2006). 101 Zahlreiche Reformversuche diverser Vorgängerregierungen waren bereits gescheitert oder hatten nicht zu einem nachhaltigen Erfolg geführt, als infolge der Unruhen in den Pariser Vorstädten im Herbst 2005 und wohl auch im Hinblick auf eine mögliche Kandidatur bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl im April 2007102 der konservative Regierungschef Villepin das Thema Jugendarbeitslosigkeit erneut zum Anliegen höchster Priorität erklärte (Wiegel 2007: 79ff).
101
Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich erreichte 1996 den Spitzenwert von 28 Prozent. Zwischen 1997 und 1999 konnte die sozialdemokratische Regierung Jospin diesen Wert zwar auf 23 Prozent und bis zum Jahr 2002 auf unter 20 Prozent senken (Henkes 2006), doch auch nach der Amtsübernahme durch den konservativen Jean-Pierre Raffarin im Jahr 2002 bestimmte die hohe Jugendarbeitslosigkeit die arbeitsmarktpolitische Diskussion in Frankreich. So waren im Jahr 2006 die Jugendlichen in Frankreich mit einer Arbeitslosigkeitsrate von 23 Prozent gegenüber einer Quote von 10 Prozent Arbeitslosigkeit in der französischen Gesamtbevölkerung erneut die Hauptbetroffenen (Klimm 2006). 102 Sowohl Regierungschef Villepin als auch der französische Innenminister Nikolas Sarkozy machten sich Hoffnungen, die Präsidentennachfolge antreten zu können.
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9 Regierungskommunikation in Frankreich
Abbildung 24: Verlauf der Arbeitsmarktreform Ersteinstellungsvertrag der Regierung Villepin.
Quelle: Eigene Darstellung. Zum Zeitpunkt der Arbeitsmarktreform Ersteinstellungsvertrag der Regierung Villepin entstammten Präsident und Premierminister demselben politischen Lager: beide, Chirac und Villepin gehörten der konservativen UMP an (keine Cohabitation). Ohne die ihm weisungsgebundenen Fachminister zu informieren, wendete sich Regierungschef Villepin mit einer Going-Public-Strategie direkt an die Öffentlichkeit, um für ein Reformvorhaben zu werben, dass die erneute Lockerung der Ersteinstellungsbedingungen für Berufseinsteiger vorsah und unter dem Titel Ersteinstellungsvertrag implementiert werden sollte (argumentierender Modus). Abbildung 21 fasst den Verlauf des Entscheidungsprozesses zusammen. Villepin verzichtete ferner auch auf die Einbeziehung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände und als schließlich öffentlicher Protest seitens Schüler-, Studierenden- und Arbeitnehmervertretungen aufkam, beschleunigte er das parlamentarische Entscheidungsverfahren (Wiegel 2007: 79ff). Die Regierungskommunikation im Sinne der Entscheidungskommunikation verlief vertraulich und innerhalb des eigenen politischen Lagers im argumentierenden Modus und die Darstellungskommunikation erfolgte erst in der Output-Phase des Entscheidungsprozesses (leise Argumentation in der Input- und Throughput-Phase). Als öffentliche Proteste eine Stellungnahme zunehmend unumgänglich machten, beschleunigte er das Verfahren anstatt sich dem Diskurs zu stellen, was in der Konsequenz zu einem weiteren Anheizen der Proteste führte (Wiegel 2007: 79ff,
9.2 Fallbeispiele
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Klimm 2006, Delhees u. a. 2008: 51ff). 103 Erst in der Output-Phase erfolgte die öffentliche Darstellungskommunikation im Rahmen einer Regierungserklärung, die vor allem wettbewerbsorientierte Argumente enthielt (Wiegel 2007: 79ff). Abbildung 22 fasst diese zentralen Merkmale der Regierungskommunikation zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein. Abbildung 25: Regierungskommunikation der Regierung Villepin im Rahmen des Entscheidungsprozesses zum Ersteinstellungsvertrag.
Quelle: Eigene Darstellung. Mit einer Fernsehansprache des französischen Präsidenten Chirac endete der Entscheidungsprozess schließlich nach neun Wochen. Vor 20 Millionen Zuschauern verkündigte Chirac, dass er als Reaktion auf die anhaltenden Proteste die umstrittene Reform zwar in Kraft treten lassen werde, sie aber nicht zwangs103
Der Ersteinstellungsvertrag wurde als Änderungsantrag zum Gesetz zur Chancengleichheit beigefügt und durchlief somit nicht das normale Gesetzgebungsverfahren. Mit der von Premierminister Villepin gestellten Vertrauensfrage wurde die parlamentarische Debatte dann beendet und die Abgeordneten konnten nur noch pauschal zustimmen oder ablehnen (Wiegel 2007: 71ff).
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9 Regierungskommunikation in Frankreich
läufig zur Anwendung kommen müsse. Gleichzeitig erklärte er, dass er das Parlament damit beauftragt habe, in wichtigen Punkten Korrekturen am Ersteinstellungsvertrag vorzunehmen, was einer faktischen Rücknahme gleichkam (Wiegel 2007: 79ff, Entscheidungslegitimation: nein). Dies war ein herber Rückschlag für Premierminister Villepin, der infolge dessen an Autorität verlor und fortan innenpolitisch als isoliert galt (Delhees u. a. 2008: 51ff).
9.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen Die institutionellen Rahmenbedingungen in Frankreich sind zunächst durch das semi-präsidentielle Regierungssystem, den Demokratietyp einer Wettbewerbsdemokratie sowie einen konservativen Wohlfahrtsstaatstyp geprägt. Für die Regierungskommunikation in Frankreich ergeben sich insbesondere aus der institutionell vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Präsident und Premierminister weit reichende Folgen für die Regierungskommunikation. Der Premierminister steht zwar der Regierung vor und verfügt über eine Mehrheit im Parlament. Er ist jedoch an das Votum des in der Öffentlichkeit stehenden und vom Volk direkt gewählten Präsidenten abhängig, der nicht nur parteipolitische Interessen verfolgen kann (Orientierungshypothese 1 und 2). Wenn Staatspräsident und Premierminister demselben politischen Lager entstammen, führt dies vor allem zu einer Konzentration politischer Macht (im Sinne der letztendlichen Entscheidungsgewalt) aufseiten des Präsidenten. In Phasen der Cohabitation liegt die politische Macht indes stärker aufseiten des Regierungschefs. Jedoch ist der Premierminister auch dann auf die Zustimmung des Präsidenten angewiesen, der nahezu jedes Gesetz zu Fall bringen kann. Während der Demokratietyp der Wettbewerbsdemokratie den Handlungsspielraum aus Sicht der Regierung zunächst also groß hält (Orientierungshypothese 1), ergeben sich insofern die institutionellen Restriktionen in Frankreich vor allem aus dem semi-präsidentiellen Regierungssystemtyp, der den Regierungsakteur trotz der Konstellation einer Einparteienregierung zu Verhandlungen zwingt (Orientierungshypothese 2). Politikfeldspezifisch kommen in Phasen sozialpolitischer Schlüsselentscheidungen die Erwartungen hinsichtlich der Verantwortung des Staates bezüglich der sozialen Sicherheit seiner Bürger hinzu, die sich in der Typisierung eines konservativen Wohlfahrtstaatstyps niederschlagen. Die im Rahmen der Länderanalyse skizzierten Fallbeispiele verdeutlichen diese institutionellen Schwächen für die Perspektive der Regierung. Die Illustration des Fallbeispiels der Sozialreform Plan Juppé der Regierung Juppé zeigte eine schnelle und vertrauliche Entscheidungskommunikation zwischen Parlamentsmehrheit, Staatspräsident und Regierungschef und eine
9.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
115
nachgelagerte Darstellungskommunikation (Orientierungshypothese 4), auf die öffentliche Proteste folgten (Orientierungshypothese 7). Im Rahmen der Sozialreform Plan Juppé hatte die Regierung Juppé eine Neuordnung der politischen Verantwortlichkeiten im Gesundheitswesen zu Gunsten des Gesetzgebers und der Arbeitgeber und zu Lasten der Arbeitnehmer entworfen, verbunden mit dem Ziel, Sparmaßnahmen besser implementieren zu können (Lepperhoff 2004: 119ff).104 Juppé gehörte als Premierminister der konservativen Partei an, der auch Staatspräsident Chirac entstammte. Die politische Macht war insofern aufseiten des Staatspräsidenten konzentriert. Für Entscheidungskommunikation folgte daraus, dass sowohl eine parlamentarische Mehrheit als auch die Zustimmung durch den Präsidenten in Aussicht stand, so dass die Entscheidungskommunikation vertraulich auf der administrativen Ebene (gekennzeichnet durch einen argumentierenden Modus, Orientierungshypothese 3) innerhalb kürzester Zeit verlaufen konnte (Delhees u. a. 2008: 51ff). Erst nach der Abstimmung in der Nationalversammlung fand (in der Output-Phase) die Darstellungskommunikation statt (Orientierungshypothese 4). Während des Entscheidungsprozesses kann also von einem leisen Argumentationstyp gesprochen werden. Anschließend argumentierte die Regierung Juppé vor allem patriotisch an öffentliche Adressatengruppen. Nach der Verabschiedung der Reform riefen die Gewerkschaften zu einem Generalstreik auf, der Frankreich mehrere Wochen lähmte (Orientierungshypothese 5 und 6). Die Regierung Juppé konnte sich bei den nächsten Wahlen nicht behaupten und es kam zu einer Phase der Cohabitation unter dem sozialdemokratischen Regierungschef Jospin (Darstellungslegitimation: nein). Die Regierungskommunikation der Regierung Juppé kann insofern im Fall der Gesundheitsreform Plan Juppé zwar auf der Ebene der Entscheidungskommunikation, nicht aber auf der Ebene der Darstellungskommunikation als erfolgreich bezeichnet werden (Orientierungshypothese 5 und 7). Die Illustration des Fallbeispiels der Arbeitsmarktreform Ersteinstellungsvertrag der Regierung Villepin zeigte erneut eine schnelle und vertrauliche Entscheidungskommunikation zwischen Parlamentsmehrheit und Regierungschef (Orientierungshypothese 4). Ohne die vorherige Abstimmung mit Arbeitgeberund Arbeitnehmervertretungen oder den zuständigen Fachministern zu suchen, brachte Villepin ein Gesetz ins Parlament ein, das eine weitere Verschlechterung des Arbeitsschutzes für Jugendliche mit sich bringen würde und führte über ein beschleunigtes Verfahren eine schnelle parlamentarische Abstimmung herbei. Die dazu nötige Parlamentsmehrheit wurde vertraulich im argumentierenden Modus organisiert (Orientierungshypothese 3). Die Regierungskommunikation 104 Der Plan Juppé war konzipiert als umfassende Sozialreform, der nahezu alle Bereiche des komplexen Sozialsystems betraf (Neumann 1996: 8ff). Hier wird exemplarisch der Teil des Plan Juppé betrachtet, der die Neuregelung der Sozialversicherungsbeitragsrelationen regelte.
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9 Regierungskommunikation in Frankreich
auf der Ebene der Darstellungskommunikation fand dem parlamentarischen Entscheidungsverfahren nachgelagert in der Output-Phase statt (Orientierungshypothese 4).105 Erst im Laufe anhaltender Proteste nach dem Entscheidungsprozess startete Villepin eine Kommunikationsoffensive, die auch gerechte und kümmernde Argumente enthielt, aber letztlich nicht überzeugen konnte (Orientierungshypothese 5 und 6). Präsident Chirac beauftragte das Parlament infolge dessen Korrekturen am Ersteinstellungsvertrag vorzunehmen, was einer faktischen Rücknahme des Gesetzes gleichkam (Entscheidungslegitimation insofern zunächst ja, später jedoch nein). Dies war ein herber Rückschlag für Premierminister Villepin, der infolgedessen an Autorität verlor und fortan innenpolitisch als isoliert galt (Delhees u. a. 2008: 51ff). Die Fallbeispiele des Plan Juppé der Regierung Juppé und des Ersteinstellungsvertrages der Regierung Villepin zeigen insofern vor allem die Auswirkungen des semi-präsidentiellen Regierungssystems auf die Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Frankreich, dass den kommunikativen Korridor der Regierung begrenzt (Orientierungshypothese 2), während der Demokratietyp der Wettbewerbsdemokratie zunächst einen breiten kommunikativen Korridor suggeriert (Orientierungshypothese 1): Das Parlament und seine Abgeordneten sind dem Willen der Exekutive unterworfen.106 Auf der Ebene der Entscheidungskommunikation folgt daraus, dass in sozialpolitischen Diskursen eine parlamentarische Mehrheit relativ unproblematisch vertraulich organisiert werden kann, insbesondere wenn Präsident und Premier demselben politischen Lager entstammen (argumentierender Modus, Orientierungshypothese 3).
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Die Argumentation in der Input- und Throughput-Phase entsprach insofern dem leisen Typus. Das äußert sich beispielsweise darin, dass das Parlament über seine Tagesordnung nicht selbst bestimmen kann, da Regierungsvorlagen immer vorrangig befasst werden müssen.
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9.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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Abbildung 26: Regierungskommunikation in institutionellen Kontext von Frankreich.
Quelle: Eigene Darstellung. Jedoch ist der Präsident nicht nur seiner Partei, sondern auch dem Wahlvolk, das ihn direkt wählt, verpflichtet, so dass er, wie im Fall des Ersteinstellungsvertrages gezwungen ist, Entscheidungen des Parlamentes nicht stattzugeben, wenn der öffentliche Druck zu groß wird (Orientierungshypothese 5). Wichtiger als die Ebene der Entscheidungskommunikation ist insofern in Frankreich die Ebene der Darstellungskommunikation (Orientierungshypothese 5), weil sich an der Frage der Darstellungslegitimation letztlich auch die Zustimmung des Präsidenten orientiert, wie das Fallbeispiel des Ersteinstellungsvertrages gezeigt hat. Schnelle vertrauliche Entscheidungsprozesse mit einer nachgelagerten Darstellungskommunikation kennzeichneten insofern in beiden Fallbeispielen die Regierungskommunikation (Orientierungshypothese 4). Der argumentative Spielraum ist aufgrund des konservativen wohlfahrtsstaatlichen Wertekonsenses nicht klein, aber klar begrenzt, wie das Fallbeispiel Ersteinstellungsvertrag der Regierung Villepin gezeigt hat (Orientierungshypothese 6). Über öffentlichen Druck kann in Frankreich Vetopotential aufgebaut werden, das politische Entscheidungen zu
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9 Regierungskommunikation in Frankreich
Fall bringen kann. Regierungskommunikation in Frankreich ist in dieser Hinsicht gut mit den amerikanischen Mustern der Regierungskommunikation zu vergleichen (Kapitel 11), wo im Falle eines Going Public des Präsidenten ähnliche Muster greifen. Der Ersteinstellungsvertrag der Regierung Villepin scheiterte insofern auch nicht an der Entscheidungskommunikation der Regierung oder Organisation einer parlamentarischen Mehrheit, sondern an der (fehlenden oder zu spät erfolgten und argumentativ letztlich nicht überzeugenden) Darstellungskommunikation und der daraus resultierend fehlenden Darstellungslegitimation. Hinsichtlich der Regierungskommunikation im institutionellen Kontext Frankreichs können insofern folgende Besonderheiten konstatiert werden: Das Verhältnis zwischen Regierungschef und Präsident stellt eine zentrale institutionelle Schlüsselvariable dar, da in Zeiten der Nicht-Cohabitation, wenn beide aus dem selben politischen Lager stammen, die politische Macht vor allem beim Präsidenten liegt. Die zentrale Machtressource des Premierministers ist die Parlamentsmehrheit, über die er vertraulich im argumentierenden Modus schnelle Entscheidungen herbeiführen lassen kann, die aber letztlich nicht von Bestand sind, wenn Öffentlichkeit und Präsident ihr Veto äußern. Charakteristisch für die Regierungskommunikation in Frankreich scheint insofern, dass politische Entscheidungen in Phasen der Nicht-Cohabitation nicht vorab öffentlich diskutiert werden.107 Generell suchen auch in Frankreich die politischen Akteure die Öffentlichkeit, sie verstehen es aber dennoch sehr genau zu unterscheiden, wann es sich lohnt den informellem Rahmen der Gesetzgebung zu verlassen und Legitimation durch Going Public zu erlangen (Kriesi 2008: 177ff, Wiegel 2007: 71ff). Abbildung 23 fasst diese zentralen Charakteristika der Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Frankreich abschließend zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
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Der informelle Verhandlungsweg und die enge Absprache mit der gut ausgebildeten öffentlichen Verwaltung in der administrativen Arena sind dabei offensichtlich von besonderer Bedeutung (Wiegel 2007: 71ff). In Zeiten der Cohabitation kann der Staatspräsident Kraft seines Amtes eine Entscheidung allerdings auch mittels Referendum anstreben und so die informellen Verhandlungen der Regierung außer Kraft setzen.
10 Regierungskommunikation in Schweden
10.1 Institutioneller Kontext Schweden ist institutionell gekennzeichnet durch ein parlamentarisches Regierungssystem, den Demokratietyp der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie und einem sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaatstyp.108 Anders als in Deutschland, wo im Parlament stabile Mehrheiten aufgrund von Koalitionsregierungen die Regel sind, ist in Schweden allerdings die Regierungskonstellation einer Minderheitsregierung prägend. Der Regierungschef verfügt dabei nicht über eine sichere Parlamentsmehrheit und muss diese im Zweifelsfall für jedes Vorhaben neu organisieren. Das schwedische Parlament ist insofern ein weitaus entscheidender institutioneller Vetospieler als beispielsweise das britische Unterhaus, in dem der Premierminister über eine sichere Mehrheit verfügt. Diese starke Stellung des Parlaments wird durch die gesetzlich verankerte Besonderheit des Ausschusswesens noch verstärkt.109 In Schweden haben Oppositionsparteien im Vergleich zu Deutschland eher die Möglichkeit, auf unterschiedlichen Ebenen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess zu nehmen (Abromeit/Stoiber 2006: 98). Verfassungsänderungen müssen darüber hinaus von einer Parlamentsmehrheit in zwei aufeinander folgenden Legislaturperioden bestätigt werden und im Fall einer Verfassungsänderung kann bereits ein Drittel der Parlamentsabgeordneten ein Referendum für das Reformvorhaben veranlassen.110 Dies unterstreicht die starke Machtstellung des Parlaments zusätzlich und gibt dem Volk bei Verfassungsänderungen die Möglichkeit eine – wenn auch nur gestaltende – Vetospielerposition einzunehmen. Die mögliche Rolle eines eigenständigen Verfassungsgerichts als Vetospieler ist im schwedischen Entscheidungssystem gleichwohl nicht gegeben, auch wenn der Justiz ein gewisser Einfluss auf den politischen Prozess zugesprochen wird (Abromeit/Stoiber 2006: 99). Obwohl im Falle 108
Grundlegend zum politischen System Schwedens siehe Abromeit/Stoiber 2006: 96ff sowie Jahn 2009: 107ff. 109 Die Ausschüsse sind paritätisch besetzt und sollen den Informationsvorsprung der Regierung ausgleichen. Dadurch, dass das Parlament die Möglichkeit hat, unabhängige außerparlamentarische Untersuchungskommissionen einzusetzen, werden seine Machtressourcen zusätzlich erweitert. In den Kommissionen werden im so genannten Remiss-Verfahren konsensuale Stellungnahmen ausgearbeitet. In etwa 15 Prozent der Gesetzesvorhaben ist dieses Vorgehen der Fall (Jahn 2003: 104). Die involvierten Verbände werden somit zu situativen Vetospielern. 110 Allerdings kann das Parlament sich theoretisch trotzdem gegen das Vorhaben entscheiden, so dass Regierung und Parlament nicht an den Ausgang der Volksabstimmung gebunden sind.
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Schwedens ein scheinbar übersichtliches, unitarisches und unikamerales parlamentarisches System vorliegt, ist in Schweden eine Vielzahl ‚verborgener’ Vetospieler zu konstatieren.
10.2 Fallbeispiele 10.2.1 Regierungskommunikation der Regierung Persson (langfristige und soziale Sicherung) Im Rahmen der Rentenreform zur langfristigen sozialen Sicherung wurde in einem 7 Jahre dauernden Entscheidungsprozess (von 1992 bis 1999) ein Rentenkonsens ausgehandelt, der von allen politischen Lagern getragen werden konnte und zur langfristigen Konsolidierung des Rentensystems in Schweden ausgerichtet war. Ähnlich wie in Deutschland wurde auch in Schweden im Laufe der 1980er Jahre absehbar, dass aufgrund des demografischen Wandels die Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung die Ausgaben langfristig nicht mehr würden decken können.111 Das an dieser Problemlage orientierte Hauptanliegen der Reform zur langfristigen sozialen Sicherung der Regierung Persson fand sich insofern bereits im Titel des Vorhabens wieder. Die sozialdemokratische Regierung Persson strebte einen gesamtgesellschaftlichen Konsens an, der eine neu geregelte langfristige Sicherung des Rentensystems zum Ziel hatte. Dieses Anliegen war bereits von der konservativen Vorgängerregierung Bildt verfolgt worden. Bereits seit 1992 tagte dazu eine aus Vertretern aller Parlamentsparteien bestehende Kommission.
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Das schwedische Rentensystem basierte im Vorfeld der Reform auf drei Säulen. Die erste Säule bildet eine steuerfinanzierte, einkommensunabhängige Grundrente. Hinzu kam zweitens eine beitragsfinanzierte, einkommensabhängige Zusatzrente. Das System beruhte somit auf einer Mischfinanzierung aus Umlage- und Kapitaldeckung. Zudem gab es eine dritte Säule, die sich aus Betriebsund Privatrente zusammensetzte. Mit 17 Prozent der Rentenaufwendungen im Jahr 2000 spielten die tarifvertraglich geregelten Betriebsrentensysteme eine wichtigere Rolle als die Privatrenten, die zur selben Zeit vier Prozent ausgemacht haben. Im Falle einer Beibehaltung des Status quo hätte das schwedische Rentensystem ungefähr ab dem Jahr 2000 maßgebliche Defizite aufgezeigt (Lindbom 2001).
10.2 Fallbeispiele
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Abbildung 27: Verlauf der Rentenreform langfristige soziale Sicherung der Regierung Persson
Quelle: Eigene Darstellung. Die Reform zur langfristigen und sozialen Sicherung brachte schließlich Leistungseinbußen und eine Erhöhung der Eigenverantwortlichkeit auf der Seite der Versicherten, sowie eine stärkere Inanspruchnahme der Arbeitgeber mit sich.112 Der Entscheidungsprozess, dessen Verlauf in Abbildung 24 zusammengefasst wird, dauerte insgesamt sieben Jahre (von 1992 bis 1999). Zu Beginn wurde Schweden von der konservativen Regierung Bildt regiert. Trotz ihrer Abwahl im Jahr 1994 setzte die sozialdemokratische Folgeregierung Carlsson die Suche nach einem lagerübergreifenden Konsens fort. Im Vorfeld der Reform waren neben den Parlamentsparteien auch die Gewerkschaften maßgebliche AgendaSetzer (Delhees u. a. 2008: 35ff). Sie vertraten sowohl Arbeitnehmer als auch künftige Rentner. Die konservative Regierung Bildt legte zwar fest, dass die 112 Insgesamt wurden sechs zentrale Aspekte verändert (Delhees u. a. 2008: 35ff): Erstens änderte sich die Berechnung der Rentenzahlungen. Zweitens leisteten nach der Reform auch Arbeitnehmer direkte Beiträge zur Rentenversicherung. Drittens wurde die Rentensteigerung nicht mehr an die Lohnentwicklung gekoppelt, sondern richtete sich fortan nach dem Wirtschaftswachstum. Viertens wurde es möglich, die erlangten Rentenrechte zwischen Ehepartnern aufzuteilen. Fünftens wurde mit der Reform eine zusätzliche kapitalgedeckte Säule der Rentenversicherung verankert und sechstens ersetzte das neue Rentensystem die Volksrente durch eine Grundrente, die nicht ohne weiteres an die gesamte Bevölkerung ausgezahlt wird, sondern als Ausgleich für zu geringe Transferleistungen dient (Henkes 2006: 303ff, Jochem 2004: 248). Über lange Übergangsfristen sollte das neue Rentensystem schrittweise eingeführt werden. Erst im Jahr 2015 wird sich der Bezug der Renten in Schweden ausschließlich entsprechend des neuen Rentensystems gestalten (Henkes 2006: 304).
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vorbereitenden Kommissionen exklusiv mit Parteivertretern zu besetzen seien, so dass die Interessenvertreter zunächst nicht direkt in die Ausarbeitung des Reformvorhabens involviert waren, infolge des Regierungswechsels 1994 sorgte jedoch die neu gewählte sozialdemokratische Regierung Persson dafür, dass die Gewerkschaften auch direkt hinzugezogen wurden (Delhees u. a. 2008: 35ff). Da es sich bei dem vorliegenden Reformvorhaben um ein langfristiges, das soziale Sicherungssystem stabilisierendes Projekt handelte, das nicht nach dem nächsten Regierungswechsel erneut verändert werden sollte, machte keine der Parteien das Reformvorhaben zum kurzfristigen Wahlkampfthema (Henkes 2006, Delhees u. a. 2008: 35ff). Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation war insofern insgesamt durch einen verhandelnden Modus gekennzeichnet, der auch in Wahlkampfzeiten nicht durch einen argumentierenden Modus flankiert wurde. Die Rentenreform zur langfristigen sozialen Sicherung wurde 1998 der Öffentlichkeit präsentiert, 1999 im Parlament verabschiedet und erst infolge dessen öffentlich angekündigt und schließlich über lange Übergangsfristen schrittweise eingeführt (Delhees u. a. 2008: 35ff). Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation erfolgte insofern erst nach der Aushandlung eines breiten Konsenses in der Output-Phase. „Vernunft statt Ideologie, Sachlichkeit statt Polemik, Pragmatismus statt Konflikt und Allgemeinwohl statt parteipolitischer Punktgewinne“ (Fröhlich/Scheel 2006: 437) kennzeichneten insgesamt die Darstellungskommunikation, die letztlich kein politisches Lager als Verlierer dastehen ließ (Fröhlich/Scheel 2006, Henkes 2006, Jochem 2003). Sparmaßnahmen und Einschnitte wurden dabei argumentativ mit ihrer stabilisierenden Wirkung und somit mit dem langfristigen Erhalt der sozialen Sicherheit begründet (kümmernde Argumentation). Nach ihrem Wahlsieg von 1994 knüpfte die sozialdemokratische Regierung Persson zudem argumentativ an den in Schweden fest verankerten Wohlfahrtsnationalismus an, indem sie sich auf identitätsstiftende, symbolische Argumente verwendete: „Zusammen für Schweden“– war das leitende Argument in der Darstellungskommunikation der Rentenreform (Fröhlich/Scheel 2006: 438). Emotionale und patriotische Argumente prägten insofern ebenfalls die Darstellungskommunikation der Regierung Persson (Delhees u. a. 2008: 35ff). Die Regierung Persson wurde bei den folgenden Wahlen bestätigt und der Rentenkonsens wurde nicht infragegestellt (Entscheidungslegitimation und Darstellungslegitimation: ja). Abbildung 25 fasst die zentralen Aspekte der Regierungskommunikation in diesem Fallbeispiel zusammen.
10.2 Fallbeispiele
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Abbildung 28: Regierungskommunikation der Regierung Persson im Entscheidungsprozess zur Rentenreform zur langfristigen sozialen Sicherung
Quelle: Eigene Darstellung.
10.2.2 Regierungskommunikation der Regierung Persson (Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit) Das Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit aus dem Jahr 1996 wurde von der Regierung Persson mit dem Ziel implementiert, langfristig auf dem Arbeitsmarkt erneut eine Phase der Vollbeschäftigung erreichen zu können. Während die meisten europäischen Länder seit den frühen 1980er Jahren mit gravierenden Arbeitslosigkeitsproblemen zu kämpfen hatten, erreichte Schweden diese Problemdimension des Wohlfahrtsstaates erst zu Beginn der 1990er Jahre. So galt Schweden lange Zeit als Musterbeispiel für einen sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat mit der, wie die Vergangenheit lehrte, durchaus realistischen
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Zielsetzung von Vollbeschäftigung.113 Arbeitslosen wurden in Schweden insofern in erster Linie Ausbildungsmaßnahmen, Praktika oder befristete Stellen angeboten und erst nach dem Scheitern dieser Optionen kamen verschiedene Formen finanzieller Unterstützung in Betracht (Schwedisches Institut 2000). Diese aktivierende Arbeitsmarkpolitik führte allerdings zu einer immer weiter steigenden Staatsverschuldung, die Mitte der 1990er Jahre ein Ausmaß erreichte, das für öffentliches Aufsehen sorgte. Angesichts stetig steigender Arbeitslosigkeit und damit verbunden auch immer weiter wachsender Staatsverschuldung kündigten die Sozialdemokraten unter Spitzenkandidat Carlsson im Wahlkampf 1994 schließlich an, eine Stabilisierung des Staatshaushaltes sowie Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit realisieren zu wollen.114 Nachdem die Sozialdemokraten die Wahlen von 1994 für sich entscheiden konnten, musste eine Konkretisierung der im Wahlkampf angekündigten Maßnahmen erfolgen.115 Der entsprechende Entwurf sah massive Kürzungen zahlreicher Sicherungsleistungen vor und es zeichnete sich ab, dass weder die Gewerkschaften noch die linken Parteien im Parlament, die zuvor mit den Sozialdemokraten eine informelle Allianz gebildet hatten, eine entsprechende Entscheidung mittragen würden. Als die sozialdemokratische Regierung Carlsson dennoch an ihrem Vorhaben festhielt, kam es im Frühjahr 1995 zu einem Bruch dieser Allianz (Anderson 2001: 424). 1996 übergab Ministerpräsident Carlson die Regierungsgeschäfte an seinen Nachfolger Göran Persson und trat in den Ruhestand.
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Grundlage dieses Anspruchs bildeten die so genannten „Arbeitslinien“, ein Leitfaden der schwedischen Arbeitsmarktpolitik, der bereits in den 1960er Jahren von Gewerkschaftsökonomen formuliert worden war und im Wesentlichen mit der heutigen Zielformulierung der „Vollbeschäftigung“ übereinstimmt. 114 Die Sozialdemokraten blieben damit in weiten Teilen dem Kurs der konservativen Regierung Bildt treu, stellten jedoch in Aussicht, ein umstrittenes Gesetz zur Neuordnung der freiwilligen Arbeitslosenkasse und Deregulierungen im Kündigungsschutz zurückzunehmen. Ferner sollte eine Bildungsoffensive als Antwort auf die Beschäftigungskrise erwogen werden (Henkes 2006: 291). 115 So sollte nun das Arbeitslosengeld auf 75 Prozent des letzten Gehalts festgelegt und für maximal 14 Monate gezahlt werden (Kremp 1997), was allerdings bei Gewerkschaften und linken Parteien, die zu diesem Zeitpunkt eine informelle Allianz mit der sozialdemokratischen Partei bildeten und so die Parlamentsmehrheit zu sichern versprachen, auf Ablehnung stieß.
10.2 Fallbeispiele
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Abbildung 29: Verlauf der Arbeitsmarktreform Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit der Regierung Persson
Quelle: Eigene Darstellung. Perssons Regierung war nun gezwungen, eine parlamentarische Mehrheit für das geplante Reformvorhaben zu finden, nachdem das Bündnis mit den linken Parteien zerbrochen war. Neuer Kooperationspartner wurde schließlich die bäuerliche Zentrumspartei, so dass Perssons Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 unter Zugeständnissen116 verabschiedet werden konnte (Henkes 2006: 283).117 Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation erfolgte insofern erneut im verhandelnden Modus hinter verschlossenen Türen. Das Konsolidierungsprogramm umfasste schließlich Veränderungen bei den Lohnersatzleistungen und Arbeitslosenversicherungen, bei den Kündigungsbestimmungen sowie eine Reform zahlreicher Felder der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik (Wadensjö 2007: 133, Henkes 2006: 287ff, Anderson 2001: 422ff).118 Abbildung 26 fasst den Verlauf der Reform zusammen.119 116 Als Zugeständnis wurde etwa die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zugesagt und ferner bestand aus Sicht der Zentrumspartei auch die Aussicht auf eine weitere Zusammenarbeit. 117 Im Frühjahr 1997 brachte die Mehrheit aus sozialdemokratischer Partei und Zentrumspartei das dazugehörige Gesetz durch das Parlament. 118 Eine ursprünglich vorgesehene Kürzung der Lohnersatzleistungen im Fall von Arbeitslosigkeit auf 75 Prozent des letzten Lohnes wurde aufgrund anhaltenden Drucks der Gewerkschaften sowie in Anbetracht der anstehenden Wahl 1998 zurückgenommen und der Satz wurde auf 80 Prozent angehoben. Bezüglich der Kündigungsbestimmungen wurde verabschiedet, dass befristete Beschäfti-
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Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation erfolgte in der Output-Phase, nachdem die Regierung eine parlamentarische Mehrheit für ihre Reformagenda hatte herstellen können. Die Regierung Persson begründete in der Darstellungskommunikation die Notwendigkeit der geplanten Maßnahmen schließlich mit dem übergeordneten und am Kollektiv orientierten Ziel der Vollbeschäftigung (kümmernde Argumentation). Einschnitte bei jedem Einzelnen wurden insofern als Mittel der Verteidigung wohlfahrtsstaatlicher Werte angeführt (Schmidt 2005: 14). „Zusammen-für-Schweden-Appelle“ (Fröhlich/Scheel 2006: 437) prägten die Argumentationslinie der Regierung Persson (patriotische Argumentation). Die Reform zur Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 wurde öffentlich kaum kritisiert.120 Trotz eines schlechten Wahlergebnisses bei der Wahl 1998 blieb die sozialdemokratische Regierung Persson im Amt, bekräftigte ihr Versprechen zur Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 und erweiterte es noch um das Vorhaben, die Beschäftigungsquote vor dem Jahre 2004 auf über 80 Prozent anzuheben (Dar-
gungsverhältnisse für 12 Monate mit Option zur Verlängerung auf 18 Monate möglich werden. Die Länge des Kündigungsschutzes wurde auf der Basis der Betriebszugehörigkeit und nicht mehr auf der Basis des Lebensalters berechnet und die Verpflichtung von Unternehmen, bei Neueinstellungen vorrangig früher Entlassene zu berücksichtigen sank von zwölf auf neun Monate. Um den Übergang zwischen den beiden Arbeitszeitformen Teilzeit und Vollzeit zu vereinfachen, wurde zudem ein Vorzugsrecht für unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte, im Falle von Neueinstellungen in einem Unternehmen, sowie ein Teilzeitarbeitslosengeld zur Erhöhung der finanziellen Attraktivität einer Teilzeitstelle eingeführt. Weitere Veränderungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik beinhalteten beispielsweise die stärkere Förderung von älteren Arbeitslosen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren (Henkes 2006: 295) durch Einsatz im öffentlichen Dienst, in Gemeinden und Kreisen. Für über 60-Jährige wurde zudem eine Gesetzesklausel eingeführt, die es im Fall einer zweijährigen Arbeitslosigkeit ermöglichte, frühzeitig einen Betrag entsprechend der Höhe der Arbeitslosenunterstützung bis zum Renteneintrittsalter von 65 Jahren zu beziehen. Um Standortverbesserungen für Unternehmen zu realisieren, wurden gezielt Ausnahmeregelungen bezüglich der Besteuerung von Dividenden kleiner und mittlerer Unternehmen sowie eine Reduzierung der Arbeitgebersozialabgaben beschlossen. Auch für kleine und mittlere Personengesellschaften wurde die Gewinnversteuerung gesenkt (Henkes 2006: 297f). Durch Dezentralisierungsmaßnahmen wurde ferner die Rolle der Gemeinden gestärkt (Henkes 2006: 295f). Im Bereich der Bildungspolitik wurden neue Anstrengungen unternommen, Arbeitslose und Beschäftigte mit niedrigem Bildungsstand durch verstärkte Erwachsenenbildung zu fördern. Unter Berücksichtigung der demographischen Ansprüche der jeweiligen Gemeinde wurden zu diesem Zwecke Gelder zur flexiblen Förderung dieser Zielgruppe bereitgestellt. 119 Im Gegensatz zur Tradition der schwedischen Arbeitsmarktpolitik blieb die Regulierung des Arbeitsmarktes nun nicht mehr den Übereinkünften der starken Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände überlassen. Indem Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik an Bedingungen für den Erhalt von Arbeitslosengeld gekoppelt wurden, griff der Staat infolge des von der Regierung Persson implementierten Programms zur Halbierung der Arbeitslosigkeit direkt in die Arbeitsmarktautonomie ein (Wadensjö 2007: 131f). 120 Komplexe Fragen finden allerdings in den schwedischen Medien generell eher wenig mediale Resonanz (Fröhlich/Scheel 2006: 440).
10.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
127
stellungslegitimation: ja). Abbildung 27 fasst die zentralen Merkmale der Regierungskommunikation in diesem Fallbeispiel zusammen. Abbildung 30: Regierungskommunikation der Regierung Persson im Rahmen des Entscheidungsprozesses zum Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit
Quelle: Eigene Darstellung.
10.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen In Schweden liegt ein parlamentarisches Regierungssystem vor. Ferner ist der institutionelle Kontext geprägt durch den Demokratietyp einer verhandelnden Wettbewerbsdemokratie und einen sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaatstyp. Insbesondere die häufige Konstellation der Minderheitsregierung, in der die Regierung nicht über eine stabile parlamentarische Mehrheit verfügt, unterstreicht die Notwendigkeit zu Verhandlungen, um Mehrheiten für politische Entscheidungen herstellen zu können (Orientierungshypothese 2). Der Demokratietyp der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie impliziert allerdings, dass
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neben diesen „Konsenszwängen“ auch Wettbewerbselemente die Regierungskommunikation prägen (Orientierungshypothese 1). Aufgrund starker Parteien und Verbände weist das politische System Schwedens eine Vielzahl potentieller Vetospieler auf, die allerdings über das Ausschuss- und Kommissionswesen in den parlamentarischen Entscheidungsprozess eingebunden werden können, so dass Vetoblockaden eher die Ausnahme sind (Orientierungshypothese 1 und 2). Der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaatstyp deklariert die Bereitschaft schwedischer Bürger, wohlfahrtsstaatliche Aufgaben mit hohen Steuern und Sozialabgaben zu finanzieren. Was lässt sich auf dieser Basis über die Anreize und Restriktionen sagen, die der institutionelle Kontext in Bezug auf die Kommunikation der schwedischen Regierung setzt? Um die Besonderheiten schwedischer Regierungskommunikation beurteilen zu können, wurden im Rahmen der Länderanalysen zwei Fallbeispiele sozialpolitischer Diskurse skizziert, die Rentenreform mit dem Ziel der langfristigen sozialen Sicherung der Regierung Persson und das Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit der Regierung Persson. Die Regierungskommunikation der Regierung Persson war im Fall der Rentenreform zur langfristigen sozialen Sicherung zunächst durch einen verhandelnden Modus auf der Ebene der Entscheidungskommunikation gekennzeichnet. Der Entscheidungsprozess, an dessen Ende schließlich ein breiter, parteiübergreifender Konsens stand (Orientierungshypothese 3), dauerte von 1992 bis 1999 und somit im Vergleich zu wohlfahrtsstaatlichen Entscheidungsprozessen in anderen modernen Demokratien außerordentlich lange.121 Die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation erfolgte erst nach der Aushandlung in der Output-Phase des Entscheidungsprozesses (Orientierungshypothese 4). Die Argumentationsweise der sozialdemokratischen Regierung Persson enthielt dabei vor allem kümmernde und patriotische Argumente (Orientierungshypothese 6).122 Die Regierungskommunikation der Regierung Persson kann im Fallbeispiel der Rentenreform zur langfristigen und sozialen Sicherung insgesamt sowohl auf der Ebene der Darstellungskommunikation, als auch auf der Ebene der Entscheidungskommunikation als erfolgreich bezeichnet werden, da sowohl die Wiederwahl der Regierung (Darstellungslegitimation: ja) als auch die Verabschiedung entsprechender Gesetze (Entscheidungslegitimation: ja) erreicht werden konnte (Orientierungshypothese 6 und 7). 121
1992 wurde Schweden von der konservativen Regierung Bildt regiert und trotz ihrer Abwahl im Jahr 1994 setzte die sozialdemokratische Regierung Persson die Suche nach einem lagerübergreifenden Reformmodell fort. 122 Sparmaßnahmen und Einschnitte wurden insbesondere mit ihrer stabilisierenden Wirkung und somit mit dem langfristigen Erhalt der sozialen Sicherheit begründet. Die Regierung Persson knüpfte dabei argumentativ an den fest verankerten Wohlfahrtsnationalismus an, indem sie sich auf identitätsstiftende, symbolische Argumente bezogen (Fröhlich/Scheel 2006: 438).
10.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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Im Rahmen des zweiten Fallbeispiels wurde die Regierungskommunikation bezüglich der Ausarbeitung des Programms zur Halbierung der Arbeitslosigkeit skizziert, das die Regierung Persson angesichts steigender Staatsverschuldung zur Konsolidierung des Haushaltes und zur Erreichung des langfristigen Ziels der Vollbeschäftigung implementiert hatte. Die Regierungskommunikation auf Ebene der Entscheidungskommunikation verlief dabei in der Throughput-Phase ebenfalls vertraulich und im verhandelnden Modus (Orientierungshypothese 3 und 4) und die Regierung Persson handelte im Zuge dessen schließlich eine parlamentarische Mehrheit mit der bäuerlichen Zentrumspartei aus. Ihre Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation war dieser vertraulichen Aushandlung nachgelagert und erfolgte in der Output-Phase des Entscheidungsprozesses (Orientierungshypothese 4), die durch eine kümmernde und patriotische Argumentation gekennzeichnet war (Orientierungshypothese 6).123 Die Entscheidungslegitimation wurde im Fall des Programms zur Halbierung der Arbeitslosigkeit erzielt, als eine parlamentarische Mehrheit zur Verabschiedung entsprechender Gesetze hergestellt werden konnte und die Darstellungslegitimation fand schließlich in der Wiederwahl der Regierung Persson Ausdruck. Die Regierungskommunikation im Fall des Programms zur Halbierung der Arbeitslosigkeit kann insofern sowohl auf der Ebene der Entscheidungskommunikation, als auch auf der Ebene der Darstellungskommunikation als erfolgreich bezeichnet werden (Orientierungshypothese 6 und 7).
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Argumentativ begründete die Regierung Persson die Notwendigkeit der geplanten Maßnahmen mit dem übergeordneten und am Kollektiv orientierten Ziel der Vollbeschäftigung. Einschnitte bei jedem Einzelnen wurden insofern als Mittel der Verteidigung wohlfahrtsstaatlicher Werte angeführt (Schmidt 2005: 14).
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10 Regierungskommunikation in Schweden
Abbildung 31: Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Schweden
Quelle: Eigene Darstellung. Hinsichtlich der Einflüsse, die sich aus dem institutionellen Kontext Schwedens für die Regierungskommunikation ergeben, kann insofern abschließend gefolgert werden, dass insbesondere die für Schweden charakteristische Konstellation einer Minderheitsregierung weit reichende Folgen für die Regierungskommunikation hat. Der Regierungschef verfügt nicht über eine eigene stabile Mehrheit im Parlament, sondern muss sie im Zweifelsfall in jedem Entscheidungsprozess neu organisieren. Verhandlungsprozesse mit allen potentiellen Mehrheitsbeschaffern und Sachkoalitionen auf Zeit gehen daraus hervor. Weil aufgrund dieser institutionellen Rahmenbedingungen in politischen Entscheidungen (und insbesondere im Fall von Verfassungsänderungen) ein breiter Konsens angestrebt wird, dauern Entscheidungsprozesse in Schweden üblicherweise mehrere Jahre. Weil ein Regierungschef in Schweden nicht sicher sein kann, ob er in einer kommenden Entscheidung auf den Dialog mit einer Oppositionspartei angewiesen sein wird, wird er stets bestrebt sein, konsensorientiert zu interagieren, um den kommunikativen Korridor auch für zukünftige Entscheidungspro-
10.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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zesse möglichst groß zu halten. In den Fallbeispielillustrationen haben entsprechend vertrauliche Aushandlungsprozesse in Kommissionen und Ausschüssen auf der parlamentarischen Ebene die Entscheidungskommunikation geprägt (verhandelnder Modus, Orientierungshypothese 3). Die Darstellungskommunikation erfolgte dem nachgelagert in der Output-Phase (Hypothese 4) und war insbesondere durch patriotische „Zusammen-für-Schweden-Appelle“ gekennzeichnet (Orientierungshypothese 6). Auffällig war insofern die in beiden Fallbeispielen deutliche Orientierung der Darstellungskommunikation am wohlfahrtstaatlichen Wertekonsens, der „an sich“ nicht nur nicht infrage, sondern auch als Meta-Motivation für das gesamte Vorhaben besonders herausgestellt wurde (Orientierungshypothese 6). Der Ebene der Darstellungskommunikation kommt in Schweden insofern eine, etwa im Vergleich zu Großbritannien geringere Bedeutung zu, obschon die vorhandenen Wettbewerbselemente im politischen System Schwedens die öffentliche Vermittlung von Reformvorhaben nicht unbedeutend machen (Orientierungshypothese 5). Schwedens Regierungen streben dabei (aufgrund der Konstellation einer Minderheitsregierung) häufig größtmögliches Einvernehmen und parteiübergreifende Konsensentscheidungen an, um der Vermittlungsproblematik einer zu einseitig getroffenen Entscheidung zu entgehen. Abbildung 28 fasst diese zentralen Aspekte von Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Schweden abschließend zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
11 Regierungskommunikation in den USA
11.1 Institutioneller Kontext Die Regierungskommunikation in den USA ist institutionell geprägt durch das präsidentielle Regierungssystem, den Demokratietyp der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie und den liberalen Wohlfahrtsstaatstyp, der einen Wertekonsens beschreibt, der die Verantwortlichkeit zur sozialen Grundsicherung vor allem aufseiten der Bürger selbst sieht.124 Die Verfassung der Vereinigten Staaten sieht zunächst insbesondere den Präsidenten als Träger politischer Macht. Seine Regierung bildet eine einheitliche Exekutive, in der die Funktion des Staatsoberhaupts mit der des Regierungschefs verknüpft ist (Lösche/Wasser 2004). Der Präsident steht an der Spitze der amerikanischen Regierung und wird direkt (über Wahlmänner) von den amerikanischen Bürgern gewählt.125 Obwohl Kongress und Präsident zunächst voneinander unabhängig agieren, sind sie insgesamt verfassungsrechtlich eng miteinander verbunden, weil sie als getrennte Organe gemeinsame Aufgaben erfüllen müssen (Jäger 2007, Adams 1995). Hinsichtlich dieser unvermeidlich von Spannungen geprägten „antagonistischen Partnerschaft“ (Shell 1999: 207) unterscheidet sich das politische System der USA deutlich von den parlamentarischen Systemen Europas. Es ist insofern irreführend, das amerikanische System als reines „Präsidialsystem“ (Jesse/Sturm 2003: 62) zu bezeichnen, da dieser Begriff die Wechselbeziehung zwischen Exekutive und Legislative verschleiert und die starke Rolle des Kongresses im System vernachlässigt (Oldopp 2005). Die Spannungen dieser Wechselbeziehung sind für die Regierungskommunikation im Sinne der Entscheidungskommunikation von Bedeutung: Weil der Präsident nicht unbedingt über eine „Hausmehrheit“ im Kongress verfügt, muss er diese im Zweifelsfall für jedes Reformvorhaben neu organisieren. Auch wenn „seine“ Partei über eine Kongressmehrheit verfügt, ist ihm die Zustimmung dieser Mehrheit nicht automatisch sicher. Sachkoalitionen auf Zeit prägen insofern die Entscheidungskultur im politischen System der USA. Die durch zwei zeitlich und personell getrennte Wahlen entstehende doppelte Legitimation führt ferner zu den für die USA charakteristischen Spannungslinien der Regierungskommunikation (Lösche/Wasser 124
Grundlegend zur Regierungskommunikation in den USA: Esser 2000: 129ff, Kamps 2006: 337ff, Brettschneider 2007: 36ff sowie Pfetsch 2003a: 67ff. 125 Grundlegend zum politischen System der USA siehe Jäger/Haas/Welz 2007, Gellner 2007, Hübner 2007 sowie Oldopp 2005.
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
11.1 Institutioneller Kontext
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2004): Sowohl der Kongress als auch der Präsident können sich im Konfliktfall darauf berufen, demokratische Legitimation zu besitzen. Das Auseinanderfallen von Kongressmehrheit und der Parteizugehörigkeit des amerikanischen Präsidenten wird dabei als Divided Government bezeichnet. Die „rhetorische Präsidentschaft“ (Tulis 1988) ist als Ergebnis dieser für die USA charakteristischen Situation beschrieben worden. Die amerikanische Legislative ist der Kongress, der sich aus gewählten Repräsentanten aller 50 Bundesstaaten zusammensetzt (Jäger/Haas/Welz 2007). Laut Verfassung hat der aus zwei Kammern bestehende Kongress die Budgethoheit sowie das Recht zur Gesetzesinitiative.126 Jeder Bundesstaat hat zudem Anspruch auf zwei Senatoren. Die amerikanische Verfassung versucht zwischen den Staatsorganen ein System der gegenseitigen Kontrolle zu etablieren, die so genannten checks and balances. Über die Einhaltung der Verfassung wacht in den USA zudem der oberste Gerichtshof, der Supreme Court. Der Kongress hat unter anderem infolge des ihm zustehenden Budgetrechts wesentlichen Einfluss auf die amerikanische Politik. Auch kommt ihm das alleinige Recht zu, Bundesgesetze zu erlassen. Verträge mit anderen Ländern werden zwar vom Präsidenten unterzeichnet, bedürfen aber der Ratifizierung durch die zweite Kammer des Kongresses, den Senat. Bei wichtigen Ernennungen, zum Beispiel zu Kabinettsposten oder Richterämtern des Bundes, insbesondere dem obersten Gericht, muss der Senat den Vorschlag des Präsidenten ebenfalls bestätigen (Oldopp 2005). Gleichwohl kommt die Bundesgesetzgebung im amerikanischen Regierungssystem nicht ohne die Initiative eines im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehenden Präsidenten aus (Brettschneider 2007, Pfetsch, B. 2000). Legt der Präsident sein Veto ein, scheitern Gesetze.127 Der Präsident und ferner auch die Bundesverwaltung in Washington sind somit weitere potentielle Agenda-Setzer im politischen System der USA.128 Als weitere Restriktionen für die Regierungskommunikation des amerikanischen Regierungschefs ist die Begrenzung seiner Regierungstätig-
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Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre gewählt. Die Anzahl der Abgeordneten pro Bundesstaat im Repräsentantenhaus hängt dabei von der Einwohnerzahl ab. Im Senat wird alle zwei Jahre jeweils ein Drittel der Mitglieder neu gewählt. 127 Sein Veto kann nur durch eine Zweidrittel-Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses überstimmt werden. George W. Bush machte in seiner ersten Amtszeit zum Beispiel im Mai 2007 davon Gebrauch, als er sein Veto bei dem umstrittenen Gesetzentwurf zur Finanzierung von Militäreinsätzen verbunden mit einem Rückzugstermin für die Truppen im Irak einlegte. Im Jahr 2006 kippte der US-Präsident außerdem per Veto den Gesetzesentwurf zur Förderung der embryonalen Stammzellenforschung (tagesschau.de 2007). 128 Jedoch herrscht ein hoher Personalwechsel bei den die vom Präsidenten ernannten Behördenchefs, während die Mitglieder des Kongresses bleiben (Lösche/Wasser 2004).
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keit auf nur zwei Amtszeiten zu nennen. Die Präsidenten können somit von einer maximalen Amtszeit von acht Jahren ausgehen.129
11.2 Fallbeispiele 11.2.1 Regierungskommunikation der Regierung Clinton I (Hillarycare) Einer der ersten Reformvorhaben der Regierung Clinton betraf das amerikanische Gesundheitssystem: Ziel der im Oktober 1993 dem Kongress vorgelegten Gesundheitsreform Hillarycare war es, allen Amerikanern einen Versicherungsschutz mit einer gesundheitlichen Grundversorgung zu garantieren. Clinton war als Kandidat der demokratischen Partei zu den Präsidentschaftswahlen mit dem Ziel angetreten, einen universellen Krankenversicherungsschutz für amerikanische Bürger einzuführen (Schreyer 2004). Auch die Demokraten stellten sich im Rahmen der Kongresswahlen im gleichen Jahr hinter diese Forderung, die insbesondere sozial schwachen Schichten im Krankheitsfall einen ausreichenden Versicherungsschutz sichern sollte. Zu Erreichung dieses Ziels sollte zum einen die regionale Gesundheitsversorgung in den Staaten gestärkt und zum anderen die Zugangsmöglichkeit zum Versicherungsschutz gesenkt werden (OECD 1994: 335). Als Präsident Clinton im September 1993 in einer Rede vor dem Kongress seine Reformagenda vorstellte, waren die Ausgangsbedingungen günstig, um das Projekt in Angriff zu nehmen, denn Umfragen bestätigten eine breite öffentliche Befürwortung für eine entsprechende Gesundheitsreform (Clinton 2004: 751).130 Zur Finanzierung plante Clinton Einsparungen in anderen Politikfeldern, so beispielsweise im Verteidigungshaushalt (Clinton 2004: 751). Ferner waren die Einführungen von so genannten mandatory purchasing cooperatives und health alliances geplant. Sie sollten regional verankert eine flächendeckende gesundheitliche Grundversorgung sicherstellen (OECD 1994: 334) und den Wettbewerb unter den potenziellen Anbietern erhöhen, was eine Kostenreduzierung und verbesserte Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems zur Folge haben sollte.
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Der deutsche Bundespräsident steht zwar auch nur einmal zur Wiederwahl, seine Bedeutung im politischen System ist aber auch nicht mit den Kompetenzen des amerikanischen Präsidenten vergleichbar. 130 In den Wahlkämpfen ab 1990 hatte das Thema der gesundheitlichen Grundversorgung die höchste Priorität bei der Nennung der wichtigsten Themen. Auch die Demokraten und ihr Kandidat Clinton erhielten in diesem Punkt hohe Werte bei der Kompetenzzuschreibung.
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Abbildung 32: Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton
Quelle: Eigene Darstellung. Die Aufsicht über die health alliances sollte durch die Bundesstaaten erfolgen. Für dieses Konzept gab es jedoch weder in der Bundes- noch einzelstaatlichen Sozialgesetzgebung Vorbilder, so dass es der Regierung Clinton letztlich nicht gelang, es in der Öffentlichkeit ausreichend zu erklären. Auch konnten die Vorwürfe, dass dadurch neue, überbürokratische Nebenregierungen entstehen würden, nicht entschärft werden (Hildebrandt 1992:14). Die Regierung Clinton zeigte keine Verhandlungsbereitschaft, so dass auch moderate Republikaner nicht zu einer Unterstützung der Reform bereit waren (Dreyer 2000). Interessenverbände und Republikaner starteten folglich eine kostenintensive Gegenkampagne, um die Reform zu verhindern, an der das demokratische Vorhaben einer flächendeckenden gesundheitlichen Grundversorgung letztlich scheiterte. Präsident Clinton überschätzte das öffentliche Mandat für sein Vorhaben und verlor in der Folge deutlich an Popularität. Seine schwache Position im Kongress wurde damit weiter untermauert. Abbildung 29 fasst diesen Verlauf des Entscheidungsprozesses zusammen. Der Versicherungsschutz in den USA blieb an den Arbeitsplatz gebunden, obwohl der Schutz für sozial Schwache nach einer weiteren Reform verbessert werden konnte. Für Clinton war dieses Ergebnis ernüchternd, zumal 1996 die nächste Wahl anstand und er als Präsident bis zu diesem Zeitpunkt noch keine nennenswerten Projekte auf den Weg gebracht hatte.
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Abbildung 33: Regierungskommunikation im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton
Quelle: Eigene Darstellung. Die Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton konnte letztlich nicht erfolgreich implementiert werden. Zum Zeitpunkt des Entscheidungsprozesses lag in den USA die Phase eines Divided Government vor: Die demokratische Partei von Präsident Clinton verfügte nicht über eine Mehrheit im Kongress. Für die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation resultierte daraus die Notwendigkeit, neben der demokratischen Minderheit im Kongress auch Teile der republikanischen Mehrheit zu überzeugen (beziehungsweise einen entsprechenden Kompromiss auszuhandeln). Clinton wählte dennoch einen argumentierenden Modus und versuchte über ein Going Public diese Mehrheit herzustellen. Die Darstellungskommunikation war insofern dem parlamentarischen Entscheidungsverfahren vorgelagert und erfolgte in der Inputund in der Throughput-Phase. Kümmernde und patriotische Argumente prägten die Darstellungskommunikation in diesen Phasen (Kruse 1997). Die Wahl des Reformtitels weckte zudem Assoziationen mit einer zuvor vorgenommenen und von niemand in Frage gestellten Reform der Rentenversicherung (Kruse 1997).
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Abbildung 30 fasst die Merkmale der Regierungskommunikation der Regierung Clinton im Fall der nicht erfolgreichen Gesundheitsreform Hillarycare zusammen.
11.2.2 Regierungskommunikation der Regierung Clinton II (Welfare Reform) In den USA fand seit den 1980er Jahren eine Verschlechterung der finanziellen Situation der Menschen in der unteren und mittleren Einkommensschicht statt (Schreyer 2000: 2). Zwar existierte eine Reihe von sozialen Hilfen, sie konnten jedoch in vielen Fällen nicht maßgeblich zur Existenzsicherung beitragen (Backhaus-Maul 1999: 3). Die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger stieg ausgerechnet im Wahljahr 1992 auf 13,6 Millionen und damit auf eine neue Rekordmarke (Schweizer Rück 1998: 29). In der öffentlichen Wahrnehmung herrschte zudem der Eindruck, dass eine 1988 verabschiedete Sozialreform dazu geführt hatte, dass ungerechtfertigt immer mehr Menschen die staatlichen Hilfen in Anspruch nahmen (Goos/Schmid 1999: 9). Im Vorfeld seiner ersten Wahl in das Präsidentenamt kam es zwischen Clinton und Bush (senior) vor diesem Hintergrund zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem Clinton insbesondere das Thema Wohlfahrt in das innenpolitische Zentrum seiner Wahlkampagne stellte. Er benutzte Slogans wie „end welfare as we know it“ und „two years and off to work“ und deutete damit bereits an, dass er eine zeitliche Beschränkung für den Bezug von Sozialhilfe gutheißen würde (Piven 1999: 233). Abbildung 34: Verlauf der Sozialreform Welfare Reform der Regierung Clinton
Quelle: Eigene Darstellung.
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Nachdem Clinton die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, präsentierte er eine Agenda zur Welfare Reform, die auf dem amerikanischen Wertekanon von Arbeit, Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Familie und Verantwortung basieren sollte (Schreyer 2004: 137ff). Der Reformentwurf zielte auf eine Senkung der Zahl der Sozialhilfeempfänger durch eine weitere Begrenzung der Leistungen ab (Murswieck 1996). Die Republikaner, die die Kongressmehrheit innehatten, waren ebenfalls der Ansicht, dass die bundesstaatliche Organisation der Sozialhilfe in ihrer bisherigen Form nicht mehr angemessen sei. Ihre Vorschläge sahen insbesondere die Übertragung der Zuständigkeit von der nationalen auf die einzelstaatliche Ebene sowie die Einführung von verhaltenssteuernden Maßnahmen vor (Backhaus-Maul 1999: 3). Einer Kompetenzübertragung auf die Bundesstaaten war auch die Regierung Clinton nicht abgeneigt, zumal man sich dadurch eine finanzielle Entlastung des Bundeshaushaltes erhoffte. Auch die Gouverneure der Bundesstaaten sahen darin eine Chance zur Erweiterung ihrer Handlungsspielräume und kündigten ihre Zustimmung an (Backhaus-Maul 1999: 4). Ein Dissens zwischen Regierung und der republikanischen Kongressmehrheit bestand hingegen weiter in der Frage nach der Einführung verhaltenssteuernder Maßnahmen. Zwar forderten auch die Demokraten im Kongress eine Befristung der Sozialhilfe, allerdings in Verbindung mit der Einführung zusätzlicher staatlicher Ausbildungsund Qualifizierungsmaßnahmen sowie flankierender sozialer Dienstleistungen, wie beispielsweise einer Verbesserung der Kinderbetreuung (Backhaus-Maul 1999: 4). Die Republikaner schlugen indes vor, dass Familien mit minderjährigen Eltern oder solche, in denen die Vaterschaftsverhältnisse ungeklärt blieben, keine Beihilfen mehr erhalten sollen (Schreyer 2000: 8). Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass sich der Kongress, die Regierung Clinton und die Gouverneure im Senat einig in der Frage waren, dass zur Entlastung des Bundeshaushaltes eine Übertragung der Kompetenzen von der nationalen auf die bundesstaatliche Ebene in Erwägung zu ziehen sei. Dissens bestand mithin insbesondere in der Frage der Ausgestaltung aktivierender Maßnahmen in Verbindung mit der Einführung verhaltenssteuernder Maßnahmen.
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Abbildung 35: Regierungskommunikation der Regierung Clinton im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Welfare Reform
Quelle: Eigene Darstellung. Im Juni 1994 legte Präsident Clinton dem Kongress über die Demokraten einen Entwurf für die Welfare Reform vor, der im Wesentlichen eine Verlagerung der Zuständigkeiten für die Sozialhilfe auf die bundesstaatliche Ebene beinhaltete und zudem eine Kombination aus unterschiedlichen Verschärfungen, wie beispielsweise die Einführung von Zeitlimits für die Bezugsdauer enthielt (Schreyer 2000: 8). Die Republikaner brachten daraufhin im Februar 1995 einen Gegenentwurf ein, der ein fünfjähriges Lebenszeitlimit für den Bezug von Sozialhilfe vorsah (Schreyer 2000: 8). Die vorgesehenen weit reichenden Kürzungen waren in der republikanischen Partei nicht unumstritten. Präsident Clinton weigerte sich allerdings, diese Vorlage zu unterstützen, so dass erneut verhandelt werden musste, bis der Welfare Reform Act schließlich im Senat verabschiedet werden konnte (Schreyer 2000: 8). Dem Präsidenten ging jedoch auch das Ergebnis dieser Nachverhandlungen zu weit. Er legte sein Veto ein, worauf ein neuer Vermittlungsversuch der demokratischen und republikanischen Gouverneure folgte, in dem die Republikaner weitere Bestandteile ihres Entwurfes ausklam-
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mern mussten, bis Clinton zur Unterzeichnung des Gesetzes bereit war. Ende Juli konnte das Entscheidungsverfahren abgeschlossen werden. Ein wesentliches Ergebnis der so verabschiedeten Welfare Reform war schließlich die Kompetenzübertragung von der nationalen auf die bundesstaatliche Ebene, so dass aus einem bundesweiten Rechtsanspruch auf soziale Hilfe eine zeitlich begrenzte und von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich ausgestaltete Überbrückungshilfe zur Re-Integration in den Arbeitsmarkt wurde (Backhaus-Maul 1999: 4, Goos/Schmid 1999: 6). Die Welfare Reform der Regierung führte im Ergebnis zu einem Sinken der Sozialhilfeempfängerzahl in den USA,131 da nach der Reform viele Bedürftige die Bedingungen nicht mehr erfüllten, um Geldleistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu können.132 Im Jahr 1996 fanden in den USA zwar sowohl Präsidentschafts- als auch Kongresswahlen statt, nach denen die Situation des Divided Government jedoch weiter erhalten blieb. Clinton wurde für eine zweite Amtszeit zum Präsidenten gewählt und in dem Kongress wurde erneut eine republikanische Mehrheit gewählt (Schreyer 2000: 10). Zum Zeitpunkt der Welfare Reform herrschte in den USA die Situation eines Divided Government vor, die demokratische Partei Clintons hatte also kein eigene Mehrheit im Kongress, so dass im Rahmen der Entscheidungskommunikation eine Mehrheit im Dialog mit der republikanischen Mehrheit herbeigeführt werden musste, was letztlich über den verhandelnden Modus gelang. Beide Seiten legten hierzu Entwürfe vor, auf deren Basis ein Konsens ausgehandelt werden sollte. Präsident Clinton weigerte sich zunächst, eine Vorlage der Republikaner zu unterstützen und diese lehnten zunächst einen Entwurf des Präsidenten ab (Schreyer 2000: 8f). Erst infolge einer Vermittlung der demokratischen und republikanischen Gouverneure kam es zur Beschlussfassung des Gesetzes im Kongress und zur Unterzeichnung durch die Regierung. Das verabschiedete Reformgesetz enthielt schließlich Bestandteile der Forderungen beider Seiten und die von Konsens geprägte Entscheidungsfindung ließ letztlich keine der 131
Die Zahl Sozialhilfeempfänger ging nach der Welfare Reform von mehr als 14 Millionen Beziehern im Jahre 1994 auf elf Millionen im Jahr 1997 zurück (Goos/Schmid 1999: 11). 132 In der Literatur wurde zudem die Meinung vertreten, dass der Rückgang der Empfänger von sozialen Hilfen nicht nur auf die Welfare Reform, sondern auch auf die verbesserte Konjunktur in den Jahren nach der Reform zurückzuführen sei. Ein Anhaltspunkt dafür ist, dass der Rückgang schon vor der Reform 1996 einsetzte, sich seit dem Wirtschaftseinbruch 2001 aber wieder umkehrte (Fischermann 2006: 1). Zudem betrug der durchschnittliche Sozialhilfesatz nach der Welfare Reform nur etwa 12 Prozent des durchschnittlichen amerikanischen Haushaltseinkommens (Gans 1999: 245), so dass eine Bedarfsdeckung weiterhin nicht gewährleistet war. Ferner sorgten die mit der Welfare Reform eingeführten Arbeitsprogramme dafür, dass die Vermittlung von Menschen in den normalen Arbeitsmarkt erhöht wurde (Espenhorst 1997: 393). Obschon ihr Verdienst häufig kaum über den bisher gezahlten Transferleistungen lag und sich ihre finanzielle Situation somit kaum verbesserte, fielen sie damit nicht mehr in die Kategorie der Leistungsempfänger.
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beiden Seiten als Verlierer dastehen. Die Darstellungskommunikation erfolge insofern sowohl in der Input-Phase, als Clinton seine Absicht erklärte, den Wohlfahrtstaat zu reformieren, und in der Output-Phase, als klar wurde, auf welchen Kompromiss sich Präsident und Kongressmehrheit verständigt hatten. Die Betrachtung der Argumentationsweise im Entscheidungsprozess zur Welfare Reform wies insgesamt eine wettbewerbsorientierte Grundrichtung auf.133 Die Kommunikation der Regierung Clinton in der Input-Phase zielte argumentativ darauf ab, die Verbindung von Rechten und Pflichten der Bürger hervorzuheben (patriotischer Argumentationstyp). So wurde argumentiert, dass die staatlichen Leistungen effektiver und stärker auf die Bedürfnisse der Allgemeinheit zugeschnitten werden sollten (Schreyer 2000: 3). Einer der ausschlaggebenden Gründe, weswegen sich in den USA dennoch die Notwendigkeit einer erneuten restriktiven Wohlfahrtsreform abgezeichnete, lag schließlich vor allem in der USamerikanischen Grundüberzeugung begründet, dass Sozialhilfe bei den Leistungsempfängern Abhängigkeiten schaffe, die sich negativ auf deren weiteres Leben auswirke (Wohlfahrt/Trube 2001: 2). „Die Entlassung des Individuums aus seiner persönlichen Verantwortung für seine soziale und ökonomische Situation“ (Goos/Schmid 1999: 13) wurde insofern als grundsätzlicher Funktionsfehler des Systems herausgestellt.
11.2.3 Regierungskommunikation der Regierung Obama (Obamacare) Betrachtet man die Staatsausgaben im Bereich Gesundheit, kann das amerikanische Gesundheitssystem als eines der teuersten der Welt bezeichnet werden. Die hohen Kosten entstehen aufseiten des Staates vor allem deshalb, weil zahlreiche US-Bürger (48 Millionen von 305 Millionen) nicht oder nur unzureichend krankenversichert sind.134 Erkranken sie, führt eine Notfallbehandlung häufig zu einer Verschuldung des Einzelnen und im Zweifelsfall muss der Staat für die Behandlung aufkommen, wenn eine Finanzierung durch die Betroffenen selbst nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass präventive Maßnahmen wie Vorsorgeuntersuchungen von einer Vielzahl von Amerikanern nicht in Anspruch genommen werden können, weil ihre Versicherung sie nicht abdecken und eine Finanzie133
Schon vor seiner Wahl zum Präsidenten hatte Clinton damit geworben, das Land aus der wirtschaftlich-sozialen Krise zu führen und sich den Problemen der Mittelschicht annehmen zu wollen. Er distanzierte sich dabei jedoch auch von der Berücksichtigung der Interessen der armen Bevölkerung (Thunert 2001: 115ff). 134 Im Rahmen der Fallstudie erfolgt die Datenerhebung auf Basis einer Medienanalyse (Tageszeitungen) und auf Basis von Experteninterviews. Eine Liste der Interviewpartner, ein Umriss des Gesprächleitfadens sowie die Beschreibung von Art und Umfang der Zeitungsanalyse befinden sich im Anhang.
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rung aus eigenen Mitteln nicht erwogen wird oder nicht möglich ist. Aufgrund dessen kommt es in vielen Fällen erst zu Arztbesuchen, wenn bereits gesundheitliche Probleme substanzieller Art aufgetreten sind. Dieses Zusammenspiel von Nicht- oder Unterversicherung und fehlender medizinischer Versorge führte in der Vergangenheit in den USA immer wieder zu einer intensiven medialen Rezeption dramatischer Einzelschicksale. Eine gewisse Sensibilität für die Notwendigkeit einer gesundheitspolitischen Reform kann insofern als gegeben bezeichnet werden. Gleichzeitig gab es im Vorfeld der Reformbemühungen der Regierung Obama aber auch Vorbehalte innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Insbesondere jene, die ausreichend versichert waren, fürchteten im Fall einer Reform höhere Preise zahlen zu müssen oder künftig weniger Leistungen empfangen zu können (Scherer 2009). Den Versuch der Einführung einer allgemein gültigen Versicherungsoption im Gesundheitsbereich war in der Vergangenheit bereits häufiger unternommen worden. Zuletzt hatte sich Präsident Clinton intensiv um eine diesbezügliche Veränderung bemüht. Ziel der von seiner Regierung im Oktober 1993 dem Kongress vorgelegten Gesundheitsreform Hillarycare war es, allen Amerikanern einen Versicherungsschutz mit einer gesundheitlichen Grundversorgung zu garantieren (Schreyer 2004). Auch die Demokraten stellten sich im Rahmen der Kongresswahlen im gleichen Jahr hinter diese Forderung, die insbesondere sozial schwachen Schichten im Krankheitsfall einen ausreichenden Versicherungsschutz sichern sollte. Zu Erreichung dieses Ziels sollte zum einen die regionale Gesundheitsversorgung in den Staaten gestärkt und zum anderen die Zugangsmöglichkeit zu Versicherungsschutz gesenkt werden (OECD 1994: 335). Als Präsident Clinton im September 1993 in einer Rede vor dem Kongress seine Reformagenda vorstellte, waren die Ausgangsbedingungen günstig das Projekt in Angriff zu nehmen, denn Umfragen bestätigten eine breite öffentliche Befürwortung für eine entsprechende Gesundheitsreform (Clinton 2004: 751).135 Die Aufsicht über die health alliances sollte durch die Bundesstaaten erfolgen. Für dieses Konzept gab es jedoch weder in der Bundes- noch einzelstaatlichen Sozialgesetzgebung Vorbilder, so dass es der Regierung Clinton letztlich nicht gelang, es in der Öffentlichkeit ausreichend zu erklären. Ferner konnten Vorwürfe, dass 135
In den Wahlkämpfen ab 1990 hatte das Thema der gesundheitlichen Grundversorgung die höchste Priorität bei der Nennung der wichtigsten Themen und auch die Demokraten und ihr Kandidat Clinton erhielten in diesem Punkt hohe Werte bei der Kompetenzzuschreibung. Zur Finanzierung plante Clinton Einsparungen in anderen Politikfeldern, so beispielsweise im Verteidigungshaushalt (Clinton 2004: 751). Ferner war die Einführung so genannter mandatory purchasing cooperatives und so genannter health alliances geplant. Sie sollten regional verankert eine flächendeckende gesundheitliche Grundversorgung sicherstellen (OECD 1994: 334) und den Wettbewerb unter den potenziellen Anbietern erhöhen, was eine Kostenreduzierung und verbesserte Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems zur Folge haben sollte.
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dadurch neue, bürokratische Nebenregierungen entstehen würden, nicht entschärft werden (Hildebrandt 1992: 14). Die Regierung Clinton signalisierte kein Entgegenkommen im Sinne einer Verhandlungslösung, so dass auch moderate Republikaner letztendlich nicht zu einer Unterstützung der Reform bereit waren (Dreyer 2000). Interessenverbände und Republikaner starteten schließlich eine kostenintensive Gegenkampagne, an der das demokratische Vorhaben einer flächendeckende gesundheitliche Grundabsicherung einzuführen letztlich scheiterte. Präsident Clinton überschätzte das öffentliche Mandat für sein Vorhaben und verlor in der Folge deutlich an Popularität. Der Versicherungsschutz in den USA blieb infolgedessen an den Arbeitsplatz gebunden, obwohl der Schutz für sozial Schwache nach einer weiteren Reform verbessert werden konnte. Nach dem gescheiterten Reformversuch von Bill Clinton, trat 2008 im Wahlkampf gegen den republikanischen Kandidaten McCain der demokratische Kandidat Obama erneut mit dem Versprechen an, die gesundheitliche Grundversorgung über Versicherungen so auszuweiten, dass künftig alle Amerikaner über einen ausreichenden Versicherungsschutz verfügen können. Bereits im Vorwahlkampf hatte das Thema einer großen Gesundheitsreform für gewisse Aufmerksamkeit gesorgt, da neben Obama Hillary Clinton als aussichtreichste Konkurrentin im Rahmen des Nominierungsprozesses um die von den Demokraten unterstützte Kandidatur für das Präsidentschaftsamt galt. Sie hatte 1993 die Kommission geleitet, die im Auftrag der Regierung Bill Clintons den Entwurf zu einer entsprechenden Reform ausgearbeitet hatte. Sie betonte bereits, an die damaligen Bemühungen anknüpfen zu wollen. Obama hatte daher bereits im Vorwahlkampf innerhalb des demokratischen Lagers klar bekennen müssen, diesen Inhalt genauso vehement vertreten zu wollen wie seine Mitbewerberin. Die Reform des Gesundheitswesens entwickelte sich insofern seit Beginn des Vorwahlkampfes zu einem wesentlichen Indikator für den innenpolitischen Erfolg der Regierung Obama.
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Abbildung 36: Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Obamacare
Quelle: Eigene Darstellung. Seit dem Start seiner Regierungszeit versuchte Obama entsprechend dieser hohen Priorität, aus den Fehlern des gescheiterten Reformversuchs der Regierung Clinton zu lernen und eine entsprechende Reform auf den Weg zu bringen. Die Regierung Clinton hat ursprünglich von einer Expertenkommission, unter der Leitung der First Lady Hillary Clinton, eine eigene Reformagenda entwickeln lassen und dann versucht, diese durch den Kongress zu bringen. Obama machte die Reform des Gesundheitswesens hingegen zur Chefsache, indem er an Politiker aller Parteien appellierte, eine mehrheitsfähige Agenda zu entwickeln, deren Implementation allen Amerikaner gesundheitlichen Versicherungsschutz ermöglichen würde. Anders als die Regierung Clinton ließ er keine eigene Reformagenda ausarbeiten, sondern beauftragte Kongress und Senat mit der Umsetzung einer entsprechenden Reform. Infolge dessen kursierten unterschiedliche Entwürfe einer Reformagenda in der Öffentlichkeit, von denen allerdings nicht klar war, welcher nun der von Obama favorisierte Entwurf sein würde. Während sich die Regierung Obama im Juli 2009 in die Sommerpause zurückzog, kam es in so genannten Townhall-Meetings zu tumultartigen Szenen, bei denen sich Abgeordnete vor empörten Bürgern für die bevorstehende Reform rechtfertigen mussten. Aufgebrachte Inhaber einer Versicherungspolice erklärten ihre Sorge, zu den Verlierern der Reform zu gehören, wenn im Fall steigender Kosten ein Absinken der ihnen zustehenden Leistungen unausweichlich werden würde. Wie schon im
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Rahmen der Hillarycare 15 Jahre zuvor kam es in dieser Zeit zu finanzintensiven Gegenkampagnen der Versicherungsdienstleister, die diese Verunsicherung der amerikanischen Mittelschicht noch verstärkten (Dreyer 2000). Die republikanische Senatorin Palin bezeichnete Obama in diesem Kontext beispielsweise auf Ihrer Facebook-Seite als „faschistisch“, was medial intensiv aufgegriffen und breit diskutiert wurde. Auch wurden Obamas Reformbemühungen als „sozialistisch“ und „kapitalistisch“ bezeichnet (siehe etwa Gloger 2009). Abbildung 37: Regierungskommunikation der Regierung Obama im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Obamacare
Quelle: Eigene Darstellung. Mit einer Rede vor beiden Kammern des Kongresses am 10. September 2009, die zur Primetime im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, griff Obama schließlich erneut in die öffentliche Debatte ein und appellierte erneut an Kongress und Senat, gemeinsam eine Reformagenda zu entwickeln und entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen. Seine Rede begann mit patriotischen Argumenten, Obama ging dabei insbesondere auf die Wirtschaftskrise und den damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit ein. Dann folgten emotionale Argu-
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mentationsstränge, in denen Obama die Dramatik exemplarischer Krankengeschichten verdeutlichte. Daran schloss er eine inhaltliche Rechtfertigung der Ziele seiner Reformidee an (kostenneutrale Ausweitung der gesundheitlichen Absicherung auf alle amerikanischen Bürger) und appellierte erneut an beide politischen Lager, einen gesellschaftlichen Konsens zu ermöglichen. Abschließend nahm er Bezug auf die diesbezüglichen Bemühungen des kürzlich verstorbenen Senators Ted Kennedy136 und schloss mit einem patriotischen Appell („Was für eine Nation wollen wir sein?!“). Die genaue Ausgestaltung der für sein Vorhaben nötigen Gesetze ließ er erneut offen, stellte aber seine Zustimmung zu republikanischen Reformanliegen in Aussicht, wenn in diesem Punkt eine Entscheidungsmehrheit mit den Republikanern zustande kommen würde (Schmitz 2009b). Infolge seiner Rede wurde öffentlich vor allem die so genannte Baucus-Bill diskutiert, die einen konkreten Entwurf zur Umsetzung des Regierungsanliegens enthielt (Schmitz 2009b). Im Oktober 2009 stimmte der Finanzausschuss des demokratisch dominierten Senats zu, was als Meilenstein auf dem Weg zu einer entsprechenden Reform bezeichnet werden kann (Schmitz 2009b). Im November stimmte das Repräsentantenhaus ebenfalls zu (Schmitz 2009a) und die entsprechenden Gesetze wurden letztlich im März 2010 vom Kongress erlassen. Abbildung 33 fasst den Verlauf des Entscheidungsprozesses im Fallbeispiel der Gesundheitsreform Obamacare zusammen. Hinsichtlich der Entscheidungskommunikation lässt sich zunächst konstatieren, dass Obamas Kommunikation insbesondere auf einen gesellschaftlichen Konsens und einen gemeinsamen Reformentwurf beider politischer Lager ausgerichtet blieb, obschon dieser als äußerst unwahrscheinlich einzuschätzen war. Diese Strategie kann vor dem Hintergrund der knappen Mehrheitsverhältnisse im Senat vor allem damit erklärt werden, dass Obama insbesondere moderate Republikaner gewinnen wollte, seine Bemühungen zu unterstützen, um damit gegebenenfalls einen Verlust an Zustimmung aus dem eigenen Lager kompensieren zu können. Obama gab gleichwohl keine Reformagenda vor und setzte keine eigene Expertenkommission ein. Er überlies die konkrete Ausgestaltung vielmehr dem „Hill“137, was ebenfalls in die Richtung einer Konsensorientierung gedeutet werden kann. Der Modus seiner Entscheidungskommunikation kann in diesem Sinne als verhandelnd bezeichnet werden. Er kommunizierte dabei vor allem in der parlamentarischen Arena verhandelnd, als er Republikanern wiederholt andere Reformprojekte als 136
Der Tod Ted Kennedys war medial intensiv rezipiert worden. Kennedy wurde in diesem Zusammenhang insbesondere für sein politisches Lebenswerk gewürdigt. Das Capitol liegt in Washington auf einem Berg, so dass die Vorgehensweise Obamas, die Ausgestaltung der entsprechenden Gesetze den beiden Kammern des Parlaments zu überlassen, als Abgabe entsprechender Kompetenzen an den „Hill“ bezeichnet wird.
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11.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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Gegenleistung in Aussicht stellte. Darüber hinaus prägten allerdings auch argumentierende Elemente die Entscheidungskommunikation, da Obama von einer großen Medienöffentlichkeit begleitet immer wieder die Notwendigkeit einer entsprechenden Reform herausstellte und so den als „do-nothing-hill“ bezeichneten Kongress unter einen gewissen Zugzwang setzte. Die Darstellungskommunikation Obamas im Rahmen der Bemühungen um eine umfassende Gesundheitsreform erfolgte insgesamt in der Input- und Throughput-Phase des Entscheidungsprozesses und kann in der Argumentation insbesondere als kümmernd und patriotisch (vor allem zu Beginn) und als wettbewerbsorientiert (im weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses) charakterisiert werden. Im Wahlkampf und um die Amtseinführung war die Darstellungskommunikation vor allem von kümmernden („Alle Amerikaner sollten eine Krankenversicherung haben“) und patriotischen („Was für eine Nation wollen wir sein?“) Argumenten geprägt. Wie schon im Fall des Reformversuchs durch Clinton kam es in Folge dessen im Frühjahr 2009 zu öffentlichkeitswirksamen Gegenkampagnen (die insbesondere finanziert wurden von Interessensvertretern der privaten Krankenversicherungen). Ihre Argumentation zielte vor allem darauf ab, Angst vor bürokratischen „quasi-sozialistischen“ Nebenregierungen zu schüren (Scherer 2009). Obama wurde in diesem Kontext auch als Sozialist, Kommunist und Faschist bezeichnet (Gloger 2009), griff aber selbst zu diesem Zeitpunkt (im Sommer 2009) nicht in die Debatte ein (leiser Argumentationstyp). Die bereits beschriebenen Townhall-Meetings ließen Obama in öffentlich wahrgenommene Defensive gleiten (Scherer 2009). Erst mit einer Rede vor beiden Kammern des Kongresses im September 2009, die zur Primetime um 20 Uhr auf allen zentralen Fernsehsendern des Landes live übertragen wurde, griff er erneut selbst in die Debatte ein und betonte dabei erneut die moralisch-wertethische Relevanz der Reform. Seine Rede enthielt nun aber auch wettbewerbsorientierte Argumente, die vor allem den finanziellen Nutzen der Reform in den Vordergrund stellten (Schmitz 2009c). Abbildung 34 fasst diese zentralen Elemente der Regierungskommunikation im Fallbeispiel der Gesundheitsreform Obamacare abschließend zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
11.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen Das politische System der USA ist gekennzeichnet durch ein präsidentielles Regierungssystem, den Demokratietyp der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie und einen liberalen Wohlfahrtsstaatstyp. Anders als in parlamentarischen
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Regierungssystemen verfügt die amerikanische Regierung nicht über eine eigene Mehrheit im Parlament und selbst dann, wenn die Partei, der auch der Präsident entstammt, eine Kongressmehrheit hat, ist die Unterstützung seiner Reformagenden durch den Kongress keinesfalls sicher. Der institutionelle Kontext bietet dem amerikanischen Präsidenten auf diese Weise zwei Möglichkeiten zur Regierungskommunikation, die allerdings beide die Möglichkeit des Scheiterns auf der Ebene der Herstellung einer Entscheidungsmehrheit beinhalten: Entweder er versucht auf dem Weg der Verhandlung im Rahmen der Entscheidungskommunikation eine Mehrheit im Kongress herzustellen oder er versucht im Modus des Argumentierens über ein Going Public die Öffentlichkeit für sein Vorhaben zu gewinnen, um darüber Druck auf den Kongress aufzubauen und bei einer Mehrheit der Abgeordneten eine Zustimmung zu erreichen. Sachkoalitionen auf Zeit prägen insofern die amerikanische Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation. Der Demokratietyp der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie impliziert sowohl diese Konzentration politischer Macht, als auch die Bedeutsamkeit föderaler Machtteilung, die sich vor allem in der Verbundenheit der Kongress-Abgeordneten zu ihren Heimatstaaten niederschlägt, so dass sie im Zweifelsfall auch gegen die Linie der eigenen Partei votieren. Darüber hinaus kennzeichnet ein liberaler Wohlfahrtsstaatstyp den (im Vergleich zu den hier untersuchten kontinental-europäischen modernen Demokratien minimalen) sozialpolitischen Wertekonsens in der amerikanischen Gesellschaft, der die Verantwortung für die soziale Sicherung der Bürger vor allem dem Einzelnen selbst zuschreibt. Für die Regierungskommunikation der amerikanischen Regierung ergeben sich aus diesem Setting sowohl Ressourcen – etwa die Möglichkeit des Going Public – als auch Restriktionen – etwa die so genannten checks and ballances – die ein alleiniges Entscheiden der Regierung unmöglich machen (Orientierungshypothese 1 und 2). Die skizzierten Fallbeispiele verdeutlichen dieses Wechselspiel der gegenseitigen Kontrolle und Balance: Zum Zeitpunkt des Entscheidungsprozesses der gescheiterten Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton lag ein Divided Government vor. Die demokratische Partei, der auch Präsident Clinton angehörte, verfügte insofern nicht über eine Mehrheit im Kongress. Clinton wählte zu Beginn des Entscheidungsprozesses (in der Input-Phase, Orientierungshypothese 4) einen argumentierenden Modus, um die Zustimmung des Kongresses durch über das Aufbauen öffentlichen Drucks (Going Public) zu erreichen (Orientierungshypothese 5). Die Darstellungskommunikation war insofern dem parlamentarischen Entscheidungsverfahren vorgelagert und erfolgte in der Input- und in der Throughput-Phase (Orientierungshypothese 4). Die Argumentation entsprach einem kümmernden Typus und enthielt darüber hinaus auch patriotische Argumente (Orientierungshypothese 6). Letztlich gelang es der
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Regierung Clinton nicht, auf diese Weise eine Entscheidungsmehrheit herzustellen, so dass es nicht zur Verabschiedung entsprechender Gesetzte im Kongress kam (Entscheidungslegitimation: nein). Die Regierungskommunikation der Regierung Clinton muss insofern sowohl auf der Ebene der Entscheidungskommunikation als auch auf der Ebene der Darstellungskommunikation als nicht erfolgreich bezeichnet werden (Orientierungshypothese 6 und 7). Das Scheitern der Gesundheitsreform Hillarycare ist somit insgesamt letztlich auf die mangelnde Unterstützung der Reformagenda durch die amerikanische Öffentlichkeit zu sehen (Orientierungshypothese 5). Das zweite Fallbeispiel hat die Welfare Reform der Regierung Clinton skizziert, deren Entscheidungsprozess ebenfalls in eine Phase des Divided Government fiel. Anders als im Fall der gescheiterten Gesundheitsreform Hillarycare versuchte Clinton allerdings hier im Rahmen der Entscheidungskommunikation eine parlamentarische Mehrheit im Dialog mit der republikanischen Mehrheit herzustellen (verhandelnder Modus, Orientierungshypothese 3). Die Darstellungskommunikation erfolge sowohl in der Input-Phase (Orientierungshypothese 4), als Clinton seine Absicht erklärte, den Wohlfahrtstaat zu reformieren, als auch in der Output-Phase, als öffentlich wurde, auf welchen Kompromiss sich Präsident und Kongressmehrheit verständigt hatten. Dabei wurde argumentiert, dass die staatlichen Leistungen effektiver und stärker auf die Bedürfnisse der Allgemeinheit zugeschnitten werden sollten (Orientierungshypothese 6). Der Entscheidungsprozess zur Welfare Reform der Regierung Clinton zeigt somit, wie unmittelbar der amerikanische Präsident in Phasen des Divided Government auf Verhandlungen mit der Kongressmehrheit angewiesen ist, wenn er ein Reformvorhaben realisieren möchte. Nachdem eine Entscheidungsmehrheit im Kongress ausgehandelt worden war, konnte Clinton, der nach zwei Amtszeiten nicht für eine weitere Legislatur kandidieren durfte, mit dem Erfolg in diesem Bereich den Wahlkampf von Al Gore unterstützen, der allerdings nicht siegreich aus der Wahl hervorging. Die Frage der Darstellungslegitimation muss insofern auf der Basis der hier zugrunde liegenden Operationalisierung verneint werden. Im Fallbeispiel der Gesundheitsreform Obamacare hatte ein für die Regierungskommunikation in den USA typisches Going Public des Präsidenten dominiert (Orientierungshypothese 5). Obama war unmittelbar nach seiner Wahl 2009 (und zuvor auch bereits im Wahlkampf) mit dem Anliegen an die Öffentlichkeit getreten, das System zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung der amerikanischen Bürger grundlegend verändern und in diesem Zuge allen amerikanischen Bürgern Versicherungsschutz gewähren zu wollen (Orientierungshypothese 6). Betrachtet man die Staatsausgaben im Bereich Gesundheit in den USA im Vorfeld der Reform, konnte das amerikanische Gesundheitssystem als eines der
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Teuersten der Welt bezeichnet werden.138 Den Versuch der Einführung einer allgemein gültigen Versicherungsoption im Gesundheitsbereich hatte zuletzt Präsident Clinton intensiv verfolgt, war allerdings gescheitert (siehe Fallbeispiel Hillarycare). Seit dem Beginn seiner Regierungszeit versuchte Obama aus den Fehlern der Regierung Clinton zu lernen und eine entsprechende Reform erfolgreich umzusetzen. Obama machte die Reform des Gesundheitswesens zur Chefsache,139 indem er an Politiker aller Parteien appellierte, eine mehrheitsfähige Reformagenda zu entwickeln (Orientierungshypothese 1. 2 und 5). Anders als die Regierung Clinton ließ er keine eigene Reformagenda ausarbeiten, sondern beauftragte Kongress und Senat mit der Entwicklung eines Gesetzesentwurfs. Mit einer Rede vor beiden Kammern des Kongresses am 10. September 2009, die zur Primetime im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, griff Obama erneut in die öffentliche Debatte ein. Infolge seiner Rede wurde öffentlich vor allem die so genannte Baucus-Bill diskutiert, die einen konkreten Entwurf zur Umsetzung des Regierungsanliegens enthielt (Schmitz 2009b). Die entsprechenden Gesetze wurden letztlich nach einer intensiven öffentlichen Debatte im März 2010 von der demokratischen Mehrheit des Kongress erlassen. Obamas Vorhaben, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens zu erzielen, den zumindest moderate Abgeordnete der Republikaner würden mittragen können scheiterte insofern. Hinsichtlich der Entscheidungskommunikation lässt sich zunächst konstatieren, dass Obamas Kommunikation insbesondere auf einen gesellschaftlichen Konsenses und einen gemeinsamen Reformentwurf beider politischer Lager ausgerichtet blieb, obschon dieser als äußerst unwahrscheinlich einzuschätzen war.140 Obama gab gleichwohl keine Reformagenda vor und setzte auch keine eigene Expertenkommission ein. Er überlies die konkrete Ausgestaltung viel-
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Die hohen Kosten entstehen aufseiten des Staates vor allem deshalb, weil zahlreiche US-Bürger (48 Millionen von 305 Millionen) nicht oder nur unzureichend krankenversichert sind. Erkranken sie, führt eine Notfallbehandlung häufig zu einer Verschuldung des Einzelnen und im Zweifelsfall muss der Staat für die Behandlung aufkommen, wenn eine Finanzierung durch die Betroffenen selbst nicht möglich ist. Hinzukommt, dass präventive Maßnahmen wie Vorsorgeuntersuchungen von einer Vielzahl von Amerikanern nicht in Anspruch genommen werden können, weil ihre Versicherung sie nicht abdeckt und eine Finanzierung aus eigenen Mitteln nicht erwogen wird oder nicht möglich ist. Aufgrund dessen kommt es in vielen Fällen erst zu Arztbesuchen, wenn bereits gesundheitliche Probleme substanzieller Art aufgetreten sind. 139 Die Regierung Clinton hat dagegen von einer Expertenkommission, die unter der Leitung von First Lady Hillary Clinton tagte, eine eigene Reformagenda entwickeln lassen, und dann versucht, diese durch den Kongress zu bringen. 140 Diese Strategie kann vor dem Hintergrund der knappen Mehrheitsverhältnisse im Senat vor allem damit erklärt werden, dass Obama insbesondere moderate Republikaner gewinnen wollte, seine Bemühungen zu unterstützen, um damit gegebenenfalls einen Verlust an Zustimmung aus dem eigenen Lager kompensieren zu können, was letztlich allerdings nicht gelang.
11.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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mehr dem „Hill“,141 was ebenfalls in die Richtung einer Konsensorientierung gedeutet werden kann. Der Modus seiner Entscheidungskommunikation kann in diesem Sinne als verhandelnd bezeichnet werden. Darüber hinaus prägten aber vor allem argumentierende Elemente die Entscheidungskommunikation (Orientierungshypothese 3), da Obama von einer großen Medienöffentlichkeit begleitet immer wieder die Notwendigkeit einer entsprechenden Reform herausstellte (Going Public) und so den Kongress unter einen gewissen Zugzwang setzte. Die Darstellungskommunikation Obamas im Rahmen der Bemühungen um eine umfassende Gesundheitsreform erfolgte somit insgesamt früh im Entscheidungsprozess (Orientierungshypothese 4), nämlich bereits in der Input- und Throughput-Phase des Entscheidungsprozesses und kann in der Argumentation zunächst als kümmernd und patriotisch und später auch als wettbewerbsorientiert charakterisiert werden (Orientierungshypothese 6). Als prägend für die Regierungskommunikation im institutionellen Kontext der USA ist somit insgesamt zum einen die herausgehobene Stellung des in der Öffentlichkeit stehenden Präsidenten zu sehen, die aus dem präsidentiellen Regierungssystemtyp resultiert und der amerikanischen Regierung insofern zunächst (insbesondere auf der Ebene der Darstellungskommunikation) einen breiten kommunikativen Korridor eröffnet (Orientierungshypothese 1).
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Das Capitol liegt in Washington auf einem Berg, so dass die Vorgehensweise Obamas, die Ausgestaltung der entsprechenden Gesetze den beiden Kammern des Parlaments zu überlassen, als Abgabe entsprechender Kompetenzen an den „Hill“ bezeichnet wird.
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11 Regierungskommunikation in den USA
Abbildung 38: Regierungskommunikation im institutionellen Kontext der USA.
Quelle: Eigene Darstellung. Zum anderen kommt aber auch dem Kongress ein zentraler Stellenwert bei der Gesetzgebung zu. Diese wesentliche Einschränkung des kommunikativen Korridors ist vor allem der föderalen Machtteilung in den USA geschuldet, die auch in der Zuordnung zum Idealtyp der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie Ausdruck findet (Orientierungshypothese 2). Anders als in vielen parlamentarischen Regierungssystemen, verfügt der amerikanische Präsident als Regierungschef nicht über eine stabile Mehrheit im Kongress so dass aus der Sicht des Präsidenten politische Mehrheiten entweder über ein Going Public im argumentierenden Modus organisiert oder über eine Verhandlung mit den Abgeordneten beider politischer Lager erreicht werden müssen (Orientierungshypothese 3). Die Darstellungskommunikation erfolgt insofern in den USA vor allem dann früh (in der Input- und/oder in der Throughput-Phase Orientierungshypothese 4), wenn der amerikanische Präsident über ein Going Public eine Entscheidungsmehrheit herzustellen versucht. Sie ist dann auch von Bedeutung elementarer Bedeutung für die Entscheidungslegitimation, die in diesem Fall in gewisser Weise aus der Darstellungslegitimation hervorgeht (Orientierungshypothese 5). Abbildung 35
11.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Orientierungshypothesen
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führt die zentralen Merkmale der Regierungskommunikation im institutionellen Kontext der USA zusammen und ordnet sie in das Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein.
III. Fazit
Von der offensichtlichen Spannweite unterschiedlicher Kommunikationsstrategien in der Regierungskommunikation in modernen Demokratien und den verschieden ausfallenden Erfolgspotentialen bei ihrer Anwendung ausgehend, ist hier der Frage nachgegangen worden, inwieweit regelmäßige Mechanismen zur Erklärung dieser Unterschiede herangeführt werden können. Der institutionelle Kontext moderner Demokratien, der sich etwa hinsichtlich des Regierungssystemtyps, des Demokratietyps oder des Wohlfahrtstaatstyps von Land zu Land unterscheidet, ist dazu als unabhängige Variable angeführt und entlang neoinstitutionalistischer Prämissen als wesentlicher Taktgeber der Regierungskommunikation modelliert worden. Zur Beantwortung der in Kapitel 1 formulierten Fragestellung („In welcher Weise prägt der institutionelle Kontext moderner Demokratien Regierungskommunikation?“) wurde zunächst der Forschungsstand über Regierungskommunikation in modernen Demokratien skizziert (Kapitel 2) und entlang neo-institutionalistischer Prämissen ein theoretischer Zugang (Kapitel 3) entwickelt, auf dessen Basis (in Kapitel 4) dann die Entwicklung eines eigenen Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation erfolgte. Die methodische Vorgehensweise wurde in Kapitel 5 erörtert.142 In Teil II wurden auf der Basis des Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation fünf Länderbeispiele moderner Demokratien analysiert und hinsichtlich der empirischen Relevanz der im Kontext der Modellierung aufgestellten Orientierungshypothesen geprüft. Im Folgenden sollen die wesentlichen Erkenntnisse dieser Prüfung zusammengeführt werden, so dass eine abschließende Bewertung der Beschaffenheit der kommunikativen Korridore, die in den analysierten Länderbeispielen zur Regierungskommunikation genutzt werden können, sowie eine abschließende Beantwortung der hier zugrunde gelegten Fragestellung erfolgen können.
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Eine Zusammenfassung des Untersuchungsrahmens befindet sich in Kapitel 6.
12 Abschließende Reflexion der Orientierungshypothesen
Im Zuge der Modellierung wurden bezüglich des Zusammenhangs von institutionellem Kontext moderner Demokratien und der Regierungskommunikation in Kapitel 4.2 fünf Orientierungshypothesen formuliert,143 die im Rahmen der Länderanalysen einer Bewertung ihrer empirischen Relevanz unterzogen wurden. Ferner wurden zwei weitere Orientierungshypothesen144 bezüglich des Erfolges von Regierungskommunikation in konkreten Fallbeispielen formuliert und überprüft. Im Folgenden sollen die Orientierungshypothesen sowie die dazu aus den Länderanalysen gefolgerten Erkenntnisse zusammengeführt und hinsichtlich ihrer empirischen Relevanz bewertet und gegebenenfalls modifiziert werden. Orientierungshypothese 1 hat den Zusammenhang zwischen dem Demokratietyp und der Größe des kommunikativen Korridors thematisiert. Sie lautete: „Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation.“145 Dass verhandlungsdemokratische Elemente den kommunikativen Korridor zur Regierungskommunikation verengen, wurde hier gefolgert, weil die Notwendigkeit zur Abstimmung mit weiteren internen und/oder externen Vetospielern aus der Sicht der Regierung (und des Regierungschefs) den kommunikativen und koordinativen Aufwand erhöht, insbesondere wenn das Spektrum der Positionen der beteiligten Akteure eine große Spannweite abbildet. Vor allem die deutsche Bundesregierung, aber auch die (typischerweise in der Konstellation einer Minderheitsregierung regierende) schwedische Regierung, sowie der amerikanische Präsident (der sich auch im Fall einer Mehrheit „seiner“ Partei im Kongress ihrer Zustimmung nicht sicher sein kann) sind von diesem Zwang zu Verhandlungen, Konsens und Kompromisslösungen betroffen. Für sie folgt aus den verhandlungsdemokratischen Implikationen die Notwendigkeit zu vertraulicher Abstimmung auf der Ebene der Entscheidungskommunikation, bevor mit der öffentlichen Darstellungskommunikation begonnen werden kann, da zu-
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Orientierungshypothesen 1 bis 5. Orientierungshypothesen 6 und 7. Bei einer Wettbewerbsdemokratie schränke weniger Vetospieler den kommunikativen Korridor ein, so dass im Vergleich zu einer Verhandlungsdemokratie aus der Sicht der Regierung ein größerer Freiraum besteht, politische Entscheidungen zu treffen und sie zu kommunizieren.
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M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_12, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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12 Abschließende Reflexion der Orientierungshypothesen
nächst sichergestellt werden muss, dass für ein Vorhaben auch eine Entscheidungsmehrheit bereitsteht.146 Hier wird gefolgert, dass der Demokratietyp insofern maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung von Regierungskommunikation auf den Ebenen der Entscheidungs- und Darstellungskommunikation hat, weil er für die Regierungen moderner Demokratien einen breiteren (nicht zur Abstimmung mit anderen Vetospielern verpflichtenden) oder schmaleren kommunikativen Korridor hervorbringt. Eine empirische Einschränkung erfuhr diese Orientierungshypothese mit Blick auf die Ergebnisse der Länderanalysen insbesondere im Hinblick auf das Länderbeispiel Frankreich, das generell dem Demokratietyp einer (reinen) Wettbewerbsdemokratie zuzuordnen ist und daher zunächst einen breiten kommunikativen Korridor für Regierungskommunikation vorhersagt. Durch die Verteilung politischer Zuständigkeiten auf zwei Führungspersönlichkeiten – Staatspräsident und Premierminister – erschöpft sich dieser jedoch wieder, insbesondere wenn beide aus unterschiedlichen Parteien stammen. „Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation, insbesondere, wenn aufseiten der Regierung die politische Macht konzentriert bleibt“ könnte insofern eine Spezifizierung von Orientierungshypothese 1 lauten. Orientierungshypothese 2 hat ebenfalls die Größe des kommunikativen Korridors thematisiert, der in Phasen sozialpolitischer Schlüsselentscheidungen für Regierungskommunikation genutzt werden kann. Sie lautete: „Je höher die interne Kohärenz der Regierungsmehrheit, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation.“ Die weitere Ausdifferenzierung über die Prägung des kommunikativen Korridors für Regierungskommunikation wurde im ursprünglichen Hypothesengefüge bereits mit einer gesonderten Orientierungshypothese (Orientierungshypothese 2) erwogen, um auch die Unterschiede in der internen Kohärenz von Ein- und Mehrparteienregierungen abbilden zu können. In den Länderanalysen finden sich zahlreiche Belege, die einen Zusammenhang von interner Kohärenz der Regierung und der Breite des kommunikativen Korridors nahe legen. So ist die interne Kohärenz innerhalb der schwedischen Regierung zwar zunächst hoch, weil es sich um eine Einparteienregierung handelt, da sie aber nicht über eine eigene parlamentarische Mehrheit verfügt, sind Verhandlungen mit anderen Parteien zur Herstellung einer Entscheidungsmehrheit unausweichlich. Die interne Kohärenz innerhalb der Regierungsmehrheit würde insofern im besten Fall der einer Koalitionsregierung entsprechen. 146
Der amerikanische Präsident kann dies alternativ auch über ein Going Public erreichen, bei dem die Entscheidungslegitimation aus der Darstellungslegitimation hervorgeht. Scheitert er damit, führt dies allerdings zur Belastung der Regierungsbilanz, da offensichtlich wurde, dass das Anliegen von der Regierung verfolgt worden ist.
12 Abschließende Reflexion der Orientierungshypothesen
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Als zusätzliche Ressource im Vergleich zu Deutschland, wo Koalitionsregierungen die Regel sind, obliegt es der schwedischen Regierung jedoch mit wechselnden Bündnissen zu arbeiten, was den kommunikativen Korridor verbreitert. Über eine genuin starke interne Kohärenz verfügen indes vor allem die Regierungen in Großbritannien und den USA, was allerdings nur in einem Fall – im britischen – zu einer wirklichen Vergrößerung des kommunikativen Korridors führt. Der britische Regierungschef steht in aller Regel einer Einparteienregierung vor und muss auch nicht die weitere Abstimmung mit Akteuren der föderalen Ebene suchen, so dass seine zentrale Kommunikationsarena (neben der eigenen Partei) die Öffentlichkeit bleibt. Von den hier betrachteten Länderbeispielen moderner Demokratien steht ihm daher der größte kommunikative Korridor für Regierungskommunikation zur Verfügung. Der amerikanische Präsident kann die hohe interne Kohärenz seiner Regierung vor allem für ein starkes Auftreten in der Öffentlichkeit nutzen. Obwohl er faktisch keinen Einfluss auf die Abstimmungen des Kongresses hat, kann er über ein Going Public öffentlichen Druck aufbauen und so eine Entscheidungsmehrheit herstellen. In Frankreich steht der Premierminister zunächst einer Einparteienregierung vor und verfügt insofern wie im Fall Großbritanniens über aussichtsreiche Chancen, im Parlament Mehrheiten herstellen zu können. Jedoch ist er auf die Abstimmung mit einem in der Öffentlichkeit stehenden Präsidenten angewiesen. Fasst man den Regierungsbegriff in Frankreich damit weiter, indem man auch den Präsidenten einbezieht, ist die interne Kohärenz innerhalb der Regierung nicht mehr groß, insbesondere dann nicht, wenn beide aus unterschiedlichen Parteien stammen. Auf dieser Basis wird die hier formulierte Orientierungshypothese 2 daher abschließend als empirisch relevant eingeschätzt, wenngleich sie vor allem auch in der Verschränkung mit Orientierungshypothese 1 zu sehen ist. Orientierungshypothese 3 hat erneut die Erklärungskraft des Demokratietyps aufseiten der unabhängigen Variablen thematisiert und einen Zusammenhang mit dem die Regierungskommunikation kennzeichnenden Modus herausgestellt. Die Orientierungshypothese lautete dabei: „Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto eher dominiert ein argumentierender Modus auf der Ebene der Entscheidungskommunikation (im Verhältnis zu einem verhandelnden Modus).“147 Im Rahmen der 147
Den Ausgangspunkt für diesen Zusammenhang bilden die Annahmen über die Wirkung von Diskursen, die Vivien Schmidt bei der Formulierung ihres diskursiven Institutionalismus aufstellt (Schmidt, V. 2002: 211f, Koß 2008: 80ff). Ihr zufolge privilegieren zentralisierte politische Systeme den kommunikativen Diskurs mit der Bevölkerung, während Systeme mit institutioneller Machtverschränkung dem koordinativen Diskurs der Akteure, also der Eliten, mehr Platz einräumen. Während der koordinative Diskurs dazu dient, dass die politischen Akteure eine gemeinsame Sprache finden,
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12 Abschließende Reflexion der Orientierungshypothesen
Modelloperationalisierung wurden hier auf der Ebene der Entscheidungskommunikation zwei unterschiedliche Modi unterschieden, das Verhandeln und das Argumentieren. Die Unterscheidung der Modi wurde an der Frage entwickelt, inwieweit von den Regierungen moderner Demokratien die inhaltlichen Positionen von anderen (zur Herstellung einer Entscheidungsmehrheit einer Zustimmung bedürfenden) Vetospielern akzeptiert wird oder nicht. Im Falle des Argumentierens wird die Position nicht akzeptiert, vielmehr soll eine argumentative Überzeugung zugunsten der eigenen Position erreicht werden. Beim Verhandeln steht indes nicht die normative Gültigkeit und Richtigkeit einer Position, sondern der „Preis“ für die Zustimmung im Fokus. Der Modus des Argumentierens geht insofern – das haben die Fallbeispielskizzen in den Länderanalysen gezeigt typischerweise einher mit früher öffentlicher Darstellungskommunikation (Going Public) während der verhandelnde Modus eher zu später öffentlicher Darstellungskommunikation führt und vertrauliche Aushandlungsprozesse die vorgelagerte Entscheidungskommunikation prägen. Orientierungshypothese 3 stellt nun den Modus der Regierungskommunikation in die Abhängigkeit des institutionellen Kontextes und postuliert, dass die Regierungskommunikation in Verhandlungsdemokratien typischer Weise maßgeblich von nicht-öffentlichen Verhandlungen geprägt ist, während in Wettbewerbsdemokratien der Modus des Argumentierens dominiert. In den Länderanalysen finden sich dafür zahlreiche Belege, so sind etwa in Deutschland (das hier mit Lijphart als Verhandlungsdemokratie identifiziert worden ist) insbesondere die intensiven vertraulichen Aushandlungsprozesse als charakteristisch herausgestellt worden. Ferner weist auch Schweden als verhandelnde Wettbewerbsdemokratie dieses Muster der Regierungskommunikation auf, während Verhandlungen in den für Frankreich und Großbritannien betrachteten Fallbeispielen nur eine untergeordnete Rolle spielten. Orientierungshypothese 4 hat zur Erklärung die institutionelle Komponente des Regierungssystemtyps herangezogen und sie in einen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt, zu dem Regierungskommunikation als öffentliche Darstellungskommunikation im Entscheidungsprozess erfolgt, gestellt. „Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp des parlamentarischen Regierungssystemtyps orientiert ist, desto später im Entscheidungsprozess liegt der Zeitpunkt für den Beginn der Darstellungskommunikation an öffentliche Adressatengruppen.“ lautete die Orientierungshypothese, die als unmittelbare Ergänzung zu Orientierungshypothese 3 zu sehen ist. Sie referiert auf den Zeitpunkt, zu dem Regierungskommunikation als Darstellungskommunikation öffentlich erfolgt und nimmt als Erklärungsgröße erneut den institutionellen Indikator des Regierungssystems in Befokussiert der kommunikative Diskurs stärker auf den Austausch der Eliten mit der Öffentlichkeit (Schmidt, V. 2002: 230, Koß 2008, 80ff).
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tracht. In der Verhandlungsdemokratie Deutschland, für die bereits eine Dominanz intensiver vertraulicher Aushandlungsprozesse festgestellt werden konnte (Orientierungshypothese 3), begünstigt das parlamentarische System diese Tendenz zu vorgelagerten Elitendiskursen zusätzlich. Die öffentliche Darstellungskommunikation erfolgt dann spät in sozialpolitischen Entscheidungsprozessen (in der Throughput- und/oder in der Output-Phase). Elitendiskurse kennzeichnen auch die Regierungskommunikation im parlamentarischen System Schwedens. Im semi-präsidentiellen System Frankreichs wurde ebenfalls eine späte Darstellungskommunikation als typisch diagnostiziert. Hier, wie auch in den USA, ist allerdings auch das frühe öffentliche Kommunizieren im Rahmen eines Going Public denkbar. Für Orientierungshypothese 4 kann daher gefolgert werden, dass Regierungskommunikation insbesondere dann spät erfolgt, wenn Elemente der Verhandlungsdemokratie dominant sind und gleichzeitig auf den institutionellen Kontext eines parlamentarischen Regierungssystems treffen. Eine Umkehrung der Orientierungshypothese (die stets frühe Darstellungskommunikation in präsidentiellen Systemen prognostizieren würde) wird hier nicht als empirisch begründet erachtet. Orientierungshypothese 5 hat die Bedeutung der Ebenen der Darstellungsund Entscheidungskommunikation zueinander in Relation gesetzt und als Taktgeber dafür den Demokratietyp angeführt. Die Orientierungshypothese lautete: „Je eher eine moderne Demokratie dem Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie entspricht, desto bedeutsamer ist die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation (im Verhältnis zur Ebene der Entscheidungskommunikation).“ Orientierungshypothese 5 schließt insofern ebenfalls unmittelbar an Orientierungshypothese 3 und 4 an und setzt die Bedeutung von Darstellungskommunikation und Entscheidungskommunikation zueinander in Relation. Als Referenz wird hier erneut auf den Demokratietyp Bezug genommen. Auf der Basis der Länderanalysen kann in diesem Zusammenhang für Verhandlungsdemokratien (wie Deutschland) vor allem die Bedeutung der Entscheidungskommunikation betont werden, während für Wettbewerbsdemokratien (wie Großbritannien und Frankreich) vor allem die Bedeutung der Darstellungskommunikation herauszustellen ist. So konnte für Deutschland gezeigt werden, dass der Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation vor allem deswegen eine wesentliche Bedeutung zukommt, weil das Herstellen einer Entscheidungsmehrheit zeitaufwändig in einem engen Korridor erfolgen muss (verschiedene Positionen innerhalb der Koalition müssen auch in Abstimmung mit dem Bundesrat miteinander vereinbar gemacht werden), bevor die öffentliche Darstellungskommunikation erfolgen kann. Dem gegenüber steht idealtypisch die Bedeutung der Entscheidungskommunikation in Großbritannien, die im Vergleich dazu deutlich geringer ausfällt: der britische Regierungschef
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muss dabei „nur“ die Abstimmung mit der eigenen Partei suchen, die aufgrund der heterogenern Struktur der beiden britischen Parlamentsparteien zwar schwieriger als in Deutschland zu erreichen ist. Hat er diese Einvernehmlichkeit jedoch hergestellt, begrenzen auf der Ebene der Entscheidungskommunikation keine weiteren Vetospieler seinen kommunikativen Korridor, so dass seine Aufmerksamkeit vor allem der an die Öffentlichkeit adressierten Darstellungskommunikation gelten kann. Eine große Bedeutung der Darstellungskommunikation hat sich darüber hinaus vor allem auch in den für Frankreich skizzierten Fallbeispielen gezeigt, wo sie typischer Weise der Entscheidungskommunikation nachgelagert in der Output-Phase sozialpolitischer Entscheidungsprozesse erfolgt. Wird der öffentliche Widerstand gegen ein Regierungsvorhaben zu groß, scheitert es, entweder weil der in der Öffentlichkeit stehende Präsident seine Zustimmung versagt oder weil er das Parlament mit der Überarbeitung der Reformagenda beauftragt. Abbildung 39: Ergebnisse der Hypothesenprüfung
Quelle: Eigene Darstellung.
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Auch bei den untersuchten Länderbeispielen, die dem Mischtypus der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie zuzuordnen sind, findet sich hinsichtlich Orientierungshypothese 5 ein interessantes Bild: Im parlamentarischen System Schwedens, in dem die Konstellation einer Minderheitsregierung charakteristisch ist, zeigt sich eine starke Bedeutung der Entscheidungskommunikation (die Regierung muss Mehrheiten vertraulich aushandeln, Elitendiskurse sind hier kennzeichnend), während sich im föderalen System Amerikas eine stärke Bedeutung der Darstellungskommunikation herauskristallisiert hat, die sich insbesondere dann manifestiert, wenn der Präsident über ein Going Public eine Entscheidungsmehrheit herzustellen versucht. Diese – im Vergleich zu Schweden – stärkere Bedeutung der Darstellungskommunikation darf letztlich jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der Entscheidungskommunikation eine zentrale Bedeutung zukommt (insbesondere wenn kein Going Public vorliegt). Bezüglich des Zusammenhangs von Demokratietyp und Bedeutung der Ebenen der Regierungskommunikation im Verhältnis zueinander wird hier insofern abschließend gefolgert, dass Wettbewerbsdemokratien insbesondere die Ebene der Darstellungskommunikation betonen, während Verhandlungsdemokratien vor allem der Entscheidungskommunikation eine zentrale Bedeutung zuweisen. Abbildung F1 fasst die zentralen Erkenntnisse der Hypothesenprüfung auf der Basis der Länderanalysen abschließend zusammen. Bezüglich der Frage, inwieweit sich der Erfolg von Regierungskommunikation in Fallbeispielen moderner Demokratien unterscheidet, wurden auf der Ebene der Fallbeispiele ferner Orientierungshypothese 6 und 7 geprüft. Anders als bei den Orientierungshypothesen 1 bis 5 referieren sie direkt auf den Erfolg von Regierungskommunikation in konkreten Fallbeispielen. Aufgrund der hier untersuchten geringen Fallzahlen ist eine empirische Prüfung der Thesen auf der Länderbasis nicht möglich, wohl aber eine erste Einschätzung im Lichte der Ergebnisse aus den Fallbeispielskizzen in den Länderanalysen. Orientierungshypothese 6 hat diesbezüglich den Erfolg von Regierungskommunikation in den Zusammenhang der Berücksichtigung des wohlfahrtstaatlichen Wertekonsenses bei der Argumentation im Rahmen der Darstellungskommunikation gestellt: „Je eher die Wahl der Argumentation in einem Fallbeispiel von Regierungskommunikation in modernen Demokratien an dem vorliegenden wohlfahrtstaatlichen Wertekonsens orientiert ist, desto erfolgreicher ist sie“ lautete die dazu formulierte Orientierungshypothese. Sie führt die Bedeutung der Berücksichtigung des wohlfahrtstaatlichen Wertekonsenses bei der Argumentation im Rahmen der Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation an. Auf der Basis der skizzierten Fallbeispiele kann dies gefolgert werden, weil insbesondere in den Fällen, in denen Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungs- und/oder der Entscheidungs-
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kommunikation nicht erfolgreich verlaufen war, ein deutlicher Widerspruch zum wohlfahrtstaatlichen Wertekonsens diagnostiziert werden konnte. Als „nicht erfolgreich“ wurde Regierungskommunikation hier in drei der elf skizzierten Fallbeispiele eingeschätzt: Im Fallbeispiel der Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton (die für ihr Vorhaben keine Darstellungslegitimation in der Öffentlichkeit erreichen konnte und darauf basierend auch keine Entscheidungslegitimation erhielt), im Fallbeispiel Agenda 2010 (Hartz-Gesetze) der Regierung Schröder (die zwar eine vorgelagerte Entscheidungslegitimation erhielt, jedoch in anbetracht der Ergebnisse der SPD bei Folgewahlen und der Veränderung der Position der SPD im Parteiengefüge Deutschlands infolge der Implementierung Darstellungslegitimation nicht in ausreichendem Maße erreichen konnte) und im Fallbeispiel Ersteinstellungsvertrag der französischen Regierung Villepin (in dem eine zunächst erzielte Entscheidungslegitimation infolge öffentlicher Proteste zurückgenommen werden musste), wiesen die Argumentationsmuster der Regierungen in Bezug auf den wohlfahrtstaatlichen Wertekonsens des jeweiligen Landes erstaunliche Brüche auf: Im Fallbeispiel der Agenda 2010 der Regierung Schröder war vor allem wettbewerbsorientiert argumentiert worden. Bewertet man die Erwartungshaltung, die sich in Deutschland aus dem konservativen Wohlfahrtsstaatstyp ergibt, als Restriktion aus Sicht der Regierung, da zentrale Verantwortlichkeiten zum Erhalt der sozialen Sicherheit der Bürger (unter Berücksichtigung ihrer Stellung im Erwerbsleben) aufseiten des Staates gesehen werden, ergibt sich diesbezüglich ein Bruch, weil die „nichtkümmernde“ Argumentation der Regierung Schröder diese Erwartungshaltung argumentativ nicht bedient hat. „Fördern und Fordern“ erwies sich insofern zwar bei den Fallbeispielen der Regierungskommunikation in Großbritannien und den USA (die beide durch einen liberalen Wohlfahrtsstaatstyp gekennzeichnet sind) nicht aber in Deutschland als erfolgreiche Argumentation. Im Fallbeispiel der Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton zeigte sich der selbe Bruch unter umgekehrten Vorzeichen: Die liberale Wohlfahrtskultur der USA, die die Verantwortung für die soziale Sicherheit der Bürger vor allem beim Einzelnen selbst verortet, stand ebenfalls offensichtlich nicht in Einklang mit der von Präsident Clinton „kümmernd“ argumentierten gleichwertigen gesundheitlichen Grundabsicherung aller. Clinton unterschätzte das öffentliche Mandat für sein Vorhaben und seine Reformagenda konnte infolgedessen den Kongress nicht passieren. Obama versuchte 13 Jahre später aus diesen Fehlern zu lernen: Seine Reformagenda wurde im Kongress selbst (und nicht von einer außen stehenden Kommission entwickelt) und er machte die Gesundheitsreform zu einem Anliegen höchster Priorität (Chefsache). Vor allem aber enthielt seine Darstellungskommunikation neben (kümmernden) normativ-wertethischen Argumenten aber auch eine klare wettbewerbsorientierte Zentrierung, weil er immer wieder
12 Abschließende Reflexion der Orientierungshypothesen
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auch die finanziellen Vorteile eines breiteren gesundheitlichen Versicherungsschutzes herausstellte und insofern besser die Erwartungshaltung der Amerikaner bedienen konnte, die die Verantwortung für die soziale Sicherheit der Bürger nicht beim Staat sieht. Im Fallbeispiel der Arbeitsmarktreform Ersteinstellungsvertrag der französischen Regierung Villepin hatte wie auch in Deutschland ein konservativer Wohlfahrtsstaatstyp die Erwartungshaltung französischer Bürger an die Rolle des Staates geprägt. Villepin konnte mit seiner (zunächst leisen und später vor allem) wettbewerbsorientierten Argumentation dieser Erwartungshaltung nicht gerecht werden, so dass es im Ergebnis zu öffentlichen Protesten kam, die sein Vorhaben schließlich zu Fall brachten. In den erfolgreich kommunizierten Fallbeispielen liegen diese Brüche nicht vor, so dass hier auf der Basis der geringen Fallzahlen auch abschließend ein Zusammenhang zwischen der Orientierung an der Erwartungshaltung, die sich aus dem wohlfahrtstaatlichen Wertekonsens ergibt und einer erfolgreichen Regierungskommunikation (insbesondere auf der Ebene der Darstellungskommunikation) gefolgert wird. Orientierungshypothese 7 hat schließlich den Erfolg von Kommunikationsstrategien in den Kontext des kommunikativen Korridors gestellt. Sie lautete: „Je eher sich Regierungen moderner Demokratien bei ihrer Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen an den Ressourcen und Restriktionen orientieren, die als kommunikativer Korridor aus dem institutionellen Kontext hervorgehen, desto erfolgreicher sind sie.“ Orientierungshypothese 7 nimmt insofern auf die Orientierungshypothesen 1 bis 6 Bezug und stellt den Erfolg von Regierungskommunikation in den unmittelbaren Zusammenhang mit der Beschaffenheit des institutionellen Kontextes.
13 Abschließende Betrachtung der kommunikativen Korridore der Beispielländer
Was kann auf der Basis der Hypothesenreflexion abschließend hinsichtlich der Regierungskommunikation in den betrachteten Länderbeispielen moderner Demokratien festgehalten werden? Abbildung F2 führt die Ergebnisse zu Orientierungshypothese 1, 2 und 5148 zusammen und bietet so einen Überblick über die Beschaffenheit der kommunikativen Korridore für Regierungskommunikation in den hier analysierten Länderbeispielen moderner Demokratien. Für Deutschland kann auf dieser Basis gezeigt werden, dass der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation – im Vergleich zu den anderen untersuchten Länderbeispielen moderner Demokratien – als besonders eng eingeschätzt werden muss. Der kommunikative Korridor für Darstellungskommunikation ist aufgrund der Verhandlungsrationalitäten eng und darüber hinaus ist – und vor allem das fällt hier schwer ins Gewicht – auch der kommunikative Korridor auf der Ebene der Entscheidungskommunikation eng (zahlreiche Vetospieler müssen einbezogen und ihre unterschiedlichen Positionen miteinander vereinbart werden). Für Großbritannien, das hier als zweites Länderbeispiel analysiert worden ist, ergibt sich demgegenüber auf der Basis der Länderanalyse und des Modells zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation ein ausgesprochen breiter kommunikativer Korridor, der der Regierung weit reichende Möglichkeiten zur argumentativen Rechtfertigung von Reformvorhaben in der Öffentlichkeit einräumt. Gleichzeitig fällt hier ins Gewicht, dass praktisch keine Vetospieler das Entscheidungsverhalten beschränken, so dass auf Verhandlungen außerhalb der eigenen Partei verzichtet werden kann. Für Frankreich ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation wie im Fall Deutschlands enger bemessen. Anders als in Deutschland ist hier vor allem die Enge im Bereich der Darstellungskommunikation ausschlaggebend, während die Konstellation der Einparteienregierung den kommunikativen Korridor im Bereich der Entscheidungskommunikation zunächst groß hält. Aufgrund der institutionellen Konstellation in Frankreich (Wettbewerbsdemo148
Hypothese 1: Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation, Hypothese 2: Je höher die interne Kohärenz der Regierungsmehrheit, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation, Hypothese 5: Je eher eine moderne Demokratie dem Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie entspricht, desto bedeutsamer ist die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation (im Verhältnis zur Ebene der Entscheidungskommunikation).
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8_13, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
13 Abschließende Betrachtung der kommunikativen Korridore der Beispielländer
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kratie) kommt der Entscheidungskommunikation aber nicht die gleiche Bedeutung wie in Deutschland zu, so dass für Frankreich unter dem Strich ebenfalls von einem engen kommunikativen Korridor gesprochen werden muss. Für Schweden kann ein breiter kommunikativer Korridor für Regierungskommunikation festgehalten werden, obwohl sich die Diagnose für Schweden hinsichtlich der Ebenen der Entscheidungskommunikation und der Darstellungskommunikation zunächst nicht von Frankreich unterscheidet. Nimmt man aber den institutionellen Kontext in Betracht, der im Fall Frankreichs der Darstellungskommunikation eine zentrale, im Fall Schwedens aber nur eine geringe Bedeutung beimisst, ergibt sich trotz der zunächst gleichen Diagnose für den kommunikativen Korridor ein unterschiedliches Bild. In Schweden ist vor allem die Ebene der Entscheidungskommunikation bedeutsam, so dass der kommunikative Korridor insgesamt breiter als in Frankreich einzuschätzen ist. Abbildung 40: Ergebnisse der Bewertung der Bemessenheit des kommunikativen Korridors für Regierungskommunikation in den untersuchten Ländern.
Quelle: Eigene Darstellung.
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13 Abschließende Betrachtung der kommunikativen Korridore der Beispielländer
Für die USA ist die Bemessenheit des kommunikativen Korridors anders als in den übrigen betrachteten Länderbeispielen moderner Demokratien weniger gut statisch prognostizierbar. Sie ist in den USA stärker an situativen Gegebenheiten (liegt ein Divided Government vor oder nicht, unterstützt die Mehrheit im Parlament ein Vorhaben des Präsidenten oder nicht, wählt der Präsident den Weg einer frühen öffentlichen Darstellungskommunikation oder nicht) orientiert. Begreift man diese Variabilität des kommunikativen Korridors als Ressource, kann der potentiell erreichbare kommunikative Korridor auch für die USA als groß eingeschätzt werden, obgleich zahlreiche mögliche Restriktionen (etwa die so genannten checks and balances sowie die Verbundenheit der amerikanischen Abgeordneten zu ihren Heimatstaaten) ihn im Vergleich zu Großbritannien immer kleiner ausfallen lassen.
14 Abschließende Beantwortung der Fragestellung
Wäre Barack Obama auch in Schweden erfolgreich? Diese Frage kann auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse sowohl mit "nein" als auch mit "ja" beantwortet werden: Nicht erfolgreich wäre Obama mutmaßlich dann, wenn er mit den selben Strategien, die er als amerikanischer Präsident angewendet hat, als schwedischer Regierungschef seine Regierungskommunikation steuern und planen würde. Würde er allerdings unter Berücksichtigung des institutionellen Kontextes von Schweden seine kommunikativen Handlungskorridore neu eruieren, diese bewusst entlang landesspezifischer Rationalitäten gestalten und nutzen, wäre das Setting der auszuwählenden Strategien zwar ein anderes als in den USA, allerdings könnte Obama dann auch in Schweden erfolgreich regieren. Die Berücksichtigung des institutionellen Kontextes einer modernen Demokratie nimmt insofern – so kann es im Lichte der hier zugrunde liegenden Erkenntnisse abschließend gefolgert werden – unmittelbaren Einfluss auf das Erfolgspotential von Strategien der Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen. Hier ist argumentiert worden, dass der Zusammenhang von institutionellem Kontext und Regierungskommunikation verdeutlicht werden kann, wenn man auf der institutionellen Seite den Regierungssystemtyp, den Demokratietyp und – da hier sozialpolitische Diskurse fokussiert worden sind – den Wohlfahrtsstaatstyp in Betracht nimmt. Vor dem Hintergrund dahingehend variierender Ausprägungen aufseiten des institutionellen Kontextes ist Regierungskommunikation hier auf der prozessualen Ebene analytisch in die Bereiche der Entscheidungskommunikation und Darstellungskommunikation unterschieden worden.149 Unterschiede im institutionellen Kontext moderner Demokratien führen daraus folgend – so ist es hier angenommen worden – zu Unterschieden in der Regierungskommunikation auf den Ebenen der Entscheidungs- und der Darstellungskommunikation. Im Rahmen der Modellierung wurden fünf Orientierungshypothesen aufgestellt, die diese Unterschiede näher bezeichnen. Ihre Überprüfung erfolgte im Rahmen der Länderanalysen in Teil II. Orientierungshypothese 1 hat den Zusammenhang zwischen dem Demokratietyp und der Größe des kommunikativen Korridors thematisiert, der zur Regierungskommunikation genutzt werden kann. 149
Die Unterscheidung in die Ebenen der Entscheidungs- und der Darstellungskommunikation erfolgte auf der Basis der Unterscheidung von Darstellungs- und Entscheidungspolitik (dazu grundlegend: Sarcinelli 2006, sowie Kapitel 4).
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Sie lautet: „Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation.“ Orientierungshypothese 2 hat ebenfalls die Größe des kommunikativen Korridors thematisiert. Sie lautet: „Je höher die interne Kohärenz der Regierungsmehrheit, desto größer ist der kommunikative Korridor für Regierungskommunikation.“ Orientierungshypothese 3 hat erneut die Erklärungskraft des Demokratietyps aufseiten der unabhängigen Variable thematisiert und einen Zusammenhang mit dem die Regierungskommunikation auf der Ebene der Entscheidungskommunikation kennzeichnenden Modus herausgestellt. Die Orientierungshypothese lautet dabei: „Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie orientiert ist, desto eher dominiert ein argumentierender Modus auf der Ebene der Entscheidungskommunikation (im Verhältnis zu einem verhandelnden Modus).“ Orientierungshypothese 4 hat zur Erklärung die institutionelle Komponente des Regierungssystemtyps herangezogen und sie in einen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt, zu dem Regierungskommunikation als öffentliche Darstellungskommunikation im Entscheidungsprozess erfolgt, gestellt. „Je eher eine moderne Demokratie am Idealtyp des parlamentarischen Regierungssystemtyps orientiert ist, desto später im Entscheidungsprozess liegt der Zeitpunkt für den Beginn der Darstellungskommunikation an öffentliche Adressatengruppen“ lautet diese Orientierungshypothese, die als unmittelbare Ergänzung zu Orientierungshypothese 3 zu sehen ist. Orientierungshypothese 5 hat die Bedeutung der Ebenen der Darstellungs- und Entscheidungskommunikation zueinander in Relation gesetzt und als Taktgeber dafür den Demokratietyp angeführt: „Je eher eine moderne Demokratie dem Idealtyp der Wettbewerbsdemokratie entspricht, desto bedeutsamer ist die Regierungskommunikation auf der Ebene der Darstellungskommunikation (im Verhältnis zur Ebene der Entscheidungskommunikation).“ Drei von fünf Orientierungshypothesen (1, 3 und 5) referieren insofern insbesondere auf die Bedeutung des Demokratietyps für die Regierungskommunikation, so dass hier vor allem auch die abschließende Betonung der Annahmen von Arend Lijphart herauszustellen ist, der 136 Demokratien entlang der Exekutive-Parteien-Achse und der Föderalismus-Unitarismus-Achse vier Idealtypen – der Verhandlungsdemokratie, der verhandelnden Wettbewerbsdemokratie (unitarischen und föderalen Typs) und der Wettbewerbsdemokratie – zugeordnet hat. Seine Typisierung liefert – so haben es die Länderanalysen in Teil II gezeigt – ein weit reichendes Erklärungspotential für Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Fallbeispielen der Regierungskommunikation in sozialpolitischen Diskursen. Des weiteren ist auf der Basis der hier ermittelten Erkenntnisse in die politikwissenschaftlichen Debatte, ob neben der Unterscheidung von parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystemtypen eine weitere Unterscheidung
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des semi-präsidentiellen Typus als sinnvoll zu erachten ist (dazu etwa Soldner 2010: 61ff), unbedingt eine befürwortende Argumentation einzuwerfen. In der Regierungskommunikation zeigen sich diesbezüglich deutliche Unterschiede zum präsidentiellen und parlamentarischen Typus, wenn Regierungsmacht wie im französischen, polnischen oder österreichischen Fall auf zwei politische Persönlichkeiten verteilt ist. Für den französischen Fall konnte hier verdeutlicht werden, dass selbst wenn Staatspräsident und Premierminister aus demselben politischen Lager stammen – die interne Kohärenz formal also maximal ist – die Zustimmung des in der Öffentlichkeit stehenden Präsidenten keineswegs sicher ist und Regierungsvorlagen durch ihn zu Fall gebracht werden können, wenn der öffentliche Druck zu groß wird. Das (1999) von Esping-Andersen formulierte Konzept des Wohlfahrtsstaatstyps ist hier ferner hinsichtlich der Kategorisierung der Erwartungshaltung der Bürger und zur Abschätzung des Erfolgspotentials von unterschiedlichen Argumentationsstrategien als relevant erachtet worden, wenngleich aufgrund der geringen Fallzahl hier keine systematischen Aussagen getroffen werden können. Insgesamt erscheint Regierungskommunikation in modernen Demokratien heute –schneller, interaktiver und fluider werdender Zeiten zum Trotz – in klarer Abhängigkeit von einem stabilen, auf der nationalen Ebene institutionell determinierten kommunikativen Korridor. Dieses Ergebnis fügt sich in ein Gesamtbild der gegenwärtigen Forschungslandschaft ein, wonach die große Bedeutung nationaler Kontexte, sowie die Schlüsselfunktion von Regierungen, die als Träger politischer Macht kommunikative Korridore zur aktiven Gestaltung nutzen können, multivariaten Governance-Ansätzen immer auch kritisch entgegenzusetzen ist.
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Aufbau der Arbeit
13
Abbildung 2:
Das Modell des akteurszentrierten Institutionalismus von Scharpf und Mayntz
34
Abbildung 3:
Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
43
Abbildung 4:
Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation [mit Operationalisierungsindikatoren]
44
Abbildung 5:
Länderauswahl. Quelle: Eigene Darstellung.
58
Abbildung 6:
Methodische Vorgehensweise in den Länderanalysen. Quelle: Eigene Darstellung.
60
Abbildung 7:
Fallbeispiele in den Länderanalysen. Quelle: Eigene Darstellung.
61
Abbildung 8:
Eigenes Modell zur Kontextualisierung von Regierungskommunikation
68
Abbildung 9:
Länderauswahl. Quelle: Eigene Darstellung.
70
Abbildung 10:
Fallbeispiele in den Länderanalysen. Quelle: Eigene Darstellung.
70
Abbildung 11:
Verlauf des Entscheidungsprozesses der Arbeitsmarktreform Hartz I bis IV der Regierung Schröder
77
Regierungskommunikation der Regierung Schröder im Entscheidungsprozess der Agenda 2010 (in Bezug auf die Hartz-Gesetze)
80
Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Einführung des Gesundheitsfonds der Regierung Merkel
82
Abbildung 12:
Abbildung 13:
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
198 Abbildung 14:
Abbildungsverzeichnis
Regierungskommunikation der Regierung Merkel im Entscheidungsprozess zur Einführung des Gesundheitsfonds
83
Abbildung 15:
Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Deutschland. Quelle:
88
Abbildung 16:
Struktur der Regierungskommunikation in Großbritannien
91
Abbildung 17:
Verlauf der Arbeitsmarktreform New Deals der Regierung Blair
93
Abbildung 18:
Regierungskommunikation der Regierung Blair im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Einführung der New Deals
95
Abbildung 19:
Verlauf der Gesundheitsreform National Health Service Plan der Regierung Blair
97
Abbildung 20:
Regierungskommunikation der Regierung Blair im Rahmen des Entscheidungsprozesses zum National Health Service Plan
99
Abbildung 21:
Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Großbritannien
103
Abbildung 22:
Verlauf der Sozialreform Plan Juppé der Regierung Juppé.
108
Abbildung 23:
Regierungskommunikation der Regierung Juppé im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Sozialreform Plan Juppé.
109
Abbildung 24:
Verlauf der Arbeitsmarktreform Ersteinstellungsvertrag der Regierung Villepin.
112
Abbildung 25:
Regierungskommunikation der Regierung Villepin im Rahmen des Entscheidungsprozesses zum Ersteinstellungsvertrag.
113
Abbildung 26:
Regierungskommunikation in institutionellen Kontext von Frankreich.
117
Abbildung 27:
Verlauf der Rentenreform langfristige soziale Sicherung der Regierung Persson
121
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 28:
199
Regierungskommunikation der Regierung Persson im Entscheidungsprozess zur Rentenreform zur langfristigen sozialen Sicherung
123
Abbildung 29:
Verlauf der Arbeitsmarktreform Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit der Regierung Persson
125
Abbildung 30:
Regierungskommunikation der Regierung Persson im Rahmen des Entscheidungsprozesses zum Programm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit
127
Abbildung 31:
Regierungskommunikation im institutionellen Kontext von Schweden
130
Abbildung 32:
Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton
135
Abbildung 33:
Regierungskommunikation im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Hillarycare der Regierung Clinton
136
Abbildung 34:
Verlauf der Sozialreform Welfare Reform der Regierung Clinton
137
Abbildung 35:
Regierungskommunikation der Regierung Clinton im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Welfare Reform
139
Abbildung 36:
Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Obamacare
144
Abbildung 37:
Regierungskommunikation der Regierung Obama im Rahmen des Entscheidungsprozesses zur Gesundheitsreform Obamacare
145
Abbildung 38:
Regierungskommunikation im institutionellen Kontext der USA.
152
Abbildung 39:
Ergebnisse der Hypothesenprüfung
162
Abbildung 40:
Ergebnisse der Bewertung der Bemessenheit des kommunikativen Korridors für Regierungskommunikation in den untersuchten Ländern.
167
Danksagung
Das Verfassen einer Dissertation ist nicht nur eine wissenschaftliche Leistung des Lernens und des Forschens, sondern vor allem auch eine mentale Leistung des Durchhaltens und des Wachsens. ´Nicht den Glauben an sich selbst zu verlieren´ scheint mir in zahlreichen Dissertationsvorhaben eine entsprechend größere Herausforderung zu sein, als das Finden und Beantworten einer wissenschaftlich innovativen Fragestellung. Mir hat diesbezüglich vor allem der Rückhalt eines guten Netzwerks aus beruflichen und privaten Kontakten geholfen, für den ich große Dankbarkeit empfinde. Mein erster Dank gilt in diesem Zusammenhang Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, der meine Dissertation betreut und mir an seinem Lehrstuhl und in seinem Team die Möglichkeit eingeräumt hat, diese Arbeit zu verfassen. Darüber hinaus danke ich Prof. Dr. Ulrike Berendt, die als Zweitgutachterin jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung stand. Besonders wichtig war für mich ferner auch die Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen der Forschungsgruppe Regieren und der NRW School of Governance. Dagmar Bäcker gilt hier der erste herzliche Dank. Darüber hinaus danke ich meiner Kollegin Kristina Weißenbach sowie meinen Kollegen Jan Treibel und Frank Gadinger. Großer Dank gebührt auch Dr. Timo Grunden für seine kontinuierliche Beratung und Prof. Dr. Andreas Blätte für ein finales Coaching in der Endphase. Meinen Mitarbeiterinnen Miriam Heiming und Jennifer Hindrichs danke ich für ihre wunderbare Unterstützung und ihr Nachsehen, dass ich – wie soll es auch anders sein in stressigen Zeiten – des Öfteren meine Arbeitsaufträge im Eilverfahren zu später Stunde an sie erteilt habe. Ein wissenschaftliches Lebensabschnittsprojekt wird zudem immer auch getragen von der Unterstützung des persönlichen Umfeldes, den Freunden und der Familie. Diesbezüglich möchte ich mein herzliches Dankeschön richten an Henning Becker, Marvin Bender, André Diermann, Stefanie Delhees, Tino Jessberger, Andreas Jüschke, Ulf Kemper, Judith Klose, Chris Kurbjuhn, Christian Lüder, Sandra Müller, Martin Nocon, Phillipp Offergeld, Anne Peters, Katrin Prinzen, Nicole Renvert und Vanessa Schröder. Mein besonders tief empfundener Dank gilt darüber hinaus meinen Eltern Erika und Jürgen Diermann. Sie haben mich in allen zentralen Prozessen und Entscheidungen beständig unterstützt und bestärkt. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.
M. Diermann, Regierungskommunikation in modernen Demokratien, DOI 10.1007/ 978-3-531-92739-8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011